Insolvenzanfechtung: Fallgruppenkommentar [3. neu bearbeitete Auflage] 9783504385095

Seit April 2017 sind die Inhalte der „Anfechtungsnovelle“ geltendes Recht für alle neuen Insolvenzverfahren! Vor allem b

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Insolvenzanfechtung: Fallgruppenkommentar [3. neu bearbeitete Auflage]
 9783504385095

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Kummer . Schäfer . Wagner Insolvenzanfechtung Fallgruppenkommentar

Insolvenzanfechtung Fallgruppenkommentar von

Dr. Joachim Kummer Rechtsanwalt beim BGH, Ettlingen

Berthold Schäfer Rechtsanwalt, Marbach a.N.

Dr. Eberhard Wagner Rechtsanwalt, Karlsruhe

unter Mitarbeit von

Werner Maier Rechtsanwalt, Stuttgart

3. Auflage

2017

Zitierempfehlung: K/S/W, Bearbeiter, Insolvenzanfechtung, 3. Aufl., Rz. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-43011-5 ©2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Die Neuauflage hält an der bewährten Grundkonzeption dieses Werkes fest. Diese besteht zum einen in der Ausgliederung des Insolvenzanfechtungsrechts aus der Kommentierung der gesamten Insolvenzordnung. Denn das in wenigen gesetzlichen Tatbeständen geregelte Insolvenzanfechtungsrecht hat aufgrund der Vielgestaltigkeit der Rechtsfälle sowie durch Rechtsprechung und Schrifttum einen Umfang angenommen, der eine umfassende Darstellung in einem einbändigen Kommentar zur gesamten Insolvenzordnung kaum zulässt. Zum anderen ist es das Ziel des vorliegenden Werks, das Kommentierte möglichst anschaulich darzustellen. Deshalb wurden hier zahlreiche Entscheidungen der Gerichte mit Sachverhalt und Entscheidungsgründen in komprimierter Form wiedergegeben, um das in großen Teilen aus „Fallrecht“ bestehende Insolvenzanfechtungsrecht greifbar zu machen. Das Insolvenzanfechtungsrecht spielt in der Praxis eine unverändert große Rolle, wie auch die jüngsten Reformbemühungen zeigen, die mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.3.2017 (BGBl. I S. 654) einen vorläufigen Abschluss gefunden haben. Die hier relevanten Änderungen der §§ 133, 142, 143 InsO werden in dieser Neuauflage ausführlich dargestellt. Ständig neue Fragen stellen sich auch im Zusammenhang mit der Anfechtung in sogenannten „Mehrpersonenverhältnissen“. Dazu sind seit der Vorauflage etliche höchst- und obergerichtliche Urteile ergangen. Die Ausführungen zur mittelbaren Zuwendung und deren Abgrenzung zur sogenannten „Leistungskette“ wurden daher komplett überarbeitet und wesentlich erweitert. Wichtige Entscheidungen sind auch zu § 135 InsO ergangen. Besonders hervorzuheben sind insoweit das Grundsatzurteil vom 29.1.2015 (BGHZ 204, 83 ff.) zur Nutzungsüberlassung und das die Rechtsprechung zu den sogenannten „Staffelkrediten“ bestätigende Urteil vom 16.1.2014 (ZIP 2014, 785 f.). Durch zwei Urteile des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 23.6.2015 (BGHZ 206, 52 ff.) und vom 8.12.2015 (ZIP 2016, 364 ff.) zu § 64 GmbHG sind die Unterschiede zur Rechtsprechung des IX. Zivilsenats hinsichtlich der Frage der Gläubigerbenachteiligung bei Zahlungen über ein debitorisch geführtes Konto des Schuldners noch stärker hervorgetreten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts zu § 133 InsO ist vom Rechtsanwender stets besonders zu beachten, da namentlich der Bundesgerichtshof ständig die Bedeutung der tatrichterlichen Gesamtwürdigung der für und gegen das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung sprechenden Beweisanzeichen betont, dabei aber immer wieder korrigierend eingreift, wenn ein Beweisanzeichen nicht beachtet oder dessen Bedeutung verkannt wurde. Dies hat dazu geführt, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur noch schwer überschaubar ist. Sie wird daher auch in dieser Neuauflage ausführlich dargestellt. Zugleich wird jedoch weiterhin im Interesse der Rechtssicherheit für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 133 Abs. 1 InsO anhand des Normzwecks und unter Beachtung des „Abstandsgebots“ zur Deckungsanfechtung plädiert. V

Vorwort

Die Kommentierung des sog. Bargeschäftsprivilegs (§ 142 InsO) wurde grundlegend überarbeitet, veranlasst vor allem durch das Anfechtungsreformgesetz vom 29.3.2017, das die Vorsatzanfechtung von Bargeschäften im praktischen Regelfall ausschließt und eine inkonsistente Sonderregelung für Lohn- und Gehaltszahlungen vorsieht. Darüber hinaus sind Leitentscheidungen zu Direktzahlungen, Kongruenzvereinbarungen und bargeschäftsähnlichen Leistungen eingearbeitet. Zu § 143 InsO ist u.a. das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2014 (ZIP 2014, 2303) hervorzuheben, welches die Relativität der Anfechtung und die Grenzen des daraus fließenden Rückgewähranspruchs aufzeigt, indem es dem Zwangsverwalter verbietet, aus der Anfechtung des Mietvertrags durch den Insolvenzverwalter einen Räumungsanspruch gegen den Mieter abzuleiten. Rechtsprechung und Schrifttum konnten im Wesentlichen bis Frühsommer 2017 berücksichtigt werden. Für Hinweise und Anregungen sind die Autoren und der Verlag auch weiterhin dankbar. Die Autoren, Ettlingen, Karlsruhe, Marbach und Stuttgart im Juli 2017

VI

Inhaltsübersicht Ausführliche Inhaltsverzeichnisse zu Beginn der einzelnen Kapitel. Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX

Rz. Seite

A. Einleitung (Schäfer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A1

1

I. Gesetzesentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A1

1

II. Gesetzessystematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . . . .

A11

4

III. Verhältnis bzw. Konkurrenz der Insolvenzanfechtung zu anderen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A36

12

IV. Internationales Anfechtungsrecht; gerichtliche Zuständigkeit bei Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A47

18

V. Entwicklungstendenzen und Reformbestrebungen; Änderungen durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG . . . . . .

A50

23

B. § 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung (Schäfer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B1

34

I. Die Rechtshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B1

37

II. Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B306 154

III. Anfechtungsanspruch – Rechtsnatur, Entstehung, Abtretbarkeit und Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B664 266

IV. Zeitliche Reichweite des § 129 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B736 290

V. Verhältnis zur Einzelgläubigeranfechtung . . . . . . . . . . . . . . .

B739 291

C. § 130 InsO – Kongruente Deckung (Schäfer) . . . . . . . . .

C1

293

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

C1 294

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C10 298

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C18 307

D. § 131 InsO – Inkongruente Deckung (Schäfer) . . . . . . . .

D1

360

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

D1 361

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D12 363

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D29 369 VII

Inhaltsbersicht Rz. Seite

E. § 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (Schäfer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E1

414

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

E1 414

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E13 418

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E20 420

F. § 133 InsO – Vorsatzanfechtung (Schäfer) . . . . . . . . . . . .

F1

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

F1 434

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

F12 442

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

F15 444

G. § 134 InsO – Unentgeltliche Leistung (Schäfer) . . . . . . .

G1

433

529

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

G1 529

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

G11 532

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

G19 535

H. § 135 InsO – Gesellschafterdarlehen (Schäfer) . . . . . . . . I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

H1

592

H1 593

II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“ . . . . . . . . . . . . .

H31 606

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

H68 634

I. § 136 InsO – Stille Gesellschaft (Schäfer) . . . . . . . . . . . .

I1

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

I1 667

667

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I6 669

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I15 674

J. § 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen (Wagner)

J1

683

I. Zweck und Entstehungsgeschichte der Norm . . . . . . . . . . . .

J1 683

II. Ausschluss der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 132 InsO (§ 137 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

J4 686

III. Anfechtung gegenüber dem letzten Regressschuldner – Anspruch auf Ersatzrückgewähr (§ 137 Abs. 2) . . . . . . . . . . .

J19 693

IV. Scheckzahlungen (§ 137 Abs. 3 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

J30 698

V. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

J37 701

VIII

Inhaltsbersicht Rz. Seite

K. § 138 InsO – Nahestehende Personen (Maier) . . . . . . . . .

K1

703

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

K1 704

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

K9 706

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

K11 706

L. § 139 InsO – Berechnung der Fristen vor dem Eröffnungsantrag (Maier) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

L1

715

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

L1 715

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

L5 716

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

L10 718

M. § 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung (Schäfer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

M1

726

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . .

M1 727

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . .

M5 728

III. § 140 Abs. 2 InsO – Sonderfall des eintragungsbedürftigen Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

M97 773

IV. § 140 Abs. 3 InsO – bedingte und befristete Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M109 777 V. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M134 787

N. § 141 InsO – Vollstreckbarer Titel (Wagner) . . . . . . . . . .

N1

789

I. Entstehung, Zweck und Systematik des Gesetzes . . . . . . . . .

N1 789

II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

N15 799

III. Internationales Recht – EuGVVO und EuInsVO . . . . . . . . . .

N26 808

O. § 142 InsO – Bargeschäft (Wagner) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

O1

810

I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift . . . . . . . .

O1 814

II. Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

O19 838

III. Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

O78 897

IV. Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O115 922 V. Rechtsfolgen des Bargeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O124 935 VI. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O133 949 VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . O136 952 VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im Überblick . . . . . . . . O222 1005

IX

Inhaltsbersicht Rz. Seite

P. § 143 InsO – Rechtsfolgen (Kummer) . . . . . . . . . . . . . . .

P1 1022

I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

P1 1023

II. Gesetzesinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

P6 1024

III. Rechtsnatur, Entstehung und Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

P11 1025

IV. Inhalt des Anfechtungsanspruchs (Primäranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

P47 1036

V. Inhalt der Sekundäransprüche (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO) . . . .

P87 1046

VI. Rückgewähr unentgeltlicher Leistungen (§ 143 Abs. 2 InsO) .

P114 1053

VII. Rückgewähr bei gesellschafterbesicherten Drittdarlehen an eine Gesellschaft (§ 143 Abs. 3 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . .

P152 1063

VIII. Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

P170 1068

IX. Prozessführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

P172 1069

Q. § 144 InsO – Ansprüche des Anfechtungsgegners (Kummer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Q1 1070

X

I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Q1 1070

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Q2 1070

III. Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners (§ 144 Abs. 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Q5 1071

IV. Vertragliche Gegenleistung (§ 144 Abs. 2 InsO) . . . . . . . . . . .

Q12 1074

R. § 145 InsO – Anfechtung gegen Rechtsnachfolger (Kummer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

R1 1078

I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

R1 1078

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

R2 1078

III. Gesamtrechtsnachfolge (§ 145 Abs. 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . .

R5 1079

IV. Einzelrechtsnachfolge (§ 145 Abs. 2 InsO) . . . . . . . . . . . . . . .

R7 1079

V. Verhältnis zwischen den Anfechtungsansprüchen gegen Ersterwerber und Einzelrechtsnachfolger . . . . . . . . . . . . . . . .

R20 1083

S. § 146 InsO – Verjährung des Anfechtungsanspruchs (Kummer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

S1 1085

I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

S1 1085

II. Verjährung (§ 146 Abs. 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

S6 1086

III. Einrede der Anfechtbarkeit (§ 146 Abs. 2 InsO) . . . . . . . . . . .

S9 1088

IV. Annex: Tarifvertragliche Verfallsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . .

S21 1091

Inhaltsbersicht Rz. Seite

T. § 147 InsO – Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung (Kummer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

T1 1093

I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

T1 1093

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

T2 1093

III. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

T3 1094

IV. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

T7 1095

Rechtsprechungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1097

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1139

XI

Abkürzungsverzeichnis a.A. abl. ABl. Abs. ADS a.E. AFG AFRG AG AGB AGG AktG allg.M. Alt. Anh. Anm. AnwBl. AO AP AR-Blattei ArbG ArbGG Art.

anderer Ansicht ablehnend EG/EU Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften/Union Absatz Adler/Düring/Schmaltz am Ende Arbeitsförderungsgesetz Arbeitsförderungs-Reformgesetz Aktiengesellschaft; Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz allgemeine Meinung Alternative Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsrecht-Blattei Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Artikel

BA BAG BayObLG BB BC Bd. BdB BdF Begr. BetrAVG

Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater Bilanzbuchhalter und Controller Band Bundesverband deutscher Banken Bundesminister(ium) der Finanzen Begründung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (= Betriebsrentengesetz) Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt

BetrVG BFH BFuP BGB BGBl.

XIII

Abkrzungsverzeichnis

BGH BGHSt BGHZ BKR BMF BMJ BpO 2000 BR-Drucks. BSG BStBl. BT-Drucks. Buchst. BVerfG BZRG

Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium der Finanzen Bundesminister der Justiz Betriebsprüfungsordnung Bundesrats-Drucksache Bundessozialgericht Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Buchstabe Bundesverfassungsgericht Bundeszentralregistergesetz

DB DBW DGVZ Diss. DJT DStR DStZ DSWR DVFA

Der Betrieb Die Betriebswirtschaft Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung Dissertation Deutscher Juristentag Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung Datenverarbeitung – Steuer – Wirtschaft – Recht Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ab 1999 Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht)

DZWIR

EG EGInsO EInsO EK EKEG EStG EuGH EWiR EzA f., ff. FamFG

XIV

Europäische Gemeinschaften; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts Eigenkapital Eigenkapitalersatz-Gesetz (Österreich) Einkommensteuergesetz Europäischer Gerichtshof Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Arbeitsrecht folgende (Singular, Plural) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Abkrzungsverzeichnis

FAR IDW FG FGG FMStG Fn. FR FS GA GBO gem. GesO GewStG GK GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GRUR GUG

Fachausschuss Recht des Instituts der Wirtschaftsprüfer Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanz-Rundschau Festschrift

GUV GVG

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Grundbuchordnung gemäß Gesamtvollstreckungsordnung Gewerbesteuergesetz Gemeinschaftskommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Der GmbH-Steuer-Berater Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz über die Unterbrechung von Gesamtvollstreckungsverfahren Gewinn- und Verlustrechnung Gerichtsverfassungsgesetz

HGB h.L. h.M.

Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung

IAS IASB IASC i.d.F. i.d.R. IDW IDW-HFA InsG-DA InsO InVo

International Accounting Standards International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer Durchführungsanweisungen zum Insolvenzgeld Insolvenzordnung Insolvenz & Vollstreckung

JbFSt. JR JuS

Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Rundschau Juristische Schulung XV

Abkrzungsverzeichnis

JW JZ

Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KapAEG KG KO KonTraG

Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz Kommanditgesellschaft Konkursordnung Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kündigungsschutzgesetz Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Zeitschrift für Insolvenzrecht (vormals Konkurs, Treuhand, Sanierung, davor Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen) Gesetz über das Kreditwesen

KSchG KSI KStG KStR KTS

KWG LAG LAGE LArbG LG LM LöschG MaRisk MBO MDR MoMiG MünchHdb. GesR MünchKomm. m.w.N./ m.w.Nachw. n.F. NJW NJW-RR NStZ NWB NZA NZI

XVI

Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Landesarbeitsgericht Landgericht Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier, Möhring u.a. Löschungsgesetz Mindestanforderungen an das Risikomanagement Management Buy-out Monatsschrift für Deutsches Recht Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen

neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz und Sanierung

Abkrzungsverzeichnis

OGH öKo OLG OLGZ

(Österreichischer) Oberster Gerichtshof Österreichische Konkursordnung Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

PSVaG

Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit

RBerG RdA RegE RG RGBl. RGZ RMS Rpfleger Rz.

Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Regierungsentwurf Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Risikomanagementsystem Der Rechtspfleger Randziffer

SGB Slg. SolvV SprAuG Stbg. StGB StPO str.

Sozialgesetzbuch Sammlung Solvabilitätsverordnung Sprecherausschussgesetz Die Steuerberatung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig

TVG

Tarifvertragsgesetz

UmwG UmwStG URG Urt. UStDV UStG u.U.

Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Unternehmensreorganisationsgesetz (Österreich) Urteil Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz unter Umständen

VerbrKrG Verf. VglO

Verbraucherkreditgesetz Verfasser Vergleichsordnung

WiB WiSt wistra

Wirtschaftsrechtliche Beratung Wirtschaftsstrafgesetz Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht XVII

Abkrzungsverzeichnis

WM WPg WPK-Mitt. WPrax WuB

Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Wirtschaftprüferkammer-Mitteilungen Wirtschaftsrecht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht

ZBB ZfB ZfbF

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Planung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeugen- und Sachverständigen-Entschädigungsgesetz zustimmend Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht

ZfP ZGR ZHR ZInsO ZIP ZPO ZSEG zust. ZVG ZVI

XVIII

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XXX

A. Einleitung

Rz. I. Gesetzesentstehung. . . . . . . . . . . . . II. Gesetzessystematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die besondere Insolvenzanfechtung (§§ 130 bis 132 InsO) . . . . . . . . a) § 130 InsO – Anfechtbarkeit einer kongruenten Deckung. . . . b) § 131 InsO – Anfechtbarkeit einer inkongruenten Deckung . . c) § 132 InsO – Anfechtbarkeit unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . 2. Die allgemeine Insolvenzanfechtung (§§ 133, 134 InsO) . . . . . . . . . . a) § 133 InsO – Vorsatzanfechtung. b) § 134 InsO – Anfechtbarkeit unentgeltlicher Leistungen . . . . 3. Die Sonderregelungen der §§ 135, 136 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A1 A11 A16 A19 A21 A25 A27 A28 A30 A33

Rz. III. Verhältnis bzw. Konkurrenz der Insolvenzanfechtung zu anderen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtungsgesetz . . . . . . . . . . . . . 2. Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) und Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) . . . . . 3. Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) 4. Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . 5. Rückschlagsperre nach § 88 InsO . 6. Verhältnis zur Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . .

A36 A36 A38 A42 A44 A45 A46

IV. Internationales Anfechtungsrecht; gerichtliche Zuständigkeit bei Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . .

A47

V. Entwicklungstendenzen und Reformbestrebungen; Änderungen durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A50

I. Gesetzesentstehung § 129 InsO trat als Grundnorm des Insolvenzanfechtungsrechts mit der Insol- A 1 venzordnung am 1.1.1999 in Kraft und entspricht inhaltlich der Vorgängerbestimmung des § 29 KO, auch wenn er von dessen Wortlaut abweicht. Durch den Wortlaut des § 129 Abs. 1 InsO wird klargestellt, dass jeder Anfechtungstatbestand eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger voraussetzt.1 Dieses tatbestandliche Erfordernis galt nach damaliger herrschender Auffassung auch schon für § 29 KO, obwohl es dort nicht ausdrücklich erwähnt war.2 Als Kernstück des neuen Rechts der Insolvenzanfechtung wurden die vier Haupt- A 2 tatbestände der früheren Konkursanfechtung im Grundsatz beibehalten.3 Dabei entsprechen die §§ 130 bis 132 InsO der besonderen Konkursanfechtung nach § 30 KO, § 133 InsO entspricht der sogenannten „Absichtsanfechtung“ nach § 31 KO und § 134 InsO entspricht der Schenkungsanfechtung nach § 32 KO. § 135 InsO entspricht schließlich § 32a KO, nach dem die Sicherung oder 1 BGH v. 20.10.2005 – IX ZR 276/02, NotBZ 2006, 173 = MDR 2006, 594 = WM 2006, 490 (491); v. 5.7.2007 – IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129 ff. = GmbHR 2007, 1146 m. Anm. Blöse = MDR 2007, 1450; v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05, MDR 2008, 884 = NotBZ 2008, 266 m. Anm. Suppliet = ZInsO 2008, 558 ff. Rz. 13. 2 BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985, 364 (365); v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1973, 271 (273); Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 29 Rz. 60; Kilger/ K. Schmidt, 17. Aufl., § 29 Anm. 13. 3 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 156. Schfer

1

A Rz. 2

Einleitung

Befriedigung des Gläubigers eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens ebenfalls der Anfechtung unterlag. A 3 Nach der Gesetzesbegründung zu § 129 InsO hatte das Recht der Konkursanfechtung die ihm vom Gesetzgeber zugedachte Aufgabe nur unvollkommen erfüllt. Es wurden daher wichtige Änderungen des Insolvenzanfechtungsrechts vorgenommen, deren Ziel es ist, das Anfechtungsrecht wirksamer auszugestalten.4 So wurden die Anfechtungszeiträume zum Teil erheblich ausgeweitet, etwa im Bereich der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) und der Anfechtung unentgeltlicher Zuwendungen (§ 134 InsO). Für die Bestimmung der Anfechtungsfrist wird einheitlich von dem – zulässigen und begründeten – Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgerechnet, und zwar unabhängig davon, ob der Antrag vom Schuldner oder vom Gläubiger gestellt wurde.5 Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen wurden zum Teil beseitigt (etwa bei § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder im Interesse erleichterter Anfechtbarkeit dadurch abgeschwächt, dass bereits die Kenntnis von Umständen genügt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag (vgl. § 130 Abs. 2 InsO) bzw. eine Gläubigerbenachteiligung schließen lassen (vgl. § 131 Abs. 2 InsO). A 4 Gegenüber den dem Schuldner nahestehenden Personen im Sinne des § 138 InsO sieht das Gesetz eine Umkehr der Beweislast vor. Von wesentlicher Bedeutung ist ferner die Klarstellung in der Gesetzesbegründung zu § 140 Abs. 1 InsO, wonach die Abtretung einer künftigen Forderung erst mit der Entstehung der Forderung vorgenommen ist.6 Damit ist jedenfalls für den Bereich des Anfechtungsrechts geklärt, dass eine künftige Forderung nicht schon mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages endgültig der künftigen Insolvenzmasse entzogen ist.7 A 5 Wegen der Verschärfung des Anfechtungsrechts, insbesondere im Bereich der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO und der unentgeltlichen Leistungen gemäß § 134 InsO hat der Gesetzgeber die Haftung des Vermögensübernehmers als entbehrlich angesehen; § 419 BGB wurde durch Art. 33 Nr. 16 EGInsO aufgehoben.8 A 6 Nicht alle Bestrebungen, das Anfechtungsrecht wirksamer zu machen, sind jedoch letztlich auch Gesetz geworden. Während ursprünglich im Bereich der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen die zeitliche Nähe des Erwerbs zur Insolvenzeröffnung es rechtfertigen sollte, die grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von der Krise genügen zu lassen,9 ist nach der endgültigen Gesetzesfassung nur die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, der positiven Kenntnis

4 5 6 7 8 9

Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 156. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 156. Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166. Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 3. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158.

2 Schfer

I. Gesetzesentstehung

Rz. 9 A

gleichzuachten (vgl. die §§ 130 Abs. 2, 131 Abs. 2 Satz 1, 132 Abs. 3, 137 Abs. 2 Satz 2 InsO).10 Der Zweck der Insolvenzanfechtung besteht nach wie vor darin, ungerechtfertig- A 7 te Vermögensverschiebungen, welche die spätere Insolvenzmasse verkürzt haben, rückgängig zu machen.11 Gegenstände, die der Schuldner in den Anfechtungszeiträumen in anfechtbarer Weise veräußert oder belastet hat, können in die Insolvenzmasse zurückgeführt oder von ihrer Belastung befreit werden, um sie als Bestandteile des haftenden Schuldnervermögens zugunsten der Insolvenzgläubiger zu verwerten; Verbindlichkeiten, die der Schuldner vor der Insolvenzeröffnung eingegangen ist, sollen die Insolvenzmasse nicht belasten, wenn einer der Anfechtungstatbestände erfüllt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Auslegung der gesetzlichen Anfechtungstatbestände nach spezifisch insolvenzrechtlichen Grundsätzen auszurichten, für die das besondere Ziel einer gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (vgl. § 1 Satz 1 InsO) maßgeblich ist.12 Die Insolvenzanfechtung dient somit der gleichmäßigen Befriedigung der Insol- A 8 venzgläubiger; in anfechtbarer Weise weggegebene Gegenstände müssen zu diesem Zweck gemäß § 143 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Anders als noch in § 29 KO hat der Gesetzgeber in § 129 Abs. 1 InsO jedoch bewusst nicht angeordnet, dass die von den Anfechtungstatbeständen erfassten Rechtshandlungen „als den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam“ angefochten werden können. Schon unter der Geltung der Konkursordnung habe sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nicht als relative Unwirksamkeit aufzufassen sei, sondern im Regelfall einen obligatorischen Rückgewähranspruch begründe. Eine weitergehende Stellungnahme zum Streit um die dogmatische Einordnung der Anfechtung ergebe sich aus dem Entwurf jedoch nicht.13 Die Rechtsnatur des Anfechtungsanspruchs geht aus dem Gesetz nicht eindeu- A 9 tig hervor, weshalb diese Frage im Schrifttum streitig ist.14 Da dieser Theorienstreit nur die Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung betrifft, ist auf ihn erst im Rahmen des § 143 InsO einzugehen. Es ist jedoch schon an dieser Stelle daran zu erinnern, dass in § 7 Abs. 1 AnfG a.F. davon die Rede war, dass dasjenige, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben wurde, „als noch zu demselben gehörig“ vom Empfänger zurück zu gewähren sei. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass der BGH dem Anfechtungsanspruch nicht nur rein schuldrechtliche Wirkungen beimisst, sondern in entsprechender Anwendung des § 145 Abs. 1 InsO 10 Vgl. dazu Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7302, S. 173; BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (185) = MDR 2002, 416. 11 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (191); v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (238) = MDR 2008, 345. 12 BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, ZIP 2010, 1702 ff. Rz. 13. 13 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157. 14 Vgl. dazu ausführlich Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 3 ff.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 143 Rz. 1 ff. Schfer

3

A Rz. 9

Einleitung

davon ausgeht, dieser gewähre in der Insolvenz des Anfechtungsgegners im Allgemeinen ein Aussonderungsrecht.15 Er ist damit von seiner früheren Rechtsprechung abgerückt, wonach der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch nur eine Konkursforderung darstellen sollte.16 Die neuere Rechtsprechung des BGH wird dem Wesen des Anfechtungsanspruchs eher gerecht; mit ihm soll in den gesetzlich vorgegebenen Grenzen die haftungsmäßige Zuordnung des anfechtbar weggegebenen Gegenstandes zum Schuldnervermögen herbeigeführt werden.17 A 10 § 129 Abs. 2 InsO stellt nunmehr klar, dass eine Unterlassung einer Rechtshandlung gleichsteht. Auch dies entsprach bereits der herrschenden Auffassung zu § 29 KO.18

II. Gesetzessystematik und Zweck des Gesetzes A 11 Die Insolvenzanfechtung dient der Anreicherung der Insolvenzmasse bzw. der Verringerung der aus ihr zu bestreitenden Verbindlichkeiten. Ungerechtfertigte Veräußerungen und Belastungen von Gegenständen, die der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat und welche die künftigen Insolvenzgläubiger benachteiligen, können unter den tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO im Interesse der möglichst weitgehenden und gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger rückgängig gemacht werden.19 Entsprechend dieser Zielsetzung betont der BGH immer wieder die Bedeutung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Bereich des Anfechtungsrechts.20 A 12 Nach § 129 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und welche die Insolvenzgläubiger (vgl. die §§ 38 ff. InsO) benachteiligen, nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Anfechtung nicht die Rechtshandlung als solche betrifft, sondern deren Wirkungen.21 Dies ist von Bedeutung für die Frage der Anfechtbarkeit der Herbeiführung einer Aufrechnungslage. Macht sich etwa der Gläubiger in der Krise des Schuldners

15 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596 unter Aufgabe von BGH v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, MDR 1990, 622 = NJW 1990, 990 (992); vgl. dazu ferner BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 228/02, BGHZ 155, 199 (203 f.) sowie HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 75. 16 Vgl. BGH v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, MDR 1990, 622 = NJW 1990, 990 (992); v. 10.5.1978 – VIII ZR 32/77, BGHZ 71, 296 (302) zu § 7 AnfG a.F. 17 Vgl. Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 23 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.01 f. 18 Vgl. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 29 Rz. 5 ff.; Kilger/K. Schmidt, 17. Aufl., § 29 KO Anm. 8; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 29 Rz. 6. 19 Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 1; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 2. 20 BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, MDR 2002, 355 = ZIP 2001, 2055 f.; v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 17 = MDR 2007, 610. 21 BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, MDR 1996, 61 = NJW 1995, 1668 (1670); v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (236) = MDR 2001, 1013; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 14; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 6.

4 Schfer

II. Gesetzessystematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 14 A

dadurch zu dessen Gläubiger, dass er mit diesem einen Kaufvertrag abschließt, um gegen die daraus resultierende Kaufpreisforderung des Schuldners mit einer ansonsten als Insolvenzforderung zu befriedigenden Gegenforderung aufrechnen zu können, so wird durch die Anfechtung nicht der Abschluss des Kaufvertrages in Frage gestellt. Die Anfechtung erfasst vielmehr nur die Wirkung des Vertragsschlusses, die in der Herbeiführung der Aufrechnungslage zugunsten des Gläubigers besteht.22 Gesetzessystematisch ergibt sich freilich aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, dass es in solchen Fällen einer Anfechtung gar nicht bedarf. Denn danach ist die Aufrechnung schon kraft Gesetzes unwirksam, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat, und zwar auch dann, wenn schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgerechnet wurde.23 § 140 InsO regelt die Frage, wann eine Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO A 13 anfechtungsrechtlich als vorgenommen anzusehen ist. § 147 InsO erstreckt die Anfechtbarkeit auf Rechtshandlungen, die wegen des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, des Schiffs- bzw. Schiffsbauregisters und des Luftfahrzeugregisters auch noch nach der Insolvenzeröffnung nach den §§ 81 Abs. 1, 91 Abs. 2 InsO wirksam werden. Durch die Anfechtungstatbestände soll nach einem Urteil des BGH vom A 14 25.9.197224 bereits für eine bestimmte Zeit vor der formellen Verfahrenseröffnung dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger („par condicio creditorum“) Rechnung getragen werden. Ohne Zweifel ist dies das Ziel der Insolvenzanfechtung. Streitig ist jedoch, ob dies im Sinne eines Grundsatzes der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger zu verstehen ist,25 welcher bei der Auslegung der Anfechtungstatbestände herangezogen werden kann, und ob insbesondere auch § 133 InsO Ausprägung dieses Grundsatzes ist.26 Richtig dürfte eine vermittelnde Auffassung sein, wonach § 133 InsO nur in einem weiteren Sinne der Gedanke der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger zugrunde liegt: Eine Vorzugsstellung, die jemand durch eine Rechtshandlung des Schuldners erhalten hat, soll ihm genommen werden, wenn sie um der Benachteiligung der anderen Gläubiger willen oder wenigstens unter Inkaufnahme des Nachteils für die anderen gewährt worden ist.27 Nach einem Urteil des BGH vom 10.2.200528 steht § 133 Abs. 1 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt be22 BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (236) = MDR 2001, 1013; v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884 – anders zum AnfG jedoch BGH v. 23.10.2008 – IX ZR 202/07, MDR 2009, 167 = ZInsO 2008, 1269; v. 11.3.2010 – IX ZR 104/09, ZIP 2010, 793 = NJW-RR 2010, 980. 23 Vgl. BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158 ff. = MDR 2007, 489. 24 BGH v. 25.9.1972 – VIII ZR 216/71, BGHZ 59, 230 (232); MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., vor §§ 129 bis 147 Rz. 2 ff.; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 1. 25 So BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, MDR 1995, 1225 = ZIP 1995, 1204 (1206) – anders jedoch BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832. 26 Vgl. Ganter, WM 2009, 1441 (1443) – a.A. Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602): § 133 InsO beruhe nicht auf dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz. 27 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 4. 28 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 20 = MDR 2005, 832. Schfer

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A Rz. 14

Einleitung

stimmte Verhaltensweisen des Schuldners. § 133 Abs. 1 InsO kann daher nicht ohne weiteres der Zweck entnommen werden, die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger durchzusetzen.29 A 15 Die Anwendbarkeit des Insolvenzanfechtungsrechts setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus und ist unabhängig davon, ob das Verfahren der Liquidierung des Schuldnervermögens nach den gesetzlichen Bestimmungen dient oder auf der Grundlage eines Insolvenzplanes abgewickelt wird.30 Auch der Schuldner, dessen Unternehmen nach Maßgabe eines Insolvenzplanes in seiner Hand erhalten bleibt, kann daher Vermögensgegenstände zurückerlangen, die der Verwalter im Wege der Anfechtung zur Masse zurückgeholt hat, obwohl normalerweise das Anfechtungsrecht darauf ausgerichtet ist, dass der Ertrag der Anfechtung unmittelbar den Gläubigern zugute kommt.31 Im Schrifttum wird zu Recht auf eine weitere Ungereimtheit hingewiesen. Der Schuldner kann gemäß § 18 InsO schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Gläubiger ihre Gleichbehandlung noch nicht erzwingen könnten. Es ist indes nicht gerechtfertigt, nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes aber wohl hinzunehmen, dass der Schuldner auf diese Weise für die Rückführung von Gegenständen sorgen kann, die er in unverdächtiger Zeit weggegeben hat.32 Eine drohende Zahlungsunfähigkeit reicht für die Tatbestände der Deckungsanfechtung nicht aus. 1. Die besondere Insolvenzanfechtung (§§ 130 bis 132 InsO) A 16 Die Bestimmungen der §§ 130 bis 132 InsO werden deshalb als Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung bezeichnet, weil sie keine Entsprechung in der Einzelgläubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) haben.33 Sie regeln die Anfechtbarkeit von Handlungen, die im Zustand der materiellen Insolvenz des Schuldners vorgenommen wurden. Weitergehend als nach § 30 Nr. 1 Alt. 2 KO wurden in den §§ 130, 131 InsO auch Rechtshandlungen einbezogen, die eine Deckung „ermöglichen“.34 Dabei stellen die §§ 130 und 131 InsO Spezialtatbestände der Deckungsanfechtung dar, die in ihrem Anwendungsbereich den § 132 InsO verdrängen.35 Der Anwendungsbereich des § 132 InsO ist daher auf Rechtsgeschäfte beschränkt, die dem anderen Teil keine Deckung, also keine Sicherung oder Befriedigung, gewähren. In Betracht kommen vor allem schuldrechtliche Rechtsgeschäfte (insbesondere „Verschleuderungsgeschäfte“), die sich nachteilig auf das Schuldnervermögen auswirken.36

29 30 31 32 33 34 35 36

Vgl. dazu Rz. F6 ff. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 156. Vgl. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 814 Rz. 3. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 829 Rz. 37. Vgl. Graf-Schlicker/Huber, § 130 Rz. 1. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 834 Rz. 47. Vgl. MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 132 Rz. 1; vgl. dazu näher unten Rz. E20 ff.

6 Schfer

II. Gesetzessystematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 19 A

Die §§ 130, 131 InsO erfassen nur Rechtshandlungen, die gegenüber einem In- A 17 solvenzgläubiger vorgenommen wurden.37 Umstritten ist die Frage, ob § 132 InsO anwendbar ist, wenn der Empfänger einer Verfügung des Schuldners kein Insolvenzgläubiger ist38 und die §§ 130, 131 InsO somit nicht anwendbar sind.39 Durch die §§ 130 bis 132 InsO soll bereits für eine bestimmte Zeit vor der A 18 Insolvenzeröffnung dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger („par condicio creditorum“) im Zustand der materiellen Insolvenz des Schuldners Geltung verschafft werden. Sie bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die materiellen Wirkungen der Insolvenz schon vor der formellen Insolvenzeröffnung eintreten.40 Wer in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder des Eröffnungsantrages noch Sicherung oder Befriedigung erlangt, soll das Erlangte nicht behalten dürfen. Das System der Anfechtungsregeln verdrängt in dem von ihm abgedeckten zeitlichen Bereich das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers zur zwangsweisen Durchsetzung seiner Ansprüche hinter dem Schutz der Gläubigergemeinschaft zurück.41 Die §§ 130 bis 132 InsO erfassen jedoch nur Rechtshandlungen, die im Zeitraum der letzten drei Monate vor dem Eingang des Insolvenzantrages und im Eröffnungsverfahren vorgenommen wurden. a) § 130 InsO – Anfechtbarkeit einer kongruenten Deckung In § 130 InsO ist die Anfechtung einer dem Gläubiger gebührenden und damit A 19 kongruenten Sicherung oder Befriedigung geregelt (sogenannte „kongruente Deckung“). Die Anwendbarkeit der Bestimmung setzt voraus, dass der Gläubiger Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder der Stellung des Insolvenzantrages hatte oder aber sich dieser Erkenntnis verschlossen hat, obwohl Umstände vorlagen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen ließen. Der Eintritt der materiellen Insolvenz allein rechtfertigt somit wegen der bestehenden Schutzwürdigkeit des unwissenden Insolvenzgläubigers nicht die Anwendung des § 130 InsO.

37 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 (316) = MDR 2008, 341; MK-InsO/ Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rz. 16; Bork/Schoppmeyer, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 7 Rz. 37. 38 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 132 Rz. 5; Uhlenbruck/Hirte, § 132 Rz. 4 – a.A. Henckel, ZIP 2004, 1671 (1673); Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 95; ausführlich dazu unten Rz. E6 ff. 39 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 11 = MDR 2005, 953. 40 Vgl. BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff.; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rz. 1. 41 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 17 = MDR 2005, 832; BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353) = MDR 2004, 775; BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 (311 ff.). Schfer

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A Rz. 20

Einleitung

A 20 Zur erforderlichen Kenntnis des Gläubigers weist der BGH in einem Urteil vom 20.11.200142 darauf hin, dass nach den Gesetzesmaterialien43 ein strengerer Maßstab gelten solle als die noch in der Begründung zum Regierungsentwurf als ausreichend angesehene grob fahrlässige Unkenntnis. Vorausgesetzt werde demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kenne, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit folge. Dann könne er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er den an sich zwingenden Schluss von den Tatsachen auf die Rechtsfolge selbst nicht gezogen habe.44 b) § 131 InsO – Anfechtbarkeit einer inkongruenten Deckung A 21 § 131 InsO regelt die Anfechtbarkeit einer sogenannten „inkongruenten Deckung“, nämlich einer Befriedigung oder Sicherung, die der Gläubiger nicht, nicht so wie geschehen oder noch nicht zu beanspruchen hatte.45 Ein Gläubiger, der eine ihm nicht zustehende Leistung erhält, erschien dem Gesetzgeber weniger schutzwürdig als ein Gläubiger, dem eine kongruente Deckung gewährt wird. Wegen der besonderen Verdächtigkeit eines inkongruenten Erwerbs sah er es als gerechtfertigt an, für einen Zeitraum von bis zu einem Monat vor der Stellung des Insolvenzantrages auf die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und auf subjektive Voraussetzungen in der Person des Anfechtungsgegners ganz zu verzichten (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO).46 A 22 Bei inkongruenten Deckungen, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor der Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen wurden, erschien dem Gesetzgeber jedoch wegen des größeren zeitlichen Abstands zur Antragstellung eine unwiderlegliche Vermutung der Krise nicht mehr gerechtfertigt. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO hält deshalb daran fest, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Gewährung der inkongruenten Deckung zahlungsunfähig gewesen sein muss.47 A 23 § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO verzichtet bei inkongruenten Deckungen, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden, auf die objektive Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit, verlangt dafür aber als subjektive Voraussetzung, dass dem Anfechtungsgegner die Benachteiligung der anderen Gläubiger bekannt war. Nach § 131 Abs. 2 Satz 1 InsO steht dieser Kenntnis die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung der übrigen Gläubiger schließen ließen. A 24 Der Anwendungsbereich des § 131 InsO ist dadurch erheblich erweitert, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine unter dem Druck der unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung erbrachte Zahlung des Schuldners als inkongruent

42 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (185) = MDR 2002, 416. 43 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7302, S. 173. 44 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (185) = MDR 2002, 416. 45 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rz. 1; HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 2. 46 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158. 47 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158.

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II. Gesetzessystematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 28 A

anzusehen ist.48 Entsprechendes gilt für Zahlungen zur Abwendung eines angedrohten Insolvenzantrages, und zwar in diesem Fall auch außerhalb der Anfechtungszeiträume des § 131 InsO.49 c) § 132 InsO – Anfechtbarkeit unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen § 132 InsO erfasst sämtliche Rechtsgeschäfte, welche die Insolvenzgläubiger un- A 25 mittelbar benachteiligen und die nicht unter die spezielleren Bestimmungen der §§ 130, 131 InsO fallen.50 Er richtet sich vor allem gegen die Eingehung von „Verschleuderungsgeschäften“ durch den Schuldner.51 § 132 InsO setzt – anders als die §§ 130, 131 InsO – kein Rechtsgeschäft gegenüber einem Insolvenzgläubiger voraus. Streitig ist allerdings die Frage, ob § 132 InsO anwendbar ist, wenn der Empfänger einer Verfügung des Schuldners kein Insolvenzgläubiger ist.52 § 132 Abs. 2 InsO stellt einen Auffangtatbestand für bestimmte Rechtshandlun- A 26 gen dar, die für die Gläubiger nachteilig sind, ohne dass sie von der Deckungsanfechtung oder der Anfechtung unmittelbar benachteiligender Rechtsgeschäfte gemäß § 132 Abs. 1 InsO erfasst werden. Damit sollen vor allem Regelungslücken geschlossen werden, die nach früherem Konkursrecht bei der Anfechtung von Unterlassungen bestanden.53 2. Die allgemeine Insolvenzanfechtung (§§ 133, 134 InsO) In den §§ 133, 134 InsO ist die allgemeine Insolvenzanfechtung geregelt, die im A 27 Recht der Einzelgläubigeranfechtung ihre Entsprechung in den §§ 3, 4 AnfG findet. § 133 InsO beruht auf dem Rechtsgedanken, dass Rechtshandlungen, die in Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vorgenommen werden, keinen Schutz verdienen. § 134 InsO ist Ausdruck der allgemeinen Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs, wie sie insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (vgl. §§ 528, 816 Abs. 1 Satz 2, 822, 988 BGB) zum Ausdruck kommt. a) § 133 InsO – Vorsatzanfechtung Die sogenannte „Vorsatzanfechtung“ nach § 133 Abs. 1 InsO ist schon deshalb A 28 von erheblicher praktischer Bedeutung, weil nach ihr Rechtshandlungen des Schuldners angefochten werden können, die in den letzten zehn Jahren vor der

48 BGH v. 15.5.2003 – IX ZR 194/02, MDR 2003, 1199 = ZInsO 2003, 611 ff.; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 ff. = MDR 2004, 775; v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, MDR 2009, 712 = ZIP 2009, 728 f. 49 BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff. = MDR 2004, 650; Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 63; HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 13 ff. 50 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 51 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 1. 52 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 5; Uhlenbruck/Hirte, § 132 Rz. 4 – a.A. Henckel, ZIP 2004, 1671 (1673); Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 95; ausführlich dazu unten Rz. E6 ff. 53 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. Schfer

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A Rz. 28

Einleitung

Stellung des Insolvenzantrages mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen wurden, sofern der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Dabei ist zunächst zu beachten, dass § 133 Abs. 1 InsO kein unlauteres Zusammenwirken zwischen Schuldner und Gläubiger voraussetzt.54 Praktisch bedeutsam ist ferner, dass nach der Rechtsprechung des BGH ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in aller Regel mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt. Dies ergebe sich mittelbar aus § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet werde, wenn er gewusst habe, es drohe die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, könnten für den Schuldner selbst keine strengeren Anforderungen gelten.55 Es ist jedoch zu beachten, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung vom Tatrichter unter Würdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles zu prüfen sind.56 A 29 Nach der Rechtsprechung des BGH begründet es ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des Gläubigers von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und von einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt. Dies ist allerdings nicht im Sinne einer widerleglichen Vermutung zu verstehen. Es handelt sich vielmehr nur um ein Beweisanzeichen im Sinne eines Erfahrungssatzes, das eine Gesamtwürdigung durch den Tatrichter nicht entbehrlich macht.57 b) § 134 InsO – Anfechtbarkeit unentgeltlicher Leistungen A 30 Durch § 134 InsO wird es dem Insolvenzverwalter ermöglicht, unentgeltliche Zuwendungen aus dem Schuldnervermögen auch dann zugunsten der Insolvenzmasse rückgängig zu machen, wenn die Voraussetzungen der §§ 130 bis 133 InsO nicht vorliegen.58 Abweichend von der Vorgängerbestimmung des § 32 KO kann der Insolvenzverwalter nach § 134 InsO unentgeltliche Zuwendungen anfechten, die bis zu vier Jahre vor der Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen wurden. Der Anwendungsbereich des § 134 InsO ist ferner dadurch erheblich erweitert, dass die Frage der Unentgeltlichkeit nach der Rechtsprechung des BGH

54 BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, MDR 2004, 174 = ZInsO 2003, 850. 55 Vgl. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 8; v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff. Rz. 19; v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 32 = MDR 2008, 341; v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff. Rz. 14 = FamRZ 2006, 1196 = MDR 2007, 113. 56 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. 57 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff. Rz. 18; v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZIP 2009, 2253 ff. Rz. 11; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 10; vgl. dazu noch Ganter, WM 2009, 1441 (1445) und ausführlich unten Rz. F62 ff. 58 Vgl. HK-InsO/Thole, § 134 Rz. 2; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 2, 3.

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II. Gesetzessystematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 33 A

nach objektiven Kriterien zu bestimmen und daher insbesondere keine Einigung bzw. kein Einigsein über die Unentgeltlichkeit erforderlich ist.59 Im „Zwei-Personen-Verhältnis“ ist eine Zuwendung als unentgeltlich anzuse- A 31 hen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Zuwendenden also keine – dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende – Gegenleistung zufließen soll.60 Wird jedoch eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, so A 32 kommt es für die Frage der Unentgeltlichkeit einer Leistung des Schuldners nicht darauf an, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat; maßgebend ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Nach Ansicht des BGH entspricht es der Wertung des § 134 InsO, dass der Empfänger einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat.61 Für die Frage, ob der Schuldner eine unentgeltliche Leistung erbracht hat, sind eine entsprechende Leistungsverpflichtung gegenüber einem Dritten oder gegenüber einem Dritten verfolgte wirtschaftliche Interessen oder Vorteile unerheblich.62 Die Leistung des Schuldners ist nicht deshalb entgeltlich, weil der Empfänger zu einem früheren Zeitpunkt seinerseits Leistungen an ihn oder einen Dritten erbracht hat, die eine Gegenleistung für die erfüllte Forderung darstellen.63 3. Die Sonderregelungen der §§ 135, 136 InsO Durch § 135 InsO64 hat das frühere Recht der eigenkapitalersetzenden Gesell- A 33 schafterleistungen eine rein insolvenzrechtliche Regelung erfahren, wobei eine wesentliche Neuerung darin besteht, dass der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich und somit willentlich auf das Merkmal der Krisenfinanzierung verzichtet hat.65 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, werden im Insolvenzverfahren gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig berichtigt. Rechtshandlungen, durch die in den letzten zehn Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages eine Sicherung oder im letzten Jahr vor der Antragstellung eine Befriedigung gewährt wurde, sind gemäß § 135 Abs. 1, 2 InsO anfechtbar.

59 BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. Rz. 6 = MDR 2009, 350; v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, GmbHR 2009, 763 m. Anm. Blöse = NotBZ 2009, 272 m. Anm. Heckschen = MDR 2009, 1008 = ZIP 2009, 1080 ff. Rz. 16; v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396) = MDR 1991, 645 = FamRZ 1991, 695. 60 Vgl. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279) = MDR 2005, 953; v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (101) = MDR 1991, 431. 61 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279 f.) = MDR 2005, 953; v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. Rz. 10; ausführlich dazu unten Rz. G55 ff. 62 Vgl. BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, MDR 2007, 109 = ZInsO 2006, 771 ff. Rz. 14. 63 BGH v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. 64 Vgl. zur Neufassung durch das sogenannte „MoMiG“ mit Wirkung ab dem 1.11.2008 Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 159 ff. 65 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56 (57). Schfer

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A Rz. 34

Einleitung

A 34 Zum Gebrauch überlassene Gegenstände hat der Gesellschafter der Gesellschaft nach § 135 Abs. 3 InsO während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für ein Jahr ab der Insolvenzeröffnung, gegen Entgelt zu belassen, wenn der Gegenstand für die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist. A 35 § 136 InsO enthält schließlich eine Sonderregelung für die stille Beteiligung an einer Gesellschaft. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, durch die einem stillen Gesellschafter die Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt oder sein Anteil an dem entstandenen Verlust ganz oder teilweise erlassen wurde, wenn die zugrundeliegende Vereinbarung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder danach getroffen wurde.

III. Verhältnis bzw. Konkurrenz der Insolvenzanfechtung zu anderen Bestimmungen 1. Anfechtungsgesetz A 36 Das Anfechtungsgesetz dient der Verwirklichung der gesetzlichen Haftungsordnung zugunsten einzelner Gläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens.66 Da es bei der Einzelgläubigeranfechtung im Gegensatz zur Insolvenzanfechtung (dort: Stellung des Insolvenzantrages) einen einheitlichen Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Anfechtungsfristen nicht gibt, sind nach § 7 AnfG die in den §§ 3 und 4 AnfG bestimmten Fristen von dem Zeitpunkt zurückzurechnen, in dem die Anfechtbarkeit gerichtlich geltend gemacht wird. Anders als bei der Insolvenzanfechtung hat der Gesetzgeber diese materiell-rechtlichen Ausschlussfristen nicht wie in § 146 InsO in Verjährungsfristen umgewandelt.67 A 36a Nach der Eröffnung des der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung dienenden Insolvenzverfahrens geht die Insolvenzanfechtung der Einzelgläubigeranfechtung vor (vgl. dazu die §§ 16–18 AnfG). Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners die Anfechtungsbefugnis der Insolvenzgläubiger auf den Insolvenzverwalter über. Hatte die Klage des Einzelgläubigers Erfolg und hat dieser noch nicht aus dem erwirkten Titel vollstreckt, so kann nach herrschender Auffassung der Titel nach den §§ 727, 325 ZPO auf den Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger umgeschrieben werden.68 Wurde die Anfechtungsklage des Gläubigers abgewiesen, so hindert die Rechtskraft dieses Urteils auch dann nicht die Erhebung einer Anfechtungsklage durch den Insolvenzverwalter, wenn diese auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wird, auf den sich bereits der Einzelgläubiger berufen hatte.69

66 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, vor §§ 129–147 Rz. 42. 67 Vgl. Kirchhof, ZInsO 2013, 1813 (1814). 68 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 17; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 202. 69 Vgl. Huber, AnfG, 10. Aufl., § 18 Rz. 31.

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III. Insolvenzanfechtung und konkurrierende Bestimmungen

Rz. 37b A

Nach Ansicht des BGH ist die Insolvenzanfechtung jedoch wegen ihres weiterge- A 36b henden Zwecks, die Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger nach Maßgabe der Insolvenzordnung durchzusetzen, nicht mit der Einzelgläubigeranfechtung identisch.70 Hat der Schuldner bspw. seinen letzten Vermögensgegenstand veräußert und mit dem Erwerber die Befriedigung des Kaufpreisanspruchs durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung vereinbart, so kann ein Gläubiger diesen Vorgang im Rahmen der Einzelgläubigeranfechtung – anders als bei der Insolvenzanfechtung – im Grundsatz nur insgesamt, also nicht etwa auf die Verrechnungsabrede beschränkt, anfechten.71 Ist das Verfahren über den Anfechtungsanspruch eines Gläubigers zum Zeit- A 37 punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch rechtshängig, so wird es gemäß § 17 Abs. 1 AnfG unterbrochen und kann vom Insolvenzverwalter aufgenommen werden. Der Insolvenzverwalter muss jedoch den Gläubigeranfechtungsprozess nicht aufnehmen; er kann vielmehr gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 AnfG die Aufnahme auch ablehnen und nach den §§ 129 ff. InsO anfechten. Dies ist insbesondere bei unsorgfältiger Prozessführung des Gläubigers von Bedeutung. Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können Anfechtungsansprüche nach dem Anfechtungsgesetz, die der Insolvenzverwalter geltend machen konnte, im Grundsatz weiterverfolgt werden (vgl. § 18 AnfG), sofern nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Insolvenzverwalter erlangt sind. Letzteres beinhaltet auch eine Rechtskrafterstreckung, wenn bereits der vom Insolvenzverwalter erhobene Anspruch rechtskräftig abgewiesen wurde.72 Für die Einzelgläubigeranfechtung gelten Vollstreckungsmaßnahmen stets als A 37a kongruent; es gilt das Prioritätsprinzip (vgl. § 804 Abs. 3 ZPO).73 Hat ein Insolvenzgläubiger bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund seines Anfechtungsanspruchs eine Sicherung oder Befriedigung erlangt, so gilt gemäß § 16 Abs. 2 AnfG die Regelung des § 130 InsO entsprechend. Die Sicherung bzw. Befriedigung gilt also als kongruent. Den gegen die Vorgängerbestimmung des § 13 Abs. 3 AnfG erhobenen Bedenken hat der Gesetzgeber damit – ohne Begründung – nicht entsprochen.74 Wurde der Anfechtungsgegner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach A 37b den Bestimmungen des Anfechtungsgesetzes von einem Einzelgläubiger in Anspruch genommen, scheidet ein Anspruch auf Rückgewähr zur Insolvenzmasse im Umfang der Erfüllung des Anfechtungsanspruchs aus. Die Erfüllung des Anfechtungsanspruchs wirkt gegenüber den übrigen gegenwärtigen und künftigen Gläubigern des Schulders und – wenn die Voraussetzungen der besonderen Insolvenzanfechtung nach § 130 InsO nicht vorliegen – auch gegenüber dem Insolvenzverwalter, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Ver70 BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, ZIP 1995, 1204, 1206; kritisch dazu Henckel, JZ 1996, 531 (532); vgl. dazu ferner OLG Düsseldorf v. 22.12.2011 – 12 U 86/11, ZIP 2012, 482 ff. 71 BGH v. 23.10.2008 – IX ZR 202/07, ZIP 2008, 2272 ff. 72 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 18. 73 Kirchhof, ZInsO 2013, 1813. 74 Vgl. dazu Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 73 f.; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 30. Schfer

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A Rz. 37b

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mögen des Schuldners allein zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen berechtigt ist. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger tritt hinter dem Interesse des Anfechtungsgläubigers an der Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs zurück.75 2. Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) und Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) A 38 Der BGH76 und die herrschende Auffassung im Schrifttum77 gehen davon aus, dass die §§ 129 ff. InsO und die §§ 138, 823 ff. BGB im Verhältnis der Spezialität zueinander stehen. Ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung setzt demzufolge voraus, dass über den Anfechtungstatbestand hinaus besondere erschwerende Umstände gegeben sind, die etwa den Vorwurf der Sittenwidrigkeit gemäß §§ 138, 826 BGB rechtfertigen.78 Die Spezialität des Anfechtungsrechts geht allerdings nicht so weit, dass die Sittenwidrigkeit ausschließlich auf anfechtungsfremde Gesichtspunkte gestützt werden dürfte.79 Es genügt jedoch nicht für die Annahme der Sittenwidrigkeit, wenn der Schuldner in der Absicht handelt, einen bestimmten Gläubiger zu schädigen, der Zuwendungsempfänger dies aber nicht erkennt.80 Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB können bestehen, wenn die anfechtbare Rechtshandlung zugleich gegen ein Schutzgesetz verstößt; die §§ 129 ff. InsO sind jedoch selbst keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.81 A 39 Ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB kommt in Betracht, wenn der Schuldner planmäßig mit eingeweihten Helfern zusammenwirkt, um sein wesentliches Vermögen dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen.82 Gegen die guten Sitten verstößt ferner ein Gläubiger, der Ware vom Schuldner kauft, um Befriedigung seiner Forderung aus anderen Geschäften zu erhalten, wenn er damit rechnet, dass die Ware vom Schuldner auf Kredit bezogen wurde und der Kaufpreis aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Schuldners von diesem nicht bezahlt werden kann.83 Sittenwidrig ist ferner die Täuschung des Kreditgebers über die Kreditwürdigkeit des Schuldners, um diesem Kredit zu verschaffen.84 A 40 Besichert eine Tochtergesellschaft einen der Muttergesellschaft gewährten Kredit, so ist das Sicherungsgeschäft hingegen nicht schon deshalb sittenwidrig, 75 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 173/09, ZIP 2013, 131 ff. 76 BGH v. 5.7.1971 – II ZR 176/68, BGHZ 56, 339 (355); v. 4.7.2000 – VI ZR 192/99, FamRZ 2001, 86 = MDR 2000, 1315 = ZInsO 2000, 497 f. 77 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, vor §§ 129–147 Rz. 50; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 77; Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Einführung Rz. 18, 25; Gehrlein, DB 2016, 1177 ff. 78 Vgl. BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 (299 f.) = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342. 79 MK-InsO/Kirchhof, vor §§ 129–147 Rz. 55. 80 MK-InsO/Kirchhof, vor §§ 129–147 Rz. 58. 81 Vgl. Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Einführung Rz. 25. 82 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 16 = MDR 2008, 345. 83 BGH v. 15.1.1957 – VIII ZR 36/56, NJW 1957, 587 f. 84 Vgl. RGZ 136, 247 (254).

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III. Insolvenzanfechtung und konkurrierende Bestimmungen

Rz. 41a A

weil die Tochtergesellschaft danach nicht mehr genügend freies Vermögen hat, um ihre Gläubiger zu befriedigen. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Gläubigergefährdung mit einer Täuschungsabsicht oder einem Schädigungsvorsatz einhergeht.85 Die planmäßige Mitwirkung des Gläubigers an einem Vertragsbruch des Schuld- A 41 ners kann gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoßen.86 Gleiches gilt für den Fall, dass sich eine Globalzession vereinbarungsgemäß auf Forderungen erstreckt, die von einem verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst werden, sofern der Abtretungsempfänger nach Lage des Falles nicht davon ausgehen durfte, eine Kollision von Sicherungsrechten sei ausgeschlossen.87 § 826 BGB kann ferner gegeben sein, wenn der Schuldner von einem Gläubiger durch die Gewährung eines offensichtlich unzureichenden Kredites von der Stellung eines Insolvenzantrages abgehalten wird.88 Nach einem Urteil des Kammergerichts vom 4.11.201589 soll der Vorwurf sittenwidrigen Handelns begründet sein können, wenn eine Bank aus eigensüchtigen Beweggründen die Insolvenz eines Unternehmens hinausschiebt und für sie abzusehen ist, dass die ergriffenen Stützungsmaßnahmen den Zusammenbruch allenfalls verzögern, aber nicht auf Dauer verhindern können. Es kann schließlich gegen die §§ 138, 826 BGB verstoßen, wenn ein Gläubiger den Schuldner dazu veranlasst, keinen Insolvenzantrag zu stellen, um eine Anfechtung innerhalb der gesetzlichen Anfechtungsfristen zu vermeiden.90 Der BGH hat seine Rechtsprechung zum Vorliegen eines Sittenverstoßes bei der A 41a Gewährung von (Sanierungs-)Krediten und/oder durch Besicherung in einem Urteil vom 12.4.201691 zusammengefasst. Danach kann sich die Sittenwidrigkeit insbesondere aus einer Knebelung des Schuldners,92 einer Insolvenzverschleppung93 oder einer anderweitigen Gläubigergefährdung bzw. Kredittäuschung94 ergeben. Eine Insolvenzverschleppung liegt danach bspw. vor, wenn ein Kreditgeber um eigener Vorteile willen die letztlich unvermeidliche Insolvenz eines

85 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342. 86 BGH v. 19.10.1993 – XI ZR 184/92, FamRZ 1994, 156 = NJW 1994, 128 ff. 87 Vgl. BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, MDR 1996, 61 = NJW 1995, 1668 (1669); v. 12.11.1970 – VII ZR 34/69, BGHZ 55, 34 (36); v. 30.4.1959 – VII ZR 19/58, BGHZ 30, 149 ff. 88 BGH v. 15.6.1962 – VI ZR 268/61, WM 1962, 962 (965). 89 KG v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, ZinsO 2016, 37; beim BGH unter Az. XI ZR 571/15 anhängig. 90 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 156 ff. = MDR 2005, 832. 91 BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058 ff.; vgl. dazu ferner Gehrlein, DB 2016, 1177 ff. 92 BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058 ff. Rz. 39 m.w.N.; vgl. insbes. BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 (303). 93 BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058 ff. Rz. 39 m.w.N.; vgl. insbes. BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630 ff. u. BGH v. 11.11.1985 – II ZR 109/84, BGHZ 96, 231 (235 f.). 94 BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058 ff. Rz. 39 m.w.N.; vgl. insbes. BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 (300 f.) u. BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630 ff. Schfer

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A Rz. 41a

Einleitung

Unternehmens hinausschiebt, indem er Kredite gewährt, die nicht zur Sanierung, sondern nur dazu ausreichen, den Zusammenbruch zu verzögern, wenn hierdurch andere Gläubiger über die Kreditfähigkeit des Unternehmens getäuscht und geschädigt werden sowie der Kreditgeber sich dieser Erkenntnis mindestens leichtfertig verschließt.95 Soll der Zusammenbruch des Schuldners nur hinausgezögert werden und hofft der Gläubiger, sich daraus persönliche Vorteile zu verschaffen, erweist sich der Vertrag als sittenwidrig.96 Eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung kann auch dann vorliegen, wenn das Sicherungsgeschäft, mit dem der Schuldner (fast) sein gesamtes freies Vermögen zur Sicherung auf einen Gläubiger überträgt, unter Umständen abgeschlossen wird, die dazu geeignet und bestimmt sind, andere gegenwärtige oder zukünftige Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners zu täuschen und dadurch zur Vergabe weiterer Kredite zu verleiten.97 Letztlich kommt diesen Fallgruppen nach der Rechtsprechung des BGH aber nur die Bedeutung eines Anhaltspunkts zu, welche eine umfassende Gesamtwürdigung nicht entbehrlich macht.98 A 41b Eine Fallgruppe der Haftung nach § 826 BGB stellt im Gesellschaftsrecht ferner die Haftung wegen sog. „existenzvernichtenden Eingriffs“ dar.99 Voraussetzung einer solchen Haftung ist es, dass durch kompensationslosen Eingriff die Insolvenz der Gesellschaft verursacht oder vertieft wird.100 Nach der Streichung des Eigenkapitalersatzrechts kann insoweit als existenzvernichtender Eingriff auch die Begleichung einer aufgrund der Insolvenzreife der Gesellschaft wertlosen Forderung anzusehen sein.101 Danach kann insbesondere die Übertragung von Vermögen der Schuldnerin auf eine von ihrem Alleingesellschafter beherrschte Schwestergesellschaft zur Haftung des Gesellschafters wegen Existenzvernichtung führen, wenn die Übertragung ohne angemessenen Wertausgleich erfolgt.102 Nach Ansicht von Gehrlein103 entsprechen die Rechtsfolgen der Existenzvernichtungshaftung in gewisser Weise denen des früheren Eigenkapitalersatzrechts. 3. Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) A 42 Zwischen dem anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch gemäß § 143 InsO und Ansprüchen aus Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB besteht kein Verhältnis von lex specialis zu lex generalis. Beide Anspruchsarten stehen viel95 Vgl. BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058 ff. Rz. 40; v. 11.11.1985 – II ZR 109/84, BGHZ 96, 231 (235 f.); v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (399). 96 BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232); Gehrlein, DB 2016, 1177 (1178). 97 BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058 ff. Rz. 41; v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630 ff.; v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 (300). 98 BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058 ff.; vgl. dazu ferner BGH v. 2.2.2012 – III ZR 60/11, WM 2012, 458 ff. Rz. 20. 99 Vgl. BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, ZIP 2005, 250 ff. m.w.N. 100 BGH v. 24.7.2012 – II ZR 177/11, ZIP 2012, 1804 ff. Rz. 25. 101 Vgl. BGH v. 24.7.2012 – II ZR 177/11, ZIP 2012, 1804 ff. Rz. 26; v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894 ff. Rz. 21; Gehrlein, DB 2016, 1177 (1185). 102 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894 ff. Rz. 23. 103 Gehrlein, DB 2016, 1177 (1181, 1185).

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III. Insolvenzanfechtung und konkurrierende Bestimmungen

Rz. 44 A

mehr selbständig nebeneinander.104 Bestehende Bereicherungsansprüche schließen auch nicht ohne weiteres die stets erforderliche Gläubigerbenachteiligung aus.105 Denn diese ist schon dann zu bejahen, wenn die Durchsetzung eines Anspruchs wesentlich erschwert wurde.106 Eine unwirksame Rechtshandlung des Schuldners benachteiligt die Gläubigergesamtheit allerdings dann nicht, wenn gegen den Empfänger ein Rückforderungsanspruch besteht, der ohne weiteres begründet und ohne Schwierigkeiten durchsetzbar ist.107 Bedeutsam für das Verhältnis der Anfechtungstatbestände zum Bereicherungs- A 43 recht ist das Urteil des BGH vom 11.12.2008108 zur Rückforderung von Scheingewinnen, die im Rahmen eines sogenannten „Schneeballsystems“ an Kapitalanleger ausgezahlt wurden. Danach steht dem Insolvenzverwalter der auf eine Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gestützte Rückgewähranspruch auch dann zu, wenn der daneben bestehende Bereicherungsanspruch der Masse nur an der Kenntnis des Schuldners von der „Nichtschuld der Leistung“ scheitert und dem Anfechtungsgegner „vorkonkursliche“ Schadensersatzansprüche gegen den Schuldner zustehen. § 814 BGB steht dem Anfechtungsanspruch somit nicht entgegen. Die im Bereicherungsrecht geltende Saldotheorie ist nach der Rechtsprechung A 43a des BGH im Insolvenzrecht nur eingeschränkt anwendbar und bietet keine Grundlage dafür, Forderungen, die ohne die Saldierungsmöglichkeit bloße Insolvenzforderungen wären, zu „Masseforderungen“ zu erheben. Der aus der Anfechtung der Auszahlung von Scheingewinnen resultierende Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters ist daher nicht mit den als Einlage des Anlegers erbrachten Zahlungen zu saldieren.109 4. Gesellschaftsrecht Gläubigerschützende Bestimmungen des Gesellschaftsrechts, insbesondere je- A 44 ne über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, stehen der Insolvenzanfechtung grundsätzlich nicht entgegen.110 Umstritten ist die Auffassung des BGH,111 wonach der Insolvenzverwalter im Fall einer gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche im Wege der Kontenangleichung bei vertragsgerechtem Verhalten der Gesellschafter in der Krise 104 Vgl. BGH v. 29.1.1964 – Ib ZR 197/62, BGHZ 41, 98 (103 f.); BAG v. 18.9.2014 – 6 AZR 145/13, ZIP 2014, 2519 ff. zum Scheinarbeitsverhältnis; Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Einführung Rz. 24. 105 MK-InsO/Kirchhof, vor §§ 129–147 Rz. 86. 106 Vgl. BGH v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. = MDR 2006, 950 = GmbHR 2006, 316 m. Anm. Blöse. 107 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (106) = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262. 108 BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, MDR 2009, 350 = ZIP 2009, 186 ff.; vgl. dazu noch BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, MDR 2010, 956 = ZIP 2010, 1253 ff. 109 BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253 ff. 110 Vgl. BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228 = NJW 1995, 659 (662); Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 52. 111 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206 ff. = MDR 2007, 740. Schfer

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A Rz. 44

Einleitung

nur die Möglichkeit haben soll, ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben des Schuldners zur Masse zu ziehen.112 5. Rückschlagsperre nach § 88 InsO A 45 Nach § 88 InsO wird mit der Insolvenzeröffnung eine Sicherung unwirksam, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor der Stellung des Insolvenzantrages oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung erlangt hat. In diesem Fall bedarf es daher keiner Anfechtung. 6. Verhältnis zur Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) A 46 Zur Aufrechnung des Anfechtungsgegners in der Krise des Schuldners enthält § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine wichtige Neuregelung gegenüber der Konkursordnung. Danach ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Es bedarf somit in diesen Fällen keiner Insolvenzanfechtung; vielmehr wird die Aufrechnungserklärung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rückwirkend unwirksam, wenn die Anfechtungsvoraussetzungen gegeben sind.113 Dies gilt auch dann, wenn die Aufrechnung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärt wurde.114 Die Aufrechnungserklärung selbst ist daher als Rechtshandlung anfechtungsrechtlich ohne Bedeutung.115

IV. Internationales Anfechtungsrecht; gerichtliche Zuständigkeit bei Auslandsbezug A 47 Im Bereich der EU-Mitgliedstaaten – mit Ausnahme Dänemarks – gilt die am 31.5.2002 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EUInsVO). Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EUInsVO bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen („center of main interests“ = „COMI“) der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist. Die Wiederlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EUInsVO hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab, wobei eine Gesamtbetrachtung aller objektiven und für Dritte feststellbaren Faktoren vorzunehmen ist.116 Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet eines

112 Kritisch dazu M. Huber, NZI 2007, 224 f.; Cranshaw, jurisPR-InsR 10/2007 Anm. 3; vgl. dazu unten Rz. B410. 113 BGH v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, MDR 2004, 353 = ZInsO 2003, 1101 Rz. 10; vgl. dazu noch Häsemeyer, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 645 ff. 114 BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158, 161 ff. = MDR 2007, 489. 115 Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 59. 116 EuGH v. 20.10.2011 – C-396/09 – „Interedil“, ZIP 2011, 2153 ff. Rz. 52.

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IV. Gerichtliche Zustndigkeit bei Auslandsbezug

Rz. 47c A

Mitgliedstaats, so sind nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EUInsVO die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats hat.117 Soweit die Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt gemäß Art. 4 Abs. 1 EUIns- A 47a VO für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird. Die EUInsVO enthält in Art. 4 Abs. 2m) und Art. 13 Regelungen zur Frage der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen. Nach Art. 4 Abs. 2m) EUInsVO bestimmt im Grundsatz das Recht des Mitgliedstaates der Verfahrenseröffnung, welche Rechtshandlungen anfechtbar sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. Dies gilt uneingeschränkt für Formen, Fristen und Rechtsfolgen der Anfechtung.118 Nicht alle Bestimmungen, die funktional dem Gläubigerschutz dienen, sind als insolvenzrechtlich im Sinne der EUInsVO zu qualifizieren. Es muss vielmehr der tatsächliche Bezug zum Insolvenzverfahren hinzukommen. Dieser besteht in Fällen der Insolvenzverschleppung und bei § 135 InsO, nicht jedoch in Fällen der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs.119 Da eine Benachteiligung der „Gesamtheit der Gläubiger“ tatbestandliche Voraussetzung des Art. 4 Abs. 2m) EUInsVO ist, genügt die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nicht für dessen Anwendung.120 Der Europäische Gerichtshof hat durch Urteil vom 10.12.2015121 entschieden, dass § 64 GmbHG als insolvenzrechtliche Bestimmung im Sinne des Art. 4 EUInsVO einzustufen ist. In der Sache hat eine Anfechtung nach dem Recht der Verfahrenseröffnung A 47b („lex fori concursus“ oder Insolvenzstatut) indes gemäß Art. 13 EUInsVO nur Erfolg, wenn der Anfechtungsgegner nicht nachweist, dass für die Rechtshandlung das Recht eines anderen Staates maßgebend ist und sie nach diesem Recht in keiner Weise angreifbar ist („lex causae“).122 Mit dieser Regelung soll dem schutzwürdigen Vertrauen des Anfechtungsgegners auf den Bestand seines Erwerbs Rechnung getragen werden. Das Gericht hat indes die Anfechtbarkeit allein nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zu prüfen. Greift danach die Anfechtung durch, so hat der Anfechtungsgegner darzulegen und zu beweisen, dass eine Anfechtung nach dem auf die Rechtshandlung anwendbaren Recht eines anderen Staates nicht möglich ist.123 Nach Art. 10 EUInsVO gilt für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist.

117 118 119 120 121 122

Vgl. BGH v. 21.6.2012 – IX ZB 287/11, ZIP 2012, 1920 ff. MK-InsO/Kirchhof, vor §§ 129–147 Rz. 107. Vgl. K. Schmidt/Brinkmann, Art. 4 EUInsVO Rz. 39. MK-InsO/Reinhart, Art. 4 EUInsVO Rz. 41. EuGH v. 10.12.2015 – C-594/14, ZIP 2015, 68 ff. Vgl. EuGH v. 15.10.2015 – C-310/14, veröffentlicht bei jurion; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 97. 123 Vgl. EuGH v. 15.10.2015 – C-310/14, veröfentlicht bei jurion; Stephan in Vallender/ Undritz, Praxis des Insolvenzrechts, Kap. 15 Rz. 214. Schfer

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A 47c

A Rz. 47d

Einleitung

A 47d Die Regelungen über die Nachrangigkeit eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen nach den §§ 32a GmbHG a.F., 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. („Novellenregeln“) finden auf Kapitalgesellschaften, über deren Vermögen in Deutschland das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde, auch dann Anwendung, wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet wurden.124 Dies beruht darauf, dass bereits die „Novellenregeln“ insolvenzrechtlicher Natur waren, und gilt auch für die Neufassung des § 135 InsO durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene „MoMiG“, durch welches das Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen auf eine rein insolvenz- und anfechtungsrechtliche Grundlage gestellt wurde.125 A 47e Bei grenzüberschreitenden Anfechtungsfällen ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12.2.2009126 zur Frage der gerichtlichen Zuständigkeit zu beachten. Danach ist Art. 3 Abs. 1 EUInsVO dahingehend auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig sind, der seinen satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Zur Frage der örtlichen Zuständigkeit in solchen Fällen hat der BGH durch Urteil vom 19.5.2009127 entschieden, dass das sachlich zuständige Streitgericht für den Sitz des eröffnenden Insolvenzgerichts ausschließlich örtlich zuständig ist, wenn die deutschen Gerichte für eine Insolvenzanfechtungsklage europarechtlich international zuständig sind, ohne dass nach den allgemeinen deutschen Gerichtsstandsbestimmungen eine örtliche Zuständigkeit begründet wäre. Die Kammern für Handelssachen sind für Anfechtungsklagen nicht zuständig, selbst wenn es sich bei dem angefochtenen Geschäft um ein Handelsgeschäft handelt.128 A 47f Der BGH hat dem Europäischen Gerichtshof durch Beschluss vom 21.6.2012129 die Frage vorgelegt, ob die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wurde, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig sind, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats hat. Der Europäische Gerichtshof hat diese Frage durch Urteil vom 16.1.2014130 bejaht; der BGH ist dem inzwischen gefolgt.131 Auch nach der Entscheidung des EuGH stellt sich freilich die Frage der Vollstreckbarkeit eines

124 BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10 – „PIN“, ZIP 2011, 1775 ff. 125 Vgl. Begründung zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140 S. 42; Habersack in Goette/ Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.1. 126 EuGH v. 12.2.2009 – C-339/07 – „Seagon/Deko Marty Belgium“, ZIP 2009, 427. 127 BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 39/06, ZIP 2009, 1287 ff. 128 Vgl. BGH v. 9.7.1987 – IX ZR 167/86, ZIP 1987, 1132 ff.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 143 Rz. 132. 129 BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 2/12, ZIP 2012, 1467 f. m. Anm. von Undritz, EWiR 2012, 519 f. 130 EuGH v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12 – „Schmid“, ZIP 2014, 181 ff. m. krit. Anm. Paulus, EWiR 2014, 85 f. 131 BGH v. 27.3.2014 – IX ZR 2/12, ZIP 2014, 1132 f.

20 Schfer

IV. Gerichtliche Zustndigkeit bei Auslandsbezug

Rz. 47i A

solchen Urteils, die in dem vom BGH zu beurteilenden Fall einer gegen einen Schweizer Staatsbürger gerichteten Klage nicht gegeben ist.132 Nach einem Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 17.12.2012133 sind deut- A 47g sche Gerichte für die Insolvenzanfechtungsklage eines Insolvenzverwalters in einem über das Vermögen eines Kreditinstituts eröffneten Insolvenzverfahren („Lehman Brothers“) gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen satzungsmäßigen Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat, international nicht zuständig. Art. 1 Abs. 2 EUInsVO nimmt bestimmte Unternehmen des Finanzdienstleistungsbereichs vom Anwendungsbereich der Verordnung aus. Nach dieser Regelung ist die Anwendung der EUInsVO auf Insolvenzverfahren ausgeschlossen, die über das Vermögen eines Kreditinstituts geführt werden. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19.4.2012134 ist Art. 1 A 47h Abs. 1 der VO (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) dahingehend auszulegen, dass eine Klage, die gegen einen Dritten von einem Anspruchsteller auf der Grundlage einer durch den Insolvenzverwalter erfolgten Forderungsabtretung erhoben wird, deren Gegenstand das Insolvenzanfechtungsrecht ist, das diesem Insolvenzverwalter nach dem für das Insolvenzverfahren geltenden nationalen Recht zusteht, unter den Begriff der Zivil- und Handelssachen im Sinne dieser Bestimmungen fällt. Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass der Anfechtungsanspruch mit der Abtretung seinen Charakter verändert und es fortan am engen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren fehlt. Die internationale Zuständigkeit richtet sich daher nach dem allgemeinen internationalen Gerichtsstand des Anfechtungsgegners gemäß Art. 2, 60 Abs. 1 EuGVVO.135 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist Art. 1 EuGVVO weit und Art. 3 EUInsVO eng auszulegen.136 Sind die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung in einem deutschen Insol- A 47i venzverfahren nach deutschem Recht gegeben, so sollte nach einem Urteil des OLG Stuttgart vom 28.9.2012137 gemäß Art. 13 EUInsVO bei Rechtsgeschäften nach ausländischem Recht (konkret: Österreich) ein Rückgewähranspruch nur in Betracht kommen, wenn auch nach diesem ausländischen Recht eine Anfechtbarkeit gegeben ist. Der Vorrang des ausländischen Rechts sollte jedoch nur für den Anfechtungstatbestand und nicht hinsichtlich der Art und Weise der Geltendmachung des Anfechtungsrechts gelten. War daher die nach auslän-

132 Vgl. dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 19/2012 Anm. 1. 133 OLG Frankfurt am Main v. 17.12.2012 – 1 U 17/11, ZIP 2013, 277 ff. 134 EuGH v. 19.4.2012 – C-213/10 – „F-Tex SIA/Jadecloud“, ZIP 2012, 1049 ff.; vgl. dazu Cranshaw, ZInsO 2012, 1237 ff. 135 Vgl. Cranshaw, ZInsO 2012, 1237 (1240). 136 EuGH v. 10.9.2009 – C-292/08 – „German Graphics Graphische Maschinen GmbH“, veröffentlicht bei juris. 137 OLG Stuttgart v. 28.9.2012 – 5 U 17/12, ZIP 2012, 2162 ff. m. zust. Anm. von Riedemann, EWiR 2013, 109 f. und krit. Anm. von Cranshaw, jurisPR-InsR 23/2012 Anm. 2; ablehnend auch K. Schmidt/Brinkmann, Art. 13 EUInsVO Rz. 12 f. Schfer

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A Rz. 47i

Einleitung

dischem Recht geltende einjährige Frist zur Klageerhebung verstrichen, so sollte dies nach Ansicht des OLG Stuttgart dem Rückgewähranspruch nicht entgegenstehen, wenn vor Ablauf der ausländischen Frist zur Klageerhebung die Anfechtung wenigstens rechtsgeschäftlich erklärt wurde. A 47j Der BGH hat auf die Revision gegen das Urteil des OLG Stuttgart hin dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Klärung vorgelegt:138 1. Ist Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160 S. 1) anwendbar, wenn die vom Insolvenzverwalter angegriffene Auszahlung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gepfändeten Betrags erst nach der Verfahrenseröffnung erfolgt ist? 2. Sofern die erste Frage zu bejahen ist: Bezieht sich die Einrede nach Art. 13 EUInsVO auch auf die Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausschlussfristen des Wirkungsstatuts (lex causae) der angegriffenen Rechtshandlung? 3. Sofern die zweite Frage zu bejahen ist: Bestimmen sich auch die für die Geltendmachung des Anspruchs im Sinne von Art. 13 EUInsVO beachtlichen Formvorschriften nach der lex causae oder richten sich diese nach der lex fori concursus? Der Europäische Gerichtshof hat daraufhin durch Urteil vom 16.4.2015139 die beiden ersten Fragen bejaht und entschieden, dass sich die Formvorschriften für die Erhebung einer Insolvenzanfechtungsklage im Hinblick auf die Anwendung von Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 nach dem Recht richten, das für die vom Insolvenzverwalter angefochtene Rechtshandlung gilt. A 47k Der BGH hat im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16.4.2015 durch Urteil vom 15.10.2015140 wie folgt entschieden: Ist die Zahlungsklage des Verwalters in einem in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren über eine Gesellschaft nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates (konkret: Österreich) gegen einen Insolvenzgläubiger nach deutschem Recht begründet, weil das der nach Eröffnung erfolgten Auszahlung zugrunde liegende Pfändungspfandrecht infolge der Rückschlagsperre gemäß § 88 InsO und die Auszahlung an den Gläubiger gemäß § 91 InsO unwirksam waren, steht der Umstand, dass das Pfändungspfandrecht nach der lex causae (konkret: dem österreichischen Recht) wirksam geblieben ist, dem Erfolg der Klage nicht entgegen, wenn die Auszahlung ihrerseits nach der lex causae insolvenzrechtlich wirksam angefochten worden ist. Die Auszahlung des Geldes ist jedoch nach dem Recht der lex causae in keiner Weise angreifbar im Sinne des Art. 13 EuInsVO, wenn die nach diesem Recht geltenden Verjährungs-, Anfechtungs- oder Ausschlussfristen oder die Formvorschriften nicht eingehalten sind. A 47l Nach einem Urteil des Landgerichts Krefeld vom 3.9.2014141 ist das maßgebliche andere Recht im Sinne des Art. 13 EuInsVO (lex causae) im Fall einer im 138 139 140 141

BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 265/12, ZIP 2013, 2167 ff. EuGH v. 16.4.2015 – C-557713, NZI 2015, 8 ff. BGH v. 15.10.2015 – IX ZR 265/12. LG Krefeld v. 3.9.2014 – 7 O 67/12, ZIP 2014, 1940 ff. m. Anm. von J. Schmidt, EWiR 2014, 659 f.

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V. Entwicklungstendenzen und Reformbestrebungen

Rz. 50 A

Wege der Insolvenzanfechtung angegriffenen Überweisung das Recht, dem das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft unterliegt. Das gewählte Vertragsstatut ist nach Art. 32 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 EGBGB a.F. A 47m auch für die Erfüllung der durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen und für die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen maßgebend. Nach deutschem Recht besteht kein Anspruch eines Subunternehmers darauf, dass seine gegen den Unternehmer bestehende Forderung durch den Hauptauftraggeber erfüllt wird. Dies gilt auch bei einer auf § 16 Abs. 6 VOB/B (§ 16 Nr. 6 VOB/B a.F.) beruhenden Direktzahlung an den Subunternehmer. Da sich das Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin in dem vom BGH durch Urteil vom 20.11.2014142 entschiedenen Fall nach deutschem Recht richtete, konnte ein Anspruch des Beklagten auf Zahlung durch die Hauptauftraggeber nicht aus Art. 1798 des belgischen Zivilgesetzbuches abgeleitet werden.143 Im Verhältnis zu Nicht-EU-Staaten gelten die am 14.3.2003 in Kraft getretenen A 48 §§ 335, 339 InsO, die inhaltlich mit den Regelungen in den Art. 4 Abs. 2m), 13 EUInsVO übereinstimmen. § 339 InsO wurde vom Gesetzgeber ausdrücklich in Anlehnung an Art. 13 EUInsVO ausgestaltet, um Wertungswidersprüche zwischen dem europäischen und dem allgemeinen internationalen Privatrecht zu vermeiden.144 Der BGH hat ferner in einem „Altfall“, in dem sich die internationale Zuständig- A 49 keit mangels anwendbarer gemeinschaftsrechtlicher Regelungen nach § 23 ZPO bestimmte, entschieden, es könne sich ein hinreichender Inlandsbezug als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gerichtsstands des Vermögens daraus ergeben, dass über das Vermögen des Schuldners im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und die Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner, an welche die Zuständigkeit anknüpfe, aus einer Tätigkeit im Inland herrührten.145 Im konkreten Fall ging es im Zusammenhang mit einem in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren um die Anfechtbarkeit der Abtretung der gegen eine deutsche Notarkasse gerichteten Ruhegehaltsansprüche an eine in Italien wohnhafte Beklagte.

V. Entwicklungstendenzen und Reformbestrebungen; Änderungen durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG Eine wesentliche Errungenschaft der Insolvenzordnung besteht darin, dass be- A 50 stimmte Gläubigervorrechte, die noch in der Konkursordnung enthalten waren, abgeschafft wurden. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung zutreffend erkannt, dass die unter der Geltung der Konkursordnung zum Teil recht weitgehend zuer142 143 144 145

BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZIP 2015, 42 ff. Vgl. BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZIP 2015, 42 ff. Rz. 11 ff. Vgl. BT-Drucks. 15/16, S. 19; Uhlenbruck/Lüer, § 339 Rz. 2. BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374 ff. Schfer

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A Rz. 50

Einleitung

kannten Aufrechnungsbefugnisse der Gläubiger bei Berücksichtigung der Gemeinsamkeiten zwischen Aufrechnung und Pfändung bzw. Verpfändung und der Neuregelungen der Insolvenzordnung nicht länger in gleichem Umfang fortbestehen können. Dies steht im Einklang mit der Gesetzesbegründung, wonach der Anwendungsbereich des Insolvenzanfechtungsrechts im Vergleich zum früheren Recht erweitert werden sollte.146 Schließlich hat der Rechtsprechung auch nicht der Mut gefehlt, die Insolvenzanfechtung zu einem recht effektiven Instrument zum Schutz der (künftigen) Insolvenzmasse auszugestalten. A 51 Gleichwohl gab es immer wieder Versuche, das als zu weit gehend empfundene Anfechtungsrecht zurückzudrängen. So war in einem Gesetzentwurf vom 10.8.2005 zum Pfändungsschutz und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung147 eine Änderung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vorgesehen, wonach die Anfechtung einer Rechtshandlung nach § 130 InsO (kongruente Deckung) nur noch bei einem unlauteren Verhalten des Schuldners möglich sein sollte. Befriedigungen im Wege der Zwangsvollstreckung sollten in der materiellen Insolvenz des Schuldners nicht mehr als inkongruente Deckungen anfechtbar sein. Der Gesetzentwurf wurde zu Recht heftig kritisiert148 und ist letztlich nicht Gesetz geworden. Ein weiterer Versuch des Gesetzgebers bestand in der am 1.1.2008 in Kraft getretenen Regelung des § 28e SGB IV, nach der die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrages als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht gilt. In diesem Punkt hat der BGH dem Gesetzgeber aus rechtsdogmatischen Gründen die Gefolgschaft verweigert und klargestellt, dass auch nach dem Inkrafttreten des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden könne.149 A 52 Nach Art. 3 des Regierungsentwurfs für ein Haushaltsbegleitgesetz 2011150 sollte § 96 InsO folgender Absatz 3 angefügt werden: „(3) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen der Aufrechnung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis durch Finanzbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden nicht entgegen.“ Auch dieses Vorhaben ist jedoch nicht Gesetz geworden. Allerdings wurde mit Wirkung ab dem 1.1.2011 § 55 Abs. 4 InsO in das Gesetz eingefügt. Danach gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet wurden, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten. Damit wurden die Aufrechnungsbefugnisse des Fiskus erweitert.151 Im Schrifttum 146 Begründung zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 156. 147 Vgl. BT-Drucks. 16/886. 148 Vgl. etwa Kreft, DStR 2005, 1192 (1193 f.); Pape, ZInsO 2005, 842; Förster, ZInsO 2005, 785. 149 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 ff. 150 Vgl. BR-Drucks. 532/10, S. 15, 51, 53 f.; BT-Drucks. 17/3030, S. 17, 42 f.; HK-InsO/ Kreft, § 129 Rz. 5. 151 Vgl. dazu Kahlert, ZIP 2010, 1274 ff.; Pape, ZInsO 2010, 2155 ff.; Onusseit, ZInsO 2011, 641 ff.

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V. Entwicklungstendenzen und Reformbestrebungen

Rz. 54 A

wird kritisiert, dass die Neuregelung die Finanzverwaltung systemwidrig gegenüber der Gemeinschaft der übrigen ungesicherten Insolvenzgläubiger bevorzuge.152 Es hat somit immer wieder Versuche gegeben, den Anwendungsbereich der In- A 53 solvenzanfechtung systemwidrig einzuschränken. Noch gravierender als diese bisherigen Änderungsbemühungen könnten sich möglicherweise die Gesetzesänderungen auswirken, die das am 1.3.2012 in Kraft getretene Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen („ESUG“) gebracht hat. So kann sich etwa die in § 56a InsO geregelte Gläubigerbeteiligung bei der Bestellung des Insolvenzverwalters naturgemäß nachteilig auf die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen auswirken. Dies hat bereits zu einem deutlichen Warnruf im Schrifttum geführt.153 Danach soll es im Zusammenhang mit der Ausweitung des Gläubigereinflusses durch das „ESUG“ zu einem „Wildwuchs“ gekommen sein. Es ist gar davon die Rede, dass das „ESUG“ den Weg von der Gläubigerautonomie zur Gläubigeranarchie geebnet habe. In der Praxis sei es sogar vorgekommen, dass die die Gläubigerversammlung majorisierenden Bankenvertreter unter Berufung auf § 160 InsO beschlossen hätten, den Verwalter anzuweisen, keine Anfechtungsansprüche durchzusetzen.154 Dazu muss man freilich kritisch anmerken, dass diese Folgen schon im Gesetzgebungsverfahren unschwer hätten vorausgesehen werden können. Die jüngsten Reformbestrebungen betreffen vor allem den Bereich der Vorsatz- A 54 anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, die durch die Rechtsprechung des BGH eine sehr weit gehende Ausdehnung erfahren hat. Nachdem Wirtschaftsverbände dezidiert Stellung bezogen hatten,155 hat sich die Politik der Sache in einem Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG“ vom 16.3.2015 angenommen,156 der durch den Regierungsentwurf vom 29.9.2015157 und das am 5.4.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach

152 Vgl. Andres/Leithaus, § 55 Rz. 19; Vallender/Undritz/M. Fischer, Kap. 14 Rz. 41; Kahlert, ZIP 2010, 1274; Hölzle, BB 2012, 1571. 153 Vgl. Wimmer, ZIP 2013, 2038 ff. 154 Wimmer, ZIP 2013, 2038. 155 Vgl. Positionspapier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) v. 14.10.2013, ZInsO 2013, 2312 ff. 156 Abgedruckt in ZIP 2015, Beilage 1 zu Heft 12; vgl. dazu M. Huber, ZInsO 2015, 713 ff.; Hölzle, ZIP 2015, 662 ff.; Würdinger, KTS 2015, 315 ff. 157 Abgedruckt in ZIP 2015, Beilage 2 zu Heft 40; kritisch dazu Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001 f.; E. Wagner, ZInsO 2015, 2171 f.; Ganter, WM 2015, 2117 ff.; M. Huber, ZInsO 2015, 2297 ff.; Marotzke, ZInsO 2015, 2397 ff.; N. Schmidt, ZInsO 2015, 2473 ff.; Kayser/Heidenfelder, ZIP 2016, 447 ff.; Klinck, DB 2016, 634 ff.; vermittelnd K. Schmidt, ZIP 2015, 2104 f.; den Regierungsentwurf zu § 131 InsO verteidigend Jungclaus, KTS 2016, 45 ff.; vgl. zum weiteren Gesetzgebungsverfahren Empfehlungen der Ausschüsse v. 13.11.2015, BR-Drucks. 495/15 und Stellungnahme des Bundesrates v. 27.11.2015, abgedruckt in ZInsO 2015, 2525 ff. sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BTDrucks. 18/11199. Schfer

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A Rz. 54

Einleitung

der InsO und nach dem AnfG zu Recht wesentliche Änderungen erfahren hat. Die zunächst vorgesehenen Änderungen des § 131 InsO wurden zu Recht nicht in das Gesetz übernommen. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 103j Abs. 1 InsO sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eröffnet worden sind, vorbehaltlich des Art. 103j Abs. 2 EGInsO die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Die Sonderregelung in Art. 103j Abs. 2 InsO betrifft die Neuregelung in § 143 Abs. 1 InsO.158 A 55 Nach dem Regierungsentwurf sollte § 131 Abs. 1 InsO folgender Satz angefügt werden, der jedoch zu Recht letztlich nicht Gesetz geworden ist: „Eine Rechtshandlung wird nicht allein dadurch zu einer solchen nach Satz 1, dass die Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erwirkt oder zu deren Abwendung bewirkt worden ist.“159

Damit sollte die Rechtsprechung korrigiert werden, wonach die in den letzten 3 Monaten vor der Insolvenzantragstellung durch Zwangsvollstreckung oder unter Vollstreckungsdruck erlangte Deckung als inkongruent anzusehen ist.160 Die Neuregelung sollte demgegenüber gewährleisten, dass Gläubiger, die lediglich von den im Gesetz vorgesehenen Zwangsmitteln Gebrauch machen, künftig keine Inkongruenzanfechtung hätten befürchten müssen. Diese hätte nur eingegriffen, wenn die Deckung ausnahmsweise aus einem anderen Grund inkongruent gewesen wäre.161 Die Problematik wäre durch die Neuregelung möglicherweise nur in den Bereich des § 130 InsO verlagert worden. Denn es liegt nicht allzu fern, den Umstand, dass die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner eingeleitet werden musste, als Umstand zu werten, aus dem zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu schließen war (vgl. § 130 Abs. 2 InsO). Die mit der Reform angestrebte „Verbesserung der Rechtssicherheit“ wäre somit möglicherweise nicht erreicht worden Es stellte sich ferner die Frage, ob die Neuregelung auch im Fall der Drohung mit einem Insolvenzantrag gegolten hätte; dies dürfte zu verneinen sein. Der Regierungsentwurf sah mit der Neuregelung eine Änderung vor, die bereits im Entwurf eines Gesetzes „zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung“162 vom 12.8.2005 enthalten war und im Schrifttum heftig kritisiert wurde.163 Denn dadurch wäre die öffentliche Hand aufgrund ihrer besseren Vollstreckungsmöglichkeiten gegenüber anderen Insolvenzgläubigern in nicht zu rechtfertigender Weise bevorzugt worden.164 Die Weitergeltung des Prioritätsprinzips in der von den Anfechtungszeiträumen der Deckungsanfechtung erfassten materiellen Insolvenz des Schuldners auch für solche Gläubiger, die über spezielle Vollstreckungs-

158 Vgl. dazu Rz. A63. 159 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 7. 160 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 17; vgl. dazu BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 96/11, NZI 2012, 561 f.; BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 ff. 161 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 17. 162 Vgl. dazu BT-Drucks.16/886 u. 16/3844. 163 Vgl. Vallender, NZI 2005, 599 ff.; M. Huber, ZInsO 2005, 786 ff.; Marotzke, ZInsO 2006, 7 ff.; HK/Kreft, § 129 Rz. 4. 164 Vgl. HK/Kreft, § 129 Rz. 4; Würdinger, KTS 2015, 315 (323).

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V. Entwicklungstendenzen und Reformbestrebungen

Rz. 56 A

möglichkeiten verfügen, würde dem in der Krise befindlichen Schuldner dringend benötigte Liquidität entziehen und Sanierungsbemühungen erschweren.165 Eben diese Bevorzugung einzelner Gläubigergruppen sah der Regierungsentwurf A 56 (erneut) vor,166 wobei es geradezu entlarvend ist, dass die noch im Referentenentwurf vorgesehene Beschränkung auf Zwangsvollstreckungen aus Titeln, die im justizförmigen Verfahren erlangt wurden, nicht beibehalten wurde. Im Schrifttum167 wird indes zu Recht angemerkt, der BGH habe nie in Zweifel gezogen, dass ein Titelgläubiger an sich einen Anspruch auf die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Deckung habe. Seine Rechtsprechung gründe vielmehr auf der Erwägung, dass nach dem Eintritt der materiellen Insolvenz eine Ungleichbehandlung der Gläubiger nicht mehr durch den Einsatz staatlicher Zwangsmittel solle anfechtungsfest erzwungen werden können. Die geringe Schutzwürdigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in der Krise des Schuldners kommt im Übrigen auch in der „Rückschlagsperre“ gemäß § 88 InsO zum Ausdruck.168 Der Gesetzentwurf setzte sich in Widerspruch zu § 88 InsO, der ebenso wie § 131 InsO nur wegen der Inkongruenz auf subjektive Erfordernisse verzichten kann.169 § 88 InsO ist Ausdruck des Grundsatzes, dass der Gläubiger die im letzten Monat vor der Stellung des Insolvenzantrages (oder danach) erlangte Sicherung im Interesse der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht beanspruchen kann. Die vorgesehene Änderung des § 131 Abs. 1 InsO hätte zur Folge gehabt, dass eine im letzten Monat vor der Antragstellung erlangte Sicherung unwirksam gewesen wäre, während die bereits erlangte Befriedigung nicht hätte angefochten werden können. Insoweit wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass der schnell und aggressiv Befriedigung suchende Gläubiger ohne sachlichen Grund bevorzugt worden wäre.170 § 88 InsO ist jedoch vor dem Hintergrund des Insolvenzanfechtungsrechts zu sehen, welches solche Befriedigungen ebenfalls erfasst. Denn die innerhalb des letzten Monats vor der Stellung des Insolvenzantrages erlangte Deckung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH als inkongruente Deckung anfechtbar.171 In diesem Buch wurde daher schon in der Vorauflage eine Ausnahme im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks nur für den Fall befürwortet, dass der Gläubiger „schlicht“ im Wege des gesetzlich geregelten Zwangsvollstreckungsverfahrens gegen den Schuldner vorgeht, ohne dass dieser bzw. der Gläubiger korrigierend in das Geschehen eingreift.172

165 Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001 (2002); Kayser/Heidenfelder, ZIP 2016, 447 (448). 166 Zu Recht kritisch Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001 f.; Ganter, WM 2015, 2117 ff. 167 Ganter, WM 2015, 2117 (2118). 168 Vgl. N. Schmidt, ZInsO 2015, 2473 (2474); B. Schäfer, Die Wirkungen der Insolvenzeröffnung, Rz. 297 ff. 169 Vgl. M. Huber, ZInsO 2015, 2297 (2298). 170 MK-InsO/Breuer, § 88 Rz. 10. 171 Vgl. BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff.; v. 11.4.2002 – IX ZR 211/01, ZIP 2002, 1159 ff.; Raebel, ZInsO 2003, 1124 (1127). 172 Vgl. Vorauflage Rz. F7a. Schfer

27

A Rz. 56a

Einleitung

A 56a Der herrschenden Meinung, wonach eine in den kritischen Zeiträumen des § 131 InsO durch Zwangsvollstreckung erlangte Deckung als inkongruent anzusehen sei, wird unter anderem entgegengehalten, dass eine Deckungshandlung, die bei freiwiliger Leistung durch den Schuldner kongruent wäre, durch die bloße Leistung im Rahmen einer – staatlich legitimierten – Zwangsvollstreckungsmaßnahme inkongruent werde.173 Insoweit schien der Regierungsentwurf Abhilfe zu schaffen. Im Schrifttum wurde indes zu Recht darauf hingewiesen, dass auch der Regierungsentwurf Unstimmigkeiten im Bereich der Zwangsvollstreckung zur Folge gehabt hätte.174 Droht etwa der Gläubiger mit der Zwangsvollstreckung und tritt ihm der Schuldner daraufhin eine gegen einen Dritten gerichtete Forderung erfüllungshalber ab, so hat deren Einziehung eine inkongruente Deckung zur Folge, denn der Schuldner hat zur Abwendung der Zwangsvollstreckung eine andere als die geschuldete Leistung erbracht. Lässt der Gläubiger hingegen dieselbe Forderung pfänden und sich überweisen, wäre darin nach dem Regierungsentwurf eine kongruente Deckung zu sehen gewesen. Der Erwerb eines Gegenstandes durch Zwangsvollstreckung wäre danach anfechtungsfester gewesen als seine freiwillige Übertragung durch den Schuldner, der die Vollstreckung abwenden will.175 A 57 Der Gesetzentwurf enthält den Hinweis, dass grundsätzlich immer eine Deckungsanfechtung nach § 130 InsO möglich bleibe, und die zweifelhafte Anmerkung, wonach für Arbeitnehmer gelte, dass ihre Stellung oder Funktion im Unternehmen bei der Beurteilung, ob sie Kenntnis von der tatsächlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder von Vermutungstatsachen gehabt hätten, nicht per se maßgebend sei,176 sondern der Nachweis der subjektiven Vorausetzungen der Kongruenzanfechtung bei ihnen und anderen Kleingläubigern in der Regel nicht möglich sein dürfte.177 A 57a Die im Regierungsentwurf vorgeschlagenen Änderungen des § 131 InsO sind aus den oben wiedergegebenen Gründen letztlich zu Recht nicht Gesetz geworden. A 58 Nach dem Regierungsentwurf sollten nach § 133 Abs. 1 InsO folgende Absätze 2 und 3 eingefügt werden, die inzwischen auch geltendes Recht geworden sind: „(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Abs. 1 Satz 1 vier Jahre. (3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Abs. 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.“ 173 174 175 176

Vgl. Marotzke, ZInsO 2014, 417/418; Berner, ZInsO 2015, 2457 (2458). Klinck, DB 2016, 634 (636). Vgl. Klinck, DB 2016, 634 (636). Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 17 mit Hinweis auf BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 ff. Rz. 32. 177 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 17.

28 Schfer

V. Entwicklungstendenzen und Reformbestrebungen

Rz. 59 A

Nach dem Gesetzentwurf soll die Grundstruktur der Vorsatzanfechtung unberührt bleiben, insbesondere soll im Rahmen des Grundtatbestandes des Abs. 1 die gesetzliche Vermutung der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners weiterhin an die drohende Zahlungsunfähigkeit anknüpfen.178 Die Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen soll allerdings durch die Sonderregelungen in den Abs. 2 und 3 maßvoll zurückgenommen werden. Für sämtliche Deckungshandlungen (kongruente und inkongruente) gilt nach Abs. 2 ein vierjähriger Anfechtungszeitraum; ansonsten verbleibt es bei der zehnjährigen Frist. Nach Abs. 3 soll die bisherige Vermutung bei kongruenten Deckungshandlungen nunmehr an die Kenntnis der tatsächlich eingetretenen (statt bisher der nur drohenden) Zahlungsunfähigkeit anknüpfen. Damit soll dem Umstand Rechnung getrgen werden, dass eine geschuldete Leistung erbracht wird und der Schuldner vor dem Eintritt der Insolvenz grundsätzlich frei ist zu entscheiden, welche Forderungen er erfüllt.179 Die Neuregelung schließt es freilich nicht aus, in der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit ein mehr oder weniger gewichtiges Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu sehen.180 Die Beschränkung des Anfechtungszeitraums auf vier Jahre nach § 133 Abs. 2 InsO soll für die Fälle gelten, in denen „dem anderen Teil“ eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wurde. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 130 InsO ist indes zu schließen, dass die Einschränkung nur bei Deckungen im Sinne der §§ 130, 131 InsO gilt, also nur, wenn ein Insolvenzgläubiger befriedigt oder besichert wurde. Dies kann etwa bei Anweisungsfällen und bei der Anfechtung in der Insolvenz des Leistungsmittlers (der an den Gläubiger eines anderen leistet) relevant werden.181 Die Verkürzung der Anfechtungsfrist auf vier Jahre betrifft sowohl kongruente als auch inkongruente Deckungshandlungen. Die zehnjährige Anfechtungsfrist und die Indizwirkung der Inkongruenz für den subjektiven Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO gelten allerdings auch weiterhin für inkongruente Befriedigungen und Sicherungen außerhalb des Bereichs der Zwangsvollstreckung und der Befriedigung durch „Druckzahlung“.182 Mit § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO soll der „Erosion bewährter und effizienter Ver- A 59 kehrsübungen“ begegnet werden, auf deren Grundlage Unternehmen vorübergehende Liquiditätsengpässe überbrücken und die funktional der Gewährung von Überbrückungsfinanzierungen entsprechen können.183 Hinter der Regelung steht nach dem Gesetzentwurf der – fragwürdige – Gedanke, dass die mit einer Stundungs- oder Ratenzahlungsbitte dem Gläubiger offenbar werdende Liquiditätslücke mit Gewährung der Stundung respektive Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung regelmäßig beseitigt sein werde.184 Zur Widerlegung der Vermutung des Abs. 3 Satz 2 müsse der Insolvenzverwalter konkrete Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen, die darauf schließen ließen, dass dem 178 179 180 181 182 183 184

Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 13. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 13, 18. Kayser/Thole, § 133 Rz. 41. Vgl. Kayser/Thole, § 133 Rz. 40. Vgl. M. Huber, ZInsO 2015, 2297 (2299). Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 13. Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 18. Schfer

29

A Rz. 59

Einleitung

Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlung doch bekannt gewesen sei. Er könne damit den ihm obliegenden Beweis weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die entsprechende Bitte des Schuldners stützen. Im Gesetzentwurf werden ferner bestimmte Umstände genannt, die trotz der Vermutung des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO für die Kenntnis des Anfechtungsgegners sprechen können. Als Beispiele werden etwa das Nichteinhalten einer Ratenzahlungsvereinbarung, anwachsende Zahlungsrückstände, die Kenntnis weiterer Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern und die Erklärung des Schuldners, einen erheblichen Teil seiner fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllen zu können, genannt.185 A 60 Offensichtlich soll es sich bei der Vermutung nach § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht um eine Rechtsvermutung, sondern um eine Tatsachenvermutung handeln, der jedoch eine hinreichende Vermutungsgrundlage fehlt. Tatsächlich ist im Anwendungsbereich des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO vielmehr ein Liquiditätsproblem des Schuldners hervorgetreten.186 Eine Vermutung, dass derjenige, der eine Zahlungserleichterung gewährt, die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kennt, geht an der Wirklichkeit vorbei und hätte daher vom Gesetzgeber abgelehnt werden sollen.187 Denn die Bitte des Schuldners um Zahlungserleichterung ist vielfach gerade ein Anzeichen dafür, dass der Gläubiger von Zahlungsschwierigkeiten seitens des Schuldners ausgeht. Der Regierungsentwurf stellt für einen Teil der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO (…“der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte …“) eine Art „Gegenvermutung“ auf. Dies fügt sich nicht in die Gesetzessystematik ein.188 Für eine Verlagerung der Beweislast auf den Insolvenzverwalter besteht weder Anlass noch Raum.189 Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates klargestellt, was mit der Neuregelung eigentlich gewollt ist: Die Vermutung soll lediglich bewirken, dass der Verwalter den ihm obliegenden Beweis weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die dieser Gewährung typischerweise zugrunde liegende Bitte des Schuldners stützen kann.190 Vorzuziehen wäre daher eine Regelung gewesen, wonach die Kenntnis des anderen Teils von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht schon dann zu vermuten ist, wenn er mit dem Schuldner eine Zahlungserleichterung vereinbart hat.191 A 61 § 142 InsO sollte nach dem Regierungsentwurf wie folgt neu gefasst werden: „(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

185 186 187 188 189 190 191

Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 18. Vgl. M. Huber, ZInsO 2015, 2297 (2299). Zutr. Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001; Ganter, WM 2015, 2117 (2119 f.). Zutr. Stellungnahme des Bundesrates v. 27.11.2015, ZInsO 2015, 2525 (2526). Klinck, DB 2016, 634 (639). Vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 32. Vgl. K. Schmidt, ZIP 2015, 2104 (2105); in diesem Sinne auch die Stellungnahme des Bundesrates v. 27.11.2015, ZInsO 2015, 2525 (2526).

30 Schfer

V. Entwicklungstendenzen und Reformbestrebungen

Rz. 61a A

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt.“

Diese vorgeschlagenen Änderungen sind inzwischen ebenfalls am 5.4.2017 als Gesetz in Kraft getreten. Hinzugefügt wurde als § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO folgende Regelung: „Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.“

Durch die Neufassung des § 142 InsO soll die für die Vorsatzanfechtung bestehende Ausnahme vom Bargeschäftsprivileg eingeschränkt und der neueren Rechtsprechung des BGH begegnet werden, wonach das entkräftende Beweisanzeichen des bargeschäftlichen Leistungsaustauschs nicht eingreift, wenn der Schuldner erkennt, dass die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens unrentabel ist, so dass sie für die Gläubiger auch auf längere Sicht ohne Nutzen ist.192 Das geforderte unlautere Verhalten des Schuldners setze mehr voraus als die Vornahme der Rechtshandlung in dem Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können. Da dem Schuldnervermögen beim Bargeschäft eine gleichwertige Gegenleistung zufließe, müssten hinreichend gewichtige Umstände hinzutreten, um in dem vollzogenen Austausch einen besonderen Unwert zu erkennen. Im Anschluss werden einige Beispiele genannt, in denen ein unlauteres Verhalten des Schuldners gegeben sein kann. Eine solche unlautere Handlung soll bspw. gegeben sein, wenn der Schuldner Vermögen für Leistungen verschleudert, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nützen können, wie etwa bei flüchtigen Luxusgütern, oder wenn er zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendiges Betriebsvermögen abstößt.193 Das vom Gesetzentwurf betonte Ziel der Rechtssicherheit194 wird jedoch mit A 61a der Einführung des Tatbestandsmerkmals des unlauteren Handelns des Schuldners nicht erreicht, da das „Bargeschäftsprivileg“ mit einem konturlosen Tatbestandsmerkmal in den Bereich der Vorsatzanfechtung hinein erstreckt wird. Dies hat vielmehr weitere Streitfragen zur Folge. Darüber hinaus wird mit dem Erfordernis eines unlauteren Verhaltens des Schuldners, verbunden mit der weiteren Voraussetzung einer entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners, die Vorsatzanfechtung im Ergebnis zu sehr eingeschränkt.195 Letztendlich sind nach dem Gesetzentwurf nur noch Fälle vom Bargeschäftsprivileg ausgenommen, bei denen der Insolvenzverwalter nachweisen kann, dass der Schuldner und der Leistungsempfänger kollusiv mit der Absicht, die Gläubigergemein192 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks 18/7054, S. 19 mit Hinweis auf BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 25. 193 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 194 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 1, 13. 195 Zutr. Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001 (2002); Ganter, WM 2015, 2117 (2120). Schfer

31

A Rz. 61a

Einleitung

schaft zu schädigen, zusammengewirkt haben. Der Bundesrat hat daher zu Recht dahingehend Stellung genommen, dass von der Einführung des wertenden, unbestimmten Rechtsbegriffs der „Unlauterkeit“ und der „Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ Abstand zu nehmen sei. Er hat vorgeschlagen, die Wörter „erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte“, durch die Wörter „erkennen musste, dass die Gegenleistung weder zur Sicherung des Lebensbedarfs erforderlich ist noch der Fortführung oder Sanierung des Unternehmens dient“, zu ersetzen.196 Damit wäre auch der neueren Rechtsprechung des BGH Rechnung getragen worden, wonach es bei einer bargeschäftsähnlichen Lage an dem erforderlichen unmittelbaren Austausch gleichwertiger Leistungen fehlt, wenn der Schuldner weiß, dass mit der Fortführung des Unternehmens weitere Verluste anfallen, die für die Gläubiger auch auf längere Sicht ohne Nutzen sind.197 In der Begründung zum Regierungsentwurf wird dazu freilich vermerkt, dass es auch dann an der Unlauterkeit fehle, wenn der Schuldner erkenne, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig sei, solange der Schuldner Geschäfte führe, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich seien.198 In letzterem Punkt hat der Regierungsentwurf allerdings recht. Denn nach der Rechtsprechung des BGH und des BAG scheidet die Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes regelmäßig aus, wenn durch Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Zuge eines Baraustauschs die für die Betriebsfortführung unerlässliche Gegenleistung der Arbeitstätigkeit entgolten wird, ohne dass darauf abgestellt wird, ob sich die Betriebsfortführung letztlich rentiert hat.199 Für andere Gläubiger kann aber insoweit nichts anderes gelten. A 61b

Der Bundesrat hatte ferner angeregt, § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO wie folgt zu fassen: „Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder führt er Teile des Arbeitsentgelts aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen an Dritte ab, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts oder der Abführung von Teilen an Dritte drei Monate nicht übersteigt.“ Die Annahme, in diesen Fällen liege ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO vor, entspricht der zutreffenden Auffassung des Bundesfinanzhofes.200 Man kommt letztlich nicht an der Erwägung vorbei, dass der Vorgang, bei dem ein Arbeitnehmer einen Teil des ihm zustehenden Arbeitsentgelts durch Entgeltumwandlung im Wege der verkürzten Zahlung für Zwecke der Altersversorgung einsetzt, anfechtungsrechtlich nicht anders zu behandeln ist als jener Vorgang, bei dem sich der Arbeitnehmer die entsprechenden Entgeltteile als Arbeitsentgelt ausbezahlen lässt und diese selbst an den Dritten abführt.201 Im letzteren Fall scheidet aber eine Anfechtung unter dem Gesichtspunkt des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO aus, da im Gegenzug für das Arbeitsentgelt die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in das Vermögen des Arbeitgebers

196 197 198 199

Vgl. Stellungnahme des Bundesrates v. 27.11.2015, ZIP 2015, 2525 (2527/2528). BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 24. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 19. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 ff. Rz. 44; BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 84 ff., 89. 200 Vgl. BFH v. 11.8.2005 – VII B 244/04, ZInsO 2005, 1105 ff.; BFH/NV 1999, 745. 201 Zutr. HK-InsO/Kreft, 7. Aufl., § 142 Rz. 4.

32 Schfer

V. Entwicklungstendenzen und Reformbestrebungen

Rz. 63 A

gelangt ist.202 Dieser Vorschlag des Bundesrates ist jedoch letztlich nicht Gesetz geworden. § 143 Abs. 1 InsO sollte nach dem Regierungsentwurf folgender Satz angefügt A 62 werden, der ebenfalls Gesetz geworden ist: „Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzuges oder des § 291 BGB vorliegen; ein darüber hinaus gehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrages ist ausgeschlossen.“

Da die Fälligkeit des Anfechtungsanspruchs mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt und der Anfechtungsgegner gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO einem Bereicherungsempfänger gleichsteht, dem der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, kann der Anfechtungsgegner nach bisherigem Recht einer erheblichen Zinsbelastung unterliegen. Dem soll durch die Neuregelung abgeholfen werden.203 Durch das Wort „nur“ in § 143 Abs. 1 Satz 3 InsO und die weitere Klarstellung im zweiten Halbsatz soll verdeutlicht werden, dass die Regelung hinsichtlich der Verzinsung als abschließende Regelung zu verstehen ist. Demgemäß können künftig Zinsen nicht mehr als gezogene oder schuldhaft nicht gezogene Nutzungen herausverlangt werden.204 Eine Pflicht zur Herausgabe tatsächlich gezogener Nutzungen wäre indes angemessen gewesen.205 Nach Art. 103j Abs. 2 EGInsO gilt die Neuregelung zum Schutz des Empfän- A 63 gers der Geldleistung und zur Reduzierung der bestehenden Rechtsunsicherheit auch für laufende Insolvenzverfahren, also für solche Fälle, in denen das Insolvenzverfahren vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eröffnet wurde.206 Denn es erschien dem Gesetzgeber nicht sachgerecht, für diese Altfälle weiterhin die durch § 143 Abs. 1 InsO in seiner ursprünglichen Fassung hervorgerufene Rechtsunsicherheit zu perpetuieren und dem Insolvenzverwalter zu gestatten, entgeltliche Rechtshandlungen erst mit Verzögerung anzufechten, um so aufgrund des Zinsanspruchs und des Anspruchs auf gezogene oder schuldhaft nicht gezogene Nutzugen die Insolvenzmasse zu vergrößern. Art. 103j Abs. 2 EGInsO sieht daher vor, dass mit dem Inkrafttreten des Gesetzes § 143 Abs. 1 Satz 3 InsO anzuwenden ist. Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes sieht die Bestimmung zugleich vor, dass die Zinsen und Nutzungen, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes auf der Grundlage des bis dahin geltenden Rechts verlangt werden konnten, auch weiterhin beansprucht werden können.

202 203 204 205 206

A.A. Hirte, ZInsO 2016, 2027 ff. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 21. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/7054, S. 21. Vgl. Würdinger, KTS 2015, 315 (336). Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT- Drucks. 18/11199, S. 12. Schfer

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B. § 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung § 129 Grundsatz (1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich. Rz. I. Die Rechtshandlung . . . . . . . . . . . . B1 1. Weite Auslegung des Begriffs der Rechtshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . B6 a) Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . B12 b) Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und Realakte . . . . . . . . . . B15 c) Unwirksame Rechtshandlungen B18 d) Prozesshandlungen . . . . . . . . . . . B19 e) Einfluss des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs bei Mehrpersonenverhältnissen. . . . B19a 2. Handelnde und Handlungsvoraussetzungen im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B20 a) Rechtshandlung des Schuldners B21 b) Erfordernis des selbstbestimmten Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . B23 c) Rechtshandlung des Gläubigers . B30 d) Rechtshandlung eines Dritten, insbes. des vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . B32 3. Sonderfälle von Rechtshandlungen B40 a) Personenrechtliche Vorgänge; höchstpersönliche Rechte . . . . . B40 b) Hoheitliche Rechtsakte, insbesondere Zwangsvollstreckung . . B43 c) Dienst- bzw. Arbeitsleistung . . . B44 d) Gebrauchsüberlassung . . . . . . . . B47 e) Gesellschaftsrecht. . . . . . . . . . . . B50 f) Unternehmensveräußerung . . . . B51 g) Sozialplan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . B52 h) Aufgabe von Rechten . . . . . . . . . B53 i) Verzicht auf Erwerb. . . . . . . . . . . B54 4. Einheitliche Rechtshandlung trotz mehrerer Einzelhandlungen . . . . . . B55 5. Mehrere Rechtshandlungen; einheitliche Rechtshandlung mit mehreren Rechtswirkungen . . . . . . B57 6. Mehraktige (insbesondere bedingte und befristete) Rechtshandlungen . B62 a) Übereignung beweglicher Sachen; Eigentumsvorbehalt . . . B66 b) Forderungsabtretung . . . . . . . . . . B69

34 Schfer

Rz. aa) Abtretung einer bestehenden Forderung . . . . . . . . . . . . bb) Vorausabtretung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . cc) Werthaltigmachen vorausabgetretener Forderungen . . c) Rechts- bzw. Forderungsentstehung im Einzelfall . . . . . . . . . . . aa) Forderungen aus Dienstverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Miet- und Leasingforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Herausgabeanspruch nach § 667 BGB . . . . . . . . . . . . . . . dd) Provisionsanspruch des Handelsvertreters gemäß § 87 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verpfändung und Pfändung von Forderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pfandrecht an bestehenden und künftigen Forderungen . bb) Pfandrecht an bestehenden Sachen oder Rechten zur Sicherung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nachträgliche „Unterlegung“ eines Pfandrechts durch gesicherte Forderung . dd) Doppelsicherung durch Grundpfandrecht und Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . e) Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . f) Versicherungsrecht . . . . . . . . . . . 7. Rechtshandlungen im Mehrpersonenverhältnis; mittelbare Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Anwendungsbereich der mittelbaren Zuwendung . . . b) Ausschluss der mittelbaren Zuwendung bei eigener Leistungspflicht des Schuldners gegenüber dem Zuwendungsempfänger . . .

B69 B70 B75 B86 B86 B88 B91 B92 B93 B93

B97 B100 B101 B103 B121 B129 B129

B131

B

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung Rz. c) Abgrenzung der mittelbaren Zuwendung gegenüber der Rechtsnachfolge (sog. „Leistungskette“) . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Problembereich der Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger bei Leistungspflicht des Schuldners gegenüber dem Drittschuldner . . . . . . . bb) Problembereich der Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger bei Vorrangigkeit der Kausalbeziehung des Schuldners gegenüber dem Drittschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . d) Näheres zu den Anweisungslagen; Anweisung auf Schuld und Anweisung auf Kredit . . . . . aa) „Unechtes Drei-PersonenVerhältnis“; Leistung an einen Empfangsbeauftragten des Gläubigers . . . . . . . . bb) Weiter Begriff des „Empfangsbeauftragten“ aufgrund der im Anfechtungsrecht maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise. . . . cc) Tilgung einer Verbindlichkeit des Schuldners auf dessen Anweisung; Anfechtbarkeit gegenüber der Mittelsperson . . . . . . . . . dd) Anfechtbarkeit gegenüber der Mittelsperson bei eigenem Vorteil. . . . . . . . . . . e) Tilgung einer fremden Schuld durch den Schuldner . . . . . . . . . . aa) Tilgung einer eigenen und einer fremden Schuld durch den Schuldner. . . . . . . bb) Rückbesinnung auf engen Anwendungsbereich der Tilgung fremder Schuld . . . . f) Werthaltigmachen einer vorausabgetretenen Forderung durch den Schuldner . . . . . g) Zusammenfassung der Rechtsgrundsätze zur Anfechtung im Mehrpersonenverhältnis . . . . . . 8. Aufrechnungs- und Verrechnungslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Frühere Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . .

B132

B143

B152 B160

B164

B165

B171 B189 B199 B216 B222 B234 B246 B251 B251 B256

Rz. bb) Neuere Rechtsprechung – „Werthaltigmachen der Aufrechnungslage“. . . . . . . . cc) Kongruenz oder Inkongruenz der Aufrechnungslage . . b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderfall Kontokorrentverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonderfall Konzernverrechnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Unterlassungen nach § 129 Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konkrete Schmälerung des Schuldnervermögens . . . . . . . . . b) Entbehrlichkeit der Zugehörigkeit zum Schuldnervermögen . c) Erschwerung des Gläubigerzugriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gläubigerwechsel . . . . . . . . . . . . e) Zuwendungen Dritter aus schuldnerfremdem Vermögen . . f) Umfang der Gläubigerbenachteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Isolierte Betrachtung der Rechtshandlung; Kompensation . . . . . . . . 3. Arten und Ermittlung der Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelbare Gläubigerbenachteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gläubigerbenachteiligung bei mittelbaren Zuwendungen . . . . d) Mehrfache Gläubigerbenachteiligung und Gläubigerbenachteiligung im Verhältnis zu mehreren Anfechtungsgegnern . . . . . . 4. Erhaltung des Schuldnervermögens als Haftungsmasse . . . . . . . . . a) Unzureichende Insolvenzmasse b) Unpfändbare Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönlichkeitsrechte und höchstpersönliche Rechte; Versorgungsansprüche . . . . . bb) Erbschaft, Pflichtteil und Rückforderungsanspruch des Schenkers nach § 528 BGB . . . . . . . . . . . . . . . cc) Arbeitskraft und Urlaubsgeld; Baugeld; Eigengeld des Strafgefangenen . . . . . . . dd) Gewerbliche Schutzrechte u.a.; Unternehmensveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . .

B259 B262 B264 B287 B295 B296 B306 B306 B315 B317a

Schfer

B318 B321 B324 B326 B328 B334 B336 B351 B368

B375 B379 B383 B387 B388

B391 B394 B400

35

B

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung Rz. ee) Kredit, Kontokorrentkredit, Dispositionskredit und geduldete Kontoüberziehung. . 5. Schuldnerfremdes, künftiges und wertausschöpfend belastetes Vermögen; wertlose Gegenstände . . . . a) Aussonderungsrechte . . . . . . . . . b) Absonderungsrechte, insbesondere Sicherungsrechte . . . . . . . . . aa) Nachträgliche Sicherheitenunterlegung . . . . . . . . . . . bb) Pfandrechtliche Doppelsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlende Gläubigerbenachteiligung bei Sicherungsrechten . . . aa) Sicherheitentausch . . . . . . . . bb) Keine Unterbrechung der Sicherungskette . . . . . . . . . . d) Wertausschöpfend belastete Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßgebender Wert . . . . . . . . bb) Entscheidender Zeitpunkt . . cc) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Treuhandverhältnisse und Zweckbindungen . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen einer Treuhand; Abgrenzung zur Zweckbindung . . . . . . . . bb) Zeitpunkt der Treugutentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung . . . . . . . . dd) Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . ee) Sicherungstreuhand an Altersteilzeitguthaben . . . . . f) Andere Fallgestaltungen . . . . . . . aa) Lebensversicherung, speziell Direktversicherung . . . bb) Spezialfall verbundenes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Aufrechnung und Verrechnung . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antezipierte Verrechnungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . 7. Einzelfälle zur Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfüllungshandlungen . . . . . . . . b) Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . c) Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesellschaftsrecht. . . . . . . . . . . . e) Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Strafrechtlicher Bereich . . . . . . . g) Vertragsklauseln (Lösungsklauseln) für den Insolvenzfall . . . . .

36 Schfer

B403

Rz.

8.

B420 B429 B430

9.

B444

10.

B451 B454 B455 B464 B477 B480 B485 B489 B490 B493 B503 B513 B519 B521 B522 B522 B532 B536 B536 B544 B550 B551 B551 B561 B571 B572 B581 B585 B588

11. 12.

h) Sonstige Einzelfälle zur Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . Einzelfälle zur fehlenden Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . a) Sicherungsrechte. . . . . . . . . . . . . b) Gläubigerwechsel . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Fälle fehlender Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . Nachträgliche Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . Ursachenzusammenhang und hypothetische Geschehensabläufe . . . a) Ursachenzusammenhang; Maßgeblichkeit des realen Geschehensablaufs . . . . . . . . . . . b) Hypothetische Geschehensabläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Einzelfälle . . . . . . . . . . . Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Anfechtungsanspruch – Rechtsnatur, Entstehung, Abtretbarkeit und Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur des Anfechtungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehung und Abtretbarkeit des Anfechtungsanspruchs . . . . . . . 3. Umfang und Einschränkungen des Anfechtungsanspruchs; Zurückbehaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfang der Anfechtung . . . . . . . b) Teilbarkeit der Rechtshandlung und Teilanfechtung. . . . . . . . . . . c) Zurückbehaltungsrechte . . . . . . 4. Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtungsberechtigter . . . . . . b) Anfechtungsgegner . . . . . . . . . . . c) Ausübung des Anfechtungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . e) Gerichtliche Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs . . . . aa) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . bb) Klageart . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Klageänderung; Einhaltung der Anfechtungsfrist . . . . . . dd) Prozesskostenhilfe . . . . . . . .

B591 B596 B596 B603 B607 B620 B624 B624 B629 B639 B647 B653

B664 B664 B674 B682 B682 B687 B698 B699 B699 B702 B710 B711 B715 B715 B722 B725 B731

IV. Zeitliche Reichweite des § 129 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B736 V. Verhältnis zur Einzelgläubigeranfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B739

I. Die Rechtshandlung

Rz. 3 B

I. Die Rechtshandlung Nach § 129 Abs. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die vor B 1 der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und welche die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten. Diese Bestimmung ist die Grundnorm des Insolvenzanfechtungsrechts, die bei der Prüfung sämtlicher Anfechtungstatbestände im Auge behalten werden muss. So setzt jede Insolvenzanfechtung eine Rechtshandlung voraus, wobei zu beachten ist, dass sich die Anfechtung nicht gegen die Rechtshandlung als solche, sondern gegen deren gläubigerbenachteiligende Wirkung richtet.1 Die Anfechtung führt nicht etwa zur Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts, sondern zur Entstehung eines Rückgewähranspruchs gemäß § 143 InsO in Form eines schuldrechtlichen Verschaffungsanspruchs.2 Die Erkenntnis, dass sich die Anfechtung nur gegen die Wirkung der Rechts- B 2 handlung richtet, ist etwa von Bedeutung für die Frage der Anfechtbarkeit der Herbeiführung einer Aufrechnungslage. Dazu hatte der BGH noch in einem Urteil vom 12.11.19983 entschieden, dass der Konkursverwalter die Wirkungen der Anfechtung nicht auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken und den Kaufpreisanspruch gegen den Gläubiger geltend machen, sondern nur Rückgewähr des Kaufgegenstandes verlangen könne. Von dieser Rechtsprechung ist er später jedoch zu Recht abgerückt. Macht sich der Gläubiger etwa in der Krise seines Schuldners zu dessen Schuldner, um sich im Wege der Aufrechnung Befriedigung für seine Forderungen zu verschaffen, so muss nicht etwa der Abschluss des die Aufrechnung ermöglichenden Vertrages angefochten werden; isoliert anfechtbar ist vielmehr die Herbeiführung der Aufrechnungslage als Wirkung des Vertragsschlusses.4 Dem Abschluss eines Vertrages, der zur Entstehung einer Aufrechnungslage B 3 führt, kommt ein zusätzliches Element zu, das über den bloßen Vertragsschluss hinausgeht. Die Verknüpfung der ursprünglichen Gläubigerstellung mit einer eigenen schuldrechtlichen Verpflichtung stellt eine weitere, sichernde und die spätere Erfüllung vorbereitende Rechtsfolge dar. Angefochten wird die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch die Rechtshandlung verursacht wird.5 Die Rückgewähr der Aufrechnungslage besteht gerade nicht in der Rückabwicklung

1 Vgl. BGH v. 11.3.2010 – IX ZR 104/09, ZIP 2010, 793 ff. Rz. 9 f.; v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, MDR 1996, 61 = NJW 1995, 1668 (1670); v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013; Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 129 Rz. 35 sowie K. Schmidt, § 129 Rz. 4: „vermögensrechtliche Folge der Rechtshandlung“. 2 BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 ff.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, § 143 Rz. 2. 3 BGH v. 12.11.1998 – IX ZR 199/97, NJW 1999, 359 f. 4 BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013; v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 17; anders jedoch zum AnfG BGH v. 23.10.2008 – IX ZR 202/07, ZInsO 2008, 1269; v. 11.3.2010 – IX ZR 104/09, ZIP 2010, 793. 5 BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013; Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 813 (847 Rz. 76). Schfer

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B Rz. 3

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

des Kaufvertrages selbst, sondern im Gegenteil in der Durchsetzung der Kaufpreisforderung unabhängig von der Gegenforderung.6 B 4 Im Bereich der Insolvenzanfechtung sind Rechtshandlungen selbst dann selbständig zu beurteilen, wenn sie gleichzeitig vorgenommen wurden oder sich wirtschaftlich ergänzen. Dies gilt selbst dann, wenn keine mehraktige, sondern eine einheitliche Rechtshandlung, die mehrere Rechtswirkungen entfaltet, Gegenstand der Insolvenzanfechtung ist.7 Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte sind daher gesondert auf ihre Anfechtbarkeit hin zu überprüfen.8 Diese „vereinzelnde“ Betrachtungsweise bedeutet jedoch nicht, dass bei der Prüfung, ob eine bestimmte Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligt hat, nur die unmittelbare rechtliche Folge der Handlung berücksichtigt werden dürfte. Vielmehr ist die durch die Handlung bewirkte Vermögensverschiebung in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu erfassen („wirtschaftliche Betrachtungsweise“). Durch den Abschluss eines Vertrages werden die Gläubiger unmittelbar benachteiligt, wenn der gesamte rechtsgeschäftliche Vorgang die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger verschlechtert.9 B 5 Wird die auf den Abschluss eines gegenseitigen schuldrechtlichen Vertrages gerichtete Willenserklärung insolvenzrechtlich angefochten, so kann die gläubigerbenachteiligende Rechtsfolge nicht allein der Leistungspflicht des Schuldners entnommen werden, während die Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung des Anfechtungsgegners unberücksichtigt bleibt. Besteht der anfechtungsrechtlich rückabzuwickelnde Vorgang nicht lediglich in einer durch den Vertragsschluss herbeigeführten Aufrechnungslage, sondern in der Begründung der schuldrechtlichen Verpflichtung selbst, so ist Gegenstand der Anfechtung die Willenserklärung, die auf Eingehung der vertraglichen Verpflichtung gerichtet ist. Die insolvenzrechtliche Anfechtung führt zwar nicht zur Nichtigkeit der Willenserklärung,10 sondern gemäß § 143 Abs. 1 InsO lediglich zu einer Rückgewährverpflichtung. Bei einer durch die angefochtene Rechthandlung begründeten schuldrechtlichen Verpflichtung hat dies aber zur Folge, dass sich der Anfechtungsgegner nicht auf die angefochtene, den Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages bewirkende Willenserklärung berufen kann. Damit entfallen aber mit der Anfechtung der Willenserklärung auch alle Ansprüche des Schuldners aus dem Vertrag. Für die objektive Gläubigerbenachteiligung ist deshalb in solchen Fällen der Anspruch auf die Gegenleistung in die Betrachtung einzubeziehen.11

6 Vgl. dazu noch BGH v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, GmbHR 2004, 799 = MDR 2004, 963 = ZInsO 2004, 548 ff. 7 BGH v. 11.3.2010 – IX ZR 104/09, ZIP 2010, 793 ff. Rz. 10 f.; v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08 – „Bierbrauen“, ZIP 2009, 1674 ff. Rz. 25 ff. 8 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, ZIP 2007, 1274 ff. Rz. 27. 9 BGH v. 21.12.2010 – IX ZA 14/10, WM 2011, 276 Rz. 2; v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, ZIP 2010, 1702 ff. Rz. 9; v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (187). 10 Vgl. BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 ff. Rz. 10, 14. 11 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 32 f.; HK-InsO/Kreft, § 143 Rz. 4.

38 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 7 B

1. Weite Auslegung des Begriffs der Rechtshandlung Der anfechtungsrechtliche Begriff der „Rechtshandlung“ ist nach der Recht- B 6 sprechung des BGH nicht identisch mit dem bereicherungsrechtlichen Begriff der „Leistung“;12 er ist vielmehr im weitesten Sinne zu verstehen.13 Er umfasst jedes selbstbestimmte Verhalten, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann.14 Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das eine rechtliche Wirkung auslöst.15 Erfüllt der Schuldner eine Verbindlichkeit seines Gläubigers durch Zahlung an einen Dritten, so liegt darin auch diesem gegenüber eine Rechtshandlung des Schuldners.16 Als Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO kommt daher jede Handlung in Betracht, die zum (anfechtbaren) Erwerb einer Gläubiger- oder Schuldnerstellung führt. Deshalb stellen auch Rechtshandlungen des Schuldners oder Dritter, die zum Entstehen einer Steuerschuld führen, eine solche Rechtshandlung dar, durch die das Schuldnervermögen belastet wird.17 Nach Ansicht des BGH ist es nicht entscheidend, dass die Umsatzsteuer un- B 7 mittelbar kraft Gesetzes entsteht. Denn die Steuertatbestände knüpfen in der Regel ihrerseits an Rechtshandlungen des Steuerpflichtigen oder Dritter an. Der Bundesfinanzhof hat zu dieser Frage bis vor einiger Zeit noch eine andere Auffassung vertreten. Er hat noch durch Urteil vom 16.11.200418 entschieden, § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hindere nicht die Aufrechnung des Finanzamts mit Steuerforderungen aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung gegen den durch einen Vorsteuerüberhang ausgelösten Vergütungsanspruch des Insolvenzschuldners (konkret: aufgrund der Vorsteuer aus dem Vergütungsanspruch eines vorläufigen Insolvenzverwalters), der in „kritischer Zeit“ vor der Insolvenzeröffnung seinen Entstehungsgrund habe. Denn es fehle in einem solchen Fall an einer Rechtshandlung, da die Vergütungspflicht des Schuldners nicht auf vertraglicher Vereinbarung, sondern auf der gerichtlichen Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters beruhe, und die vom vorläufigen Insolvenzverwalter für die Ausführung seiner Leistung zu entrichtende Umsatzsteuer kraft Gesetzes entstehe.

12 BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 ff. 13 BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZIP 2011, 1324 ff. Rz. 16; v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 10; BAG v. 27.3.2014 – 6 AZR 204/12, ZIP 2014, 927 ff. Rz. 27. 14 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZInsO 2009, 2334 ff. Rz. 14; v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 ff. Rz. 21; v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 10 = MDR 2007, 610; v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 ff.; OLG Dresden v. 3.12.2009 – 8 U 305/09, ZInsO 2010, 598: Verjährungsverzicht. 15 BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. Rz. 15; BAG v. 27.3.2014 – 6 AZR 204/12, ZIP 2014, 927 ff. Rz. 27. 16 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 8 mit Hinweis auf BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, ZIP 2004, 917 ff. 17 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZIP 2010, 90 ff. Rz. 15, 16; BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZIP 2011, 181 ff. 18 BFH v. 16.11.2004 – VII R 75/03, BFHE 208, 296 ff. = UR 2005, 616. Schfer

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B Rz. 8

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 8 Der BGH hat demgegenüber durch Urteil vom 22.10.200919 klargestellt, dass auch Handlungen des Schuldners oder Dritter (wie etwa die Aufrechnung durch das Finanzamt), die zum Entstehen einer Umsatzsteuerschuld führen, anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne des § 129 InsO darstellen, durch die das Schuldnervermögen belastet wird. In seinem neueren Urteil vom 2.11.201020 hat sich der Bundesfinanzhof der Auffassung des BGH angeschlossen. Die Umsatzsteuer entstehe zwar von Gesetzes wegen; das Entstehen der Umsatzsteuer bzw. der Vorsteuer setze jedoch voraus, dass eine Leistung erbracht werde. Diese Leistungserbringung sieht der Bundesfinanzhof in Übereinstimmung mit dem BGH und der auch im Schrifttum allgemein vertretenen Auffassung als Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO an.21 Der Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung indes weiterentwickelt. Nach seinem Urteil vom 24.11.201122 stellt die mit der Insolvenzeröffnung nach den §§ 16 ff. UStG vorzunehmende Steuerberechnung keine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO dar. Sie unterliegt weder den Beschränkungen der Insolvenzaufrechnung noch denen der Insolvenzanfechtung. Anders als bei einer Aufrechnung, die selbständige Forderungen voraussetze, seien die im Rahmen der Steuerberechnung nach den §§ 16 ff. UStG miteinander zu saldierenden Steueransprüche, Vorsteuerbeträge und Berichtigungen lediglich unselbständige Besteuerungsgrundlagen innerhalb einer Steuerberechnung und Steuerfestsetzung, nicht aber Ansprüche mit verfahrensrechtlichem Eigenleben;23 erst wenn sich bei der Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG als Saldo eine Steuerschuld oder – als Vergütungsanspruch – ein rechnerischer Überschuss und damit eine „negative Steuerschuld“ zu Gunsten des Unternehmers ergebe, bestehe ein selbständiger und damit abtretbarer oder aufrechenbarer Steuer- oder Vergütungsanspruch.24 Die Umsatzsteuer wirkt danach aufgrund des dem Umsatzsteuerrecht immanenten Neutralitätsgrundsatzes nicht gläubigerbenachteiligend.25 B 9 Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 3.2.201026 sind gesetzlich vorgeschriebene Handlungen (im konkreten Fall: Honorarbescheide der kassenärztlichen Vereinigung) in der Regel keine benachteiligenden Rechtshandlungen im Sinne der §§ 129 ff. InsO. § 140 Abs. 3 InsO sei im Übrigen zwar unmittelbar nur auf Rechtsgeschäfte anwendbar; es sei jedoch geboten, diese Regelung sinngemäß auf den vertragsärztlichen Honoraranspruch zu übertragen, da der Vertragsarzt mit der Erbringung seiner Leistungen und der Abgabe der Abrechnung alles ihm Mögliche für seinen Vergütungsanspruch gegen die kassenärztliche Vereinigung getan und somit eine – dem Anwartschaftsrecht aus einem beding-

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BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZIP 2010, 90 ff. BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZIP 2011, 181 ff. BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZIP 2011, 181 ff. Rz. 25. BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481 ff. BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481 ff. Rz. 26. Vgl. dazu ferner BFH v. 11.7.2013 – XI B 41/13, ZInsO 2013, 1739 ff.; v. 24.3.1983 – V R 8/81, BFHE 138, 498 ff. 25 Vgl. BFH v. 24.11.2011 – V ZR 13/11, ZIP 2011, 2481 ff. Rz. 36; kritisch dazu Krüger, ZInsO 2013, 1739 ff.; Schmittmann, ZIP 2012, 249 (251); Mitlehner, EWiR 2013, 387 f.; vgl. dazu ferner Rz. B582 f. 26 BSG v. 3.2.2010 – B 6 KA 30/08 R, ZIP 2010, 2309 ff. Rz. 24.

40 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 11 B

ten Rechtsgeschäft vergleichbare – Rechtsposition erlangt habe. Der Erlass des Honorarbescheids steht daher nach Ansicht des Bundessozialgerichts dem Eintritt einer Bedingung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO gleich.27 Das Bundessozialgericht hat aber durch Urteil vom 31.5.201628 klargestellt, dass eine Rechtshandlung auch dann anzunehmen sei, wenn Ansprüche „kraft Gesetzes“ entstünden. Vom Tatbestandsmerkmal der „Rechtshandlung“ ausgenommen sind lediglich B 10 rein tatsächliche Maßnahmen, die keine Rechtswirkung entfalten. Dazu gehören auch rein deklaratorische Bankbuchungen,29 wie etwa die Wertstellung im bankmäßigen Lastschriftverfahren.30 Widerspricht der Insolvenzverwalter einer Lastschrift, weil die Belastung des schuldnerischen Kontos nicht durch eine wirksame Lastschriftermächtigung gedeckt ist, scheidet die Anfechtung der Gutschrift aus, da der Widerspruch rein deklaratorische Wirkung hat. Die Belastung des schuldnerischen Kontos ist dann als nie erfolgt anzusehen, folglich die Gutschrift nur eine Feststellung des wahren Kontostandes, welche nicht anders zu beurteilen ist als eine berechtigte Stornobuchung, die unanfechtbar ist.31 Auch die Grundbucheintragung und der Zuschlag in der Zwangsversteigerung sind für sich genommen keine Rechtshandlungen im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO.32 Zu beachten ist jedoch, dass Realakte schon dann anfechtbare Rechtshandlungen darstellen können, wenn sie Rechtswirkungen entfalten. So stellt etwa das rein tatsächliche Bierbrauen eine anfechtbare Rechtshandlung dar, da es rechtliche Wirkungen zeitigt, nämlich die Entstehung der Sachhaftung des Bieres für die Biersteuer gemäß § 76 AO.33 Nicht zu den Rechtshandlungen gehören Rechtsänderungen kraft Gesetzes, die ohne Zutun des Schuldners oder des Anfechtungsgegners eintreten, wie etwa der Übergang einer Milchreferenzmenge.34 Sofern eine Rechtswirkung allein aufgrund der Veränderung tatsächlicher Um- B 11 stände eintritt, liegt keine Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO vor. Deshalb stellt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes der Eintritt der Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG keine von einem Willen getragene Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO dar, sondern eine anhand objektiver Kriterien festzustellende Tatsache, auch wenn er zuvor durch Rechtshandlungen bewirkt wurde.35 27 BSG v. 3.2.2010 – B 6 KA 30/08 R, ZIP 2010, 2309 ff. Rz. 31 ff. 28 BSG v. 31.5.2016 – B 1 KR 38/15 R, ZInsO 2016, 1853 ff. 29 Vgl. BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, MDR 2009, 833 = ZIP 2009, 673 ff. Rz. 23 zum Lastschriftverfahren; BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 96/78, BGHZ 74, 129 ff.; OLG Karlsruhe v. 19.5.2009 – 17 U 467/08, ZInsO 2009, 1594 ff. 30 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 ff. 31 BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZIP 2009, 673 ff. Rz. 13; Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 89. 32 Vgl. BGH v. 15.5.1986 – IX ZR 2/85, MDR 1986, 1022 = FamRZ 1986, 978 = ZIP 1986, 926 (927); Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 35. 33 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, MDR 2009, 1306 = ZInsO 2009, 1585 ff. 34 Vgl. BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 98/05, ZIP 2006, 2225 ff.; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 10. 35 BFH v. 16.10.2008 – VII B 17/08, ZInsO 2009, 159 Rz. 6 – anders dagegen zur Verrechnung von Steuerforderungen mit dem aus der Honorarzahlung an einen vorläufigen Insolvenzverwalter resultierenden Vorsteuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZInsO 2011, 283 ff. Schfer

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§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

a) Rechtsgeschäfte B 12 § 129 Abs. 1 InsO erfasst rechtsgeschäftliche Maßnahmen aller Art, insbesondere Verpflichtungsgeschäfte, wie etwa Kaufverträge,36 Darlehensverträge,37 Vergleiche,38 Abfindungsvereinbarungen,39 Güterrechtsverträge,40 Sicherheitenpoolverträge,41 Verwertungsabsprachen,42 darüber hinaus aber auch mehrseitige Rechtsgeschäfte, beispielsweise Gesellschaftsverträge und Beschlüsse von Gesellschaftsorganen.43 Zu den anfechtbaren Rechtshandlungen gehören schließlich auch sämtliche Willenserklärungen als Teil schuldrechtlicher oder dinglicher Rechtsgeschäfte, insbesondere auch fingierte Willenserklärungen wie etwa die Genehmigungsfiktion gemäß Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken.44 Knüpft der Rechtsverkehr an ein bestimmtes Verhalten des Schuldners – und sei es auch nur an dessen Untätigbleiben – einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Erklärungswert im Wege einer Fiktion, so entspricht dies wertungsmäßig einem aktiven Tun und damit einer Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO.45 B 13 § 129 Abs. 1 InsO erfasst ferner Verfügungsgeschäfte wie die Eigentumsübertragung, insbesondere die Sicherungsübereignung,46 Abtretungen,47 Verpfändungen,48 Erfüllungshandlungen – sofern man sie nicht als rechtsgeschäftsähnliche Handlungen oder Realakte ansieht49 –, etwa die Erfüllung einer Forderung im Wege des Lastschriftverfahrens50 oder die Auslieferung der geschuldeten Ware.51 War die vom Schuldner getilgte Verbindlichkeit durch Sicherheiten Dritter 36 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 95. 37 BGH v. 5.7.2007 – IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129 ff.; v. 21.4.1988 – IX ZR 71/87, MDR 1988, 858 = ZIP 1988, 725 ff. 38 BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 128/01, ZIP 2004, 1370 ff.; v. 9.11.2006 – IX ZR 285/03, ZIP 2006, 2391 ff. 39 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 67. 40 BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, ZIP 2010, 1702 ff.; v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 ff. 41 BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 255/06, MDR 2008, 646 = ZInsO 2008, 317 f.; v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZInsO 2005, 932 ff. 42 BGH v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, MDR 1997, 470 = ZIP 1997, 367 ff.; vgl. dazu Henckel, EWiR 1997, 899 f. 43 Vgl. Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 102. 44 Vgl. BGH v. 21.10.2010 – IX ZR 240/09, ZInsO 2010, 2293 ff.; v. 2.4.2009 – IX ZR 171/07, WM 2009, 958 ff.; OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 ff.; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 5b. 45 Vgl. BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 177/07, ZInsO 2010, 2133 f.; OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 ff. Rz. 22 f.; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 24. 46 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276 ff. 47 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411. 48 BGH v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04, MDR 2005, 1075 = ZInsO 2005, 535 ff. 49 Vgl. dazu Palandt/Grüneberg, § 362 Rz. 1. 50 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, MDR 2008, 1361 = ZInsO 2008, 1076 ff.; v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 ff. = MDR 2008, 166; v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 ff. = MDR 2005, 354; vgl. dazu noch Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885 ff.; Nobbe, WM 2009, 1537 ff.; Kirchhof, WM 2009, 337 ff.; G. Fischer, WM 2009, 629 ff.; Ries, ZInsO 2009, 889 ff. 51 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372 ff. Rz. 14; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 14.

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verstärkt, so können diese durch die Erfüllungshandlung frei werden; auch eine solche Wirkung wird der Rechtshandlung zugerechnet.52 Auch einseitige Rechtsgeschäfte können anfechtbare Rechtshandlungen dar- B 14 stellen, etwa gestaltende Willenserklärungen wie die Kündigung eines für den Schuldner günstigen Vertrages,53 ein einseitiger Verzicht, die Aufrechnung (genauer: die Herbeiführung der Aufrechnungslage),54 die Ausübung eines einseitigen Optionsrechts,55 unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten56 und das Einverständnis mit einer für die Insolvenzgläubiger nachteiligen Verwertungsart.57 Nach einer umstrittenen Entscheidung des OLG Stuttgart vom 15.12.201158 soll die Umwandlung einer Lebensversicherung gemäß § 167 VVG zur Erlangung des Pfändungsschutzes nach § 851c ZPO durch den Schuldner nicht nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar sein, da es an einer Vemögenszuwendung an eine andere Person fehle. b) Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und Realakte Anfechtbar sind auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und Realakte, denen B 15 das Gesetz Rechtswirkungen beimisst, ohne dass der Wille auf diesen Rechtserfolg gerichtet sein muss,59 etwa Erfüllungshandlungen, die Abtretungsanzeige nach § 409 BGB,60 die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts, die Einbringung der im Eigentum des Mieters stehenden Sachen in die von ihm gemieteten Räume61 oder das Brauen von Bier, das zur Entstehung der Sachhaftung des Bieres für die Biersteuer gemäß § 76 AO führt.62 Rechtshandlungen sind ferner Kontosperren,63 Verwendungen,64 Verbindungen, B 16 Vermischungen und Verarbeitungen gemäß §§ 946 ff. BGB,65 das Werthaltigmachen einer Aufrechnungslage,66 einer Forderung67 oder Pfändung,68 die Herstel52 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 14. 53 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 54 Vgl. BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 f.; v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013. 55 BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182 ff. 56 OLG Oldenburg v. 27.11.2007 – 9 U 43/07, FamRZ 2008, 1852 = ZInsO 2008, 460 f. 57 BGH v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, MDR 1997, 470 = ZIP 1997, 367 ff. 58 OLG Stuttgart v. 15.12.2011 – 7 U 184/11, ZInsO 2012, 281 ff.; vgl. zum Streitstand Wollmann, ZInsO 2012, 2061 ff. u. Frind, ZInsO 2014, 1739 (1741). 59 Vgl. Palandt/Ellenberger, Überblick vor § 104 Rz. 6. 60 Vgl. OLG Köln v. 21.11.2007 – 13 U 21/07, veröffentlicht bei juris; Palandt/Grüneberg, § 409 Rz. 3. 61 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03 – „Vermieterpfandrecht“, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610. 62 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, MDR 2009, 1306 = ZInsO 2009, 1585 ff. 63 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZInsO 2004, 342. 64 BGH v. 20.2.1980 – VIII ZR 48/79, MDR 1980, 575 = NJW 1980, 1580 f. 65 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 22; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 10. 66 BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588 ff.; v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZIP 2010, 90 ff. 67 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff.; vgl. dazu Rz. B75 ff. 68 Vgl. BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, ZIP 2013, 2113 ff. Rz. 10; OLG Frankfurt a.M. v. 21.8.2013 – 19 U 80/13, ZInsO 2013, 1852 f. Schfer

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lung eines Werkes und die Übergabe der Kaufsache69 sowie die Erbringung von Dienstleistungen und die Überlassung von Arbeitskräften.70 Wird etwa durch vom Schuldner veranlasste Maßnahmen die Fälligkeit der Vergütung herbeigeführt oder die Einrede nach § 320 BGB ausgeräumt, so gewinnt eine (voraus-)abgetretene Forderung für den Sicherungsnehmer an Wert. Daher stellen solche tatsächlichen Leistungen selbständige Rechtshandlungen dar, die auch der Insolvenzanfechtung unterliegen können.71 Die bloße Abnahme der Werkleistung stellt allerdings nach der Rechtsprechung des BGH keine Rechtshandlung dar, die unter dem Gesichtspunkt der Wertauffüllung angefochten werden kann.72 B 17 Als anfechtbare Rechtshandlungen kommen auch Handlungen in Betracht, mit denen ein Sicherungsnehmer Sicherungsgut an sich bringt, das der Schuldner im Besitz hatte.73 Eine Rechtshandlung ist ferner gegeben, wenn der Schuldner einen Gläubiger vom bevorstehenden Vollstreckungszugriff eines anderen Gläubigers mit der Aufforderung benachrichtigt, diesem zuvorzukommen, oder wenn er dem Gläubiger vorzeitig oder beschleunigt einen Vollstreckungstitel gewährt.74 c) Unwirksame Rechtshandlungen B 18 Bei einer nichtigen Rechtshandlung wird es zwar häufig an der nach § 129 Abs. 1 InsO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung fehlen, wenn dem Schuldner aufgrund der Nichtigkeit vollwertige und durchsetzbare Ansprüche gegen den Begünstigten zustehen. Da aber eine Gläubigerbenachteiligung schon dann gegeben ist, wenn durch die Rechtshandlung der Zugriff auf das Schuldnervermögen erschwert oder verzögert wird,75 kann sich in solchen Fällen eine Anfechtung empfehlen.76 Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Realisierung eines auf die Unwirksamkeit der Leistung gestützten Bereicherungsanspruchs zweifelhaft erscheint.77 d) Prozesshandlungen B 19 Auch verfahrensrechtliche Handlungen wie etwa Verzicht (§ 306 ZPO), Anerkenntnis (§ 307 ZPO), Rücknahme der Klage (§ 269 ZPO), des Rechtsmittels oder des Insolvenzantrages bzw. das Erwirken eines Vollstreckungstitels78 kön69 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 36 = MDR 2008, 411. 70 Vgl. BGH v. 11.12.2003 – IX ZR 336/01, MDR 2004, 650 = ZInsO 2004, 149 ff. 71 BGH v. 29.11.2007 IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 36, 37 = MDR 2008, 411; vgl. dazu noch Gerhardt, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 169 (178 f.); Kirchhof, Festschrift für Uhlenbruck, S. 269 (277). 72 Vgl. BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 134/00, MDR 2001, 1189 = NJW-RR 2001, 1337 (1338). 73 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 10; Eckardt, ZIP 1999, 1734 (1739). 74 BGH v. 25.11.1964 – VIII ZR 289/62, WM 1965, 14 (15). 75 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 142/11, ZIP 2012, 2513 ff. Rz. 11; v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. 76 Vgl. dazu unten Rz. B318 ff. 77 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (105 f.). 78 Vgl. OLG Stuttgart v. 8.4.1994 – 2 U 267/93, ZIP 1994, 722 ff.

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nen der Insolvenzanfechtung unterliegen.79 Dies gilt auch für Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, insbesondere für Pfändungsverfügungen und für die Erteilung einer vollstreckbaren Urkunde.80 Als anfechtbare Unterlassungen (vgl. § 129 Abs. 2 InsO) kommen in diesem Bereich der bewusste Verzicht auf die Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln, das bewusste Nichterheben prozessualer Einreden, das Unterlassen von Beweisanträgen, das bewusste Nichtbeachten von Fristen mit der Folge der Zurückweisung wegen Verspätung und das Nichteinlegen von Rechtsmitteln in Betracht.81 Dabei ist zu beachten, dass nach § 141 InsO die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung der Anfechtung prozessualer Rechtshandlungen nicht entgegensteht. e) Einfluss des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs bei Mehrpersonenverhältnissen Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Begriff der Rechtshandlung nach B 19a der Rechtsprechung des BGH weit zu verstehen und nicht mit dem bereicherungsrechtlichen Begriff der „Leistung“ identisch ist.82 Tilgt der Schuldner etwa eine fremde Schuld, so kann es sich dabei um eine Rechtshandlung sowohl gegenüber dem Gläubiger als auch gegenüber dem Drittschuldner handeln.83 Zu beachten ist jedoch, dass der BGH von einer „Leitbildfunktion“ des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs für die Insolvenzanfechtung in Mehrpersonenverhältnissen ausgeht.84 Im Bereich der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO – nicht jedoch im Rahmen des § 134 InsO – zieht der BGH den bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff zur Bestimmung des „richtigen“ Anfechtungsgegners heran.85 Soweit auf das Verständnis des Empfängers für die Bewertung abgestellt wird, ob der Schuldner eine Eigen- oder eine Fremdverbindlichkeit tilgt, entsprechen nach der Rechtsprechung des BGH die insolvenzrechtlichen Zuordnungskriterien denen des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs.86 2. Handelnde und Handlungsvoraussetzungen im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO In § 129 Abs. 1 InsO ist nicht von „Rechtshandlungen des Schuldners“, son- B 20 dern nur von „Rechtshandlungen“ die Rede. Sofern daher spezialgesetzlich nichts anderes geregelt ist (vgl. die §§ 132 bis 134 InsO), können somit auch 79 Vgl. Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 129 Rz. 41; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 11. 80 BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZIP 2011, 1324 ff.; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 ff.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 129 Rz. 31. 81 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 27. 82 Vgl. oben Rz. B6 sowie BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, ZIP 2004, 917 ff.; MK-InsO/ Kayser, § 129 Rz. 8. 83 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 8; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 87. 84 Vgl. BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 24 mit Hinweis auf BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98 – „Computeranlage“, BGHZ 142, 284 (287) u. v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11 – „Organschaft“, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 19. 85 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 ff.; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 87. 86 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 19. Schfer

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§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Rechtshandlungen eines Gläubigers oder des vorläufigen Insolvenzverwalters87 und sogar Rechtshandlungen Dritter anfechtbar sein. a) Rechtshandlung des Schuldners B 21 Wird in einem Anfechtungstatbestand eine Rechtshandlung des Schuldners gefordert, so genügt es, wenn der Schuldner in rechtlich relevanter Weise an der angefochtenen Rechtshandlung mitgewirkt hat. Dies ist möglich, solange der Schuldner nicht die Verfügungsmacht über sein Vermögen verloren hat. Sofern daher kein allgemeines Verfügungsverbot verhängt, sondern nur ein sogenannter „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter unter Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts bestellt wurde (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO), kann der vorläufige Insolvenzverwalter im Grundsatz nur zusammen mit dem Schuldner rechtsverbindlich handeln. Seine Rechtshandlungen sind daher stets auch Rechtshandlungen des Schuldners.88 Bedeutsam ist dies in jenen Fällen, in denen ein Gläubiger die weitere Belieferung des Schuldners im Eröffnungsverfahren davon abhängig macht, dass auch Altverbindlichkeiten beglichen werden, die ansonsten nur als Insolvenzforderungen hätten geltend gemacht werden können.89 B 22 Der Schuldner wirkt an der Zwangsvollstreckung des Gläubigers mit, indem er einen ihm eröffneten Kontokorrentkredit abruft; das Pfändungspfandrecht des Gläubigers entsteht erst zu diesem Zeitpunkt.90 Eine Rechtshandlung des Schuldners ist auch das Stehenlassen einer Gesellschafterleistung, das zur Umqualifizierung in haftendes Eigenkapital der Gesellschaft nach dem Recht des Eigenkapitalersatzes führt. Der Gesellschafter unterlässt damit nicht etwa nur einen Erwerb, sondern er verliert die Durchsetzbarkeit seiner Forderung und damit ihren wirtschaftlichen Wert.91 Mit Rücksicht auf die Kontokorrentabrede zwischen einer GmbH und der Bank kann selbst einer vom Gesellschafter aus Eigenmitteln bewirkten Darlehensrückzahlung eine Rechtshandlung der GmbH als Schuldnerin zugrundeliegen.92

87 Vgl. BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, BGHZ 165, 283 ff. = MDR 2006, 650; v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 ff. = MDR 2005, 712 sowie BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 ff. zur Entnahme der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters. 88 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. Rz. 11; OLG Stutgart v. 24.7.2002 – 3 U 14/02, ZInsO 2002, 986 ff.; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 20; vgl. dazu ferner Rz. B35 ff. 89 Vgl. BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, BGHZ 165, 283 ff. = MDR 2006, 650; v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 ff. = MDR 2005, 712; vgl. dazu noch unten Rz. E21. 90 BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124. 91 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, GmbHR 2009, 763 m. Anm. Blöse = NotBZ 2009, 272 m. Anm. Heckschen = MDR 2009, 1008 = ZIP 2009, 1080 ff. 92 Vgl. BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 9; v. 4.7.2013 – IX ZR 229712, BGHZ 198, 77 ff. Rz. 16.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 25 B

b) Erfordernis des selbstbestimmten Verhaltens Nach der Rechtsprechung des BGH setzt eine Rechtshandlung im Sinne des B 23 § 129 InsO ein selbstbestimmtes, verantwortungsgesteuertes Verhalten des Schuldners voraus.93 Nur wer darüber entscheiden kann, ob er eine geforderte Leistung erbringt oder verweigert, nimmt danach eine Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO vor. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn der Schuldner zur Abwendung einer ihm angedrohten, unmittelbar bevorstehenden Vollstreckung leistet.94 In diesem Fall ist er noch in der Lage, über den geforderten Betrag nach eigenem Belieben zu verfügen. Hat er dagegen nur noch die Wahl, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die sofortige Vollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson zu dulden, so ist jede Möglichkeit eines selbstbestimmten Verhaltens ausgeschaltet. Mehrere Oberlandesgerichte sind auch noch nach der in BGHZ 155, 75 ff. ver- B 24 öffentlichten Entscheidung des BGH davon ausgegangen, dass sämtliche Verhaltensweisen des Schuldners im Rahmen einer einmal eingeleiteten Zwangsvollstreckung nicht mehr als selbstbestimmtes Verhalten angesehen werden könnten.95 Dem ist der BGH jedoch nochmals durch Beschluss vom 19.2.200996 entgegengetreten. Danach liegt eine Rechtshandlung des Schuldners auch dann vor, wenn er der anwesenden Vollziehungsperson zur Vermeidung eines – mangels pfändbarer Gegenstände voraussichtlich erfolglosen – Pfändungsversuchs einen Scheck über den geforderten Betrag übergibt. Denn das auf einem freien Willensentschluss beruhende Verhalten des Schuldners hätte von der Vollziehungsperson nicht erzwungen werden können. Entscheidend ist nach Ansicht des BGH, dass sich die Schuldnerin im konkreten Fall trotz der Anwesenheit der Vollziehungsperson frei entscheiden konnte, einen – voraussichtlich vergeblichen – Vollstreckungsversuch über sich ergehen zu lassen und anschließend weitere Maßnahmen abzuwarten oder aber die Gläubigerin durch Hingabe eines Schecks zu befriedigen. An einer Rechtshandlung des Schuldners fehlt es in diesen Fällen nur, wenn er keine Möglichkeit mehr hatte, der Pfändung zu entgehen.97 Einer durch Zwangsvollstreckung (ohne Mitwirkung des Schuldners) erlangten B 25 Befriedigung steht die Zahlung des Schuldners an eine bereits anwesende und vollstreckungsbereite Vollziehungsperson gleich, wenn der Schuldner nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung zu leisten oder die Zwangsvollstreckung zu dulden, weil in dieser Lage eine willensgeleitete Entscheidung nicht mehr mög-

93 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 8; v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 83 f. = MDR 2003, 1256; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 11. 94 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 83 f. = MDR 2003, 1256; v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 ff.; v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, MDR 2009, 712 = ZIP 2009, 728 f. Rz. 3. 95 Vgl. OLG Karlsruhe v. 27.2.2007 – 8 U 201/06, ZIP 2007, 2132 ff.; OLG Frankfurt v. 29.8.2005 – 16 U 11/05, ZInsO 2005, 1110 f.; kritisch dazu zu Recht Henkel, EWiR 2005, 901 f. 96 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, MDR 2009, 712 = ZIP 2009, 728 f. 97 Kritisch dazu Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 5 Rz. 9. Schfer

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B Rz. 25

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

lich ist.98 Übergibt der Schuldner dem Vollziehungsbeamten Bargeld, Wertpapiere oder andere Wertgegenstände, deren sofortige Pfändung er andernfalls hinnehmen müsste, bleibt die Entscheidung des Schuldners, die Pfändung durch eine eigene Leistung abzuwenden, im Ergebnis bedeutungslos. Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt daher nicht allein darin, dass dieser dem Vollstreckungszugriff durch Leistung derjenigen Vermögenswerte zuvorkommt, auf welche sich die Zwangsvollstreckung erstreckt hätte.99 Eine Leistung, die der Schuldner im bargeldlosen Zahlungsverkehr erbringt, stellt demgegenüber nach der Rechtsprechung des BGH auch dann eine selbstbestimmte Rechtshandlung dar, wenn hierdurch erfolgversprechende Pfändungsmaßnahmen durch eine bereits anwesende Vollziehungsperson abgewendet wurden. Es genügt nach Ansicht des BGH, dass die bargeldlose Zahlung (konkret: Scheckzahlung) nicht ohne die Mitwirkung des Schuldners erfolgen konnte.100 B 26 Durch Urteil vom 10.12.2009101 hat der BGH bekräftigt, dass Teilzahlungen, die der Schuldner nach fruchtloser Zwangsvollstreckung im Rahmen einer vom Gerichtsvollzieher herbeigeführten Ratenzahlungsvereinbarung erbringt, wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung anfechtbar sein können. Er stellt in dieser Entscheidung ferner klar, dass die Entscheidungsfreiheit des Schuldners auch nicht dadurch aufgehoben wird, dass dieser bei fortgesetzter Fruchtlosigkeit die eidesstattliche Versicherung abgeben müsste. B 27 Eine Rechtshandlung des Schuldners ist schon dann gegeben, wenn dieser aktiv die Vollstreckung durch den Gläubiger fördert. Dafür kann es genügen, wenn er den Gläubiger über den bevorstehenden Zugriff anderer Gläubiger benachrichtigt, wenn er Pfändungsgegenstände verheimlicht, um sie gerade für den Zugriff des zu begünstigenden Gläubigers bereitzuhalten oder wenn er dem Gläubiger beschleunigt einen Vollstreckungstitel verschafft.102 Pfändet ein Gläubiger den Kassenbestand des Schuldners oder wendet der Schuldner eine sonst unvermeidliche Kassenpfändung durch Zahlung an den anwesenden Vollziehungsbeamten ab, so liegt nach dem Urteil des BGH vom 3.2.2011103 eine Rechtshandlung des Schuldners vor, wenn er zuvor die Kasse in Erwartung des Vollstreckungsversuchs gezielt aufgefüllt hat, um eine Befriedigung des Gläubigers zu ermöglichen. Es kann ferner Rechtshandlungsqualität haben, wenn der Schuldner die Durchsuchung seiner Wohn- oder Geschäftsräume hinnimmt, ohne auf einer richterlichen Durchsuchungsanordnung zu bestehen.104 Zahlt der Schuldner an den ohne richterliche Durchsuchungsanordnung erschienenen Vollziehungsbeamten zur Abwendung der Vollstreckung, so kann eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners vorliegen, auch wenn abge-

98 Vgl. BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 8; v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, ZIP 2010, 191 ff. Rz. 10. 99 BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, ZIP 2010, 191 ff. Rz. 28. 100 BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZIP 2012, 1422 ff. Rz. 9 f. 101 BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, MDR 2010, 522 = ZIP 2010, 191 ff. 102 Vgl. Gehrlein, BB 2011, 1539 (1550). 103 BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = ZIP 2011, 531 ff. 104 BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = ZIP 2011, 531 ff. Rz. 9; MK-InsO/ Kayser, § 133 Rz. 9c.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 30 B

sehen von der fehlenden Durchsuchungsanordnung ein zwangsweiser Zugriff auf die Zahlungsmittel möglich wäre. Ein anfechtbares Unterlassen des Schuldners nach § 129 Abs. 2 InsO (wichtig B 28 für die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO) ist insoweit aber nur gegeben, wenn dem Schuldner die Möglichkeit bewusst war, einen sofortigen Vollstreckungszugriff durch die Forderung nach einer richterlichen Durchsuchungsanordnung verhindern zu können. Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine Durchsuchung auch ohne richterliche Anordnung erfolgen kann, wenn ihre Einholung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde (vgl. § 287 Abs. 4 Satz 2 AO).105 Ohne das Bewusstsein des Schuldners, durch das Unterlassen einer möglichen Handlung die anstehende Vermögensverlagerung auf den gerade vollstreckenden Gläubiger zu fördern, kann eine Unterlassung nicht Anknüpfungspunkt einer Vorsatzanfechtung sein. Ein anfechtbares Unterlassen liegt nicht bereits deshalb vor, weil der Schuldner eine ihm obliegende spezielle Handlungspflicht verletzt hat.106 So rechtfertigt die Verletzung der Insolvenzantragspflicht keine Insolvenzanfechtung.107 Anfechtungsrechtlich soll nicht die Rechtswidrigkeit des Tuns oder Unterlassens sanktioniert werden, sondern der mitherbeigeführte gläubigerbenachteiligende Erfolg.108 Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast ist in der Regel davon auszugehen, B 29 dass Barzahlungen des Schuldners an den Gerichtsvollzieher bzw. an den Vollziehungsbeamten keine selbstbestimmten Rechtshandlungen des Schuldners mehr sind. Der Vortrag von Besonderheiten, die zu einer abweichenden Beurteilung führen können, obliegt dem Insolvenzverwalter, da dieser die anspruchsbegründenden Voraussetzungen und mithin auch die Rechtshandlung des Schuldners darzulegen hat.109 Die Frage, ob der Schuldner an der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger mitwirkt, hängt nach der Rechtsprechung des BGH zum Teil von recht subtilen Unterscheidungen ab. Dies wäre nicht in gleicher Weise der Fall, wenn man § 133 Abs. 1 InsO als nicht anwendbar ansähe, wenn der Gläubiger „schlicht“ im Wege des gesetzlich vorgesehenen Zwangsvollstreckungsverfahrens gegen den Schuldner vorgeht, ohne dass der Schuldner zum Nachteil der übrigen Gläubiger korrigierend in das Geschehen eingreift.110 c) Rechtshandlung des Gläubigers Rechtshandlungen des Gläubigers, die dieser ohne Mitwirkung des Schuldners B 30 vornimmt, können ebenfalls anfechtbar sein, sofern durch den jeweiligen Anfechtungstatbestand nicht eine Rechtshandlung des Schuldners gefordert wird. Bedeutsam ist dies vor allem bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers, an denen der Schuldner nicht mitwirkt. In diesem Zusammenhang ist § 141 InsO zu beachten, nach dem die Anfechtung nicht dadurch ausgeschlos105 106 107 108

BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = ZIP 2011, 531 ff. Rz. 9 f. BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 ff. Rz. 16. BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 (154 ff.). Vgl. BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 ff. Rz. 16; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 24. 109 BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, MDR 2010, 522 = ZIP 2010, 191 ff. Rz. 28. 110 Vgl. dazu Rz. F7a. Schfer

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B Rz. 30

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

sen wird, dass für die Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt oder die Handlung durch Zwangsvollstreckung erwirkt worden ist. B 31 In § 133 Abs. 1 InsO ist nur von einer Rechtshandlung des Schuldners die Rede. Es wurde jedoch im Schrifttum zum Teil als inkonsequent und korrekturbedürftig empfunden, eine freiwillige Zahlung des Schuldners der Anfechtung nach dieser Bestimmung zu unterwerfen, eine durch Zwangsvollstreckung erzwungene hingegen nicht.111 Es sei nicht gerechtfertigt, denjenigen Gläubiger, der sogleich vollstreckt habe, anfechtungsrechtlich gegenüber demjenigen zu bevorzugen, der den Schuldner nochmals zur Zahlung aufgefordert und daraufhin eine freiwillige Zahlung erhalten habe. Der BGH hat indes durch Urteil vom 10.2.2005112 entschieden, dass Zwangsvollstreckungshandlungen des Gläubigers ohne eine vorsätzliche Rechtshandlung oder eine ihr gleichstehende Unterlassung des Schuldners nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sei. Habe der Schuldner nur noch die Wahl, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson zu dulden, sei also jede Möglichkeit eines selbstbestimmten Verhaltens ausgeschaltet, so fehle es an einer Rechtshandlung des Schuldners im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO. d) Rechtshandlung eines Dritten, insbes. des vorläufigen Insolvenzverwalters B 32 Auch Rechtshandlungen Dritter können der Anfechtung unterliegen, etwa wenn ein persönlich haftender Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft einen Gesellschaftsgläubiger befriedigt (vgl. § 171 HGB). Dies führt zu einer Verkürzung des mit der Insolvenzeröffnung zur Masse gehörenden Anspruchs auf Einzahlung des Haftungsbetrages in die Masse und damit zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, die aus der Masse anteilig zu befriedigen sind, und zu einer die Gleichbehandlung der Gesellschaftsgläubiger durchbrechenden Begünstigung desjenigen, dessen Forderung der haftende Gesellschafter getilgt hat.113 B 33 Der Anfechtung können ferner die gläubigerbenachteiligenden Wirkungen der Rechtshandlungen Dritter unterworfen sein, die – wie etwa die Beantragung von Insolvenzausfallgeld – dem Aufrechnenden kraft eines gesetzlichen Forderungsübergangs eine Gläubigerstellung verschaffen.114 Die Aufrechnung der Bundesagentur für Arbeit mit den auf sie nach der Zahlung von Insolvenzausfallgeld gemäß § 187 Abs. 3 SGB III übergegangenen Forderungen ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam, da die Bundesanstalt für Arbeit die zur Aufrechnung gestellten Forderungen nach der Kenntnis von der Stellung des Insolvenzantrages erworben hat.115

111 Vgl. zum Streitstand Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 18; Smid, JurisPR-InsR 3/2005 Anm. 1. 112 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832. 113 Vgl. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 ff.; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 228. 114 BGH v. 24.6.2010 – IX ZR 125/09, ZInsO 2010, 1378 f. Rz. 9. 115 Vgl. BGH v. 17.12.2009 – IX ZR 215/08, veröffentlicht bei juris; v. 24.6.2010 – IX ZR 125/09, ZInsO 2010, 1378 f.; vgl. zum Entstehen einer Umsatzsteuerschuld BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZIP 2010, 90 ff.

50 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 36 B

Rechtshandlungen eines vollmachtlosen Vertreters (vgl. die §§ 177, 180 BGB) B 34 oder Verfügungen eines Nichtberechtigten (vgl. § 185 BGB) entfalten erst nach der Genehmigung des Schuldners Wirkung zu seinen Lasten, und zwar ohne Rückwirkung gemäß § 184 BGB.116 Eine anfechtbare Rechtshandlung liegt allerdings auch beim Handeln eines vollmachtlosen Vertreters dann vor, wenn der Begünstigte dadurch in die Lage versetzt wurde, den ihm zugewendeten Vermögensgegenstand tatsächlich zu nutzen und weiter zu übertragen.117 Selbst Rechtshandlungen des „schwachen“ und des „starken“ vorläufigen Insol- B 35 venzverwalters können nach der Rechtsprechung des BGH der Anfechtung unterliegen.118 Wurde dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO auferlegt, entspricht die Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters weitgehend derjenigen des endgültigen Insolvenzverwalters. Wie dieser handelt der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter im eigenen Namen als Organ der Insolvenzmasse. Seine Rechtshandlungen sind daher grundsätzlich insoweit nicht anfechtbar, als er gemäß § 55 Abs. 2 InsO Masseverbindlichkeiten begründet, besichert oder tilgt.119 Da aber die Handlungsmöglichkeiten jedes vorläufigen Insolvenzverwalters insoweit hinter denjenigen des endgültigen Insolvenzverwalters zurückbleiben, als er seine Tätigkeit kurzfristig beginnt und oft schnelle Entscheidungen treffen muss, ist es im Grundsatz gerechtfertigt, die Erfüllung oder Besicherung bloßer Insolvenzforderungen aus der künftigen Insolvenzmasse auch durch den vollberechtigten vorläufigen Verwalter nach denselben Grundsätzen für anfechtbar zu halten wie die gleichen Handlungen des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters.120 Wenn der mit einer allgemeinen Verfügungsbefugnis oder einer Einzelermächti- B 36 gung versehene vorläufige Insolvenzverwalter Altverbindlichkeiten der künftigen Masse erfüllt oder besichert, die nach der Verfahrenseröffnung als Insolvenzforderungen zu bewerten wären, unterliegt die Anfechtbarkeit nach der Rechtsprechung des BGH im Grundsatz keinen aus Erwägungen des Vertrauensschutzes hergeleiteten Bedenken.121 Führt seine Mitwirkung an Schuldnerhandlungen nicht zu einer Masseschuld, ist die Stellung des vorläufigen Verwalters der eines endgültigen Verwalters nicht derart angenähert, dass eine Anfechtung seiner Rechtshandlungen von vornherein ausscheidet. Tilgt oder besichert der voll verfügungsbefugte vorläufige Verwalter Altforderungen, die im späteren Insolvenzverfahren nur Insolvenzforderungen nach § 38 InsO wären, unterliegen diese Rechtshandlungen grundsätzlich der Anfechtung.122 Wie bei Rechtshandlungen eines mitbestimmenden vorläufigen Insolvenzverwalters scheidet eine Anfechtung nur aus, wenn der Leistungsempfänger auf die Rechts116 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, ZIP 2010, 2105 ff. Rz. 21; v. 20.9.1978 – VIII ZR 142/77, NJW 1979, 102 (103). 117 BGH v. 22.3.2001 – IX ZR 373/98 – „Bundesligalizenz“, ZIP 2001, 889 ff. 118 Vgl. BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 11 f. 119 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 44. 120 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 44. 121 BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 12. 122 BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 12; OLG Dresden v. 29.1.2004 – 13 U 2163/03, ZInsO 2005, 1221 f.; Kirchhof, ZInsO 2000, 297 (298 f.); K. Schmidt, § 129 Rz. 38. Schfer

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B Rz. 36

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

beständigkeit des Verhaltens des vorläufigen Insolvenzverwalters tatsächlich vertraut hat und dieses Vertrauen schutzwürdig ist.123 B 37 Rechtshandlungen des unter Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts bestellten „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO) sind – da dieser nur zusammen mit dem Schuldner handeln kann – grundsätzlich anfechtbar, und zwar selbst dann, wenn Personengleichheit mit dem (endgültigen) Insolvenzverwalter gegeben ist.124 Anfechtbar ist daher insbesondere die Genehmigung einer Lastschrift im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens durch den vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalter.125 Eine Anfechtung der unter Mitwirkung des vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommenen Rechtshandlung durch den (endgültigen) Insolvenzverwalter ist nur dann ausgeschlossen, wenn Ersterer durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand gegenüber dem Gläubiger gesetzt hat und dieser demzufolge nach Treu und Glauben damit rechnen durfte, ein nicht mehr entziehbares Recht erlangt zu haben.126 Der vorläufige Insolvenzverwalter begründet in der Regel einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand, wenn er Leistungen des Schuldners auf Verträge vorbehaltslos zustimmt, die dieser mit einem Gläubiger abgeschlossen hat und in denen Erfüllungszusagen auch für Altverbindlichkeiten gegeben wurden, welche im Zusammenhang stehen mit neuen Leistungen des Gläubigers an ein Unternehmen des Schuldners.127 Der Insolvenzverwalter handelt jedoch nicht treuwidrig, wenn der Gläubiger die Zustimmung des vorläufigen Verwalters nur aufgrund seiner wirtschaftlichen Machtstellung durchsetzen konnte.128 B 38 Die Vereinnahmung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in einem nicht zur Eröffnung gelangten Verfahren kann in einem später eröffneten Insolvenzverfahren als kongruente Rechtshandlung anfechtbar sein.129 Führt die Gesellschaft einen von ihrem Gesellschafter besicherten Kontokorrentkredit zurück, indem der vorläufige Insolvenzverwalter Einziehungsaufträge und Abbuchungsermächtigungen widerruft, kann die dadurch bedingte Befreiung von der Sicherung gegenüber dem Gesellschafter angefochten werden.130

123 BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 12; v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 (320); v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, BGHZ 165, 283 (286); v. 10.1.2013 – IX ZR 161/11, ZInsO 2013, 551 ff. Rz. 16. 124 Vgl. BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 177/07, ZInsO 2010, 2133 f. Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 142. 125 BGH v. 21.10.2010 – IX ZR 240/09, ZInsO 2010, 2293 ff.; v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, ZIP 2010, 2105 ff. 126 Vgl. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 161/11, ZIP 2013, 528 ff.: Der vorläufige Insolvenzverwalter hatte erklärt, dass er die getroffene Vereinbarung im Fall seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter nicht anfechten werde. 127 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, BGHZ 165, 283 ff. Rz. 12; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 46b. 128 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, BGHZ 165, 283 ff. = MDR 2006, 650; v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 ff.; OLG Stuttgart v. 24.7.2002 – 3 U 14/02, ZIP 2002, 1900 (1902). 129 BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 ff. 130 BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff., 1. Leitsatz.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 41 B

Das Oberlandesgericht München hat durch Urteil vom 2.7.2013131 entschie- B 39 den, dass das Handeln des („schwachen“) vorläufigen Insolvenzverwalters nicht dem Schuldner als Rechtshandlung im Sinne des § 135 Abs. 2 InsO zugerechnet werden könne, wenn dieser ausschließlich aufgrund einer gerichtlichen Ermächtigung handle (konkret: Ermächtigung, über die Konten des Schuldners zu verfügen). Der BGH ist dieser Auffassung zu Recht nicht gefolgt.132 Eine Verfügungsermächtigung begründet nach § 185 Abs. 1 BGB die aus dem Recht des Ermächtigenden abgeleitete Zuständigkeit des Ermächtigten, über ein subjektives Recht des Ermächtigenden im eigenen Namen zu verfügen.133 Auch wenn es sich somit im Fall des Oberlandesgerichts München um eine verdrängende Ermächtigung zur Kontoführung handelte, ändert dies nichts daran, dass der vorläufige Insolvenzverwalter für den Schuldner handelte. Auch nach Sinn und Zweck der Regelungen über die Insolvenzanfechtung vermag die Auffassung des Gerichts nicht zu überzeugen. Im Schrifttum wird es im Gegenteil sogar als gerechtfertigt angesehen, die Erfüllung oder Besicherung bloßer Insolvenzforderungen durch den vollberechtigten vorläufigen Verwalter nach denselben Grundsätzen für anfechtbar zu halten wie die gleichen Handlungen des „schwachen“ vorläufigen Verwalters.134 3. Sonderfälle von Rechtshandlungen a) Personenrechtliche Vorgänge; höchstpersönliche Rechte Personenrechtliche Vorgänge unterliegen nicht der Anfechtung, selbst wenn B 40 durch sie das Vermögen des Schuldners gemindert wird.135 Unanfechtbar ist der Verzicht des Schenkers auf das Widerrufsrecht nach § 530 BGB. Auch die Umwandlung des Güterstandes selbst ist nicht anfechtbar; dagegen kann die nachfolgende Auseinandersetzung eine anfechtbare Rechtshandlung sein.136 Güterrechtliche Vereinbarungen zwischen Ehegatten sind anfechtbar, da diese allein deren Vermögen betreffen.137 Mit der Erbschaftsausschlagung und dem Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht ist zwar B 41 die Aufgabe einer dem Schuldnervermögen zugewachsenen Rechtsposition verbunden. Dennoch unterliegen diese Rechtshandlungen nicht der Insolvenzanfechtung, selbst wenn sie mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen wurden. Dies folgt aus § 83 Abs. 1 InsO, der zeigt, dass diese Rechtshandlungen der persönlichen Entscheidungsbefugnis des Schuldners unterliegen, die nicht

131 132 133 134

OLG München v. 2.7.2013 – 5 U 5067/12, ZInsO 2013, 1527 ff. BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 6 ff. Vgl. BGH v. 28.10.1988 – V ZR 14/87, BGHZ 106, 1 ff. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 44; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 21; Kirchhof, ZInsO 2000, 297 (298 f.). 135 Vgl. Graf/Wunsch in Runkel, Anwaltshandbuch Insolvenzrecht, § 10 Rz. 28; Bork/ Ehricke, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 3 Rz. 6. 136 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 89. 137 BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 (124); v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, ZIP 2010, 1702 ff. Schfer

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§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

durch Anfechtung unterlaufen werden darf.138 Auch die Mitwirkung des vertraglich eingesetzten Erben an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung ist höchstpersönlich und kann nicht angefochten werden.139 B 42 Ansprüche des Schuldners auf eine höchstpersönliche Dienstleistung unterliegen nicht dem Insolvenzbeschlag, denn sie sind nicht übertragbar und deshalb auch nicht pfändbar. Die Anrechnung eines Vorschusses auf einen aus der Dienstleistung resultierenden Vergütungsanspruch ist nach der Rechtsprechung des BGH trotz einer während der Zeit der Leistungserbringung bestehenden Verfügungsbeschränkung des Schuldners (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO) wirksam. Ein fälliger Vergütungsanspruch wird durch Anrechnung des gezahlten Vorschusses erfüllt, ohne dass es einer besonderen Aufrechnung bedürfte. Die Frage der Anfechtung blieb in dem vom BGH entschiedenen Fall offen.140 b) Hoheitliche Rechtsakte, insbesondere Zwangsvollstreckung B 43 Hoheitliche Rechtsakte können anfechtbare Rechtshandlungen darstellen, wenn der Adressat eines Anfechtungstatbestandes daran mitwirkt. Dies kann etwa bei Grundbucheintragungen141 und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen142 der Fall sein. Nach § 141 InsO wird die Anfechtung nicht dadurch ausgeschlossen, dass für die Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt oder dass die Handlung durch Zwangsvollstreckung erwirkt wurde. Ist allerdings tatbestandliche Voraussetzung eine Rechtshandlung des Schuldners, so ist nach der Rechtsprechung des BGH ein selbstbestimmtes Verhalten des Schuldners erforderlich.143 Der Eigentumserwerb durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung beruht allein auf einem hoheitlichen Rechtsakt, so dass eine Anfechtung in Ermangelung einer Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO ausscheidet.144 Eine zwischen Gläubiger und Schuldner getroffene Vereinbarung über den Übergang einer Milchreferenzmenge unterliegt nicht der Anfechtung, wenn diese bereits kraft Gesetzes übergegangen ist.145 c) Dienst- bzw. Arbeitsleistung B 44 Die unpfändbare Arbeitskraft des Schuldners (vgl. § 888 Abs. 3 ZPO) fällt nach den §§ 35 ff. InsO nicht in die Insolvenzmasse. Deshalb soll nach einem umstrittenen Urteil des BGH vom 1.12.1986146 den Gläubigern kein Anfechtungs138 Vgl. zum Pflichtteilsverzicht BGH v. 6.5.1997 – IX ZR 147/96, FamRZ 1997, 1001 = MDR 1997, 880 = NJW 1997, 2384 f. 139 BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 56/12, ZIP 2013, 272 ff. 140 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 69/12, ZIP 2013, 586 ff. 141 HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 11. 142 BGH v. 25.11.1964 – VIII ZR 289/62, WM 1965, 14 f. 143 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 (152) = MDR 2005, 832; vgl. dazu noch Rz. B23 ff. 144 BGH v. 15.5.1986 – IX ZR 2/85, MDR 1986, 1022 = FamRZ 1986, 978 = ZIP 1986, 926 (927). 145 BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 98/05, ZIP 2006, 2225 ff. 146 BGH v. 11.12.1986 – IX ZR 78/86, MDR 1987, 494 = ZIP 1987, 305 ff.

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recht zustehen, wenn der Schuldner die „künftige und bedingte“ Forderung auf den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens an seine Ehefrau abgetreten hat, da der Abschluss des Arbeitsvertrages sie nicht benachteilige. Die übrigen Gläubiger seien durch den Abschluss des Arbeitsvertrages nicht benachteiligt worden, da sie ohne dessen Abschluss jedenfalls nicht besser gestellt gewesen wären. Diese Entscheidung wird im Schrifttum zu Recht kritisiert.147 Zum einen kann B 45 von einer bedingten Gehaltsforderung nicht gesprochen werden, wenn das Arbeitsverhältnis noch gar nicht besteht, aus dem sie hervorgehen soll. Zum anderen richtet sich die Anfechtung bei verständiger Würdigung gegen den Eintritt der Rechtswirkung der Abtretung, die erst mit der Entstehung der im Voraus abgetretenen Forderung eintritt.148 Es stellt schließlich eine anfechtungsrechtlich unbeachtliche hypothetische Erwägung dar, wenn der BGH darauf abstellt, dass die übrigen Gläubiger ohne den Abschluss des Arbeitsvertrages nicht besser gestellt gewesen wären. Die Wirkung der Vorausabtretung hängt zwar von der tatsächlichen Arbeitsleistung des Schuldners ab; erbringt er diese aber, darf die Gläubigerbenachteiligung nicht mit der rein hypothetischen Erwägung verneint werden, dass der Schuldner sich in unanfechtbarer Weise anders hätte verhalten können.149 Hat der Schuldner seine Arbeitskraft jedoch tatsächlich eingesetzt und dadurch B 46 etwa eine abgetretene Forderung werthaltig gemacht, so kann dies der Anfechtung unterliegen.150 d) Gebrauchsüberlassung Die Überlassung einer Sache oder eines sonstigen Gegenstandes kann als Rechts- B 47 handlung des Schuldners anfechtbar sein. Die Anfechtung richtet sich in diesem Fall gegen das Besitzrecht des Anfechtungsgegners. Da das Besitzrecht für die Vergangenheit nicht zurückgewährt werden kann, hat der Anfechtungsgegner dessen Wert zu ersetzen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Schuldner die Sache während der Zeit der Gebrauchsüberlassung selbst hätte nutzen können. Andernfalls fehlt es an einer Benachteiligung der späteren Insolvenzmasse.151 Auch die Verpachtung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes kann eine anfechtbare Rechtshandlung darstellen. Weggegeben und deshalb im Falle einer erfolgreichen Anfechtung vom Pächter zur Verfügung zu stellen sind die Nutzungen des Pachtgegenstandes. Dazu gehört auch der aus dem Gewerbe-

147 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 204; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 92; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rz. 59. 148 BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff.; v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. = GesR 2006, 418 = MDR 2007, 112. 149 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 92. 150 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435 ff. Rz. 28. 151 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 55; vgl. dazu ferner OLG Stuttgart v. 22.9.1986 – 5 U 19/86, NJW-RR 1987, 570 f. und zum früheren Eigenkapitalersatzrecht BGH v. 31.1.2005 – II ZR 240/02, ZIP 2005, 484 ff. Schfer

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betrieb gezogene Gewinn, soweit dieser nicht auf den persönlichen Leistungen oder Fähigkeiten des Anfechtungsgegners beruht.152 B 49 Für den speziellen Bereich der Gebrauchsüberlassung durch einen Gesellschafter ist die mit Wirkung ab dem 1.11.2008 in Kraft getretene Neuregelung des § 135 Abs. 3 InsO zu beachten. Trotz ihrer systematischen Stellung im Anfechtungsrecht handelt es sich dabei nach herrschender Auffassung der Sache nach nicht um einen Anfechtungstatbestand.153 Offen ist die Frage, ob die Rückgewähr des überlassenen Gegenstandes im Vorfeld der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Anfechtung nach den §§ 130 ff. InsO unterliegen und ob der Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter den Einwand der Anfechtbarkeit erheben kann.154 e) Gesellschaftsrecht B 50 Auch gesellschaftsrechtliche Beschlüsse155 und Einlageleistungen können anfechtbare Rechtshandlungen sein. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Kapitalerhaltung (vgl. die §§ 57 AktG, 30 GmbHG) stehen nach der Rechtsprechung des BGH der Anfechtung einer Einlageleistung des Schuldners nicht entgegen.156 Der durch die Kapitalerhaltungsgrundsätze bezweckte Schutz der Gesellschaftsgläubiger müsse hinter den Interessen der Gläubiger des insolventen Schuldners zurückstehen. Ebensowenig wie die Einbringung eines fremden oder dinglich belasteten Gegenstandes in das Gesellschaftsvermögen den Berechtigten hindere, seine Ansprüche gegen die Gesellschaft zu verfolgen, gelte dies auch für die Haftungsunterworfenheit eines Gegenstandes gegenüber einem Anfechtungsgläubiger. Der BGH weist ferner darauf hin, dass ein Vorrang des Grundsatzes der Kapitalerhaltung Schuldner dazu verlocken könnte, ihr Vermögen vor dem Zugriff ihrer Gläubiger durch Einbringung in die Gesellschaft in Sicherheit zu bringen. Anfechtbare Rechtshandlungen können ferner die Aufhebung einer Gesellschaft, einer Gemeinschaft und eines ursprünglich vereinbarten Rangrücktritts darstellen.157 f) Unternehmensveräußerung B 51 Eine Unternehmensveräußerung kann nach der umstrittenen Rechtsprechung des BGH158 als solche nicht angefochten werden; anfechtbar ist vielmehr nur 152 BGH v. 20.9.2012 – IX ZR 112/10, ZInsO 2012, 1987. 153 Vgl. Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Rz. 5.40; K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732); Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3607); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 21; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 135 Rz. 55. 154 Vgl. dazu B. Schäfer, NZI 2010, 505 ff. m.w.N. sowie BGH v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391 ff. zu § 64 Satz 3 GmbHG. 155 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 19. 156 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228 = NJW 1995, 659 (662). 157 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 19; OLG München v. 22.12.2010 – 7 U 4960/07, ZIP 2011, 225 ff. Rz. 50; vgl. dazu ferner Rz. H63a ff. 158 BGH v. 27.11.1963 – VIII ZR 278/62, WM 1964, 114 ff. – a.A. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 71; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 94; K. Schmidt, BB 1988, 5 ff.

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die Veräußerung der einzelnen, zum Unternehmen gehörenden (pfändbaren) Gegenstände. Es dürfte jedoch davon auszugehen sein, dass eine Unternehmensveräußerung insgesamt angefochten werden kann. Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz steht dieser Annahme nicht entgegen. Er gilt nicht für das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft. Ist dieses und gegebenenfalls dessen Erfüllung anfechtbar, so werden sachenrechtliche Bestimmungen erst im Rahmen der Rückgewähr gemäß § 143 InsO bedeutsam.159 g) Sozialplan Für Sozialpläne enthält § 124 InsO eine Sonderregelung. Danach kann ein Sozi- B 52 alplan, der nicht früher als drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages aufgestellt wurde, widerrufen werden. Eine Anfechtung erübrigt sich somit in diesen Fällen, sofern die Arbeitnehmer noch keine Leistungen erhalten haben. Anwendbar sind die Anfechtungstatbestände jedoch auf ältere Sozialpläne und auf Leistungen, welche die Arbeitnehmer vor der Insolvenzeröffnung erhalten haben. Die Regelung über den Ausschluss von Rückforderungen im Fall des Widerrufs in § 124 Abs. 3 InsO steht der Anfechtung nicht entgegen.160 h) Aufgabe von Rechten Unter § 129 Abs. 1 InsO fällt auch die Aufgabe eines Rechts, wenn sie zu ei- B 53 nem entsprechenden Rechtserwerb des Anfechtungsgegners führt. Dies soll bei einem Verzicht auf ein Patent nicht der Fall sein, da derjenige, der nach dem Verzicht des Schuldners die Erfindung nutze, kein Recht ausübe, das jenem entspreche, welches der Schuldner aufgegeben habe.161 Die Aufgabe des Eigentums an einer Sache ist nur dann anfechtbar, wenn sie geschieht, um einem anderen die Aneignung zu ermöglichen. Die Aufgabe eines Rechts ist schließlich das Stehenlassen eines Gesellschafterdarlehens, das zur Umqualifizierung in haftendes Eigenkapital führt.162 i) Verzicht auf Erwerb Nimmt der Schuldner eine Erwerbschance nicht wahr, so ist dies in Erman- B 54 gelung einer Minderung des schuldnerischen Vermögens nicht anfechtbar. Dies zeigt auch § 143 Abs. 1 InsO. Danach muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben wurde. Anders liegt es hingegen bei der unterbliebenen Geltendmachung eines Vorkaufsrechts oder einer Option, da in diesen Fällen bereits eine gesicherte Position gegeben war, derer sich der Schuldner durch Untätigkeit begeben hat.163 159 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 94. 160 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 155; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 18. 161 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 25 f. 162 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, GmbHR 2009, 763 m. Anm. Blöse = NotBZ 2009, 272 m. Anm. Heckschen = MDR 2009, 1008 = ZIP 2009, 1080 ff. 163 Vgl. Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 129 Rz. 53. Schfer

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4. Einheitliche Rechtshandlung trotz mehrerer Einzelhandlungen B 55 Nach der Rechtsprechung des BGH können zwei rechtlich getrennte Geschäfte nach der für die Anfechtung maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise dann als eine einheitliche Rechtshandlung des Schuldners zu werten sein, wenn dessen Wille von Anfang an darauf gerichtet ist, den Leistungsgegenstand aus seinem Vermögen auf dem Umweg über eine Mittelsperson im Ergebnis dem Anfechtungsgegner zuzuwenden (sogenannte „mittelbare Zuwendung“).164 Dies ist von wesentlicher Bedeutung für die Frage, ob die Rechtshandlung innerhalb des jeweiligen Anfechtungszeitraums der Anfechtungstatbestände vorgenommen wurde. Nach der Rechtsprechung des BGH dürfte es für die Anfechtbarkeit ausreichen, dass das letzte Teilstück der mittelbaren Zuwendung innerhalb des Anfechtungszeitraums vorgenommen wurde.165 Die masseschmälernde Wirkung ist jedoch bereits mit der Weggabe an die Mittelsperson eingetreten.166 In einer solchen Betrachtung muss kein Widerspruch liegen. Es ist vielmehr an die aus dem Strafrecht geläufige Unterscheidung zwischen der Vollendung und der Beendigung einer Handlung zu erinnern. Der BGH hat durch Urteil vom 26.4.2012167 entschieden, dass bei einer mittelbaren Zuwendung bereits die Weggabe von Geldern an einen uneigennützigen Verwaltungstreuhänder des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt. Die Gläubiger des Schuldners konnten das Treuhandguthaben nicht wie ein Bankguthaben aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen den Schuldner pfänden, so dass ein – für die Gläubigerbenachteiligung ausreichendes – Vollstreckungshindernis entstanden war.168 B 56 Durch den Abschluss eines Vertrages werden die Gläubiger unmittelbar benachteiligt, wenn der gesamte rechtsgeschäftliche Vorgang die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger verschlechtert.169 Eine aus mehreren Teilen bestehende Rechtsübertragung kann gemäß ihrer wirtschaftlichen Bedeutung als ein einheitliches Ganzes zu erfassen sein.170 Selbst mehrere zeitgleich abgeschlossene Verträge (konkret: Kaufvertrag, Darlehensvertrag und Mietvertrag) können einer Gesamtbetrachtung im Hinblick auf ihre unmittelbar gläubigerbenachteiligende Wirkung zu unterziehen sein, wenn sie einem einheitlichen wirtschaftlichen Zweck dienen.171 Die vom BGH in ständiger Rechtsprechung angewandte „vereinzelnde Betrachtungsweise“172 gilt daher nicht, wenn eine Vermögensverschiebung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als einheitlicher Gesamtvorgang anzu164 BGH v. 5.12.1991 – IX ZR 271/90, MDR 1992, 408 = NJW 1992, 834 (835); v. 17.7.2008 – IX ZR 245/06, MDR 2008, 1358 = ZIP 2008, 2136 ff. Rz. 11; v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff.; vgl. dazu Rz. B129 ff. 165 Vgl. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 28 = MDR 2008, 345; – a.A. HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 34. 166 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 12; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 22; Kuhn, WM 1964, 998 (1004). 167 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff. 168 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 12. 169 Vgl. BGH v. 21.12.2010 – IX ZA 14/10, WM 2011, 276; v. 11.2.2010 – VII ZR 225/07, ZIP 2010, 646 ff. Rz. 12. 170 BGH v. 11.2.2010 – VII ZR 225/07, ZIP 2010, 646 ff. Rz. 12. 171 OLG Frankfurt v. 14.7.2010 – 17 U 239/09, ZIP 2011, 392 ff. 172 Vgl. BGH v. 11.3.2010 – IX ZR 104/09, ZIP 2010, 793 ff.

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sehen ist, der auch bei Berücksichtigung der anfechtungsrechtlichen Besonderheiten nicht in einzelne Teilvorgänge zerlegt werden kann.173 Wird die auf den Abschluss eines gegenseitigen schuldrechtlichen Vertrages gerichtete Willenserklärung angefochten, so kann die gläubigerbenachteiligende Rechtsfolge nicht allein der Leistungspflicht des Schuldners entnommen werden, vielmehr entfallen mit der Anfechtung auch alle Ansprüche des Schuldners aus dem Vertrag.174 5. Mehrere Rechtshandlungen; einheitliche Rechtshandlung mit mehreren Rechtswirkungen Mehrere Rechtshandlungen des Schuldners sind grundsätzlich getrennt auf ihre B 57 Anfechtbarkeit hin zu untersuchen. Sie sind im Grundsatz selbst dann anfechtungsrechtlich selbständig zu beurteilen, wenn sie gleichzeitig vorgenommen wurden oder sich wirtschaftlich ergänzen.175 Wirtschaftliche Erwägungen rechtfertigen es allenfalls unter besonderen, als zusätzliche Klammern wirkenden rechtlichen Voraussetzungen – insbesondere im Fall der mittelbaren Zuwendung –, mehrere Rechtshandlungen zu einer Einheit zu verbinden. Dafür genügt es nicht allein, dass der Schuldner einen Kredit nur aufgenommen hat, um eine bestimmte Schuld zu tilgen.176 Der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung wird vielmehr isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners beurteilt, und eine Vorteilsausgleichung findet nicht statt.177 Dies gilt selbst dann, wenn keine mehraktige, sondern eine einheitliche Rechtshandlung, die mehrere Rechtswirkungen entfaltet, Gegenstand der Insolvenzanfechtung ist.178 Jeweils für sich genommen anfechtbar sind daher Grundgeschäft und Erfül- B 58 lungsgeschäft.179 Wird nur das Grundgeschäft angefochten, so verliert es seine Wirkung als rechtlicher Grund, und die erbrachten Leistungen sind gemäß §§ 812 ff. BGB zurückzugewähren. Wird nur das Erfüllungsgeschäft angefochten, so bleibt die Masse gemäß § 144 Abs. 1 InsO aus dem wiederaufgelebten Kausalverhältnis mit einer Insolvenzforderung belastet. Nur wenn beide Ge-

173 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 32 f. 174 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. RZ. 32 f. 175 BGH v. 11.3.2010 – IX ZR 104/09, MDR 2010, 892 = ZIP 2010, 793 ff. Rz. 10; v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. Rz. 11; v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884 f. Rz. 20. 176 BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, ZIP 2002, 489 ff. Rz. 15; vgl. jedoch zu Zahlungen des Geschäftsführers über ein debitorisch geführtes Bankkonto einer insolvenzreifen GmbH BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZInsO 2007, 542 f.; v. 25.1.2010 – II ZR 258/08, ZInsO 2010, 568 f. Rz. 10. 177 Vgl. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (234) Rz. 18 = MDR 2008, 345; v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZIP 2007, 2084 ff. Rz. 11. 178 BGH v. 11.3.2010 – IX ZR 104/09, MDR 2010, 892 = ZIP 2010, 793 ff. Rz. 10; v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08 – „Bierbrauen“, MDR 2009, 1306 = ZIP 2009, 1674 ff. Rz. 36 f. 179 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, MDR 2007, 1157 = ZIP 2007, 1274 ff. Rz. 27; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 109; Gottwald/Huber, Insolvenzrechtshandbuch, § 46 Rz. 42. Schfer

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§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

schäfte erfolgreich angefochten wurden, ist der Leistungsgegenstand selbst ohne Ausgleich zurückzugewähren.180 B 59 Die Darlehensgewährung und die Auszahlung der Darlehensvaluta an einen Dritten stellen zwei getrennte Rechtshandlungen dar, und zwar auch dann, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erfolgen.181 Dies gilt nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH auch im Fall der geduldeten Kontoüberziehung zum Zwecke der Befriedigung eines bestimmten Gläubigers des Insolvenzschuldners.182 B 60 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH steht es der isolierten Anfechtung einer Sicherung (bspw. Pfändung) nicht entgegen, dass die Erfüllungshandlung ihrerseits anfechtbar ist. Dies folgt aus dem anerkannten insolvenzrechtlichen Grundsatz, dass jede Rechtshandlung selbständig auf ihre Ursächlichkeit für gläubigerbenachteiligende Folgen zu überprüfen und gegebenenfalls in deren Anfechtung einzubeziehen ist, mögen sich die Rechtshandlungen auch wirtschaftlich ergänzen.183 Auch die Forderungsverpfändung bzw. Forderungspfändung und die Befriedigung sind verschiedene Rechtshandlungen, wobei die Anfechtung einer Zahlung allerdings letztlich nichts nützt, wenn die Verpfändung bzw. Pfändung anfechtungsfest ist.184 Die Anfechtung der Abtretung einer dem verlängerten Eigentumsvorbehalt unterfallenden künftigen Forderung geht ins Leere, wenn der verlängerte Eigentumsvorbehalt in unkritischer Zeit vereinbart wurde.185 B 61 Der Grundsatz, dass bei mehreren Rechtshandlungen jede einzelne von ihnen auf das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen hin zu prüfen ist, bedeutet nicht, dass bei der Prüfung, ob eine bestimmte Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligt hat, nur die unmittelbare rechtliche Folge der Handlung berücksichtigt werden dürfte. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Rechtshandlung zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt hat, ist die durch die Handlung bewirkte Vermögensverschiebung in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu erfassen. Durch den Abschluss eines Vertrages werden die Gläubiger daher unmittelbar benachteiligt, wenn der gesamte rechtsgeschäftliche Vorgang die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger verschlechtert.186 Zu beachten ist ferner, dass nach der Rechtsprechung des BGH zwei rechtlich getrennte Geschäfte nach der für die Anfechtung maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise dann als ei180 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 57. 181 BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZIP 2011, 1324 ff.; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 ff. Rz. 16. 182 BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 ff.; v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 ff. Rz. 10. 183 Vgl. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 ff. Rz. 25; v. 20.7.2006 – IX ZR 226/03, ZIP 2006, 1639 ff. 184 BGH v. 21.3.2000 – IX ZR 138/99, MDR 2000, 783 = ZInsO 2000, 333 ff.; v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZIP 2003, 808 ff. 185 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, ZIP 2011, 773 ff.; v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, MDR 2000, 907 = ZInsO 2000, 349 ff. 186 BGH v. 21.12.2010 – IX ZA 14/10, WM 2011, 276 Rz. 2; v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, NotBZ 2011, 96 m. Anm. Suppliet = MDR 2010, 1347 = FamRZ 2010, 1548 m. Anm. Bergschneider = ZIP 2010, 1702 ff. Rz. 9.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 63 B

ne einheitliche Rechtshandlung des Schuldners zu bewerten sind, wenn dessen Wille von Anfang an darauf gerichtet ist, den Leistungsgegenstand in mehreren Akten über eine Mittelsperson dem Anfechtungsgegner zuzuwenden (mittelbare Zuwendung).187 Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Schuldner einen ihm wirtschaftlich günstigen Vertrag einvernehmlich aufhebt und seinen Vertragspartner veranlasst, einen neuen Vertrag zu gleichartigen Bedingungen alsbald mit der Ehefrau des Schuldners abzuschließen.188 6. Mehraktige (insbesondere bedingte und befristete) Rechtshandlungen Nach § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vor- B 62 genommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Für die Frage der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen, die aus mehreren Teilakten bestehen, kommt es daher grundsätzlich auf deren Vollendung, also auf den letzten, zur Erfüllung des Tatbestandes bzw. zum Eintritt der Rechtswirkung erforderlichen Teilakt, an.189 Es ist grundsätzlich der letzte Akt maßgebend, durch den die künftige Insolvenzmasse geschmälert und somit die Gläubigerbenachteiligung bewirkt wurde.190 Sämtliche Absätze des § 140 InsO beruhen auf dem Grundgedanken, dass der Zeitpunkt entscheidet, in dem durch die Rechtshandlung eine Rechtsposition begründet wurde, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste.191 Hängt daher die Wirksamkeit einer Rechtshandlung von einer privatrechtli- B 63 chen Zustimmung ab, so gilt sie erst zu dem Zeitpunkt als vorgenommen, zu dem die Zustimmung vorliegt, und zwar selbst dann, wenn diese gemäß § 184 Abs. 1 BGB zurückwirkt.192 Der BGH hat nochmals für die Lastschrift im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens klargestellt, dass für die Vornahme der Rechtshandlung im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO der Zeitpunkt der Genehmigung des Lastschrifteinzugs maßgebend ist und der Bestimmung des § 184 BGB über die Rückwirkung der Genehmigung in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zukommt.193 Bedarf ein Rechtsgeschäft hingegen einer öffentlichrechtlichen Genehmigung, so kommt es darauf an, ob die Genehmigung zurückwirken soll und ob das Rechtsgeschäft die Vertragsparteien bereits vor der Genehmigung bindet. So wird etwa die Wirksamkeit des Rechtserwerbs auf187 Vgl. BGH v. 19.3.1980 – VIII ZR 195/79, MDR 1980, 751 = NJW 1980, 1795; v. 5.12.1991 – IX ZR 271/90, MDR 1992, 408 = NJW 1992, 834 (835); v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183 ff. Rz. 21 ff. 188 BGH v. 5.12.1991 – IX ZR 271/90, NJW 1992, 834 (835); MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 69. 189 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166; BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 14 = MDR 2007, 610; HK-InsO/Kreft, § 140 Rz. 3, 4. 190 BGH v. 26.4.2001 – IX ZR 53/00, MDR 2001, 1190 = ZInsO 2001, 508; v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 14 ff. = MDR 2007, 610. 191 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166; BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 9; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353 f.). 192 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT- Drucks. 12/2443, S. 166; BGH v. 20.9.1978 – VIII ZR 142/77, NJW 1979, 102 (103); MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 8. 193 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, MDR 2010, 1420 = ZIP 2010, 2105 ff. Rz. 21; anders jedoch hinsichtlich der Frage, ob ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO gegeben ist. Schfer

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B Rz. 63

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

grund eines Rechtsgeschäfts, das der devisenrechtlichen Genehmigung bedarf, nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Genehmigung erst in kritischer Zeit erteilt wird.194 B 64 Hängt das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts von einer Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen ab, so ist § 140 Abs. 2 InsO zu beachten. Danach gilt das Rechtsgeschäft schon dann als vorgenommen, wenn die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat.195 Entscheidend ist, ob dem anderen Teil bereits eine gesicherte Rechtsposition zustand. B 65 Durch § 140 Abs. 3 InsO wird klargestellt, dass bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht bleibt. Solche Rechtshandlungen gelten daher anfechtungsrechtlich schon vor dem Eintritt der Bedingung oder des Termins als vorgenommen.196 a) Übereignung beweglicher Sachen; Eigentumsvorbehalt B 66 Die Übereignung beweglicher Sachen ist in der Regel mit Einigung und Übergabe bzw. Vereinbarung eines Übergabesurrogats im Sinne der §§ 929 ff. BGB vorgenommen.197 Bei der Übereignung einer künftigen Sache ist der Zeitpunkt ihrer Entstehung maßgebend.198 Sofern der Erwerber schon vor den kritischen Anfechtungszeiträumen eine gesicherte Rechtsposition (Anwartschaftsrecht) erworben hat, ist deren Erwerb maßgebend.199 B 67 Bei der Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt erlangt der Erwerber mit der Übergabe ein Anwartschaftsrecht an der Kaufsache. Wird dem Veräußerer zugleich als Sicherheit für die ihm zustehende Kaufpreisforderung die künftige Forderung aus der Weiterveräußerung abgetreten (verlängerter Eigentumsvorbehalt), so ist die Abtretung gemäß § 140 Abs. 1 InsO erst mit der Entstehung dieser künftigen Forderung vorgenommen.200 Insoweit ist jedoch zu beachten, dass die Forderung aus der Weiterveräußerung an die Stelle des vorbehaltenen Eigentums an der Kaufsache tritt. Sofern daher der Eigentumsvorbehalt in unkritischer Zeit vereinbart wurde, liegt ein bloßer Sicherheitentausch vor, der die übrigen Gläubiger nicht im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt, soweit die Forderung aus der Weiterveräußerung an die Stelle des vorbehaltenen Eigentums getreten ist.201

194 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 8. 195 Vgl. BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 203/06, ZIP 2010, 339 ff.; v. 8.5.2008 – IX ZR 116/07, veröffentlicht bei juris. 196 Vgl. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (395) = MDR 2005, 51. 197 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 10. 198 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 5; Erman/Michalski, 12. Aufl., § 929 Rz. 18. 199 Vgl. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 4. 200 Vgl. BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff. 201 BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, MDR 2000, 907 = ZIP 2000, 932 ff.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 69 B

Im Schrifttum202 wird unter Berufung auf ein Urteil des BGH vom 14.5.1975203 B 68 die Auffassung vertreten, dass die Differenz zwischen dem Wert der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware und dem Wert der vorausabgetretenen Forderung aus der Weiterveräußerung der späteren Insolvenzmasse gebühre. Denn der überschießende Wert sei nicht allein durch die Vorbehaltsware entstanden, sondern gehe auf Leistungen des späteren Insolvenzschuldners zurück. Es wird indes bezweifelt, ob die Entscheidung des BGH vom 14.5.1975 zu dieser Folgerung zwingt.204 Da die Anfechtung nicht weiter greifen könne als die Folgen der Insolvenzeröffnung, könne dem Anfechtungsgegner nicht ein Teil der Forderung entzogen werden, der ihm bei einer Veräußerung durch den Insolvenzverwalter erhalten bliebe. Ein den Wert der Vorbehaltsware übersteigender Wert der Forderung komme also dem Sicherungsnehmer zugute, soweit er den Wert der gesicherten Forderung nicht übersteige.205 In einem weiteren Urteil vom 6.4.2000206 hält der BGH aber offenbar eine Gläubigerbenachteiligung in Höhe des überschießenden Wertes für möglich. Dieser Streit erinnert an die Diskussion um die Anfechtbarkeit des Werthaltigmachens einer vorausabgetretenen Forderung, die im Rahmen der Forderungsabtretung dargestellt wird.207 Dementsprechend hat der BGH durch Urteil vom 17.3.2011208 entschieden, dass hinsichtlich der vom Vorbehaltskäufer aufgeschlagenen Marge kein Sicherheitentausch gegeben sei. Insoweit habe mit dem Eigentumsvorbehalt noch keine Sicherung vorgelegen; eine solche sei vielmehr erst mit dem Entstehen der abgetretenen Forderung begründet worden. b) Forderungsabtretung aa) Abtretung einer bestehenden Forderung Die Abtretung einer bestehenden Forderung ist mit dem Abschluss des Abtre- B 69 tungsvertrages vorgenommen. Dies gilt auch für den Fall, dass eine aufschiebend bedingte Forderung abgetreten wird. Dies folgt allerdings nach zutreffender Auffassung nicht aus § 140 Abs. 3 InsO, da dieser nur bedingte Rechtshandlungen betrifft. Bei der Abtretung einer bedingten Forderung erfolgt die Rechtshandlung selbst, nämlich die Abtretung, jedoch unbedingt. Nur wenn die Abtretung selbst bedingt ist, fällt diese unter § 140 Abs. 3 InsO.209 Wird die Abtretung ausnahmsweise erst mit der Anzeige an einen Drittschuldner wirksam (vgl. etwa § 46 Abs. 2 AO), ist die Abtretung erst mit dem Zugang der Anzeige vorgenommen.210 Erfolgt die Sicherungsabtretung einer bestehenden Forderung aufschiebend be-

202 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band V, § 62 V 3b), S. 379 f. 203 BGH v. 14.5.1975 – VIII ZR 254/73, BGHZ 64, 312 ff. 204 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 208. 205 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 208. 206 BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, MDR 2000, 907 = ZIP 2000, 932 (934). 207 Vgl. dazu Rz. B75 ff. 208 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 ff. Rz. 33; vgl. dazu ferner BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 26. 209 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 13. 210 FK-InsO/Dauernheim, § 140 Rz. 6. Schfer

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§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

dingt durch die Zahlungsunfähigkeit des Abtretungsempfängers, so ist die Abtretung erst mit dem Eintritt der Bedingung vollendet.211 bb) Vorausabtretung künftiger Forderungen B 70 Im Gesetz ist nur die Abtretung bestehender Forderungen geregelt (vgl. §§ 398 ff. BGB). Dennoch ist die Abtretbarkeit künftiger Forderungen in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt.212 Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass die Abtretung künftiger Forderungen bereits mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages vollendet ist. Der BGH geht zwar davon aus, dass „die Abtretung“ einer künftigen Forderung bereits alle Merkmale enthalte, aus denen der Übertragungstatbestand bestehe; die Entstehung der abgetretenen Forderung gehöre sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie gelegt sei.213 Zugleich betont er jedoch, dass der Rechtsübergang erst mit dem Entstehen der Forderung eintrete; entstehe die im Voraus abgetretene Forderung daher erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, könne der Gläubiger kein Forderungsrecht zu Lasten der Masse mehr erwerben.214 In anfechtungsrechtlicher Hinsicht enthält die Gesetzesbegründung zu § 140 InsO jedenfalls eine klare Aussage: Danach ist die Abtretung einer künftigen Forderung (anfechtungsrechtlich) erst mit der Entstehung der Forderung vorgenommen.215 B 71 Dementsprechend ist im Falle der Vorausabtretung einer künftigen Forderung nach der ständigen Rechtsprechung des BGH das Entstehen der Forderung für die Vollendung der Rechtshandlung – und damit für die Anfechtbarkeit – maßgebend.216 Die Verfügung ist zwar nach Ansicht des BGH bereits mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages beendet;217 der Rechtsübergang tritt aber erst mit dem Entstehen der Forderung ein. Nur wenn der Abtretungsempfänger schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, „bleibt“ die Vorausabtretung insolvenzfest.218 Dies ist gemäß § 140 Abs. 3 InsO etwa bei einer aufschiebend bedingten Forderungsabtretung der Fall, so dass es nicht zur Anfechtbarkeit 211 BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, NJW-RR 1998, 1057 (1061). 212 Vgl. BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, ZInsO 2009, 2336 ff. Rz. 11; Staudinger/Busche, Bearbeitung 2005, § 398 Rz. 63 sowie Erman/Westermann, 13. Aufl., § 398 Rz. 11, jeweils m.w.N. 213 Vgl. BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 (144) = MDR 1997, 557; v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 27 = MDR 2008, 411; v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZInsO 2009, 2336 ff. Rz. 7; kritisch dazu B. Schäfer, ZInsO 2007, 18 ff.; Eckardt, ZIP 1997, 957 ff.; Gerhardt in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 196 Rz. 9; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 7.38a; Jaeger/Windel, § 91 Rz. 63. 214 Vgl. BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 (365); v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513 (514). 215 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166. 216 BGH v. 30.6.1959 – IX ZR 11/59, BGHZ 30, 238 (240); v. 14.5.1975 – VIII ZR 254/73, BGHZ 64, 312 (313); v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, MDR 1996, 61 = ZIP 1995, 630 ff.; v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff.; v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. = MDR 2007, 112. 217 Vgl. BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 ff. = MDR 1997, 557. 218 BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 (365) = MDR 2007, 112.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 73 B

führt, wenn der Eintritt der Bedingung in den jeweiligen Anfechtungszeitraum fällt, der Abtretungsvertrag selbst jedoch außerhalb des Anfechtungszeitraums abgeschlossen wurde. Kann der Schuldner nach Sicherungsabtretung und Forderungspfändung nicht mehr über einen Lebensversicherungsvertrag verfügen, so hat der Pfändungsgläubiger nach der Rechtsprechung des BGH am aufschiebend bedingten Anspruch auf den Rückkaufswert eine gesicherte Rechtsposition erlangt.219 Es ist jedoch zu beachten, dass eine durch die Zahlungseinstellung des Schuldners als Sicherungsgeber aufschiebend bedingte Forderungsabtretung als inkongruente Deckung anfechtbar ist. Denn in diesem Fall soll die Sicherungsabtretung erst mit der Zahlungseinstellung des Schuldners vollendet sein.220 Eine Konsequenz aus der Rechtsprechung des BGH besteht darin, dass der In- B 72 solvenzverwalter den Abtretungsvertrag (genauer: die Wirkung des Abtretungsvertrages) nicht anfechten kann, wenn dieser in unkritischer Zeit abgeschlossen wurde. Aber der bloße Abschluss des Abtretungsvertrages hat nach der Rechtsprechung des BGH ohnehin noch keine anfechtungsrelevante Wirkung, jedenfalls nicht die, dass schon mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages die künftige Forderung aus dem Vermögen des Schuldners ausscheidet. Der Insolvenzverwalter kann nach Ansicht des BGH nur die weiteren Rechtshandlungen des Schuldners anfechten, mit denen dieser in den Anfechtungszeiträumen die in anfechtungsfreier Zeit im Voraus abgetretene Forderung werthaltig gemacht hat.221 Steht dem Anfechtungsgegner aufgrund eines in unkritischer Zeit abgeschlos- B 73 senen Abtretungsvertrages ein anfechtungsfest begründetes Absonderungsrecht an einer abgetretenen Forderung zu, das die objektive Gläubigerbenachteiligung ausschließt, muss der Insolvenzverwalter nach dem Leitsatz eines Urteils des BGH vom 11.6.2015222 eine nachträgliche Wertschöpfung, die erst zur Werthaltigkeit des Absonderungsrechts geführt hat, darlegen und beweisen. Die allein aufgrund von Zeitablauf und ohne erforderliche Aufwendungen der Masse eintretende Fälligkeit wertet die abgetretene Forderung nicht im Sinne einer nachträglichen Wertschöpfung auf Kosten der (zukünftigen) Insolvenzmasse auf.223 Eine Fälligkeitsvereinbarung für einen bestimmten Zeitraum stellt nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig eine Befristung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO dar.224 219 BGH v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638 ff. 220 BGH v. 18.2.1993 – IX ZR 129/92, MDR 1993, 437 = NJW 1993, 1640 f. mit kritischer Anmerkung von Paulus, EWiR 1993, 389 f. 221 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 35 ff. = MDR 2008, 411; v. 17.1.2008 – IX ZR 134/07, DZWIR 2008, 253; v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245, 254 f. = MDR 2001, 152; Gerhardt, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 169 (178 f.); Kirchhof, Festschrift für Uhlenbruck, S. 269 (277); Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 15 Rz. 5; Piekenbrock, WM 2007, 141 (150); Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 7. Aufl., Rz. 6103 f. 222 BGH v. 11.6.2015 – IX ZR 110/13, ZIP 2015, 1398 ff. 223 BGH v. 11.6.2015 – IX ZR 110/13, ZIP 2015, 1398 ff. Rz. 21; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl., Rz. 6.355. 224 BGH v. 11.6.2015 – IX ZR 110/13, ZIP 2015, 1398 ff. Rz. 21; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 53. Schfer

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B Rz. 74

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 74 Der seltsame Leitsatz des Urteils des BGH vom 11.6.2015 erweist letztlich die Unrichtigkeit seiner Auffassung. Wie kann dem Anfechtungsgegner bei der nach Ansicht des BGH im Insolvenzanfechtungsrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung bei einem erst (angeblich anfechtungsfest) begründeten Absonderungsrecht an einer abgetretenen Forderung eine die Gläubigerbenachteiligung ausschließende Rechtsposition zustehen, wenn dieses Absonderungsrecht in der anfechtungsfreien Zeit eine leere Hülse darstellte, weil sämtliche werthaltigmachenden Maßnahmen erst innerhalb des Anfechtungszeitraums vorgenommen wurden? cc) Werthaltigmachen vorausabgetretener Forderungen B 75 Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum225 kann das „Werthaltigmachen“ vorausabgetretener Forderungen in den kritischen Zeiträumen der Anfechtungstatbestände der Anfechtung unterliegen.226 Dabei soll die Anfechtung nicht etwa nur die in der Krise erbrachten Aufwendungen des Schuldners erfassen, sondern darüber hinaus die durch sie bewirkte Wertsteigerung der im Voraus abgetretenen Forderung.227 B 76 Die herrschende Auffassung zur Anfechtbarkeit des Werthaltigmachens vorausabgetretener Forderungen unterliegt Bedenken. Sie ist maßgeblich auf die Annahme zurückzuführen, dass das Verfügungsgeschäft bereits mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages vollendet sei und etwa durch spätere Verfügungsbeschränkungen bzw. den Eintritt der materiellen Insolvenz nicht mehr beeinträchtigt werde, obwohl der Gegenstand der Abtretung noch gar nicht existiert.228 In früheren Entscheidungen229 ist der BGH jedoch noch davon ausgegangen, dass die Verfügungsbefugnis noch beim Eintritt des letzten Tatbestandsmerkmals gegeben sein müsse, sofern das Verfügungsgeschäft außer der Willenserklärung noch weitere Wirksamkeitserfordernisse habe, die erst später einträten; bei der Abtretung künftig entstehender Forderungen müsse daher die Verfügungsbefugnis noch zur Zeit der Forderungsentstehung gegeben sein.230 Steht der Wegfall der Verfügungsmacht dem Forderungserwerb entgegen, so erübrigt sich die Anfechtung einer während des Eröffnungsverfahrens entstandenen Forderung. B 77 Diese Frage ist auch in anderem Sachzusammenhang von Bedeutung. Der BGH geht auch nach der Abkehr von der sog. „Erlöschenstheorie“231 weiterhin da225 Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 226 Vgl. dazu noch BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, ZIP 2011, 773 ff.; v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 (254 f.) = MDR 2001, 152; v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, BGHZ 147, 28 (35) = MDR 2001, 1076; v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, MDR 2002, 355 = ZIP 2001, 2055 ff. 227 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 37 = MDR 2008, 411. 228 Vgl. BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZInsO 2009, 2336 ff.; HK-InsO/ Kayser, § 91 Rz. 19. 229 Vgl. BGH v. 30.5.1958 – V ZR 295/56, BGHZ 27, 360 (366 f.); v. 5.1.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544. 230 Vgl. dazu ausführlich B. Schäfer, ZInsO 2007, 18 ff.; Schwerdtner, NJW 1974, 1785 (1788); HambKomm-InsO/Schröder, § 24 Rz. 8. 231 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, = MDR 2002, 1270 = ZInsO 2002, 577.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 78 B

von aus, dass mit der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters die Sicherungszession eines Anspruchs des Schuldners aus einem im Eröffnungszeitpunkt beiderseits noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag nach § 103 InsO ihre Wirkung verliere; die erst mit der Erfüllungswahl wieder durchsetzbar gewordenen Ansprüche würden nicht wirksam in die Sicherungszession einbezogen.232 Diese Auffassung wird im Schrifttum zu Recht kritisiert.233 Der BGH begründe nicht, warum die Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters dazu führen sollte, dass die Sicherungsabtretung an § 91 InsO scheitere. Im Ergebnis dürfte die Auffassung des BGH dennoch zutreffen. Denn der Durchsetzbarkeit der Ansprüche aus einem beiderseits noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag steht mit der Insolvenzeröffnung nicht nur die (schuldrechtliche) Einrede des nichterfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB, sondern der Verlust der Verfügungsmacht des Schuldners entgegen. § 80 Abs. 1 InsO erfasst nach seinem Sinn und Zweck jeden Rechtsvorgang, der im Ergebnis einer Verfügung über einen Massegegenstand gleichkommt, also auch die Annahme der Leistung des Vertragspartners des Schuldners durch Letzteren, die im Ergebnis den Untergang des Anspruchs des Schuldners zur Folge hätte. Über dessen Schicksal hat aber nach § 80 Abs. 1 InsO allein der Insolvenzverwalter zu entscheiden.234 Kann aber mangels fortbestehender Verfügungsmacht des Schuldners dessen Vertragspartner den Anspruch des Schuldners nicht mehr wirksam erfüllen, so kann andererseits auch der Schuldner nicht von seinem Vertragspartner die Erfüllung des gegenseitigen Vertrages verlangen. Die mangelnde Durchsetzbarkeit des Anspruchs aus einem gegenseitigen Vertrag in der Insolvenz beruht somit in erster Linie auf dem Übergang der Verfügungsmacht auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO.235 Vertritt man allerdings die Auffassung, dass die Verfügungsmacht des Schuldners zum Zeitpunkt der Entstehung der im Voraus abgetretenen Forderung nicht mehr gegeben sein müsse, so dürfte diese Begründung nicht mehr greifen. Der BGH führt dazu in seinem neueren Urteil vom 22.10.2009236 aus, er halte B 78 auch unter der Geltung der Insolvenzordnung an seiner Rechtsprechung fest, wonach die Verfügungsbefugnis beim Abschluss des Verfügungstatbestandes, nicht notwendig jedoch bis zum Eintritt des Verfügungserfolges vorliegen müsse. Es sei anerkannt, dass die Einigkeit über den Rechtsübergang nicht bis zum Entstehen der künftigen Forderung fortbestehen müsse.237 Entsprechendes habe für die Verfügungsmacht zu gelten.

232 BGH v. 9.3.2006 – IX ZR 55/04, MDR 2006, 1313 = ZInsO 2006, 429 und v. 5.7.2007 – IX ZR 160/06; v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = BRAK 2007, 230 = ZIP 2007, 1507. 233 Vgl. etwa Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, Rz. 4.37; Marotzke in HK-InsO, § 103 Rz. 17a; Henckel in Festschrift für Kirchhof, S. 191 (199 ff.); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 20.07. 234 Vgl. dazu RGZ 11, 136 (139). 235 Vgl. dazu B. Schäfer, ZInsO 2007, 18 (19). 236 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZInsO 2009, 2336 ff. 237 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZInsO 2009, 2336 ff. Rz. 11 mit Hinweis auf Palandt/Grüneberg, 67. Aufl., § 398 Rz. 11 und Staudinger/Busche, Bearb. 2005, § 398 Rz. 71. Schfer

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§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 79 Diese Argumentation des BGH ist indes weder dogmatisch noch wertungsmäßig abgesichert. Auch er geht jedenfalls davon aus, dass die künftige Forderung noch nicht mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden ist. Andernfalls könnte er nicht von der Anwendbarkeit des § 91 InsO ausgehen, wenn die Forderung nach der Insolvenzeröffnung entsteht, und im Rahmen des § 140 Abs. 1 InsO darauf abstellen, dass sich die anfechtungsrechtlich entscheidende Gläubigerbenachteiligung erst dann äußere, wenn die Forderung entstanden sei.238 Zumindest haftungsmäßig ist die Forderung demnach mit ihrer Entstehung mindestens für eine logische Sekunde dem Vermögen des Schuldners zuzuordnen.239 Was aber soll der Grund dafür sein? Dies ist letztlich nur damit zu begründen, dass man über einen Gegenstand erst wirksam verfügen kann, wenn er entstanden ist und nicht erst noch (mit Mitteln der künftigen Insolvenzmasse) geschaffen werden muss. Man muss daher zum Zeitpunkt seiner Entstehung auch noch verfügungsbefugt sein.240 Soweit das Gesetz auf den Zeitpunkt der Abtretung abstellt (vgl. z.B. § 404 BGB), kann es allein auf den Zeitpunkt der Abtretungswirkung ankommen.241 Auch Serick, auf den sich der BGH in BGHZ 135, 140 ff. allein bezieht, verbindet seine Ausführungen mit dem Hinweis, man müsse sich stets vor Augen halten, dass das Substrat der Verfügungsmacht, nämlich die Forderung, noch gänzlich fehle.242 B 80 Für die Auffassung des BGH wird der Regelungsinhalt der §§ 24, 81 InsO angeführt. Dieser spreche dafür, im Falleiner Vorausabtretung auf den Zeitpunkt der Abtretung und nicht auf den der Forderungsentstehung abzustellen. Es hätte nach dieser Ansicht näher gelegen, in § 24 InsO auch auf § 91 InsO zu verweisen, wenn das Entstehen der Forderung und damit der Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs hätte maßgebend sein sollen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Der Gesetzgeber habe vielmehr ausdrücklich als Beispiel für einen Rechtserwerb im Sinne des § 91 InsO den Fall einer Vorausverfügung erwähnt.243 Die Auffassung des BGH, wonach auch der Entstehungsgeschichte der Insolvenzordnung kein anderes als das von ihm vertretene Verständnis zu entnehmen sei, trifft – anhand der Gesetzesbegründung nachweisbar – nicht zu. Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 InsO gilt § 81 Abs. 1 InsO für eine Verfügung über künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners auch insoweit, als die Bezüge für die Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betroffen sind. Diese Bestimmung gilt ohne Zweifel nicht nur für Abtretungsverträge, die der Schuldner erst nach der Insolvenzeröffnung abgeschlossen hat. Zu ihnen kann es im Grundsatz gar nicht kommen, weil der Schuldner mit der Insolvenzeröffnung die Verfügungsbefugnis auch hinsichtlich des Neuerwerbs (vgl. § 35 Abs. 1 InsO) verloren hat. Erfasst sind vielmehr auch Abtretungsverträge des Schuldners 238 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f. Rz. 14. 239 Vgl. MK-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl., § 81 Rz. 8. 240 Vgl. dazu Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rz. 7 38a; Eckardt, ZIP 1997, 957 (963); Schwerdtner, NJW 1974, 1785 (1788). 241 Vgl. Schwerdtner, NJW 1974, 1785 (1788). 242 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band IV, § 49 I 2b). 243 Vgl. HambKomm-InsO/Kuleisa, § 81 Rz. 10 mit Hinweis auf Begründung zum Reg.Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 138.

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über künftige Ansprüche auf Dienstbezüge, die er schon vor der Insolvenzeröffnung abgeschlossen hat, soweit die Ansprüche erst nach der Insolvenzeröffnung entstanden sind. In der Gesetzesbegründung zu § 81 InsO ist dazu wörtlich festgehalten: „Eine Verfügung über die Bezüge, die während des Insolvenzverfahrens anfallen, ist schon nach Absatz 1 Satz 1 unwirksam; denn diese Bezüge gehören, soweit sie pfändbar sind, nach § 42 des Entwurfs zur Insolvenzmasse.“244 Der Gesetzgeber hat somit für einen Spezialfall der Verfügung über künftige Ansprüche (Ansprüche auf künftige Dienstbezüge) in der Gesetzesbegründung klargestellt, dass eine solche Verfügung schon nach § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO als unwirksam anzusehen ist, soweit die Bezüge während des Insolvenzverfahrens „anfallen.“ Der BGH hätte sich daher mit der Frage befassen müssen, weshalb diese in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommene Vorstellung des Gesetzgebers nur für künftige Ansprüche auf Dienstbezüge und nicht auch für sonstige künftige Ansprüche gelten sollte. Für eine solche Unterscheidung ist weder ein entsprechender Wille des Gesetzgebers noch ein sachlich rechtfertigender Grund ersichtlich. Nach dem ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht sollten die Sicherungsmaßnahmen des Eröffnungsverfahrens so gestaltet werden, dass „bei einer Verbindung sämtlicher Maßnahmen sich die vorläufige Insolvenzverwaltung den Wirkungen der Verfahrenseröffnung annähert.“245 In der Gesetzesbegründung zu § 91 InsO ist ebenfalls davon die Rede, dass die Vorschrift § 15 InsO entspreche und dass sie die Regelung über die Unwirksamkeit von Verfügungen des Schuldners in § 81 InsO sowie das Verbot von Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger (vgl. § 89 InsO) ergänze. Der Gesetzgeber wollte somit offensichtlich keine Schutzlücke nach der Anordnung einer insolvenzrechtlichen Verfügungsbeschränkung entstehen lassen.246 Vor der Insolvenzeröffnung abgeschlossene Abtretungsverträge über künftige Forderungen des Schuldners, die erst nach der Insolvenzeröffnung entstehen, sind somit nach dem erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers als Verfügungen im Sinne des § 81 InsO anzusehen.247 Wenn daher § 24 Abs. 1 InsO anordnet, dass bei einem Verstoß gegen eine der in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO vorgesehenen Verfügungsbeschränkungen die §§ 81, 82 InsO entsprechend gelten, so gilt dies nach der oben wiedergegebenen, in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen Vorstellung des Gesetzgebers auch für Abtretungsver244 Begründung zum Reg.- Entwurf, BT-Drucks. 12/2443, S. 136. 245 Vgl. Kommissionsbericht S. 104; MK-InsO/Haarmeyer, § 24 Rz. 6. 246 Vgl. dazu BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 136/11, ZIP 2012, 1256 ff. Rn. 13: „Sinn und Zweck der Vorschriften der §§ 21 ff., 24 InsO, nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern, könnten allerdings eine erweiternde Auslegung im Sinne einer Einbeziehung des Verfügungserfolges verlangen“; kritisch dazu Kesseler, ZfIR 2012, 549 ff. und Mitlehner, EWiR 2012, 629 f. 247 Ebenso im Ergebnis OLG Dresden v. 26.1.2006 – 13 U 1924/05, ZInsO 2006, 1057, 1058; OLG Naumburg v. 23.4.2008 – 5 U 19/08, ZInsO 2008, 1022 f. Rz. 27; MK-InsO/ Ott/Vuia, § 80 Rn. 8 ff.; MK-InsO/Haarmeyer, § 24 Rz. 12; Pape in Kübler/Prütting/ Bork, § 25 Rn. 5; Uhlenbruck, § 24 Rz. 4; HambKomm-InsO/Schröder, § 24 Rz. 8; W. Gerhardt, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 193, 196 Rz. 9; Mitlehner, Mobiliarsicherheiten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl., Rz. 400; Eckardt, ZIP 1997, 957 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rz. 7.38a – a.A. OLG Köln v. 30.4.2008 – 2 U 19/07, ZInsO 2008, 622 ff.; HK-InsO/Kayser, § 81 Rz. 18; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, § 81 Rn. 14; Gehrlein, ZIP 2011, 5/6. Schfer

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träge über künftige Forderungen, die vor der Anordnung der Verfügungsbeschränkung abgeschlossen wurden, wenn die Forderung erst danach entstanden ist. Daraus, dass in § 24 Abs. 1 InsO nur § 81 InsO und nicht auch § 91 InsO für entsprechend anwendbar erklärt wird, kann nicht gefolgert werden, dass sich solche Verfügungen trotz der Anordnung einer Verfügungsbeschränkung noch zu Lasten der künftigen Insolvenzmasse vollenden können. § 91 InsO ist vom Gesetzgeber vielmehr erkennbar als ergänzender Auffangtatbestand zu § 81 InsO gewollt. B 81 An den Gleichlauf mit dem Recht der beweglichen Sachen ist nochmals zu erinnern.248 Einigt sich ein Erwerber mit einem Veräußerer über die Übereignung einer erst noch herzustellenden Sache und vereinbart er mit diesem zugleich ein Besitzmittlungsverhältnis hinsichtlich der künftigen Sache, so ist ebenfalls rechtsgeschäftlich alles getan, was zur Herbeiführung des Eigentumsübergangs erforderlich ist. Dennoch erwirbt der Erwerber das Eigentum an der künftigen Sache erst mit deren Entstehung;249 verliert er zwischenzeitlich die Verfügungsmacht, so kann sich der Erwerb nicht mehr vollenden. Nichts anderes kann für den Erwerb einer künftigen Forderung gelten.250 Man kann zwar ohne Zweifel einen Abtretungsvertrag hinsichtlich einer künftigen Forderung (rechtsgeschäftlich bindend) abschließen. Die Verfügungsmacht und die Wirkung des Verfügungsgeschäfts fehlen aber so lange, bis der Gegenstand entsteht, über den verfügt werden soll.251 Die Frage des Einigseins zum Zeitpunkt des Rechtsübergangs kann insoweit nicht entscheidend sein, zumal sie bei der Übereignung beweglicher Sachen ohnehin vielfach auf eine Fiktion hinausläuft. Es fragt sich vielmehr, warum die Abtretung einer noch nicht existenten Forderung unter leichteren Voraussetzungen möglich sein soll als die Übertragung einer noch nicht vorhandenen Sache.252 B 82 Henckel253 hat noch unter der Geltung der Konkursordnung zutreffend darauf hingewiesen, dass aus der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der Vorauszession noch nicht folge, diese könne schon eine haftungsrechtliche Zuordnung bewirken. Die Vorauszession bewirke nicht, dass die abgetretene Forderung vor ihrer Entstehung haftungsrechtlich dem Zessionar zugeordnet und dem Zugriff der Gläubiger des Zedenten entzogen wäre. Dass ein Gläubiger des Zedenten die Forderung nicht pfänden könne, beruhe nicht darauf, dass sie dem Zessionar gehöre, sondern erkläre sich allein daraus, dass ein zugriffsreifes Haftungsobjekt beim Zedenten noch nicht vorhanden sei, solange die Forderung nicht bestehe. Dass die Forderung vor ihrer Entstehung haftungsrechtlich nicht greifbar sei, folge letztlich daraus, dass das Vermögen des Zedenten nicht haftungsrechtlich verdoppelt werden könne. Zu diesem Vermögen gehöre nämlich der Gegenstand, den der Zedent für die Forderung hergeben werde. Es könne aber nicht gleichzeitig dieser Gegenstand haften und auch die Forderung, die mit diesem Gegenstand erworben werden solle. Man wird durch diese zutref248 249 250 251 252 253

Vgl. B. Schäfer, ZInsO 2007, 18 (20). Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 5. Vgl. dazu Schwerdtner, NJW 1974, 1785 (1788). Vgl. dazu noch MK-InsO/Ott/Vuia, § 81 Rz. 8 und Wallner, ZInsO 2008, 1024 f. Vgl. dazu Schwerdtner, NJW 1974, 1785 (1788). Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 15 Rz. 46.

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fenden Ausführungen unwillkürlich an bestimmte Auswüchse im Zusammenhang mit der „Finanzkrise“ erinnert. Es erscheint im Übrigen als problematisch, das Verfügungsgeschäft bereits vor B 83 dem Entstehen der Forderung als insolvenzfest anzusehen, es aber dennoch dadurch in Frage zu stellen, dass nicht nur der Wert der vom Schuldner in der Krise (zu Lasten der späteren Insolvenzmasse) erbrachten Aufwendungen zur Werthaltigmachung der Forderung, sondern darüber hinaus auch der in der Krise geschaffene Mehrwert der Forderung der Anfechtung unterliegen soll. Der durch die Leistungen des Schuldners in der Krise geschaffene Mehrwert dürfte vielmehr – sofern die Abtretung selbst als anfechtungsfest anzusehen ist – dem Zessionar zugewiesen sein. In dem vom Schuldner geschaffenen Mehrwert sind wirtschaftlich gesehen auch die von ihm zu bestreitenden Finanzierungskosten enthalten, zu deren Sicherung sich der Zessionar die Vorausabtretung in unkritischer Zeit ausbedungen hat. Es unterliegt daher Bedenken, dass anfechtungsrechtlich nicht nur der Aufwand des Schuldners, sondern die weitergehende Wertsteigerung der Forderung von der Anfechtung erfasst werden soll, wenn in der Krise mit geringem Aufwand aus künftigen Massemitteln (etwa bei Mängelbeseitigung) eine hohe Restforderung durchsetzbar gemacht wird.254 Vorzugswürdig erscheint daher – sofern man nicht den Fortbestand der Ver- B 84 fügungsmacht zum Zeitpunkt der Forderungsentstehung verlangt – der möglicherweise auch vom BGH vertretene Ansatz,255 die Beseitigung der Einrede des § 320 BGB gemäß § 140 Abs. 1 InsO anfechtungsrechtlich zur Vollendung des Rechtserwerbs an der im Voraus abgetretenen Forderung zu rechnen und die Abtretung anfechtungsrechtlich im Grundsatz (vorbehaltlich Teilbarkeit) erst dann als im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO vorgenommen anzusehen, wenn die Einrede nach § 320 BGB insgesamt ausgeräumt ist.256 Andernfalls müsste etwa im Rahmen des § 130 InsO für jede werthaltigmachende Einzelhandlung des Schuldners (bspw. Einmauern von Backsteinen) geprüft werden, ob dem Anfechtungsgegner zum jeweiligen Vornahmezeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt war. Eine solche „Atomisierung“ der rechtlichen Beurteilung ist unpraktikabel und dem geltenden Recht fremd.257 Ein weiteres Problem der Anfechtung des „Werthaltigmachens“ abgetretener B 85 Forderungen besteht darin, dass sich die Anfechtung auch gegen den Zessionar richten soll, obwohl etwa durch die in der Krise erbrachten Bauleistungen der Besteller begünstigt wird, mit dem der Werkunternehmer durch eine schuldrechtliche Leistungsbeziehung verbunden ist. Diese Leistungsbeziehung dürfte gegenüber jener zwischen dem Werkunternehmer und dessen Sicherungsnehmer 254 Vgl. Eckardt, EWiR 2008, 690. 255 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 37 = MDR 2008, 411 und insbesondere BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435 ff. Rz. 24: „Maßgeblicher Zeitpunkt ist gemäß § 140 Abs. 1 InsO derjenige, in dem die Forderungen werthaltig gemacht, also die erforderlichen Bauleistungen abgeschlossen wurden“. 256 Vgl. dazu Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 5, 17; Eckardt, EWiR 2008, 689 f.; Wagner, WuB VI A. § 134 InsO 3.08. 257 Zu Recht auf die vollständige Leistungserbringung abstellend BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588 ff. Rz. 12 ff. Schfer

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B Rz. 85

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(Kreditgeber) vorrangig sein. Die Anfechtung gegenüber dem Zessionar steht daher im Widerspruch zu dem in ständiger Rechtsprechung des BGH vertretenen Rechtsgrundsatz, dass sich die Ermittlung des „richtigen“ Anfechtungsgegners bei mittelbaren Zuwendungen im Grundsatz nach den Zuordnungskriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs richtet.258 Obwohl danach eine Mehrfachkondiktion grundsätzlich ausgeschlossen ist, geht der BGH davon aus, dass die Anfechtung sowohl gegenüber dem unmittelbaren Leistungsempfänger als auch gegenüber dem Zessionar begründet sein könne.259 c) Rechts- bzw. Forderungsentstehung im Einzelfall aa) Forderungen aus Dienstverträgen B 86 Nach der Rechtsprechung des BGH und des Bundesarbeitsgerichts entsteht der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste erst mit der Erbringung der Dienstleistung.260 Dies gilt auch für den Vergütungsanspruch des Kassenarztes gegen die kassenärztliche Vereinigung.261 Wichtig für die Frage des Verhältnisses des (inzwischen aufgehobenen) § 114 InsO zum Insolvenzanfechtungsrecht ist der Hinweis des BGH, dass § 114 Abs. 1 InsO zwar im Rahmen seines Anwendungsbereichs die Bestimmung des § 91 InsO verdränge, wonach Rechte an den Gegenstände der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht (mehr) wirksam erworben werden könnten. Der Gesetzgeber des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes262 habe jedoch klargestellt, dass nach seiner Auffassung Vorausabtretungen der Bezüge aus einem Dienstverhältnis für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 91 Abs. 1 InsO generell unwirksam wären, wenn es die Bestimmung des § 114 Abs. 1 InsO (inzwischen aufgehoben) nicht gäbe. § 114 InsO verdränge daher in seinem Anwendungsbereich nicht die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung. B 87 Dementsprechend hat der BGH durch Urteil vom 26.6.2008263 entschieden, dass (der inzwischen aufgehobene) § 114 Abs. 3 InsO nicht die Anwendbarkeit der Anfechtungsvorschriften auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der Bezüge eines Arbeitnehmers ausschließt. Der Umstand, dass § 114 Abs. 3 Satz 3 InsO die Regelung über die Rückschlagsperre (§ 88 InsO) unberührt lasse, erlaube nicht den Gegenschluss, andere Regelungen, welche die Zeit vor der Insolvenzeröffnung beträfen, seien nicht anwendbar.

258 Vgl. BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98 – „Computeranlage“, BGHZ 142, 284 ff. = MDR 1999, 1463; v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZInsO 2004, 499 ff. 259 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, MDR 2008, 531 = ZInsO 2008, 209 ff. 260 BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. = MDR 2007, 112; v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, MDR 2008, 1239 = ZInsO 2008, 806 ff. Rz. 13; BAG v. 17.2.1993 – 4 AZR 161/92, BAGE 72, 238 ff. 261 BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. = MDR 2007, 112. 262 Vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 17. 263 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, MDR 2008, 1239 = ZInsO 2008, 806 ff.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 90 B

bb) Miet- und Leasingforderungen Bei Mietforderungen – und darüber hinaus allgemein bei Dauerschuldverhält- B 88 nissen – ist nach der Rechtsprechung des BGH entscheidend, ob das Recht auf die Leistung bereits mit dem Abschluss des Vertrages „betagt“ oder gemäß §§ 163, 158 Abs. 1 BGB erst mit der Inanspruchnahme der jeweiligen Gegenleistung entsteht, bei Mietverträgen also nicht vor dem Anfangstermin des jeweiligen Zeitraums der Gebrauchsüberlassung.264 Jedenfalls bei einem normalen Mietvertrag über Grundstücke hat derjenige, der sich Mietforderungen im Voraus abtreten lässt, keine gesicherte Rechtsposition, bis der Zeitraum, für den die geschuldete Rate geschuldet wird, wenigstens nahe bevorsteht. Dies rechtfertigt es nach Ansicht des BGH, die abgetretenen Ansprüche nicht als betagt, sondern als befristet im Sinne des § 163 BGB anzusehen. Sie entstehen daher nicht vor dem Anfangstermin des jeweiligen Zeitraums der Nutzungsüberlassung.265 Bis zum Erreichen des jeweiligen Nutzungsintervalls erlangt der Vermieter ebenso wie ein Zessionar oder Pfandgläubiger angesichts der Kündigungsbefugnis des Mieters und der beschränkten Bindung von Vorausverfügungen über die Miete (§ 566b BGB) noch keinen gesicherten Anspruch auf die entsprechende „Rate“.266 Leasingforderungen der Grundmietzeit sind nach Ansicht des BGH „in jeder B 89 Weise durch den Leasingvertrag rechtlich festgelegt“; sie sollen daher „regelmäßig“ betagte Forderungen darstellen, die nur noch nicht fällig sind.267 Für die Anfechtbarkeit der Abtretung von Leasingforderungen ist demnach der Abschluss des Leasingvertrages maßgebend. Zu einem atypischen Mietvertrag, bei dem der Vermieter die wesentlichen Ge- B 90 genleistungspflichten für die monatlich fällig werdenden Mietzinsen bereits zu Beginn des Mietvertrages erbracht hatte, hat der XII. Zivilsenat des BGH durch Urteil vom 4.11.2009268 entschieden, dass die Mietforderungen als betagte Forderungen anzusehen seien. In dem entschiedenen Fall waren der Mietvertrag für 60 Monate fest abgeschlossen, die Miete abschließend festgelegt, die Sachund Gegenleistungsgefahr abgewälzt und ein Gewährleistungsausschluss unter Abtretung der Gewährleistungsansprüche des Vermieters vereinbart worden. Es ging in dem entschiedenen Fall allerdings darum, ob der Zessionar der Mietforderungen die zwischen Zedent und Mieter vereinbarte vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages gegen sich gelten lassen muss, wenn der Mieter beim Abschluss der Aufhebungsvereinbarung die Abtretung kannte.

264 BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff.; v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = ZIP 2007, 1507 (1509) Rz. 17; v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, Rz. 10, NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 265 BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff. Rz. 14. 266 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 21. 267 BGH v. 14.12.1989 – IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368 ff. = MDR 1990, 432 = CR 1990, 274; v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 21; kritisch dazu B. Schäfer, BB 1989, 82 ff.; Tintelnot, JZ 1990, 872 ff.; Eckert, ZIP 1990, 185 ff. 268 BGH v. 4.11.2009 – XII ZR 170/07, MDR 2010, 195 = ZIP 2010, 332 ff.; kritisch dazu Christiansen, ZInsO 2010, 653 ff. Schfer

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B Rz. 91

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

cc) Herausgabeanspruch nach § 667 BGB B 91 Die Unsicherheit der Rechtsprechung des BGH hinsichtlich der Forderungsentstehung wird besonders am Herausgabeanspruch nach § 667 BGB deutlich. In BGHZ 71, 380 ff.269 ist er noch davon ausgegangen, dass der Anspruch gemäß § 667 BGB „im Kern“ und damit der Sache nach „gesetzlich bedingt“ im Sinne des § 54 KO schon vor der Konkurseröffnung entstanden sei. In einem neueren Urteil vom 14.6.2007270 weist er hingegen unter Aufgabe von BGHZ 71, 380 ff. zu Recht darauf hin, dass der Herausgabeanspruch nicht schon mit der Begründung des Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses, sondern erst mit dem Eingang des Erlangten beim Auftragnehmer entstehe. Die Vertragspflicht aus § 667 BGB treffe den Beauftragten bis zur Einziehung nicht bedingt oder betagt, da die Einziehung weder als Bedingung noch als Zeitbestimmung im Sinne der §§ 158 ff. BGB anzusehen, sondern Inhalt des Rechtsgeschäfts selbst sei. dd) Provisionsanspruch des Handelsvertreters gemäß § 87 HGB B 92 Obwohl der BGH u.a. im Urteil vom 20.3.2003271 davon ausgegangen ist, dass § 140 Abs. 3 InsO nur Fälle rechtsgeschäftlicher Bedingungen betreffe, sieht er den Provisionsanspruch des Handelsvertreters nach § 87 HGB als aufschiebend bedingt an. Bedingung sei die Ausführung des vom Handelsvertreter abgeschlossenen Geschäfts durch den Unternehmer.272 Diese ist jedoch nicht rechtsgeschäftliche Bedingung, sondern gemäß § 87a HGB tatbestandliche Voraussetzung für die Fälligkeit des Provisionsanspruchs.273 d) Verpfändung und Pfändung von Forderungen aa) Pfandrecht an bestehenden und künftigen Forderungen B 93 Die Verpfändung einer bestehenden Forderung setzt gemäß § 1280 BGB eine Anzeige an den Drittschuldner voraus und ist daher erst mit deren Vornahme vollendet.274 Die Pfändung bestehender Forderungen wird nach § 829 Abs. 3 ZPO mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner wirksam. B 94 Die Frage, wann bei sogenannten „gestreckten“ Verpfändungen bzw. Pfändungen, welche künftige Forderungen betreffen, die Rechtshandlung vorgenommen ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Es ist zunächst gedanklich zu unterscheiden zwischen der Pfändung bzw. Verpfändung einer künftigen Sache oder eines künftigen Rechts („Pfandrecht an künftiger Forderung“) und der Pfändung bzw. Verpfändung einer bestehenden Sache oder eines bestehenden Rechts zur

269 270 271 272 273

BGH v. 1.6.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 380 ff. BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = DZWIR 2007, 473 ff. Vgl. BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 ff. = MDR 2005, 51. Kritisch daher zu Recht von Olshausen, KTS 2009, 481 (495 f.); vgl. dazu näher unten Rz. M45. 274 Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 17.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 96 B

Sicherung einer künftigen Forderung („Pfandrecht für künftige Forderung“).275 Zur anfechtungsrechtlichen Beurteilung der ersten Fallgruppe lässt sich der Gesetzesbegründung zu § 140 Abs. 1 InsO eine Aussage entnehmen. Danach ist die Abtretung einer künftigen Forderung erst mit der Entstehung der Forderung vorgenommen. Konsequenterweise gilt dies auch für die Verpfändung bzw. Pfändung künftiger Forderungen. Davon geht auch der BGH inzwischen zu Recht in ständiger Rechtsprechung aus.276 Soweit sich die Pfändung auf eine künftige Forderung bezieht, wird danach ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung „begründet“, so dass auch anfechtungsrechtlich auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist.277 So entsteht insbesondere das Pfandrecht nach den AGB-Banken erst mit dem (künftigen) Anspruch des Kunden auf Gutschrift.278 Nach dem neueren Urteil des BGH vom 14.1.2010279 kann ein Pfandrecht unter B 95 Beachtung aller rechtlichen Voraussetzungen einer Pfandrechtsbestellung einschließlich der Anzeige nach § 1280 BGB in der Weise an einer künftigen Forderung bestellt werden, dass das Pfandrecht zeitgleich mit der Forderung entsteht. Zwar gehöre die Entstehung des Rechts nicht zum Verfügungstatbestand, doch könne die Verpfändung einer künftigen Forderung erst dann Rechtswirkung entfalten, wenn diese selbst entstehe. Von einer gesicherten Rechtsstellung könne nur dann ausgegangen werden, wenn sie dem Erwerber nicht mehr entzogen werden könne und ihr Eintritt nicht von freien Entscheidungen des Schuldners oder eines Dritten abhänge.280 Zur Vorausverpfändung kontokorrentgebundener Forderungen ist ein Beschluss B 96 des BGH vom 18.3.2010281 zu beachten. Danach kommt für den Erwerb eines Pfandrechts von vornherein nur der Schlusssaldo in Betracht, da an den in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen kein Pfandrecht erworben werden kann.282 Im Schrifttum283 wurde darauf hingewiesen, dass diese Rechtsprechung weitere Fragen aufwerfe. Da an den kontokorrentgebundenen Einzelforderungen kein Pfandrecht entstehen könne, könne sich auch kein Sicherungsrecht der Bank am Zahlungseingang bzw. am Anspruch des Kunden auf Gutschrift fortsetzen. Auch die Verrechnung der Bank könne nicht als Sicherheitentausch angesehen werden, welcher die Gläubiger nicht benachteilige. Nur dann, wenn ein Guthabensaldo als Anspruch auf Auszahlung des Tagessaldos im Rahmen 275 Vgl. dazu BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08 – „Doppelsicherung“, BGHZ 182, 264 ff. = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 276 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 ff. = MDR 2004, 775; v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290 Rz. 9. 277 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 9 = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 278 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZIP 2005, 1651 ff. Rz. 12; v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, NJW 2003, 2171 f. 279 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 18. 280 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 20; v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, MDR 2009, 412 = ZIP 2009, 228 ff. Rz. 12. 281 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 111/08, ZIP 2010, 1137. 282 Vgl. dazu Obermüller, ZInsO 2011, 697 (704 f.). 283 Vgl. Kirstein in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Teil V Rz. 26 ff. Schfer

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des Sicherheitentauschs Berücksichtigung finden könne, könne ein an diesem begründetes Pfandrecht nach den AGB-Banken als notwendige Brücke zur anfechtungsfesten Verrechnung dienen. Klarheit hat insoweit ein Urteil des BGH vom 2.2.2017284 gebracht. Danach steht die mit der Einzahlung auf ein bei der Bank geführtes Kontokorrentkonto des Schuldners verbundene Kontokorrentbindung einem AGB-Pfandrecht der Bank am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift nicht entgegen.285 Die Verechnung wechselseitiger Forderungen im Kontokorrentverhältnis benachteiligt die Gläubiger danach nicht, soweit die eingegangenen Gutschriften auf der Begleichung solcher Forderungen beruhen, welche der Bank anfechtungsfest zur Sicherheit abgetreten worden waren, und der Bank eine anfechtungsfeste Sicherheit am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift zusteht. Nach einem Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.11.2015286 trifft es zwar zu, dass der jeweilige Tagessaldo beim Girovertrag nicht kontokorrentgebunden und damit (ver-)pfändbar sei; dabei werde jedoch wie bei einer revolvierenden Sicherheit das Pfandrecht täglich neu begründet. Als Sicherheit könne dabei lediglich der jeweilige Tagessldo dienen, der vor der Verrechnung zuletzt bestanden habe. Verfüge der Kunde nicht über den Tagessaldo, werde dieser wiederum im Kontokorrent verrechnet. bb) Pfandrecht an bestehenden Sachen oder Rechten zur Sicherung künftiger Forderungen B 97 Der BGH betont in seinem Urteil vom 17.9.2009287 zur Doppelsicherung durch Grundschuld und Pfändung künftiger Mietforderungen, dass nicht die Fallgestaltung gegeben sei, in der ein (unbedingtes) Sicherungsrecht an einem schon bestehenden Recht eine künftige Forderung besichere, wobei die gesicherte Forderung unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung stehe. Dies trifft zu, da es in dem von ihm entschiedenen Fall um ein Pfandrecht an künftigen Mietforderungen ging. Über die davon zu unterscheidende Fallgruppe des Pfandrechts an einer bestehenden Sache bzw. einem bestehenden Recht zur Sicherung einer künftigen Forderung hat der BGH in einem früheren Urteil vom 14.12.2006288 entschieden. Danach kommt es für die Anfechtbarkeit einer mehraktigen Rechtshandlung auf deren Vollendung, also auf den letzten zur Erfüllung des Tatbestandes erforderlichen Teilakt, an. Im Fall der Vorausabtretung einer künftigen Forderung ist daher auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Forderung entsteht. Der BGH weist in diesem Urteil vom 14.12.2006 auf seine bisherige Rechtsprechung hin, wonach bei rechtsgeschäftlichen Pfandrechten an beweglichen Sachen und an bereits bestehenden Rechten anfechtungsrechtlich der Zeitpunkt

284 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 ff. 285 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14 Rz. 12 ff. in Bestätigung v. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. 286 OLG Düsseldorf v. 12.11.2015 – 12 U 58/14, ZInsO 2016, 1308 ff. Rz. 14. 287 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 15 = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 288 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03 – „Vermieterpfandrecht“, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610.

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ihrer Bestellung maßgebend ist, auch soweit sie der Sicherung künftiger Forderungen dienen.289 Ob an dieser Rechtsprechung noch festzuhalten sei, könne offenbleiben. Für das Vermieterpfandrecht ergebe sich aus dem Rechtsgedanken des § 140 Abs. 3 InsO, dass anfechtungsrechtlich auf den Zeitpunkt der Pfandrechtsentstehung abzustellen sei. Danach bleibe bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung der Eintritt der Bedingung oder Befristung außer Betracht. Maßgebend sei dann der Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände. Bei Mietzinsforderungen, die als aufschiebend befristete Ansprüche unter diese Bestimmung fielen, sei dies der Abschluss des Mietvertrages. Die Auffassung, dass das Pfandrecht schon vor der Entstehung der zu sichern- B 98 den Forderung entstehe und vor allem auch schon Wirkung entfalte, überzeugt nicht.290 Auch hier muss man zum besseren Verständnis der komplizierten Rechts- und damit zusammenhängenden Wertungsfragen zwischen der Begründung und der Entstehung eines Pfandrechts unterscheiden. Selbst wenn anzunehmen wäre, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit der Entstehung (nicht: Begründung) eines forderungslosen Pfandrechts ausging – was keineswegs zwingend erscheint –, so hat doch der spätere Insolvenzschuldner eine Einrede gegen das Pfandrecht, dem noch keine gesicherte Forderung zugrunde liegt. Diese Einrede steht mit der Insolvenzeröffnung der Masse zu. Deshalb kann nach der Insolvenzeröffnung kein Absonderungsrecht mehr zum Nachteil der Masse entstehen, wenn die zu sichernde Forderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters entsteht (§ 91 InsO). Dementsprechend ist auch für die Anfechtung ausschlaggebend, dass dem Insolvenzschuldner zum Nachteil seiner Gläubiger die Einrede der Nichtvalutierung gegen das Pfandrecht entzogen wird, wenn die gesicherte Forderung erst in der kritischen Zeit entsteht.291 Da nach Nr. 21 Abs. 3 Satz 3 AGB-Sparkassen Ansprüche gegen den Kunden B 99 erst ab ihrer Fälligkeit besichert werden, entsteht auch ein Pfandrecht erst mit der Fälligkeit des gesicherten Anspruchs.292 cc) Nachträgliche „Unterlegung“ eines Pfandrechts durch gesicherte Forderung Im Urteil des BGH vom 19.3.1998293 ging es um ein Pfandrecht der Bank nach B 100 Nr. 14 AGB-Banken an der gegen sie selbst gerichteten Forderung auf Auszahlung des Guthabens der Schuldnerin. Das unanfechtbar begründete Pfandrecht war zunächst noch nicht durch eine gesicherte Forderung „unterlegt“ und somit jedenfalls noch nicht verwertbar. Die gesicherte Forderung wurde erst später begründet. Der BGH weist darauf hin, dass die Verfügung im Falle der Vo289 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 (346 ff.); v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71 (76). 290 Vgl. dazu Berger, NZI 2007, 566 ff. und Mitlehner, ZIP 2007, 804 ff. 291 Vgl. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 17, 18; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 12, 15; kritisch gegenüber der Rechtsprechung des BGH auch HK-InsO/Kreft, § 140 Rz. 4 m. Fn. 29. 292 BGH v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, ZIP 1999, 79 f. 293 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 ff. = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342; vgl. dazu noch BGH v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, MDR 2007, 896 = ZIP 2007, 905 ff. Schfer

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rausverpfändung einer künftigen Forderung zwar schon mit dem Abschluss des Verpfändungsvertrages beendet sei. Das Pfandrecht werde aber erst „begründet“, wenn die verpfändete Forderung entstehe.294 Die verklagte Bank habe an der gegen sie selbst gerichteten Forderung auf Auszahlung des Guthabens der Schuldnerin ein Pfandrecht begründen können. Unerheblich sei hingegen der Zeitpunkt, in dem die zu sichernden Forderungen entstünden, sofern es nur überhaupt dazu komme.295 Mit dem Hinweis, dass es für die Begründung des Pfandrechts unerheblich sei, wann die zu sichernden Forderungen entstünden, verweist der BGH auf die Unterscheidung zwischen dem Pfandrecht (an einer bestehenden Forderung) für eine künftige Forderung und dem Pfandrecht an einer künftigen Forderung. Das Pfandrecht an einer künftigen Forderung wird erst mit der Entstehung der verpfändeten Forderung begründet. Das Pfandrecht für eine künftige (zu sichernde) Forderung soll hingegen schon mit dessen Bestellung wirksam sein. Zu beachten ist allerdings, dass der BGH im Urteil vom 14.12.2006296 offengelassen hat, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist. Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass anfechtungsrechtlich zwischen der Pfändung bzw. Verpfändung eines künftigen Rechts und der Pfändung bzw. Verpfändung einer bestehenden Sache bzw. eines bestehenden Rechts zur Sicherung einer künftigen Forderung kein wesentlicher Unterschied bestehe.297 dd) Doppelsicherung durch Grundpfandrecht und Pfändung B 101 Bis in die jüngste Zeit war allerdings streitig, ob in den kritischen Anfechtungszeiträumen erbrachte Zahlungen an einen Gläubiger, zu dessen Gunsten in unkritischer Zeit ein Grundpfandrecht bestellt worden war und der später zusätzlich die (künftigen298) Mietforderungen des Schuldners gegen einen Dritten pfändete, der Anfechtung unterliegen. Wäre ein Grundpfandrecht bereits mit seiner Bestellung auch schon hinsichtlich künftiger Mietforderungen entstanden und wirksam, so würden die Insolvenzgläubiger durch die Zahlungen, die aufgrund der späteren Pfändung an den Gläubiger erbracht wurden, nicht mehr benachteiligt. Insoweit hatte der BGH noch durch Urteil vom 9.11.2006299 in einem Fall der späteren Abtretung von Mietforderungen an den durch Grundschuld gesicherten Zessionar entschieden, die Grundschuldhaftung begründe ein gegenwärtiges Pfandrecht an den – auch künftigen – Mietforderungen. Da-

294 Vgl. dazu noch BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, MDR 2008, 1239 = ZInsO 2008, 806 ff. Rz. 10 sowie OLG Köln v. 18.2.1987 – 13 U 170/86, ZIP 1987, 907 (908). 295 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, MDR 2008, 1239 = ZInsO 2008, 806 ff. Rz. 10 mit Hinweis auf BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 (347) = MDR 1983, 484 und v. 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71 (76) = MDR 1985, 404. 296 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03 – „Vermieterpfandrecht“, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610. 297 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 15; Berger, NZI 2007, 566 ff.; HK-InsO/Kreft, § 140 Rz. 4 i.V.m. Fn. 29. 298 Vgl. dazu BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 (514); v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 12 = MDR 2007, 610. 299 BGH v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, MDR 2007, 616 = NotBZ 2007, 17 = ZInsO 2006, 1321 f.

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von ist der BGH in seinem neueren Urteil vom 17.9.2009300 zu Recht abgerückt. Ist das durch Pfändung der Mietforderung entstandene Pfandrecht anfechtbar, weil der Nutzungszeitraum, für den die Mieten geschuldet sind, in der anfechtungsrelevanten Zeit begonnen hat, führt es nicht zur Annahme eines masseneutralen Sicherheitentauschs, dass die Mietforderung zugleich in den Haftungsverband einer Grundschuld fällt. Der BGH bestätigt mit seinem Urteil vom 17.9.2009 die Richtigkeit der Auffas- B 102 sung, wonach zwischen der Begründung und der Entstehung bzw. Wirksamkeit von Rechten zu unterscheiden ist. Wenn es etwa in § 1204 Abs. 2 BGB heißt, das Pfandrecht könne auch für eine künftige oder eine bedingte Forderung bestellt werden, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Pfandrecht damit nicht nur begründet, sondern auch schon entstanden ist und bereits Wirkung entfaltet. Dagegen dürfte vielmehr die Regelung in § 1209 BGB sprechen, wonach für den Rang des Pfandrechts die Zeit der Bestellung auch dann maßgebend ist, wenn es für eine künftige oder bedingte Forderung bestellt ist. Dieser Regelung hätte es wohl nicht bedurft, wenn nach § 1204 Abs. 2 BGB das Pfandrecht für eine künftige Forderung schon mit der Bestellung als entstanden bzw. wirksam anzusehen sein sollte.301 § 1209 BGB bestimmt lediglich den Rang mehrerer Pfandgläubiger untereinander, sagt aber nichts über das Verhältnis des Pfandgläubigers zu der Insolvenzmasse und zu den Insolvenzgläubigern.302 e) Lastschriftverfahren Eine mehraktige Rechtshandlung stellt auch der Lastschrifteinzug durch den B 103 Gläubiger des späteren Insolvenzschuldners dar.303 Bei der Zahlung des Schuldners per Lastschrift im sogenannten „Abbuchungsverfahren“ ist dem Gläubiger der ihm von seiner Bank zunächst unter dem Vorbehalt des Eingangs vorläufig gutgeschriebene Einzugsbetrag erst mit wirksamer Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstellenbank des Schuldners endgültig zugewandt.304 Beim „Einziehungsermächtigungsverfahren“ räumt der Schuldner nach der B 104 Rechtsprechung des BGH dem Gläubiger mit der Erteilung der Einziehungsermächtigung nicht das Recht ein, über sein Konto zu verfügen. Vielmehr greift der Gläubiger beim Einziehungsermächtigungsverfahren auf das Schuldnerkonto zu, ohne vom Schuldner eine Weisung erhalten zu haben.305 Daher bedarf die Belastungsbuchung der Genehmigung des Schuldners; erst mit deren Erteilung ist die Zahlung des Schuldners im Sinne der §§ 129 Abs. 1, 140 Abs. 1 InsO vor-

300 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08 – „Doppelsicherung“, BGHZ 182, 264 ff. = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 301 Vgl. dazu J. Wilhelm, Sachenrecht, 3. Aufl., Rz. 1892; a.A. etwa BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 (347) = MDR 1983, 484 und Erman/Michalski, 13. Aufl., § 1204 Rz. 11. 302 Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 17. 303 Vgl. dazu Nobbe, WM 2012, Sonderbeilage 3. 304 BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, MDR 2003, 652 = ZInsO 2003, 324 ff. Rz. 18; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 58 Rz. 164. 305 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff. Rz. 10 = MDR 2010, 1199. Schfer

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genommen.306 Bevor der Schuldner die Genehmigung nicht erklärt hat, ist die einzuziehende Forderung nicht erfüllt (sog. „Genehmigungstheorie“).307 B 105 Wird über das Vermögen des Schuldners eine Verfügungsbeschränkung gemäß §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 24 Abs. 1, 80, 81 InsO verhängt und hat der Schuldner den Lastschrifteinzug zu diesem Zeitpunkt noch nicht genehmigt, so kann sich die schwebende Verfügung nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH nicht mehr zu Lasten der künftigen Insolvenzmasse vollenden.308 Hat der Schuldner die Verfügung erst in den kritischen Anfechtungszeiträumen genehmigt, so ist die Genehmigung als Abschluss eines mehraktigen Zahlungsvorgangs anfechtbar. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Insolvenzverwalter bei einem debitorischen Konto lediglich eine Korrektur der ungenehmigten Belastung, nicht aber die Auszahlung des Lastschriftbetrages verlangen kann, wenn er die Genehmigung der Lastschrift verweigert.309 B 106 Trotz teilweiser Kritik im Schrifttum hat der IX. Zivilsenat des BGH seine Rechtsprechung u.a. durch Urteil vom 25.10.2007310 zunächst bekräftigt. Er ist der Auffassung entgegengetreten, dass der Insolvenzverwalter nicht mehr Rechte haben könne als der Schuldner („Fußstapfentheorie“). Der Insolvenzverwalter dürfe der mangels Genehmigung fortbestehenden und nicht insolvenzgesicherten Forderung keine Vorzugsstellung gegenüber ranggleichen Forderungen einräumen. Eine Genehmigung der Belastungsbuchung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken sei nicht möglich. Dessen Befugnis beschränke sich darauf, die Gläubigergesamtheit vor einer Vermögensminderung der Masse zu schützen. Sofern der endgültige Insolvenzverwalter jedoch das Schuldnerkonto längere Zeit ohne Widerruf der Lastschriften weiterbenutze, genehmige er diese konkludent. B 107 Der XI. Zivilsenat des BGH ist dieser Auffassung des IX. Zivilsenats zunächst entgegengetreten.311 Dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter stünden nicht mehr und keine anderen Rechte zu als dem Schuldner.312 Sofern die neue Rechtsprechung des IX. Zivilsenats insolvenzrechtlich die zwingende Folge der Genehmi306 BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 ff. = MDR 2005, 354; v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, MDR 2010, 1199 = ZIP 2010, 1556 ff.; v. 1.3.2011 – XI ZR 320/09, ZIP 2011, 826 ff. Rz. 13. 307 BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 ff. Rz. 14 = MDR 2005, 354; vgl. dazu noch van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 58 Rz. 175 ff.; Kümpel, Bank- u. Kapitalmarktrecht, Rz. 4.425; a.A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 636. 308 BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 ff. = MDR 2005, 354; bestätigt durch BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 173/02, MDR 2007, 361 = ZIP 2006, 2046 und durch BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 ff. = MDR 2008, 166. 309 Vgl. BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, MDR 2009, 833 = ZIP 2009, 673 ff. 310 BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 ff. = MDR 2008, 166. 311 Vgl. BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 ff. = MDR 2008, 1361; Nobbe/ Ellenberger, WM 2006, 1885 ff.; Nobbe, WM 2009, 1537 ff.; kritisch Nassall, NJW 2008, 3354 f.; vgl. dazu ferner Kirchhof, WM 2009, 337 ff.; G. Fischer, WM 2009, 629 ff.; Ries, ZInsO 2009, 889 ff. 312 Vgl. dazu noch BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, BGHZ 144, 349 (351) = MDR 2000, 1203 m. Anm. Krüger.

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gungstheorie sein sollte, werde zur Erhaltung der Akzeptanz des Einzugsermächtigungsverfahrens zu überlegen sein, ob für das Valutaverhältnis auch in Zukunft an der Genehmigungstheorie festgehalten werden könne. Im Schrifttum wurde indes zu Recht darauf hingewiesen, dass anerkannterma- B 108 ßen nicht jeder Widerspruch des Schuldners bei bestehendem Zahlungsanspruch des Gläubigers missbräuchlich sei.313 Sehe der Schuldner im Zustand der Zahlungsunfähigkeit bewusst davon ab, die nicht bevorrechtigte Forderung eines Gläubigers zu befriedigen, handle er in der Regel weder rechts- noch sittenwidrig, da sein Handeln dem in der materiellen Insolvenz geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung entspreche. Dies gelte erst recht für den (vorläufigen) Insolvenzverwalter. Der IX. und der XI. Zivilsenat des BGH haben sich inzwischen bemüht, in B 109 zwei neueren Urteilen vom 20.7.2010314 „einheitliche Rechtsgrundsätze zur Insolvenzfestigkeit einer mittels Einzugsermächtigungslastschrift bewirkten Zahlung“ zu entwickeln und damit die Differenzen in der Rechtsprechung beider Senate beizulegen.315 Für die sich schon nach bisherigem Recht anbietende Annahme einer Vorausermächtigung des Lastschriftschuldners unter der Voraussetzung des einwandfreien (einwendungs-, einrede- und aufrechnungsfreien) Bestehens der Forderung des Lastschriftgläubigers vermochte sich der BGH auch weiterhin nicht zu entscheiden. Er geht für das bisherige Recht nach wie vor davon aus, dass die Schuldnerbank auf der Grundlage der fortgeltenden Genehmigungstheorie ohne girovertragliche Weisung auf das Konto des Schuldners zugreife.316 Lediglich für das auf europäischer Ebene neu eingeführte SEPALastschriftverfahren nimmt er an, dass die Zahlung mittels Lastschrift bereits vorab mit der Erteilung des SEPA-Lastschriftmandats autorisiert werde. Der Zahlungsauftrag an die Schuldnerbank werde dieser durch den Zahlungsempfänger als Erklärungsboten (vgl. § 120 BGB) über sein Kreditinstitut übermittelt.317 Diese letztere Annahme hätte sich im Interesse einer Gesamtlösung des zu Recht als untragbar erkannten pauschalen Widerspruchs der Verwalter gegen schwebende Lastschrifteinzüge im Sinne einer „modifizierten Ermächtigungstheorie“ bereits für das bisherige Recht angeboten.318 Aus anfechtungsrechtlicher Sicht ist bedeutsam, dass der BGH zwar annimmt, B 110 die mittels eines SEPA-Lastschriftverfahrens bewirkte Zahlung habe auch dann Bestand, wenn nach der Belastungsbuchung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Zahlungspflichtigen eröffnet bzw. im Eröffnungsverfahren Sicherungsmaßnahmen angeordnet würden; er weist jedoch zugleich darauf hin, dass nach der Insolvenzeröffnung (allein) eine Anfechtung in Betracht komme.319 313 Vgl. HK-InsO/Kayser, 5. Aufl., § 82 Rz. 37; Nassall, NJW 2008, 3354 f. 314 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, MDR 2010, 1199 = ZIP 2010, 1556 ff.; v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, FamRZ 2010, 1657 = MDR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1552 ff. 315 Vgl. Pressemitteilung des BGH Nr. 152/2010 v. 20.7.2010. 316 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff. = MDR 2010, 1199 ff. Rz. 14. 317 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff. = MDR 2010, 1199 ff. Rz. 17. 318 Vgl. zur Ermächtigungstheorie Canaris in WM 1980, 354 ff. und in Bankvertragsrecht, Rz. 531, 532 (543). 319 A.a.O., Rz. 18. Schfer

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B 111 Der BGH unterscheidet zwischen dem SEPA-Firmenlastschriftverfahren (vgl. § 675e Abs. 4 BGB) und dem SEPA-Basis-Lastschriftverfahren.320 Im SEPA-Firmenlastschriftverfahren ist die Forderung des Gläubigers bereits mit vorbehaltsloser Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers erfüllt.321 Aber auch beim SEPABasis-Lastschriftverfahren tritt mit der vorbehaltslosen Gutschrift Erfüllung ein, allerdings unter der auflösenden Bedingung des Erstattungsverlangens des Schuldners gemäß § 675x BGB.322 Dabei ist die Zahlung auch dann insolvenzfest, wenn vor dem Ablauf der Acht-Wochen-Frist des § 675x Abs. 4 BGB das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder im Eröffnungsverfahren Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. Denn der Erstattungsanspruch nach dem SEPA-Basislastschriftverfahren fällt nach Ansicht des BGH nicht in die Insolvenzmasse, so dass der Insolvenzverwalter insoweit keine Verfügungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO erlangt.323 B 112 Dagegen wird im Schrifttum eingewandt, dass dem BGH zwar im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung zugestimmt werden könne.324 Auch wenn das Ergebnis im Wesentlichen Zustimmung verdiene,325 könne die Analogie zu § 377 Abs. 1 BGB nicht überzeugen. Auch im Ergebnis leuchte es nicht ein, wieso der Verwalter den Erstattungsanspruch nicht solle geltend machen können, wenn die Zahlung entgegen dem Valutaverhältnis unberechtigterweise vorgenommen worden oder anfechtbar erfolgt sei. Es sei daher überzeugender, den Erstattungsanspruch als zweckgebundenes Recht anzusehen, desen zweckwidrige Ausübung eine Masseverbindlichkeit begründe (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).326 B 113 Auch wenn der Insolvenzverwalter den Zahlbetrag in entsprechender Anwendung des § 377 Abs. 1 BGB, wonach das Recht zur Rücknahme (des hinterlegten Gegenstandes) nicht der Pfändung unterworfen ist, nicht durch Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 675x BGB zur Masse ziehen kann, bleibt sein Anfechtungsrecht hiervon unberührt. Der BGH bekräftigt jedoch erneut, dass es für die Frage, ob ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO vorliegt, auch beim SEPA-Verfahren auf den Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs – und nicht auf den der späteren Genehmigung – ankommt.327 B 114 Für das bisherige Recht erhofft sich der BGH durch eine weitergehende Annahme konkludenter Genehmigungen von Lastschrifteinzügen eine „gewisse Entspannung der derzeitigen Situation“.328 Allein aus der bloßen Weiterbenutzung des 320 321 322 323 324 325 326 327

A.a.O., Rz. 24. A.a.O., Rz. 21. A.a.O., Rz. 25. A.a.O., Rz. 27, 29. Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 81 Rz. 6a. Vgl. dazu noch Nobbe, WM 2011, 961 (966). Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 81 Rz. 6a. BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff., Rz. 34; vgl. dazu noch BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 171/07, WM 2009, 958 ff. Rz. 10; v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 ff. = MDR 2008, 1361 Rz. 47; v. 29.5.2008 – IX ZR 42/07, MDR 2008, 1001 = WM 2008, 1327 ff. Rz. 15. 328 Vgl. Pressemitteilung des BGH Nr. 152/2010 v. 20.7.2010 sowie zur neueren Rechtsprechung des BGH zum Lastschriftverkehr Nobbe, WM 2012, Sonderbeilage 3.

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Kontos kann die kontoführende Bank jedoch nicht entnehmen, der Kontoinhaber billige den um die Lastschriftbuchungen geminderten Kontostand.329 Insbesondere bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen kann aber jedenfalls im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine konkludente Genehmigung vorliegen, wenn der Lastschriftschuldner in Kenntnis der Belastung dem Einzug nicht innerhalb einer angemessenen Prüffrist widerspricht und er einen früheren Einzug bereits genehmigt hatte.330 Werden fortlaufend Forderungen in unterschiedlicher Höhe im Rahmen von laufenden Geschäftsbeziehungen im unternehmerischen Verkehr mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren eingezogen, so kommt eine konkludente Genehmigung einer Lastschriftbuchung in Betracht, wenn sie sich innerhalb einer Schwankungsbreite von bereits zuvor genehmigten Lastschriftbuchungen bewegt oder diese nicht wesentlich über- oder unterschreitet.331 Stellt der Schuldner in Kenntnis der Abbuchungen im Wege des Einzugser- B 115 mächtigungsverfahrens durch konkrete Einzahlungen oder Überweisungen erst ausreichende Kontodeckung sicher, ohne die die kontoführende Bank die Lastschriften nicht ausgeführt hätte, kann dies für eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten sprechen.332 Auch in diesem Fall ist daher der Insolvenzverwalter auf eine mögliche Anfechtung des Lastschrifteinzugs verwiesen. Zumindest im unternehmerischen Geschäftsverkehr kann ferner die Tatsache, dass ein Kontoinhaber nicht eingelöste Lastschriften durch konkrete, nachträgliche Überweisungen ausgleicht, im Einzelfall für eine konkludente Genehmigung zuvor gebuchter Lastschriften sprechen, durch deren Widerruf er sich auf leichterem Weg hätte Liquidität verschaffen können.333 Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine konkludente Genehmigung durch Maßnahmen der Liquiditätsbeschaffung für vorausgegangene Abbuchungen zudem dann nahe, wenn der Schuldner aufgrund einer Absprache mit der kontoführenden Bank gehalten war, das Konto auf Guthabenbasis zu führen.334 Die Frage, welche Prüfungsfrist als angemessen anzusehen ist, hängt nach der B 116 Rechtsprechung des BGH von den Umständen des Einzelfalles ab.335 Für unternehmerisch tätige Schuldner sei es indes verkehrsüblich, dass sie Lastschriften, die typischerweise auf einer von ihnen selbst abgefassten Anmeldung beruhten, mit einer Überlegungsfrist von allenfalls 14 Tagen widersprächen.336 Dies gelte auch dann, wenn sich die fragliche Lastschrift nicht innerhalb einer gewissen

329 BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 ff. Rz. 47; v. 26.10.2010 – XI ZR 562/07, MDR 2011, 57 = ZIP 2010, 2407 ff. Rz. 19. 330 BGH v. 20.7.2010 – IX ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 ff. 331 BGH v. 27.9.2011 – XI ZR 328/09, ZIP 2011, 2400 ff.; v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. 332 BGH v. 26.10.2010 – XI ZR 562/07, MDR 2011, 57 = ZIP 2010, 2407 ff. 333 BGH v. 25.1.2011 – XI ZR 171/09, MDR 2011, 616 = ZIP 2011, 482 ff. 334 Vgl. BGH v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. 335 BGH v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. Rz. 43. 336 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 58/11, ZIP 2012, 167 ff. Rz. 15; v. 1.2.2011 – XI ZR 320/09, ZIP 2011, 826 ff. Rz. 13. Schfer

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Schwankungsbreite vorausgegangener Lastschriftbuchungen bewege.337 Nach Ansicht des Oberlandesgerichts München338 soll in bestimmten Fällen eine Prüfungsfrist von drei Bankarbeitstagen als ausreichend anzusehen sein, etwa bei regelmäßig, in gleichen Zeitabständen wiederkehrenden Lastschriften in vergleichbarer Höhe, oder wenn die Lastschriften erkennbar auf eigenen Anmeldungen des Schuldners beruhen.339 Der BGH hat dies im Urteil vom 3.4.2012340 als revisionsrechtlich unbedenklich angesehen. B 117 Nach dem Urteil des XI. Zivilsenats des BGH vom 3.5.2011341 gilt Gleiches wie im unternehmerischen Geschäftsverkehr im Grundsatz auch bei Verbrauchern. Allerdings kann die kontoführende Bank bei einem Verbraucher nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Kontobewegungen zeitnah nachvollzogen und überprüft werden. Es muss vielmehr anhand konkreter Anhaltspunkte für die Bank erkennbar sein, dass der Verbraucher die Überprüfung vorgenommen hat. Erst dann und nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist kann sie davon ausgehen, dass er keine Einwendungen gegen die aus dem Kontoauszug ersichtlichen Buchungen erhebt. In der Regel soll die Bank aber spätestens dann, wenn der Verbraucher bei monatlichen und im Wesentlichen gleich hohen Lastschriftbuchungen bereits die Mitteilung von zwei Folgeabbuchungen erhalten hat, davon ausgehen können, dass in Bezug auf die mindestens zwei Monate zurückliegende Abbuchung keine Einwendungen erhoben werden.342 B 118 Wichtig für die Frage des Anwendungsbereichs des Anfechtungsrechts sind zwei Urteile des IX. Zivilsenats des BGH vom 30.9.2010343 und vom 21.10.2010.344 Nach dem Urteil vom 30.9.2010 gilt eine vom Schuldner im Lastschriftweg veranlasste Zahlung als genehmigt, wenn ihr der danach bestellte, mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter bis zum Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen a.F. nicht widerspricht. Der IX. Zivilsenat hat sich damit im Ergebnis der Auffassung des XI. Zivilsenats angeschlossen, wonach eine in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute fingierte Genehmigung nicht nur im Rechtsverhältnis zum endgültigen und vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalter, sondern auch gegenüber dem vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalter wirkt. Der BGH stellt jedoch klar, dass für die Vornahme der Rechtshandlung im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO der Zeitpunkt der Genehmigung maßgebend ist und der Bestimmung des

337 BGH v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. Rz. 47 f. 338 OLG München v. 20.12.2010 – 19 U 2126/09, ZIP 2011, 43 ff. 339 Dazu zu Recht kritisch Gantenberg/Grochowski, EWiR 2011, 191 f.; Freitag, NZI 2011, 285 (290 f.). 340 BGH v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. Rz. 44. 341 BGH v. 3.5.2011 – XI ZR 152/09 ZIP 2011, 1252 ff. 342 BGH v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. Rz. 28; v. 3.5.2011 – XI ZR 152/09, ZIP 2011, 1252 ff. Rz. 12. 343 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, MDR 2010, 1420 = ZIP 2010, 2105 ff. unter Aufgabe von BGHZ 174, 84 (92 ff. Rz. 21 ff.) und im Anschluss an BGHZ 177, 60 (81 ff. Rz. 30 ff.). 344 BGH v. 21.10.2010 – IX ZR 240/09, ZInsO 2010, 2293 ff.

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I. Die Rechtshandlung

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§ 184 BGB über die Rückwirkung der Genehmigung in diesem Zusammenhang – anders als für die Frage des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung im Rahmen des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO – keine Bedeutung zukommt.345 Nach dem Urteil des BGH vom 21.10.2010346 ist im Falle einer Abbuchung auf- B 119 grund einer Einziehungsermächtigung eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO in der Genehmigung des Schuldners zu sehen, mit der er einen mehraktigen Zahlungsvorgang abschließt. Das Urteil betrifft jedoch nur die Frage der Anfechtbarkeit gegenüber dem Lastschriftgläubiger. Mit der Frage der Anfechtbarkeit gegenüber der Schuldnerbank nach den §§ 130, 132 Abs. 2 InsO hat sich der IX. Zivilsenat nur beiläufig in einem Urteil vom 25.10.2007347 befasst, in dem er darauf hinweist, dass die Anfechtung der Genehmigung nur gegenüber dem Lastschriftgläubiger als Zuwendungsempfänger möglich gewesen wäre, da für Insolvenzanfechtungen im Mehrpersonenverhältnis die bereicherungsrechtlichen Grundsätze entsprechend anzuwenden seien. Insoweit ist jedoch daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des BGH beim Einziehungsermächtigungsverfahren der Gläubiger auf das Schuldnervermögen zugreift, ohne vom Schuldner eine Weisung erhalten zu haben.348 Es ist daher fraglich, ob die Schuldnerbank als Mittelsperson des Schuldners anzusehen ist, denn nach der Rechtsprechung des BGH zum Einziehungsermächtigungsverfahren dürfte sie eher im Lager des Lastschriftgläubigers als im Lager des Schuldners stehen. Der BGH weist jedoch im Urteil vom 25.10.2011349 darauf hin, dass sich die Insolvenzanfechtung im Fall der Genehmigung einer Lastschriftbuchung im Allgemeinen gegen den Gläubiger der Leistung und nicht gegen die Schuldnerbank als bloße Zahlungsmittlerin richte. Praktisch sehr bedeutsam ist ferner das am 30.9.2010 verkündete Urteil des B 120 BGH,350 wonach Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners, denen der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat, oder des vorläufigen Insolvenzverwalters, der namens und in Vollmacht des späteren Insolvenzschuldners gehandelt hat, angefochten werden können, wenn kein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet war. Der vorläufige „schwache“ Insolvenzverwalter kann demnach den Lastschrifteinzug genehmigen und später anfechten.351 Die Genehmigung muss jedoch gegenüber dem Schuldner oder der Schuldnerbank erklärt werden, um wirksam zu sein.352

345 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, MDR 2010, 1420 = ZIP 2010, 2105 ff. Rz. 21; vgl. dazu ferner Jacoby, ZIP 2010, 1725 (1729); Werres, ZInsO 2008, 1065 (1067) – a.A. noch Obermüller/Kuder in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 99 Rz. 44. 346 BGH v. 21.10.2010 – IX ZR 240/09, ZInsO 2010, 2293 ff. 347 Vgl. BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 ff. = MDR 2008, 166 Rz. 44. 348 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff. = MDR 2010, 1199 Rz. 10. 349 BGH v. 25.10.2011 – XI ZR 368/09, ZIP 2011, 2398 ff. Rz. 17. 350 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 177/07, ZInsO 2010, 2133 f. 351 Vgl. dazu Wiechers, WM 2011, 145 (148). 352 Vgl. BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, MDR 2010, 1420 = ZIP 2010, 2105 ff. Schfer

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f) Versicherungsrecht B 121 Bei einer Lebensversicherung mit unwiderruflichem Bezugsrecht erwirbt der Bezugsberechtigte den künftigen353 Anspruch auf die Versicherungssumme sofort (vgl. § 159 Abs. 3 VVG),354 so dass nach der Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Meinung im Schrifttum eine Anfechtung nur in Betracht kommt, wenn das Bezugsrecht in den kritischen Anfechtungszeiträumen eingeräumt wurde.355 Andernfalls soll nur die Prämienzahlung im kritischen Anfechtungszeitraum gegenüber dem Bezugsberechtigten anfechtbar sein.356 Im Falle eines widerruflichen Bezugsrechts tritt der Rechtserwerb des Bezugsberechtigten hingegen erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles ein.357 Der noch vom Reichsgericht vertretenen Auffassung,358 wonach nur die im Anfechtungszeitraum geleisteten Prämienzahlungen zurückzugewähren seien, ist der BGH nicht gefolgt, da sie den Gegenstand des Anfechtungsanspruchs bei einer mittelbaren Zuwendung unzutreffend bestimme. Mittelbare Zuwendungen seien so zu behandeln, als hätte die zwischengeschaltete Person an den Schuldner geleistet und dieser sodann den Dritten befriedigt. Folglich komme es anfechtungsrechtlich grundsätzlich nicht darauf an, welche Mittel der Schuldner als Versprechensempfänger aufgebracht, sondern welche Leistungen der Versprechende nach dem Inhalt seiner Vertragsbeziehung zum Schuldner bei Eintritt der Fälligkeit habe erbringen müssen, mit anderen Worten, welche Zuwendung an den Dritten der Versprechensempfänger mit den von ihm aufgewendeten Vermögenswerten „erkauft“ habe; dies seien nicht die aufgebrachten Prämien, sondern die Versicherungssumme. B 122 In einem nicht zum Anfechtungsrecht ergangenen Urteil vom 7.4.2005,359 das eine Rückdeckungsversicherung betraf, weist der BGH darauf hin, dass er bereits zur Konkursordnung entschieden habe, es handle sich bei Ansprüchen auf Altersruhegeld nicht um betagte Ansprüche, sondern um aufschiebend bedingte Ansprüche im Sinne des § 67 KO, wenn die Voraussetzungen für den Bezug des Altersruhegeldes noch nicht eingetreten seien. Unter der Geltung der Insolvenzordnung bleibe die Ausgangslage gleich. Der Insolvenzverwalter musste daher den eingezogenen Rückkaufswert der Lebensversicherung hinterlegen, um den Gesellschafter-Geschäftsführer, dem die Ansprüche aus der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung verpfändet worden wa-

353 Vgl. BGH v. 28.10.2009 – VII ZB 82/09, veröffentlicht bei juris: „künftiger Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme“; v. 23.10.2008 – VII ZB 16/08, MDR 2009, 105 = WM 2008, 2265 ff. 354 BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZIP 2015, 2328 ff. Rz. 15; v. 18.6.2003 – IV ZR 59/02, FamRZ 2003, 1264 = NJW 2003, 2679 f. 355 Vgl. BGH v. 18.6.2003 – IX ZR 99/11, ZIP 2012, 636 ff. Rz. 7; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 92; Gottwald/Huber, Insolvenzrechtshandbuch, § 46 Rz. 27. 356 BGH v. 12.1.2012 – IX ZR 95/11, ZIP 2012, 285 f. Rz. 7; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 90. Vgl. dazu noch unten Rz. B 527. 357 BGH v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04, ZIP 2005, 909 ff. Rz. 10; v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596. 358 RGZ 51, 404; RGZ 61, 217 (219 f.). 359 BGH v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04 – „Rückdeckungsversicherung“, MDR 2005, 1075 = ZInsO 2005, 535 ff.

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ren und dem ein widerrufliches Bezugsrecht zustand, bei Fälligkeit der zu sichernden Forderung befriedigen zu können. Dieses Urteil des BGH wirft etliche Fragen auf, die auch von Bedeutung für die B 123 anfechtungsrechtliche Beurteilung solcher Fälle sein können. Der BGH hat ohne nähere Begründung angenommen, dass der Insolvenzverwalter vor der Pfandreife zur Einziehung des Rückkaufswerts berechtigt war. Im Schrifttum360 wird jedoch zu Recht geltend gemacht, dass der BGH zunächst die Vorfrage hätte klären müssen, ob der Insolvenzverwalter überhaupt zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages berechtigt war361 oder ob er dafür nach § 1276 Abs. 1 BGB die Zustimmung des Pfandgläubigers benötigte.362 Letzteres dürfte zu verneinen sein, da dem Geschäftsführer keine gesicherte Rechtsposition – kein Anwartschaftsrecht und auch kein Pfandrecht – hinsichtlich des künftigen Anspruchs auf die Versicherungsleistung zustand. Das Bestehen eines insolvenzfesten Pfandrechts an dem künftigen Anspruch auf die Versicherungsleistung (Ablaufleistung) ist zweifelhaft. Denn es fragt sich, ob bereits ein insolvenzfestes Pfandrecht an einer künftigen Forderung bestehen kann, die erst noch wertmäßig „aufgebaut“ werden muss und die dem begünstigten Geschäftsführer etwa durch eine Übertragung des Versicherungsvertrages auf einen Dritten entzogen werden kann. Dies ist in der Konsequenz von BGHZ 88, 205 ff.363 zu verneinen, wonach die Vorausabtretung des Abfindungsanspruchs eines GmbH-Gesellschafters hinfällig wird, wenn dieser seinen Geschäftsanteil an einen Dritten abtritt, bevor in seiner Person ein Abfindunganspruch entstanden ist. Es geht insoweit nicht nur um das „Erleben der Anspruchsvoraussetzungen“ als aufschiebender Bedingung im Sinne des § 67 KO.364 Nur wenn man von der Teilbarkeit der bis zur Insolvenzeröffnung erbrachten Leistungen auf den Versicherungsvertrag ausgeht,365 kann man annehmen, das Pfandrecht des widerruflich Begünstigten erfasse den Teil der Versicherungsleistung, der bis zur Insolvenzeröffnung erkauft war (Rückkaufswert).366 Der BGH ist inzwischen auf diese Linie eingeschwenkt. Nach seinem Urteil B 124 vom 1.12.2011367 kommt es mit der Insolvenzeröffnung zu einer Vertragsaufspaltung in einen vor der Insolvenzeröffnung bereits (einseitig) erfüllten Vertragsteil und einen beiderseits noch unerfüllten Vertragsteil. Anders als etwa bei der Vergütung aus einem aufgespaltenen Kauf- oder Werkvertrag ergebe sich

360 Vgl. Elfring, NJW 2005, 2192 (2194). 361 Vgl. zum Kündigungserfordernis, wenn der Insolvenzverwalter den Rückkaufswert für die Masse beanspruchen will: BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34 ff. 362 Dafür etwa Nobbe in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 1276 Rz. 6; MK-BGB/Damrau, § 1276 Rz. 9 – a.A. Fröhling, ZInsO 2006, 249 (250). 363 BGH v. 19.9.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205 ff. = GmbHR 1984, 101 = MDR 1984, 122. 364 Vgl. dazu BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 161/96, BGHZ 136, 220 ff. = GmbHR 1997, 936. 365 Vgl. zum Werkvertrag BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 ff. = MDR 2002, 1270. 366 Vgl. dazu nunmehr BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34 ff. Rz. 22: Insolvenzeröffnung führt zu Vertragsaufspaltung. 367 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34 ff. Schfer

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§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

aber nicht ohne Weiteres schon aufgrund der Zahlung der Prämien ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Versicherungsleistung. Der Insolvenzverwalter habe vielmehr nur dann einen Anspruch gegen den Lebensversicherer auf Zahlung des Rückkaufswerts, wenn er den Versicherungsvertrag kündige. Der Insolvenzverwalter des Versicherten könne vorbehaltlich des § 851c ZPO die Kündigung erklären und sich aus dem Rückkaufswert der Versicherung befriedigen, wodurch das Rentenstammrecht erlösche.368 B 125 Kann ein Schuldner nach Sicherungsabtretung und Forderungspfändung schon vor der Insolvenzeröffnung in Gänze nicht mehr über einen Lebensversicherungsvertrag verfügen, hat der zur Kündigung berechtigte Pfändungsgläubiger nach einem weiteren Urteil des BGH vom 26.1.2012369 am aufschiebend bedingten Anspruch auf den Rückkaufswert eine gesicherte Rechtsposition erlangt, so dass der Erwerb nicht in die Insolvenzmasse fällt. B 126 Bezeichnet der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung als Bezugsberechtigten im Todesfall unwiderruflich seinen Ehegatten, so ist die Zuwendung der Versicherungsleistung nach einem neueren Urteil des BGH vom 27.9.2012370 regelmäßig bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter vorgenommen. Dies gilt auch dann, wenn die Versicherungsleistung im Erlebensfall dem Versicherungsnehmer zustehen soll und das Bezugsrecht des Ehegatten daran geknüpft ist, dass die Ehe mit dem Versicherten bei dessen Tod besteht. Die geteilte Begünstigung widerspreche nicht dem Wesen einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung des Dritten mit sofortigem Rechtsübergang, weil sich der Versicherungsnehmer der Möglichkeit, das Bezugsrecht des Dritten nach eigenem Gutdünken aufzuheben, vollständig begeben habe. Bei gespaltenem Bezugsrecht mit unwiderruflicher Begünstigung eines Dritten mit der Todesfallleistung bleibe der Versicherungsnehmer zwar zur Kündigung des Versicherungsvertrages berechtigt. Der dann bestehende Anspruch auf den Rückkaufswert stehe jedoch grundsätzlich dem Dritten zu, denn das Recht auf den Rückkaufswert sei nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Versicherungssumme und gehöre deshalb zu den vertraglich versprochenen Leistungen bei einer Lebensversicherung.371 B 127 In diesem Zusammenhang ist schließlich auf die neuere Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei schenkweiser Zuwendung der Todesfallleistung eines Lebensversicherungsvertrages an einen widerruflich bezugsberechtigten Dritten hinzuweisen. Danach richtet sich die Pflichtteilsergänzung weder nach der Versicherungsleistung noch nach der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien, sondern nach dem Wert der Lebensversicherung, den der Erblasser in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können; dies ist in aller Regel der Rückkaufswert.372 368 369 370 371 372

BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34 ff. Rz. 26. BGH v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638 ff. BGH v. 27.9.2012 – IX ZR 15/12, ZIP 2012, 2409 ff. BGH v. 27.9.2012 – IX ZR 15/12, ZIP 2012, 2409 ff. Rz. 12. BGH v. 28.4.2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252 ff. = FamRZ 2010, 1248 m. Anm. Walker = MDR 2010, 870 = FamRZ 2010, 1071 = NotBZ 2010, 259 m. Anm. Krause.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 129 B

Nach einem umstrittenen Urteil des OLG Stuttgart vom 15.12.2011373 soll die B 128 Umwandlung einer Lebensversicherung gemäß § 167 VVG zur Erlangung des Pfändungsschutzes nach § 851c ZPO nicht nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar sein. Die Umwandlung gewähre keiner anderen Person eine Vermögenszuwendung. Die Wirkung der Umwandlung bestehe vielmehr allein in der Begründung von Pfändungsschutz zugunsten des Insolvenzschuldners; Vorteile für eine andere Person seien damit nicht verbunden.374 Es stellt sich somit in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Schuldner selbst Anfechtungsgegner sein kann.375 Der IV. Zivilsenat des BGH hat zu § 167 VVG entschieden, dass diese Bestimmung kein Gestaltungsrecht schafft, sondern dem Versicherungsnehmer nur einen Anspruch darauf gibt, eine Lebensversicherung in eine Versicherung umzuwandeln, welche die Kriterien des § 851c Abs. 1 ZPO erfüllt. Pfändungsschutz nach § 851c ZPO besteht auch bei Umwandlungsverlangen nach § 167 VVG erst dann, wenn sämtliche der in § 851c ZPO geregelten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Pfändung vorliegen.376 7. Rechtshandlungen im Mehrpersonenverhältnis; mittelbare Zuwendungen a) Begriff und Anwendungsbereich der mittelbaren Zuwendung Auf der Grundlage des Rechtsgrundsatzes, wonach der Begriff der „Rechtshand- B 129 lung“ im weitesten Sinne zu verstehen ist,377 hat sich in der Rechtsprechung des BGH die Rechtsfigur der mittelbaren Zuwendung herausgebildet. Unter diesem Gesichtspunkt können Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar sein, durch die er Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt, ohne mit diesem in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten.378 Wirtschaftlich wird auf diese Weise das Vermögen des Schuldners zugunsten des Dritterwerbers gemindert. Ist dies von Anfang an gewollt, so ist der Gesamtvorgang anfechtungsrechtlich so anzusehen, als ob – nur – der Dritte unmittelbar vom Schuldner erworben hätte.379 Voraussetzung ist jedoch stets, dass es sich aus der Sicht des Empfängers erkennbar um eine Leistung des Schuldners gehandelt hat.380

373 OLG Stuttgart v. 15.12.2011 – 7 U 184/11, ZInsO 2012, 281 ff.; vgl. zum Streitstand Wollmann, ZInsO 2012, 2061 ff. und Frind, ZInsO 2014, 1739 (1741). 374 OLG Stuttgart v. 15.12.2011 – 7 U 184/11, ZInsO 2012, 281 (284); vgl. dazu jedoch BGH v. 13.10.2011 – IX ZR 80/11, NZI 2011, 937. 375 Vgl. dazu Kirchhof, ZInsO 2011, 2009 ff.; Wollmann, ZInsO 2012, 2061 ff. 376 BGH v. 22.7.2015 – IV ZR 223/15, WM 2015, 1681 ff. 377 Vgl. BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. Rz. 15; v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 10; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 11. 378 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZInsO 2011, 782 Rz. 10; v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 14; BGH v. 15.9.2014 – II ZR 442/13, ZInsO 2015, 1216 ff. Rz. 22; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 68 ff. 379 BGH v. 9.5.1996 – IX ZR 50/95, NJW 1996, 2231 (2233); v. 5.12.1991 – IX ZR 271/90, NJW 1992, 834 (835); MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 68. 380 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZInsO 2013, 1898 Rz. 21; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 35. Schfer

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B Rz. 130

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 130 Eine mittelbare Zuwendung kann nach der Rechtsprechung des BGH etwa gegeben sein, wenn der Darlehensgeber die zweckgebundene Darlehensvaluta aufgrund einer Anweisung des Schuldners an einen Dritten auszahlt381 oder wenn eine Konzerngesellschaft einem verbundenen Unternehmen Mittel zur Verfügung stellt, mit denen das verbundene Unternehmen die Verbindlichkeiten des die Mittel überlassenden Unternehmens gegenüber einem Dritten tilgen soll.382 Die auf Anweisung des zahlungsunfähigen Zwischenmieters erfolgte Direktzahlung des Endmieters an den Vermieter gewährt diesem eine inkongruente Deckung im Wege der mittelbaren Zuwendung.383 Eine mittelbare Zuwendung liegt ferner vor, wenn ein privater Krankenversicherer auf Weisung des Versicherungsnehmers direkt an den behandelnden Arzt bezahlt384 oder wenn der Schuldner einen Vermögensgegenstand unter Zwischenerwerb durch einen Treuhänder mit zeitlicher Verzögerung auf den von Anfang an vorgesehenen Empfänger überträgt.385 b) Ausschluss der mittelbaren Zuwendung bei eigener Leistungspflicht des Schuldners gegenüber dem Zuwendungsempfänger B 131 Es ist inzwischen durch die Rechtsprechung des BGH geklärt, dass die Annahme einer mittelbaren Zuwendung des Schuldners ausgeschlosssen ist, wenn dieser auf eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Zuwendungsempfänger geleistet hat.386 Für die Annahme einer mittelbaren Zuwendung ist kein Raum, wenn der Leistende mit der Zahlung an den Zuwendungsempfänger Befreiung von einer eigenen Verbindlichkeit erlangt.387 Dementsprechend ist der BGH in einem Urteil vom 14.5.2009388 von einer Leistungskette ausgegangen. Dort hatte eine Schwestergesellschaft der Schuldnerin zur Tilgung der bei der Schuldnerin bestehenden Verbindlichkeiten dieser Kundenschecks überlassen, welche die Schuldnerin zur Rückführung des ihr eingeräumten Darlehens bei der verklagten Bank eingereicht hatte. Hat die Zahlung des Schuldners eine Doppelwirkung in dem Sinne, dass neben dem Drittschuldner auch der Schuldner selbst von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Zuwendungsempfänger frei wird, ist keine mittelbare Zuwendung gegeben.389

381 BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 195/00, MDR 2001, 1258 = ZIP 2001, 1248 ff. 382 Vgl. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04 – „Cash-Pool (2)“, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345. 383 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, ZInsO 2011, 421 ff. 384 OLG Karlsruhe v. 10.9.2004 – 1 U 72/04, ZInsO 2004, 1367 f. 385 BGH v. 19.3.1980 – VIII ZR 195/79, NJW 1980, 1795; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 69. 386 BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 26; v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 35; v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (48); BGH v. 15.9.2014 – II ZR 442/13, ZInsO 2015, 1216 ff. Rz. 22. 387 Gehrlein, ZInsO 2012, 197 (198). 388 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 33. 389 Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 30; Gehrlein in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, § 129 Rz. 55; einschränkend offenbar MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 72 i.V.m. Rz. 14 a.E.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 133 B

c) Abgrenzung der mittelbaren Zuwendung gegenüber der Rechtsnachfolge (sog. „Leistungskette“) Es drängt sich auf, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise die Gefahr der B 132 Überdehnung in sich birgt. Als erste rechtliche Hürde hat der BGH im Ansatz zutreffend erkannt, dass die Anfechtungstatbestände nur Zuwendungen aus dem Vermögen des Schuldners erfassen, da nur dann dessen Gläubiger im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt werden. Die Anfechtung gegenüber Rechtsnachfolgern des Schuldners bestimmt sich allein nach § 145 InsO. Ginge man darüber hinaus und unterwürfe auch Leistungen Dritter der Insolvenzanfechtung, verstieße man gegen den insolvenzrechtlichen Grundsatz, dass den Insolvenzgläubigern allein das Vermögen des Schuldners und nicht auch jenes eines Dritten haftet.390 Eine Rechtsnachfolge im Sinne des § 145 InsO liegt nach der Rechtsprechung des BGH vor, wenn der Empfänger (Ehemann) eines anfechtbar begebenen Schecks diesen über das Konto einer anderen Person (Ehefrau) zu deren Gunsten einziehen lässt.391 Nach Ansicht des BGH kommt es insoweit nicht entscheidend auf die Frage an, ob der Ehemann den Scheck der Ehefrau übereignet oder ob er ihn unmittelbar ihrer Sparkasse zum Einzug übertragen hat. Denn im ersten Fall wäre die Beklagte Vollrechtsinhaberin nach ihrem Ehemann geworden; im zweiten Fall hätte zwar die Sparkasse die Rechte aus dem Scheck erlangt, aber nur als Beauftragte der Ehefrau.392 Dieser habe von Anfang an ein Anspruch gegen die Sparkasse auf Herausgabe des Erlöses zugestanden. Eine Rechtsnachfolge im anfechtungsrechtlichen Sinne könne auch dann vorliegen, wenn aus dem anfechtbar erworbenen Gegenstand selbst ein neues Recht geschaffen und abgeleitet oder abgespalten werde. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass bei der Weitergabe von Geld eine Rechtsnachfolge lediglich dann anzunehmen ist, wenn die anfechtbar weggegebenen Geldscheine oder Geldstücke körperlich – also nicht nur ihrem Wert nach – weitergegeben werden, also nicht bei der Einzahlung auf ein debitorisches Konto bei einer Bank.393 Konsequenterweise dürfte man somit eine mittelbare Zuwendung (unter Aus- B 133 blendung der Mittelsperson) im Grundsatz nur bei einer Zuwendung annehmen, die nicht aus dem eigenen Vermögen der Mittelsperson vorgenommen wird. Nach hergebrachtem Verständnis wird eine Zuwendung aus dem Vermögen der Mittelsperson vorgenommen, wenn der weggegebene Gegenstand – wenn auch nur vorübergehend – im Eigentum der Mittelsperson gestanden hat. Übereignet daher der Schuldner einen Gegenstand an die Mittelsperson, damit diese ihn an den Zuwendungsempfänger weiterleitet, läge demnach keine mittelbare Zuwendung, sondern eine „Leistungskette“ vor.394 So eng fasst der BGH den Anwendungsbereich der mittelbaren Zuwendung aber nicht. 390 Vgl. Kayser in Festschrift für Ganter, 2010, S. 221 (224). 391 BGH v. 10.1.2002 – IX ZR 61/99, NJW 2002, 1342 ff. 392 BGH v. 10.1.2002 – IX ZR 61/99, NJW 2002, 1342 ff. Rz. 28 f.; HK-InsO/Kreft, § 145 Rz. 6. 393 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZInsO 2008, 1202 ff. Rz. 11 ff.; v. 5.2.1987 – IX ZR 161/85, BGHZ 100, 36 (41); MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 18 mit Hinweis auf OLG Rostock v. 26.2.2007 – 3 U 96/06, ZIP 2007, 1073 ff. 394 Vgl. zum Eigentumsübergang beim sog. „Streckengeschäft“ BGH v. 22.3.1982 – VIII ZR 92/81, NJW 1982, 2371 f.; Wilhelm, Sachenrecht, 3. Aufl., Rz. 894. Schfer

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B Rz. 134

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 134 Der BGH beschreibt die Leistungskette dahingehend, dass der Schuldner den Vermögensgegenstand anfechtbar auf einen ersten Leistungsempfänger übertrage, der ihn aufgrund einer eigenständigen Rechtshandlung seinerseits an einen Dritten weiterleite.395 Es bleibt jedoch unklar, wann eine solche eigenständige Rechtshandlung gegeben sein soll. Der BGH betrachtet den Gesamtvorgang bei der Frage, ob eine mittelbare Zuwendung gegeben ist, vorrangig unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.396 Danach müssen die nach § 143 Abs. 1 InsO zurückzugewährenden „Werte“ nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen. Es soll vielmehr genügen, wenn der Schuldner es etwa „kraft seiner Bonität“ – im Rahmen einer geduldeten Kontoüberziehung oder eines zweckgebundenen Kredits – erreicht, dass die Mittelsperson aus ihrem Vermögen eine Zuwendung an den Zuwendungsempfänger erbringt. „Die Gläubigerbenachteiligung der Direktauszahlung des Überziehungskredits“ von der Bank an den begünstigten Gläubiger liege gerade darin, dass die Kreditmittel nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt und dort für den Zugriff der Gläubigergesamtheit verblieben seien.397 In beiden Fällen hat der BGH eine mittelbare Zuwendung des Schuldners bejaht.398 Nach Ansicht des BGH soll es also doch nicht der Annahme einer mittelbaren Zuwendung entgegenstehen, dass die Zuwendung nicht aus dem Vermögen des Schuldners, sondern aus dem Vermögen eines Dritten vorgenommen wurde. Danach erscheint die Abgrenzung zur Rechtsnachfolge wieder offen. B 135 In den vom BGH durch die Urteile vom 6.10.2009 und vom 17.3.2011 entschiedenen Fällen lagen aber in Wirklichkeit keine mittelbaren Zuwendungen des Schuldners vor. Die Anfechtbarkeit war unabhängig von ihrem Vorliegen gegeben. Der BGH nimmt zu Unrecht an, dass die Zahlung an den Zuwendungsempfänger unmittelbar aus dem Vermögen der Bank erfolgt und nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt sei; sie wurde vielmehr aus dem Vermögen des Schuldners vorgenommen. Der BGH geht selbst zu Recht davon aus, dass die mittelbare Zuwendung nur „infolge und nach“ der Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt werden könne.399 Also hatte der Schuldner zumindest vorübergehend Verfügungsmacht über die fraglichen Mittel; diese waren zumindest vorübergehend dinglich seinem Vermögen zugeordnet. Der von der Bank in Gang gesetzte Zahlungsfluss war rechtlich gesehen eine Verfügung des Schuldners; dessen Gläubiger hätten bis zur Vollendung dieser Verfügung (wenngleich nur ganz kurzfristig) mit Erfolg eine Pfändung erwirken können. Eben weil die Mittel zumindest vorübergehend in das Vermögen des Schuldners gelangt waren, läge es eigentlich nahe, in solchen Fällen von einer

395 BGH v. 3.4.2012 – IX ZR 201/13 – „Inkassozession“, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 27. 396 BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, Rz. 13; v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 22; v. 17.7.2008 – IX ZR 245/06, ZIP 2008, 2136 ff. Rz. 11. 397 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 ff. Rz. 11; v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 15 mit Hinweis auf Bitter in Festschrift für G. Fischer, S. 15 ff. (36). 398 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05 – „geduldete Kontoüberziehung“, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 14; v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08 – „zweckgebundener Kredit“, ZIP 2011, 824 ff. Rz. 10. 399 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 14.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 138 B

Rechtsnachfolge und somit von einer Leistungskette, nicht aber von einer mittelbaren Zuwendung auszugehen. Der BGH betrachtet jedoch wirtschaftlich und lässt es für die Annahme einer mittelbaren Zuwendung genügen, dass die der Mittelsperson überlassenen Mittel in deren Vermögen „durchlaufende Posten“ waren. Geht man jedoch so weit, so ist zumindest die Prüfung unerlässlich, ob die möglichen Rechtsfolgen einer Anfechtung mit den zwischen den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen vereinbar sind. Dies hat der BGH in einem Urteil vom 16.11.2007400 verkannt: BGH-Urteil vom 16.11.2007 – BGHZ 174, 228 ff. Die Schuldnerin war eine Tochtergesellschaft im Konzern der V-GmbH, dem B 136 auch die H-GmbH und die I-GmbH angehörten. Nachdem bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Vermögen der V-GmbH und der H-GmbH beantragt worden war, hatte die Schuldnerin von ihrem Geschäftskonto ca. 81 000 Euro zur Begleichung fälliger Sozialversicherungsbeiträge, welche die V-GmbH, die H-GmbH und die I-GmbH der Beklagten schuldeten, für diese an die Beklagte überwiesen. Nach der Behauptung der Beklagten stammten die dafür erforderlichen Mittel ursprünglich aus dem Vermögen der V-GmbH und der H-GmbH. Die Revision des klagenden Insolvenzverwalters über das Vermögen der Schuldnerin gegen das überwiegend klageabweisende Berufungsurteil führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der BGH weist zunächst darauf hin, dass ein Treuhandverhältnis ausscheide, B 137 da die Schuldnerin die – unterstellt – von den verbundenen Unternehmen überlassenen Gelder nicht separiert habe.401 Nach Ansicht des BGH war dennoch eine mittelbare Zuwendung sowohl dann gegeben, wenn die V-GmbH und die H-GmbH zum Zwecke der Befriedigung der Beklagten an die Schuldnerin Geld überwiesen hätten, als auch dann, wenn die V-GmbH und die H-GmbH Gegenstände an die Schuldnerin verkauft und diese angewiesen haben sollten, den Kaufpreis zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten bei der Beklagten zu verwenden.402 Denn die fraglichen Gelder hätten bei der Schuldnerin nur „durchlaufende Posten“ dargestellt.403 Obwohl der BGH somit die der Schuldnerin – unterstellt – überlassenen Gelder als „durchlaufende Posten“ ansieht, bejaht er im Grundsatz die Möglichkeit einer „Schenkungsanfechtung“ gemäß § 134 Abs. 1 InsO im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und dem Zuwendungsempfänger, da dessen Forderung gegen die verbundenen Unternehmen wertlos gewesen sei.404 Nach Ansicht des BGH lagen somit möglicherweise konkurrierende Anfech- B 138 tungsansprüche für verschiedene Insolvenzmassen vor. In diesem Fall gehe die

400 401 402 403 404

BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04 – „Cash-Pool (2)“, BGHZ 174, 228 ff. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 21. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 26. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 42. Vgl. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 8 ff. Schfer

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B Rz. 138

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des Leistenden (Insolvenzverwalter über das Vermögen der V-GmbH und der H-GmbH als Streithelfer) der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des Leistungsmittlers vor. Die Deckungsanfechtung des Insolvenzverwalters der V-GmbH und der H-GmbH schließe somit die Schenkungsanfechtung des Klägers aus. Die Beklagte, die unter Hinweis auf den konkurrierenden Anfechtungsanspruch des Streithelfers die Sachbefugnis des Klägers bestreite, habe darzulegen und zu beweisen, dass der konkurrierende, vorrangige Anfechtungsanspruch erhoben sei und dass seine Voraussetzungen erfüllt seien. Dieser Fall zeigt jedoch, dass die losgelöst von den zwischen den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen vorgenommene Bestimmung der Unentgeltlichkeit einer Leistung erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Der BGH muss die „Schenkungsanfechtung“ des Insolvenzverwalters der Schuldnerin aufgrund einer möglichen Deckungsanfechtung des Streithelfers der Beklagten zurückdrängen. Damit sind jedoch erhebliche Probleme verbunden. Hat der Streithelfer noch nicht gegenüber der Beklagten angefochten, kann auch der Insolvenzverwalter der Schuldnerin nicht verlässlich anfechten. Ob etwa die Beklagte zum Zeitpunkt der Zuwendung die Zahlungsunfähigkeit oder den Insolvenzantrag der V-GmbH kannte, kann der Insolvenzverwalter der Schuldnerin nicht wissen. Die Beklagte muss auf dessen Schenkungsanfechtung hin an diesen zahlen, obwohl sie nicht weiß, ob sie auch vom Streithelfer noch im Wege der vorrangigen Deckungsanfechtung in Anspruch genommen wird. Die Erwägung des BGH, wonach die Beklagte darzulegen und zu beweisen habe, dass der konkurrierende, vorrangige Anfechtungsanspruch erhoben sei und dass dessen Voraussetzungen erfüllt seien, löst die durch seine Rechtsprechung aufgeworfenen Probleme nicht Denn es gibt keine „Einrede der möglichen Anfechtung“ für den Fall, dass seitens des Drittschuldners noch nicht gegenüber dem Zuwendungsempfänger angefochten wurde. B 139 Ein weiterer Gesichtspunkt gibt Anlass zu Bedenken. Wie bereits erwähnt wurde, war in dem vom BGH entschiedenen Fall vorgetragen worden, die mit der Schuldnerin verbundenen Unternehmen hätten dieser finanzielle Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten der verbundenen Unternehmen gegenüber dem verklagten Sozialversicherungsträger überlassen. Obwohl die überlassenen Mittel nach diesem Vorbringen in das Vermögen der Schuldnerin übergegangen waren und somit – anders als bei einem uneigennützigen Treuhänder – zumindest vorübergehend dem Zugriff der Gläubiger der Schuldnerin unterlagen, geht der BGH nicht von einer Leistungskette aus, welche eine anfechtungsrechtliche Beurteilung des Vorgangs nach den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs zur Folge hätte haben müssen. Er geht vielmehr von einer mittelbaren Zuwendung aus, da die der Schuldnerin überlassenen Mittel nur einen „durchlaufenden Posten“ dargestellt hätten.405 Die Rechtsfigur der mittelbaren Zuwendung solle eine „auftretende Schutzlücke“ schließen, wenn die Mittelsperson die Vermögensteile nicht im wirtschaftlichen Sinne vereinnahmt, sondern als „durchlaufenden Posten“ weitergereicht habe.406 Es stellt sich indes die

405 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 42. 406 So Kayser, Festschrift für Ganter, 2010, S. 227.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 140 B

Frage, ob von einer anfechtungsrechtlich begründbaren Schutzlücke seit dem Urteil des BGH vom 26.4.2012407 überhaupt noch auszugehen ist. Denn der BGH nimmt den Leistungsmittler nicht mehr grundsätzlich von der Anfechtung aus, sondern unterwirft ihn der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, wenn er in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet. Der Zuwendungsempfänger haftet gegebenenfalls als Rechtsnachfolger gemäß § 145 Abs. 2 Nr. 1 InsO, wenn ihm die Umstände bekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers begründeten. Wenn die verbundenen Unternehmen finanzielle Mittel in das Vermögen der B 140 Schuldnerin überführt haben, damit diese für sie Verbindlichkeiten ggü. dem Sozialversicherungsträger begleicht, kann im Verhältnis zwischen den verbundenen Unternehmen und der Schuldnerin eine Vorsatzanfechtung begründet sein. Man kann über diese Vorsatzanfechtung nicht mit der Erwägung hinweggehen, dass mit der Leistung der Mittel in das Vermögen der Schuldnerin noch keine Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO vorgelegen habe, sondern erst mit der planmäßigen Weiterleitung an den Sozialversicherungsträger.408 Vielmehr ist schon in der Zahlung der Mittel in das Vermögen der Mittelsperson eine die Gläubiger der verbundenen Unternehmen benachteiligende Rechtshandlung zu sehen. Dies zeigt bereits die Erwägung, was zu gelten hätte, wenn der Gesamtvorgang bei der Schuldnerin stecken geblieben wäre. Gewiss würde man dann annehmen, dass die Zuwendung der verbundenen Unternehmen an die Schuldnerin im Wege der Vorsatzanfechtung durch deren Insolvenzverwalter „zurückgeholt“ werden kann. Dieser Anfechtungsanspruch gewährt dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der verbundenen Unternehmen aber nach der Rechtsprechung des BGH ein Aussonderungsrecht.409 Es kann daher keine zusätzliche vermögensschmälernde Rechtshandlung im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und dem Zuwendungsempfänger vorgelegen haben, weil die dafür verwendeten Mittel haftungsmäßig dem Vermögen der verbundenen Unternehmen – und somit nicht dem Vermögen der Schuldnerin – zugeordnet waren. Auch in diesem Fall gilt, dass eine Zuwendung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers nicht zugleich entgeltlich (im Verhältnis zu den verbundenen Unternehmen) und unentgeltlich (im Verhältnis zur Schuldnerin) sein kann.410 Der BGH hätte daher im Grundsatz nur eine Anfechtbarkeit im Verhältnis zwischen den verbundenen Unternehmen und dem Zuwendungsempfänger einerseits und eine Anfechtung im Verhältnis zwischen den verbundenen Unternehmen und der Schuldnerin andererseits in Betracht ziehen dürfen. Eine Schutzlücke, die es erforderlich erscheinen lässt, weitere Anfechtungsansprüche gegen den Zuwendungsempfänger anzuerkennen, ist nicht ersichtlich.

407 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. 408 Vgl. dazu BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038 ff. – „uneigennütziger Treuhänder“. 409 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. 410 Vgl. Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 101. Schfer

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B Rz. 140a

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 140a Der BGH hat durch Urteil vom 4.2.2016411 klargestellt, dass die Deckungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter des (Dritt-)Schuldners eine „Schenkungsanfechtung“ durch den Insolvenzverwalter des Leistungsmittlers nur insoweit ausschließt, als der Anfechtungsgegner das anfechtbar Erlangte tatsächlich an den Insolvenzverwalter, der die Deckungsanfechtung geltend macht, zurückgewährt. Ein zwischen dem Insolvenzverwalter des Drittschuldners und dem Zuwendungsempfänger geschlossener Vergleich über den Anfechtungsanspruch hat keinen Einfluss auf den Anspruch des Insolvenzverwalters des Leistungsmittlers aus „Schenkungsanfechtung“. Denn es lässt sich gegenüber den Gläubigern im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leistungsmittlers nicht rechtfertigen, dass der Anfechtungsanspruch dadurch zunichte gemacht wird, dass ein Vergleich über einen zweifelhaften Anspruch aus Deckungsanfechtung geschlossen wird.412 Eine weitere Klarstellung enthält das Urteil des BGH vom 25.2.2016.413 Danach kommt eine Deckungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter des Drittschuldners nur dann in Betracht, wenn dieser dem Schuldner den Gegenwert der Mittel, mit denen der Zuwendungsempfänger befriedigt wurde, aus seinem Vermögen zur Verfügung gestellt hatte, die Befriedigung des Zuwendungsempfängers sich somit als mittelbare Zuwendung des Drittschuldners darstellt. B 141 Das Oberlandesgericht Dresden414 hat später in einem mit BGHZ 174, 228 ff. vergleichbaren Fall einen tatbestandlichen Vorrang der Deckungsanfechtung vor der Schenkungsanfechtung verneint, da ein solcher Vorrang den schutzwürdigen Interessen des Anfechtungsgegners nicht gerecht werde. Dieser sei – wie der BGH zu Recht hervorgehoben habe – in jedem Fall vor doppelter Inanspruchnahme zu schützen. Dies wäre nach Ansicht des Oberlandesgerichts Dresden auf der Basis des tatbestandlichen Vorrangs der Deckungsanfechtung zumindest dann nicht sicher zu gewährleisten, wenn der Anfechtungsanspruch im Zuwendungsverhältnis (Anfechtung nach § 134 InsO) zuerst geltend gemacht und vom Anfechtungsgegner auch erfüllt wird.415 Die mit der Anfechtung im Zuwendungsverhältnis verbundene Folge konkurrierender Anfechtungsansprüche sei auf der Rechtsfolgenebene zu lösen. Der Anfechtungsgegner könne gegen die Anfechtung im Zuwendungsverhältnis nach § 134 Abs. 1 InsO in Höhe der tatsächlich im Valutaverhältnis geleisteten Zahlung (der Insolvenzverwalter des Tochterunternehmens und der Zuwendungsempfänger hatten zuvor einen Vergleich geschlossen) die Entreicherung gemäß §§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO, 818 Abs. 3 BGB einwenden.416 Interessanterweise hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde in einem zwischen den Insolvenzverwaltern geführten Prozess mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Anspruch des Klägers aus § 134 Abs. 1 InsO Vorrang gegenüber einem etwaigen Anfechtungsanspruch des Beklagten aus den §§ 130, 131 InsO habe, weil die Zahlung mit Mitteln der vom Kläger verwalteten

411 412 413 414 415 416

BGH v. 4.2.2016 – IX ZR 42/14, ZIP 2016, 478 ff. BGH v. 4.2.2016 – IX ZR 42/14, ZIP 2016, 478 ff. Rz. 24. BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 ff. Rz. 13. OLG Dresden v. 23.12.2008 – 13 U 1672/07, ZIP 2009, 1173 ff. OLG Dresden v. 23.12.2008 – 13 U 1672/07, ZIP 2009, 1173 ff. Rz. 29. Vgl. OLG Dresden v. 23.12.2008 – 13 U 1672/07, ZIP 2009, 1173 ff. Rz. 31.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 144 B

Masse erfolgt sei und nicht mittelbar mit Mitteln der vom Beklagten verwalteten Masse.417 Das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden ist noch aus einem anderen Grund B 142 von besonderem Interesse. Der dort nach § 134 InsO vorgehende Insolvenzverwalter hatte zugestanden, dass durch die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte Forderungen der Tochtergesellschaft gegen die Schuldnerin befriedigt worden seien. Die Schuldnerin habe nach wöchentlich erfolgter Absprache die Tilgung der jeweils besonders dringlichen Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft auf deren Bitte hin übernommen.418 Damit ist die Frage aufgeworfen, inwieweit eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO in sog. „Anweisungslagen“ überhaupt in Betracht kommt, und insbesondere, ob die Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger ausgeschlossen ist, wenn der Schuldner auf eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner des Zuwendungsempfängers (Drittschuldner) geleistet hat. aa) Problembereich der Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger bei Leistungspflicht des Schuldners gegenüber dem Drittschuldner Nach der Rechtsprechung des BGH steht es der Anfechtung nach § 134 Abs. 1 B 143 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger nicht entgegen, wenn der Schuldner aufgrund einer entgeltlichen Kausalbeziehung mit dem Drittschuldner zur Zahlung an den Zuwendungsempfänger verpflichtet ist. Maßgebend ist vielmehr allein das Rechtsverhältnis zwischen dem verfügenden Schuldner und dem Zuwendungsempfänger; nur in diesem Verhältnis könne ausgehend vom Schutzzweck des § 134 InsO die Unentgeltlichkeit beurteilt werden. Ob daneben auch eine Verbindlichkeit erfüllt werde, sei unerheblich.419 BGH-Urteil vom 3.3.2005 – BGHZ 162, 276 ff. – „Cash-Pool (1)“ Die Schuldnerin gehörte zu einem Unternehmensverbund, in dem ein sog. B 144 „Cash-Pool“ praktiziert wurde, wonach fällige Verbindlichkeiten jeweils von dem Unternehmen beglichen wurden, das gerade über die erforderliche Liquidität verfügte. Am 14.4.1997 vereinbarte die Gemeinschuldnerin mit der L-GmbH, dass sie deren Verbindlichkeit ggü. der Beklagten übernehme, und kündigte ggü. der Beklagten die Begleichung der Forderung für die L-GmbH an. Sie überwies daraufhin am 23.6.1997 100 000 DM an die Beklagte. Am 17.10.1997 wurde über das Vermögen der L-GmbH das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Der Kläger hat als Verwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin deren Zahlung an die Beklagte angefochten und Rückzahlung verlangt. Die Revision des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Berufungsgerichts hatte Erfolg.

417 BGH v. 10.1.2008 – IX ZR 229/06, juris Rz. 2. 418 OLG Dresden v. 23.12.2008 – 13 U 1672/07, ZIP 2009, 1173 ff. Rz. 25. 419 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (101); v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. Rz. 14; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 11; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 12. Schfer

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B Rz. 145

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 145 Nach Ansicht des Berufungsgerichts stellte die Zahlung der Gemeinschuldnerin keine unentgeltliche Verfügung i.S.d. § 32 Nr. 1 KO (vgl. jetzt § 134 Abs. 1 InsO) dar. Der BGH ist dem nicht gefolgt. Werde in den Zuwendungsvorgang eine dritte Person eingeschaltet, komme es nicht entscheidend darauf an, ob der Gemeinschuldner selbst einen Ausgleich für seine Verfügung erhalten habe. Maßgebend sei vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung habe erbringen müssen. Die Gegenleistung des Empfängers liege i.d.R. darin, dass er eine werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner verliere. Grundsätzlich sei deshalb nicht der Leistungsempfänger, sondern dessen Schuldner der richtige Beklagte für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Zuwendung.420 Dies gelte jedoch dann nicht, wenn die Forderung des Zuwendungsempfängers ggü. seinem Schuldner wertlos gewesen sei. Eine Kenntnis des Leistungsempfängers von der Wertlosigkeit seiner Forderung sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ausschlaggebend. Der anfechtungsrechtliche Begriff der unentgeltlichen Verfügung sei wegen der Belange des Gläubigerschutzes weit auszulegen und setze eine Einigung über die Unentgeltlichkeit als solche nicht voraus. Maßgebend sei in erster Linie der objektive Sachverhalt.421 B 146 Ob der Leistungsempfänger im Verhältnis zu seinem Schuldner zu einem früheren Zeitpunkt eine Leistung erbracht habe, sei für die Anfechtung nicht von Bedeutung. Es werde zwar teilweise die Auffassung vertreten, dass die Entgeltlichkeit der Leistung bereits dann zu bejahen sei, wenn deren Empfänger seinerseits Leistungen an seinen Schuldner erbracht habe, deren Gegenleistung die Zuwendung darstelle, denn die Unentgeltlichkeit der Leistung könne wegen der Abstraktheit von Verfügungen auch im Drei-Personen-Verhältnis nur aus den Kausalbeziehungen erschlossen werden.422 Dies stehe jedoch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Die Leistung des Gemeinschuldners sei auch nicht deshalb entgeltlich, weil er sich gegenüber dem Schuldner der Forderung zu deren Tilgung verpflichtet habe. Entgeltlich wäre die Zuwendung nach Ansicht des BGH nur dann gewesen, wenn die Beklagte einen Anspruch auf Leistung ggü. der Gemeinschuldnerin gehabt hätte. Dass im Rahmen des zentralisiert geführten Zahlungsverkehrs womöglich auch Eingänge für die L-GmbH auf dem Konto der Gemeinschuldnerin verbucht worden seien, schließe die gläubigerbenachteiligende Wirkung der erfolgten Zahlung i.H.v. 100 000 DM nicht aus. Eingehende Zahlungen für die L-GmbH hätten mit der unentgeltlichen Verfügung zugunsten der Beklagten in keinem rechtlichen Zusammenhang gestanden. B 147 Die Rechtsprechung des BGH zur Anfechtbarkeit wegen unentgeltlicher Leistung gem. § 134 InsO im Fall der Befriedigung einer „wertlosen“ Forderung des Zuwendungsempfängers gegen dessen Schuldner begegnet erheblichen Bedenken.423 Die Forderung des Zuwendungsempfängers (Gläubigers) gegen seinen 420 Vgl. BGH v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, ZIP 1983, 32 und BGH v. 15.4.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (302). 421 BGH v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (102). 422 Vgl. OLG Koblenz v. 13.5.2004 – 5 U 1539/03, ZInsO 2004, 552; Henckel, ZIP 2004, 1671 (1674); Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 32 Rz. 17. 423 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 25; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rz. 21.92; Wittig, NZI 2005, 606 ff.; M. Huber, NZI 2008, 149 ff.; Gundlach/Frenzel, NZI 2006,

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 148 B

Schuldner ist häufig nicht wertlos, auch wenn Letzterer insolvenzreif ist.424 Auch die Anfechtungsvoraussetzungen – deren Vorliegen für Wertlosigkeit sprechen könnte – sind im Verhältnis zum Schuldner des Zuwendungsempfängers nicht zwangsläufig gegeben, wenngleich nach der Rechtsprechung in solchen Fällen i.d.R. von einer inkongruenten Deckung i.S.d. § 131 InsO auszugehen ist.425 Nach der Rechtsprechung des BGH ist Zahlungsunfähigkeit bereits gegeben, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr beträgt und er nicht in der Lage ist, innerhalb von 3 Wochen die zur Begleichung der fälligen Verbindlichkeit benötigten Mittel zu beschaffen.426 Im günstigen Fall hat der Gläubiger daher eine durchaus beachtliche Quote in der Insolvenz seines Schuldners zu erwarten. Er kann seine Forderung jedoch nicht im Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Schuldners anmelden, da er durch die Zahlung des Zuwendenden, welcher er gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur mit Zustimmung des Schuldners widersprechen könnte, befriedigt ist. Ist er gem. § 134 InsO für den Zeitraum von bis zu 4 Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages durch den Zuwendenden der Anfechtung des Insolvenzverwalters über dessen Vermögen ausgesetzt, so kann es durchaus sein, dass er letztlich sogar sein ursprüngliches Recht auf die Quote verliert. Dies ist ein Eingriff in die zwischen dem Zuwendungsempfänger und dessen Schuldner bestehende Leistungsbeziehung, die auch bei Berücksichtigung des Zwecks des § 134 Abs. 1 InsO nicht gerechtfertigt sein dürfte. Die Frage der Unentgeltlichkeit einer Leistung kann im Grundsatz nur unter Berücksichtigung der zwischen den Beteiligten bestehenden Leistungsbeziehungen beurteilt werden. Die Zweifel gegenüber der Rechtsprechung des BGH werden auch an dem fol- B 148 genden gedachten Fall (in Anlehnung an BGH ZInsO 2013, 73 ff.)427 deutlich: Der Drittschuldner hat aufgrund eines mit der Schuldnerin (offene Handelsgesellschaft) abgeschlossenen entgeltlichen Vertrages, auf den er vorgeleistet hat, einen Anspruch gegen die Schuldnerin, dass diese die Verbindlichkeit des Drittschuldners gegenüber dem Zuwendungsempfänger begleicht. Dies ist etwa der Fall, wenn der Drittschuldner als Arbeitnehmer bei der Schuldnerin beschäftigt ist und letztere die Beiträge für den freiwillig krankenversicherten Drittschuldner an die Krankenkasse abführt. Der Drittschuldner ist zugleich (Minderheits-)Gesellschafter der Schuldnerin und wird aufgrund seiner persönlichen Haftung für die Gesellschaftsschulden gleichzeitig mit dieser insolvent. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin verlangt von der Krankenversicherung die Rückgewähr der für den Drittschuldner abgeführten Beiträge unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung nach § 134 InsO.

424 425 426 427

400 f.; Schulz/Schröder, DZWIR 2008, 419 f.; Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 102 ff.; OLG Koblenz v. 13.5.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 ff. Zutr. OLG Koblenz, v. 11.9.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 ff. BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZInsO 2006, 94 ff. Rz. 9; v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356 ff. Vgl. BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZInsO 2006, 1210 ff. BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12 – „Freiwillig Krankenversicherte“, ZInsO 2013, 73 ff. Schfer

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B Rz. 149

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 149 Nach der Rechtsprechung des BGH kommt im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und dem Zuwendungsempfänger eine Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht, da die Forderung des Zuwendungsempfängers gegen den Drittschuldner wegen dessen Insolvenzreife „wertlos“ war und der Schuldner nicht auf eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Zuwendungsempfänger geleistet hat.428 Denn der Arbeitgeber ist nicht Schuldner der Beiträge der freiwillig krankenversicherten Arbeitnehmer.429 Infolge der Anfechtung des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Schuldnerin nach § 134 Abs. 1 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger lebt nach der Rechtsprechung des BGH gemäß § 144 Abs. 1 InsO dessen Forderung gegen den Drittschuldner wieder auf.430 Es stellt sich ferner die Frage, ob auch die Forderung des Drittschuldners gegen die Schuldnerin wieder auflebt, womit freilich die weitere Frage verbunden ist, auf welcher Rechtsgrundlage dies der Fall sein soll. Der BGH meint dazu in einem Urteil vom 22.11.2012431 nur, die freiwillig versicherten Beschäftigten trügen im Falle des Wiederauflebens der Forderung des Zuwendungsempfängers ein ähnliches Insolvenzrisiko wie in dem Fall, dass ihnen gegenüber die im Deckungsverhältnis erlangte Beitragsbefreiung vom Insolvenzverwalter des Arbeitgebers angefochten worden sei; es könne deshalb gerechtfertigt sein, auch die Forderung des Drittschuldners gegen den Schuldner als Insolvenzforderung entsprechend § 144 Abs. 1 InsO wieder aufleben zu lassen.432 Diese Forderung des Drittschuldners ist aber aufgrund der Insolvenz der Schuldnerin „wertlos“. B 150 Den Drittschuldner treffen somit letztlich die Folgen der Anfechtung im Verhältnis zwischen Schuldner und Zuwendungsempfänger, selbst wenn in seiner Person kein Anfechtungstatbestand erfüllt ist. Dies weckt Zweifel an der Rechtsprechung des BGH.433 Es wird vielmehr zu erwägen sein, ob auch in den Fällen, in denen der Schuldner aufgrund einer entgeltlichen Kausalbeziehung zum Drittschuldner an den Zuwendungsempfänger leistet, eine „Schenkungsanfechtung“ gegenüber dem Zuwendungsempfänger ausscheidet.434 Denn in der Regel wird in solchen Fällen auch eine entgeltliche Kausalbeziehung zwischen dem Zuwendungsempfänger und dem Drittschuldner bestehen. Aus der Sicht des Zuwendungsempfängers kann aber ein und dieselbe Zuwendung nicht zugleich entgeltlich und unentgeltlich sein.435 Berücksichtigt man bei der Lösung des Problems die zwischen den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen, so lag keine (im Sinne des § 134 InsO unentgeltliche) Leistung der Schuldnerin an die Krankenversicherung, sondern eine Leistung der Schuldnerin an den Arbeitnehmer und 428 Leistet der Schuldner auf eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Zuwendungempfänger, scheidet nach der Rechtsprechung des BGH eine Anfechtung nach § 134 InsO aus: BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 35; v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (48). 429 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. 430 BGH v. 22.12.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. Rz. 12; v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (48); MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 7a. 431 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. 432 BGH v. 22.12.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. Rz. 13 mit Hinweis auf OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 (290). 433 Vgl. Schönfelder, WuB VI A. § 133 InsO 5.13. 434 Vgl. Thole, KTS 2011, 219 (232). 435 Vgl. Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 101.

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Rz. 152 B

I. Die Rechtshandlung

zugleich eine Leistung des Arbeitnehmers an die Krankenversicherung vor (Leistungskette). Die Schuldnerin erfüllte mit dem Gesamtvorgang zunächst ihre arbeitsrechtliche Verbindlichkeit gegenüber dem Arbeitnehmer und leitete anschließend nach Art einer Zahlstelle die dem Arbeitnehmer zustehenden Mittel an dessen Gläubiger (Krankenversicherung) weiter. Auch der BGH spricht in seiner Rechtsprechung zunehmend von einer „Leitbildfunktion“ des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs für die Insolvenzanfechtung in Mehrpersonenverhältnissen.436 Es spricht daher in der Tat einiges dafür, die von ihm als mittelbare Zuwendungen eingestuften Anweisungsfälle von der Anfechtung nach § 134 InsO auszunehmen.437 Eine „echte“ Leistung auf fremde Schuld im Sinne des § 267 BGB liegt im Grundsatz nur vor, wenn der Schuldner weder gegenüber dem Zuwendungsempfänger noch gegenüber dessen Schuldner (Drittschuldner) zur Zahlung verpflichtet war. In dem oben gebildeten Beispielsfall war keine Kausalbeziehung zwischen dem B 151 Schuldner und dem Zuwendungsempfänger gegeben, weil der Arbeitgeber nicht Schuldner der Beiträge der freiwillig Krankenversicherten im Verhältnis zur Krankenkasse war. Dies legt bei Berücksichtigung der zwischen den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen aufgrund deren Vorrangs gegenüber der „Schenkungsanfechtung“ die Erwägung nahe, dass im Verhältnis zwischen dem Schuldner und der Krankenkasse keine unentgeltliche „Leistung“ im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO gegeben war. Aber auch wenn zwischen dem Schuldner und dem Zuwendungempfänger eine Kausalbeziehung besteht, kann diese gegenüber den sonstigen Kausalbeziehungen zwischen den Beteiligten derart untergeordnet sein, dass die Annahme einer unentgeltlichen „Leistung“ im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO ausscheidet. Dies zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18.1.2007:438 bb) Problembereich der Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger bei Vorrangigkeit der Kausalbeziehung des Schuldners gegenüber dem Drittschuldner OLG Karlsruhe-Urteil vom 18.1.2007 – ZIP 2007, 286 ff. Die insolvente GmbH hatte bei der verklagten Lebensversicherung Direkt- B 152 versicherungen zugunsten ihrer Arbeitnehmer abgeschlossen und diesen ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt. Die Prämien wurden im Wege der Gehaltsumwandlung finanziert und von der Versicherung aufgrund einer Einziehungsermächtigung bei der Schuldnerin eingezogen. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagten (mit Erfolg) die Rückzahlung der in der Krise der Schuldnerin abgebuchten Prämien.

436 BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 24 mit Hinweis auf BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287) und BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11 – „Organschaft“, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 19. 437 Thole, KTS 2011, 219 (232) – a.A. K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 26. 438 OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06 – „Direktversicherung“, ZIP 2007, 286 ff. Schfer

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B Rz. 153

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 153 Nach dem Grundsatz, wonach der „richtige“ Anfechtungsgegner in Mehrpersonenverhältnissen nach den Zuordnungskriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs zu ermitteln ist,439 erscheint es fraglich, ob der Kläger die Prämienzahlungen anfechten konnte. Denn mit der Zahlung der Versicherungsbeiträge verfolgt der Arbeitgeber vorrangig den Zweck, den entsprechenden Teil der Forderung des Arbeitnehmers auf Zahlung des Arbeitsentgelts zu befriedigen. Er verfolgt damit zwar zugleich auch den Zweck, die gegen ihn gerichtete Forderung der Versicherung auf Prämienzahlung zu erfüllen; dieser Zweck ist jedoch dem gegenüber dem Arbeitnehmer verfolgten Zweck untergeordnet. Die Beteiligten sehen die Direktversicherung als Lebensversicherung des Arbeitnehmers an, die im Wesentlichen aus steuerlichen Gründen direkt zwischen dem Arbeitgeber und der Versicherung abgeschlossen wird. Da die Beiträge zudem aus dem dem Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelt geleistet werden (Entgeltumwandlung), liegt eine Versicherung vor, die einer Versicherung im eigenen Namen für fremde Rechnung (vgl. § 43 Abs. 1 VVG – „Versicherung für fremde Rechnung“) zumindest nahe steht. Direktansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer bestehen in diesem Fall nicht (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG). Dementsprechend kann der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Arbeitgebers auch keinen Anfechtungsanspruch gegenüber der Versicherung geltend machen. B 154 Eine Insolvenzanfechtung kommt somit allenfalls gegenüber dem Arbeitnehmer in Betracht. Insoweit wird man jedoch nicht an der Erwägung vorbeikommen, dass ein Arbeitnehmer, der einen Teil des ihm zustehenden Arbeitsentgelts durch Entgeltumwandlung im Wege der verkürzten Zahlung für Zwecke der Altersversorgung einsetzt, anfechtungsrechtlich nicht schlechter gestellt sein darf als jener Arbeitnehmer, der sich die entsprechenden Entgeltteile als Arbeitsentgelt ausbezahlen lässt.440 Im letzteren Fall scheidet eine Anfechtung unter dem Gesichtspunkt des Bargeschäfts gem. § 142 InsO aus, da im Gegenzug für das Arbeitsentgelt die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in das Vermögen des Arbeitgebers gelangt ist.441 B 155 Von einem solchen Bargeschäft geht der Bundesfinanzhof aus, soweit es um die Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber geht, da die Lohnsteuerabzugsbeträge zum Arbeitslohn gehörten.442 Die Lohnsteuer stelle ein aufgrund der steuerrechtlichen Bestimmungen nicht direkt an die Arbeitnehmer auszuzahlendes Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung dar, sodass die Entrichtung an das Finanzamt ebenso wenig wie die Auszahlung des Nettolohnes an die Arbeitnehmer als eine objektive Benachteiligung der übrigen Gläubiger des Arbeitgebers angesehen werden könne. Im Schrifttum443 wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelungen über die Abführung der Lohnsteuer und der Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen an den Fiskus und 439 440 441 442

Vgl. BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287). Zutr. HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 4. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 ff. BFH v. 11.8.2005 – VII B 244/04, GmbHR 2005, 1514 = ZInsO 2005, 1105 sowie zuvor schon BFH/NV 1999, 745 – a.A. Kayser, ZIP 2007, 49. 443 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 4.

102 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 158 B

die Sozialversicherungsträger aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Sicherung des Steuer- und Beitragsaufkommens eine Verkürzung des Zahlungsweges bezweckten, der ohne diese Regelungen vom leistenden Arbeitgeber über den Arbeitnehmer zum Fiskus und zu den Sozialversicherungsträgern führen würde. Dies könnte es nahelegen, unter Heranziehung der Rechtsfigur der mittelbaren Zuwendung mit dem Bundesfinanzhof darauf abzustellen, ob sich der Arbeitnehmer, wenn die Arbeitnehmeranteile (zunächst) unmittelbar an ihn geflossen wären, auf ein Bargeschäft berufen könnte. Davon sei hinsichtlich der laufenden Lohn- und Beitragszahlungen auszugehen. Nach den obigen Ausführungen ist allerdings in solchen Fällen keine mittelbare Zuwendung, sondern eine Leistungskette gegeben. Die Frage der Abgrenzung zwischen einer Leistungskette und einer mittelbaren B 156 Zuwendung hat sich dem BGH ferner in einem Urteil vom 5.11.2009444 im Rahmen der Anfechtung der Zahlung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung und der Fiktion des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV gestellt. BGH-Urteil vom 5.11.2009 – ZIP 2009, 2301 ff. Die verklagte Krankenkasse hatte in der Krise der Schuldnerin wegen rückstän- B 157 diger Gesamtsozialversicherungsbeiträge deren Anspruch gegen die Bank auf fortlaufende Auszahlung des jeweiligen Guthabens gepfändet. Die Krankenkasse hatte vorprozessual die an sie geleisteten Arbeitgeberbeiträge an den klagenden Insolvenzverwalter zurückgezahlt, so dass die Parteien nur noch darüber stritten, ob § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV, wonach die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags („Arbeitnehmeranteile“) als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht gilt, der Anfechtbarkeit entgegenstand. Der BGH hat diese Frage verneint. Der Wortlaut des am 1.1.2008 in Kraft getrete- B 158 nen § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV445 bringe keine Klarheit darüber, ob die Zahlung des Arbeitnehmeranteils als unmittelbar oder mittelbar aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht gelten solle und welche Rechtshandlungen dafür maßgeblich sein sollten. Sollte die Zahlung als unmittelbar aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht anzusehen sein, so würde es sich nach Ansicht des BGH um die teilweise Tilgung der Arbeitgeberschuld aus § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV durch Drittzahlung des Arbeitnehmers gemäß § 267 BGB handeln. Diese Zahlung könne nicht als zweiter Teil einer Leistungskette verstanden werden, da eine Rechtshandlung des Arbeitnehmers fehle. Vielmehr würde es sich um eine mittelbare Zuwendung des Arbeitgebers an die Einzugsstelle durch eine fiktiv aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbrachte Zahlung handeln. Jedenfalls durch die Erfüllung des Bruttolohnanspruchs gegenüber dem Arbeitnehmer erbringe der Arbeitgeber auch bei dieser fingierten Fallgestaltung ein eigenes Vermögensopfer, welches zur Benachteiligung seiner Gläubiger gemäß § 129 Abs. 1 444 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08 – „Arbeitnehmeranteile“, MDR 2010, 469 = ZIP 2009, 2301 ff. 445 Vgl. BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 210/07, ZIP 2008, 747 ff. Schfer

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B Rz. 158

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

InsO führe. Für die fiktive Begründung einer eigennützigen Treuhand des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers fehlten hinreichend deutliche Anhaltspunkte.446 Die Annahme eines Bargeschäfts sei bei der Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung der Arbeitnehmeranteile an die Einzugsstelle durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, da von den Sozialversicherungsträgern keine Leistung in das Vermögen der Arbeitgeber gelange. B 159 Sollte die Zahlung des Arbeitnehmeranteils als mittelbar aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht anzusehen sein, so liefe die mittelbare Zuwendung vom Arbeitnehmer über den Arbeitgeber an die Einzugsstelle. Der unmittelbar zahlende Arbeitgeber wäre als Zahlungsmittler des Arbeitnehmers zu behandeln. In diese Rolle habe die Bundesregierung den Arbeitgeber bei der Lohnsteuerzahlung trotz eigener Abführungspflicht gemäß § 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG durch ihren mit § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV wortgleichen Vorschlag eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG in Art. 3 ihres Gesetzentwurfs vom 9.3.2006447 „hineindrängen“ wollen. Dem habe die fragwürdige Annahme zugrunde gelegen, die Rechtslage sei auf den Rechtsgebieten der Lohnsteuerabführung und Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitgeber „vergleichbar“ und solle deshalb mit den vorgeschlagenen §§ 38 Abs. 3 Satz 2 EStG, 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV einheitlich geregelt werden. Eine dem genannten Entwurf eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG entsprechende Wirkungsweise des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV sei jedoch nicht anzunehmen. Es fehle an einem Beitragsteilschuldverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Einzugsstelle. d) Näheres zu den Anweisungslagen; Anweisung auf Schuld und Anweisung auf Kredit B 160 Leistet der Schuldner aufgrund eines Anspruchs oder einer Weisung des Schuldners des Gläubigers (Drittschuldners), stellt sich dies im Verhältnis der Beteiligten als eine Leistung des Schuldners an den Drittschuldner dar, der hierdurch von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit wird. Es liegen in diesen Fällen zwei Leistungsverhältnisse vor, nämlich zwischen Schuldner und Drittschuldner einerseits und zwischen Drittschuldner und Gläubiger andererseits. Wie im Bereicherungsrecht kommt auch im Insolvenzrecht bei derartigen Fallkonstellationen nach der Rechtsprechung des BGH eine Anfechtung grundsätzlich nur im jeweiligen Leistungsverhältnis in Betracht.448 Dies ist nach Ansicht des BGH angemessen, da dadurch die Risiken den Leistungsverhältnissen zugeordnet werden, auf die die Parteien Einfluss haben. Besteht zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger keine Rechtsbeziehung, ist es etwa im Rahmen des § 30 Nr. 2 KO (vgl. jetzt § 131 InsO) nicht gerechtfertigt, dass der Gläubiger das Insolvenzrisiko des Schuldners tragen und den geleisteten Betrag zurückerstatten muss. Der Schuldner kann vielmehr seine Leistung an den Dritt446 A.A. Heydt, ZInsO 178, 183 unter V.; Bräuer, ZInsO 2008, 169 (175); Kreft, Festschrift für Samwer (2008), S. 261 (272). 447 Vgl. BT-Drucks. 16/886, S. 13. 448 Vgl. BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00 – „Pachtablösung“, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 ff.; v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06 – „Lastschriftwiderruf (3)“, BGHZ 174, 84 ff. = MDR 2008, 166; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 350 ff.

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schuldner anfechten, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Nur in diesem Verhältnis lässt sich auch beurteilen, ob etwa eine kongruente oder eine inkongruente Deckung vorliegt.449 Wird der Schuldner seinerseits zahlungsunfähig, verwirklicht sich auch dieses B 161 Risiko in dem jeweiligen Leistungsverhältnis. Leistet der Schuldner aufgrund seiner von ihm mitgestalteten Rechtsbeziehung zum Drittschuldner, so ist es angemessen, dass er dessen Insolvenzrisiko trägt. Der Schuldner hätte es auch dann zu tragen, wenn er unmittelbar an den Drittschuldner selbst gezahlt hätte. Im Verhältnis des Drittschuldners zum Gläubiger hat ebenfalls jede Seite das Insolvenzrisiko der anderen zu tragen. Würde man in der Insolvenz des Schuldners eine Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger zulassen, träfe diesen ein doppeltes Insolvenzrisiko, nämlich das von Schuldner und Drittschuldner. Dies wäre nach Ansicht des BGH in aller Regel nicht sachgerecht.450 Bei mittelbaren Zuwendungen des Schuldners durch Einschaltung eines Dritten B 162 ist zwischen einer Anweisung auf Schuld und einer Anweisung auf Kredit zu unterscheiden.451 Im ersten Fall tilgt der Angewiesene mit der Zahlung eine eigene, gegenüber dem Anweisenden bestehende Verbindlichkeit. Im zweiten Fall nimmt der Angewiesene die Zahlung an den Empfänger ohne eigene Verpflichtung gegenüber dem Anweisenden vor, so dass er infolge der Zahlung zum Gläubiger des Anweisenden wird.452 Handelt es sich um eine Anweisung auf Schuld, führt die Zahlung durch den Angewiesenen zu einer Gläubigerbenachteiligung, da der anweisende Schuldner mit der Zahlung an den Dritten seine Forderung gegen den Angewiesenen verliert.453 Liegt dagegen eine Anweisung auf Kredit vor, scheidet eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich aus, da es durch die Zahlung lediglich zu einem Gläubigerwechsel in der Person des Angewiesenen kommt. Die Belastung der Masse mit dem Rückgriffsanspruch des Angewiesenen wird hier durch die Befreiung von der Schuld gegenüber dem Zahlungsempfänger ausgeglichen.454 Anders ist dies nur dann, wenn der neue Kredit zu ungünstigeren Bedingungen gewährt wird als der alte, etwa gegen Stellung weitergehender Sicherheiten.455 Eine solche Anweisung auf Kredit kann etwa gegeben sein, wenn ein nicht persönlich haftender Gesellschafter eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Dritten begleicht.456 Nach dem Urteil des BGH vom 6.10.2009457 liegt allerdings auch bei einer Anweisung auf Kredit 449 BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 Rz. 19. 450 BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 Rz. 20. 451 Vgl. BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. Rz. 12; v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, MDR 2009, 106 = ZIP 2008, 2182 f.; Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 13. Aufl., Rz. 126 ff.; K. Schmidt, § 129 Rz. 65, 69. 452 Vgl. BGH v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13, ZIP 2013, 2262 ff. Rz. 16; v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. Rz. 12; MK-BGB/Hüffer, § 787 Rz. 2. 453 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 144; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 271. 454 K. Schmidt, § 129 Rz. 69; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 273. 455 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, ZIP 2008, 2182 f. Rz. 9; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 144. 456 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, MDR 2009, 106 = ZIP 2008, 2182 f.; vgl. dazu noch unten Rz. B325. 457 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Schfer

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zumindest dann eine Gläubigerbenachteiligung vor, wenn eine geduldete Kontoüberziehung gegeben ist, denn in diesem Fall ist der zugewendete Betrag wirtschaftlich zumindest vorübergehend in das Vermögen des Schuldners übergegangen.458 B 163 Im Schrifttum459 wurde im Anschluss an das Urteil des BGH vom 6.10.2009 zur Kontoüberziehung die Auffassung vertreten, es sei ganz allgemein kein Raum mehr für eine unterschiedliche anfechtungsrechtliche Beurteilung der Anweisung auf Schuld und der Anweisung auf Kredit. Bei Zahlungen eines Dritten an einen Gläubiger des Schuldners liege vielmehr stets eine Gläubigerbenachteiligung vor, es sei denn, der Dritte tilge damit eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger.460 Der BGH hat jedoch durch Urteil vom 21.6.2012461 klargestellt, dass er an seiner früheren Rechtsprechung zur Unterscheidung zwischen der Anweisung auf Schuld und der Anweisung auf Kredit festhalte. Begleiche der hierzu nicht verpflichtete Geschäftsführer der späteren Insolvenzschuldernin deren Verbindlichkeit aus eigenen Mitteln, benachteilige er dadurch nicht die späteren Insolvenzgläubiger. Diese Auffassung trifft zu, da der Geschäftsführer den Gläubiger der Gesellschaft „am Vermögen der Gesellschaft vorbei“ befriedigt. Eine der Zahlung vorausgehende Darlehensgewährung des Geschäftsführers an die Gesellschaft kann – anders als bei der geduldeten Kontoüberziehung – in den Vorgang nicht hineininterpretiert werden. Eine durch eine Anweisung auf Kredit bewirkte Zahlung löst auch dann keine Gläubigerbenachteiligung aus, wenn der auftragsrechtliche Erstattungsanspruch des Angewiesenen nachträglich in ein Darlehen umgewandelt wird. aa) „Unechtes Drei-Personen-Verhältnis“; Leistung an einen Empfangsbeauftragten des Gläubigers B 164 Leistet der Schuldner in anfechtbarer Weise an einen vom Gläubiger mit dem Empfang der Leistung beauftragten Dritten, so ist der Gläubiger als Leistungsempfänger anzusehen und anfechtungsrechtlich zur Rückgewähr verpflichtet. Für die Frage der Kenntnis der Krise bzw. des Eröffnungsantrags ist auf die Person des Zuwendungsempfängers abzustellen. Es können aber auch die Kenntnisse der Mittelsperson dem Zuwendungsempfänger gemäß § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen sein.462 Durch Beschluss vom 12.3.2009463 hat der BGH entschieden, dass bei einer Leistung des Schuldners an einen vom Gläubiger mit dem Empfang der Leistung beauftragten Dritten der Gläubiger zur Rückgewähr der Leistung verpflichtet ist. In dem entschiedenen Fall hatte der Schuldner auf Verlangen der 458 Anders jedoch BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 ff. Rz. 8: Die Gläubigerbenachteiligung liege darin, dass die Mittel des Überziehungskredits nicht zunächst in das Vermögen der Schuldnerin gelangt und dort für den Zugriff der Gesamtheit ihrer Gläubiger verblieben seien. 459 Vgl. Henkel, ZInsO 2012, 774 ff.; Hofmann, EWiR 2011, 431 f. 460 Henkel, ZInsO 2012, 779. 461 BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. Rz. 12. 462 BGH v. 12.3.2009 – IX ZR 85/06, MDR 2009, 767 = ZInsO 2009, 716; v. 19.3.1980 – VIII ZR 195/79, MDR 1980, 751 = NJW 1980, 1795; v. 15.1.1964 – VIII ZR 236/62, BGHZ 41, 17 (21 f.). 463 BGH v. 12.3.2009 – IX ZR 85/06, ZIP 2009, 726 f.

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I. Die Rechtshandlung

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Beklagten als Darlehensgeberin – seiner Schwiegermutter – Lebensversicherungen gekündigt. Die Ehefrau des Schuldners – Tochter der Beklagten – war als Treuhänderin eingeschaltet, um die vom Schuldner eingezogenen Rückkaufswerte seiner Lebensversicherungen von diesem entgegenzunehmen und für die Beklagte zu verwalten. Die Beklagte habe schon mit dem Eingang der Rückkaufswerte auf dem Gemeinschaftskonto des Schuldners und seiner Ehefrau gegen diese aus dem als Treuhandverhältnis bezeichneten Auftragsverhältnis den Herausgabeanspruch aus § 667 BGB erlangt. Sie sei damit unmittelbar Empfängerin der Schuldnerleistungen und Rückgewährschuldnerin gemäß § 143 Abs. 1 InsO, ohne dass es im Verhältnis der Beklagten zu ihrer Tochter auf eine anfechtungsrechtliche Rechtsnachfolge im Sinne des § 145 Abs. 2 InsO angekommen sei. bb) Weiter Begriff des „Empfangsbeauftragten“ aufgrund der im Anfechtungsrecht maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise Es ist zu beachten, dass der BGH464 den Begriff des „Empfangsbeauftragten“ B 165 aufgrund der nach seiner Ansicht für die anfechtungsrechtliche Beurteilung maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise weit auslegt: BGH-Urteil vom 3.4.2014 – ZIP 2014, 1032 ff. Der Beklagten standen gegen die Schuldnerin offene Forderungen in Höhe von B 166 ca. 16 000 Euro zu. Mangels Zahlung beauftragte die Beklagte am 20.3.2008 eine Inkassogesellschaft mit dem Forderungseinzug und trat die Forderung fiduziarisch an die Inkassogesellschaft ab. Diese betrieb nach der Erwirkung eines Titels zunächst ohne Erfolg die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin, welche durch ein an alle Gläubiger gerichtetes Anwaltsschreiben um Zahlungsaufschub bat, weil andernfalls eine Sanierung ausscheide und nur der Weg zum Insolvenzgericht bleibe. Da die Inkassogesellschaft der Schuldnerin gleichwohl die Vollstreckung androhte, zahlte diese am 17.11. und 20.12.2008 sowie am 20.4.2009 jeweils 3000 Euro an die Inkassogesellschaft. Auf Antrag vom 13.7.2009 wurde am 23.10.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter nahm die Beklagte, welche die Zahlung vom 20.4.2009 zurückgewährt hatte, im Wege der Insolvenzanfechtung (letztlich mit Erfolg) auf Zahlung von 6000 Euro in Anspruch. Der BGH führt zunächst aus, dass die Inkassogesellschaft die Zahlungen der B 167 Schuldnerin auf der Grundlage einer Forderungsabtretung und nicht einer bloßen Einziehungsermächtigung erlangt habe. Die an die Inkassogesellschaft als treuhänderische Empfangsbeauftragte bewirkten Zahlungen könnten gegenüber der Beklagten angefochten werden. Werde ein Dritter als Empfangsbeauftragter des Gläubigers eingeschaltet, sei aufgrund der treuhänderischen Pflicht zur Weiterleitung gemäß § 667 BGB der Gläubiger als Leistungsempfänger und nicht der

464 BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff.; bestätigt durch BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 308/14, ZIP 2015, 2486 f.; vgl. dazu ferner OLG Koblenz v. 23.12.2014 – 4 U 914/13, ZInsO 2015, 448 ff. Schfer

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Empfangsbeauftragte zur Rückgewähr verpflichtet.465 Es handle sich bei der Inkassozession – ebenso wie bei der Einziehungsermächtigung – um eine uneigennützige Treuhand oder Verwaltungstreuhand. Die gleichartige rechtliche Behandlung von Erfüllungsleistungen und der gemeinsame wirtschaftliche Zweck rechtfertigten es, eine an den Treuhänder bewirkte Zahlung anfechtungsrechtlich unmittelbar dem Treugeber zuzurechnen.466 In beiden Fällen werde der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit, wenn er an den ermächtigten Dritten zahle. Maßgebend sei für das Anfechtungsrecht die wirtschaftliche Betrachtungsweise, derzufolge in beiden Gestaltungen die Forderung für Rechnung des Zedenten oder Forderungsinhabers eingezogen werde.467 B 168 Die Zahlung an einen Inkassozessionar als Geheißperson ist – so der BGH (ungenau) – der Zahlung an den Gläubiger gleichzustellen. Anfechtungsgegner sei nur, wer im Ergebnis gegenüber der Gläubigergesamtheit bevorzugt worden sei.468 Für diese Würdigung sei es ohne Bedeutung, ob die Inkassogesellschaft die Zahlungen der Schuldnerin über ihr allgemeines Geschäftskonto eingezogen habe. Die aus den §§ 667, 675 BGB folgende Pflicht der Inkassogesellschaft zur Auskehr bilde den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkt, die Beklagte als Leistungsempfängerin im Sinne des § 143 Abs. 1 InsO einzustufen; insoweit sei die dingliche Zuordnung des eingezogenen Erlöses ohne Bedeutung. B 169 Eine andere Beurteilung folge schließlich auch nicht daraus, dass bei der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen469 und Steuern470 die Einzugsstelle auch insoweit Anfechtungsgegner sei, als die Mittel von ihr im Innenverhältnis an einen anderen Rechtsträger abzuführen seien. Wesentlicher Grund dafür sei es, dass im Außenverhältnis der Einzugsstelle zum Beitragsschuldner dieser nur an die Einzugsstelle mit befreiender Wirkung leisten könne. Deshalb sei diese wie eine Vollrechtsinhaberin anzusehen.471 Anders verhalte es sich jedoch, wenn die Empfangszuständigkeit des Leistungsempfängers erst durch eine Verfügung des Forderungsinhabers begründet werde. Da in dieser Konstellation der ursprüngliche Forderungsinhaber aus freiem Entschluss einen Dritten mit dem treuhänderischen Forderungseinzug betraut habe, müsse er sich weiterhin als Leistungsempfänger behandeln lassen. In Einklang mit dieser rechtlichen Würdigung richte sich nach den Zuordnungskriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs, denen für die Insolvenzanfechtung in Mehrpersonenverhältnissen Leitbildfunktion zukomme, bei einer rechtsgrundlosen Zahlung 465 BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 14 mit Hinweis auf BGH v. 12.3.2009 – IX ZR 85/06 – „Empfangsbeauftragter“, ZIP 2009, 726 f. Rz. 2. 466 BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 20. 467 BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 22 mit Hinweis auf BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12 – „Karibikfall“, BGHZ 196, 220 ff. zu § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. 468 BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 22 mit Hinweis auf Kayser in Festschrift für Ganter, 2010, S. 221 (230). 469 Vgl. BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 70/03, NJW 2004, 2163 f.; v. 21.10.2004 – IX ZR 71/02, ZIP 2005, 38 ff. 470 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 87/06, ZIP 2007, 2228 f. Rz. 4. 471 BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 24 mit Hinweis auf BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 319/12 – „LKW-Maut“, WM 2013, 2142 ff. Rz. 28.

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auf eine abgetretene Forderung der Rückabwicklungsanspruch grundsätzlich nicht gegen den Zessionar, sondern gegen den Zedenten als vermeintlichen ursprünglichen Forderungsinhaber. Bei dieser Sachlage liege weder eine mittelbare Zuwendung noch eine Leistungskette vor, weil durch die Zahlung an die Inkassogesellschaft Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) eingetreten sei.472 Der BGH hat die Entscheidung vom 3.4.2014 durch Urteil vom 24.9.2015473 be- B 169a kräftigt und darauf hingewiesen, dass die Zahlung des Schuldners nach der Weiterleitung an den ursprünglichen Forderungsinhaber nur diesem gegenüber und nicht gegenüber dem Inkassounternehmen angefochten werden könne. Es könne dahingestellt bleiben, ob in besonders gelagerten Fällen ausnahmsweise eine Anfechtung unmittelbar gegenüber dem Inkassozessionar durchgreife. Dies könnte nach Ansicht des BGH zu erwägen sein, wenn der Anfechtungsanspruch gegen ihn geltend gemacht werde, weil er die eingezogenen Gelder an den Inkassozedenten abgeführt habe.474 Zu beachten ist, dass die Einzugsstellen der Sozialversicherungsträger nicht als B 170 bloße Zahlstelle tätig werden und somit nicht als Mittelsperson einer mittelbaren Zuwendung anzusehen sind. Eine solche Einzugsstelle kann vielmehr auch insoweit Anfechtungsgegnerin sein, als sie fremdnützig eingezogene Beträge an die berechtigten Sozialkassen ausgekehrt hat.475 Entsprechendes gilt für eine private Betreiberin eines LKW-Maut-Systems, welche im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen erhebt.476 Nimmt ein Zwangsverwalter als Vermieter Mietzahlungen seines Mieters ein, obwohl er gewusst hat oder wissen musste, dass der Mieter zahlungsunfähig war, ist er – und nicht etwa die Vollstreckungsgläubiger – nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 30.7.2014477 im Fall einer Insolvenzanfechtung zur Rückgewähr des Erlangten verpflichtet. Ein Grundpfandrechtsgläubiger ist nicht als Empfänger der Leistung von Dritten an den Zwangsverwalter im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO anzusehen. Die Stellung des Zwangsverwalters ist nicht mit der eines Leistungsmittlers, sondern in wesentlichen Elementen mit derjenigen von Einzugsstellen für Gesamtsozialversicherungsbeiträge vergleichbar.478 cc) Tilgung einer Verbindlichkeit des Schuldners auf dessen Anweisung; Anfechtbarkeit gegenüber der Mittelsperson Obwohl somit nach der Rechtsprechung des BGH im Grundsatz bei einer mit- B 171 telbaren Zuwendung nur eine Anfechtung im jeweiligen Leistungsverhältnis in Betracht kommen soll, hält er eine Anfechtung gegenüber dem Leistungsmittler dann für möglich, wenn nicht nur der Zuwendungsempfänger, sondern auch 472 473 474 475

BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 25. BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 308/14, ZIP 2015, 2486 f. BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 308/14, ZIP 2015, 2486 f. Rz. 13. Vgl. BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 70/03, MDR 2004, 904 = NJW 2004, 2163 f.; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 294. 476 BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 319/12, ZIP 2013, 2210 ff. 477 OLG Dresden v. 30.7.2014 – 13 U 461/14, ZIP 2014, 1642 ff. 478 Vgl. OLG Dresden v. 5.11.2014 – 13 U 408/14, ZInsO 2014, 2435 ff. Schfer

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B Rz. 171

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

der Leistungsmittler einen eigenen Vorteil erlangt hat.479 Damit ist jedoch eine Abweichung von dem Grundsatz verbunden, dass sich die Bestimmung des Anfechtungsgegners bei mittelbaren Zuwendungen nach den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs richtet. Dies zeigt das Urteil des BGH vom 19.3.1998:480 BGH-Urteil vom 19.3.1998 – ZInsO 1998, 89 ff. B 172 Die Schuldnerin hatte auf das debitorische Konto ihrer Muttergesellschaft bei der verklagten Bank ohne entsprechende Verpflichtung 8000 DM überwiesen, „um Zinsen zu sparen“. Nach Ansicht des BGH hatte die Schuldnerin unmittelbar an ihre Muttergesellschaft geleistet. Mit dieser Leistung sei aber zugleich eine Schuld der Muttergesellschaft aus ihrem Kreditverhältnis zur verklagten Bank getilgt worden. Mittelbar habe die Schuldnerin somit auch der verklagten Bank etwas zugewendet. Die Verringerung der Schuld der Muttergesellschaft bei der Beklagten sei sogar der eigentliche Zweck der Leistung gewesen, denn es hätten Zinsen gespart werden sollen. Derartige mittelbare Zuwendungen seien anfechtungsrechtlich so zu betrachten, als ob der Dritte unmittelbar vom Schuldner erworben hätte. B 173 Dieses Urteil des BGH wird im Schrifttum zu Recht kritisiert.481 Die Zuwendung der Schuldnerin stellt sich nach den Grundsätzen des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs als Leistung der Schuldnerin an ihre Muttergesellschaft und als Leistung der Muttergesellschaft an die Bank dar. Leistungszweck der Überweisung war die Tilgung der Schuld der Muttergesellschaft; dass diese dadurch Zinsen sparte, war ein Nebeneffekt, der bei jeder Tilgung einer verzinslichen fremden Schuld eintritt.482 Die Schuldnerin hat nach den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs nicht schon deshalb gegenüber der Bank einen vorrangigen Leistungszweck verfolgt, weil es ihr auch darum ging, Zinsen zu sparen. Der BGH ist mit seinem Urteil vom Grundsatz der Maßgeblichkeit der Leistungsbeziehungen für die Anfechtung bei mittelbaren Zuwendungen abgewichen, ohne die Grenzen solcher Abweichungen aufzuzeigen. Die Orientierung an den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs stellt freilich kein unumstößliches Dogma dar; sie hilft jedoch in Ermangelung sonstiger sachgerechter Kriterien dabei, einer wertungsmäßig nicht gerechtfertigten ausufernden Ausdehnung der Insolvenzanfechtung vorzubeugen. B 174 In einem neueren Urteil vom 13.6.2013483 zur Bankverrechnung im Rahmen eines Cash-Pools hat der BGH zu Recht die Tragweite seines früheren Urteils 479 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZInsO 1998, 89 ff. = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342, insoweit nicht in BGHZ 138, 291 ff. abgedruckt; v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, MDR 2009, 170 = NJW 2008, 3780 ff. Rz. 23; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 303; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 59. 480 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97 – „Zinsersparnis“, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = ZInsO 1998, 89 ff. 481 Vgl. Henckel, ZIP 2004, 1671 (1672); Bork, ZIP 2008, 1041 (1048 f.). 482 Zutr. Henckel, ZIP 2004, 1672. 483 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 175 B

vom 19.3.1998 so eng begrenzt, dass ihm letztlich keine Bedeutung mehr zukommen dürfte. Im Fall der Umbuchung von Gutschriften vom Konto der an einem Cash-Pool teilnehmenden Schuldnerin auf das Zielkonto des Cash-Pools und der dort vorgenommenen Verrechnung durch die Bank bedient sich die Schuldnerin nicht etwa der Poolführerin als Leistungsmittlerin, um eine Leistung an die Bank zu erbringen, sondern sie bedient sich der Bank als Leistungsmittlerin, um an die Poolführerin zu leisten, so dass sich eine etwaige Deckungsanfechtung nach allgemeinen Grundsätzen allein gegen den Dritten (Poolführerin) als Leistungsempfänger richtet.484 Eine Deckungsanfechtung gegenüber der Bank scheidet nach Ansicht des BGH schon deshalb aus, weil die Bank keine Insolvenzgläubigerin der Schuldnerin ist, selbst wenn die Schuldnerin für den der Unternehmensgruppe eingeräumten Kredit gesamtschuldnerisch haftet. Der BGH trägt dem neuerdings durch die Formulierung Rechnung, dass bei einer mittelbaren Zuwendung die Deckungsanfechtung nicht gegen den Leistungsmittler stattfinde, der als solcher kein Gläubiger des Schuldners sei.485 Setzt die Schuldnerbank als Zahlstelle die Erledigung von Aufträgen des Schuldners lediglich gemäß § 675o Abs. 2 BGB zahlungstechnisch um, kommt auch eine Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO selbst im Fall der Kenntnis der Bank von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in der Regel nicht in Betracht, sondern nur dann, wenn sie im Zuge der Verfolgung eigener Interessen in eine vom Schuldner angestrebte Gläubigerbenachteiligung eingebunden ist.486 Auch die Herstellung der Aufrechnungslage durch die Gutschriften auf dem B 175 Zielkonto der Poolführerin war nicht anfechtbar. Durch die Umbuchung auf das Zielkonto erfüllte die Schuldnerin allein ihre Verpflichtung aus der CashPool-Vereinbarung gegenüber der Poolführerin. Sie erbrachte damit – in „Abgrenzung“ zum Urteil des BGH vom 19.3.1998487 – nicht auch eine Leistung an die Bank. Die Poolführerin war nicht Leistungsmittlerin der Schuldnerin, da als Leistungsmittler nur eine Person angesehen werden kann, die der Schuldner einschaltet, damit sie für ihn eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt. Die Schuldnerin hat sich aber nicht der Poolführerin bedient, um eine Leistung an die Bank zu erbringen; vielmehr war die Bank als bloße Leistungsmittlerin der Poolführerin tätig. Es ging der Schuldnerin allein darum, ihre Pflichten aus dem Poolvertrag gegenüber der Poolführerin zu erfüllen. Überweisungen auf ein im Soll geführtes Konto eines Gläubigers haben nach dem neueren Urteil des BGH regelmäßig die Befriedigung der Forderung dieses Gläubigers zum Ziel und nicht den Zweck, den Kredit des Gläubigers bei der Bank zurückzuführen. Mag die Cash-Pool-Vereinbarung auch letztlich der Ersparnis von Zinsen in der Unternehmensgruppe gedient haben, so war Zweck der einzelnen Überweisungen nicht die Befriedigung der Forderungen der Bank gerade gegen die Poolführerin. 484 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff. Rz. 21; v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 9. 485 Vgl. BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, Rz. 8; v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 9. 486 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff. Rz. 25; v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 ff. Rz. 32. 487 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793 (801). Schfer

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B Rz. 176

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 176 Der BGH meint, einen relevanten Unterschied zur Entscheidung vom 19.3.1998488 darin erblicken zu können, dass der Schuldner seinerzeit einen bestimmten Betrag gerade deshalb auf ein debitorisches Konto des Gläubigers überwiesen habe, um Zinsen zu sparen.489 Diese Willensrichtung vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass die Bank die Zahlung des Schuldners der Kausalbeziehung zwischen ihr und dem Gläubiger des Schuldners (Poolführerin) zuordnet. Der BGH hat durch weiteren Beschluss vom 9.7.2015490 klargestellt, dass die Zahlung eines Schuldners auf ein debitorisch geführtes Girokonto seines Gläubigers nur dann als – mittelbare – unentgeltliche Leistung gemäß § 134 Abs. 1 InsO gegenüber der Bank anfechtbar ist, wenn der Wille des Schuldners erkennbar darauf gerichtet ist, die Zahlung im Endergebnis der Bank zuzuwenden. Dass der Schuldner in Kenntnis der Kontoüberziehung zahlt, genügt hierfür nicht. Damit dürfte die Abkehr von der Entscheidung vom 19.3.1998 praktisch vollzogen sein. B 177 Die Überlegung, dass sich bei einer Überweisung auf das debitorisch geführte Konto eines anderen der Anfechtungsanspruch (aus Deckungsanfechtung) auch gegen die Empfängerbank richten könne, hat auch in einem Urteil des BGH vom 9.10.2008491 eine Rolle gespielt. BGH-Urteil vom 9.10.2008 – ZIP 2008, 2183 ff. B 178 Die Gesellschafter K., N. und G. waren gleichmäßig am Stammkapital der Schuldnerin (GmbH) und einer Schwestergesellschaft – der T. alt GmbH sowie an der H-GbR – einer Besitzgesellschaft – beteiligt, welche der Schuldnerin das Betriebsgrundstück zur Verfügung stellte. Die Beklagte war die Hausbank der Schuldnerin und ihrer Gesellschafter und hatte letzteren im Jahr 1999 Darlehen in Höhe von jeweils ca. 820 000 DM gewährt. Für diese Darlehen hatte sich die Schuldnerin selbstschuldnerisch verbürgt. Durch Verschmelzungsvertrag vom 29.4.2002 übertrug die T. alt GmbH mit Wirkung per 1.9.2001 ihr gesamtes Vermögen auf die Schuldnerin. Am selben Tag veräußerte die T. alt GmbH mit Wirkung zum 30.4.2002 ihr Sach- und sonstiges Anlagevermögen auf die T. neu GmbH zum Preis von ca. 409 000 Euro. Der von der Beklagten finanzierte Kaufpreis ging am 14.6.2002 auf einem neu eingerichteten Konto der Schuldnerin bei der Beklagten ein und wurde von dort noch am selben Tag an die H-GbR weitergeleitet. Diese überwies den Kaufpreis ebenfalls noch am gleichen Tag anteilig auf die negativen Darlehenskonten der Mitgesellschafter K., N. und G. bei der Beklagten. Am 30.7.2002 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagte die Rückzahlung von 409 000 Euro. B 179 Der BGH hat beanstandet, dass das Berufungsgericht bei der Verneinung der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO die von der Schuldnerin gegenüber 488 489 490 491

BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793 ff. BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff. Rz. 31. BGH v. 9.7.2015 – IX ZR 207/13, ZIP 2015, 1545 ff. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07 – „Verschmelzung“, ZIP 2008, 2183 ff.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 181 B

der Beklagten übernommene selbstschuldnerische Bürgschaft für die Darlehensschulden ihrer Gesellschafter nicht berücksichtigt habe. Die Beklagte sei unabhängig davon Insolvenzgläubigerin gewesen, ob auf die Hauptschuld oder auf die Bürgschaft gezahlt worden sei. Zu den Insolvenzgläubigern gehöre jeder, der in der Insolvenz eine Forderung im Sinne des § 38 InsO oder einen nachrangigen Anspruch gehabt hätte, da dessen Erfüllung geeignet sei, die Befriedigungsaussichten der Gläubigergesamtheit zu schmälern.492 Ob der Leistungsempfänger tatsächlich am Verfahren teilnehme, sei unerheblich. Am Insolvenzverfahren über das Vermögen des selbstschuldnerischen Bürgen könne der Hauptgläubiger wegen seiner Bürgschaftsforderung teilnehmen. Bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft finde der Grundsatz der Doppelberücksichtigung (§ 43 InsO) Anwendung.493 Die Anfechtung gegenüber der Beklagten scheide auch nicht deswegen aus, weil B 180 diese nicht die richtige Anfechtungsgegnerin sei. Denn im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten liege eine mittelbare Zuwendung vor. Die Schuldnerin habe von Anfang an geplant, den von der T. neu GmbH gezahlten Kaufpreis über die H-GbR auf die Konten der Gesellschafter bei der Beklagten einzuzahlen. Am Ende des Zahlungsweges habe das der T. neu GmbH gewährte Darlehen, mit dem diese ihre Kaufpreisschuld bei der Schuldnerin beglichen habe, wieder bei der Beklagten auf den Darlehenskonten der Gesellschafter der Schuldnerin ankommen sollen. Leistungsempfänger seien nicht nur die Gesellschafter der Schuldnerin als Kontoinhaberin gewesen; vielmehr habe auch die Beklagte als Gläubigerin der Darlehens- und Bürgschaftsforderung mit der Verringerung der Schulden eine Zuwendung erhalten. Bei einer Überweisung auf das debitorisch geführte Konto eines anderen könne sich der Anfechtungsanspruch nicht nur gegen diesen, sondern auch gegen die Empfängerbank richten.494 Die Beklagte habe auch erkannt, dass sie eine Leistung der Schuldnerin erhalten habe, da ihr der geplante Zahlungsweg bekannt gewesen sei. Der BGH bejaht somit die Insolvenzgläubigerstellung der Bank, weil diese Inha- B 181 berin einer Bürgschaftsforderung gegen die Schuldnerin war. Dies steht in gewissem Widerspruch zu seiner neueren Rechtsprechung, in der er betont, die Deckungsanfechtung finde nicht gegen den Leistungsmittler statt, der als solcher kein Gläubiger des Schuldners sei, sondern allein gegen den Leistungsempfänger.495 Außerdem soll eine mittelbare Zuwendung nach der Rechtsprechung des BGH ausscheiden, wenn der Schuldner auch auf eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Zuwendungsempfänger geleistet hat.496 Es ist ferner fraglich, ob die Entscheidung des BGH mit dem Grundsatz in Einklang steht, wonach sich die Bestimmung des richtigen Anfechtungsgegners im Bereich der Deckungsanfech492 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183 ff. Rz. 15; v. 20.7.2006 – IX ZR 44/05, ZIP 2006, 1591 ff. Rz. 10. 493 Vgl. Begründung zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 124; MK-InsO/Bitter, § 43 Rz. 11. 494 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183 ff. Rz. 23 mit Hinweis auf BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 ff. 495 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 9. 496 Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 f. Rz. 35; v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (48); Gehrlein, ZInsO 2012, 197 (198). Schfer

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B Rz. 181

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

tung nach den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs richtet. Davon wäre möglicherweise auszugehen gewesen, wenn (auch) eine Leistung der Schuldnerin auf ihre Bürgschaftsverbindlichkeit gegenüber der Beklagten vorgelegen hätte. Eben dies hat der BGH jedoch offen gelassen.497 Die Anfechtbarkeit gegenüber der Beklagten hätte sich nach der neueren Rechtsprechung des BGH wohl mit § 133 Abs. 1 InsO begründen lassen. B 182 Bei der weiteren Darstellung der Rechtsprechung des BGH ist daher stets im Blick zu behalten, inwieweit sie mit dem von ihm herangezogenen Grundsatz der Maßgeblichkeit der Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs für die Bestimmung des „richtigen“ Anfechtungsgegners zu vereinbaren ist. BGH-Urteil vom 16.9.1999 – BGHZ 142, 284 ff. B 183 Ein Urteil des BGH vom 16.9.1999498 ist von wesentlicher Bedeutung für das Verständnis seiner Rechtsprechung zur Anfechtung in mehrseitigen Rechtsbeziehungen. Eine Schuldnerin hatte der Beklagten in der Krise im Zuge einer stillen Liquidation unter anderem eine Computeranlage verkauft. In einer späteren – vom Insolvenzverwalter angefochtenen – Absprache hatten die Vertragsparteien vereinbart, dass die Beklagte bestimmte Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber Dritten unter Verrechnung mit dem Kaufpreisanspruch begleiche, was letztlich auch geschah. B 184 Nach Ansicht des BGH war die Anfechtung des Insolvenzverwalters gegenüber der Beklagten nicht begründet. Habe der Schuldner eine Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert habe, richte sich die Anfechtung allein gegen den Dritten als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners gehandelt habe. Die Zuordnungskriterien entsprächen denen des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs. Im Streitfall habe schon die Verrechnungsabrede selbst zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger der Schuldnerin geführt. Durch die Aufgabe des Anspruchs auf Zahlung des Kaufpreises an die Verkäuferin sei dieser Vermögenswert – anders als bei einer frei widerruflichen Anweisung – der Masse endgültig entzogen worden. B 185 Die Beklagte sei jedoch einer Zwischenperson gleichzustellen, die durch eine einheitliche Handlung eine Leistung der Schuldnerin an einen Dritten vollzogen habe. Anfechtungsrechtlich seien mittelbare Zuwendungen im Allgemeinen so zu behandeln, als habe der befriedigte Gläubiger unmittelbar vom Schuldner erworben.499 Mit der Erfüllung der Verrechnungsabrede hätten allein die befriedigten Gläubiger einen wirtschaftlichen Wert aus dem Vermögen der Schuldnerin bekommen. Anfechtungsrechtlich gesehen habe die Beklagte lediglich als Mit497 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183 ff. Rz. 14. 498 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98 – „Computeranlage“, BGHZ 142, 284 ff. = MDR 1999, 1463; kritisch dazu Lüke, ZIP 2001, 1 ff. 499 Vgl. BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = WM 1998, 968 (975).

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 188 B

telsperson Vermögen der Schuldnerin auf die Gläubiger übertragen. Die der Beklagten durch die Verrechnungsabrede zugewachsene Befugnis habe in einer im Wesentlichen formellen Rechtsposition bestanden, die ihr keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil gebracht habe. Wäre die Beklagte trotz vertragsgemäßer Erfüllung ihrer Kaufpreisverpflichtung einem Anfechtungsanspruch ausgesetzt, müsste sie im Ergebnis zweimal zahlen. Die Masse hätte dagegen außer der Leistung der Beklagten auch die anteilige Befreiung von den Gläubigeransprüchen erhalten, welche die Beklagte getilgt habe. Dies stünde nach Ansicht des BGH nicht in Einklang mit § 144 Abs. 2 InsO, der eine Massebereicherung verhindern solle. Es ist jedoch fraglich, ob dieses Urteil des BGH als Beispiel für die Maßgeblich- B 186 keit der Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs bei der Bestimmung des richtigen Anfechtungsgegners angeführt werden kann. Ob die (antezipierte) Verrechnungsabrede gesondert angefochten werden kann, kann letztlich dahingestellt bleiben.500 Denn diese Verrechnungsabrede hat die Gläubiger der Schuldnerin noch nicht benachteiligt. Der Kaufpreisanspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte blieb – entgegen der Ansicht des BGH – zunächst noch bestehen; er sollte erst mit dem durch die Zahlung der Beklagten an den Dritten entstehenden Aufwendungsersatzanspruch verrechnet werden. Auch die Zahlung der Beklagten an den Dritten betraf jedenfalls nicht direkt B 187 das Vermögen der Schuldnerin, da sie nicht aus deren Vermögen vorgenommen wurde. Diese Zahlung hatte aber vereinbarungsgemäß einen Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten zur Folge, der mit dem Kaufpreisanspruch der Schuldnerin verrechnet werden sollte. Die Entstehung dieses Aufwendungsersatzanspruchs benachteiligte die Gläubiger der Schuldnerin nicht, da mit ihr das Erlöschen des Anspruchs des Dritten gegen die Schuldnerin zusammenfiel und beide (in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte) gleich wenig werthaltig waren. Mit der Entstehung des Aufwendungsersatzanspruchs der Beklagten wurde aber (erst) die Verechnungslage herbeigeführt. Diese Wirkung der Rechtshandlung der Beklagten (Zahlung an den Dritten) benachteiligte möglicherweise die übrigen Gläubiger der Schuldnerin, da sie der Beklagten die Aufrechnung ermöglichte, obwohl der Beklagten nach dem Sachvortrag des Verwalters kein anfechtungsfester Anspruch auf Verrechnung zustand, da die Verrechnungsvereinbarung in Kenntnis der Beklagten von der Zahlungseinstellung der Schuldnerin getroffen worden war. Die Beklagte war auch (künftige) Konkursgläubigerin hinsichtlich des durch die Zahlung an den Dritten entstehenden (künftigen) Aufwendungsersatzanspruchs. Tilgt der selbst in der Krise befindliche Drittschuldner (des Schuldners) auf ent- B 188 sprechende Anweisung des Schuldners dessen Verbindlichkeit gegenüber einem Gläubiger und wird später das Insolvenzverfahren über das Vermögen des zahlenden Drittschuldners eröffnet, so ist gegenüber dem Schuldner die Deckungsanfechtung begründet. Dabei ist die Befriedigung nicht schon deshalb inkongruent, weil die Zahlung an einen Dritten (im Gegensatz zur Zahlung durch einen

500 Vgl. dazu Lüke, ZIP 2001, 1 (6 f.). Schfer

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B Rz. 188

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Dritten) erfolgte.501 Eine Anfechtung gegenüber dem Gläubiger, der nicht durch eine Leistungsbeziehung mit dem zahlenden Drittschuldner verbunden ist, scheidet im Grundsatz aus. dd) Anfechtbarkeit gegenüber der Mittelsperson bei eigenem Vorteil B 189 Eine Abweichung von dem Grundsatz, wonach die anfechtungsrechtliche Beurteilung den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs folgt, enthält eine spätere Entscheidung des BGH vom 29.11.2007 für den Fall der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO gegenüber dem Angewiesenen.502 BGH-Urteil vom 29.11.2007 – BGHZ 174, 314 ff. B 190 Die Beklagte schuldete dem Schuldner eine Vergütung für Bewachungsleistungen. Der Schuldner bevollmächtigte seinen Subunternehmer – dem er seinerseits einen bestimmten Betrag für Bewachungsleistungen schuldete – zur Entgegennahme des von der Beklagten zu zahlenden Betrages, da er aufgrund der im Eröffnungsverfahren erlassenen Verfügungsbeschränkung nicht mehr über sein Bankkonto verfügen konnte. Die Beklagte, die Rechnungen normalerweise über eine Muttergesellschaft beglich, zahlte daraufhin den offenstehenden Betrag in bar an den Subunternehmer. Auf die Revision des Klägers verwies der BGH den Rechtsstreit zurück an das Berufungsgericht. B 191 Nach Ansicht des BGH kann der Angewiesene Anfechtungsgegner einer Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO sein. Zahlungen Dritter (des dortigen Schuldners des Insolvenzschuldners an den Subunternehmer als Gläubiger des Insolvenzschuldners) betreffen das Vermögen des Insolvenzschuldners zunächst nicht. Sie können jedoch dann zu einer objektiven Benachteiligung der Gläubiger führen, wenn der Dritte mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzschuldner tilgt.503 Wurde der Dritte vom Insolvenzschuldner als Zwischenperson angewiesen, an den Gläubiger des Insolvenzschuldners zu leisten, so wird damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert. Denn mittelbare Zuwendungen sind nach der Rechtsprechung des BGH im Allgemeinen so zu behandeln, als habe der befriedigte Gläubiger (Subunternehmer) unmittelbar vom Schuldner erworben.504 B 192 Anders als in BGHZ 142, 284 ff. geht der BGH davon aus, dass es vom Gesetz gewollt und billig sei, wenn der (bösgläubige) Angewiesene im Falle der Insolvenz des Zuwendungsempfängers Gefahr laufe, zweimal zahlen zu müssen. Die Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters über das Vermögen des

501 Vgl. Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 89. 502 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06 – „Subunternehmer“, BGHZ 174, 314 ff. = MDR 2008, 341; vgl. dazu M. Huber, ZInsO 2010, 977 ff. 503 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff., Rz. 27 = MDR 2008, 341. 504 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff., Rz. 14 = MDR 2008, 341; v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = WM 1998, 968 (975), insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 138, 291 ff.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 195 B

Schuldners gegen den Angewiesenen und den Zuwendungsempfänger stehen nach Ansicht des BGH im Verhältnis der Gesamtschuld zueinander.505 Die Annahme einer Gesamtschuld zwischen den möglichen Anfechtungsgeg- B 193 nern ist mit bereicherungsrechtlichen Grundsätzen wohl nicht in Einklang zu bringen. Denn danach ist eine sogenannte „Mehrfachkondiktion“ grundsätzlich ausgeschlossen. Sieht man von diesem Punkt ab, so lässt sich die Entscheidung des BGH wohl im Ergebnis mit dem Grundsatz vereinbaren, wonach sich die Bestimmung des Anfechtungsgegners in Mehrpersonenverhältnissen nach den Kriterien des Bereicherungsrechts richtet. Es ist zu erwägen, ob der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners mit der Anfechtung der Zahlung der Beklagten an den Subunternehmer zugleich die Anweisung des Schuldners gegenüber der Beklagten (und dem Subunternehmer) angefochten hat,506 durch Tilgung der Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Subunternehmer die Verbindlichkeit der Beklagten gegenüber dem Schuldner zu tilgen. Aufgrund der Anfechtung (auch) dieser Anweisung fehlte eine wirksame Anweisung zu Lasten der künftigen Insolvenzgläubiger. Es läge eine Art „Doppelmangel“ in den Leistungsbeziehungen vor, der den „Durchgriff“ gegen die Beklagte rechtfertigen könnte. Hat die Beklagte in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf dessen Anweisung an den Subunternehmer (der ebenfalls Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte) gezahlt, so ist sie in keiner Weise schutzwürdig und muss daher das Risiko tragen, dass sie das Geleistete unter Umständen vom Empfänger – dem Subunternehmer – nicht zurückerhält. Eine Gesamtschuld zwischen der Beklagten als Angewiesener und dem Subunternehmer als Empfänger einer mittelbaren Zuwendung – mit allen damit verbundenen Folgeproblemen – liegt bei dieser Betrachtung allerdings nicht vor. Im „Subunternehmerfall“ (BGHZ 174, 314 ff.) hatte die Mittelsperson einen ei- B 194 genen Vorteil erlangt, da sie mit der Zahlung an den Subunternehmer zugleich von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner frei geworden war. Ein solcher eigener Vorteil ist jedoch nicht Voraussetzung für die Anfechtung gegenüber der Mittelsperson nach § 133 Abs. 1 InsO, wie ein Urteil des BGH vom 26.4.2012507 zeigt: BGH-Urteil vom 26.4.2012 – NJW 2012, 1959 ff. Der Insolvenzverwalter hatte eine Steuerberatersozietät verklagt, die für die B 195 Schuldnerin allgemeine wirtschaftliche und steuerrechtliche Beratungsleistungen erbracht hatte. Am 23.12.2003 hatte die Schuldnerin zwei Überweisungen über insgesamt 33 000 Euro an die Beklagte veranlasst, die damit weisungsgemäß offene Beitragsrückstände der Schuldnerin bei verschiedenen Krankenkassen und Lohnforderungen von Arbeitnehmern der Schuldnerin beglich. Kurz zuvor war am 15.12.2003 ein Insolvenzantrag gestellt worden. Am 2.3.2004 505 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 25. 506 Vgl. dazu BAG v. 21.2.1984 – 3 AZR 451/81, KTS 1985, 57; Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 84. 507 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, NJW 2012, 1959 ff. Schfer

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B Rz. 195

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser verlangte von der Beklagten die Rückzahlung der von der Schuldnerin gezahlten 33 000 Euro. B 196 Nach Ansicht des BGH hatte das Berufungsgericht die Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO zu Unrecht mit der Begründung verneint, dass die Beklagte nur als Zahlstelle fungiert und keinen eigenen Vorteil erlangt habe. Eine Gläubigerbenachteiligung sei nicht erst durch die Weiterleitung der Gelder eingetreten. Vielmehr sei ein gläubigerbenachteiligendes Zugriffshindernis508 bereits dadurch eingetreten, dass die Gläubiger der Schuldnerin das Treuhandguthaben nicht wie ein Bankguthaben aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen die Schuldnerin hätten pfänden können. Eine etwaige Anfechtbarkeit der Weiterleitung der Gelder an die Zuwendungsempfänger schließe die Vorsatzanfechtung gegenüber der Mittelsperson nicht aus. Der uneigennützige Treuhänder sei gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger der mittelbaren Zuwendung zur Rückgewähr der weggegebenen Gelder verpflichtet. Im Innenverhältnis schulde allerdings allein der Zuwendungsempfänger die Rückgewähr, so dass die Regressmöglichkeit der Mittelsperson deren Haftungsrisiko in interessengerechter Weise mildere.509 B 197 Sofern sich die Mitwirkung des Anfechtungsgegners nicht in der Erledigung von Zahlungsvorgängen als bloße Zahlstelle erschöpfe, sondern er über die allgemein geschuldeten Dienstleistungen hinaus im Eigen- oder Fremdinteresse aktiv an einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung des Schuldners teilnehme, könne aus dieser Mitwirkung in Verbindung mit der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes geschlossen werden.510 Bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch Banken handle es sich allerdings um alltägliche Geschäftsvorgänge, denen ein Wille des Überweisenden, seine Gläubiger zu benachteiligen, regelmäßig nicht zu entnehmen sei, solange die Bank nicht bewusst an einer selektiven Gläubigerbefriedigung mitwirke.511 B 198 Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass mit der Entscheidung des BGH die Vorsatzanfechtung in gefährliche Nähe zum Zahlungsverkehr gerückt werde.512 Dies liegt auch daran, dass der BGH in dieser Entscheidung erneut seine Rechtsprechung bekräftigt, wonach ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in aller Regel mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt.513 Diese Auffassung ist jedoch nicht ohne weiteres mit seiner Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung bei kongruenten Deckungen vereinbar, wonach ein Schuldner, dem es mehr auf die Erfüllung seiner Vertrags-

508 509 510 511

Vgl. dazu BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 73/11, ZInsO 2012, 971 f. Rz. 3. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, NJW 2012, 1959 ff. Rz. 15. Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 49a. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, NJW 2012, 1959 ff. Rz. 24 und 27; v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 37. 512 Vgl. Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2012 Anm. 1; Ede, ZInsO 2012, 1541 ff. 513 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, NJW 2012, 1959 ff. Rz. 17; v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff. Rz. 14.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 201 B

pflichten als auf die Schädigung der übrigen Gläubiger ankommt, nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt.514 Allein das Bewusstsein, nicht alle Gläubiger befriedigen zu können, dürfte daher nicht schon für die Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ausreichen, wenn der Schuldner nicht korrigierend in das außerhalb der Anfechtungszeiträume der Deckungsanfechtung geltende Prioritätsprinzip bei der Gläubigerbefriedigung eingreift.515 e) Tilgung einer fremden Schuld durch den Schuldner BGH-Urteil vom 5.2.2004 – ZIP 2004, 917 ff. Wichtig für das Verständnis der Rechtsprechung des BGH zur Anfechtung in B 199 mehrseitigen Rechtsbeziehungen ist ferner ein Urteil vom 5.2.2004.516 Der Beklagte war Eigentümer eines Betriebsgrundstücks, das er an die Fa. H. verpachtet hatte. Diese hatte es ihrerseits an die Schuldnerin vermietet. Deren Geschäftsführer war auch Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. H. Später veräußerte die in der Krise befindliche Schuldnerin ihr Geschäftsinventar an einen Käufer, der vom Beklagten auch das Grundstück erwarb. Nach der Zahlung des Kaufpreises für das Inventar überwies die Schuldnerin insgesamt 150 000 DM zur Ablösung von Pachtforderungen an den Beklagten. Der klagende Insolvenzverwalter focht diese Zahlung (ohne Erfolg) an. Obwohl der Beklagte kein Insolvenzgläubiger der Schuldnerin war, stellte die B 200 Zahlung der Schuldnerin an ihn nach der Würdigung des BGH eine Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO dar. Denn der Begriff der „Rechtshandlung“ sei weit auszulegen und nicht identisch mit dem bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff. Leiste der Schuldner aufgrund eines Anspruchs oder einer Weisung des Schuld- B 201 ners des Zuwendungsempfängers (Drittschuldners), stelle sich dies im Verhältnis der Beteiligten als eine Leistung des Schuldners an den Schuldner des Zuwendungsempfängers dar, der dadurch von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit werde. Es lägen in diesen Fällen zwei Leistungsverhältnisse vor, nämlich zwischen dem Schuldner und dem Schuldner des Zuwendungsempfängers einerseits und dem Zuwendungsempfänger und seinem Schuldner andererseits. Wie im Bereicherungsrecht komme auch im Insolvenzrecht bei derartigen Fallkonstellationen eine Anfechtung grundsätzlich nur im jeweiligen Leistungsverhältnis in Betracht. Würde man eine Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger zulassen, träfe diesen ein doppeltes Insolvenzrisiko, was nach Ansicht des BGH nicht gerechtfertigt wäre.

514 Vgl. BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 341/95, BGHZ 137, 267 (284); v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028 (3029). 515 Vgl. dazu Rz. F28 ff. 516 BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00 – „Pachtablösung“, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 ff. – mit Besprechung von Henckel, ZIP 2004, 1671 ff. Schfer

119

B Rz. 202

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 202 Ein weiteres Urteil des BGH vom 16.11.2007517 betrifft das Konkurrenzverhältnis der „Schenkungsanfechtung“ gemäß § 134 InsO zur Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO im Fall der Doppelinsolvenz von Leistungsmittler und Anweisendem: BGH-Urteil vom 16.11.2007 – BGHZ 174, 228 ff. B 203 Die Schuldnerin war eine Tochtergesellschaft im Konzern der V-GmbH, dem auch die H-GmbH und die I-GmbH angehörten. Nachdem bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Vermögen der V-GmbH und der H-GmbH beantragt worden war, hatte die Schuldnerin von ihrem Geschäftskonto ca. 81 000 Euro zur Begleichung fälliger Sozialversicherungsbeiträge, welche die V-GmbH, die H-GmbH und die I-GmbH der Beklagten schuldeten, für diese an die Beklagte überwiesen. Nach der Behauptung der Beklagten stammten die dafür erforderlichen Mittel ursprünglich aus dem Vermögen der V-GmbH und der H-GmbH. Die Revision des klagenden Insolvenzverwalters über das Vermögen der Schuldnerin gegen das überwiegend klageabweisende Berufungsurteil führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. B 204 Der BGH bekräftigt unter Berufung auf sein früheres Urteil vom 3.3.2005,518 dass bei Zuwendungen im Mehrpersonenverhältnis eine Anfechtung gegenüber dem (unmittelbaren) Zuwendungsempfänger wegen unentgeltlicher Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO in Betracht kommt, wenn dessen Forderung gegen seinen Schuldner (Drittschuldner) wertlos war. Im Mehrpersonenverhältnis ist danach für die Frage der Unentgeltlichkeit maßgebend, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Begleicht der Zuwendende die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, so ist dessen Gegenleistung in der Regel darin zu sehen, dass er eine werthaltige Forderung gegen den Dritten verliert. Ist diese Forderung hingegen wertlos, verliert der Zuwendungsempfänger wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden könnte. Wertlos ist eine Forderung nach Ansicht des BGH schon dann, wenn diese wegen der Insolvenzreife des Schuldners nicht mehr durchgesetzt werden kann.519 B 205 Obwohl somit in diesem Fall die Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten erfüllt waren, konnte der BGH nicht „durcherkennen“. Denn der Insolvenzverwalter über die Vermögen der V-GmbH und der H-GmbH konnte die Zuwendungen an die Beklagte möglicherweise ebenfalls als mittelbare Zuwendungen unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung (§ 131 InsO) gegenüber der Beklagten anfechten.520 Es lagen somit möglicherweise konkurrierende Anfechtungsansprüche für verschiedene Insolvenzmassen („Doppelinsolvenz“) vor. In einem solchen Fall schließt 517 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04 – „Cash-Pool (2)“, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345. 518 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. = MDR 2005, 953. 519 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, MDR 2010, 290 = NotBZ 2010, 48 m. Anm. Suppliet = ZInsO 2009, 2241 ff. 520 Vgl. dazu M. Huber, NZI 2008, 149 ff.

120 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 208 B

nach der Rechtsprechung des BGH die Deckungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter des Anweisenden die „Schenkungsanfechtung“ durch den Insolvenzverwalter des Angewiesenen aus. Vorrang hat danach die Anfechtung desjenigen Verwalters, aus dessen verwalteter Insolvenzmasse die Mittel für die angefochtene Zahlung stammen.521 Der Anfechtungsgegner hat allerdings darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der konkurrierende vorrangige Anfechtungsanspruch erhoben ist und dass seine Voraussetzungen erfüllt sind.522 Die Rechtsprechung des BGH zur Anfechtbarkeit wegen unentgeltlicher Leis- B 206 tung gemäß § 134 InsO im Mehrpersonenverhältnis kann für den Gläubiger gravierende Auswirkungen haben, die nicht gerechtfertigt erscheinen. Der Gläubiger kann die Leistung durch ein mit dem Schuldner verbundenes Unternehmen gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur ablehnen, wenn der Schuldner widerspricht. Da der Gläubiger zunächst befriedigt ist, wird er häufig nichts in dieser Richtung unternehmen. In der Insolvenz des zahlenden Unternehmens kann dessen Insolvenzverwalter gemäß § 134 InsO für den Zeitraum von vier Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages durch das verbundene Unternehmen die Zahlung an den Gläubiger mit der Begründung zurückfordern, dass dessen Schuldner zum Zeitpunkt der Zahlung bereits zahlungsunfähig und somit die Forderung des Gläubigers „wertlos“ gewesen sei. Die Frage der Unentgeltlichkeit einer Leistung kann indes nur unter Berück- B 207 sichtigung der bestehenden Leistungsbeziehungen sachgerecht beurteilt werden.523 Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass etwa im „CashPool-Fall (1)“524 die Zahlung in der Insolvenz des Zahlenden als unentgeltlich anzusehen sein soll, während es sich in der Insolvenz des Schuldners des Zuwendungsempfängers um eine entgeltliche Leistung an Letzteren handle, obwohl es doch für die Bestimmung der Entgeltlichkeit stets auf die Perspektive des Zahlungsempfängers ankommen solle525 und – so ist zu ergänzen – der Charakter einer Zuwendung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers nur einheitlich beurteilt werden kann.526 Aufgrund der Abkopplung der Frage der Unentgeltlichkeit von den bestehenden B 208 Leistungsbeziehungen stellt der BGH letztlich eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise an, die er jedoch nicht konsequent durchführt. So geht er etwa zu Recht davon aus, dass eine Leistung des Schuldners nicht schon deshalb als unentgeltlich angefochten werden kann, weil die Gegenleistung des Gläubigers ausgeblieben ist.527 Vor allem aber kann eine Forderung gegen einen zahlungsunfähigen Schuldner bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht kurzerhand als wertlos angesehen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH ist schon dann von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen, wenn die Liquiditätslücke 521 Vgl. Kirchhof, WM 2008, Sonderbeilage 1, S. 30. 522 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345. 523 Vgl. dazu Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.90 ff.; OLG Koblenz v. 13.5.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 ff. 524 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. = MDR 2005, 953. 525 Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 101. 526 Vgl. dazu ferner Rz. G70 ff. 527 BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 429/97, MDR 1999, 430 = NJW 1999, 1033 ff. Schfer

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B Rz. 208

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

zehn Prozent oder mehr beträgt und der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten benötigten Mittel zu beschaffen.528 Im günstigen Fall hat der Gläubiger daher durchaus noch eine beträchtliche Quote auf seine Forderung zu erwarten. Der durch den Dritten befriedigte Gläubiger, welcher der Zahlung gemäß § 267 Abs. 2 BGB ohne Mitwirkung des Schuldners gar nicht widersprechen kann, verliert möglicherweise selbst diese Quote, wenn er später vom Insolvenzverwalter über das Vermögen des zahlenden Dritten gemäß § 134 InsO in Anspruch genommen wird. Diese Störung des Leistungsverhältnisses zwischen dem Gläubiger und seinem Schuldner ist auch bei Berücksichtigung der Gesetzeszwecke des § 134 InsO nicht gerechtfertigt.529 B 209 Der BGH hat seine Rechtsprechung erneut durch Urteil vom 17.6.2010530 bekräftigt und ergänzend klargestellt, dass werthaltige Außenstände des Schuldners des Zuwendungsempfängers (Drittschuldners) der Unentgeltlichkeit der Zuwendung nur entgegenstehen, wenn der Anfechtungsgegner auf diese trotz der materiellen Insolvenz seines Schuldners insolvenzbeständig hätte zugreifen können; die Darlegungs- und Beweislast dafür trage der Anfechtungsgegner. Eine unentgeltliche Leistung liegt zudem nicht vor, wenn dem Drittschuldner ein werthaltiger Regressanspruch gegen den Schuldner zustand, auf den der Anfechtungsgegner hätte zugreifen können.531 B 210 Ein neueres Urteil des BGH vom 22.11.2012532 betrifft die (vom BGH bejahte) Frage, ob in der Insolvenz des Leistungsmittlers die Tilgung einer fremden Schuld wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Insolvenzgläubiger gegenüber dem Forderungsgläubiger angefochten werden kann, wenn dem Forderungsgläubiger dieser Vorsatz bekannt war: BGH-Urteil vom 22.11.2012 – ZIP 2013, 81 ff. B 211 Die Schuldnerin zahlte Beiträge für ihre in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherten Arbeitnehmer zusammen mit den Beiträgen für die pflichtversicherten Beschäftigten unmittelbar an die verklagte Krankenkasse. Die Beklagte stellte im Dezember 2005 einen Insolvenzantrag, nachdem die Beiträge ab November 2004 nicht mehr gezahlt worden waren. Am 1.2.2006 überwies die Schuldnerin die rückständigen Beiträge an die Beklagte, wovon 6519,96 Euro auf die freiwillig Versicherten entfielen. Die Beklagte erklärte daraufhin ihren Insolvenzantrag für erledigt. Am 2.5.2006 wurde auf den Antrag eines anderen Gläubigers vom 5.4.2006 hin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte weigerte sich, die für die freiwillig Versicherten entrichteten Beiträge an den klagenden Insolvenzverwalter zurückzuzahlen. 528 Vgl. BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 ff. = GmbHR 2005, 1117 m. Anm. Blöse = MDR 2005, 1248; v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZInsO 2006, 1210 ff. Rz. 27. 529 Vgl. dazu ferner Rz. G70 ff. 530 BGH v. 17.6.2010 – IX ZR 186/08, MDR 2010, 1152 = ZIP 2010, 1402 f. 531 BGH v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, MDR 2010, 288 = ZIP 2010, 36 ff. 532 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff.

122 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 215 B

Das Berufungsgericht war von der Tilgung einer fremden Schuld durch die In- B 212 solvenzschuldnerin ausgegangen, da der Arbeitgeber die Beiträge freiwillig Versicherter – anders als jene der pflichtversicherten Arbeitnehmer – nach den §§ 250 Abs. 2, 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V und den §§ 59 Abs. 4 Satz 1, 60 Abs. 1 SGB XI nicht selbst schuldet. Eine sogenannte „Leistungskette“ war nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben, da durch ein und dieselbe Rechtshandlung – für die Beklagte erkennbar – sowohl die Beitragsschuld der freiwillig versicherten Beschäftigten als auch die Verpflichtung im Deckungsverhältnis zwischen ihnen und der Schuldnerin erfüllt wurde. Nach Ansicht des BGH führen weder systematische Erwägungen noch die Inte- B 213 ressenabwägung im Drei-Personen-Verhältnis dazu, die Vorsatzanfechtung des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Arbeitgebers als Leistungsmittler gegen den Gläubiger auszuschließen oder zu beschränken. Nach der Rückgewähr der Beiträge der freiwillig Versicherten richte sich die Beziehung zwischen der Beklagten und ihren freiwillig Versicherten nach Beitragsrecht. Dies setze voraus, dass die Beitragsansprüche der Beklagten nach § 144 Abs. 1 InsO wieder auflebten. Diese Bestimmung gelte auch im anfechtungsrechtlichen Drei-Personen-Verhältnis. Durch die erfolgreiche Anfechtung gegen den Gläubiger lebe dessen Forderung gegen den Leistungsschuldner wieder auf, auch wenn dieser im Drei-Personen-Verhältnis nicht mit dem Insolvenzschuldner identisch sei.533 Die freiwillig Versicherten trügen dadurch mittelbar ein ähnliches Insolvenzrisi- B 214 ko wie bei der Anfechtung der im Deckungsverhältnis erlangten Beitragsbefreiung durch den Insolvenzverwalter des Arbeitgebers. Es könne deshalb gerechtfertigt sein, auch ihre Forderung gegen den Arbeitgeber als Insolvenzforderung entsprechend § 144 Abs. 1 InsO wieder aufleben zu lassen.534 Zu bedenken sei allerdings, dass die Leistung des Arbeitgebers im Deckungsverhältnis unanfechtbar oder nicht mehr anfechtbar sein könne, die erlangte Beitragsfreiheit der Arbeitnehmer aber gleichwohl unter dem Insolvenzrisiko ihres Leistungsmittlers stehe. Diesen wirtschaftlichen Nachteil habe das Urteil des BGH vom 24.9.1962535 bei der Prüfung der besonderen Konkursanfechtung ausdrücklich als ungerechtfertigt bezeichnet. Die dortigen Erwägungen seien dennoch auf die hier gegebene Vorsatzanfechtung nicht übertragbar. Der freiwillig versicherte Arbeitnehmer gehe ein vermeidbares insolvenzrechtliches Risiko ein, wenn er die Abführung der von ihm geschuldeten Beiträge den Rechtshandlungen des Arbeitgebers überlasse. Zum Urteil des BGH ist kritisch anzumerken, dass es anfechtungsrechtlich B 215 nicht gerechtfertigt ist, dem Arbeitnehmer das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers aufzubürdern, nur weil er auf die Auszahlung der von ihm zu leistenden Krankenversicherungsbeiträge als Teil des ihm zustehenden Arbeitslohns verzichtet und diese durch den Arbeitgeber als Mittelsperson im Wege des abge533 Vgl. BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. Rz. 12; v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (48); MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 7a. 534 Vgl. OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 (290); MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 7a. 535 BGH v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (48). Schfer

123

B Rz. 215

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

kürzten Zahlungswegs an die Krankenkasse hat bezahlen lassen. Es sind vielmehr die Rechtsgrundsätze des Bargeschäfts anwendbar.536 B 215a Die Anfechtungsrisiken für den Zahlungsempfänger in solchen Dreiecksbeziehungen verdeutlicht ein Urteil des BGH vom 8.9.2016.537 Nachdem das verklagte Land die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Geschäftsführers und Alleingesellschafters der Schuldnerin wegen rückständiger Steuerschulden beantragt hatte, überwies dieser 10 000 Euro mit der Angabe „Darlehen“ und 25 000 Euro als „Stammeinlage“ auf das Konto der Schuldnerin. Diese überwies noch am selben Tag 33 000 Euro auf die Steuerschuld ihres Alleingesellschafters. Die Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Alleingesellschafters forderte mit Erfolg vom verklagten Land die Rückgewähr unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtungnach § 133 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin forderte vom verklagten Land ebenfalls die Rückzahlung von 23 000 Euro. Sind dem Anfechtungsgegner – so der BGH – Umstände bekannt, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprechen und deren Kenntnis auch einem Empfänger mit durchschnittlichem Erkenntnisvermögen ohne gründliche Überlegung die Annahme nahe legt, dass die Befriedigung der Gläubiger infolge der Freigiebigkeit verkürzt ist, muss er den Umständen nach wissen, dass die empfangene Leistung die Gläubiger benachteiligt (vgl. § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO).538 aa) Tilgung einer eigenen und einer fremden Schuld durch den Schuldner B 216 Nach der Rechtsprechung des BGH zur Unentgeltlichkeit einer Zuwendung in mehrseitigen Rechtsbeziehungen steht es der „Schenkungsanfechtung“ gegenüber einem Dritten nicht entgegen, wenn der Schuldner zugleich von einer eigenen Verpflichtung befreit wurde, wie ein Urteil vom 4.3.1999539 zeigt. BGH-Urteil vom 4.3.1999 – BGHZ 141, 96 ff. B 217 Die verstorbenen Eltern der Beklagten hatten ihr das Eigentum an ihrem Hausgrundstück übertragen und sich ein lebenslängliches, unentgeltliches Nießbrauchsrecht vorbehalten. Die Beklagte hatte die Mithaftung für die Forderungen der Grundpfandgläubiger übernommen, zugleich jedoch mit ihren Eltern vereinbart, dass jene im Innenverhältnis die Verbindlichkeiten allein zu tragen hatten. Der klagende Nachlasskonkursverwalter focht die Zahlungen der Eltern an die Grundpfandgläubiger gegenüber der Beklagten als unentgeltliche Zuwendungen an. B 218 Der BGH verweist auf seine Rechtsprechung, wonach im Zwei-Personen-Verhältnis eine Verfügung als unentgeltlich anzusehen ist, wenn einer Zuwendung 536 537 538 539

Vgl. dazu Rz. B518 sowie HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 4. BGH v. 8.9.2016 – IX ZR 151/14, ZIP 2016, 2376 ff. BGH v. 8.9.2016 – IX ZR 151/14, ZIP 2016, 2376 ff., 1. Leitsatz. BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98 – „Nießbrauch“, BGHZ 141, 96 ff. = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262.

124 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 221 B

nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll.540 Diese Begriffsbestimmung erweise sich jedoch dort als zu eng, wo eine dritte Person in den Zuwendungs- oder den Gegenleistungsvorgang eingeschaltet sei. In solchen Fällen komme es nicht entscheidend darauf an, ob der Schuldner selbst für die von ihm getätigte Verfügung einen Ausgleich erhalten habe. Zu fragen sei vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung habe erbringen müssen.541 Dies folge aus dem in § 32 KO (vgl. jetzt § 134 InsO) ebenso wie in zahlreichen anderen Vorschriften zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken, dass ein Erwerb, für den der Empfänger kein ausgleichendes Vermögensopfer habe erbringen müssen, geringeren rechtlichen Schutz verdiene. Deshalb sei es grundsätzlich gerechtfertigt, dass der Empfänger einer Leistung, für die er nichts habe aufbringen müssen, diese an die Masse zurückgewähren müsse. Aus diesen Gründen habe der BGH eine unentgeltliche Zuwendung verneint, B 219 wenn der Empfänger sich dem Schuldner gegenüber verpflichtet habe, eine ausgleichende Gegenleistung an einen Dritten zu erbringen.542 Habe der Empfänger dagegen für die vom Schuldner bewirkte Leistung nichts aufwenden müssen, sei diese nicht schon deshalb ohne weiteres als entgeltlich anzusehen, weil der Schuldner etwas von einem Dritten erhalten habe; denn für die Beurteilung, ob eine nach § 32 Nr. 1 KO (vgl. jetzt § 134 Abs. 1 InsO) anfechtbare Rechtshandlung vorliege, sei allein auf das Rechtsverhältnis zwischen dem verfügenden Schuldner und dem Zuwendungsempfänger abzustellen. Mit der Erfüllung der Verpflichtung, die von dem Erwerber übernommenen Grundpfandrechte abzulösen, ohne dafür einen Ausgleich zu erhalten, vollziehe der Veräußerer eine unentgeltliche Leistung, obwohl er dadurch zugleich von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Dritten frei werde. Dass diese Betrachtungsweise sachgerecht sei, zeige sich gerade in den Fällen B 220 der gemeinsamen Verpflichtung Mehrerer gegenüber einem Dritten. Verzichte der spätere Schuldner im Innenverhältnis auf den ihm von Gesetzes wegen zustehenden Ausgleichs- oder Regressanspruch, ohne dass der Begünstigte dafür etwas aufzuwenden habe, werde der Leistende zwar mit der Zahlung von einer eigenen Schuld frei, bewirke damit jedoch zugleich eine unentgeltliche Zuwendung gegenüber dem Mithaftenden.543 Es ist jedoch als Besonderheit des vom BGH entschiedenen Falles festzuhalten, B 221 dass sich die „Schenkungsanfechtung“ nicht gegen den Zuwendungsempfänger

540 Vgl. BGH v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (101) = MDR 1991, 431; v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (395 f.) = MDR 1991, 645 = FamRZ 1991, 695. 541 Vgl. BGH v. 25.6.1992 – IX ZR 4/91, MDR 1992, 1050 = ZIP 1992, 1089 (1091). 542 BGH v. 25.6.1992 – IX ZR 4/91, MDR 1992, 1050 = ZIP 1992, 1089; v. 24.6.1993 – IX ZR 96/92, MDR 1993, 1119 = ZIP 1993, 1170 (1173). 543 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (100) = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262; vgl. dazu noch BGH v. 10.1.1985 – IX ZR 2/84, MDR 1985, 841 = ZIP 1985, 372 (373). Schfer

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B Rz. 221

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

(Grundpfandgläubiger) richtete, aus dessen Sicht eine Zahlung des Schuldners auf eigene Schuld vorlag, sondern gegen die Tochter der Schuldner, welcher der Anspruch auf Freistellung von der Mithaftung in der Tat unentgeltlich eingeräumt worden war. bb) Rückbesinnung auf engen Anwendungsbereich der Tilgung fremder Schuld B 222 Ein Urteil des OLG Rostock vom 24.11.2003544 betrifft die im entscheidenden Punkt anders gelagerte Frage, ob im Fall der Zahlung einer Komplementärgesellschaft – die dem Gläubiger gemäß § 128 HGB persönlich haftet – an einen Gläubiger der GmbH & Co. KG (auch ein Fall der Tilgung einer eigenen und einer fremden Schuld) eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO gegeben ist: Urteil des OLG Rostock vom 24.11.2003 – ZInsO 2004, 555 f. B 223 Die Schuldnerin war Komplementärin der Fliesen-KG. Diese beschäftigte Arbeitnehmer, die sie bei der Beklagten angemeldet hatte. Sie erkannte am 3.2.1999 eine Beitragsschuld in Höhe von ca. 29 000 DM an. Am 11.2.1999 beantragte sie wegen Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die Gesellschafter der Schuldnerin stellten am 26.2.1999 fest, dass diese infolge der Insolvenz der Fliesen-KG ebenfalls überschuldet und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen war. Die Schuldnerin stellte den Antrag am 3.3.1999. Zur Tilgung der von der Fliesen-KG anerkannten Beitragsrückstände überwies die Schuldnerin am 19.3.1999 ca. 29 000 DM an die Beklagte. Am 28.4.1999 wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagten mit Erfolg die Rückzahlung der empfangenen ca. 29 000 DM unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung. B 224 Nach Ansicht des OLG Rostock ist die Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO begründet. Es geht von der Anwendbarkeit der Rechtsgrundsätze der BGHRechtsprechung zur „Schenkungsanfechtung“ in Mehrpersonenverhältnissen aus. Die Tilgung einer fremden Schuld sei eine unentgeltliche Leistung sowohl an den Zuwendungsempfänger als auch an den von der Verbindlichkeit befreiten Schuldner, wenn die Regressforderung des Leistenden gegen ihn wirtschaftlich wertlos sei. Dies sei im konkreten Fall anzunehmen, denn der aus § 110 HGB folgende Rückgriff der Schuldnerin gegen die Fliesen-KG sei wegen deren Insolvenz von vornherein wertlos gewesen. B 225 Aufgrund der Vorwirkung des § 93 InsO schon während des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fliesen-KG sei der wirtschaftliche Wert des aus den §§ 128, 161 HGB folgenden unmittelbaren Anspruchs der Beklagten gering gewesen, wenn nicht gar entfallen. Zudem habe die Beklagte die Schuldnerin nicht zur Zahlung aufgefordert; aus ihrer Sicht, die nach der An-

544 OLG Rostock v. 24.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 f.

126 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 228 B

ordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der FliesenKG keine Tilgung ihrer Beitragsrückstände habe erwarten können, habe ein Dritter gezahlt. Auch habe die Schuldnerin, die nicht von der Beklagten zur Zahlung aufgefordert worden sei, keinen Grund gehabt, an sie zu zahlen. Das Interesse ihrer Gesellschafter, der persönlichen Inanspruchnahme zu entgehen, sei kein anerkennenswerter Grund. Sie hätten dem Vermögen der Schuldnerin den überwisenen Betrag entzogen, ohne dass diese eine wirtschaftliche Gegenleistung erlangt habe. Umgekehrt habe die Beklagte nach der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Fliesen-KG keine Aussicht auf Erfüllung der von dieser anerkannten Beitragsschuld gehabt. In subjektiver Hinsicht habe die Schuldnerin nicht die Befreiung von ihrer Komplementärhaftung bezweckt; umgekehrt habe die Beklagte die unmittelbare Inanspruchnahme der Schuldnerin, mit der sie bislang nichts zu tun gehabt habe, nicht in Betracht gezogen. Letztlich habe die Beklagte den überwiesenen Betrag ohne Gegenleistung wie ein „Geschenk“ erhalten. Die Auffassung des OLG Rostock war unzutreffend. Das Gesetz gibt dem Gesell- B 226 schaftsgläubiger mit § 128 HGB einen Anspruch gegen den Gesellschafter gerade auch deshalb, um ihn im Fall einer etwaigen Insolvenz der Gesellschaft zu schützen. Dennoch soll er nach Ansicht des OLG Rostock ein unverdientes, nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbares „Geschenk“ erhalten, wenn der Gesellschafter ihn in der Krise der Gesellschaft befriedigt. Dies soll ungeachtet des Umstands gelten, dass der Gläubiger im Rahmen des § 134 InsO keinerlei Rücksichtnahmepflichten gegenüber den übrigen Gläubiger des Schuldners unterliegt, wie im Rahmen der Deckungsanfechtung, sondern nur freigiebige Leistungen des Schuldners nicht soll behalten dürfen. Eine unentgeltliche Leistung der Schuldnerin an den Zuwendungsempfänger lag nicht vor, weil diese auf eine eigene Verpflichtung gegenüber dem Zuwendungsempfänger geleistet hatte. Von erheblicher Bedeutung für das Verständnis der Rechtsprechung des BGH zu den mittelbaren Zuwendungen ist der „Organschaftsfall“ des BGH vom 19.1.2012,545 der ebenfalls eine Schuldnerzahlung bei bestehender eigener und fremder Schuld betrifft.

B 227

BGH-Urteil vom 19.1.2012 – BGHZ 192, 221 ff. Zwischen der Schuldnerin und ihrem Alleingesellschafter/Geschäftsführer be- B 228 stand eine umsatzsteuerliche Organschaft, bei der die Schuldnerin als Organgesellschaft und der Alleingesellschafter als Organträger fungierten. Das verklagte Land zog am 14.10.2008 aufgrund einer ihm erteilten Einzugsermächtigung vom Konto der Schuldnerin eine Umsatzsteuerzahlung in Höhe von ca. 60 000 Euro ein, die auf der Geschäftstätigkeit der Schuldnerin beruhte. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse bestand die Möglichkeit, gegen die Lastschrift binnen einer Frist von sechs Wochen nach Rechnungsabschluss Widerspruch einzulegen. Auf den Eigenantrag der Schuldnerin vom 19.12.2008 wur-

545 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Schfer

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B Rz. 228

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

de am 1.2.2009 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte vom verklagten Land mit Erfolg die Erstattung des Betrages von ca. 60 000 Euro unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung. B 229 Der BGH ist nicht der Auffassung des Bundesfinanzhofs gefolgt, wonach die Finanzbehörde im Fall der Leistungsfähigkeit des primären Steuerschuldners keine Insolvenzgläubigerin des Haftungsschuldners im Sinne des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei, wenn dieser vor dem Erlass eines Haftungsbescheids eine Zahlung an sie entrichte.546 Der Haftungsbescheid habe nur deklaratorische Bedeutung. Zu den Insolvenzgläubigern gehöre jeder, der in der Insolvenz nur eine Forderung im Sinne des § 38 InsO oder einen nachrangigen Anspruch (§ 39 InsO) gehabt hätte, weil dessen Erfüllung geeignet sei, die Befriedigungsaussichten der Gläubigergesamtheit zu schmälern. Ob der Empfänger der schuldnerischen Leistung tatsächlich am Verfahren teilnehmen würde, spiele keine Rolle, weil davon die Gläubigerbenachteiligung durch die Rechtshandlung des Schuldners nicht abhänge.547 B 230 Das verklagte Land habe die erlangte Deckung „nicht zu der Zeit“ beanspruchen können, da der Schuldnerin wegen der Zahlungsfähigkeit des Organträgers ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden habe. Erbringe der Schuldner einer noch nicht durchsetzbaren Haftungsverbindlichkeit eine Zahlung an das Finanzamt, sei davon auszugehen, dass er dadurch seine Haftungsverbindlichkeit und nicht die ihr zugrundeliegende Steuerschuld habe tilgen wollen. Soweit auf das Verständnis des Zuwendungsempfängers für die Bewertung abgestellt werde, ob der Schuldner eine Eigen- oder eine Fremdverbindlichkeit tilge, entsprächen die insolvenzrechtlichen Zuordnungskriterien denen des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs.548 B 231 Der Anfechtung gegen das verklagte Land stehe – entgegen der Auffassung des BFH549 – nicht ein vorrangiger Anfechtungsanspruch gegen den Organträger entgegen. Zwar habe die Schuldnerin zugleich den Anspruch des Organträgers auf Befreiung von der Verbindlichkeit erfüllt, so dass dieser ebenfalls Insolvenzgläubiger sei und eine Anfechtung gegen ihn in Betracht komme. Angesichts der Doppelwirkung der schuldnerischen Zahlung sei jedoch keine mittelbare Zuwendung des Organträgers gegeben. Zum einen fehle es an der Veranlassung der Zahlung durch den Organträger. Zum anderen sei für das verklagte Land nicht erkennbar gewesen, dass es sich um eine Leistung des Organträgers hätte handeln sollen. Eine mittelbare Zuwendung scheide der Sache nach aus, wenn die Zwischenperson mit ihrer Leistung an den Gläubiger auch eine eigene Ver-

546 Vgl. BFH v. 23.9.2009 – VII R 43/08, BFHE 226, 391 (396). 547 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 15; vgl. zur Bürgschaft BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183 ff. 548 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 19; vgl. dazu ferner BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287); v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183 ff. Rz. 21. 549 BFH v. 23.9.2009 – VII R 43/08, BFHE 226, 391 (397 ff.).

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 233 B

bindlichkeit als Mitschuldner zu tilgen suche.550 Für eine mittelbare Zuwendung sei kein Raum, wenn der Leistende einem Dritten zur Schuldbefreiung und dem Empfänger kraft Gesetzes zur Zahlung verpflichtet sei.551 Bei einer Doppelwirkung der Leistung habe der Verwalter vielmehr die Wahl, welchen Leistungsempfänger er in Anspruch nehme; diese hafteten gegebenenfalls als Gesamtschuldner.552 Für eine „Schenkungsanfechtung“ gegen das verklagte Land nach § 134 InsO sei kein Raum. Die dazu entwickelten Rechtsgrundsätze fänden lediglich in Fällen einer freiwilligen Drittleistung und nicht auch dann Anwendung, wenn den Dritten gegenüber dem Zahlungsempfänger eine eigene Verbindlichkeit treffe. Denn dann tilge er mit der fremden Schuld zugleich seine eigene. In dem Freiwerden von der eigenen Schuld liege der Ausgleich, der die Anwendung des § 134 Abs. 1 InsO ausschließe.553 Gegen diese Erwägungen ist indes einzuwenden, dass auch eine Leistung auf eine eigene Verbindlichkeit freiwillig sein kann und sich die Frage der Unentgeltlichkeit nicht nach der Wirkung einer Leistung bestimmen lässt.554

B 232

Im Schrifttum wird zu Recht daran erinnert, dass sich auch im Anfechtungs- B 233 recht die Frage stellt, ob der Schuldner überhaupt im Sinne des § 267 BGB eine fremde Schuld getilgt hat.555 Entscheidend dafür ist die Tilgungsbestimmung des Leistenden, die sich maßgeblich nach dem objektivierten Empfängerhorizont des Zuwendungsempfängers bestimmt. Will der Zuwendende mit seiner Zahlung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers eine eigene Verbindlichkeit tilgen, so liegt in aller Regel nicht zugleich eine Tilgung fremder Schuld im Sinne des § 267 BGB vor. Die Tilgung der fremden Schuld ist vielmehr nur Reflex der Tilgung der eigenen Schuld. So sind etwa der Haftungsschuldner und der Hauptschuldner gemäß § 421 BGB Gesamtschuldner. Jeder Gesamtschuldner leistet nur auf die gegen ihn selbst gerichtete Forderung und nicht auch auf die gegen den Mithaftenden gerichtete Forderung. Zahlt der Haftungsschuldner, bedarf es nicht einer auf die Hauptschuld bezogenen Tilgungsbestimmung, da die Zahlung des Haftungsschuldners schon nach § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB zugunsten des Hauptschuldners wirkt. Die gesetzliche Tilgungsanordnung erklärt sich daraus, dass das Gesetz vom Fehlen einer auf die Mitschuld gerichteten Tilgungsbestimmung ausgeht.556 Es wird daher zu erwägen sein, inwieweit die sogenannten „Anweisungsfälle“ dem Anwendungsbereich der „Schenkungsanfechtung“ entzogen sind.557 550 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 31; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 49a; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 330. 551 Vgl. BGH v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (46 f.). 552 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372 ff. Rz. 17; v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06 – „Subunternehmer“, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 25 ff. 553 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 35; v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, ZIP 2008, 1385 ff. 554 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3; Berger, ZIP 2010, 2078. 555 Thole, KTS 2011, 219 (231). 556 Vgl. Gehrlein, ZInsO 2012, 197; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1988, S. 495. 557 Vgl. dazu Thole, KTS 2011, 219 (232). Schfer

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B Rz. 234

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

f) Werthaltigmachen einer vorausabgetretenen Forderung durch den Schuldner B 234 Ein weiteres Urteil des BGH vom 26.6.2008558 gehört zwar nicht im eigentlichen Sinne zum Bereich der mittelbaren Zuwendungen; es soll aber dennoch in diesem Zusammenhang zur weiteren Veranschaulichung mitberücksichtigt werden. Die Entscheidung betrifft eine Zession, bei der ohne weiteres eine Anweisung des Zedenten, der Schuldner solle an den Zessionar bezahlen, hinzugedacht werden kann. Ohnehin steht die Zession der Anweisung nahe.559 Dabei wird nicht verkannt, dass das Anfechtungsrecht und das Bereicherungsrecht nicht ohne weiteres gleichzusetzen sind. Manche Probleme, die im Bereich des Anfechtungsrechts noch nicht abschließend geklärt sind, werden jedoch bei einer Überprüfung anhand der bereicherungsrechtlichen Grundsätze anschaulicher. BGH-Urteil vom 26.6.2008 – ZInsO 2008, 801 ff. B 235 Die Schuldnerin hatte durch Globalzession ihre sämtlichen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen an die verklagte Sparkasse abgetreten. Sie hatte von der Stadt H. den Auftrag zur Erschließung eines Gewerbegebietes erhalten. Zum Zeitpunkt der Erbringung der 15. und der 16. Abschlagszahlung wusste die Beklagte, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig war. Nach diesen Zahlungen ließ die Beklagte noch in geringem Umfang Belastungen des schuldnerischen Kontos zu. Den Differenzbetrag zwischen diesen Belastungen und den Abschlagszahlungen verlangte der klagende Insolvenzverwalter von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung. B 236 Nach Ansicht des BGH musste die Anfechtung des Werthaltigmachens der abgetretenen Forderung nicht gegenüber der Stadt H. geltend gemacht werden. Denn die Erfüllungshandlung der Schuldnerin habe auch gegenüber der Beklagten Rechtswirkungen entfaltet. Einerseits seien damit zwar die vertraglichen Verpflichtungen der Schuldnerin gegenüber der Stadt erfüllt worden. Andererseits habe aber auch die Beklagte eine Wertauffüllung ihrer Sicherheit erhalten. Bei einer derartigen Doppelwirkung einer Leistung habe der Verwalter die Wahl, welchen Leistungsempfänger er in Anspruch nehme. Es könnten, sofern die Voraussetzungen vorlägen, beide in Anspruch genommen werden. Sie hafteten gegebenenfalls als Gesamtschuldner.560 Der BGH wies den Rechtsstreit zum Zwecke der Prüfung der Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO an das Berufungsgericht zurück. B 237 Anders als im „Subunternehmerfall“ ging es in diesem Fall nicht um eine Konkurrenz zwischen Deckungs- und Vorsatzanfechtung, sondern um die Konkurrenz zweier Deckungsanfechtungen. Mit dem Grundsatz, dass sich die Bestim-

558 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05 – „Abschlagszahlung“, MDR 2008, 1238 = ZInsO 2008, 801 ff. – vgl. dazu Cranshaw, DZWIR 2008, 397 ff. 559 Vgl. dazu Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II/2, § 70 V. 1. a), S. 237. 560 BGH v. 29.4.1999 – IX ZR 163/98, MDR 1999, 1021 = ZIP 1999, 973 (974); v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, MDR 2008, 531 = ZInsO 2008, 209 ff. Rz. 17.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 240 B

mung des Anfechtungsgegners nach den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs richtet, ist diese Entscheidung nicht vereinbar. Denn nach der bereicherungsrechtlichen Rechtsprechung des BGH findet die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im Falle der Abtretung grundsätzlich zwischen dem Schuldner und dem Zedenten und nicht zwischen dem Schuldner und dem Zessionar statt; eine Direktkondiktion gegenüber dem Zessionar wird nur ausnahmsweise zugelassen.561 Eine Mehrfachkondiktion gibt es grundsätzlich nicht. Es hat durchaus seinen Grund, dass man im Bereicherungsrecht Anspruchskumulationen vermeidet. Die Folgefragen, die mit der Annahme einer Gesamtschuld zwischen den möglichen Anfechtungsgegnern verbunden sind, sind ungeklärt.562 Bliebe die im Voraus abgetretene Forderung hingegen bis zu ihrer Reife bzw. Werthaltigkeit zumindest haftungsmäßig dem Vermögen des Schuldners zugeordnet, stellten sich viele Probleme nicht. Die erheblichen Auswirkungen der Rechtsprechung des BGH verdeutlicht ein weiteres Urteil vom 28.2.2008:563

B 238

BGH-Urteil vom 28.2.2008 – ZIP 2008, 650 ff. Die Schuldnerin hatte der Beklagten durch Globalzessionsvertrag ihre sämtli- B 239 chen bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen abgetreten. Nachdem es zwischen der Schuldnerin und ihrer Hauptauftraggeberin – der Deutschen Post AG – zu Unstimmigkeiten gekommen war, stellte die Beklagte den der Schuldnerin gewährten Kredit zur sofortigen Rückzahlung fällig. Die Schuldnerin und die DPAG trafen daraufhin eine Vereinbarung, nach der die DPAG zur Abgeltung aller Forderungen der Schuldnerin und mit ihr verbundenen Personen insgesamt 4,5 Mio. DM zu zahlen hatte. Davon waren ca. 2,3 Mio. DM direkt an die Beklagte zu bezahlen, was auch geschah. Der Insolvenzverwalter machte geltend, den abgetretenen Forderungen hätten Werkleistungen zugrunde gelegen, welche die Schuldnerin innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag erbracht habe. Mit dem Vergleich seien Forderungen und vermögenswerte Rechte in Höhe von insgesamt ca. 33 Mio. DM abgegolten worden. Nach seinem Vorbringen wurden die an die Beklagte abgetretenen Forderungen im Vergleich nicht mit ihrem Nominalbetrag angesetzt. Der Wert der einzelnen Positionen sei nicht gesondert ermittelt worden; eine Auslegung des Vergleichs ergebe jedoch, dass auf die an die Beklagte abgetretenen Forderungen nur ein Teilbetrag von ca. 300 000 DM entfallen sei. Der BGH weist zunächst darauf hin, dass sich der klagende Insolvenzverwalter B 240 auf die Anfechtbarkeit der Verrechnung der Zahlung der DPAG mit dem Darle561 Vgl. BGH v. 2.11.1988 – IVb ZR 102/87 – „Feuerversicherung“, BGHZ 105, 365 ff. = MDR 1989, 239; v. 10.3.1993 – XII ZR 253/91, BGHZ 122, 46 ff. = MDR 1993, 624; Erman/Buck-Heeb, 13. Aufl., § 812 Rz. 36; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Band II/2, § 70 V. 1. a), S. 237. 562 Vgl. dazu Cranshaw, DZWIR 2008, 221, 229 ff. und näher unter Rz. G79 ff. 563 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 177/05 – „Forderungsabgeltung“, MDR 2008, 710 = ZIP 2008, 650 ff. Schfer

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B Rz. 240

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

hensrückzahlungsanspruch der Beklagten berufen habe. Gemäß § 140 Abs. 1 InsO komme es daher darauf an, wann das Gegenseitigkeitsverhältnis der verrechneten Forderungen begründet worden sei. Dies sei mit dem Eingang der Zahlung der DPAG der Fall gewesen. Eine etwaige, auf dem Vergleich beruhende Gläubigerbenachteiligung sei nicht vorrangig von der DPAG auszugleichen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH richte sich die Anfechtung dann, wenn der Schuldner eine Zwischenperson eingeschaltet habe, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert habe, jedenfalls auch gegen den Zahlungsempfänger, sofern es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners gehandelt habe.564 B 241 Die Beklagte als Zessionarin wird somit der Anfechtung ausgesetzt, obwohl sie die Zahlung der DPAG gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur bei einem Widerspruch der Schuldnerin hätte zurückweisen können und obwohl sie möglicherweise keinerlei Kenntnis von den zwischen der Schuldnerin und der DPAG bestehenden Rechtsbeziehungen hatte. B 242 Eine weitere Entscheidung des BGH vom 19.4.2007565 zur Anfechtung im Mehrpersonenverhältnis steht hingegen im Einklang mit den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen: BGH-Urteil vom 19.4.2007 – ZIP 2007, 1118 ff. B 243 Die Schuldnerin hatte gegenüber der C schon vor dem Vertragsschluss aufgrund einer Absichtserklärung („letter of intent“) Verkabelungsarbeiten in einer Niederlassung erbracht. Nach der Übersendung des Vertragsentwurfs stellte die Schuldnerin eine erhebliche Unterdeckung fest und beschloss daher, dass die Beklagte den Auftrag übernehmen solle, da die Liquiditätsausstattung der Schuldnerin derzeit einen Auftrag dieser Größenordnung nicht zulasse. Die C schloss daraufhin den Vertrag mit der Beklagten, die nach Abschluss des Vorhabens die vereinbarte Vergütung erhielt. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagten die Zahlung des Gegenwerts der von der Schuldnerin stornierten Rechnungen. B 244 Der BGH hat die Beklagte als „richtige Anfechtungsgegnerin“ angesehen. Die Leistungen der Schuldnerin hätten zwar ein Gebäude der C betroffen. Empfänger der Leistung im Sinne des § 134 InsO sei jedoch die Beklagte gewesen. Diese habe den vollständigen Werklohn erhalten, obwohl sie nach dem Sachvortrag des Klägers nur Teile des Werkes selbst erstellt habe, während sie im Übrigen auf die Vorarbeiten der Schuldnerin habe zurückgreifen können. Damit habe sie auf Kosten der Schuldnerin einen geldwerten Vorteil erlangt. Im Verhältnis zur Beklagten sei die Leistung der Schuldnerin unentgeltlich gewesen. In einem Drei-Personen-Verhältnis komme es für die Frage der Unentgeltlichkeit einer 564 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 177/05, MDR 2008, 710 = ZIP 2008, 650 ff. Rz. 17. 565 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 79/05, MDR 2007, 1099 = ZIP 2007, 1118 ff. – „Auftragsübernahme“.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 247 B

Leistung des Schuldners nicht darauf an, ob er selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten habe; maßgebend sei vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung habe erbringen müssen.566 In dem zu entscheidenden Fall habe weder die Schuldnerin einen Gegenwert erhalten noch die Beklagte einen solchen erbracht. Diese Entscheidung steht im Einklang mit den bereicherungsrechtlichen Grund- B 245 sätzen. Die Beklagte hat sich bei der Erfüllung des Vertrages mit der C die Vorleistungen der Schuldnerin zunutze gemacht, ohne dass der Vertrag mit der C dafür den Rechtsgrund bilden konnte. Sie hat dadurch einen Teil der Gegenleistung auf Kosten der Schuldnerin erlangt, allerdings nicht unentgeltlich, sondern rechtsgrundlos. Es hätte daher nicht der Anfechtung bedurft, vielmehr stand der Masse ein Bereicherungsanspruch aus Nichtleistungskondiktion gegen die Beklagte zu. Die anfechtbare Rechtshandlung kann – anders als nach dem Leitsatz des Urteils – nicht in den Werkleistungen der Schuldnerin gesehen werden. Denn diese hatten einen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch der Schuldnerin zur Folge, so dass es bei dessen Werthaltigkeit an der erforderlichen Gläubigerbenachteiligung fehlte. Entscheidend ist vielmehr, dass die Schuldnerin es unterließ, von der Beklagten den Gegenwert für diese Leistungen zu verlangen.567 g) Zusammenfassung der Rechtsgrundsätze zur Anfechtung im Mehrpersonenverhältnis Fasst man die Rechtsgrundsätze der oben wiedergegebenen Entscheidungen des B 246 BGH zur Anfechtbarkeit von Zuwendungen im sogenannten „Dreiecksverhältnis“ zusammen, so gilt Folgendes: Nur eine Beachtung der zivilrechtlichen Grundkonstruktionen bzw. Kausalbe- B 247 ziehungen erlaubt bei Mehrpersonenverhältnissen auch auf der insolvenzanfechtungsrechtlichen Ebene überzeugende Lösungen.568 Bei Zuwendungen im Mehrpersonenverhältnis ist zunächst sorgfältig zu prüfen, ob eine sogenannte „Leistungskette“ oder eine „mittelbare Zuwendung“ gegeben ist. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn der Schuldner durch einen einheitlichen Gesamtvorgang über einen Leistungsmittler das Vermögen des Zuwendungsempfängers vermehrt hat und diesem bewusst war, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte. Die Funktion des Leistungsmittlers muss sich in der einer Zahl- bzw. Verrechnungsstelle erschöpfen. Sind die vom Schuldner überlassenen Vermögensgegenstände in das Vermögen des Leistungsmittlers übergegangen und erst danach an einen Dritten weitergeleitet worden, so scheidet eine mittelbare Zuwendung im Grundsatz aus. Der Dritte ist allenfalls Rechtsnachfolger im Sinne des § 145 InsO. Ebenso wie bei der Leistungskette richtet sich die Anfechtung bei einer mittelbaren Zuwendung im Grundsatz nach den Zuordnungskriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs. Eine An-

566 Vgl. BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96, 99 f. = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262. 567 Vgl. Wagner, WuB VI A. § 134 InsO 3.08. 568 Vgl. Maultzsch, KTS 2014, 476 (477). Schfer

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B Rz. 247

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

fechtung gegenüber dem Leistungsmittler kommt im Grundsatz nicht in Betracht.569 B 248 Anders ist dies zum einen dann, wenn der Leistungsmittler ebenfalls Insolvenzgläubiger des Schuldners ist, etwa als Bürge (vgl. §§ 43, 44 InsO). In diesem Fall kommt nach der Rechtsprechung des BGH auch eine Deckungsanfechtung gegenüber dem Leistungsmittler in Betracht („Verschmelzungsfall“).570 Eine weitere Ausnahme besteht in dem Fall, dass in der Person des Leistungsmittlers die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO gegeben sind.571 Eine Anfechtung gegenüber der Mittelsperson ist nach herrschender Meinung ferner dann möglich, wenn diese selbst Vorteile aus dem fraglichen Geschäft erlangt hat.572 B 249 Eine mittelbare Zuwendung ist nach der Rechtsprechung des BGH auch im Fall der Tilgung einer fremden Schuld durch den Schuldner gegeben. Auch in diesem Fall richtet sich die Anfechtung im Grundsatz nach den Zuordnungskriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs. Die Anfechtung findet im Grundsatz nicht gegenüber dem unmittelbaren Zuwendungsempfänger, sondern nur gegenüber dem von seiner Schuld befreiten Dritten statt.573 Eine Ausnahme macht der BGH von diesem Grundsatz dann, wenn die Forderung des Zahlungsempfängers gegen den Dritten „wertlos“ war. Dann kommt gegenüber dem Zuwendungsempfänger wegen dessen angeblich fehlender Schutzwürdigkeit eine „Schenkungsanfechtung“ nach § 134 InsO in Betracht. Allerdings geht in solchen Fällen eine ebenfalls gegebene Deckungsanfechtung der „Schenkungsanfechtung“ vor.574 B 250 Eine mittelbare Zuwendung scheidet dagegen „der Sache nach“ aus, wenn die Mittelsperson mit ihrer Leistung an den Gläubiger auch eine eigene Verbindlichkeit als Mitschuldner tilgt oder zu tilgen sucht.575 Bei einer Doppelwirkung der schuldnerischen Zahlung liegt keine mittelbare Zuwendung vor.576 Wird durch die Leistung des Schuldners an den Gläubiger außerdem ein Mitverpflichteter befreit, fehlt es, weil der Vermögenswert letztlich allein dem Gläubiger zukommen soll, an einer mittelbaren Zuwendung. Für eine mittelbare Zuwendung ist ferner kein Raum, wenn der Leistende einem Dritten zur Schuldbefreiung und dem Empfänger kraft Gesetzes zur Zahlung verpflichtet ist.577 Auch Zahlungen eines Sicherungsgebers an den Gläubiger stellen keine mittelbaren Zuwendungen des 569 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 ff. = MDR 1999, 1463. 570 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZInsO 2008, 1202 ff. 571 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff.; v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. 572 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 70; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 303; GrafSchlicker/Huber, § 129 Rz. 38. 573 BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 ff. 574 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04 – „Cash-Pool (2)“, BGHZ 174, 228 ff. 575 Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11 – „Organschaft“, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 31; MKInsO/Kayser, § 129 Rz. 49a; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 330; Gehrlein, ZInsO 2012, 197 (198). 576 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 30. 577 Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11 – „Organschaft“, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 31; v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (46 f.).

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 252 B

Hauptschuldners an den Gläubiger dar.578 Die erstmalige Begründung eines Vermögensrechts in der Person des Mittelsmannes anstelle des Schuldners ist nicht anfechtbar.579 8. Aufrechnungs- und Verrechnungslagen a) Allgemeines Die durch Aufrechnung herbeigeführte Befriedigung kann isoliert – also unab- B 251 hängig von dem die Aufrechnungslage herbeiführenden Rechtsgeschäft – angefochten werden, wenn die Voraussetzungen der Aufrechnung in anfechtbarer Weise geschaffen wurden.580 Die Anfechtung hat zur Folge, dass der Aufrechnung keine Rechtswirkung beigemessen wird und somit der Insolvenzverwalter die Forderung des Schuldners ohne Rücksicht auf die Gegenforderung des Anfechtungsgegners durchsetzen kann.581 Da die Verrechnung kein gesetzlich vorgesehenes Rechtsinstitut ist, sind auch in diesem Fall die vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung und zu etwaigen Aufrechnungsverboten uneingeschränkt anwendbar. Es ist unzulässig, Aufrechnungsverbote dadurch zu umgehen, dass Ansprüche einer vom Gesetz nicht anerkannten Verrechnung unterstellt werden.582 Dabei ist zu beachten, dass es unter der Geltung der Insolvenzordnung keiner B 252 Anfechtung der Herbeiführung der Aufrechnungslage – und auch der Verrechnungslage583 – mehr bedarf, selbst wenn die Aufrechnung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärt wurde.584 Denn nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Aufrechung unzulässig und damit (insolvenzrechtlich) unwirksam,585 wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat.586 Dies gilt allerdings nur für die Dauer und die Zwecke des Insolvenzverfahrens, wobei hinsichtlich der Geltendmachung der Hauptforderung § 146 Abs. 1 InsO entsprechend anwendbar ist.587 Der Insolvenzverwalter kann die insolvenzrechtliche Wirkung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur innerhalb der Verjährungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO durchsetzen; er muss also den Anspruch aus der Hauptforderung vor Ablauf der 578 Gehrlein, ZInsO 2012, 197 ff. 579 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 71; Kayser, Festschrift für Ganter (2010), S. 221 (223). 580 Vgl. BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93 – „Rohbauarbeiten“, BGHZ 126, 336 (344) = MDR 1996, 161; v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, MDR 2007, 740 = NZI 2007, 222 (223); v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 11 = MDR 2008, 411. 581 BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (236) = MDR 2001, 1013; v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884; anders zum AnfG jedoch BGH v. 23.10.2008 – IX ZR 202/07, MDR 2009, 167 = ZInsO 2008, 1269. 582 BGH v. 13.7.2006 – IX ZR 152/04, ZIP 2006, 1740 ff. Rz. 14; v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274 ff. Rz. 20. 583 Vgl. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, MDR 2007, 1281 = ZIP 2007, 1467 (1468) Rz. 8; v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, MDR 2008, 1300 = ZInsO 2008, 913 ff. Rz. 9. 584 BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158 ff. = MDR 2007, 489. 585 Vgl. dazu Kreft, Festschrift für G. Fischer (2008), S. 297 ff. 586 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (393) = MDR 2005, 51; v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, MDR 2008, 1300 = ZInsO 2008, 913 ff. 587 BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158 (165 f.) = MDR 2007, 489. Schfer

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B Rz. 252

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Verjährungsfrist für den Anfechtungsanspruch durch Klageerhebung gerichtlich geltend machen; wird diese Frist versäumt und beruft sich der Beklagte hierauf, entfaltet § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO insolvenzrechtlich keine Wirkung mehr. Es verbleibt sodann bei dem zivilrechtlichen Erlöschen der Hauptforderung durch die vorgenommene Aufrechnung oder Verrechnung.588 B 253 Anfechtbar sind auch die gläubigerbenachteiligenden Wirkungen der Rechtshandlungen Dritter, die dem Aufrechnenden kraft eines gesetzlichen Forderungsübergangs eine Gläubigerstellung verschaffen, sofern nicht der inzident zu prüfende Anfechtungstatbestand eine Rechtshandlung des Schuldners voraussetzt.589 Die Aufrechnung der Bundesagentur für Arbeit gegen eine unstreitige Forderung mit den auf sie nach der Zahlung von Insolvenzausfallgeld gemäß § 187 Abs. 3 SGB III übergegangenen Forderungen ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam, da die Bundesagentur für Arbeit die zur Aufrechnung gestellten Forderungen nach Kenntnis des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners erworben hat.590 B 254 Die durch Aufrechnung herbeigeführte Befriedigung unterliegt der Anfechtung, wenn die Voraussetzungen der Aufrechnung in anfechtbarer Weise geschaffen wurden.591 Die Herbeiführung der Aufrechnungslage ist gemäß § 140 Abs. 1 InsO grundsätzlich in dem Moment vorgenommen, in dem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 387 BGB erfüllt sind. Für die Anfechtbarkeit ist daher maßgebend, wann das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet wurde; dies ist im Grundsatz mit der Entstehung der späteren Forderung der Fall.592 Entscheidend ist, wann das Gegenseitigkeitsverhältnis durch Verknüpfung der beiden gegenseitigen Forderungen begründet wurde.593 Dagegen ist es grundsätzlich unerheblich, ob zuerst die Forderung des Schuldners oder jene des Insolvenzgläubigers früher entstanden oder fällig geworden ist.594 Ist zumindest eine der gegenseitigen, durch Rechtsgeschäft entstandenen Forderungen bedingt oder befristet, kommt es für die Anfechtbarkeit des Erwerbs der Aufrechnungslage im Grundsatz auf den Zeitpunkt an, zu dem die spätere Forderung entstanden und damit das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden ist.595 Die mit Abschluss eines Vertrages entstandene Forderung ist aber nach der neueren Rechtsprechung des BGH erst ab dem Zeitpunkt und nur insoweit zu berücksichtigen, als sie – etwa durch Erbringung der versprochenen Leistung – werthaltig

588 Vgl. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, MDR 2007, 1281 = ZInsO 2007, 813 f. Rz. 12. 589 Vgl. BGH v. 24.6.2010 – IX ZR 97/09, NZI 2010, 903, Rz. 9; v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, WM 2009, 2394 (2395 Rz. 16 ff.). 590 BGH v. 17.12.2009 – IX ZR 215/08, veröffentlicht bei juris. 591 BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336 (344). 592 BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, MDR 2005, 596 = ZIP 2005, 181 ff. Rz. 15; v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, MDR 2005, 51 = ZIP 2004, 1558 (1560). 593 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 9; HK- InsO/Kayser, § 96 Rz. 36. 594 BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, ZIP 2007, 1507 ff. Rz. 12. 595 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 9; v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (395 f.).

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 256 B

geworden ist und dem Gläubiger durch die Aufrechnung eine tatsächliche Befriedigung seiner Forderung ermöglicht.596 Nach der Rechtsprechung des BGH ist gemäß § 95 Abs. 1 InsO nur die Aufrech- B 255 nungsbefugnis jenes Gläubigers geschützt, dessen Forderung in ihrem „rechtlichen Kern“ aufgrund gesetzlicher Bestimmung oder vertraglicher Vereinbarung bereits gesichert ist und gleichsam „automatisch“ entsteht, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung der Beteiligten bedarf.597 In einem neueren Urteil vom 3.3.2016598 hat der BGH jedoch wiederum eine Ausnahme von diesem Grundsatz gemacht. Hängen danach beide Forderungen von derselben Bedingung ab, soll eine Aufrechnung nach § 95 Abs. 1 InsO auch dann zulässig sein, wenn es sich dabei um eine rechtsgeschäftliche Bedingung handelt. In dem entschiedenen Fall seien die wechselseitigen Rückzahlungsansprüche lediglich davon abhängig gewesen, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machte; dies genüge für einen entsprechend festen „Rechtsboden“.599 Einen wesentlichen Unterschied zu BGHZ 160, 1 ff. sieht der BGH darin, dass es dort um einen Fall gegangen sei, in dem nur eine der Forderungen unter einer Bedingung gestanden habe. Im Streitfall führe der Widerruf jedoch kraft Gesetzes dazu, dass automatisch wechselseitige Rückgewährverpflichtungen entstünden. Sämtliche Rückgewährverpflichtungen seien ohne Widerruf nicht durchsetzbar gewesen; die wechselseitigen Forderungen seien vielmehr von der gleichen Bedingung – dem wirksamen Widerruf der Vertragserklärung des Verbrauchers – abhängig gewesen.600 Die Begründung des BGH unterliegt jedoch Bedenken. War die zur Aufrechnung B 255a gestellte Gegenforderung des Unternehmers vom Widerruf des Verbrauchers und damit von dessen Willensentschluss abhängig, so kann die Rechtsposition des Unternehmers nicht als aufschiebend bedingte Rechtsposition angesehen werden, da eine solche nur im Fall einer gesicherten Rechtsposition in Betracht kommt. Der BGH hätte daher besser nur auf die Erwägung abgestellt, dass das vertragliche Synallagma auch bei der Rückabwicklung des Vertrages nach einem Widerruf zu berücksichtigen ist. Angesichts dieser Einschränkung bestand von vornherein kein (einseitig) durchsetzbarer Anspruch der Masse.601 aa) Frühere Rechtsprechung des BGH Nach der früheren Rechtsprechung des BGH soll bei einem gegenseitig verpflichtenden Vertrag die Aufrechnungslage bereits mit dem Vertragsschluss entstehen. Dass etwa eine Werklohnforderung „betagt“ gewesen sei, stehe der

596 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 11; v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff.; v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, ZIP 2001, 2055 (2056); vgl. dazu von Olshausen, ZIP 2010, 2073 ff. 597 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180 f. Rz. 11; v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1 (4). 598 BGH v. 3.3.2016 – IX ZR 132/15, ZIP 2016, 678 ff. 599 BGH v. 3.3.2016 – IX ZR 132/15, ZIP 2016, 678 ff. Rz. 17. 600 BGH v. 3.3.2016 – IX ZR 132/15, ZIP 2016, 678 ff. Rz. 22. 601 Vgl. BGH v. 3.3.2016 – IX ZR 132/15, ZIP 2016, 678 ff. Rz. 24. Schfer

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B 256

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§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Aufrechnung ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass diese Forderung noch nicht werthaltig gewesen sei.602 Dementsprechend soll es nach einem Urteil des BGH vom 11.11.2004603 anfechtungsrechtlich nicht darauf ankommen, dass der Anspruch der Masse auf Rückzahlung zu viel vorausgezahlter Mietnebenkosten erst mit der Erteilung der Abrechnung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sei. Denn der Anspruch sei bedingt durch den Ablauf des Abrechnungszeitraums und eine tatsächlich eingetretene Überzahlung gewesen. Gemäß § 140 Abs. 3 InsO bleibe jedoch der Eintritt einer Bedingung außer Betracht. Es sei vielmehr auf den „Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände“ abzustellen; diese hätten mit Abschluss des Mietvertrages vorgelegen.604 B 257 Die Auffassung, dass der Anspruch auf Rückzahlung zu viel vorausgezahlter Mietnebenkosten aufschiebend bedingt bereits mit dem Abschluss des Mietvertrages entstehe, vermag nicht zu überzeugen.605 Der BGH ist von dieser Ansicht zu Recht im Urteil vom 17.9.2009606 abgerückt. § 140 Abs. 3 InsO betreffe nur Fälle rechtsgeschäftlicher Bedingungen und setze voraus, dass die Rechtshandlung dem Anfechtungsgegner bereits eine gesicherte Rechtsposition verschafft habe.607 Hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche des Bestellers beim Werkvertrag mit dem später insolvent gewordenen Bauunternehmer weist der BGH im Urteil vom 24.3.1994608 darauf hin, dass die Annahme eines bedingten Anspruchs nur gerechtfertigt sei, wenn ein Element am rechtlichen Entstehen des Anspruchs selbst fehle. Hingegen handle es sich bei der Ungewissheit, ob ein Gewährleistungsanspruch bestehe oder als solcher innerhalb eines künftigen Zeitraums tatsächlich erkannt werde, nicht um eine derartige Bedingung. Bei einem Werkvertrag bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt daher nach § 140 Abs. 1 InsO, weil die Werklohnforderung nicht unter einer rechtsgeschäftlichen Bedingung steht. Deshalb verlegt § 140 Abs. 3 InsO den Zeitpunkt nicht auf den Vertragsschluss zurück.609 Eine Rückverlagerung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses findet nur statt, wenn dieser dem Gläubiger bereits eine gesicherte Rechtsstellung verschafft hat.610

602 Vgl. BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336 (344) = MDR 1996, 161; MKInsO/Kayser, § 130 Rz. 10. 603 BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03 – „Mietnebenkosten“, MDR 2005, 596 = ZInsO 2005, 94 f. 604 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 167 und BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03 – „Handelsvertreterprovision“, MDR 2005, 51 = ZIP 2004, 1558 (1560). 605 Kritisch zu Recht Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 9. 606 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08 – „Doppelsicherung“, BGHZ 182, 264 ff. = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 607 Vgl. dazu noch BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = BRAK 2007, 230 = NJW 2007, 2640 (2642). 608 BGH v. 24.3.1994 – IX ZR 149/93, MDR 1994, 573 = NJW 1994, 1659 f. mit kritischer Anmerkung von Münch, EWiR 1994, 591 f. 609 Vgl. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 210 ff. Rz. 10; HK-InsO/Kayser, § 96 Rz. 57. 610 BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, ZIP 2007, 1507 ff. Rz. 17; HK-InsO/Kayser, § 96 Rz. 52.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 260 B

Im Urteil vom 22.9.2005611 hat der VII. Zivilsenat des BGH entschieden, dass B 258 § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO die Aufrechnung des Insolvenzgläubigers mit einem während des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Schadensersatzanspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten gegen den vorher fällig gewordenen Werklohnanspruch des Insolvenzschuldners nicht ausschließt. § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO wolle verhindern, dass der Insolvenzgläubiger mit der Erfüllung seiner Schuld so lange zuwarte, bis er mit einer Gegenforderung aufrechnen könne. Dieser Gesetzeszweck erfordere die Anwendung des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht, wenn die Werklohnforderung des Insolvenzschuldners zwar vor der Schadensersatzforderung fällig werde, dieser sie indes wegen eines auf Mängel gestützten Leistungsverweigerungsrechts des Gläubigers (§ 320 BGB) nicht hätte durchsetzen können. Entscheidend ist somit, dass der Werklohnanspruch des Insolvenzschuldners aufgrund des aus demselben Vertrag resultierenden Mängeleinwands des Bestellers schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in seinem Wert gemindert war.612 bb) Neuere Rechtsprechung – „Werthaltigmachen der Aufrechnungslage“ Die teilweise Abkehr des BGH von seiner früheren Rechtsprechung wird in den B 259 Urteilen vom 11.2.2010,613 vom 4.10.2001614 und vom 30.6.2011615 deutlich. Er betont nunmehr zu Recht die im wirtschaftlichen Ergebnis einer Vollstreckung gleichkommenden Rechtsfolgen der Aufrechnung. Allein eine mit dem Abschluss eines Vertrages begündete bzw. entstandene Aufrechnungslage bringe dem Vertragspartner des Schuldners noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen. Solange der Schuldner nichts geleistet habe, wofür der Gläubiger eine Vergütung schulde, bestehe für ihn keine Befriedigungsmöglichkeit im Wege der Aufrechnung. Die Aufrechnungslage als Befriedigungsmöglichkeit entstehe vielmehr erst durch die Inanspruchnahme der Leistung des Schuldners. Es komme also darauf an, wann dessen Forderung werthaltig geworden sei. Die Forderung eines Schuldners, gegenüber der ein Gläubiger die Aufrechnung erklärt, wird regelmäßig erst dann werthaltig, wenn der Schuldner die von ihm geschuldete Leistung erbringt; auf den Zeitpunkt der Rechnungstellung kommt es nicht an.616 Der BGH zieht damit die gebotenen Konsequenzen aus seiner Rechtsprechung B 260 zur Anfechtbarkeit des Werthaltigmachens vorausabgetretener bzw. verpfändeter Forderungen, die ihrerseits auf „Aufrechnungsfälle“ zurückgeht.617 Wenn die Abtretung bzw. Verpfändung eines in der Krise werthaltig gemachten künf611 BGH v. 22.9.2005 – VII ZR 117/03, BGHZ 164, 159 ff.; vgl. dazu ferner BGH v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274 ff. 612 Kritisch dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 2/2006 Anm. 1. 613 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff.; vgl. zuvor schon BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, MDR 2002, 355 = ZIP 2001, 2055 ff.; vgl. dazu ferner von Olshausen, ZIP 2010, 2073 ff. 614 BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, MDR 2002, 355. 615 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 210 ff. 616 BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588 ff. 617 Vgl. BGH v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 (254 f.) = MDR 2001, 152; v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98 – „Lili Marleen“, BGHZ 147, 28 (35) = MDR 2001, 1076. Schfer

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B Rz. 260

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

tigen Anspruchs nicht anfechtungsfest ist, so muss konsequenterweise auch die Aufrechnung des Gläubigers gegenüber einer in der Krise des Schuldners werthaltig gemachten Forderung ausgeschlossen sein.618 B 261 Die Anfechtbarkeit der Herbeiführung einer Verrechnungslage setzt nach der Rechtsprechung des BGH eine Verselbständigung der Forderungen voraus, an der es bei einer gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Kontenangleichung fehlen soll. Der Insolvenzverwalter könne daher bei vertragsgerechtem Verhalten der Gesellschafter in der Krise nur ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben des Schuldners zur Masse ziehen.619 Mit dieser Argumentation läuft der BGH jedoch Gefahr, eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Schuldners ohne sachlich gerechtfertigten Grund der Anfechtung zu entziehen, während etwa beim Bankkontokorrent eine Anfechtung grundsätzlich möglich ist. Es wäre vielmehr erst der Nachweis zu führen, dass § 84 InsO auch jene Bestimmungen verdrängen soll, welche die künftige Insolvenzmasse in der Krise des Schuldners vor Schmälerungen schützen sollen. Auch im Zusammenhang mit einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Schuldners dürfte es vielmehr darauf ankommen, inwieweit die Verrechnungslage in den kritischen Anfechtungszeiträumen durch Rechtshandlungen des Schuldners werthaltig gemacht wurde,620 und zwar nicht erst nach dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft.621 cc) Kongruenz oder Inkongruenz der Aufrechnungslage B 262 Eine Aufrechnung ist nicht schon deshalb kongruent im Sinne des § 130 InsO, weil sie eine rechtlich zulässige Art der Erfüllung darstellt. Nach welchem Anfechtungstatbestand die Herbeiführung der Aufrechnungslage anfechtbar ist, hängt vielmehr nach der Rechtsprechung des BGH davon ab, ob der Gläubiger einen Anspruch auf die Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit622 bzw. auf die Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage geschaffen hat.623 Die Herstellung einer Aufrechnungslage ist inkongruent, soweit sich die Aufrechnungsbefugnis nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt.624 Es reicht somit nicht, dass der Anfechtungsgegner einen Anspruch auf Begleichung von Steuerschulden hatte, denn dies verschafft ihm noch keinen Anspruch auf Befriedigung durch Aufrechnung.625 618 619 620 621 622

Vgl. dazu B. Schäfer, ZInsO 2006, 635 ff. BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206 ff. Rz. 18, 22. Vgl. OLG Frankfurt v. 24.11.2005 – 1 U 19/05, ZIP 2005, 2325 ff. Vgl. dazu HK-InsO/Kayser, § 96 Rz. 56. BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, juris Rz. 2; v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294 ff. Rz. 4. 623 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, MDR 2005, 51 = NJW 2004, 3118 ff.; HK-InsO/ Kayser, § 96 Rz. 37; vgl. dazu ferner HK-InsO/Kreft, § 131 Rz. 8: maßgebend, ob Aufrechnungslage vereinbarungsgemäß hergestellt wurde. 624 BGH v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03, ZIP 2006, 818 ff. Rz. 14; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 8. 625 Vgl. BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, juris Rz. 2 i.V.m. OLG München v. 8.9.2009 – 5 U 2499/09, ZIP 2010, 638 ff.; vgl. dazu ferner BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZIP 2011, 181 ff. Rz. 41.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 266 B

Hatte der Gläubiger gegen den Schuldner keinen Anspruch auf eine Begründung B 263 gegenseitiger Forderungen, ist die Aufrechnungslage in inkongruenter Weise entstanden. An der Kongruenz fehlt es auch dann, wenn der Gläubiger durch den Abschluss eines Vertrages in kritischer Zeit eine Gegenforderung begründet.626 Wird dagegen der Gläubiger, der vom Insolvenzschuldner eine Zahlung zu fordern hat, durch pflichtgemäßes Verhalten seinerseits Schuldner einer Gegenforderung des späteren Insolvenzschuldners, so ist die Aufrechnungslage dem Grunde nach kongruent hergestellt. Dies ist nach Ansicht des BGH zum Beispiel dann der Fall, wenn die Aufrechnungslage durch eine entgeltliche Nutzung von Gegenständen entsteht, welche der Anfechtungsgegner schon vor der kritischen Zeit zu beanspruchen hatte.627 Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ferner der die Aufrechnungslage begründende Erlass eines Honorarbescheids durch die kassenärztliche Vereinigung kongruent im Sinne des § 130 InsO, da diese zum Erlass eines solchen Bescheids rechtlich verpflichtet sei.628 Dagegen fällt die Aufrechnung der Bank mit einer außerhalb des Kontokorrents begründeten Forderung unter § 131 InsO.629 b) Einzelfälle Ein in der Praxis häufig vorkommender Fall besteht darin, dass sich ein Gläubi- B 264 ger des in der Krise befindlichen Schuldners zu dessen Schuldner macht, indem er von diesem Waren bzw. Leistungen bezieht und gegen den Anspruch des Schuldners mit seinen Gegenforderungen aufrechnet, um volle Befriedigung zu erlangen. Dies verdeutlicht ein Urteil des BGH vom 5.4.2001.630 BGH-Urteil vom 5.4.2001 – BGHZ 147, 233 ff. Die Schuldnerin schuldete der Beklagten für Fleischlieferungen mehr als B 265 200 000 DM. Kurz vor der Stellung des Insolvenzantrages lieferte die Schuldnerin ihrerseits der Beklagten Fleisch im Wert von ca. 141 000 DM. Die Beklagte veräußerte das bezogene Fleisch weiter und rechnete mit ihren aus den früheren Lieferungen an die Schuldnerin stammenden Forderungen gegenüber dem Kaufpreisanspruch der Schuldnerin auf. Der Konkursverwalter konnte die anfechtungsrechtlich gesondert zu betrach- B 266 tende Herstellung der Aufrechnungslage unabhängig von dem Rechtsgeschäft anfechten, durch das sie herbeigeführt wurde.631 Die von der Beklagten geschuldete Rückgewähr bestand nicht in der Rückabwicklung des Kaufvertrages selbst, sondern im Gegenteil in der Durchsetzung der Kaufpreisforderung unab626 BGH v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, ZIP 2004, 957 ff.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, § 131 Rz. 8. 627 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff. Rz. 27; v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245, 253 ff. = MDR 2001, 152. 628 BSG v. 3.2.2010 – B 6 KA 30/08 R, ZIP 2010, 2309 ff. Rz. 27. 629 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294. 630 BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. – „Fleischlieferung“ = MDR 2001, 1013. 631 Vgl. dazu noch BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884. Schfer

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B Rz. 266

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

hängig von der Gegenforderung. Durch die Herbeiführung der Aufrechnungslage erlangte die Beklagte volle Befriedigung für ihre Altforderungen, während ihr ohne den Abschluss des Vertrages mit der Schuldnerin nur eine Konkursforderung zugestanden hätte, die erfahrungsgemäß allenfalls quotal befriedigt worden wäre. Zugleich hätte sie den Kaufpreis für die von der Schuldnerin bezogene Ware in voller Höhe zur Konkursmasse zahlen müssen. Durch die Aufrechnung entging daher der Konkursmasse der Unterschied zwischen dem Nennwert der Kaufpreisschuld der Beklagten und der bloßen Quote auf deren Gegenforderung, so dass auf die übrigen Konkursgläubiger eine entsprechend geringere Konkursquote entfiel. B 267 Entsprechend hat der BGH in einem Fall entschieden, in dem ein Auftraggeber wegen der Arbeitseinstellung durch die Schuldnerin den Werkvertrag gekündigt, deren Geräte weiterbenutzt und gegenüber dem Vergütungsanspruch der Schuldnerin mit den ihm zustehenden Gegenansprüchen aufgerechnet hatte.632 Anders soll jedoch nach einem Urteil des BGH vom 14.12.2006633 die Verrechnung wechselseitiger Leistungen durch Kontenangleichung im Rahmen einer Bau-Arbeitsgemeinschaft zu beurteilen sein. BGH-Urteil vom 14.12.2006 – BGHZ 170, 206 ff. B 268 Die Schuldnerin und die Beklagten hatten einen Gesellschaftsvertrag (Arbeitsgemeinschaftsvertrag) zur Durchführung eines Stadtbahnbauwerks geschlossen. Die Begleichung von Gesellschafterrechnungen für die jeweils erbrachten Leistungen erfolgte nur im Rahmen der Kontenangleichung. Nach dem Vertrag schied ein Gesellschafter aus der ARGE aus, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Schuldnerin erbrachte nach der Stellung des Insolvenzantrages noch Gesellschafterleistungen an die fortgeführte ARGE. Die Beklagten stellten die dafür abgerechneten Beträge in die Kontenangleichung ein und verrechneten sie in der Auseinandersetzungsbilanz mit anderen Forderungen. B 269 Nach Ansicht des BGH wird die Verrechnung nicht von § 95 InsO erfasst. § 387 BGB setze zwei selbständige Forderungen voraus und finde auf unselbständige Rechnungsposten, die von Anfang an gebunden und „gelähmt“ seien, keine Anwendung. § 94 InsO sei auf die vereinbarte Abrechnung im Wege der Kontenangleichung ebenfalls nicht anwendbar. Der BGH habe zur Konkursordnung bereits entschieden, dass die Verrechnungslage bei Bau-ARGEN bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages und damit regelmäßig vor der Krise begründet werde.634 Als anfechtbare Rechtshandlung komme in diesen Fällen grundsätzlich nur die Vereinbarung der Lösungsklausel in Betracht, wenn diese anfechtungsrechtlich erheblich sei, weil sie zu einer Gläubigerbenachteiligung 632 BGH v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 „ARGE (1)“ = MDR 2001, 152; vgl. dazu noch B. Schäfer, ZInsO 2006, 635 ff. 633 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05 – „Stadtbahnbauwerk“, BGHZ 170, 206 ff. = MDR 2007, 740. 634 Vgl. BGH v. 9.3.2000 – IX ZR 355/98, MDR 2000, 725 = ZIP 2000, 757 (759).

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Rz. 271 B

I. Die Rechtshandlung

führe. Hieran sei auch unter der Geltung der Insolvenzordnung festzuhalten. Der Vorrang der innergesellschaftlichen Abrechnung finde seine Bestätigung in § 84 Abs. 1 InsO, der allerdings nur klarstellende Funktion habe. Ob dies auch für die besondere Fallgestaltung gelte, dass sich der Schuldner im Gesellschaftsvertrag verpflichtet habe, der Gesellschaft nach seinem Ausscheiden weiterhin Geräte und Personal gegen Vergütung zu überlassen, könne offen bleiben. Der zu entscheidende Fall gebe auch keine Veranlassung, auf die anfechtungsrechtlichen Folgen einer einseitigen Abforderung von Gesellschafterleistungen des in der Krise befindlichen Mitgesellschafters zu Lasten der späteren Masse einzugehen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass auch die anderen Gesellschafter ihren gesellschaftsvertraglichen Pflichten zeitgerecht nachgekommen seien. Die Entscheidung des BGH unterliegt erheblichen Zweifeln. Er liefert keinen B 270 Nachweis dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Grundsatz „par condicio creditorum“ für den Bereich des Gesellschaftsrechts außer Kraft gesetzt sein soll. Der BGH entzieht mit der von ihm angenommenen „Durchsetzungssperre“ die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Schuldners dem Insolvenzanfechtungsrecht, und zwar weitergehend als beim Bankkontokorrent, bei dem eine Anfechtung im Grundsatz möglich ist. Im Schrifttum wird zwar geltend gemacht, die Rechtsprechung des BGH stehe nicht im Widerspruch zur Anfechtbarkeit kontokorrentmäßiger Verrechnungen, da es auch dort bei einer ungekündigten Kreditlinie entscheidend darauf ankomme, ob die Bank den Kunden weiter in der vereinbarten Weise Verfügungen vornehmen lasse.635 Dieser Vergleich passt jedoch nicht, weil die Rechtsprechung des BGH nur für die uneigennützig als „Zahlstelle“ fungierende Bank gilt. Die kontokorrentmäßige Verrechnung ist im Übrigen nach der Rechtsprechung des BGH anfechtbar, soweit die Bank zu ihrem Vorteil verrechnet. Also müsste der BGH im Fall der gesellschaftsrechtlichen Verrechnung zumindest prüfen, inwieweit der Gesellschafter in der Krise mehr an die Gesellschaft geleistet hat als umgekehrt. Die Entscheidung es Bundesgerichtshofes vom 14.12.2006 ist daher im Schrift- B 271 tum zu Recht nicht ohne Kritik geblieben.636 Unerheblich ist vor allem die Erwägung, dass die Verrechnungslage hinsichtlich der innergesellschaftlichen Ansprüche bei Bau-Argen bereits mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages und damit regelmäßig vor der Krise begründet werde. Für die anfechtungsrechtliche Beurteilung ist es im Grundsatz nicht entscheidend, wann die Verrechnungslage begründet wurde, sondern wann die verrechneten Ansprüche entstanden sind. Im Schrifttum wird es zu Recht als fatal bezeichnet, wenn ein Gesellschafter im Zeitraum des § 130 InsO beträchtliche Leistungen erbracht hat, um seine Pflichten in der ARGE zu erfüllen, sein Abfindungsanspruch aber möglicherweise nach dem Gesellschaftsvertrag auf den Buchwert beschränkt ist.637

635 G. Fischer, WM 2008, 1 (6). 636 Vgl. M. Huber, NZI 2007, 224 f.; Cranshaw, jurisPR-InsR 10/2007 Anm. 3. 637 Vgl. Cranshaw, jurisPR-InsR 10/2007 Anm. 3. Schfer

143

B Rz. 272

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 272 Die Auffassung, wonach der Rechtsgrund für den Abfindungsanspruch des ARGE-Gesellschafters und für die Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche bereits (anfechtungsfest) mit dem Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrages gelegt sei, findet sich bereits im Urteil des BGH vom 29.6.2004.638 BGH-Urteil vom 29.6.2004 – BGHZ 160, 1 ff. B 273 Die Schuldnerin (GmbH) war Genossin der verklagten Genossenschaft mit Geschäftsanteilen in Höhe von 15 000 DM. Nach der Satzung endete die Mitgliedschaft bei Auflösung einer juristischen Person oder Personengesellschaft zum Schluss des Kalenderjahres, in dem die Auflösung wirksam wurde (vgl. dazu § 77a GenG). Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (27.4.1999) kündigte der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft mit Wirkung zum 31.12.2000. Das auszuzahlende Guthaben wurde mit 15 000 DM festgestellt; die Beklagte verrechnete dieses Guthaben mit ihren Forderungen aus Warenlieferungen aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung. B 274 Der BGH geht davon aus, dass die Beklagte gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO gegenüber dem Abfindungsanspruch der Schuldnerin aufrechnen könne. Die Beklagte sei zwar den Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erst nach der Insolvenzeröffnung schuldig geworden. Der Abfindungsanspruch habe jedoch zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung unter der Rechtsbedingung der Beendigung der Mitgliedschaft der Schuldnerin gestanden. Da dies ohne weiteres Zutun der Schuldnerin geschehen sei, sei dieser Fall wie der einer betagten oder bedingten Forderung zu behandeln. Es sei allerdings erforderlich, dass der Abfindungsanspruch bei Eintritt der Rechtsbedingung ohne weiteres Zutun der Parteien entstehe. Eine vom Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung könne daher diese Voraussetzung nicht herbeiführen. Die Schuldnerin als GmbH sei jedoch gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst gewesen und nach der Satzung der Genossenschaft bereits zum 31.12.1999 ausgeschieden. Der Abfindungsanspruchder Schuldnerin sei damit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens lediglich von einer Rechtsbedingung abhängig gewesen. B 275 Der BGH geht in seinem Urteil nicht auf den Umstand ein, dass die insolvente GmbH noch acht Monate nach der Insolvenzeröffnung (27.4.1999) Mitglied der Genossenschaft blieb und dass den Insolvenzverwalter möglicherweise die Verpflichtung treffen konnte, aufgrund der fortbestehenden Mitgliedschaft weitere Gesellschafterleistungen (etwa Dienstleistungen; vgl. §§ 706 Abs. 3 BGB, 8 Abs. 2 GenG) mit Mitteln der Insolvenzmasse erbringen zu müssen. Gesellschaftsverträge sind nach herrschender Auffassung keine gegenseitigen Verträge im Sinne des § 103 InsO.639 Es erscheint keineswegs als ausgeschlossen, dass 638 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03 – „Genossenschaft (1)“, BGHZ 160, 1 ff. = MDR 2005, 54 – vgl. dazu ferner OLG Frankfurt v. 24.11.2005 – 1 U 19/05, ZIP 2005, 2325 ff. und OLG Köln v. 19.10.2005 – 2 U 28/05, ZIP 2005, 2072 ff. 639 Vgl. HK-InsO/Marotzke, § 103 Rz. 7; Uhlenbruck/Wegener, InsO, § 103 Rz. 56; MKInsO/Huber, § 103 Rz. 114.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 279 B

der nach Ansicht des BGH „im Kern“ bereits vor der Insolvenzeröffnung begründete Abfindungsanspruch in der Zeit bis zum satzungsgemäßen Ausscheiden der Schuldnerin durch Aufwendungen aus der Insolvenzmasse noch eine Wertsteigerung erfuhr, mit anderen Worten noch weiter „werthaltig“ wurde. Gleichwohl würde der Masse dafür letztlich kein Gegenwert zufließen, wenn die Genossenschaft mit Forderungen gegenüber dem Abfindungsanspruch aufrechnen könnte, die schon vor der Insolvenzeröffnung fällig waren.640 Nur im Ergebnis kam es auf diese Erwägungen in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht an, da die Schuldnerin einen Geschäftsanteil an der verklagten Genossenschaft in Höhe von 15 000 DM innegehabt hatte und sich auch ihr Abfindungsanspruch auf 15 000 DM belief, so dass es auf eine etwaige Wertsteigerung zwischen der Insolvenzeröffnung und der Beendigung der Mitgliedschaft nicht ankam. Im Schrifttum wird eine Lösung darin gesehen, dass die Anforderung von Personal oder Gerät als selbständige Rechtshandlung anfechtbar sei, welche erst die Aufrechnungslage herstelle.641 Der BGH hat das oben dargestellte Problem inzwischen erkannt, wie aus einem B 276 Urteil vom 8.1.2009642 hervorgeht. BGH-Urteil vom 8.1.2009 – ZIP 2009, 380 ff. Nach der Satzung der verklagten Genossenschaft konnte ein Mitglied aus- B 277 geschlossen werden, wenn über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beklagte war ferner berechtigt, bei der Auseinandersetzung die ihr gegen das ausgeschiedene Mitglied zustehenden Forderungen gegen das Auseinandersetzungsguthaben aufzurechnen. Letzteres haftete nach der Satzung für den Ausfall, insbesondere im Insolvenzverfahren des Mitglieds. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 12.1.2004 betrieb die Beklagte den Ausschluss der Schuldnerin zum 31.12.2006 und verrechnete das Auseinandersetzungsguthaben mit ihren Darlehensforderungen. Der BGH bekräftigt zunächst seine Rechtsprechung, wonach der Abfindungs- B 278 anspruch bereits mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages zu den von § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO geschützten Ansprüchen gehöre, sofern er von Rechts wegen ohne weiteres Zutun der Parteien entstehe.643 In dem zu entscheidenden Fall sei der Abfindungsanspruch jedoch nicht ohne Zutun der Parteien entstanden; vielmehr habe der Ausschluss eine Ermessensentscheidung dargestellt. Es habe daher keine lediglich rechtlich bedingte Forderung im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO vorgelegen. Der Hinweis des BGH auf die rechtliche Bedingtheit einer Forderung ist kri- B 279 tisch zu betrachten. Die §§ 158 ff. BGB betreffen jedenfalls nur rechtsgeschäft-

640 Vgl. dazu BGH v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, BGHZ 147, 28 (31) = MDR 2001, 1076. 641 MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 140 Rz. 51a. 642 BGH v. 8.1.2009 – IX ZR 217/07 – „Genossenschaft (2)“, MDR 2009, 530 = ZIP 2009, 380 ff. 643 Vgl. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1 ff. = MDR 2005, 54. Schfer

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B Rz. 279

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

lich vereinbarte Bedingungen. Jede Argumentation mit rechtlichen bzw. gesetzlichen Bedingungen sollte daher zumindest wertungsmäßig abgesichert werden, wenn von anfechtungsrechtlichen Grundsätzen abgewichen werden soll. Der BGH hat in der Vergangenheit immer wieder vorschnell mit der aufschiebenden Bedingtheit von Ansprüchen argumentiert; er ist davon jedoch zu Recht zumindest hinsichtlich des Herausgabeanspruchs gemäß § 667 BGB wieder abgerückt. Für den Bereich der Insolvenzanfechtung ist dies von erheblicher praktischer Bedeutung, wie ein Urteil des BGH vom 14.6.2007644 zeigt. BGH-Urteil vom 14.6.2007 – ZIP 2007, 1507 ff. B 280 Die Schuldnerin hatte die verklagte Rechtsanwältin in unkritischer Zeit in einer Reihe von Rechtsangelegenheiten mandatiert. Innerhalb der letzten drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages vereinnahmte die Beklagte Gelder von Dritten, die der Schuldnerin zustanden, und erklärte die Aufrechnung mit ihren Honoraransprüchen. B 281 Nach dem Urteil des BGH entsteht der Anspruch auf Herausgabe der vereinnahmten Beträge nicht schon mit der Begründung des Mandats, sondern erst mit dem Eingang der Fremdgelder auf dem Konto des Beauftragten. Die Vertragspflicht aus § 667 BGB trifft den Beauftragten bis zur Einziehung nicht bedingt oder betagt, weil die Einziehung weder als Bedingung noch als eine Zeitbestimmung anzusehen, sondern Inhalt des Rechtsgeschäfts ist.645 § 140 Abs. 3 InsO setzt voraus, dass die Rechtshandlung des Schuldners, an die angeknüpft werden soll, dem Gläubiger bereits eine gesicherte Rechtsstellung verschafft hat.646 Eine solche gesicherte Rechtsstellung hatte die Beklagte vor dem Eingang der Zahlungen noch nicht inne. B 282 Der BGH erkennt zutreffend, dass bei der Annahme aufschiebend bedingter Ansprüche im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO Zurückhaltung geboten ist. Dies war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. So wurde im Urteil vom 1.6.1978647 noch darauf abgestellt, dass die Forderung des Auftraggebers auf Herausgabe des Erlangten gemäß § 667 BGB „im Kern“ und damit „der Sache nach gesetzlich bedingt“ im Sinne des § 54 KO schon vor der Vergleichseröffnung entstanden sei. Davon ist der BGH im Urteil vom 14.6.2007 zu Recht abgerückt. Mit § 140 Abs. 3 InsO können nur bedingte oder befristete Rechtsgeschäfte gemeint sein, da andere Rechtshandlungen nicht bedingt oder befristet sein können.648

644 BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06 – „Honoraraufrechnung“, MDR 2007, 1284 = ZIP 2007, 1507 ff. 645 Vgl. dazu noch BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, BGHZ 95, 149 (155) = MDR 1985, 999. 646 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (356) = MDR 2004, 596; GrafSchlicker/Huber, § 140 Rz. 12. 647 BGH v. 1.6.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 380 ff. 648 Vgl. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 848 f.

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I. Die Rechtshandlung

Rz. 286 B

Die Unterscheidung zwischen einer kongruenten und einer inkongruenten Herbeiführung der Aufrechnungslage wird schließlich an einem Urteil des OLG München vom 8.9.2009649 anschaulich:

B 283

Urteil des OLG München vom 8.9.2009 – ZIP 2010, 638 ff. Auf einen Insolvenzantrag vom 17.11.2004 hin war am 18.1.2005 das Insolvenz- B 284 verfahren über das Vermögen der Schuldner eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden. „Deutlich vor dem 18.8.2004“ hatte die Schuldnerin mit dem verklagten Land – vertreten durch das staatliche Bauamt F. – Bauverträge abgeschlossen. Bereits zuvor hatte das Finanzamt in F. wegen rückständiger Steuerverbindlichkeiten gegen die Schuldnerin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen. Auf Veranlassung des Finanzamts F. erklärte die Staatsoberkasse des verklagten Landes die Aufrechnung mit den offenstehenden Steuerforderungen gegenüber der Werklohnforderung der Schuldnerin. Der Kläger focht mit der Begründung an, ein Teil der Bauleistungen der Schuldnerin im Wert von ca. 52 000 Euro sei erst ab dem 17.8.2004 erbracht worden. Nach Ansicht des OLG München hatte das verklagte Land die Leistungen der B 285 Schuldnerin nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO in anfechtbarer Weise erlangt, da dem Land bis zur Entgegennahme der Leistungen der Schuldnerin noch keine unentziehbare Rechtsposition zugestanden habe. Denn bis dahin habe es noch keinen Hauptanspruch gegeben, gegen den das Land hätte aufrechnen können. Aufgrund der Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts habe das Land Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt. Da das Finanzamt Initiator der durch die Staatsoberkasse erklärten Aufrechnung gewesen sei, komme es auf die vom verklagten Land problematisierte Kenntniszurechnung zwischen verschiedenen Behörden nicht an. Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts München im Ergebnis bestä- B 286 tigt, allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt der Anfechtbarkeit einer kongruenten, sondern einer inkongruenten Deckung nach den §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO. Er stellt klar, dass eine kongruente Deckung nicht mit der Erwägung angenommen werden kann, die Aufrechnungslage sei bereits mit dem Abschluss des Werkvertrages begründet worden. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei die Aufrechnungslage nur dann kongruent begründet worden, wenn der aufrechnende Insolvenzgläubiger einen Anspruch auf die Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit gehabt habe.650 Das verklagte Land habe zwar einen Anspruch auf Begleichung der Steuerschulden durch Zahlung, nicht jedoch auf Befriedigung durch Aufrechnung, gehabt.651 Die zur Rechtsfortbildung unterbreitete Frage, ob für die Anfechtbarkeit der Herstellung einer Aufrechnungslage beim Werkvertrag nach § 140 Abs. 3 InsO der 649 OLG München v. 8.9.2009 – 5 U 2499/09, ZIP 2010, 638 ff.; bestätigt durch BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, veröffentlicht bei juris. 650 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294 ff. Rz. 4; v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (393 f.). 651 Vgl. dazu noch BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZInsO 2011, 283 ff. Rz. 41. Schfer

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B Rz. 286

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend sei oder ob es auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung ankomme, sei zwischenzeitlich durch das Senatsurteil vom 11.2.2010652 geklärt. Danach sei eine mit dem Abschluss eines Vertrages entstandene Forderung erst ab dem Zeitpunkt und nur insoweit zu berücksichtigen, als sie – etwa durch Erbringung der versprochenen Leistung – werthaltig geworden sei und dem Gläubiger durch die Aufrechnung eine tatsächliche Befriedigung seiner Forderung ermögliche. c) Sonderfall Kontokorrentverrechnung B 287 Auch Verrechnungen der Bank im Kontokorrent können anfechtbare Rechtshandlungen darstellen.653 Nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 7.3.2002654 kann jedoch in dem Umfang ein unanfechtbares Bargeschäft gegeben sein, in dem eine Bank, die weiterhin Zahlungseingänge ins Kontokorrent einstellt, den Schuldner vertragsgemäß wieder über den Gegenwert verfügen lässt und somit als bloße Zahlstelle fungiert. Aufgrund der Giroabrede ist die Bank berechtigt und verpflichtet, für den Kunden bestimmte Geldeingänge entgegenzunehmen und gutzuschreiben. Aus der Giroabrede folgt regelmäßig zugleich das Recht der Bank, bei einem debitorischen Girokonto den Sollsaldo zu verringern. Indem die Bank diese Absprachen einhält und den Giroverkehr fortsetzt, handelt sie vertragsgemäß, also kongruent. Die Bank hat keine Anfechtung zu befürchten, solange sie sich auf ihre Funktion als Zahlstelle beschränkt und die Kontokorrentverrechnung nicht dazu benutzt, sich für ihre Forderungen gegen den Schuldner Befriedigung zu verschaffen.655 Zu beachten ist ferner, dass die Bank nach den neueren Urteilen des BGH vom 26.4.2012656 und vom 25.4.2013657 Gefahr laufen kann, der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO zu unterliegen, wenn sie in Kenntnis der Krise des Schuldners eine eigene maßgebliche Rolle im Rahmen der Zahlungsabwicklung übernimmt. B 288 Beschränkt sich die Bank nicht auf die Funktion einer Zahlstelle, sondern verrechnet sie Geldeingänge zu ihren Gunsten so fehlt es im Grundsatz nicht an der erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Denn mit der Erteilung der Gutschrift erlischt der Anspruch des Schuldners auf die Gutschrift; der Anspruch aus der Gutschrift ist der Aufrechnung durch die Bank ausgesetzt. Dieser Nachteil wird nicht dadurch ausgeglichen, dass in Höhe der Aufrechnung auch die Forderung der Bank gegen den Schuldner getilgt wird, da diese Forderung lediglich als Insolvenzforderung zu bedienen gewesen wäre.658

652 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZInsO 2010, 673 ff. Rz. 13. 653 Vgl. dazu Bork, Festschrift für Kirchhof (2003), S. 57 ff.; Gehrlein, ZInsO 2010, 1857 ff.; Steinhoff, ZIP 2000, 1141 ff. 654 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff.; vgl. zuvor schon BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, MDR 1999, 818 = ZInsO 1999, 289. 655 Vgl. dazu noch BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, MDR 2008, 346 = ZInsO 2008, 159 ff. und BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, MDR 2008, 348 = ZInsO 2008, 163 f. 656 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff. 657 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12 – „Versicherungsmakler“, ZIP 2013, 1127 ff. 658 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294.

148 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 290 B

Hat der Schuldner allerdings seine künftigen Forderungen sicherungshalber B 289 rechtswirksam an eine Bank abgetreten, werden die Insolvenzgläubiger nach der Rechtsprechung des BGH in der Regel nicht benachteiligt, wenn die Bank die bei ihr eingehenden Zahlungen der Drittschuldner mit Verbindlichkeiten des Schuldners verrechnet.659 Die Zahlung der Drittschuldner erfolgt nach Ansicht des BGH unmittelbar in das Vermögen der Bank,660 die den Erlös selbst im Fall einer noch nicht offengelegten Abtretung als wahre Berechtigte erhält. Zwar erlischt damit der als Sicherheit dienende Anspruch der Bank gegen den Einzahlenden; gleichzeitig erwirbt sie jedoch nach Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGBBanken ein Pfandrecht an dem neu entstehenden Anspruch des Schuldners gegen die Bank auf Herausgabe des Erlangten gemäß § 667 BGB. Ein solcher Austausch gleichwertiger Sicherheiten wirkt nicht gläubigerbenachteiligend im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO.661 Anders verhält es sich jedoch dann, wenn die Sicherungskette zwischenzeitlich unterbrochen war, etwa weil der Schuldner vorübergehend ein dinglich unbelastetes Recht an dem Zahlungsbetrag innehatte.662 Die Annahme des BGH, wonach der Drittschuldner unmittelbar an die Bank zah- B 290 le, wird im Schrifttum kritisiert.663 Der Drittschuldner leiste vielmehr aufgrund der Einziehungsermächtigung i.V.m. § 407 BGB schuldbefreiend an den Schuldner, wobei die Bank als Zahlstelle fungiere. Das nach der Rechtsprechung des BGH am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift bestehende Pfandrecht der Bank gemäß Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken erlösche mit der Gutschrift, mit der die Bank den Debetsaldo reduziere. Sie verliere daher auch die Ersatzsicherheit, so dass der vom BGH angenommene Sicherheitentausch, der die Gläubigerbenachteiligung ausschließen solle, hinfällig werde. Eine weitere Ersatzsicherheit könne die Bank nicht dadurch erwerben, dass sie ihre erste Ersatzsicherheit aufgebe, indem sie den Anspruch auf Gutschrift, der ihr als Pfand haften solle, erfülle. Ein Ersatzabsonderungsrecht stehe der Bank nur zu, wenn der Schuldner nicht mehr zur Einziehung berechtigt gewesen sei. Die Auffassung des BGH unterliege auch deshalb Bedenken, weil sie die Bank, die sich durch eine Globalzession sichere, besser stelle als jeden anderen Globalzessionar, der, falls der Schuldner der abgetretenen Forderung in Unkenntnis der Abtretung an den Zedenten zahle, nur unter der Voraussetzung des § 48 InsO geschützt sei.664 Der BGH hat indes durch Urteil vom 2.2.2017665 bekräftigt, dass die mit der Einzahlung auf ein bei der Bank geführtes Kontokorrentkonto des Schuldners verbundene Kon-

659 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14; v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZIP 2002, 2182 ff. 660 Kritisch dazu Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 87; Braun/de Bra, § 129 Rz. 33. 661 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14. 662 BGH v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, MDR 2006, 1255 = ZIP 2006, 959 ff. 663 Vgl. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 87; Braun/de Bra, § 129 Rz. 33; K. Schmidt, § 129 Rz. 66 sowie OLG Hamm v. 14.7.1982 – 5 U 192/81, ZIP 1982, 1343 ff. als Vorinstanz zu BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, NJW 1983, 2147 ff. 664 Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 87. 665 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14 in Bestätigung v. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Schfer

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B Rz. 290

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

tokorrentbindung einem AGB-Pfandrecht der Bank am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift nicht entgegenstehe. B 291 Bedeutsam für die Frage der Anfechtbarkeit von Kontokorrentverrechnungen sind ferner zwei neuere Entscheidungen des BGH, mit denen er von seiner früheren Rechtsprechung666 abgerückt ist. Nach seinem Urteil vom 25.6.2009667 führt die Vorausabtretung kontokorrentgebundener Forderungen und des kausalen Schlusssaldos aus dem Kontokorrent nicht zum Rechtserwerb des Abtretungsempfängers, wenn die Kontokorrentabrede erst mit der Insolvenzeröffnung erlischt. Es bedarf daher in diesem Fall keiner Anfechtung. B 292 Im Beschluss vom 18.3.2010668 bekräftigt der BGH, dass die Verpfändung einer künftigen Forderung – ebenso wie die Vorausabtretung669 – erst mit dem Entstehen der Forderung wirksam werde. Da an den in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen ein Pfandrecht nicht erworben werden könne, komme für den Erwerb des Pfandrechts von vornherein nur der Schlusssaldo in Betracht. Für die Anfechtbarkeit sei deshalb auf diesen abzustellen, nicht auf die in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen. Dies habe er bereits für die Vorausabtretung ausdrücklich entschieden;670 für die Vorausverpfändung gelte insoweit nichts anderes. B 293 Nach dem Urteil des BGH vom 22.10.2009671 ist für die Anfechtung wegen § 140 Abs. 1 InsO der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Saldoforderung aufgrund des Anerkenntnisses des Saldos entstand und nicht der Zeitpunkt, zu dem die einzelnen, in das Kontokorrent eingestellten (Kausal-)Forderungen entstanden. Jene waren wegen der Kontokorrentbindung nicht selbständig abtretbar.672 Entsteht der vom Schuldner an einen Dritten abgetretene Anspruch auf den Schlusssaldo nach der Anordnung einer Verfügungsbeschränkung im Eröffnungsverfahren, so steht diese zwar nach der Rechtsprechung des BGH dem Erwerb des Dritten nicht entgegen. Der Erwerb des Anspruchs kann jedoch der Anfechtung unterliegen.673 B 294 Der BGH hat aber durch Urteil vom 2.2.2017674 klargestellt, dass die Kontokorrentbindung die Übertragbarkeit von Einzelforderungen allein im Verhältnis zu

666 Vgl. BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 ff. 667 BGH v. 25.6.2009 – IX ZR 98/08 – „Kontokorrentabtretung“, BGHZ 181, 361 ff. = MDR 2009, 1248. 668 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 111/08, ZIP 2010, 1137. 669 Vgl. BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (354) = MDR 2004, 775; v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 (201) Rz. 13 = MDR 2007, 610; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (300) = MDR 2008, 411. 670 Vgl. BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZIP 2009, 2347 (2350) Rz. 20 ff. 671 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZIP 2009, 2347 ff. 672 BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 (92); v. 7.2.1979 – VIII ZR 279/77 – „Barsortimenter“, BGHZ 73, 259 (263); v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206 (213) = MDR 2007, 740. 673 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZIP 2009, 2347 ff. 674 Vgl. BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 ff.

150 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 297 B

Dritten hindert. Die mit der Einzahlung auf ein bei der Bank geführtes Kontokorrentkonto des Schuldners verbundene Kontokorrentbindung steht einem AGB-Pfandrecht der Bank am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift nicht entgegen. Die Verrechnung der durch ein anfechtungsfestes Pfandrecht gesicherten Bank benachteiligt die übrigen Gläubiger daher nicht. d) Sonderfall Konzernverrechnungsklausel Obwohl die Befugnis zur Aufrechnung in der Insolvenz im wirtschaftlichen Er- B 295 gebnis einem Pfandrecht oder einer Sicherungsabtretung und dem dadurch vermittelten Recht zur abgesonderten Befriedigung gleichsteht, hat der BGH die auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützte, nach der Insolvenzeröffnung erklärte Aufrechnung für unwirksam gehalten, soweit sie nicht eigene Forderungen des Vertragspartners „sicherte“, sondern auch die Forderungen Dritter.675 Entsprechendes gilt für die Anfechtbarkeit von Verrechnungen aufgrund einer solchen Klausel, wenn sie in den kritischen Anfechtungszeiträumen vorgenommen werden. Denn eine Aufrechnungs- bzw. Verrechnungslage entsteht erst in dem Zeitpunkt, in dem zwei Forderungen einander aufrechenbar gegenübertreten. Dies ist bei der auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützten Aufrechnung nicht der Fall, solange die Aufrechnung nicht erklärt worden ist.676 9. Unterlassungen nach § 129 Abs. 2 InsO Gemäß § 129 Abs. 2 InsO kann die anfechtbare Rechtshandlung auch in einem B 296 Unterlassen bestehen. Die Unterlassung muss allerdings auf einer Willensbetätigung beruhen, also bewusst und gewollt erfolgen.677 Nötig ist das Bewusstsein, dass die Untätigkeit irgendwelche Rechtsfolgen auslöst.678 Liegen diese Voraussetzungen vor, können auch prozessuale Unterlassungen, etwa einen nicht von vornherein aussichtslosen Rechtsbehelf einzulegen, einer Rechtshandlung gleichgestellt werden. Danach kann es (ausnahmsweise) auch Rechtshandlungsqualität haben, wenn der Schuldner die Durchsuchung seiner Wohnoder Geschäftsräume hinnimmt, ohne auf einer richterlichen Durchsuchungsanordnung zu bestehen.679 Bei der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gemäß § 134 InsO reicht es aus, B 297 dass die Beteiligten sich über die Unentgeltlichkeit einig sind, etwa im Falle

675 BGH v. 15.7.2004 – IX ZR 224/03, BGHZ 160, 107 ff. – „Konzernverrechnung“, MDR 2005, 115; v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZInsO 2005, 932 ff. Rz. 18; vgl. dazu noch BAG v. 21.1.2010 – 6 AZR 593/07, ZIP 2010, 687 ff. 676 BGH v. 3.6.1981 – VIII ZR 171/80, BGHZ 81, 15, 19 f. = MDR 1981, 1014; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 19.30; K. Schmidt/Thole, § 94 Rz. 27. 677 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 ff.; Uhlenbruck/ Hirte/Ede, § 129 Rz. 119; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 24 – a.A. K. Schmidt, § 129 Rz. 34. 678 BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, ZIP 2011, 531 ff. Rz. 8; v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 (348); MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 24. 679 BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, ZIP 2011, 531 ff. Rz. 9; MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 9c. Schfer

151

B Rz. 297

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

der unterbliebenen Erhebung der Verjährungseinrede bzw. Verjährungshemmung.680 Nicht anfechtbar ist unbewusstes und fahrlässiges Unterlassen. Nötig ist vielmehr das Bewusstsein, dass das Nichthandeln irgendwelche Rechtsfolgen haben wird; auf eine konkrete Rechtsfolge müssen sich die Vorstellungen des Schuldners jedoch nicht richten. Es genügt, wenn aus einer Situation, die naheliegenderweise materiell-rechtliche Ansprüche auslöst, bewusst keine Konsequenzen gezogen werden.681 B 298 Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine GmbH als Schuldnerin es bewusst unterlässt, vor einer Sitzverlegung ins Ausland einen Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch nach den Rechtsgrundsätzen zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen gegen ihren Gesellschafter geltend zu machen.682 Von einem anfechtungsrelevanten Unterlassen ist ferner auszugehen, wenn eine Besicherung belassen wird, nachdem der besicherte Kredit erkennbar eigenkapitalersetzend geworden ist.683 Das Stehenlassen einer Gesellschafterleistung, das zur Umqualifizierung in haftendes Eigenkapital führt, kann nach der Rechtsprechung des BGH in der Insolvenz des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft als unentgeltliche Leistung gemäß § 134 InsO anfechtbar sein. Unterlasse der Schuldner lediglich einen möglichen Erwerb, so sei dieses Unterlassen zwar nicht anfechtbar, weil es nicht zu einer Minderung des Schuldnervermögens führe. Ein solcher Fall sei beim Stehenlassen einer eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistung jedoch nicht gegeben. Es gehe vielmehr darum, dass der Gesellschafter als Gläubiger die Durchsetzbarkeit seiner bestehenden Forderung und damit ihren wirtschaftlichen Wert verliere.684 Ein anfechtbares (aktives) Verhalten ist ferner gegeben, wenn der Schuldner Kapital zu einem unter dem marktüblichen Zinssatz liegenden Entgelt zur Nutzung überlässt und es damit unterlässt, den marktüblichen Zins zu fordern.685 B 299 Ein anfechtbares Unterlassen liegt darüber hinaus vor, wenn der Schuldner bewusst davon absieht, den Girovertrag zu kündigen, um seiner Bank die Möglichkeit offenzuhalten, an noch aufzubauenden Guthaben ein Pfandrecht zu erwerben. Hat der Schuldner jedoch eine Kündigung nicht in Betracht gezogen, so kann dieses unbewusste Unterlassen nicht als Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 2 InsO angefochten werden.686 B 300 Unterlassungen sind nur dann anfechtungsrelevant, wenn sie zur Minderung des Schuldnervermögens geführt haben. Nicht erfasst ist daher ein Verhalten 680 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 21. 681 Vgl. BGH v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. = MDR 2006, 950 = GmbHR 2006, 316 m. Anm. Blöse; BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, ZIP 2011, 531 ff. Rz. 8. 682 BGH v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. = MDR 2006, 950 = GmbHR 2006, 316 m. Anm. Blöse Rz. 19. 683 Vgl. OLG Hamburg v. 24.7.1987 – 11 U 182/86, AG 1988, 22 = GmbHR 1988, 141 = NJW-RR 1988, 46 (49). 684 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, GmbHR 2009, 763 m. Anm. Blöse = NotBZ 2009, 272 m. Anm. Heckschen = MDR 2009, 1008 = ZIP 2009, 1080 ff. 685 BGH v. 21.4.1988 – IX ZR 71/87, MDR 1988, 858 = NJW 1989, 1037. 686 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 ff.

152 Schfer

I. Die Rechtshandlung

Rz. 302 B

des Schuldners, das eine Vermögensmehrung verhindert hat, es sei denn, dem Schuldner stand bereits ein Anwartschaftsrecht auf den Erwerb zu.687 Anders verhält es sich daher auch bei der Nichtausübung einer Option oder eines Vorkaufsrechts, da in diesen Fällen eine rechtlich gesicherte Rechtsposition gegeben war, derer sich der Schuldner begeben hat.688 Entsprechendes gilt für die Nichtanmeldung eines wertvollen Patents und die unterbliebene Kündigung eines langfristigen Miet- oder Pachtvertrages.689 Da die Anfechtungstatbestände voraussetzen, dass eine andere Person durch die Rechtshandlung eine Vermögenszuwendung erhalten hat, liegt eine Unterlassung im Sinne des § 129 Abs. 2 InsO nur dann vor, wenn sie ursächlich dafür geworden ist, dass der Empfänger die Vermögenszuwendung behalten konnte. Aus diesem Grund stellt das Unterlassen der Stellung eines Insolvenzantrages mit dem Vorsatz, einen Gläubiger zum Nachteil der übrigen zu begünstigen, keine Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 2 InsO dar.690 Auch die Zahlungseinstellung als solche stellt keine Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 2 InsO dar.691 Die Nichtauszahlung von Aufwendungshilfen zur Wohnbauförderung wegen B 301 Insolvenzantrages des Begünstigten ist nicht als Deckungshandlung anfechtbar. Die §§ 130, 131 InsO betreffen die Anfechtung von Rechtshandlungen, mit denen einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wird. Sie betreffen dagegen nicht Rechtshandlungen, mit denen sich ein Dritter erst zum Insolvenzgläubiger gemacht hat oder – bei Unterlassungen – gemacht haben würde.692 Unterlässt es der Schuldner, dessen Konten durch seinen Gläubiger gepfändet B 302 sind, ein weiteres Konto zu eröffnen und Zahlungen seiner Schuldner auf dieses freie Konto zu leiten, steht diese Unterlassung einer Rechtshandlung nicht gleich.693 Im Schrifttum694 wird zu Recht auf eine „gewisse Diskrepanz“ dieser Entscheidung zur Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH hingewiesen, wonach eine Ersatzpflicht des Geschäftsführers einer GmbH besteht, der nach dem Eintritt der Insolvenzreife Zahlungen der Schuldner auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft zulässt, die zu einer Befriedigung der Bank führen.695 Aufgrund der zu unterstellenden Kenntnis der Finanzlage der Gesellschaft müsse der Geschäftsführer im Stadium der Insolvenzreife eine bevorzugte Befriedigung eines einzelnen Gläubigers aufgrund einer Kontenpfändung verhindern. Lege man einen solchen pflichtgemäßen Kenntnisstand des Geschäftsführers zugrunde, könnte nach dieser Ansicht im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO aufgrund beding-

687 688 689 690 691 692 693 694 695

Vgl. Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 121. Vgl. Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 129 Rz. 53. Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 126. BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832; HK-InsO/ Kreft, § 129 Rz. 24. Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 130. BGH v. 15.3.2012 – IX ZA 107/11, ZIP 2012, 833 f. BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 ff. Gehrlein, ZInsO 2015, 477 (478). Vgl. BGH v. 3.6.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 ff. Rz. 13 ff. Schfer

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B Rz. 302

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

ten Vorsatzes des Geschäftsführers, dem ein „Fehlverhalten“ anzulasten sei, vielfach von einer Rechtshandlung durch Unterlassen auszugehen sein.696 B 303 In der Gesetzesbegründung697 zu § 129 Abs. 2 InsO werden folgende Beispiele für ein anfechtungsrelevantes Unterlassen aufgeführt: „ein Recht verliert“: Schuldner unterlässt Protest nach Wechselrecht und verliert deshalb Rechte, die den Protest voraussetzen; Schuldner unterlässt Unterbrechung der Ersitzung und verliert deshalb sein Eigentum; „ein Recht nicht mehr geltend machen kann“: Schuldner unterlässt es, Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe (z.B. Einspruch gegen Versäumnisurteil nach § 338 ZPO) einzulegen und verliert deshalb aussichtsreichen Aktivprozess; Schuldner unterlässt Unterbrechung der Verjährung; „ein Anspruch erhalten wird“: Schuldner unterlässt rechtzeitige Irrtumsanfechtung nach den §§ 119 ff. BGB; „ein Anspruch durchsetzbar wird“: Schuldner unterlässt es, in einem Passivprozess die Einrede der Verjährung zu erheben.

B 304 Als anfechtbare Unterlassungen im prozessrechtlichen Bereich sind zudem das Unterlassen des Widerspruchs gegen einen Mahnbescheid und unterlassener bzw. verspäteter Sachvortrag des Schuldners, der zur Präklusion führt, zu nennen. B 305 Eine anfechtbare Rechtshandlung kann ferner im Unterlassen des Widerrufs hingegebener Schecks zu sehen sein.698 Ein anfechtbares Unterlassen kann schließlich gegeben sein, wenn der Schuldner, der als Strohmann für den Betreiber eines Imbisses fungiert hat, es unterlässt, diesen als Auftraggeber auf Erstattung der für den Betrieb des Imbisses angefallenen Verbindlichkeiten oder auf Freistellung von den Ansprüchen der Gläubiger in Anspruch zu nehmen.699

II. Gläubigerbenachteiligung 1. Allgemeines B 306 Tatbestandliche Voraussetzung eines jeden Anfechtungstatbestandes ist nach der Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO die objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (vgl. §§ 38, 39 InsO) durch die angefochtene Rechtshandlung.700 Denn die Insolvenzanfechtung dient dazu, ungerechtfertigte Veräußerungen und Belastungen zum Nachteil der künftigen Insolvenzmasse im Interesse der möglichst weitgehenden und gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger rückgängig zu machen. Die erforderliche Gläubigerbenachteiligung ist nicht gegeben, wenn die Insolvenzmasse ausreicht, um alle Gläubiger befriedigen zu 696 697 698 699 700

Gehrlein, ZInsO 2015, 479; vgl. dazu noch Ludwig, ZInsO 2015, 1048 ff. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. OLG Hamm v. 15.1.2009 – 27 U 112/07, veröffentlicht bei juris. Vgl. OLG Brandenburg v. 10.9.2008 – 7 U 182/07, ZInsO 2009, 330 f. BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985, 364 (365); v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 (273); v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZInsO 2005, 932 ff. Rz. 7.

154 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 308 B

können. Wird dies vom Anfechtungsgegner behauptet, trägt er dafür nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Beweislast.701 Im Schrifttum wird zu bedenken gegeben, ob in einem schuldnerbezogenen Anfechtungsrecht auch die Masse als solche und damit das Sanierungsinteresse einer Handelsgesellschaft als Schuldnerin geschützt ist. Nach der herrschenden Meinung könne die Anfechtung nicht mit dem Ziel durchgeführt werden, die Unternehmensfortführung durch einen Insolvenzplan zu ermöglichen. Ob es dabei bleiben könne, sei zweifelhaft, zumal § 259 Abs. 3 InsO sogar eine Einbeziehung der Anfechtung in die Erfüllung des Insolvenzplans zulasse.702 Bildet die Zahlungsunfähigkeit den Insolvenzgrund, ist nach der Lebenserfahrung nicht damit zu rechnen, dass das Verfahren mit der vollen Befriedigung aller Gläubiger endet. Daher spricht im Falle der Insolvenzeröffnung wegen Zahlungsunfähigkeit ein Anscheinsbeweis für die Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse. Der Anfechtungsgegner hat daher Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines vollständigen Ausgleichs aller Gläubigeransprüche ergibt. Dies gilt auch für den Fall, dass das Insolvenzverfahren wegen Überschuldung eröffnet wurde.703 Nach allgemeinen Grundsätzen ist es alsdann Sache des Insolvenzverwalters, darzulegen und zu beweisen, dass dies nicht der Fall ist. Es ist ferner zu beachten, dass durch Masseunzulänglichkeit eine Gläubigerbe- B 307 nachteiligung nicht ausgeschlossen wird. Andernfalls würde das Ziel des Insolvenzverfahrens (vgl. § 1 InsO), die Gläubiger – und dazu zählen auch die Massegläubiger – zu befriedigen, nicht erreicht und die Anfechtungsgegner erhielten einen nicht gerechtfertigten Vorteil.704 Anders ist dies nur im Fall der Massekostenarmut, die auch bei einer Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs nicht beseitigt werden könnte.705 Bei der Vornahme einer Rechtshandlung zum Nachteil nachrangiger Insolvenzgläubiger (vgl. § 39 InsO) kann ebenfalls eine Gläubigerbenachteiligung gegeben sein. Dies wird freilich praktisch nur bedeutsam, wenn die Masse die Forderungen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger deckt.706 Die Befriedigung oder Besicherung nicht nachrangiger Insolvenzforderungen „bildet“ keine Gläubigerbenachteiligung, wenn die Insolvenzmasse zur Befriedigung aller nicht nachrangigen Forderungen ausreicht und lediglich nachrangige Forderungen unberücksichtigt bleiben.707 Die Gewährung einer Sicherheit für ein eigenkapitalersetzendes Darlehen ist nicht gläubigerbenachteiligend, wenn ihr nach dem vereinbarten Rang sämtliche Insolvenzforderungen vorgehen.708 Eine vermögensschmälernde Rechtshandlung des Schuldners kann auch von demjenigen angefochten werden, der zwar zur Zeit ihrer Vornahme noch nicht 701 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 ff. Rz. 30; v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, MDR 1986, 1021 = WM 1986, 841. 702 K. Schmidt, § 129 Rz. 46. 703 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 ff. Rz. 30. 704 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 213/06, MDR 2008, 770 = ZInsO 2008, 374 f. 14; v. 18.9.2003 – IX ZB 460/02, ZIP 2003, 2036; Pape, ZIP 2001, 901 ff. 705 BGH v. 7.2.2013 – IX ZB 48/12, ZInsO 2013, 496 f.; v. 16.7.2009 – IX ZB 221/08, ZIP 2009, 1591 f.; v. 22.11.2012 – IX ZB 62/12, ZIP 2012, 2526 ff. 706 Vgl. Henckel, Kölner Schrift zur InsO, S. 821 Rz. 20. 707 BGH v. 7.2.2013 – IX ZR 146/12, ZIP 2013, 637 f. 708 BGH v. 2.2.2006 – IX ZB 167/04, ZIP 2006, 483 ff. Schfer

155

B 308

B Rz. 308

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Gläubiger war, jedoch später durch sie benachteiligt wird.709 Eine Vorsatzanfechtung ist daher nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch keine Gläubiger hatte.710 Die Benachteiligung von Massegläubigern im Sinne des § 53 InsO, zum Beispiel durch Begleichung von Masseverbindlichkeiten, begründet allerdings mangels Benachteiligung der Insolvenzgläubiger keine Anfechtbarkeit.711 B 309 Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO ist gegeben, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat,712 wenn sich also mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die angefochtene Rechtshandlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten.713 In den Vergleich der Aktiva und Passiva sind auch Insolvenzforderungen einzubeziehen, die noch zur Tabelle festgestellt werden können, weil sich ein Widerspruch als unbegründet erweist.714 Eine unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger liegt dagegen nicht vor, wenn dem Schuldnervermögen unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung zufließt, wobei die engen zeitlichen Grenzen des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO nicht gelten.715 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist in solchen Fällen freilich nicht ausgeschlossen. B 310 Geht der Schuldner in der Krise weitere Verbindlichkeiten ein, so vermindert er in der Regel die Quote der übrigen Insolvenzgläubiger, wodurch diese benachteiligt werden. Die Begründung einer nachrangigen Verbindlichkeit (vgl. § 39 InsO) benachteiligt allerdings nur die gleichrangigen und die nachrangigen Insolvenzgläubiger und kann daher nur zu ihren Gunsten angefochten werden.716 Die Frage der Gläubigerbenachteiligung ist nicht nach rein bilanziellen Gesichtspunkten zu beantworten. So werden die Gläubiger auch dann benachteiligt, wenn der Schuldner in der Krise einen Gegenstand verliehen hat. Für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung kann es nach der ständigen Rechtsprechung des BGH bereits genügen, wenn durch die angefochtene Rechtshandlung der Zugriff auf das Schuldnervermögen erschwert oder verzögert wurde.717

709 BGH v. 7.5.1987 – IX ZR 51/86, WM 1987, 881 (882). 710 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. 711 Vgl. BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, ZIP 1998, 830 ff.; HambKomm-InsO/Rogge/ Leptien, § 129 Rz. 37. 712 Vgl. BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, MDR 2002, 844 = ZIP 2002, 489; v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZIP 2006, 1007 (1011) Rz. 20. 713 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, MDR 2009, 1306 = ZInsO 2009, 1585 ff. Rz. 25; v. 20.11.2008 – IX ZR 130/07, MDR 2009, 291 = ZInsO 2009, 31 f. Rz. 9; v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76, 78 f. = MDR 1994, 468; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 77; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 37. 714 BGH v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168 (188) = AG 1989, 27 = GmbHR 1989, 19 = MDR 1989, 43; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 62. 715 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 119. 716 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 77. 717 BGH v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02 – „Unternehmensbestattung“, BGHZ 165, 343 ff. = MDR 2006, 950 = GmbHR 2006, 316 m. Anm. Blöse v. 5.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318 (328).

156 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 314 B

Eine Beeinträchtigung des Schuldnervermögens ist schon dann gegeben, wenn B 311 eine bloße Mitberechtigung des Schuldners an dem weggegebenen Vermögensgegenstand bestand. Anfechtbar ist daher auch eine Überweisung aus dem Guthaben eines als Oder-Konto geführten Girokontos, dessen Mitinhaber der Schuldner ist, ohne dass es darauf ankommt, ob dem Schuldner das Kontoguthaben im Innenverhältnis zustand.718 Auch nichtige Rechtsgeschäfte können die Gläubiger benachteiligen, da bereits B 312 eine Erschwerung des Gläubigerzugriffs ausreicht.719 Die Anfechtung empfiehlt sich in solchen Fällen insbesondere dann, wenn die Durchsetzung etwaiger bereicherungsrechtlicher Ansprüche oder die Beseitigung grundbuchrechtlicher Hindernisse Schwierigkeiten bereitet.720 Wichtig für die Frage der Gläubigerbenachteiligung bei mittelbaren Zuwendun- B 313 gen ist ein neueres Urteil des BGH vom 26.4.2012.721 Während er früher eine Gläubigerbenachteiligung verneint hat, wenn ein Dritter durch eine anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners die Stellung eines uneigennützigen Treuhänders erlangt, diese aber anschließend wieder aufgegeben hat, ohne dass ihm das Treugut wirtschaftlich zugute gekommen ist,722 geht er nunmehr zu Recht von der Möglichkeit einer Gläubigerbenachteiligung aus. Denn ein für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung ausreichendes Zugriffshindernis entsteht bereits dadurch, dass die Gläubiger des Schuldners den treuhänderisch überlassenen Gegenstand nicht aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen den Schuldner pfänden können.723 Mit der Entscheidung des BGH wird zugleich klargestellt, dass eine Gläubigerbenachteiligung bei mittelbaren Zuwendungen nicht erst mit der Weitergabe an den Endempfänger gegeben ist und nicht etwa deshalb ausscheidet, weil die überlassenen Mittel für die Mittelsperson nur durchlaufende Posten darstellten.724 Der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung ist isoliert mit Bezug auf die konkret B 314 angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Dabei sind lediglich solche Folgen zu berücksichtigen, die an die angefochtene Rechtshandlung selbst anknüpfen; eine Vorteilsausgleichung findet grundsätzlich nicht statt.725

718 OLG Hamburg v. 19.10.2007 – 1 U 136/06, ZIP 2008, 88 ff. 719 Vgl. dazu unten Rz. B318 ff. 720 Vgl. BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 ff.; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 134. 721 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff. 722 BGH v. 9.12.1993 – IX ZR 100/93, BGHZ 124, 298 ff. 723 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. 724 Vgl. dazu noch BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 ff. Rz. 21; v. 17.12.2009 – IX ZR 16/09, ZIP 2010, 531 ff. Rz. 12. 725 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 ff. Rz. 26 ff.; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 18; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 129 Rz. 64. Schfer

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B Rz. 315

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

a) Konkrete Schmälerung des Schuldnervermögens B 315 An einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger fehlt es bei Vorgängen, die für das schuldnerische Vermögen wirtschaftlich neutral sind.726 Wurden etwa Zahlungen des Schuldners von einem debitorischen auf ein anderes, bei derselben Bank geführtes, ebenfalls debitorisches Konto umgebucht, liegt eine Gläubigerbenachteiligung nur vor, wenn das Konto, dessen Schuldenstand durch die Umbuchung verringert wurde, über schlechtere Sicherungen verfügte als das Konto, dessen Schuldenstand dadurch erhöht wurde.727 Eine Verkürzung der künftigen Insolvenzmasse ist nicht gegeben, wenn eine Bank dem debitorischen Konto des Schuldners einen Scheckbetrag gutgeschrieben und diese Buchung entsprechend ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen alsbald wieder rückgängig gemacht hat.728 Im Fall des vom Schuldner nicht genehmigten Lastschrifteinzuges des Gläubigers von einem debitorisch geführten Konto des Schuldners kann der Insolvenzverwalter nur eine Korrektur der ungenehmigten Belastungsbuchung, nicht jedoch im Wege der Anfechtung die Auszahlung des Lastschriftbetrages verlangen.729 Denn durch den unautorisierten Lastschrifteinzug wurde das Vermögen des Schuldners nicht geschmälert. Im Fall der Eingehung einer unklagbaren Verbindlichkeit benachteiligt nicht bereits deren Begründung, sondern erst ihre Erfüllung die übrigen Gläubiger.730 Nicht benachteiligend ist ferner der Austausch gleichwertiger Sicherheiten.731 B 316 Zu beachten ist ferner, dass der Zweck der Insolvenzanfechtung nicht darin besteht, der Insolvenzmasse Vermögensvorteile zu verschaffen, die sie ohne die anfechtbare Rechtshandlung nicht erlangt hätte.732 Aus diesem Grund ist etwa die verzögerte Stellung des Insolvenzantrages durch den Schuldner nicht anfechtbar, da sich die verzögerte Antragstellung anfechtungsrechtlich allein auf den Fristenlauf auswirkt. Diese Rechtsfolge trifft jedoch alle Gläubiger in gleicher Weise und steht nicht in dem anfechtungsrechtlich gebotenen Zusammenhang mit der konkreten Vermögensverschiebung.733 Ein Schenkungsvertrag über ein Grundstück, in dem zugleich ein durch Vormerkung gesicherter Rückübertragungsanspruch für den Fall des Vermögensverfalls oder der Insolvenz des Begünstigten vereinbart wird, ist nach der Rechtsprechung des BGH im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Begünstigten mangels objektiver Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar. Im Rahmen der Insolvenzanfechtung kann nicht als objektive Gläubigerbenachteiligung geltend gemacht wer-

726 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff.; v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 ff. Rz. 30; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rz. 108. 727 BGH v. 10.7.2008 – IX ZR 142/07, WM 2008, 1606. 728 OLG Koblenz v. 10.10.2002 – 5 U 364/02, ZIP 2002, 2091 f. 729 Vgl. BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, MDR 2009, 833 = ZIP 2009, 673 ff.; v. 1.10.2002 – IX ZR 125/02, MDR 2003, 169 = ZIP 2002, 2184 f. 730 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 108. 731 Vgl dazu unten Rz. B455 ff. 732 BGH v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87 (96) = MDR 1986, 580. 733 Vgl. BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, MDR 2005, 832 = NJW 2005, 1121 (1124) = BGHZ 162, 143 ff.

158 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 317b B

den, dem Schuldner hätte mehr geschenkt oder ein Geschenk ohne Belastung überlassen werden müssen.734 Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 16.12.2010735 kann eine B 317 mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger einer Muttergesellschaft gegeben sein, wenn eine Verringerung des Vermögens der Tochtergesellschaft zu einer Verringerung des Wertes der Gesellschaft und damit zu einer Schmälerung des Wertes der Beteiligung der Muttergesellschaft führt. b) Entbehrlichkeit der Zugehörigkeit zum Schuldnervermögen Das Erfordernis, dass der anfechtbar weggegebene Vermögensgegenstand zum B 317a Vermögen des Schuldners gehört haben muss, wurde erstmals im Urteil des BGH vom 6.10.2009736 aufgegeben, ohne dass dazu freilich Anlass bestanden hätte.737 Es soll vielmehr ausreichen, dass der Schuldner dem Zuwendungsempfänger etwas aus dem Vermögen eines Dritten mittelbar zuwendet.738 In dem konkret entschiedenen Fall waren die dem Dritten zugewendeten Mittel freilich zumindest vorübergehend dem Vermögen des Schuldners dinglich bzw. haftungsmäßig zugeordnet und somit prinzipiell pfändbar.739 Es trifft allerdings zu, dass eine Gläubigerbenachteiligung auch durch eine Vermehrung der Passiva des Schuldners eintreten kann. Erbringt eine von mehreren Gesellschaften, denen die Bank eine gemeinschaftliche Kreditlinie eingeräumt hatte, eine Zahlung durch eine geduldete Überziehung ihres Kontos, benachteiligt dies ihre Gläubiger, auch wenn mit der Zahlung die Verbindlichkeit einer verbundenen Gesellschaft getilgt wird.740 Entscheidend für die Benachteiligung der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin ist nach Ansicht des BGH allein, dass die Zahlung auf der Grundlage einer zwischen der Insolvenzschulnerin und der Bank bestehenden Darlehensbeziehung erfolgte.741 Die Frage der Zugehörigkeit des zugewendeten Vermögensgegenstandes zum B 317b Schuldnervermögen hat ferner in einem Urteil des BGH vom 22.10.2015742 eine Rolle gespielt: War das ursprüngliche Bezugsrecht bei einer Lebensversicherung widerruflich oder wurde es mit Zustimmung des ursprünglich Bezugsberechtigten widerrufen, kann bei einer späteren Bezugsrechtsänderung eine Gläubigerbenachteiligung gegeben sein. Zwar gehört nach der Rechtsprechung des BGH auch im Fall eines widerruflichen Bezugsrechts der Anspruch auf die Versicherungsleistung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nicht zum Vermögen des Versicherungsnehmers; er entsteht vielmehr erst mit dem Todesfall unmittelbar 734 BGH v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05, MDR 2008, 884 = NotBZ 2008, 266 m. Anm. Suppliet = ZInsO 2008, 558 ff. 735 OLG Celle v. 16.12.2010 – 13 U 98/10, ZIP 2011, 676 f. 736 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05 – „geduldete Kontoüberziehung“, BGHZ 182, 317 ff.; bestätigt durch BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14 Rz. 8. 737 Vgl. dazu Rz. B267. 738 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 14. 739 Vgl. dazu Rz. B267. 740 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 ff. 741 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 ff. Rz. 8. 742 BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZInsO 2015, 2374 ff. Schfer

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B Rz. 317b

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

im Vermögen des Bezugsberechtigten.743 Der Versicherungsnehmer wende die Versicherungssumme dem Bezugsberechtigten allerdings mittelbar zu. Deswegen komme es nicht darauf an, ob sich der Anspruch auf die Versicherungsleistung tatsächlich jemals im Vermögen des Schuldners befunden habe.744 c) Erschwerung des Gläubigerzugriffs B 318 Eine Gläubigerbenachteiligung liegt schon dann vor, wenn durch die Rechtshandlung der Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert wird.745 Es reicht aus, dass der Zugriff der Gläubiger prinzipiell möglich ist. Begegnet ein Vollstreckungszugriff dritter Gläubiger auf den entäußerten Vermögenswert faktischen Hindernissen, steht dies einer Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen. Vielmehr kann eine Gläubigerbenachteiligung gerade in dem mit der angefochtenen Rechtshandlung verbundenen erschwerten Zugriff auf einen Vermögenswert des Schuldners liegen.746 B 319 Eine Benachteiligung der Gläubiger ist daher bereits gegeben, wenn eine GmbH nach einer Sitzverlegung ins Ausland „bestattet“ werden soll und die Durchführung einer Nachtragsliquidation zumindest erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde.747 Da schon die Erschwerung des Zugriffs der Gläubiger zu einer Gläubigerbenachteiligung führt, können auch nichtige Rechtsgeschäfte anfechtbar sein. Nichtige Rechtsgeschäfte, namentlich Scheingeschäfte, führen nicht selten zu einer Änderung der formalen Rechtslage und damit zu Erschwerungen oder Gefährdungen des Gläubigerzugriffs. In diesem Fall kann anstelle oder neben der Nichtigkeit auch die Anfechtung geltend gemacht werden. So kann etwa der Inhaber einer Zwangshypothek die Löschung einer vorrangigen, aufgrund eines nichtigen Rechtsgeschäfts eingetragenen Auflassungsvormerkung verlangen.748 Erteilt der Schuldner in der Krise die Zustimmung zur Bildung eines Poolvertrages, so kann dies zu einer Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger führen, wenn dadurch die Zugriffsmöglichkeit erschwert wird.749 B 320 Eine Erschwerung des Gläubigerzugriffs ist schon dann gegeben, wenn der Schuldner einem uneigennützigen Treuhänder Mittel zu dem Zweck überlässt, diese an einen Dritten weiterzuleiten. Denn die Gläubiger des Schuldners können auf diese Mittel nicht mehr aufgrund eines Titels gegen den Schuldner zugreifen.750 743 BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZInsO 2015, 2374 ff. Rz. 21 mit Hinweis (u.a.) auf BGH v. 28.4.2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252 ff. Rz. 17. 744 BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZInsO 2015, 2374 ff. Rz. 22.; vgl. zur Kritik Rz. G116c. 745 Vgl. BGH v. 5.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318 (328); v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. = MDR 2006, 950 = GmbHR 2006, 316 m. Anm. Blöse; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 37. 746 BGH v. 23.10.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 ff. Rz. 22. 747 BGH v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. = MDR 2006, 950 = GmbHR 2006, 316 m. Anm. Blöse. 748 Vgl. BGH v. 11.7.1996 – IX ZR 226/94, MDR 1997, 52 = ZIP 1996, 1516 ff. 749 Vgl. OLG Köln v. 29.4.1994 – 20 U 168/90, ZIP 1994, 1461 ff. 750 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 12.

160 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 323 B

d) Gläubigerwechsel An einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn ein bloßer, die Gläubiger B 321 nicht benachteiligender Gläubigerwechsel gegeben ist. Dies kann beispielsweise bei einer Anweisung auf Kredit der Fall sein. Bei ihr nimmt der Angewiesene die Zahlung an den Zuwendungsempfänger ohne eigene Verpflichtung gegenüber dem Anweisenden vor, so dass er durch die Zahlung zum Gläubiger des Anweisenden wird.751 Die Belastung der Masse mit dem Rückgriffsanspruch des Angewiesenen wird hier durch die Befreiung von der Schuld gegenüber dem Zahlungsempfänger ausgeglichen.752 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kredit für den Schuldner belastender ist als die mit seiner Hilfe getilgte Schuld, etwa weil er nur gegen Sicherheiten gewährt wurde.753 Begleicht der hierzu nicht verpflichtete Geschäftsführer der späteren Insolvenz- B 322 schuldnerin deren Verbindlichkeiten aus eigenen Mitteln, so benachteiligt er dadurch nach einem Urteil des BGH vom 21.6.2012754 nicht die späteren Insolvenzgläubiger. Der BGH bekräftigt in dieser Entscheidung ferner seine frühere Rechtsprechung, wonach bei einer Anweisung auf Kredit eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich ausscheidet, weil es durch die Zahlung lediglich zu einem Gläubigerwechsel in der Person des Angewiesenen kommt. Daran waren im Schrifttum755 im Anschluss an das Urteil des BGH zur geduldeten Kontoüberziehung756 und an ein weiteres Urteil vom 17.3.2011757 Bedenken aufgekommen. Selbst wenn ein Gläubigerwechsel gegeben ist, können die Gläubiger dennoch B 323 benachteiligt sein. Die nachträgliche Besicherung einer Forderung durch Abtretung einer künftigen Kaufpreisforderung ist inkongruent und benachteiligt die Insolvenzgläubiger. Daran ändert es nichts, wenn die gesicherte Forderung an einen Dritten abgetreten und die nachträgliche Sicherheit unmittelbar dem Dritten gewährt wird. Entscheidend für die Inkongruenz ist das Abweichen der Deckungshandlung von dem zwischen dem Insolvenzgläubiger und dem Schuldner bestehenden Schuldverhältnis. Diese Inkongruenz entfällt nicht deshalb, weil gleichzeitig mit der Besicherung ein Gläubigerwechsel stattfindet.758

751 BGH v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13, ZIP 2013, 2262 ff. Rz. 16; v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. Rz. 12; v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, MDR 2009, 106 = ZIP 2008, 2182 f. Rz. 9. 752 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 81; MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rz. 144. 753 Vgl. BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, MDR 2009, 106 = ZIP 2008, 2182 f. Rz. 9; v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 10 = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. 754 BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. 755 Vgl. Hofmann, EWiR 2011, 431 f.; Lütcke, NZI 2011, 702 (705 ff.); Henkel, ZInsO 2012, 774 ff. 756 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 15. 757 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 ff. Rz. 17. 758 Vgl. BGH v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZIP 2004, 1060 ff. m. Anm. von Gerhardt, EWiR 2004, 769 f. Schfer

161

B Rz. 324

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

e) Zuwendungen Dritter aus schuldnerfremdem Vermögen B 324 Zahlungen Dritter betreffen in der Regel nicht das Vermögen des Schuldners. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Zahlung des Dritten ohne Durchgang durch das Vermögen des Schuldners unmittelbar an den Zahlungsempfänger fließt.759 An einem solchen Durchgangserwerb (durch das Vermögen des Schuldners) fehlte es in einer Entscheidung des BGH vom 4.2.2016.760 Dort hatte ein Großvater auf einem notariellen Treuhandkonto 300 000 Euro bereitgestellt, die seine Tochter für den Erwerb eines Hausgrundstücks zugunsten ihrer Kinder – der Enkel des Großvaters – verwenden sollte. Die Mutter kaufte im eigenen Namen ein Grundstück für 280 000 Euro, das sie aufgrund einer ihr in dem notariellen Vertrag vom Veräußerer eingeräumten Auflassungsvollmacht unmittelbar von diesem an ihre Söhne aufließ. Nachdem die Mutter insolvent geworden war, hätte gegenüber den Söhnen die „Schenkunganfechtung“ gemäß § 134 Abs. 1 InsO durchgegriffen, wenn das Grundstück kaft eines Durchgangserwerbs Bestandteil des Vermögens der Mutter gewesen wäre. Da ein solcher Durchgangserwerb nicht gegegeben war, konnten die Söhne das Grundstück anfechtungsfest erwerben.761 Ein Durchgang durch das schuldnerische Vermögen ist dagegen gegeben, wenn der Schuldner durch Überweisung von seinem im Soll geführten Kreditkonto einen Gläubiger befriedigt. Denn der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung der Kreditmittel ist ein pfändbarer Aktivposten seines Vermögens; dessen Aufgabe zum Zwecke der Tilgung einer bloßen Insolvenzforderung benachteiligt die übrigen Gläubiger selbst dann, wenn der Kredit zweckgebunden gewährt wurde.762 Aber auch wenn der Dritte den Gläubiger des Schuldners mit Mitteln aus seinem eigenen Vermögen befriedigt, kann eine Gläubigerbenachteiligung gegeben sein, wenn der Dritte mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner tilgt763 oder wenn er einen Aufwendungs- bzw. Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner erwirbt.764 B 325 Eine Gläubigerbenachteiligung liegt daher nicht vor, wenn ein nicht persönlich haftender Gesellschafter eine Verbindlichkeit der Gesellschaft auf deren Anweisung unmittelbar gegenüber einem Gläubiger begleicht, sofern der Gesellschafter durch die Zahlung keine eigene Schuld gegenüber der Gesellschaft getilgt und gegen diese auch keinen Erstattungsanspruch erworben hat.765 In die Direktzahlung des nicht persönlich haftenden Gesellschafters bzw. Geschäftsführers an den Gesellschaftsgläubiger kann nicht eine Darlehensgewährung an die Gesellschaft „hineininterpretiert“ werden, wie es das OLG München als

759 BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. Rz. 12; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 78a. 760 BGH v. 4.2.2016 – IX ZA 28/15, WM 2016, 557 ff. 761 BGH v. 4.2.2016 – IX ZA 28/15, WM 2016, 557 ff. Rz. 5 ff.; vgl. dazu ferner Gehrlein, ZInsO 2017, 128 (130). 762 BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, MDR 2002, 844 = NJW 2002, 1574 ff.; v. 7.6.2001 – IX ZR 195/00, MDR 2001, 1258 = ZIP 2001, 1248. 763 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. = MDR 2008, 341; v. 17.6.1999 – IX ZR 176/98, MDR 1999, 1153 = WM 1999, 1581 (1582). 764 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, MDR 2007, 1157 = ZInsO 2007, 658 ff. Rz. 18. 765 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, MDR 2009, 106 = ZIP 2008, 2182 f.

162 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 328 B

Vorinstanz zum Urteil des BGH vom 21.6.2012 getan hat.766 Befriedigt dagegen ein persönlich haftender Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft einen Gesellschaftsgläubiger, so hat dies eine Verkürzung des mit der Insolvenzeröffnung zur Masse gehörenden Anspruchs der Gesellschaft auf Einzahlung des Haftungsbetrages in die Masse und damit eine Bevorzugung des in vollem Umfang befriedigten Gläubigers zu Lasten der übrigen Insolvenzgläubiger zur Folge.767 f) Umfang der Gläubigerbenachteiligung Die Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs ist nach § 129 Abs. 1 InsO nur Vo- B 326 raussetzung der Anfechtung, bestimmt aber nicht zugleich deren Umfang. Eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung ist daher grundsätzlich insgesamt anfechtbar, auch wenn sie die Gläubiger nicht in vollem Umfang benachteiligt. § 129 InsO gestattet die Anfechtung nicht etwa nur, soweit eine Benachteiligung eintritt. Der Ausgleich wird vielmehr durch § 144 InsO herbeigeführt. Soweit die Gegenleistung – in ihrem nicht beeinträchtigenden Teil – in der Masse zumindest wertmäßig noch vorhanden ist, erhält der Anfechtungsgegner sie zurück; im Übrigen ist er auf eine Insolvenzforderung verwiesen.768 Der BGH hat diesen Grundsatz jedoch nicht stets eingehalten. So hat er etwa B 327 in einem Fall, in dem es um ein Sanierungshonorar ging, entschieden, eine Korrektur durch das Anfechtungsrecht sei nur insoweit geboten, als das Honorar überhöht gewesen sei.769 Im Beschluss vom 13.3.2008 führt er aus, die Anfechtung eines Vertrages als Ganzes könne die Wirkung einer Teilanfechtung haben, wenn die anfechtbare Handlung das Schuldnervermögen nur in begrenztem Umfang geschmälert habe und das Rechtsgeschäft insoweit teilbar sei.770 2. Isolierte Betrachtung der Rechtshandlung; Kompensation Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist der Eintritt einer Gläubiger- B 328 benachteiligung isoliert mit Bezug auf die konkret bewirkte Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Da der Anfechtungsanspruch kein Schadensersatzanspruch ist, findet eine Vorteilsausgleichung nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen nicht statt.771 Es steht daher der Anfechtung nicht entgegen, dass es erst die von der Begleichung von Altforderungen abhängig gemachte Bereitschaft des Anfechtungsgegners zur Auftragsdurchführung dem Schuldner ermöglicht hat, seine ver-

766 767 768 769 770

OLG München v. 8.4.2011 – 5 U 4633/10, nicht veröffentlicht. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 228. Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 102; Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 129 Rz. 85. BGH v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 ff. = MDR 1980, 843. BGH v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05, MDR 2008, 884 = NotBZ 2008, 266 m. Anm. Suppliet = ZIP 2008, 1028 ff. Rz. 16; v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92 – „Breitbandverteilanlage“, BGHZ 124, 76 (84) = MDR 1994, 468; vgl. zur Teilanfechtung Rz. B687 ff. 771 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, MDR 2009, 1306 = ZInsO 2009, 1585 ff. Rz. 27; v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZIP 2005, 1521 (1523); v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff.; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 113. Schfer

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B Rz. 328

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

traglichen Verpflichtungen gegenüber einem Dritten zu erfüllen.772 Entferntere Ereignisse bleiben regelmäßig sogar dann außer Betracht, wenn sie adäquat kausal verursacht wurden.773 Verkauft der spätere Insolvenzschuldner kurz vor der Stellung des Insolvenzantrages an einen Gläubiger Gegenstände, so können die Insolvenzgläubiger durch die zugunsten des Käufers hergestellte Aufrechnungslage auch dann benachteiligt werden, wenn der Käufer vom Schuldner umfangreiche Pflichten gegenüber Dritten übernimmt. Sofern die anfechtbare Rechtshandlung ausschließlich in der Herstellung der Aufrechnungslage besteht, können nur diejenigen Vorteile Berücksichtigung finden, die unmittelbar durch die Herstellung der Aufrechnungslage entstanden sind.774 B 329 Nach Ansicht des BGH soll eine Gläubigerbenachteiligung selbst dann anzunehmen sein, wenn sich durch dieselbe Rechtshandlung die Aktivmasse erhöht hat. Braut etwa der Schuldner Bier und begründet er dadurch eine Sachhaftung gemäß § 76 AO zur Sicherung der anfallenden Biersteuer, soll selbst dann eine objektive Gläubigerbenachteiligung bewirkt werden, wenn mit dem Brauvorgang unmittelbar eine übersteigende Wertschöpfung in Form des gebrauten Bieres zugunsten des Schuldnervermögens erzielt wird.775 Dies erscheint fraglich. Denn der BGH geht andererseits davon aus, dass keine Gläubigerbenachteiligung gegeben ist, wenn der Schuldner für das, was er aus seinem Vermögen weggibt, unmittelbar eine vollwertige Gegenleistung erhält; erhält er etwas, das zwar keine Gegenleistung darstellt, sich aber in anderer Weise als zumindest gleichwertiger Vorteil erweist, so kommt es darauf an, ob der Vorteil unmittelbar mit dem Vermögensopfer zusammenhängt.776 B 330 Ein Beispiel für die isolierte Betrachtungsweise bei der Feststellung der Gläubigerbenachteiligung stellt das Urteil des BGH vom 26.1.2012777 dar: BGH-Urteil vom 26.1.2012 – ZIP 2012, 636 ff. B 331 Der Schuldner hatte im Jahre 1982 eine Lebensversicherung abgeschlossen, die zum 1.1.2008 ablief. Im Jahr 1999 hatte er zugunsten der Beklagten – seiner Kinder – ein unwiderrufliches Bezugsrecht vereinbart, das er im Jahr 2004 mit Zustimmung der Beklagten in ein widerrufliches Bezugsrecht umwandelte. Im Jahr 2010 stellte der Schuldner einen Insolvenzantrag, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und zur Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter führte. Dieser focht die Einräumung des widerruflichen Bezugsrechts an. B 332 Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlte es an einer Gläubigerbenachteiligung, da im Jahr 2004 ein in unkritischer Zeit eingeräumtes unwiderrufliches 772 773 774 775 776

Vgl. BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02 – „Saudi-Arabien“, BGHZ 154, 190 ff. Vgl. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZIP 2005, 1521 ff. BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, MDR 2009, 1306 = ZInsO 2009, 1585 ff. Vgl. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 2084 ff. Rz. 11; v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 (195 f.). 777 BGH v. 26.1.2012 – IX ZR 99/11 – „Bezugsrechtsänderung“, ZIP 2012, 636 ff.; abgewandelt, da Fall zum AnfG.

164 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 335 B

Bezugsrecht in ein widerrufliches Bezugsrecht zugunsten des schon bisher Begünstigten umgewandelt worden sei. Der BGH hat dies als rechtsfehlerhaft beanstandet. Er bestätigt zunächst erneut seine Rechtsprechung, wonach der Bezugsberechtigte bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung den Anspruch auf die Versicherungsleistung sofort erwerbe. Dieser scheide aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers aus und stehe nicht mehr dem Zugriff seiner Gläubiger zur Verfügung. Bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung erwerbe der Bezugsberechtigte den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag dagegen erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. Dies sei der gemäß § 140 Abs. 1 InsO maßgebende Zeitpunkt für die Anfechtung. Werde eine unwiderrufliche Bezeichnung des Bezugsberechtigten mit dessen B 333 Zustimmung in eine widerrufliche Bezeichnung abgeändert, liege darin die Aufhebung der unwiderruflichen Bezugsberechtigung und die Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts. Das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Versicherungsansprüche den Gläubigern des Schuldners nach der Umwandlung des Vertrages bis zum Eintritt des Versicherungsfalles als Haftungsmasse zur Verfügung gestanden hätten. Diese sei dann – worauf es nach § 140 Abs. 1 InsO allein ankomme – mit Fälligkeit der Ablaufleistung erneut verkürzt worden. 3. Arten und Ermittlung der Gläubigerbenachteiligung Nach dem Gesetz ist zwischen einer unmittelbaren und einer mittelbaren Gläu- B 334 bigerbenachteiligung zu unterscheiden. Es genügt grundsätzlich eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung, wenn nicht das Gesetz ausdrücklich eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung verlangt (vgl. § 132 Abs. 1 InsO und § 133 Abs. 2 InsO). Unmittelbar ist eine Benachteiligung, die ohne das Hinzutreten späterer Umstände schon mit der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung eintritt. Maßgeblicher Zeitpunkt dafür ist durchweg derjenige der Vollendung der Rechtshandlung (vgl. § 140 InsO).778 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene B 335 Rechtshandlung in Verbindung mit einem weiteren Umstand eine Gläubigerbenachteiligung auslöst. Dies kann der Fall sein, wenn die Rechtshandlung selbst die Gläubiger noch nicht benachteiligt, aber die Grundlage für eine weitere, die Gläubiger schädigende Handlung schafft. So kann etwa nach der Gesetzesbegründung die Veräußerung eines Grundstücks auch dann wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sein, wenn sie zwar zu einem angemessenen Preis erfolgt, der Schuldner aber die dem anderen Teil bekannte Absicht hat, das Geld dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen.779

778 BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. Rz. 9; v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (190) = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228. 779 Vgl. Begründung zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157. Schfer

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B Rz. 336

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

a) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung B 336 Unmittelbar ist eine Benachteiligung, die ohne das Hinzutreten späterer Umstände schon mit der Vornahme der Rechtshandlung selbst eintritt. Maßgebend ist dafür nach § 140 InsO der Zeitpunkt der Vollendung der Rechtshandlung.780 Nach Sinn und Zweck der Anfechtungsbestimmungen muss bei der Frage, ob die Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden, die Vermögensverschiebung in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung erfasst und deshalb eine mehrteilige Rechtsübertragung als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden. Durch den Abschluss eines Vertrages werden die Gläubiger unmittelbar benachteiligt, wenn der gesamte rechtsgeschäftliche Vorgang, der sich aus schuldrechtlichem Verpflichtungs- und dinglichem Erfüllungsgeschäft zusammensetzt, die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger verschlechtert.781 Verkauft der Schuldner etwa in der Krise eine bewegliche Sache, so werden die Gläubiger unmittelbar benachteiligt, wenn der vereinbarte Kaufpreis hinter dem Wert der verkauften Sache zurückbleibt.782 B 337 Die Verschlechterung muss jedoch schon durch das Rechtsgeschäft selbst eintreten. Der Abschluss eines Vertrages, durch den der Schuldner für das, was er aufgibt, eine vollwertige Gegenleistung erhält, benachteiligt die Gläubiger auch dann nicht unmittelbar, wenn diese Gegenleistung infolge eines weiteren, nicht zu dem Gesamttatbestand des Rechtsgeschäfts gehörenden Umstandes entwertet oder verbraucht bzw. zerstört wird oder wenn die Vorleistung des Vertragspartners des Schuldners in dem Zeitpunkt nicht mehr im Vermögen des Schuldners vorhanden ist, in dem die von ihm zu erbringende Leistung endgültig aus seinem Vermögen „herausgeht“.783 B 338 Sind die Voraussetzungen eines Bargeschäfts im Sinne des § 142 InsO gegeben, scheidet eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung aus, da beim Bargeschäft eine gleichwertige Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt sein muss. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es an einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung auch dann fehlen kann, wenn die engen zeitlichen Anforderungen an die Annahme eines Bargeschäfts nicht erfüllt sind.784 Keine gleichwertige Gegenleistung stellt die Stundung einer Forderung des Gläubigers gegen Abtretung einer Forderung des Schuldners gegen einen Dritten unter Verzicht des Gläubigers auf eine mögliche Aufrechnung dar.785 Im Fall eines ernsthaften Sanierungsversuchs kann eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung sogar dann zu verneinen sein, wenn er letztlich scheitert. Dies setzt aber zumindest ein in

780 BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, ZIP 2007, 2084 ff. Rz. 9; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 113. 781 BGH v. 21.12.2010 – IX ZA 14/10, WM 2011, 276; v. 11.2.2010 – VII ZR 225/07, ZIP 2010, 646 ff. Rz. 12; v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (187). 782 BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, MDR 1980, 930 = NJW 1980, 1961 f. 783 Vgl. BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404 ff.; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 118. 784 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 119. 785 BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZIP 2007, 2084 ff. Rz. 12, 13.

166 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 342 B

sich schlüssiges Sanierungskonzept voraus, das von den erkannten und erkennbaren Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist.786 Bei einem Austausch von Leistung und Gegenleistung ist eine unmittelbare B 339 Gläubigerbenachteiligung gegeben, wenn die dem Schuldner erbrachte Gegenleistung objektiv nicht gleichwertig ist. Dabei ist ausschließlich das Wertverhältnis zwischen den konkret ausgetauschten Leistungen maßgebend. Gewährt der Schuldner einem Dritten ein langfristiges Darlehen zu einem geringeren als dem marktüblichen Zinssatz, führt dies grundsätzlich zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, weil ihnen dadurch für die Laufzeit des Darlehens der übliche Zins entgeht.787 Unmittelbar gläubigerbenachteiligend ist auch eine Abrede zwischen dem Schuldner und einem dinglich gesicherten Gläubiger, durch die Letzterem eine Veräußerung von Sicherungsgut unter Wert gestattet wird.788 Es kommt nicht nur darauf an, ob der Schuldner eine für ihn gleichwertige Leis- B 340 tung erhalten hat. Diese Leistung muss auch zugunsten der künftigen Insolvenzgläubiger verwertbar sein. Hat daher der Käufer für ein mit einer Zwangshypothek belastetes Betriebsgrundstück des Schuldners auch unter Berücksichtigung der Übernahme dieser dinglichen Belastung eine nicht annähernd dem Verkehrswert entsprechende Zahlung zu erbringen und räumt er hinsichtlich der Differenz zwischen seiner Zahlungspflicht und dem Verkehrswert dem Verkäufer ein entgeltliches, auf den dem Verkehrswert entsprechenden Kaufpreis angerechnetes Nutzungsrecht höchstpersönlicher, unübertragbarer Art ein, so werden die Gläubiger unmittelbar benachteiligt, da ein solches Nutzungsrecht unpfändbar ist und somit nicht dem Gläubigerzugriff unterliegt.789 Entrichtet eine GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit Prämien für eine B 341 Direktversicherung ihres Geschäftsführers weiter, auf welche dieser nach seinem Anstellungsvertrag Anspruch hat, so benachteiligt dies im Regelfall trotz der als Gegenleistung erhaltenen Dienste die Gläubiger der Gesellschaft.790 Die vom Geschäftsführer erbrachten Tätigkeiten gewähren den Gläubigern des Insolvenzschuldners keine Zugriffsmöglichkeit, wie sie die zur Entrichtung der Versicherungsprämien abgeflossenen Zahlungsmittel boten.791 Für die Gläubiger unmittelbar nachteilig ist auch ein Rechtsgeschäft des Schuld- B 342 ners, mit dem er mehr zu leisten verspricht, als der andere Teil fordern kann.792

786 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 ff. Rz. 28; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 129 Rz. 69. 787 BGH v. 21.4.1988 – IX ZR 71/87, MDR 1988, 858 = ZIP 1988, 725 ff.; HambKomm/ Rogge, § 129 Rz. 76. 788 BGH v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, MDR 1997, 470 = ZIP 1997, 367 ff. 789 BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 79/07, NotBZ 2009, 455 m. Anm. Suppliet = MDR 2009, 713 = ZInsO 2009, 518 ff.; vgl. dazu noch BGH v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, MDR 1986, 1021 = ZIP 1986, 787 ff. 790 BGH v. 12.1.2012 – IX ZR 95/11, ZIP 2012, 285 f. 791 BGH v. 12.1.2012 – IX ZR 95/11, ZIP 2012, 285 f. Rz. 6; Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 19. 792 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 96. Schfer

167

B Rz. 342

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Veranlasst daher der Gläubiger, der mit seiner „Altforderung“ lediglich Insolvenzgläubiger wäre, durch die Drohung, andernfalls eine für die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens notwendige Leistung nicht zu erbringen, den vorläufigen „schwachen“ (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO) Insolvenzverwalter dazu, dem Gläubiger nicht nur das Entgelt für die neue Leistung zu zahlen, sondern auch dessen „Altforderungen“ voll zu befriedigen, so ist die Zusage unmittelbar gläubigerbenachteiligend und anfechtbar. Denn der voll befriedigte Gläubiger hätte andernfalls mit seinen Altforderungen nur als Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren teilnehmen können, in dem in der Regel allenfalls eine Quote zu erwarten ist.793 Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ferner gegeben, wenn der Schuldner eine Verbindlichkeit begleicht, der er eine Einwendung hätte entgegenhalten können.794 B 343 Bei einer angefochtenen Grundstücksübereignung tritt eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung bereits in dem Zeitpunkt ein, in dem der Erwerber ein Anwartschaftsrecht auf das Grundeigentum erlangt. Sie wird nicht dadurch beseitigt, dass der Schuldner das Grundstück wertausschöpfend belastet, bevor der Eigentumswechsel im Grundbuch eingetragen wird.795 Treten die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung mit der Eintragung im Grundbuch ein, ist eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung bereits dann gegeben, wenn der Vertragspartner des Schuldners durch Eintragung einer Vormerkung eine geschützte Rechtsposition erlangt hat.796 B 344 Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise unterliegt das Eigentum des Schuldners schon dann nicht mehr dem Gläubigerzugriff, wenn der Erwerber aufgrund eines Anwartschaftsrechts eine geschützte Rechtsstellung erlangt hat, die nicht mehr einseitig durch den anderen Teil zerstört werden kann. Dies ist etwa der Fall bei der Auflassung eines Grundstücks nebst Eintragung einer Vormerkung in Erfüllung einer Einlageschuld. Ein vollwertiger Ausgleich ergibt sich in diesem Fall nicht daraus, dass der Schuldner im Gegenzug einen Gesellschaftsanteil erworben hat. Denn ein solcher Gesellschaftsanteil ist schwieriger zu verwerten als ein Grundstück.797 Im Hinblick auf die Anfechtungszeiträume der einzelnen Anfechtungstatbestände ist in solchen Fällen jedoch zu beachten, dass die Frist auch dann erst mit der Vollendung des Rechtserwerbs beginnt, wenn der Anfechtungsgegner bereits zuvor ein Anwartschaftsrecht erlangt hat und die Gläubiger bereits dadurch benachteiligt wurden.798

793 Vgl. BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff.; v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 ff. = MDR 2005, 712. 794 BGH v. 6.4.1995 – IX ZR 61/94, BGHZ 129, 236 (255) = AG 1995, 379 = MDR 1995, 918. 795 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 ff. = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228. 796 BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, MDR 2006, 1191 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse = ZIP 2006, 578 ff. 797 Vgl. BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (189) = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228. 798 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (193) = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228.

168 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 348 B

Sichert der spätere Insolvenzschuldner eine fremde Verbindlichkeit, so soll B 345 nach einer Auffassung im Schrifttum799 eine Gläubigerbenachteiligung anzunehmen sein, weil der Befreiungsanspruch gegen den Schuldner der fremden Verbindlichkeit regelmäßig weniger sicher sei und deshalb keinen vollausgleichenden Gegenwert darstelle. Für den Bereich des Gesellschaftsrechts erscheint dies jedoch in dieser Allgemeinheit nach dem Inkrafttreten des „MoMiG“ als zweifelhaft.800 Durch die Übertragung von Vermögensgegenständen auf einen Treuhänder B 346 werden die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt. Dies wird insbesondere daraus ersichtlich, dass Gläubiger des Sicherungsgebers einen zum Treugut gehörenden Gegenstand, der zu vollem Recht übertragen ist, nicht aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen den Treugeber pfänden können. Die formelle Rechtsstellung des Treuhänders ist ein Rechtsgut, dessen Rückgewähr nach den Anfechtungsbestimmungen verlangt werden kann.801 Erhält der Schuldner für seine Leistung etwas, das zwar keine Gegenleistung B 347 darstellt, sich aber in anderer Weise als – zumindest gleichwertiger – Vorteil erweist, so kommt es darauf an, ob der Vorteil unmittelbar mit dem Vermögensopfer zusammenhängt. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn das Vermögensopfer gezielt eingesetzt wurde, um den Vorteil zu erlangen. Vielmehr muss sich der Vorteil unmittelbar in einer – den anderweitigen Nachteil zumindest ausgleichenden – Mehrung des Schuldnervermögens niederschlagen.802 Ist beispielsweise der Betrieb des Schuldners nur mit Zustimmung eines Liefe- B 348 ranten günstig zu verwerten und macht dieser seine Einwilligung davon abhängig, dass der Schuldner ausstehende Schulden begleicht, so benachteiligt diese Schuldtilgung die anderen Insolvenzgläubiger nicht, wenn der Betrieb ohne die „erkaufte“ Einwilligung weniger wert gewesen wäre als den tatsächlich erzielten Kaufpreis abzüglich der Tilgungsleistung. Hier schlägt sich der Vorteil unmittelbar und gegenständlich in einer Mehrung des Schuldnervermögens nieder.803 Hingegen entfällt die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Bezahlung der Schulden aus Stromlieferungen nicht deshalb, weil sonst die – berechtigte – Einstellung der Stromversorgung im Betrieb des Schuldners zu einem Produktionsausfall geführt hätte. Diese enge Abgrenzung danach, ob sich der Vorteil unmittelbar in einer Mehrung des Schuldnervermögens niederschlägt, ist nach Ansicht des BGH nicht nur aus Gründen der Rechtsklarheit, sondern auch deshalb geboten, weil nur so eine Aushöhlung des Grundsatzes der Gläubiger-

799 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 114; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 74. 800 Vgl. dazu insbesondere § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG n.F. 801 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff.; v. 4.3.1993 – IX ZR 151/92, MDR 1994, 549 = ZIP 1993, 602 ff. 802 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff.; v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. Rz. 11; Graf-Schlicker/Huber, § 129 Rz. 21. 803 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 (195 ff.); v. 24.11.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377 (379). Schfer

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B Rz. 348

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

gleichbehandlung (par condicio creditorum) verhindert werden könne.804 Werden durch eine Zahlung des Schuldners aufgrund eines mit dem Gläubiger vereinbarten Verzichts über den Zahlungsbetrag hinausgehende Verbindlichkeiten getilgt, scheidet eine Gläubigerbenachteiligung aus, wenn der in der Zahlung liegende Vermögensverlust durch den damit verbundenen Verzicht auf weitere Forderungen voll ausgeglichen wird.805 B 349 Dass sich ein Subunternehmer gegen Bewilligung einer Sicherheit für ausstehende Forderungen verpflichtet, die ihm übertragenen Arbeiten gegen Entgelt weiterzuführen, gleicht den Verlust der Sicherheit für die Insolvenzgläubiger des Hauptunternehmers nicht aus.806 Es reicht nicht aus, dass der Sicherungsvertrag mit der Verpflichtung des Subunternehmers zur Fortführung der Arbeiten der Masse auch Vorteile gebracht hat, weil diese keine vollwertige Gegenleistung für die bewirkte Vermögensminderung darstellten. B 350 Des weiteren ist der Abschluss eines Vertrages, durch den einem Beteiligten für den Fall seiner Insolvenz Vermögensnachteile auferlegt werden, die über die gesetzlichen Folgen hinausgehen und nicht zur Erreichung des Vertragszwecks geboten sind, gläubigerbenachteiligend, selbst wenn der Beteiligte bei ungestörter Durchführung des Vertrages wirtschaftliche Vorteile erzielt hätte.807 Der entschiedene Fall betraf eine vertragliche „Verfallsklausel“ für den Fall der Insolvenz. Er ist zugleich ein Beispiel für die nach der Rechtsprechung des BGH mögliche Teilbarkeit der anfechtungsrelevanten Wirkungen einer Rechtshandlung. Ist ein Vertrag nur wegen einer einzelnen, gläubigerbenachteiligenden Klausel anfechtbar, so kann Rückgewähr auch so zu leisten sein, wie wenn er ohne Klausel abgeschlossen worden wäre. b) Mittelbare Gläubigerbenachteiligung B 351 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung in Verbindung mit einem weiteren Umstand eine Gläubigerbenachteiligung auslöst.808 Der weitere Umstand muss nicht seinerseits durch die angefochtene Rechtshandlung verursacht sein; schon gar nicht muss er deren adäquate Folge sein. Es reicht vielmehr aus, dass die Benachteiligung objektiv jedenfalls auch durch die angefochtene Rechtshandlung verursacht wurde. Für die Ursächlichkeit genügt es, dass die Rechtshandlung im natürlichen Sinne eine Bedingung für die Gläubigerbenachteiligung darstellt. Da es nicht um 804 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 237/91, BGHZ 154, 190 (197) = MDR 1993, 439; v. 25.9.1952 – IV ZR 13/52, BB 1952, 868. 805 BGH v. 28.1.2016 – IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 ff. 806 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 237/91, BGHZ 154, 190 (196) = MDR 1993, 439; v. 28.6.1984 – IX ZR 21/84, WM 1984, 1194 (1195); v. 28.9.1964 – VIII ZR 21/61, WM 1964, 1166 ff. 807 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 237/91, BGHZ 154, 196 (197) = MDR 1993, 439; v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92 – „Verfallsklausel“, MDR 1994, 468 = ZIP 1994, 40 (42) – insoweit in BGHZ 124, 76 ff. nicht abgedruckt. 808 Vgl. BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (322 f.) = MDR 1994, 158; v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 (79) = MDR 1994, 468; MünchKomm-InsO/ Kayser, § 129 Rz. 121; Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 129 Rz. 93.

170 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 354 B

einen Schadensersatzanspruch geht, der sich unter Umständen auch auf entfernte Folgen einer Handlung erstrecken kann, bedarf es für die Anfechtbarkeit nicht der Einschränkung durch die Adäquanztheorie.809 Es genügt, wenn der weitere Umstand bis zum Zeitpunkt der letzten mündli- B 352 chen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen des Anfechtungsprozesses hinzutritt und sich dadurch die Gläubigerbenachteiligung verwirklicht.810 Auch wenn die Einführung neuer Tatsachen in der Berufungsinstanz nach neuem Recht nur noch ausnahmsweise unter den Voraussetzungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zulässig ist, ist der Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nach wie vor jedenfalls insofern maßgebend, als Vorgänge zu bewerten sind, die sich erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zugetragen haben.811 Lässt der Anfechtungstatbestand eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ge- B 353 nügen, so ist es unerheblich, ob der Schuldner schon zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung Gläubiger hatte, die benachteiligt wurden, oder ob die vorhandenen Mittel seinerzeit zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger ausreichten.812 Die Insolvenzgläubiger können durch Zahlungen des Schuldners auch dann im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt werden, wenn der zum Zeitpunkt der Zahlungen zahlungsunfähige Schuldner vor dem Eintritt der zur Verfahrenseröffnung führenden Insolvenz vorübergehend seine Zahlungsunfähigkeit wiedererlangt. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung setzt nicht eine durchgängige Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraus.813 In dem vom BGH durch Urteil vom 30.9.1993814 entschiedenen Fall hatte die B 354 Schuldnerin dem Anfechtungsgegner in der Krise Kundenschecks zur Begleichung der offenstehenden Forderungen übersandt, die dieser einlöste. Dadurch wurden die Gläubiger der Schuldnerin zumindest mittelbar benachteiligt, da die Schuldnerin die Kundenschecks – wie üblich – bei ihrer Hausbank eingereicht hätte. Die Bank hätte ihr eine entsprechende Gutschrift erteilt; deren Ausbleiben vereitelte die Zugriffsmöglichkeit von Gläubigern. Ob die Bank gegen das Guthaben möglicherweise mit eigenen Forderungen unanfechtbar hätte aufrechnen können oder ob die Schuldnerin über das Guthaben anderweitig verfügt hätte, war unerheblich. Denn als Ursachen für den Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung sind grundsätzlich nur reale Gegebenheiten zu berücksichtigen.815

809 BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 102/97, BGHZ 143, 246 (253 f.) = MDR 2000, 352. 810 Vgl. BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 102/97, BGHZ 143, 246 (253) = MDR 2000, 352; v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (323) = MDR 1994, 158; v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (190) = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228. 811 BGH v. 3.5.2007 – IX ZR 16/06, MDR 2007, 1222 = NotBZ 2008, 75 = ZIP 2007, 1326 ff. Rz. 17. 812 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 5; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 6. 813 BGH v. 20.10.2016 – IX ZR 305/14, ZInsO 2016, 2393 ff. Rz. 13. 814 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 ff. = MDR 1994, 158. 815 Vgl. BGH v. 7.6.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355 (360) = MDR 1988, 858. Schfer

171

B Rz. 355

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 355 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist gegeben, wenn eine vom Schuldner empfangene Gegenleistung in dessen Vermögen nicht mehr vorhanden ist oder an Wert verloren hat.816 Der klassische Fall einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung besteht darin, dass der dem Schuldner gezahlte Kaufpreis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Anfechtungsprozesses nicht mehr zur Verfügung steht.817 Nach der Gesetzesbegründung kann die Veräußerung eines Grundstücks auch dann wegen vorsätzlicher Benachteiligung anfechtbar sein, wenn sie zwar zu einem angemessenen Preis erfolgt, der Schuldner aber die dem anderen Teil bekannte Absicht hat, das Geld dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen.818 Nach einem Urteil des OLG Hamburg vom 26.10.1984819 liegt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung vor, wenn die dem Schuldner zur Verfügung gestellten Kreditmittel zur Finanzierung verlustbringender Geschäfte verwendet wurden und deshalb nicht mehr vorhanden sind. Die Gläubiger werden mittelbar benachteiligt, wenn der Schuldner einen Gegenstand zwar zu einem günstigen Preis veräußert, der Erlös sich aber wegen der Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers als uneinbringlich erweist.820 B 356 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt ferner vor, wenn der übertragene Gegenstand eine Wertsteigerung durch den späteren Wegfall vorrangiger Sicherungsrechte Dritter erfährt.821 Gleiches gilt, wenn der Schuldner Wertpapiere zum Zeitwert veräußert, deren Wert später ansteigt,822 oder wenn er zu einem angemessenen Preis einen Gegenstand erworben hat, der später bei ihm zerstört oder entwertet wird.823 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann ferner bei der Zahlung einer angemessenen Vergütung für Sanierungsbemühungen, die letztlich die Insolvenz nicht abwenden konnten.824 B 357 Die Gläubiger des Schuldners werden mittelbar benachteiligt, wenn durch die angefochtene Rechtshandlung eine Forderung des Anfechtungsgegners, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine bloße Insolvenzforderung gewesen wäre, zu einer Masseverbindlichkeit aufgewertet wird. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn eine Vertragsübernahme dazu führt, dass die Insolvenzmasse gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO für die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Mieten haftet, die nach den §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorweg als Masseverbindlichkeit zu befriedigen sind.825 B 358 Zumindest eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung tritt auch dadurch ein, dass der vorläufige Insolvenzverwalter das zuvor auf einem Anderkonto befind816 OLG Stuttgart v. 15.7.2008 – 10 U 147/07, ZInsO 2011, 232 ff. Rz. 59; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 48. 817 Vgl. BGH v. 3.3.1988 – IX ZR 11/87, WM 1988, 799 (801). 818 Begründung zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157. 819 OLG Hamburg v. 26.10.1984 – 11 U 168/83, ZIP 1984, 1373 ff. 820 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 122. 821 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 ff. 822 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 122. 823 Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rz. 69. 824 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 122, unter Hinweis auf BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1564). 825 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 26 f.

172 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 361 B

liche Geld, das er durch die Überweisung auf ein eigenes Konto für sich selbst zur Deckung seiner Vergütungsforderung vereinnahmt hat, nicht mehr an den Schuldner auszahlen kann.826 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt schließlich vor, wenn infolge der B 359 Begründung einer Forderung des Schuldners gegen einen seiner Gläubiger eine Aufrechnungslage herbeigeführt wurde.827 Die Herbeiführung der Aufrechungslage führt in der Regel nur zu einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung, da die Aufrechnung als generell zulässiges Erfüllungssurrogat zu einer ausgleichenden Schuldtilgung auf Seiten des Schuldners führt; erst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt insoweit die Gläubigerbenachteiligung.828 Zwar erlischt mit der Aufrechnung die Gegenforderung des Gläubigers gegen den Schuldner. Ohne die Herbeiführung der Aufrechnungslage hätte dem Gläubiger jedoch nur eine Insolvenzforderung gegen den Schuldner zugestanden, auf die in der Regel nur eine quotale Befriedigung entfallen wäre. Zugleich hätte er die dem Schuldner geschuldete Leistung in voller Höhe zur Insolvenzmasse erbringen müssen. Durch die Aufrechnung entgeht der Insolvenzmasse somit der Unterschied zwischen dem Nennwert der Forderung des Schuldners und der bloßen Quote auf die Gegenleistung des Gläubigers, so dass auf die übrigen Insolvenzgläubiger rechnerisch eine entsprechend geringere Quote entfällt.829 Andererseits sind zugunsten des Anfechtungsgegners Wertsteigerungen der vom B 360 Schuldner empfangenen Gegenleistung zu berücksichtigen, welche die Gläubigerbenachteiligung ausgleichen, etwa durch den Wegfall vorrangiger Sicherungsrechte Dritter, wenn dies bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen geschehen ist.830 Hat der Schuldner allerdings sein Grundstück gegen Aktien vertauscht, deren Wert bis zur Insolvenzeröffnung hinter dem Grundstückswert zurückblieb, soll eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nicht deshalb entfallen, weil die Aktien nach der Insolvenzeröffnung so stark gestiegen sind, dass ihr Wert inzwischen dem Wert des Grundstücks entspricht. Der Anstieg der Aktienkurse während des Insolvenzverfahrens komme allein den Insolvenzgläubigern zugute, nicht dem Anfechtungsgegner. Dies ist von Bedeutung, wenn die Aktien nicht mehr in der Masse vorhanden sind und diese auch nicht mehr bereichert ist.831 Das Verwertungsrecht des Verwalters gemäß § 166 InsO hinsichtlich der mit B 361 Absonderungsrechten belasteten Gegenstände stellt zwar einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert der Insolvenzmasse dar. Das bloße Entfallen von Kostenbeiträgen nach den §§ 170, 171 InsO führt indes zu keiner objektiven Gläubigerbenachteiligung, weil die Kostenbeiträge lediglich Mehrkosten

826 827 828 829 830

BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 ff. Rz. 18. Vgl. BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013. Vgl. BGH v. 18.4.2013 – IX ZR 240/12, juris Rz. 3; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 149. Vgl. dazu noch BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884 f. BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 (274); Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 129 Rz. 99. 831 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 141. Schfer

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B Rz. 361

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

ausgleichen sollen, die durch die Bearbeitung von Absonderungsrechten im Insolvenzverfahren anfallen.832 B 362 Wesentliche Fragen der Gläubigerbenachteiligung behandelt ein neueres Urteil des BGH vom 8.11.2012:833 BGH-Urteil vom 8.11.2012 – veröffentlicht bei juris B 363 Die Klägerin war eine von 5 Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die Warenhausimmobilien an die K. GmbH vermietet hatten. Dachgesellschaft dieser 5 Gesellschaften war die F. GmbH. Diese hatte am 13.12.2002 mit der Schuldnerin (A. AG – damals noch K. AG) einen Mietverschaffungsvertrag abgeschlossen. Danach hatte die Schuldnerin gegenüber der F. GmbH dafür einzustehen, dass die K. GmbH als spätere Mieterin sämtliche Verpflichtungen aus dem Mietvertrag erfüllte. Im Jahr 2006 schloss die Klägerin mit der K. GmbH einen Mietvertrag über ein zu errichtendes Geschäftshaus samt Tiefgarage. Die K. GmbH war als Zwischenmieterin tätig und vermietete das Objekt an die K. W. GmbH weiter. Mit einem Ende September 2008 abgeschlossenen 3. Nachtrag zum Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Zwischenmieterin trat die Schuldnerin anstelle der K. GmbH mit Wirkung zum 1.10.2008 in den bestehenden Mietvertrag ein. B 364 Auf den Eigenantrag der Schuldnerin vom 9.6.2009 wurde am 1.9.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Klägerin verlangte vom Beklagten, der das Mietverhältnis zum 31.12.2009 gekündigt hatte, die Begleichung offenstehender Mietforderungen für die Zeit von September bis Dezember 2009 in Höhe von ca. 2,6 Mio. Euro aus der Masse. Der Beklagte machte die Anfechtbarkeit des Eintritts der Schuldnerin in das bestehende Mietverhältnis unter dem Gesichtspunkt der „Schenkungsanfechtung“ und der Vorsatzanfechtung geltend. Die Klage war in den Tatsacheninstanzen erfolgreich. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. B 365 Der BGH weist zunächst darauf hin, dass für die §§ 133 Abs. 1, 134 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genüge, während die ebenfalls in Erwägung zu ziehende Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraussetze. Die angefochtene Vertragsübernahme habe zu einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung geführt. Werde eine Forderung, die an sich eine bloße Insolvenzforderung gewesen wäre, durch eine Rechtshandlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens so verändert, dass sie im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit zu begleichen sei, werde die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger dadurch benachteiligt, dass diese Forderung vor ihren Forderungen befriedigt werde.834 Die angefochtene Vertragsübernahme habe dazu geführt, dass die Insolvenzmasse gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO 832 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 28; v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, ZInsO 2003, 1101 (1102 f.). 833 BGH v. 8.11.2012 – IX ZR 77/11 – „Vertragsübernahme“, veröffentlicht bei juris; vergleichbar gelagert BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. 834 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 26.

174 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 368 B

für die nach der Insolvenzeröffnung fällig gewordenen Mieten hafte, die gemäß §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorweg als Masseverbindlichkeiten zu befriedigen seien. Ohne die Vertragsübernahme hätte die Schuldnerin zwar aus dem Mietverschaffungsvertrag ebenfalls für die von der K. GmbH geschuldeten Mieten einstehen müssen. Insoweit hätte es sich aber nur um eine Insolvenzforderung gehandelt, die lediglich quotal befriedigt worden wäre. Durch die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einhergehende Verminderung der Befriedigungsmöglichkeiten der anderen Insolvenzgläubiger sei deshalb eine – durch die Insolvenzeröffnung mitverursachte – mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger eingetreten. Die für § 133 Abs. 2 InsO erforderliche unmittelbare Gläubigerbenachteiligung B 366 habe das Berufungsgericht dagegen zu Recht verneint. Diese setze voraus, dass ohne das Hinzutreten weiterer Umstände die Befriedigungsmöglichkeiten der übrigen Gläubiger beeinträchtigt worden seien.835 Durch den Eintritt in den Mietvertrag sei die Schuldenrin zwar unmittelbar zur Zahlung der Miete verpflichtet worden. Im Gegenzug habe sie jedoch die Rechte aus dem Mietvertrag erhalten und sei zudem von der Verpflichtung aus der Garantiehaftung nach dem Mietverschaffungsvertrag frei geworden. Im Falle der Angemessenheit des Mietpreises sei durch den Vertragseintritt keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung eingetreten. Der BGH stellt ferner – in Abgrenzung zum Urteil vom 9.7.2009836 – klar, dass B 367 mit der Anfechtung einer Erklärung auf Abschluss eines Vertrages auch alle Ansprüche des Schuldners aus dem durch die angefochtene Rechtshandlung zustande gekommenen Vertrag entfallen, so dass bei der Frage der objektiven Gläubigerbenachteiligung auch der Anspruch auf die Gegenleistung in die Betrachtung einzubeziehen ist. Der BGH verneint schließlich eine Anfechtbarkeit nach § 134 InsO. Habe der Schuldner durch Vertrag (Mieteintritt) eine eigene Verpflichtung übernommen, die er aufgrund eines früheren Vertrages ohnehin habe erfüllen müssen, habe er der Masse nichts entzogen, was er nicht ohnehin hätte leisten müssen. c) Gläubigerbenachteiligung bei mittelbaren Zuwendungen Eine gläubigerbenachteiligende Verkürzung der künftigen Insolvenzmasse kann B 368 auch dann eintreten, wenn eine dem Schuldner zustehende Forderung durch Zahlung an einen Dritten getilgt wird, da der Schuldner für die Befriedigung des Zuwendungsempfängers einen Vermögensgegenstand aufgibt, der andernfalls der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zur Verfügung gestanden hätte.837 Der Schuldner verschafft durch eine solche mittelbare Zuwendung einem einzelnen Gläubiger, dem in der Insolvenz des Schuldners nur eine in der Regel

835 Vgl. BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, ZIP 2009, 1285 ff. Rz. 18; v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 28. 836 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08 – „Bierbrauen“, ZIP 2009, 1674 ff. 837 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10 – „Zwischenmieter“, ZIP 2011, 438 ff. Rz. 12; v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162 ff. Rz. 9. Schfer

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B Rz. 368

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

quotal zu befriedigende Insolvenzforderung zugestanden hätte, volle Befriedigung zu Lasten der übrigen Gläubiger.838 B 369 Die dem Zuwendungsempfänger erbrachten Vermögenswerte müssen nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen. Es genügt vielmehr, dass der Gegenwert für das, was über die Mittelsperson an den Zuwendungsempfänger gelangt ist – für diesen erkennbar – aus dem Vermögen des Schuldners stammt.839 So liegt etwa die Gläubigerbenachteiligung bei der Direktauszahlung eines Kredits nach der Rechtsprechung des BGH gerade darin, dass die Kreditmittel nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt bzw. nicht dort für den Zugriff der Gläubigergesamtheit verblieben sind.840 B 370 Bei einer solchen mittelbaren Zuwendung des Schuldners über eine Mittelsperson ist zwischen einer Anweisung auf Schuld und einer Anweisung auf Kredit zu unterscheiden. Im erstgenannten Fall tilgt der Angewiesene mit der Zahlung an den Empfänger eine eigene, gegenüber dem Anweisenden bestehende Verbindlichkeit. Demgegenüber nimmt der Angewiesene im zweiten Fall die Zahlung an den Empfänger ohne Verpflichtung gegenüber dem Anweisenden vor, so dass er infolge der Zahlung zum Gläubiger des Anweisenden wird.841 B 371 Handelt es sich um eine Anweisung auf Schuld, führt die Zahlung durch den Angewiesenen zu einer Gläubigerbenachteiligung, da der Schuldner mit der Zahlung an den Dritten seine Forderung gegen den Angewiesenen verliert.842 Liegt dagegen eine Anweisung auf Kredit vor, scheidet eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich aus, da es durch die Zahlung lediglich zu einem Gläubigerwechsel in der Person des Angewiesenen kommt.843 Die Belastung der Masse mit dem Rückgriffsanspruch des Angewiesenen wird durch die Befreiung von der Schuld gegenüber dem Zahlungsempfänger ausgeglichen.844 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kredit für den Schuldner belastender ist als die mit seiner Hilfe getilgte Schuld, etwa weil er nur gegen Sicherheiten gewährt wurde.845 B 372 Im Schrifttum wurde im Anschluss an das Urteil des BGH zur geduldeten Kontoüberziehung vom 6.10.2009846 bezweifelt, ob an der Unterscheidung zwischen einer Anweisung auf Schuld und einer Anweisung auf Kredit noch länger fest-

838 Vgl. BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, ZIP 2011, 438 ff. Rz. 15. 839 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 ff. Rz. 10 f.; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 18. 840 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 ff. Rz. 8; v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 ff. Rz. 11; v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05 – „Kontoüberziehung“, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 15; weitergehend K. Schmidt, § 129 Rz. 4. 841 BGH v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13, ZIP 2013, 2262 ff. Rz. 16; v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, ZIP 2008, 2182 f. Rz. 9; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 40. 842 MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rz. 144. 843 Vgl. BGH v. 6.6.2013 – IX ZR 252/12, Rz. 2, veröffentlicht bei juris. 844 RGZ 45, 148 (151 f.); RGZ 81, 144 (145 f.); Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 81; Uhlenbruck/ Hirte, 12. Aufl., § 129 Rz. 84. 845 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, MDR 2009, 106 = ZInsO 2008, 1200 f. 846 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 375 B

zuhalten sei.847 Der BGH hat aber in seinem neueren Urteil vom 21.6.2012848 und in einem weiteren Beschluss vom 6.6.2013849 klargestellt, dass an dieser Unterscheidung auch weiterhin festzuhalten sei. Wird ein Darlehen eigens zur Begleichung einer bestimmten Schuld aufgenom- B 373 men und gewährt, schließt die hierin liegende treuhänderische Bindung des Darlehensnehmers eine Gläubigerbenachteiligung nicht aus. Der Anspruch auf Auszahlung eines Darlehens ist auch dann der späteren Insolvenzmasse zuzurechnen, wenn er wegen einer vereinbarten Zweckbindung zunächst unpfändbar ist. Ob das Darlehen nach der Vereinbarung der Parteien des Darlehensvertrages einem bestimmten Zweck, insbesondere der Rückführung einer bestimmten Schuld dienen soll, ist anfechtungsrechtlich unerheblich.850 Überträgt der Schuldner als Leistungsmittler einen ihm zu diesem Zweck zuge- B 374 wendeten, in sein Vermögen übergegangenen und somit für seine Gläubiger pfändbaren Gegenstand an einen Dritten (Leistungsempfänger), so erbringt er eine Leistung aus seinem haftenden Vermögen und benachteiligt dadurch die Gläubigergesamtheit. Dass er auf Anweisung dessen handelt, der dem Schuldner den Gegenstand zuvor zugewendet hat, und der Anweisende den Zweck verfolgt, eigene Verbindlichkeiten gegenüber dem Leistungsempfänger zu tilgen, ist insoweit unerheblich. Dies gilt jedenfalls so lange, wie die Zweckvereinbarung nicht aus Gründen treuhänderischer Bindung zur Unpfändbarkeit des zugewendeten Gegenstandes geführt hat.851 d) Mehrfache Gläubigerbenachteiligung und Gläubigerbenachteiligung im Verhältnis zu mehreren Anfechtungsgegnern Der „Cash-Pool-Fall (2)“852 hat gezeigt, dass eine einheitliche Rechtshandlung B 375 nach der Rechtsprechung des BGH in mehrfacher Hinsicht gläubigerbenachteiligend sein kann. Danach können durch eine einheitliche Rechtshandlung die Gläubiger verschiedener künftiger Insolvenzmassen benachteiligt werden. Nach Ansicht des BGH konnte der Schuldnerin, die Verbindlichkeiten der mit ihr verbundenen Unternehmen tilgte und der nach der Behauptung des Anfechtungsgegners die dazu erforderlichen Mittel aus dem Vermögen der verbundenen Unternehmen überlassen worden waren, ein Anfechtungsanspruch gegen den Zuwendungsempfänger nach § 134 Abs. 1 InsO zustehen. Zugleich kam aber auch ein Anspruch des Insolvenzverwalters über das Vermögen der verbundenen Unternehmen gegen den Zuwendungsempfänger aus Deckungsanfechtung in Betracht. Dieser Anspruch aus Deckungsanfechtung soll nur dann gegenüber

847 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 40 mit Fn. 235; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 129 Rz. 79; Hofmann, EWiR 2011, 431 f.; Henkel, ZInsO 2012, 774 ff. 848 BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. Rz. 12. 849 BGH v. 6.6.2013 – IX ZR 252/12, veröffentlicht bei juris. 850 Vgl. BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. Rz. 11; v. 7.6.2001 – IX ZR 195/00, ZIP 2001, 1248 ff. 851 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04 – „Cash-Pool (2)“, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 19. 852 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345; vgl. dazu oben Rz. B203 ff. Schfer

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B Rz. 375

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

dem Anspruch aus „Schenkungsanfechtung“ vorrangig sein, wenn er auch tatsächlich geltend gemacht wurde. B 376 Werden die vom Schuldner an den Gläubiger zur Sicherheit abgetretenen Forderungen vom Drittschuldner aufgrund eines zwischen ihm und dem Schuldner geschlossenen Vergleichs bezahlt, in dem diese Forderungen nicht mit dem vollen Wert berücksichtigt wurden, der Schuldner aber zusätzliche Leistungen an den Drittschuldner übernommen hat, bewirkt dies auch im Verhältnis zum Sicherungsnehmer eine Gläubigerbenachteiligung:853 BGH-Urteil vom 28.2.2008 – ZIP 2008, 650 ff. B 377 Die Schuldnerin hatte der Beklagten durch Globalzessionsvertrag ihre sämtlichen bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen abgetreten. Nachdem es zwischen der Schuldnerin und ihrer Hauptauftraggeberin – der Deutschen Post AG – zu Unstimmigkeiten gekommen war, stellte die Beklagte den der Schuldnerin gewährten Kredit zur sofortigen Rückzahlung fällig. Die Schuldnerin und die DPAG trafen daraufhin eine Vereinbarung, nach der die DPAG zur Abgeltung aller Forderungen der Schuldnerin und der mit ihr verbundenen Personen insgesamt 4,5 Mio. DM zu zahlen hatte. Davon waren ca. 2,3 Mio. DM direkt an die Beklagte zu bezahlen, was auch geschah. Der Insolvenzverwalter machte geltend, mit dem Vergleich seien Forderungen und vermögenswerte Rechte in Höhe von insgesamt ca. 33 Mio. DM abgegolten worden. Nach seinem Vorbringen wurden die an die Beklagte abgetretenen Forderungen im Vergleich nicht mit ihrem Nominalbetrag angesetzt. Der Wert der einzelnen Positionen sei nicht gesondert ermittelt worden; eine Auslegung des Vergleichs ergebe jedoch, dass auf die an die Beklagte abgetretenen Forderungen nur ein Teilbetrag von ca. 300 000 DM entfallen sei. B 378 Hat der Schuldner die Zahlung des Drittschuldners (DPAG) auf die sicherungshalber abgetretenen Forderungen nur dadurch erlangt, dass er eine über die ursprüngliche vertragliche Verpflichtung hinausgehende Zusatzleistung erbracht hat, bewirkt die Tilgung der Verbindlichkeit eine Benachteiligung der Gläubigergesamtheit, weil ihr ein die zedierten Forderungen übersteigendes Vermögen entzogen wurde. Die Gläubiger wurden daher benachteiligt, soweit die Zahlung der DPAG den Betrag überstieg, der nach dem Inhalt des Vergleichs auf die abgetretenen Forderungen entfiel. Soweit die Schuldnerin zur Tilgung der an die Beklagte abgetretenen Forderungen über deren Wert hinausgehendes zusätzliches Vermögen einsetzte, war eine Gläubigerbenachteiligung gegeben. Die nach dem Vorbringen des Insolvenzverwalters auf dem Vergleich beruhende Gläubigerbenachteiligung war nicht vorrangig von der DPAG auszugleichen. Neben einer Anfechtung des mit der DPAG abgeschlossenen Vergleichs war nach Ansicht des BGH eine Anfechtung der Zahlung an die Beklagte nicht ausgeschlossen. Denn Anfechtungsansprüche könnten sowohl gegen den Angewiesenen als auch gegen den Zuwendungsempfänger bestehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des 853 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 177/05 – „Forderungsabgeltung“, MDR 2008, 710 = ZIP 2008, 650 ff.; vgl. dazu ferner Cranshaw, DZWIR 2008, 221 ff.

178 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 381 B

BGH richte sich die Anfechtung dann, wenn der Schuldner eine Zwischenperson eingeschaltet habe, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert habe, jedenfalls auch gegen den Zahlungsempfänger, sofern es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners handle. Der Angewiesene und der Zuwendungsempfänger hafteten in einem solchen Fall als Gesamtschuldner.854 4. Erhaltung des Schuldnervermögens als Haftungsmasse Die Gläubiger des Schuldners werden durch eine Rechtshandlung benachteiligt, B 379 wenn durch diese das den Gläubigern haftende Schuldnervermögen verkürzt wurde.855 Denn der Zweck der Insolvenzanfechtung geht dahin, sachlich ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen, durch welche die den Gläubigern haftende Insolvenzmasse verkürzt wurde, rückgängig zu machen.856 Dabei geben die §§ 35, 36 InsO Anhaltspunkte dafür, was zu dieser Haftungsmasse gehört. Nicht zur Haftungsmasse gehört das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners. Insoweit kommt allenfalls eine Gläubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) in Betracht.857 Nach der früheren Rechtsprechung des BGH zum Anfechtungsgesetz soll die B 380 Anfechtung Gegenstände, welche der Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat, dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers wieder erschließen und die durch die Vermögensverschiebung verhinderte Zwangsvollstreckung durch „Rückgewähr“ wieder ermöglichen. Es soll die Zugriffslage wiederhergestellt werden, die ohne die anfechtbare Handlung bestanden hätte.858 Danach ist eine Anfechtung ausgeschlossen, wenn der veräußerte Gegenstand beim Schuldner nicht der Zwangsvollstreckung unterlag, somit unpfändbar war, (vgl. dazu § 36 InsO),859 wobei freilich eine bedingte Pfändbarkeit genügte.860 Diese Vorstellung hat auch die frühere Rechtsprechung des BGH zur insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit einer Zahlung im Wege der geduldeten Kontoüberziehung geprägt.861 Von diesem Grundsatz ist der BGH in seinem neueren Urteil vom 6.10.2009862 B 381 abgerückt. Eine Benachteiligung der Insolvenzmasse sei nicht nur dann gegeben, wenn der Schuldner pfändbare Vermögensgegenstände dem Gläubigerzugriff ent854 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. = MDR 2008, 341. 855 BGH v. 12.5.1980 – VIII ZR 170/79, MDR 1980, 930 = NJW 1980, 1964. 856 Vgl. BGH v. 14.6.1978 – VIII ZR 149/77, BGHZ 72, 39 (41); MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 78. 857 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 93/09, ZIP 2010, 380 ff. Rz. 9. 858 BGH v. 8.7.1993 – IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183 (185) = MDR 1994, 203 = FamRZ 1993, 1307; v. 23.2.1984 – IX ZR 26/83, BGHZ 90, 207, 211 f. = MDR 1984, 486. 859 BGH v. 8.7.1993 – IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183 (185). 860 Vgl. BGH v. 26.2.2009 – VII ZB 30/08, WM 2009, 710 ff. Rz. 7; Kirchhof in WM 2013, Sonderbeilage 3, S. 34. 861 BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 ff. = MDR 2007, 861. 862 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. Schfer

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B Rz. 381

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

ziehe;863 denn die Insolvenzgläubiger würden auch dann benachteiligt, wenn durch die angefochtene Rechtshandlung die Schuldenmasse vermehrt werde.864 Anerkannt sei ferner, dass die nach § 143 Abs. 1 InsO zurück zu gewährenden Werte nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen müssten. Anfechtbar könnten vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebe, ohne notwendigerweise mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten (mittelbare Zuwendungen). Darum handle es sich auch bei der Tilgung einer Verbindlichkeit des Schuldners im Wege der geduldeten Kontoüberziehung. Die mittelbare Zuwendung könne in diesem Fall nur infolge und nach der Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt werden. Dieser unmittelbar aus dem Vermögen der Bank herrührende Zahlungsfluss sei deshalb dem Schuldner zuzurechnen. Der Schuldner habe seine Bonität zugunsten des Anfechtungsgegners „verbraucht“ und somit einen zumindest „potentiellen“ Vermögenswert geopfert. Die Gläubigerbenachteiligung bestehe gerade darin, dass die Kreditmittel nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt und dort für den Zugriff der Gläubigergesamtheit verblieben seien.865 B 382 Diese Erweiterung der Rechtsprechung des BGH ist in ihrer Tragweite noch nicht abzuschätzen.866 Mit ihr wird der Gleichklang zwischen Pfändbarkeit und Insolvenzbeschlag einerseits sowie Einzelgläubigeranfechtung und Insolvenzanfechtung andererseits aufgegeben. Durch das Urteil des BGH ist zumindest derzeit klargestellt, dass eine Gläubigerbenachteiligung nicht davon abhängt, dass sich der anfechtbar weggegebene Vermögensgegenstand als pfändbarer Bestandteil im Vermögen des Schuldners befunden hat.867 Eine solche Erweiterung war aber in dem entschiedenen Fall gar nicht nötig, da auch im Fall einer nur geduldeten Kontoüberziehung der Auszahlung der Kreditmittel eine Kreditgewährung an den Schuldner vorausgegangen ist. Davon ist auch der BGH ausgegangen, wenn er in seinem Urteil ausführt, die mittelbare Zuwendung könne nur „infolge und nach Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits“ bewirkt werden.868 Damit war aber auch zumindest vorübergehend die Pfändbarkeit der in das Vermögen des Schuldners gelangten Kreditmittel gegeben. a) Unzureichende Insolvenzmasse B 383 Eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger liegt nicht vor, wenn das Vermögen des Schuldners auch ohne die Anfechtung zur Befriedigung aller seiner

863 Vgl. dazu jedoch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 24.11.1992, BT-Drucks. 12/3803, S. 55. 864 Vgl. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228, 233 f. Rz. 18 = MDR 2008, 345. 865 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 14; vgl. dazu noch Bitter, Festschrift für K. Schmidt, 2009, S. 123 ff. (127 ff.) und eingehend unten Rz. B408 ff. 866 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 53. 867 Zustimmend K. Schmidt, § 129 Rz. 4, 49. 868 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 14.

180 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 386 B

Gläubiger ausreicht.869 Bei der Prüfung dieser Frage reicht es allerdings nicht aus, dem Aktivvermögen des Schuldners außer Massekosten und Masseschulden nur die Insolvenzforderungen gegenüberzustellen, die gemäß § 178 Abs. 1 InsO als festgestellt gelten, weil ihnen im Prüfungstermin nicht widersprochen wurde oder ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Insolvenzverwalter hat vielmehr in Rechnung zu stellen, dass die Gläubiger streitig gebliebener Forderungen diese nach § 179 InsO durch Urteil feststellen lassen. Er muss deshalb auch im Interesse dieser Gläubiger die Masse vervollständigen, indem er zurückholt, was durch anfechtbare Handlung weggegeben worden ist.870 Eine zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung kann nachträglich da- B 384 durch wieder beseitigt werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt. Dies setzt jedoch voraus, dass die entsprechende „Rückgewähr“ eindeutig zu dem Zweck erfolgt, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wieder zu geben und damit die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen zu machen. Von der Zweckbestimmung her muss es sich um eine vorweggenommene Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs handeln.871 Behauptet der Anfechtungsgegner, die Insolvenzmasse reiche zur Befriedigung B 385 aller Insolvenzgläubiger aus, trägt er dafür nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Beweislast, wenn das Insolvenzverfahren wegen Überschuldung eröffnet wurde.872 Bildet Zahlungsunfähigkeit den Eröffnungsgrund, ist nach der Lebenserfahrung ebenfalls nicht damit zu rechnen, dass das Insolvenzverfahren mit der vollen Befriedigung aller Gläubiger endet. Daher spricht auch in diesem Fall ein Anscheinsbeweis für die Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse. Der Anfechtungsgegner, der sich darauf beruft, im Streitfall reiche die Insolvenzmasse aus, um alle zur Tabelle festgestellten Forderungen zu decken, hat daher Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines vollständigen Ausgleichs aller Gläubigeransprüche ergibt.873 Eine Masseunzulänglichkeit schließt nicht die Möglichkeit einer Gläubiger- B 386 benachteiligung aus. Andernfalls würde das Ziel des Insolvenzverfahrens (vgl. § 1 InsO), die Gläubiger – und dazu zählen auch die Massegläubiger – zu befriedigen, nicht erreicht, und die Anfechtungsgegner erhielten einen nicht gerechtfertigten Vorteil.874

869 BGH v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, MDR 1986, 1021 = ZIP 1986, 787 ff.; Bork/Ehricke, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 4 Rz. 5. 870 BGH v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168 (188) = AG 1989, 27 = GmbHR 1989, 19 = MDR 1989, 43. 871 Vgl. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. Rz. 19; v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, MDR 1990, 622 = NJW 1990, 990 (992); MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 178. 872 BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, MDR 2002, 844 = ZIP 2002, 489 ff.; v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96, MDR 1997, 767 = ZIP 1997, 853 (854 f.). 873 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 ff. Rz. 30. 874 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 213/06, ZIP 2008, 701 ff. Rz. 14; v. 18.9.2003 – IX ZB 460/02, ZIP 2003, 2036. Schfer

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B Rz. 387

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

b) Unpfändbare Vermögensgegenstände B 387 Eine Gläubigerbenachteiligung ist nicht gegeben, wenn durch die Beseitigung der Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger nicht verbessert würden.875 Dies ist dann der Fall, wenn Vermögensgegenstände betroffen sind, welche – insbesondere nach den §§ 811 Nr. 1–3, 5–8, 10–13, 850 ff. ZPO – nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, weil sie nicht gepfändet werden können.876 Denn solche Gegenstände gehören nach den §§ 35, 36 InsO nicht zur Insolvenzmasse; sie hätten somit auch ohne die angefochtene Rechtshandlung nicht zur gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung gestanden. Wird allerdings ein bei der Vornahme der Rechtshandlung unpfändbarer Gegenstand später beschlagnahmefähig, können die Gläubiger mittelbar benachteiligt sein.877 Anfechtbar ist eine Rechtshandlung ferner dann, wenn durch sie erst die Unpfändbarkeit begründet wird.878 aa) Persönlichkeitsrechte und höchstpersönliche Rechte; Versorgungsansprüche B 388 Nicht anfechtbar sind Rechtshandlungen, die reine Persönlichkeitsrechte des Schuldners betreffen, da diese nicht Bestandteile seines haftenden Vermögens sind.879 Änderungen im Personenstand sind daher selbst dann nicht anfechtbar, wenn sie wirtschaftliche Nachteile für das Schuldnervermögen zur Folge haben. So können etwa Güterrechtsverträge, durch die Ehegatten den Güterstand der Gütergemeinschaft aufheben und Gütertrennung vereinbaren, nicht angefochten werden. Vereinbarungen über die Auseinandersetzung der Zugewinngemeinschaft können hingegen anfechtbare Rechtshandlungen darstellen.880 Unpfändbar ist das Recht des Mitglieds eines Versorgungswerks, die Mitgliedschaft zu beenden und die Erstattung gezahlter Beträge zu verlangen.881 Eine nach den Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts bedingt pfändbare Berufsunfähigkeitsrente fällt im Insolvenzverfahren insoweit in die Insolvenzmasse, als sie im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften für pfändbar erklärt wird.882 Ausgezahlte Beihilfen des Dienstherrn für Aufwendungen im Krankheitsfall gehören zur Insolvenzmasse eines Beamten, der Anspruch auf diese Leistung jedoch erst, wenn sich seine Zweckbindung

875 Vgl. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 12; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 79; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 84. 876 HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 53; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 48. 877 Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 187. 878 BGH v. 13.7.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 (320); HambKomm/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 49. 879 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 88. 880 BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 ff.; HambKomm-InsO/Rogge/ Leptien, § 129 Rz. 44. 881 BGH v. 10.1.2008 – IX ZR 94/06, MDR 2008, 469 = BRAK 2008, 80 = ZInsO 2008, 204 ff. 882 BGH v. 3.12.2009 – IX ZR 189/08, ZInsO 2010, 188 ff.

182 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 392 B

zugunsten des Gläubigers, dessen Forderung als Aufwand der konkreten Beihilfegewährung zugrunde liegt, erledigt hat.883 Die vom Bundesfinanzhof884 angenommene Unübertragbarkeit des Wahlrechts B 389 der Ehegatten hinsichtlich der Getrennt- oder Zusammenveranlagung steht der Ausübung durch den Insolvenzverwalter nicht entgegen. Das Veranlagungswahlrecht selbst ist kein Vermögensgegenstand, sondern ein Verwaltungsrecht, welches lediglich vermögensrechtlichen Bezug aufweist. Der vom Veranlagungsergebnis abhängige Lohn- oder Einkommensteuererstattungsanspruch ist nach § 46 Abs. 1 AO pfändbar und gehört zur Insolvenzmasse seines Gläubigers.885 Eine Gläubigerbenachteiligung ist ferner gegeben, wenn der Schuldner in kritischer Zeit eine ungünstigere Lohnsteuerklasse in der Absicht gewählt hat, seine Gläubiger zu benachteiligen.886 Die einem Insolvenzschuldner wegen rechtsstaatswidriger Strafverurteilung B 390 und Haft zuerkannte Entschädigung genießt keinen Pfändungsschutz und ist folglich Bestandteil der Insolvenzmasse.887 bb) Erbschaft, Pflichtteil und Rückforderungsanspruch des Schenkers nach § 528 BGB Die Annahme oder die Ausschlagung einer dem Schuldner vor oder nach der In- B 391 solvenzeröffnung angefallenen Erbschaft steht nach § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO nur dem Schuldner zu. Daraus folgt, dass die Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft selbst dann ausscheidet, wenn sie mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen wurde.888 Entsprechendes gilt für den Erbverzicht, ein Vermächtnis und gemäß § 83 Abs. 1 Satz 2 InsO für die Ablehnung der fortgesetzten Gütergemeinschaft. Auch die Mitwirkung des vertraglich eingesetzten Erben an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung ist höchstpersönlich und kann nicht angefochten werden. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Schuldnerin in einem zweiten Erbvertrag auf ihre unbeschränkte Erbeinsetzung verzichtet und sich zur nicht befreiten Vorerbin (§§ 2112 ff. BGB) und ihre Tochter, die Beklagte, zur Nacherbin (§ 2100 BGB) einsetzen lassen.889 Der Pflichtteilsanspruch ist nach § 852 Abs. 1 ZPO der Pfändung nur unterwor- B 392 fen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Das Gleiche gilt gemäß § 852 Abs. 2 ZPO für den nach § 528 BGB dem Schenker zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes sowie für den Anspruch eines Ehegatten auf den Ausgleich des Zugewinns. Wird allerdings ein Pflicht883 BGH v. 8.11.2007 – IX ZB 221/03, ZInsO 2007, 1348 f. 884 BFH v. 29.2.2000 – VII R 109/98, BFHE 191, 311 ff. = FamRZ 2001, 418. 885 Vgl. BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, FamRZ 2007, 1320 = MDR 2007, 1156 = ZInsO 2007, 656 ff. 886 BGH v. 4.10.2005 – VII ZB 26/05, FamRZ 2006, 37 = MDR 2006, 352 = ZInsO 2005, 1212 f. 887 BGH v. 10.11.2011 – IX ZA 99/11, ZInsO 2012, 147 f. 888 Vgl. BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 56/12, WM 2013, 229 ff. Rz. 12; Uhlenbruck/Hirte/ Ede, § 129 Rz. 184. 889 BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 56/12, WM 2013, 229 ff. Schfer

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B Rz. 392

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

teilsanspruch vor der vertraglichen Anerkennung oder der Rechtshängigkeit abgetreten, scheitert die Anfechtbarkeit nicht an fehlender Gläubigerbenachteiligung. Diese wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Pflichtteilsberechtigte ohne die Abtretung die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Pfändbarkeit nicht herbeigeführt hätte. Aufgrund einer teleologischen Reduktion geht der BGH davon aus, dass § 852 Abs. 1 ZPO nur Maßnahmen entgegensteht, durch die die Entscheidungsfreiheit des Berechtigten ausgeschaltet wird. Mit der Zulassung der Abtretung vor dem Eintritt der unbeschränkten Pfändbarkeit habe der Gesetzgeber nicht das Ziel verfolgt, es dem Berechtigten zu ermöglichen, den Pflichtteilsanspruch dem Zugriff seiner Gläubiger zugunsten des Zessionars und dessen Gläubiger zu entziehen. Eine derartige Annahme wäre durch den Normzweck der §§ 2317 BGB, 852 Abs. 1 ZPO nicht gedeckt.890 B 393 Von diesem Sonderfall der Abtretung des Pflichtteilsanspruchs ist jedoch das Unterlassen seiner Geltendmachung strikt zu unterscheiden. Letzteres ist mangels Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO nicht anfechtbar. Das Unterlassen der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs unterliegt selbst dann nicht der Anfechtung, wenn der Berechtigte – zusammen mit dem späteren Erben – den Erblasser zum Zwecke der Benachteiligung seiner Gläubiger dazu bewogen hat, einen anderen als Erben einzusetzen und ihm selbst auch das Pflichtteilsrecht grundlos zu entziehen. Die Mitwirkung des Schuldners an der Überleitung des Erblasservermögens auf seine Ehefrau durch deren Erbeinsetzung kann nicht der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gleichgesetzt werden.891 cc) Arbeitskraft und Urlaubsgeld; Baugeld; Eigengeld des Strafgefangenen B 394 Die (unpfändbare) Arbeitskraft des Schuldners unterliegt zwar im Hinblick auf § 888 Abs. 2 ZPO nicht dem Insolvenzbeschlag; die Gläubiger können daher nicht verlangen, dass der Schuldner sie einsetzt. Eine objektive Gläubigerbenachteiligung ist aber gegeben, wenn der Schuldner Arbeitnehmer zur Erbringung von Leistungen zugunsten eines einzelnen Gläubigers tatsächlich einsetzt und dadurch eine an die Bank abgetretene Forderung auf Entgelt werthaltig macht.892 Eine Gläubigerbenachteiligung ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil der Anspruch auf die Dienste der Arbeitnehmer im Zweifel nicht übertragbar (§ 613 Satz 2 BGB) und damit weder abtretbar noch pfändbar ist (§§ 399, 400 BGB, 851 ZPO). Denn § 613 Satz 2 BGB dient allein dem Schutz des Arbeitnehmers. Stellt daher der Schuldner einem Dritten die Arbeitskraft eines bei ihm angestellten Arbeitnehmers zur Verfügung, ohne dass der Empfänger dafür eine (vollwertige) Gegenleistung zu erbringen hat, so werden die Gläubiger dadurch auch dann benachteiligt, wenn der Schuldner selbst wegen der Aufgabe des Geschäftsbetriebes für den Arbeitnehmer keine Verwendung mehr hat. Denn anfechtungsrecht890 BGH v. 8.7.1993 – IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183 ff. = MDR 1994, 203 = FamRZ 1993, 1307; vgl. dazu noch HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 55. 891 BGH v. 6.5.1997 – IX ZR 147/96, FamRZ 1997, 1001 = MDR 1997, 880 = ZIP 1997, 1302 f. 892 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, MDR 2008, 1238 = ZInsO 2008, 801 ff.; allgemein zur Anfechtbarkeit des Werthaltigmachens abgetretener Forderungen BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411; v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, MDR 2008, 531 = ZIP 2008, 372 ff.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 398 B

lich ist nicht darauf abzustellen, wie der Schuldner stünde, wenn die angefochtene Rechtshandlung unterblieben wäre. Ausschließlich maßgebend ist vielmehr der tatsächlich eingetretene Geschehensablauf.893 Setzt der Schuldner seine Arbeitskraft tatsächlich ein, so kann dies der Anfech- B 395 tung unterliegen. Arbeitet der Schuldner etwa im Betrieb eines anderen in einer Weise mit, die üblicherweise vergütet zu werden pflegt, kann zwar nicht das Unterlassen einer Vergütungsvereinbarung, wohl aber die tatsächlich erbrachte unentgeltliche Dienstleistung angefochten werden.894 In einem Urteil vom 11.12.1986895 ist der BGH davon ausgegangen, dass den B 396 Gläubigern kein Anfechtungsrecht zustehe, wenn der Schuldner die „künftige und bedingte“ Forderung auf den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens an seine Ehefrau abgetreten habe, da der Abschluss des Arbeitsvertrages sie nicht benachteilige. Die übrigen Gläubiger seien durch den Abschluss des Arbeitsvertrages nicht benachteiligt worden, da sie ohne dessen Abschluss jedenfalls nicht besser gestellt gewesen wären. Diese Entscheidung wird im Schrifttum zu Recht kritisiert.896 Zum einen kann von einer bedingten Gehaltsforderung nicht gesprochen werden, wenn das Arbeitsverhältnis noch gar nicht besteht, aus dem sie hervorgehen soll. Zum anderen richtet sich die Anfechtung bei verständiger Würdigung gegen den Eintritt der Rechtswirkung der Abtretung, die erst mit der Entstehung der vorausabgetretenen Forderung eintritt. Es stellt ferner eine anfechtungsrechtlich unbeachtliche hypothetische Erwägung dar, wenn der BGH darauf abstellt, dass die übrigen Gläubiger ohne den Abschluss des Arbeitsvertrages nicht besser gestellt gewesen wären. Die Wirkung der Vorausabtretung hängt zwar von der tatsächlichen Arbeitsleistung des Schuldners ab; erbringt er diese aber, darf die Gläubigerbenachteiligung nicht mit der rein hypothetischen Erwägung verneint werden, dass der Schuldner sich unanfechtbar anders hätte verhalten können.897 Urlaubsgeld fällt nicht in die Insolvenzmasse, soweit es den Rahmen des Übli- B 397 chen nicht übersteigt; dies gilt auch dann, wenn das Urlaubsgeld in den vorgegebenen Grenzen eine erhebliche Höhe erreicht.898 Nachtarbeitszuschläge sind, soweit sie dem Schuldner von seinem Arbeitgeber steuerfrei im Sinne des § 3b EStG gewährt werden, als Erschwerniszulagen im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar.899 Baugeldforderungen kommt zwar aufgrund ihrer Zweckbindung gemäß § 851 B 398 Abs. 2 ZPO Pfändungsschutz zu. Wird das Baugeld jedoch ausgezahlt und nicht auf einem besonderen Treuhandkonto verbucht, ist es der Pfändung durch an893 BGH v. 11.12.2003 – IX ZR 336/01, MDR 2004, 650 = ZInsO 2004, 149 ff.; v. 7.6.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355 (360) = MDR 1988, 858. 894 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 91. 895 BGH v. 11.12.1986 – IX ZR 78/86, MDR 1987, 494 = ZIP 1987, 305 ff. 896 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 204; MünchKomm-InsO/Kayser, § 129 Rz. 92; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rz. 59. 897 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 92. 898 BGH v. 26.4.2012 – IX ZB 239/10, ZIP 2012, 1086 f. 899 BGH v. 29.6.2016 – VII ZB 4/15, ZInsO 2016, 1574 f. Schfer

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§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

dere Gläubiger ausgesetzt. Eine solche Pfändung durch Personen, die nicht Baugläubiger sind, ist zwar nicht im Sinne des Schutzanliegens des Gesetzes zur Sicherung von Bauforderungen. Der Gesetzgeber hat aber keine Sicherungsmöglichkeiten vorgesehen, die anderen Gläubigern des Baugeldempfängers einen Zugriff auf das Baugeld verwehren können.900 B 399 Der Anspruch eines Strafgefangenen auf Auszahlung des Eigengeldes ist pfändbar.901 dd) Gewerbliche Schutzrechte u.a.; Unternehmensveräußerung B 400 Immaterialgüterrechte, wie Patente, Geschmacks- und Gebrauchsmuster und ausschließliche Lizenzen sind keine höchstpersönlichen Rechte und somit dem Insolvenzbeschlag unterworfen. Verfügungen über derartige Rechte können daher anfechtbar sein. Mit der Werkschöpfung entstehende geschmacksmusterrechtliche Anwartschaftsrechte unterliegen jedenfalls dann dem Insolvenzbeschlag, wenn sie auf einen Dritten übertragen wurden und diesem das Recht eingeräumt wurde, die Anmeldung vorzunehmen.902 Urheberrechte sind gemäß § 113 UrhG allein wegen ihres Nutzungswertes pfändbar. Eine solche Pfändung setzt jedoch die Einwilligung des Urhebers voraus, so dass auch eine Anfechtung nur mit Einwilligung des Urhebers in Betracht kommt. Rechtshandlungen der Inhaber von Nutzungsrechten im Sinne des § 31 UrhG können dagegen in der Insolvenz des Inhabers wie solche über Lizenzen gläubigerbenachteiligend wirken.903 In diesem Zusammenhang ist die neuere Rechtsprechung des I. Zivilsenats des BGH zu beachten, wonach ein einfaches Nutzungsrecht, das sich von einem ausschließlichen Nutzungsrecht ableitet, nicht erlischt, wenn das ausschließliche Nutzungsrecht aufgrund eines wirksamen Rücktritts wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) oder aus anderen Gründen erlischt.904 Personengebundene Konzessionsrechte unterliegen nicht der Anfechtung, da sie höchstpersönliche Rechte sind.905 B 401 Auf schuldrechtlichen Ansprüchen beruhende Lizenzen gehören zu der dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Haftungsmasse.906 Ist das Recht zur Teilnahme mit Mannschaften am sportlichen Wettbewerb einer Bundesliga (Bundesligalizenz) von Rechts wegen übertragbar und wird für die Übertragung üblicherweise ein Entgelt bezahlt, so ist es grundsätzlich pfändbar und unterliegt dem Insolvenzbeschlag.907 Eine „Internet-Domain“ stellt als solche kein pfändbares Vermögen dar. Möglicher Gegenstand einer Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO

900 BGH v. 26.4.2013 – IX ZR 220/11, veröffentlicht bei juris; vgl. dazu ferner BGH v. 8.11.2007 – IX ZB 221/03, WM 2008, 87 Rz. 5. 901 BGH v. 20.6.2013 – IX ZB 50/12, ZInsO 2013, 1845 ff. 902 BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, ZIP 1998, 830 ff. 903 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rz. 97, 98. 904 BGH v. 26.3.2009 – I ZR 153/06 – „Reifen Progressiv“, BGHZ 180, 344 ff.; v. 19.7.2012 – I ZR 24/11, ZIP 2012, 1671 ff. 905 Vgl. Uhlenbruck/Hirte/Ede, 12. Aufl., § 129 Rz. 187. 906 Vgl. dazu Hirte/Knof, JZ 2011, 889 ff. 907 BGH v. 22.3.2001 – IX ZR 373/98 – „Bundesligalizenz“, ZIP 2001, 889 ff.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 405 B

ist jedoch die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle zustehen.908 Nach einem früheren Urteil des BGH vom 27.11.1963909 kann ein Handels- B 402 unternehmen nicht als Ganzes gepfändet werden, so dass auch die Veräußerung des Handelsgeschäfts nicht insgesamt anfechtbar sei; vielmehr könne nur die Veräußerung der zu ihm gehörenden pfändbaren Gegenstände angefochten werden. Die herrschende Meinung im Schrifttum geht hingegen davon aus, dass eine Unternehmensveräußerung im Ganzen anfechtbar sei.910 ee) Kredit, Kontokorrentkredit, Dispositionskredit und geduldete Kontoüberziehung Vom Schuldner in Anspruch genommene Kreditmittel sind Bestandteil seines B 403 Vermögens und damit pfändbar. Sie gehören daher im Sinne des § 35 Abs. 1 InsO zur (künftigen) Insolvenzmasse. Eine Gläubigerbenachteiligung kann nach der Rechtsprechung des BGH etwa gegeben sein, wenn Kreditmittel für eine inkongruente Befriedigung eines einzelnen Gläubigers verbraucht und nicht in anderer Weise zum Nutzen des schuldnerischen Geschäftsbetriebes verwendet werden.911 Auch der Anspruch des Schuldners aus einem Darlehensvertrag mit der Zweck- B 404 bindung, den Kreditbetrag einer bestimmten Person zu gewähren, gehört grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Daran vermögen schuldrechtliche Zweckbindungen, die nur den Interessen des Schuldners und des Kreditgebers dienen, nichts zu ändern, solange sie nicht aus Gründen treuhänderischer Bindung zur Unpfändbarkeit des Darlehensanspruchs führen.912 An einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es zwar, wenn ein Gläubiger des Schuldners nur durch einen anderen, nicht besser gesicherten gleichartigen Gläubiger ersetzt wird. Darum geht es jedoch in diesen Fällen nicht. Denn die Kreditmittel gehörten zumindest vorübergehend zum Vermögen des Schuldners. Mit dem Einsatz der Kreditmittel zum Zwecke der Befriedigung eines einzelnen Gläubigers wird der in der Krise des Schuldners zu schützenden Gläubigergemeinschaft haftendes Kapital entzogen.913 Dies gilt auch dann, wenn der Kredit nicht unmittelbar an den Begünstigten aus- B 405 gezahlt wird, sondern die Valuta zunächst auf das Fremdgeldkonto eines von Schuldner und Darlehensgeber gemeinsam beauftragten Rechtsanwalts überwie908 BGH v. 5.7.2005 – VII ZB 5/05 – „Internet-Domain (1)“, CR 2006, 50 = MDR 2005, 1311 = NJW 2005, 3353 f. 909 Vgl. BGH v. 27.11.1963 – VIII ZR 278/62, WM 1964, 114 ff. 910 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 71; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 16; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 94; K. Schmidt, BB 1988, 5 ff.; vgl. dazu ferner Rz. B51. 911 Vgl. BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 ff. Rz. 15; v. 15.2.1990 – IX ZR 149/88, MDR 1990, 915 = ZIP 1990, 459 ff. 912 Vgl. BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 ff.; v. 7.6.2001 – IX ZR 195/00, MDR 2001, 1258 = ZIP 2001, 1248 ff.; v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, MDR 2002, 844 = ZInsO 2002, 276 ff. 913 BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, MDR 2002, 844 = ZInsO 2002, 276 ff. Schfer

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B Rz. 405

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

sen und von dort an den Begünstigten weitergeleitet wird.914 Denn in anfechtungsrechtlicher Hinsicht kann eine solche Direktzahlung grundsätzlich nicht anders behandelt werden als wenn Geldmittel, auf die der Schuldner keinen Anspruch hatte, ihm durch ein neu gewährtes Darlehen zunächst überlassen und sodann zur Deckung von Verbindlichkeiten verwendet werden. Für die Anfechtbarkeit reicht es aus, dass der Gegenwert für das, was über die Mittelsperson an den Gläubiger gelangt ist, aus dem Vermögen des Leistenden stammt.915 Die objektive Gläubigerbenachteiligung bei der Direktauszahlung des Kredits soll gerade darin liegen, dass die Kreditmittel nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt sind.916 B 406 In einem echten Kontokorrent mit vereinbarter Kreditobergrenze scheidet nach der Rechtsprechung des BGH eine Gläubigerbenachteiligung durch einzelne Kreditrückführungen aus, weil ohne sie die Kreditmittel, die der Schuldner danach tatsächlich noch erhalten hat, ihm nicht mehr zugeflossen wären. Nach der Kreditabrede stehen dort die Leistungen des Schuldners an den Gläubiger in einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit der dem Schuldner eingeräumten Möglichkeit, einen neuen Kredit zu ziehen. Anfechtbar sind solche Kreditrückführungen daher nicht in ihrer Summe, sondern bis zu der eingeräumten Kreditobergrenze.917 B 407 Der Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Darlehens bzw. aus einem vereinbarten Dispositionskredit („offene Kreditlinie“) ist nach der Rechtsprechung des BGH erst mit dem Abruf durch den Schuldner pfändbar und daher erst in diesem Moment vom Insolvenzbeschlag erfasst.918 Der Auffassung, dem Vollstreckungsschuldner werde wegen der Verwendung des Kreditbetrages für einen von ihm nicht bestimmten Zweck ein nicht gewollter Kredit aufgedrängt, es müsse daher die Höchstpersönlichkeit des Rechts zum „Abruf“ des Kredits auch die Bestimmung des Zwecks der Kreditaufnahme einbeziehen,919 ist der BGH nicht gefolgt. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn ein Konto vom Gläubiger gepfändet wird, ein Pfandrecht jedoch erst dadurch entsteht, dass der Schuldner einen ihm eröffneten Kontokorrentkredit abruft.920 B 408 Die pfändungsrechtliche Betrachtung hat zunächst auch die Rechtsprechung des BGH zur Frage der Gläubigerbenachteiligung im Falle der Befriedigung eines 914 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, MDR 2011, 818 = ZIP 2011, 824 ff. 915 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, MDR 2011, 818 = ZIP 2011, 824 ff. 916 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 ff. Rz. 8; v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 ff. Rz. 11; v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05 – „Kontoüberziehung“, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 15. 917 BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 116/13, ZIP 2014, 785 ff. Rz. 2; v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. Rz. 33; v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 16; MK-InsO/ Kayser, § 129 Rz. 174a; vgl. dazu ferner die Ausführungen bei Rz. C40 ff. 918 BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZIP 2011, 1324 ff.; v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00, BGHZ 147, 193, 195 ff. = MDR 2001, 1014 = FamRZ 2001, 1214; v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 ff. = MDR 2007, 861; v. 25.10.2007 – IX ZR 157/06, MDR 2008, 347 = ZInsO 2008, 161. 919 Vgl. Lwowski/Bitter, WM-Festgabe für Thorwald Heller, Sonderheft vom 9.5.1994, S. 57 (70). 920 BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 409 B

Gläubigers im Wege der geduldeten Kontoüberziehung geprägt. Eine Verfügung des Schuldners über Gegenstände, die aus Rechtsgründen nicht der Zwangsvollstreckung unterlägen, weil sie nicht gepfändet werden könnten, bewirke keine Gläubigerbenachteiligung, da sie zur Gläubigerbefriedigung von vornherein ungeeignet seien und nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35 f. InsO gehörten.921 So liege der Fall auch bei der Tilgung von Gläubigerforderungen mit Mitteln aus einer ungenehmigten Kontoüberziehung.922 Eine objektive Gläubigerbenachteiligung konnte nach dieser Rechtsprechung nur dann ausnahmsweise eintreten, wenn der Anspruch des Kreditinstituts auf Darlehensrückzahlung für die Insolvenzmasse ungünstiger war als der Anspruch des befriedigten Gläubigers, etwa weil das Kreditinstitut über freie und werthaltige Sicherheiten verfügte.923 Das Argument im Schrifttum, wonach bei der geduldeten Kontoüberziehung B 409 zumindest eine logische Sekunde vor der Ausführung der Zahlungsanweisung durch das Kreditinstitut ein Darlehensvertrag und somit ein pfändbarer Anspruch des Kunden auf Auszahlung der Darlehensvaluta begründet werde,924 ließ der BGH nicht gelten. Dies überzeugte jedoch nicht.925 In dem durch Urteil vom 30.4.1992926 entschiedenen „Scheckinkassofall“ war davon auszugehen, dass der Schecknehmer der bezogenen Bank als Bote des Scheckausstellers ein Angebot auf Abschluss eines Darlehensvertrages – nämlich zusätzliche Kreditgewährung im Rahmen des bestehenden Darlehensvertrages – überbrachte. Die bezogene Bank nahm dieses Angebot spätestens dadurch an, dass sie das Konto des Scheckausstellers mit dem Scheckbetrag belastete. Damit war der Darlehensvertrag zustande gekommen. Mit der Belastungsbuchung realisiert die Bank ihren Aufwendungsersatzanspruch gegen den Scheckaussteller.927 Es muss somit eine Kreditgewährung vorausgegangen sein. Das setzt wiederum begriffsnotwendig voraus, dass der dem Scheckaussteller belastete Betrag zumindest kurzfristig dessen Vermögen und nicht mehr dem Vermögen der Bank zugeordnet war. Damit waren die dem Scheckaussteller darlehensweise überlassenen Mittel vorübergehend auch prinzipiell durch dessen Gläubiger pfändbar. Eine unschädliche Gläubigerauswechslung lag nicht vor, da die Forderung des Gläubigers mit Kreditmitteln getilgt wurde, die – wenn auch nur kurzfristig – dem Vermögen des Schuldners zugeordnet waren.928 Der BGH begründete 921 BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 ff. Rz. 13; BGH v. 8.7.1993 – IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183 = MDR 1994, 203 = FamRZ 1993, 1307 (185); v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (82) = MDR 2003, 1256. 922 BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 ff. Rz. 13. 923 Vgl. BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet = ZIP 2009, 2009 ff.; v. 28.2.2008 – IX ZR 213/06, MDR 2008, 770 = WM 2008, 704 (705) Rz. 8. 924 Vgl. etwa Grunsky, JZ 1985, 490 (491); Wagner, ZIP 1985, 849 (853); Jungmann, ZInsO 1999, 64 (71 f.); Henkel, ZInsO 2005, 468 (469). 925 Kritisch mit beachtlichen Argumenten auch Marotzke, ZInsO 2007, 897 und Cranshaw, jurisPR-InsR 11/2007 Anm. 2 sowie Kirchhof, WM 2008, Sonderbeilage 1 S. 32. 926 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 ff. = MDR 1992, 766. 927 BGH v. 6.5.1997 – IX ZR 135/96, BGHZ 135, 307 (312). 928 Vgl. dazu ferner Blank, ZInsO 2004, 983; Bitter, WM 2001, 889 (890); Felke, WM 2002, 1632 (1634). Schfer

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B Rz. 409

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

nicht, wie auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung der von der Bank „aus Kredit“ geltend gemachte Anspruch zustande gekommen sein sollte. Die Unstimmigkeit seiner Lösung zeigte sich auch dann, wenn die angefochtene Zahlung zum Teil aus einem Guthaben bzw. einer eingeräumten Kreditlinie und zum Teil im Wege der geduldeten Kontoüberziehung vorgenommen wurde. B 410 Die Aufgabe dieser Rechtsprechung war daher letztlich nur eine Frage der Zeit. Der BGH hat sie durch Urteil vom 6.10.2009929 vollzogen, wobei allerdings die Begründung nur teilweise zu überzeugen vermag.930 Da dem Anfechtungsgegner – so der BGH – die Unkenntnis von Kontenstand und Kreditlinie des Schuldners sowie der Sicherheiten der kontoführenden Bank regelmäßig nicht widerlegt werden könnten, versagten die Anfechtungstatbestände des § 133 Abs. 1 InsO und des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO typischerweise für den gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehr. Eine solche „Verkümmerung“ der Anfechtung liefe nach Ansicht des BGH dem allgemeinen Ziel des Gesetzgebers zuwider, die Masse durch wirksamere Anfechtungsmöglichkeiten zu stärken.931 Vorzugswürdig sei deshalb eine Gesetzesauslegung, die dieses Ergebnis vermeide. B 411 Aufgrund der Insolvenzanfechtung solle vornehmlich dasjenige, was aus dem Vermögen des Schuldners unter Benachteiligung der Insolvenzmasse veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden sei, zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§§ 129 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO). Das sei nicht ausschließlich dann der Fall, wenn der Schuldner pfändbare Vermögensgegenstände dem Gläubigerzugriff entziehe,932 denn die Insolvenzgläubiger würden auch benachteiligt, wenn durch die angefochtene Rechtshandlung die Schuldenmassse vermehrt werde.933 Es sei anerkannt, dass die nach § 143 Abs. 1 InsO zurückzugewährenden Werte nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen müssten. Anfechtbar könnten vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebe, ohne notwendigerweise mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten (mittelbare Zuwendungen). Für den Dritten müsse hierbei erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine Leistung des Schuldners gehandelt habe.934 B 412 Die mittelbare Zuwendung könne nur infolge und nach Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt werden. Der unmittelbar aus dem Vermögen der Bank herrührende Zahlungsfluss sei deshalb dem Schuldner zuzurechnen. Der Schuldner sei der Bank für die Überziehung „gut“ gewe929 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05 – „Kontoüberziehung“, BGHZ 182, 317 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. 930 Vgl. dazu Bork, EWiR 2009, 651 f.; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 40. 931 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet = ZIP 2009, 2009 ff. Rz. 12 mit Hinweis auf Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 85 rechte Spalte a.E. und S. 156 rechte Spalte oben. 932 Anders jedoch Begründung des Regierungsentwurfs zum Einführungsgesetz zur InsO vom 24.11.1992, BT-Drucks. 12/3803, S. 55. 933 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228, 233 f. = MDR 2008, 345. 934 Vgl. BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287) = MDR 1999, 1463; v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, MDR 2009, 170 = WM 2008, 2178 f. (2179) Rz. 21.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 414 B

sen; er habe seine Bonität, die letztlich auch einen Vermögenswert darstellen könne, teilweise zugunsten des Anfechtungsgegners „verbraucht“ und somit auch einen zumindest „potentiellen“ Vermögenswert geopfert. Die Gläubigerbenachteiligung durch die Direktauszahlung des Überziehungskredits von der Bank an den begünstigten Gläubiger liege gerade darin, dass die Kreditmittel nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt und dort für den Zugriff der Gläubigergesamtheit verblieben seien.935 Der BGH rückt in diesem Urteil vom 6.10.2009 ohne Not von dem Grundsatz B 413 ab, dass eine Gläubigerbenachteiligung nur dann gegeben sei, wenn der Schuldner pfändbare Vermögensgegenstände dem Gläubigerzugriff entziehe.936 Er geht selbst zu Recht davon aus, dass die mittelbare Zuwendung nur infolge und nach Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt werden könne. Also hat dem Schuldner zumindest vorübergehend auch die Verfügungsmacht über diese Mittel zugestanden; sie waren zumindest vorübergehend seinem Vermögen dinglich zugeordnet. Der in Gang gesetzte Zahlungsfluss war eine Verfügung des Schuldners. Es trifft somit in rechtlicher Hinsicht nicht zu, dass der Zahlungsfluss unmittelbar aus dem Vermögen der Bank hergerührt habe. Die Argumentation des BGH mit der „Bonität“ des Schuldners als Vermögenswert überzeugt nicht.937 Die möglichen Konsequenzen seiner Auffassung, mit der der Gleichklang zwischen Insolvenzanfechtung und Einzelgläubigeranfechtung aufgegeben wird,938 dürfte der BGH nicht hinreichend bedacht haben. Im Schrifttum wird die Entscheidung dagegen zum Teil als Abkehr von der einzelgegenständlichen Betrachtungsweise begrüßt.939 In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass der II. Zivilsenat B 414 des BGH bei seiner Rechtsprechung zu § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. davon ausgeht, dass Zahlungen aus einem debitorisch geführten Bankkonto einer insolvenzreifen GmbH die künftige Insolvenzmasse nicht berührten, sondern allein zum Nachteil der Bank gingen; es liege ein bloßer Gläubigertausch vor.940 Nach Auffassung von Strohn941 – einem Mitglied des II. Zivilsenats des BGH – ist darin kein Widerspruch zur Rechtsprechung des IX. Zivilsenats zu sehen. Zu berücksichtigen sei vielmehr die besondere Funktion des Anfechtungsrechts, die darin bestehe, möglichst viel Vermögen zur Masse zu ziehen, um diese zu stärken und so einerseits die Quote (der einzelnen Insolvenzgläubiger) zu erhöhen und andererseits die Zahl der masselosen Insolvenzen zu verringern. Die Geschäftsführerhaftung sei insoweit weniger streng als die Haftung des Leistungsempfängers nach den Anfechtungsregeln.

935 936 937 938 939 940

Ebenso OLG Hamburg v. 21.12.2009 – 1 U 10/09, ZInsO 2010, 379 ff. Kritisch zu Recht HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 53 und Kreft in KTS 2012, 405 (416 f.). Kritisch zu Recht Bork, EWiR 2009, 651 f. Vgl. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 53. K. Schmidt, § 129 Rz. 4. BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, GmbHR 2007, 596 = MDR 2007, 963 = NotBZ 2007, 252 = ZInsO 2007, 542 f.; vgl. dazu noch BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, DB 2015, 55 ff. m. Anm. von Strohn. 941 Vgl. Strohn, DB 2010, 37 (42). Schfer

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B Rz. 415

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 415 Die Erwägung von Strohn überzeugt freilich nicht; eine Begründung anhand der besonderen Tatbestandsmerkmale des § 64 GmbHG wäre vielmehr vorzuziehen. Der II. Zivilsenat des BGH weist zu Recht darauf hin, dass es Sinn und Zweck des in § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. zum Ausdruck kommenden Zahlungsverbots sei, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. Eben dies ist aber auch der Zweck der Insolvenzanfechtung.942 Wenn man – wie der IX. Zivilsenat des BGH – im Insolvenzanfechtungsrecht in erster Linie auf die wirtschaftliche Bedeutung des zu beurteilenden Zuwendungsvorgangs abstellt, liegt in dem Fall, dass ein Darlehen zum Zweck der Begleichung einer Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber einem Dritten gewährt und dementsprechend die Darlehensvaluta unmittelbar im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss absprachegemäß direkt an den Dritten ausgezahlt wird, die Annahme eines bloßen Gläubigertauschs nahe. Denn es tritt nur der ungesicherte neue Gläubiger an die Stelle des ungesicherten alten Gläubigers, wobei beiden nur eine Insolvenzforderung zusteht, auf welche dieselbe Quote entfällt. Auch der IX. Zivilsenat des BGH betont in anderem Zusammenhang, dass die Gläubiger durch den Abschluss eines Vertrages unmittelbar benachteiligt würden, wenn der gesamte rechtsgeschäftliche Vorgang die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger verschlechtere.943 Demnach wären die Rechtsgrundsätze zur „Anweisung auf Schuld“ nur dann anwendbar, wenn die Schuld des Angewiesenen gegenüber dem Schuldner bereits bestand, bevor die Vereinbarung getroffen wurde, welche die Anweisung zur Zahlung an den Dritten enthielt oder wenn mit der Zahlung des Dritten zumindest eine Rückgriffsmöglichkeit gegen den Schuldner verbunden ist.944 Die „Anweisung auf Kredit“ hätte einen entsprechend größeren Anwendungsbereich, während sie nach der Ansicht des BGH nur Fälle betrifft, in denen mit der Zahlung des Angewiesenen keine Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner beglichen wurde. B 416 Der IX. Zivilsenat des BGH hat aber bereits klargestellt, dass in seiner Rechtsprechung keine Divergenz zum Urteil des II. Zivilsenats vom 26.3.2007945 zur Geschäftsführerhaftung nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. zu sehen sei. Diese erfasse nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift nur Leistungen, die sich unmittelbar masseschmälernd ausgewirkt hätten. Demgegenüber sei das Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung in § 129 InsO im Hinblick auf den das Anfechtungsrecht beherrschenden Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz in einem umfassenderen Sinne zu verstehen und daher auch bei Rechtshandlungen gegeben, die lediglich mittelbar eine Gläubigerbenachteiligung bewirkten.946 Nach dieser Klarstellung des IX. Zivilsenats des BGH ist derzeit nicht davon auszugehen, dass er seine Rechtsprechung ändern wird. Ein Mitglied des IX. Zi942 Vgl. dazu Gehrlein, ZInsO 2015, 477 ff. 943 BGH v. 21.12.2010 – IX ZA 14/10, WM 2011, 276; v. 11.2.2010 – VII ZR 225/07, ZIP 2010, 646 ff. Rz. 12. 944 Vgl. dazu Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 276. 945 BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZInsO 2007, 542 f. 946 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 210/07, ZIP 2008, 747 ff. Rz. 4 mit Hinweis auf BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NZI 2008, 89 (92) Rz. 36 f.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 419 B

vilsenats des BGH vertritt vielmehr die Auffassung, dass auch § 64 GmbHG eingreifen sollte, wenn eine Direktzahlung aus der Kreditlinie an einen Gläubiger stattfinde.947 Die Unterschiede in der Rechtsprechung des II. und es IX. Zivilsenats haben B 417 durch ein neueres, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung bestimmtes Urteil des II. Zivilsenats vom 23.6.2015948 eher noch zugenommen. Danach stellt der Einzug von Forderungen, die an die Bank zur Sicherheit abgetreten waren, auf einem debitorischen Konto der GmbH und die anschließende Verrechnung mit dem Sollsaldo grundsätzlich keine vom Geschäftsführer einer GmbH veranlasste masseschmälernde Zahlung im Sinne des § 64 GmbHG dar, wenn vor der Insolvenzreife die Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderung der Gesellschaft entstanden und werthaltig geworden ist. Die Verechnung des infolge der Einzahlung auf dem Konto gutgeschriebenen Betrages schmälere die Masse nicht, weil die zur Sicherheit an die Bank abgetretene und eingezogene Forderung den Gläubigern nicht zur Verwertung zur Verfügung stehe und der Geschäftsführer die Verwertung zugunsten der Bank nicht verhindern müsse.949 Sicherungsabgetretene Forderungen eines Schuldners zählten zwar zur Insol- B 418 venzmasse im Sinne des § 35 InsO, die der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterlägen. Sie stünden aber nicht als freie Masse den Gläubigern zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung, sondern nur dem Zessionar. Dass die Kosten der Feststellung und der Verwertung vorweg zu entnehmen seien (§ 170 Abs. 1 Satz 1 InsO), führe nicht zu einer Teilverwertung zugunsten aller Gläubiger, weil damit nur die durch die Verwertung verursachten Kosten gedeckt werden sollten.950 Nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH verkörpert das der Insolvenzmasse im Fall der Sicherungsabtretung von Forderungen gemäß §§ 166 Abs. 2, 170, 171 InsO verbleibende Recht hingegen einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert, so dass etwa die Aufrechnung des Forderungsschuldners die Insolvenzgläubiger benachteiligen kann.951 Der II. Zivilsenat des BGH bekräftigt im Urteil vom 23.6.2015 ferner, dass ein B 419 Gläubigertausch, aber kein Massezufluss vorliege, wenn eine Kreditlinie dadurch in Anspruch genommen werde, dass an Gläubiger der Gesellschaft Zahlungen geleistet würden. Wenn aus einem debitorisch geführten Bankkonto eine Gesellschaftsschuld beglichen werde, werde lediglich der befriedigte Gläubiger durch die Bank als Gläubigerin ersetzt.952 Für die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats spricht es allerdings, dass der gewährte Kreditbetrag zwischen der Ent947 Gehrlein, ZInsO 2015, 477 (481). 948 BGH v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, NJW 2015, 2806 ff.; vgl. dazu ferner BGH v. 8.12.2015 – II ZR 68/14, ZInsO 2016, 338 ff. 949 BGH v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, NJW 2015, 2806 ff. Rz. 14. 950 BGH v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, NJW 2015, 2806 ff. Rz. 15. 951 Vgl. BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 74/09, ZInsO 2011, 1979 f.; v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. (239). 952 BGH v. 23.6.2015 – II ZR 366/13 Rz. 32 mit Hinweis auf BGH v. 3.6.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 ff. Rz. 15. Schfer

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B Rz. 419

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

scheidung der Bank zur weiteren Kreditgewährung und der Überweisung an den Gläubiger dinglich – wenn auch nur kurzfristig – dem Insolvenzschuldner zugeordnet war und prinzipiell von seinen Gläubigern hätte gepfändet werden können. 5. Schuldnerfremdes, künftiges und wertausschöpfend belastetes Vermögen; wertlose Gegenstände B 420 Die Insolvenzanfechtung setzt voraus, dass durch die angefochtene Rechtshandlung das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen des Schuldners verkürzt wurde. Rechtshandlungen, die sich ausschließlich auf schuldnerfremdes Vermögen beziehen, betreffen nicht die den Insolvenzgläubigern zugewiesene Haftungsmasse und beeinträchtigen somit nicht die Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Begleicht daher der hierzu nicht verpflichtete Geschäftsführer der späteren Insolvenzschuldnerin deren Verbindlichkeit aus eigenen Mitteln, benachteiligt er dadurch nach einem Urteil des BGH vom 21.6.2012953 nicht die späteren Insolvenzgläubiger. Man kann in diesen Vorgang keine Darlehensgewährung des Geschäftsführers an die Schuldnerin „hineinkonstruieren“, wie es das Oberlandesgericht München als Vorinstanz getan hat. Soweit allerdings der Schuldner durch eine Rechtshandlung zum Aufwendungs- oder Schadensersatz verpflichtet wird, kommt eine Gläubigerbenachteiligung durch Vermehrung der Schuldenmasse in Betracht; soweit durch sie eine Forderung des Schuldners gegen Dritte getilgt wird, verringert sich die Aktivmasse, wenn dadurch eine bloße (künftige) Insolvenzforderung befriedigt wird und der Masse der vollwertige Anspruch gegen den Zahlenden verlorengeht.954 B 421 Hat der Schuldner auf die unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Sache noch nichts bezahlt und veräußert er sie an einen Dritten, so ist diese Veräußerung unanfechtbar, da es an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt.955 Stand dem Schuldner vor der Insolvenzeröffnung allerdings bereits eine gesicherte Rechtsposition – insbesondere ein Anwartschaftsrecht oder ein aufschiebend bedingter Anspruch – zu, so werden die Insolvenzgläubiger durch deren Aufgabe benachteiligt.956 Hat daher der Schuldner eine unter Eigentumsvorbehalt erworbene Sache veräußert, so ist dies anfechtbar, wenn der Wert der Sache größer war als der noch offene Kaufpreisrest.957 Hinsichtlich der vom Eigentumsvorbehaltskäufer in kritischer Zeit werthaltig gemachten „Marge“ lag mit der bloßen Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts noch keine Sicherung vor, sondern erst mit dem Entstehen der vorausabgetretenen Forderung. Insoweit kann daher eine Gläubigerbenachteiligung gegeben sein.958

953 BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. 954 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rz. 78; BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, MDR 2007, 1157 = ZInsO 2007, 658 ff. Rz. 18; v. 17.6.1999 – IX ZR 176/98, MDR 1999, 1153 = WM 1999, 1581 (1582). 955 Vgl. Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 364. 956 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (187 f.) = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228. 957 FK-InsO/Dauernheim, § 129 Rz. 48. 958 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 ff. Rz. 33.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 425 B

Veräußert der Schuldner mit Zustimmung seiner Bank ein in deren Sicherungs- B 422 eigentum stehendes Warenlager mit der treuhänderischen Vereinbarung, dass der Kaufpreis auf das bei dieser Bank im Soll geführte Kontokorrentkonto des Schuldners zu zahlen ist, so benachteiligt die Verrechnung der Gutschriften aus den Kaufpreisen mit Gegenforderungen der Bank die Gläubiger in Höhe des Wertes des aufgegebenen Sicherungseigentums nicht; der Wert des Sicherungsguts ist mit dem für den Warenbestand erzielten Kaufpreis zu bemessen, wenn dieser hinter dem Einkaufswert zurückbleibt.959 Ist dies nicht der Fall, so kann eine objektive Gläubigerbenachteiligung gegeben sein, soweit die Vorausabtretung die vom Schuldner aus dem Weiterverkauf verdiente „Marge“ betrifft und diese in der Krise des Schuldners erwirtschaftet (werthaltig gemacht) wurde.960 Fraglich ist, ob hinsichtlich der „Marge“ von einer kongruenten oder von einer B 423 inkongruenten Deckung auszugehen ist. Nach Ansicht des BGH sind zumindest Globalzessionen hinsichtlich der zukünftig entstehenden Forderungen grundsätzlich nur als kongruente Deckungen anfechtbar.961 Was aber für das Entstehen zukünftiger Forderungen aus einer Globalzession gelte, treffe auch für das Werthaltigmachen dieser Forderungen zu.962 Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass dem Globalzessionar kein Anspruch auf die (volle) Marge zustehen dürfte, sondern allenfalls in Höhe der gesicherten Forderung. Wurde zugunsten des Schuldners als Mieter im Mietvertrag ein Verwendungs- B 424 ersatzanspruch wegen Renovierung vereinbart, so soll dies nach einer Auffassung im Schrifttum bereits einen bedingten Anspruch begründen; verzichte der Schuldner auf diesen Anspruch, so würden die Insolvenzgläubiger benachteiligt.963 Nach Ansicht des BGH fehlt es hingegen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F., wenn die Aufhebung des Mietvertrages und der Verzicht auf den Verwendungsersatzanspruch in derselben Vereinbarung enthalten sind.964 Die Vereinbarungen über die Aufhebung des Vertrages und den Anspruchsverzicht bildeten rechtlich eine Einheit, so dass der mit der Klage geltend gemachte Anspruch nicht zur Entstehung gelangt sei. Nicht zum Schuldnervermögen gehören Gegenstände, die gemäß § 47 InsO B 425 ausgesondert werden können.965 Dies gilt hingegen nach der Insolvenzordnung nicht ohne weiteres für Absonderungsrechte. Diese gehören nur insoweit nicht zum Schuldnervermögen, als sie für die den Insolvenzgläubigern haftende Masse keinen Vermögenswert verkörpern.966 Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 166 InsO stellt einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert der Insolvenzmasse dar. Das bloße Entfallen von Kostenbeiträgen nach den §§ 170, 171 InsO führt jedoch nicht zu einer Gläubigerbenachtei959 960 961 962 963 964

BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 33. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 35. Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 80. BGH v. 11.10.1989 – VIII ZR 285/88, MDR 1990, 330 = ZIP 1989, 1611 ff. m. krit. Anm. von Hess, WuB VI D § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG 1.90. 965 Vgl. dazu unten Rz. B429. 966 Vgl. dazu unten Rz. B430 ff. Schfer

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B Rz. 425

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

ligung, da die Kostenbeiträge lediglich Mehrkosten ausgleichen sollen, die durch die Bearbeitung von Absonderungsrechten im Insolvenzverfahren anfallen.967 Eine objektive Gläubigerbenachteiligung liegt daher nicht vor, wenn der Schuldner im Vorfeld der Insolvenz ein Absonderungsrecht durch Zahlung des Betrages ablöst, den der Absonderungsberechtigte durch Verwertung des Sicherungsgutes hätte erzielen können.968 B 426 Hat der Schuldner eine künftige Forderung sicherungshalber an eine Bank abgetreten und zahlt der Drittschuldner an die Bank, so wird dadurch nach Ansicht des BGH das Schuldnervermögen nicht betroffen. Die Bank erlangt die Zahlung des Drittschuldners als „wahre“ Berechtigte. Zwar ist mit der Zahlung die abgetretene Forderung gemäß §§ 362, 407 Abs. 1 BGB erloschen. Die Bank hat jedoch an deren Stelle ein Pfandrecht gemäß Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken an dem neu entstandenen Anspruch des Schuldners aus § 667 BGB erworben. Der Austausch der einen insolvenzbeständigen Sicherheit gegen eine andere benachteiligt die Gläubiger nicht. Eine Bank ist daher auch in der Krise anfechtungsrechtlich zur Verrechnung von Zahlungseingängen berechtigt, die aus ihr zur Sicherheit abgetretenen Forderungen stammen.969 B 427 Überweist der Geschäftsführer der Schuldnerin einen bestimmten Betrag zum Zwecke der Ablösung einer Grundschuld auf das Konto der Schuldnerin bei der gesicherten Bank, so werden die Gläubiger der Schuldnerin dadurch nicht benachteiligt. Denn in diesem Fall hatten die Gläubiger der Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf das mit der Grundschuld belastete Grundstück und den mit treuhänderischer Zweckbindung gezahlten Betrag.970 Ist der Schuldner Mitinhaber eines als Oder-Konto geführten Girokontos, so ist das Guthaben in vollem Umfang der Insolvenzmasse zuzuordnen, und zwar unabhängig davon, inwieweit dem Schuldner das Guthaben im Innenverhältnis zusteht.971 B 428 Die Weggabe völlig wertloser Gegenstände aus dem Schuldnervermögen ist anfechtungsrechtlich unerheblich, weil dadurch das Vermögen des Schuldners nicht zum Nachteil der Gläubiger verkürzt wird.972 Für die Frage der Wertlosigkeit des Vermögensgegenstandes kommt es jedoch nicht darauf an, ob er einen Wert für den Schuldner hatte, sondern ob ihm im Geschäftsverkehr ein Wert zukommt. Von Bedeutung ist dies etwa bei der Überlassung von Arbeitskräften durch den Schuldner, für die er selbst keine Verwendung mehr gehabt hätte.973 Die Einräumung einer nachrangigen, wegen vorgehender Belastungen an sich wertlosen Grundschuld kann allerdings die Gläubiger benachteiligen, wenn der 967 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 28. 968 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 22; v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 ff. Rz. 24. 969 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 177/05, MDR 2008, 710 = ZInsO 2008, 375 ff. Rz. 12; v. 1.10.1992 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZInsO 2002, 1136 ff.; kritisch dazu Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 87; Braun/de Bra, § 129 Rz. 33. 970 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, MDR 2004, 1317 = ZIP 2004, 1509 ff. 971 OLG Hamburg v. 19.10.2007 – 1 U 136/06, ZIP 2008, 88 ff. 972 BGH v. 11.12.2003 – IX ZR 336/01, MDR 2004, 650 = ZIP 2004, 671 (672); v. 30.3.1983 – VIII ZR 7/82, NJW 1983, 1738 (1739). 973 Vgl. BGH v. 11.12.2003 – IX ZR 336/01, MDR 2004, 650 = ZInsO 2004, 149 ff.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 430 B

Grundschuld im Hinblick auf eine freihändige Verwertung des Grundstücks ein „Lästigkeitswert“ zukommt.974 a) Aussonderungsrechte Schuldnerfremde Gegenstände gehören nicht zur Haftungs- bzw. Insolvenzmas- B 429 se (vgl. § 47 InsO). Rechtshandlungen, die sie betreffen, benachteiligen die Insolvenzgläubiger nicht. Durch die Übertragung von Vermögensgegenständen, die aufgrund anfechtungsfest begründeter Sicherungsrechte einem Gläubiger zustehen und von diesem ausgesondert werden können, werden daher die übrigen Gläubiger nicht im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt.975 Aus denselben Gründen ist die Ablösung eines (anfechtungsfesten) Aussonderungsrechts durch eine dem Wert des Aussonderungsrechts entsprechende Zahlung nicht anfechtbar.976 Hat der Schuldner allerdings eine unter Eigentumsvorbehalt erworbene Sache veräußert, deren Wert größer war als der noch offene Teil des Kaufpreises, so sind die Gläubiger benachteiligt, da der Schuldner in diesem Fall nicht nur über fremdes Eigentum, sondern auch über sein Anwartschaftsrecht verfügt hat.977 b) Absonderungsrechte, insbesondere Sicherungsrechte Absonderungsrechte (vgl. §§ 49–51 InsO) vermitteln unter anderem das Siche- B 430 rungseigentum978 und die Verlängerungs- bzw. Erweiterungsformen des Eigentumsvorbehalts.979 Der Grund besteht darin, dass diese Sicherungsformen, obgleich ihnen ein Warenkredit vorausgegangen ist, auch wirtschaftlich nur noch die Funktion eines Pfandrechts haben. Überträgt der Vorbehaltsverkäufer das Eigentum an der Kaufsache auf eine Bank, die für den Käufer den Erwerb finanziert, kann die Bank das vorbehaltene Eigentum in der Insolvenz des Käufers nicht aussondern; sie ist vielmehr wie ein Sicherungseigentümer nur zur abgesonderten Befriedigung berechtigt.980 Abgesonderte Befriedigung kann ferner aufgrund vertraglicher und gesetzlicher Pfandrechte, etwa dem Vermieterpfandrecht (vgl. §§ 562 ff. BGB), verlangt werden. Eine – nicht wahrgenommene – Aufrechnungsmöglichkeit des Anfechtungsgegners ist indes anfechtungsrechtlich nicht mit einem Absonderungsrecht vergleichbar, falls tatsächlich die Gegenforderung des Anfechtungsgegners (in für sich anfechtbarer Weise) erfüllt wird.981 974 Vgl. OLG Hamburg v. 9.5.2001 – 8 U 8/01, ZIP 2001, 1332 ff. 975 BGH v. 11.7.1991 – IX ZR 230/90, MDR 1991, 962 = NJW 1992, 624 (626); v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, MDR 2000, 903 = NJW 2000, 3777 (3778); Uhlenbruck/ Hirte/Ede, § 129 Rz. 358 ff. 976 Vgl. BGH v. 11.7.1991 – IX ZR 230/90, MDR 1991, 962 = ZIP 1991, 1014 (1017); HKInsO/Kreft, § 129 Rz. 58. 977 Uhlenbruck/Hirte, § 129 Rz. 361. 978 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, BGHZ 176, 86 ff. Rz. 24 = MDR 2008, 821. 979 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 33; v. 10.2.1971 – VIII ZR 188/69, NJW 1971, 799; Graf-Schlicker/Huber, § 49 Rz. 10 ff. 980 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, BGHZ 176, 86 ff. 981 Vgl. Kirchhof, WM 2008, Sonderbeilage 1, S. 32 sowie BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. Schfer

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B Rz. 431

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 431 Zu beachten ist, dass die im Voraus vereinbarte Sicherungsübereignung eines Lagerbestandes erst von dem Augenblick an wirkt, in dem die einzelnen Sachen in den Besitz des Sicherungsgebers und in den für die Weiterübertragung bestimmten Raum gelangen. Die Sicherungsübereignung eines Warenlagers kann dadurch verlängert werden, dass sich der Sicherungsnehmer die Forderung des Sicherungsgebers aus der Veräußerung des Sicherungsguts im Voraus abtreten lässt. Entsprechendes gilt für Verarbeitungsklauseln gemäß § 950 BGB. Das neu entstehende Sicherungseigentum ist mangels Gläubigerbenachteiligung nicht selbständig anfechtbar, wenn dem Sicherungsnehmer bereits am Ausgangsprodukt insolvenzfestes Eigentum zustand und der Wert der neuen Sache nicht in weitergehendem Umfang ausgeschöpft wird.982 B 432 Unter der Geltung der Konkursordnung war auch die Befriedigung eines absonderungsberechtigten Gläubigers mangels Gläubigerbenachteiligung insoweit nicht anfechtbar, als der Zuwendungsempfänger aus dem Absonderungsgegenstand Befriedigung hätte erlangen können. Denn gemäß § 4 Abs. 2 KO erfolgte die abgesonderte Befriedigung unabhängig vom Konkursverfahren.983 Nach § 166 InsO geht hingegen das Recht zur Verwertung von beweglichen Sachen und sonstigen Gegenständen (insbesondere Forderungen), an denen Absonderungsrechte bestehen, auf den Insolvenzverwalter über. Hat daher der Insolvenzschuldner eine Forderung zur Sicherheit an einen Dritten abgetreten, so kann die Aufrechnung des Forderungsschuldners mit einem Gegenanspruch die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Denn das der Insolvenzmasse gemäß §§ 166 Abs. 2, 170, 171 InsO verbleibende Recht verkörpert durchweg noch einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert.984 B 433 Übereignet der Schuldner einem Dritten eine Sache, die er einem seiner Gläubiger sicherungsübereignet hatte, und war der Dritte dabei gutgläubig, so erwirbt dieser zwar das Eigentum auf Kosten des Sicherungseigentümers und nicht des Schuldners. Gleichwohl werden die Gläubiger des Schuldners dadurch benachteiligt. Denn dem Sicherungseigentümer hätte im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zugestanden.985 B 434 Werden Sicherheiten nicht nur für neu begründete, sondern zugleich auch für „Altverbindlichkeiten“ des Schuldners bestellt, so benachteiligt dies die Insolvenzgläubiger insgesamt.986 Bestellt der Schuldner einem Kreditgeber erst nach der Kreditgewährung eine Sicherheit, so kann dies nicht mehr als ausgleichende Gegenleistung für die Kreditgewährung angesehen werden; vielmehr werden

982 Vgl. Kirchhof, ZInsO 2004, 465 (468 f.); BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, MDR 2000, 907 = ZIP 2000, 932 ff. 983 Vgl. BGH v. 21.3.2000 – IX ZR 138/99, MDR 2000, 783 = ZIP 2000, 898; Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 817 Rz. 8. 984 BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 74/09, ZInsO 2011, 1979 f.; v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. (239) = MDR 2001, 1013. 985 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 175. 986 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 ff.; v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff.

198 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 437 B

die Insolvenzgläubiger durch die nachträgliche Sicherheitengewährung benachteiligt.987 Eine Gläubigerbenachteiligung ist ferner gegeben, wenn sich eine Bank in der Krise des Schuldners von einem anderen Gläubiger eine bis dahin ungesicherte Forderung gegen den Schuldner abtreten lässt, die nach der zwischen der Bank und dem Schuldner bestehenden Sicherungsabrede in den Deckungsbereich der Sicherung fällt.988 Verkauft der spätere Schuldner ohne vorherige Verpflichtung im letzten Monat B 435 vor dem Eröffnungsantrag an einen Insolvenzgläubiger Gegenstände, die er einem anderen Gläubiger zur Sicherheit übereignet hatte und die dieser zur Veräußerung nur an diesen Käufer „freigibt“, so werden die Insolvenzgläubiger im Allgemeinen durch die dadurch zugunsten des Käufers hergestellte Aufrechnungslage benachteiligt.989 Denn die sicherungsübereigneten Gegenstände stellten bei Begründung der Aufrechnungslage trotz des Absonderungsrechts der Bank für die Insolvenzmasse einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert dar.990 Dieser Vermögenswert wurde den Insolvenzgläubigern durch die Veräußerung entzogen. Entsprechendes gilt für Forderungen, die der Schuldner zur Sicherheit abgetreten hat.991 BGH-Urteil vom 2.6.2005 – ZInsO 2005, 932 ff. Die verklagte Bank war als Kreditgeberin der Schuldnerin aufgrund eines soge- B 436 nannten „Sicherheitenpoolvertrages“, den auch die Schuldnerin unterzeichnet hatte, an einem Sicherheitenpool beteiligt. Poolführerin war die D-AG. Diese hatte die in den Poolvertrag einbezogenen, ihr übertragenen Sicherheiten zugleich treuhänderisch für die übrigen Banken zu verwalten. Am 6.9.1999 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Noch am gleichen Tag kündigte die Beklagte deshalb den Kontokorrentkredit und stellte ihn zur sofortigen Rückzahlung fällig. Am 7.9.1999 ging ein Betrag in Höhe von etwa 31 000 DM auf dem Konto der Schuldnerin bei der Beklagten ein, den die Drittschuldnerin einer zur Sicherheit an die D.-AG abgetretenen Forderung überwiesen hatte. Die Sicherungsabtretung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht offengelegt worden. Die Beklagte schrieb den Betrag dem im Soll stehenden Konto der Schuldnerin gut. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagten mit Erfolg die Rückzahlung der empfangenen 31 000 DM nach den §§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO. Die Forderung der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin war nicht mit der si- B 437 cherungsweisen Abtretung an die D-AG aus ihrem Vermögen ausgeschieden. Ein Absonderungsrecht entzieht die abgetretene Forderung nicht ihrem Bestand nach der Masse, wie sich auch aus dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwal987 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 151. 988 Vgl. BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 81/73, WM 1974, 1218 f.; v. 25.9.1972 – VIII ZR 216/71, BGHZ 59, 230 ff. 989 BGH v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, MDR 2004, 353 = ZInsO 2003, 1101 ff. 990 Vgl. BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (239) = MDR 2001, 1013. 991 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03 – „Sicherheitenpool (1)“, ZInsO 2005, 932 ff. Schfer

199

B Rz. 437

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

ters nach den §§ 166 Abs. 2, 173 Abs. 2 InsO ergibt.992 Es war daher nicht nur ein anfechtungsrechtlich unschädlicher Austausch gleichwertiger Sicherheiten gegeben. B 438 Die sicherheitshalber abgetretene Forderung erlosch mit der Zahlung auf das bei der Beklagten geführte Konto nach den §§ 407 Abs. 1, 362 Abs. 1 BGB. An ihre Stelle trat der Anspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte auf Gutschriftserteilung nach § 667 BGB. Sowohl das im Poolvertrag vereinbarte vertragliche Pfandrecht als auch das Pfandrecht nach Nr. 14 der AGB-Banken entstand erst mit dem Eingang der Zahlung auf dem Konto der Beklagten. Eine pauschale Einigung dahin gehend, dass sämtliche künftig für den Kunden entstehenden Ansprüche gegen die beteiligten Banken verpfändet werden sollten, ist nicht geeignet, eine kongruente Sicherung im Voraus zu begründen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der BGH nur in den Fällen zugelassen, in denen die kontoführende Bank zugleich Inhaberin der zur Sicherheit abgetretenen Forderung gewesen ist, auf die der Drittschuldner gezahlt hat.993 Der Beklagten hatten jedoch keinerlei dingliche Rechte an der fraglichen Forderung zugestanden, auch wenn die D-AG die ihr übertragenen Sicherheiten treuhänderisch für die übrigen Banken verwaltet hatte. B 439 Da die Beklagte nicht Inhaberin der Forderung gewesen war und ihr auch keine dinglichen Rechte an ihr zugestanden hatten, hatte ihr auch keine Sicherheit zugestanden, die sie als Ausgleich für den Erwerb des Pfandrechts aus dem Poolvertrag und des Pfandrechts nach den AGB-Banken hätte aufgeben können. Mit dem Pfandrecht an dem Anspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte nach § 667 BGB hatte Letztere erstmals eine dingliche Sicherung ihrer Forderung gegen die Schuldnerin aus dem Kontokorrentvertrag erlangt. Ein Austausch gleichwertiger Sicherheiten konnte deshalb nicht stattfinden. Aus einem etwaigen anfechtungsfesten Sicherungsrecht der D-AG an der fraglichen Forderung konnte die Beklagte keine eigenen Rechte herleiten. Der BGH weist schließlich noch darauf hin, dass er bereits in mehreren Entscheidungen ein „Verschieben“ von Sicherheiten zugunsten der Gläubiger nicht gesicherter Forderungen abgelehnt habe.994 B 440 In wesentlicher Hinsicht anders gelagert war hingegen nach Ansicht des BGH ein von ihm durch Urteil vom 21.2.2008995 entschiedener Fall: BGH-Urteil vom 21.2.2008 – ZIP 2008, 703 ff. B 441 Die Schuldnerin hatte einer Sparkasse eine Grundschuld an einer Eigentumswohnung zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung bestellt. Danach schloss die Schuldnerin

992 Vgl. dazu BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (239) = MDR 2001, 1013 = ZInsO 2001, 464. 993 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZIP 2002, 2182 (2183). 994 Vgl. dazu BGH v. 25.9.1972 – VIII ZR 216/71, BGHZ 59, 230 (234). 995 BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 255/06 – „Sicherheitenpool (2)“, MDR 2008, 646 = ZIP 2008, 703 ff. – etwas abgewandelt, da kein Anfechtungsfall.

200 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 443a B

mit der verklagten Bausparkasse einen weiteren Darlehensvertrag. Die Darlehensurkunde führte als zu gewährende Sicherheit die Grundschuld der Sparkasse auf. Die Schuldnerin und die Beklagte einigten sich dahingehend, dass die Sparkasse die Grundschuld auf die Beklagte übertragen durfte. Nachdem die Schuldnerin Insolvenzantrag gestellt hatte, kündigte die Sparkasse die von ihr gewährten Darlehen und trat einen mittelrangigen Teil der Grundschuld in Höhe von 21 000 Euro an die Beklagte ab. Mit Schreiben vom 16.9.2003 kündigte die Beklagte das Bauspardarlehen und bezifferte ihre Forderung auf 21 000,70 Euro. Vom Kaufpreis aus der Wohnungsveräußerung erhielt die Beklagte gegen Löschung der Grundschuld ca. 21 800 Euro. Der klagende Insolvenzverwalter hielt die Abtretung der Grundschuld an die Beklagte zumindest für anfechtbar. Er verlangte von der Beklagten Zahlung in Höhe der erlangten Deckung. Das LG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Klägers blieben ohne Erfolg. Nach der Würdigung des BGH lag kein Fall einer anfechtbaren Unterdeckung- B 442 nahme des Bauspardarlehens vor. Wird der künftigen Insolvenzmasse durch eine Zession die Einrede der mangelnden Valutierung der Grundschuld abgeschnitten, kann dies zu einer gläubigerbenachteiligenden Vertiefung der Belastung des Grundstücks führen. Dennoch lag in dem entschiedenen Fall keine anfechtbare Unterdeckungnahme des Bauspardarlehens vor. Die Aufnahme der Ansprüche Dritter in den Sicherungszweck der Grundschuld ist rechtlich möglich und setzt nach Ansicht des BGH nicht voraus, dass zwischen dem Grundpfandgläubiger und dem begünstigten Dritten ein Treuhandvertrag abgeschlossen wurde; vielmehr begründe nach allgemeiner Meinung jeder Vertrag über die Bestellung einer nicht akzessorischen fiduziarischen Sicherheit auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Treuhandverhältnis.996 Entscheidend war somit, dass die Schuldnerin und die Sparkasse die Erweiterung der Sicherungsvereinbarung in unverdächtiger Zeit vorgenommen hatten. Es fehlte bereits an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO, da die Erweiterung der Treuhandabrede Zug um Zug gegen Auszahlung des Bauspardarlehens gewährt worden war. Den wesentlichen Unterschied dieses Falles zu dem durch Urteil vom B 443 2.6.2005997 entschiedenen Sachverhältnis sieht der BGH darin, dass dort die zur Sicherheit abgetretene Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner mit dessen Zahlung an die Anfechtungsgegnerin erloschen war. Der schuldrechtliche Anspruch der Schuldnerin gegen die Sicherungsnehmerin auf Sicherheitenverwaltung habe keine Absonderungskraft gehabt. In dem nunmehr entschiedenen Fall sei das Sicherungsrecht hingegen nicht untergegangen. Der BGH hat durch Urteil vom 15.5.2014998 bekräftigt, dass die Aufnahme von B 443a Ansprüchen Dritter in den Sicherungszweck einer Grundschuld rechtlich möglich ist und nicht voraussetzt, dass zwischen dem Grundpfandgläubiger und dem begünstigten Dritten ein wirksamer Treuhandvertrag abgeschlossen wird. 996 Vgl. BGH v. 14.5.1996 – XI ZR 257/94, BGHZ 133, 25 (30) m.w.N. 997 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03 – „Sicherheitenpool (1)“, ZInsO 2005, 932 ff. 998 BGH v. 15.5.2014 – IX ZR 257/13, ZInsO 2014, 1331. Schfer

201

B Rz. 444

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

aa) Nachträgliche Sicherheitenunterlegung B 444 Die Gläubiger des Schuldners werden benachteiligt, wenn der Sicherungsnehmer in der Krise des Schuldners eine zuvor ungesicherte Forderung von einem Dritten erwirbt, die nunmehr in den Deckungsbereich einer anfechtungsfesten Sicherung fällt.999 BGH-Urteil vom 25.9.1972 – BGHZ 59, 230 ff. B 445 Die Schuldnerin hatte der verklagten Bank im November 1968 als Sicherheit Grundschulden abgetreten. Im Jahre 1970, als sich bei der Schuldnerin eine Krise zumindest schon abzeichnete, ließ sich die Beklagte von vier ihrer Kunden, die ebenfalls Gläubiger der Schuldnerin waren, deren Forderungen gegen die Schuldnerin abtreten. Der klagende Konkursverwalter und die Beklagte stritten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, sich auch wegen der ihr abgetretenen Forderungen aus den Grundschulden zu befriedigen. B 446 Nach der Würdigung des BGH wurden die Konkursgläubiger durch die Abtretungen benachteiligt. Der Beklagten habe kein unanfechtbarer Anspruch auf die erlangte Sicherung zugestanden. Ein Anspruch der Beklagten auf Sicherstellung durch die ihr abgetretenen Forderungen sei erst mit der Abtretung im Jahre 1970 entstanden. Dieser Zeitpunkt habe innerhalb der Anfechtungsfrist gelegen. Für die Anfechtung sei es gleichgültig, ob ein Gläubiger sich vom Schuldner Deckung für seine Forderungen erst in der kritischen Phase geben lasse oder ob die Deckung während der kritischen Phase dadurch erlangt werde, dass ein Gläubiger, der über keine Deckung verfüge, die Forderung an einen anderen Gläubiger abtrete, der überschüssige Sicherheiten habe. B 447 Von dieser Fallkonstellation zu unterscheiden ist der Fall der nachträglichen Unterlegung eines Pfandrechts an einer bestehenden Forderung durch eine zu sichernde Forderung, die erst in der Krise des Schuldners entstanden ist, wie ein Urteil des BGH vom 19.3.19981000 zeigt: BGH-Urteil vom 19.3.1998 – BGHZ 138, 291 ff. B 448 Die Schuldnerin hatte der verklagten Bank zur Sicherung der gegen den Konzernverbund bestehenden Forderungen durch Globalzession ihre künftigen Forderungen abgetreten. Am 17.12.1993 kündigte die Beklagte die Kontoverbindung mit dem Konzernverbund, untersagte Verfügungen zu Lasten der Konten, berief sich auf ihr Pfandrecht und verbot den Einzug der abgetretenen Forderungen. Das Konto der Schuldnerin wies zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben von ca. 829 000 DM auf. Bis zum 27.12.1993 erhöhte sich dieses Guthaben auf ca. 1,4 Mio. DM, so dass die Beklagte auf Anweisung der Schuldnerin am

999 BGH v. 25.9.1972 – VIII ZR 216/71 – „Kundenforderungszession“, BGHZ 59, 230 ff. 1000 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97 – „Konzernverbund“, ZInsO 1998, 89 ff. = BGHZ 138, 291 ff. = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342; – stark vereinfacht.

202 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 451 B

28.12.1993 800 000 DM von deren Konto auf ein Konto der Muttergesellschaft überwies, „um Zinsen zu sparen“. Soweit das der Beklagten verpfändete Guthaben vor der Zahlungseinstellung B 449 angesammelt worden war (in Höhe von ca. 829 000 DM), hatte die Beklagte nach Ansicht des BGH ein – zunächst noch nicht durch eine (gesicherte) Forderung unterlegtes und daher nicht verwertbares – AGB-Pfandrecht erworben, das nicht der Anfechtung unterlag. Die Beklagte habe an der gegen sie selbst gerichteten Forderung auf Auszahlung des Guthabens der Schuldnerin ein Pfandrecht begründen können. Unerheblich sei hingegen der Zeitpunkt, in dem die zu sichernden Forderungen entstünden. Die persönliche Forderung aus der Überweisung an die Muttergesellschaft, die erst zur Verwertbarkeit des Pfandrechts geführt habe, habe die Beklagte zwar erst nach dem 17.12.1993 erworben. Da das vor diesem Datum unanfechtbar entstandene Pfandrecht die Forderungen der Beklagten aus der gesamten Geschäftsverbindung gesichert habe, habe es aber auch noch durch Forderungen aus dem späteren Zeitraum unterlegt werden können. Mit dem Hinweis, dass es für die Begründung des Pfandrechts unerheblich sei, B 450 wann die zu sichernden Forderungen entstünden, verweist der BGH auf die Unterscheidung zwischen dem Pfandrecht (an einer bestehenden Forderung) für eine künftige (zu sichernde) Forderung und dem Pfandrecht an einer künftigen Forderung. Das Pfandrecht an einer künftigen Forderung wird erst mit der Entstehung der zu verpfändenden Forderung begründet.1001 Das Pfandrecht für eine künftige (zu sichernde) Forderung soll hingegen schon mit dessen Bestellung wirksam sein. Die Berechtigung dieser Unterscheidung wird im Schrifttum jedoch zu Recht bezweifelt.1002 Der BGH hat diese Frage unter anderem1003 in einem neueren Urteil vom 17.9.20091004 dahingestellt sein lassen. Er hat mit diesem Urteil jedoch klargestellt, dass eine pfandrechtliche Doppelsicherung durch ein anfechtungsfestes Grundpfandrecht und ein anfechtbares Pfändungspfandrecht an einer künftigen Forderung nicht die Annahme eines masseneutralen Sicherheitentauschs rechtfertigt. bb) Pfandrechtliche Doppelsicherung BGH-Urteil vom 17.9.2009 – BGHZ 182, 264 ff. Die Schuldnerin war Eigentümerin eines Grundstücks, welches im Jahre 1998 B 451 zugunsten der verklagten Sparkasse mit einer Buchgrundschuld belastet wurde. Sie unterwarf sich zugleich der sofortigen Zwangsvollstreckung in das belastete 1001 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f.; v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 ff. 1002 Vgl. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 18; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 15; HK-InsO/Kreft, § 140 Rz. 4 mit Fn. 29; Berger, NZI 2007, 566 ff. 1003 Siehe dazu bereits BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03 – „Vermieterpfandrecht“, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610. 1004 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08 – „Doppelsicherung“, BGHZ 182, 264 ff. = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. Schfer

203

B Rz. 451

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Pfandobjekt. Das Grundstück war an die RS Reifenhandel GmbH vermietet. Auf der Grundlage der Zwangsvollstreckungsunterwerfung erwirkte die Beklagte gegen die Schuldnerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, welcher der Drittschuldnerin am 31.8.2005 zugestellt wurde. Durch diesen ließ die Beklagte unter anderem alle künftig fälligen Ansprüche der Schuldnerin aus dem Mietvertrag mit der Drittschuldnerin pfänden. Seit Mai 2006 war die Schuldnerin zahlungsunfähig; am 7.7.2006 stellte sie Insolvenzantrag. Die Beklagte zog die gepfändete Miete für die Monate September und Oktober 2006 ein. B 452 Der BGH bestätigt zunächst seine Rechtsprechung, wonach sich im Falle der Pfändung einer künftigen Mietforderung der für die Anfechtung des Pfändungspfandrechts maßgebende Zeitpunkt nach dem Beginn des Nutzungszeitraums richtet, für den die Mietrate geschuldet war.1005 Er stellt ferner klar, dass kein masseneutraler Sicherheitentausch gegeben ist, wenn die gepfändete künftige Mietforderung zugleich in den Haftungsverband eines in unkritischer Zeit bestellten Grundpfandrechts fällt. Die künftigen Mietforderungen unterliegen zwar dem Haftungsverband des Grundpfandrechts (vgl. §§ 1123 Abs. 1, 1192 Abs. 1 BGB). Die Haftung ist jedoch nur eine vorläufige, da die Mietansprüche weder der Verfügung durch den Schuldner noch dem wirksamen Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen sind (vgl. §§ 1123 Abs. 2, 1124 BGB). Dieser Zustand der „potentiellen Haftung“ hält so lange an, bis der Grundpfandgläubiger die Beschlagnahme des Grundstücks im Wege der Zwangsverwaltung herbeiführt. Erst durch die Anordnung der Zwangsverwaltung erstarkt diese „potentielle Haftung“ zu einer voll wirksamen (vgl. §§ 146 Abs. 1, 20 Abs. 1, 2, 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG), was bewirkt, dass die erfassten Mietforderungen für die Insolvenzgläubiger als Zugriffsobjekt nunmehr endgültig ausscheiden.1006 B 453 Die hiervon möglicherweise abzugrenzende Fallgestaltung – so der BGH weiter –, dass ein (unbedingtes) Sicherungsrecht an einem schon bestehenden Recht eine künftige Forderung besichere, wobei die gesicherte Forderung unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung stehe, sei im Streitfall nicht gegeben. Deshalb griffen auch die in BGHZ 170, 196, 202 Rz. 15 ff.1007 angeführten Gründe nicht ein, die in dem dort entschiedenen Fall dafür ausschlaggebend gewesen seien, auf den (früheren) Zeitpunkt der Einbringung der Pfandgegenstände durch den Schuldner abzustellen. Soweit der Senat in seinem („Mietnebenkosten“-)Urteil vom 11.11.20041008 – das sich zur Frage der Unwirksamkeit einer Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO verhalte – auf den (früheren)

1005 Vgl. BGH v. 21.12.2006 – IX ZR 7/06, MDR 2007, 680 = ZIP 2007, 239 ff. Rz. 13; v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff.; v. 28.3.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 (93 f.) = MDR 1990, 911 = CR 1990, 654. 1006 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 17 = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 1007 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03 – „Vermieterpfandrecht“, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610. 1008 BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03 – „Mietnebenkosten“, MDR 2005, 596 = ZInsO 2005, 94 ff.

204 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 456 B

Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages abgestellt und zur Begründung auf § 140 Abs. 3 InsO verwiesen habe, gebe er diese Rechtsprechung auf. c) Fehlende Gläubigerbenachteiligung bei Sicherungsrechten Bei Sicherungsrechten ist stets genau darauf zu achten, ob eine Benachteiligung B 454 der Gläubiger ausscheidet, weil bereits in unkritischer Zeit eine Sicherheit bestellt worden war, die lediglich später durch eine andere Sicherheit ausgetauscht wurde.1009 Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Sicherungskette durchgängig geschlossen war.1010 Ein anfechtungsrechtlich neutraler Sicherheitentausch kommt nicht in Betracht, wenn das eine Recht erloschen ist, bevor das andere begründet wird.1011 aa) Sicherheitentausch Bei der Prüfung der Anfechtbarkeit von Zahlungen an einen dinglich gesicherten B 455 Gläubiger ist stets zu beachten, dass die Anfechtung einer späteren Verfügung des Schuldners nichts nützt, wenn dem Gläubiger zuvor bereits eine anfechtungsfeste Sicherheit zustand. Dies hatte das Berufungsgericht in einem vom BGH entschiedenen Fall nicht berücksichtigt, in dem der Schuldner eine künftige Forderung aus der Weiterveräußerung einer Sache in der Krise an den Gläubiger abgetreten hatte, der diese Sache zuvor (anfechtungsfest) bereits unter verlängertem Eigentumsvorbehalt geliefert hatte.1012 Die spätere Sicherungsabtretung wäre möglicherweise anfechtbar gewesen, weil im Falle der Vorausabtretung einer künftigen Forderung anfechtungsrechtlich nicht auf den Abschluss des Abtretungsvertrages, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abzustellen ist.1013 Daneben gab es jedoch den in unkritischer Zeit vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalt. Im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts unterliegt die Vorausabtretung künftiger Forderungen, die sich auf das mit dem Vorbehaltseigentum Erlangte beschränkt, selbst dann nicht der Insolvenzanfechtung, wenn die Forderungen aus der Weiterveräußerung erst in der kritischen Phase entstehen. Denn es wird lediglich das (anfechtungsfest) vorbehaltene Eigentum als Sicherungsrecht durch die Forderung ausgewechselt, die mit dieser Ware erlangt wurde (Sicherheitentausch).1014 Fraglich ist allerdings, ob die Gläubiger benachteiligt werden, soweit der Wert B 456 der vom verlängerten Eigentumsvorbehalt erfassten Forderung aus der Weiterveräußerung der Vorbehaltssache deren Wert übersteigt. Dies wird im Schrift1009 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 26; v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 13. 1010 Vgl. BGH v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, MDR 2006, 1255 = ZInsO 2006, 493 ff.; v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, MDR 2007, 1157 = ZIP 2007, 1274 ff.; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 103; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rz. 58. 1011 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, MDR 2007, 1157 = ZIP 2007, 1274 ff. Rz. 21. 1012 Vgl. BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, MDR 2000, 907 = ZInsO 2000, 349. 1013 BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff.; v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610. 1014 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 26; v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 ff.; v. 14.5.1975 – VIII ZR254/73, BGHZ 64, 312 (314). Schfer

205

B Rz. 456

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

tum zum Teil mit der Erwägung verneint, dass im Falle einer Veräußerung durch den Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Forderung aus der Veräußerung in voller Höhe auf den Vorbehaltsverkäufer bzw. Sicherungseigentümer übergehe, der sich in Höhe seiner Kaufpreis- bzw. Kreditforderung abgesondert befriedigen dürfe, wenn durch einen darüber hinausgehenden Erlös die Feststellungs- und Verwertungskosten gedeckt seien. Die Anfechtung könne nicht weiter greifen als die Folgen der Insolvenzeröffnung.1015 Man wird indes darauf abstellen müssen, inwieweit der Mehrwert der Sicherheit in den kritischen Anfechtungszeiträumen durch den Schuldner geschaffen wurde. In diesem Sinne hat der BGH inzwischen durch Urteile vom 17.3.20111016 und vom 26.4.20121017 entschieden. Hinsichtlich der vom Schuldner aufgeschlagenen Marge liege mit der Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts noch keine insolvenzfeste Sicherung vor; diese werde vielmehr erst mit dem Entstehen der abgetretenen Forderung begründet. Die Handelsspanne, die der Vorbehaltskäufer durch den Weiterverkauf der Ware verdient habe, sei durch den Arbeitseinsatz und die weiteren betrieblichen Aufwendungen des Vorbehaltskäufers erwirtschaftet worden. Im Hinblick auf diese Aufwendungen habe der Eigentumsvorbehalt dem Vorbehaltsverkäufer keine Sicherheit verschafft, welche durch die Forderungsabtretung abgelöst worden wäre.1018 B 457 Ein bloßer Sicherheitentausch liegt auch dann vor, wenn der Schuldner die von ihm verkaufte Ware bereits an dasselbe Kreditinstitut zur Sicherheit übereignet hatte, dem dann die Kaufpreisforderung ebenfalls abgetreten wurde. Damit wurde dessen Absonderungsrecht an der Ware nur vereinbarungsgemäß durch dasjenige an der Kaufpreisforderung ersetzt. Durch einen solchen Austausch einer insolvenzbeständigen Sicherung durch eine andere, jedenfalls nicht höherwertige, werden die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt.1019 B 458 Verkauft der spätere Insolvenzschuldner ohne vorherige Verpflichtung kurz vor der Stellung des Insolvenzantrages an einen Gläubiger Gegenstände, so werden die Insolvenzgläubiger durch die dadurch hergestellte Aufrechnungslage nicht benachteiligt, wenn der Käufer zuvor bereits ein insolvenzbeständiges Sicherungseigentum an den Kaufgegenständen hatte.1020 Dass der Masse bei einer Verwertung des Sicherungsgutes möglicherweise die Kostenpauschalen gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 InsO zugeflossen wären, die nun infolge des Verkaufs an den Sicherungsnehmer entfallen, rechtfertigt nicht die Annahme, in der entsprechenden Höhe sei die Verrechnung den Gläubigern nachteilig gewesen. Denn mit den §§ 170, 171 InsO sollen lediglich die Mehraufwendungen ausgeglichen werden, die durch die Bearbeitung von Absonderungsrechten innerhalb des Insolvenzverfahrens anfallen.1021 1015 1016 1017 1018 1019

Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 208. BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, ZIP 2011, 773 ff. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 33. Vgl. BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. Rz. 20 = MDR 2001, 1013; v. 5.12.1985 – IX ZR 165/84, MDR 1986, 404 = ZIP 1986, 452 (454 f.). 1020 BGH v. 22.7.2004 – IX ZR 270/03, MDR 2005, 171 = ZIP 2004, 1912 ff. 1021 BGH v. 22.7.2004 – IX ZR 270/03, ZIP 2004, 1912 ff. Rz. 19; v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370 (2372).

206 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 462 B

Zahlen allerdings Schuldner zur Tilgung von Forderungen, die der Insolvenz- B 459 schuldner abgetreten hatte, vor der Insolvenzeröffnung auf ein Bankkonto des Insolvenzschuldners, so erwirbt der Zessionar weder ein Recht auf Ersatzaussonderung oder Ersatzabsonderung noch einen Anspruch wegen rechtloser Bereicherung der Masse. Denn die sich aus dem Kontokorrentverhältnis mit der Bank ergebenden Forderungen des Insolvenzschuldners sind nicht aufgrund der Vereinbarungen über einen verlängerten Eigentumsvorbehalt abgetreten.1022 Anders ist dies im Falle einer Globalzession des Schuldners zugunsten seiner B 460 Bank. Die Einzahlungen der Kunden des Schuldners (Drittschuldner) auf das schuldnerische Konto bei der Bank gelangen nach Ansicht des BGH unmittelbar in deren Vermögen. Zwar erlischt mit der Zahlung die zur Sicherheit abgetretene Forderung gemäß §§ 362, 407 Abs. 1 BGB. Die Bank erwirbt jedoch an deren Stelle ein Pfandrecht nach Nr. 14 AGB-Banken an dem neu entstandenen Herausgabeanspruch des Schuldners gemäß § 667 BGB. Ein solcher unmittelbarer Sicherheitentausch benachteiligt die Gläubiger nicht, sofern die Bank aufgrund der Globalabtretung ein anfechtungsfestes Absonderungerecht erworben hat (vgl. § 51 Nr. 1 InsO).1023 Nach der Rechtsprechung des BGH werden die Insolvenzgläubiger regelmäßig B 461 nicht benachteiligt, wenn der Schuldner künftige Forderungen (anfechtungsfest) sicherungshalber rechtswirksam an ein Kreditinstitut abgetreten hat und dieses die bei ihm eingehenden Zahlungen der Drittschuldner gegen Verbindlichkeiten des Schuldners verrechnet.1024 In einem Urteil des BGH vom 1.10.20021025 ging es ebenfalls um den Fall der Verrechnung von Drittzahlungen auf das Schuldnerkonto durch die verklagte, durch Globalzession gesicherte Schuldnerbank. Die Forderungen des Schuldners waren allerdings zuvor an eine andere Bank abgetreten worden, die erst nach der Einreichung eines Kundenschecks eine Freigabe erklärte. Die Beklagte war daher zum Zeitpunkt der Scheckeinreichung noch nicht an der getilgten Forderung absonderungsberechtigt, so dass die Insolvenzgläubiger benachteiligt wurden. Der Austausch einer insolvenzbeständigen Sicherheit (konkret: Grundschuld) B 462 gegen eine andere (konkret: Pfandrecht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen an einem Anspruch auf Gutschrift des Kaufpreiserlöses) benachteiligt die Insolvenzgläubiger nicht. Da die Beklagte dem die Veräußerung der Immobilie beurkundenden Notar aufgegeben hatte, über die ihm zu treuen Händen übersandte Löschungsbewilligung nur gegen Zahlung des Kaufpreises auf das bei ihr geführte Konto der Schuldnerin zu verfügen, war die Unmittelbarkeit des Sicherheitentauschs gewährleistet.1026 1022 BGH v. 11.5.1989 – IX ZR 222/88, MDR 1989, 908 = ZIP 1989, 785 ff. 1023 Vgl. BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14; v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 13 = MDR 2008, 411; v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZInsO 2002, 1136 ff. Rz. 22; v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, MDR 2008, 1121 = ZInsO 2008, 803 ff. – kritisch dazu Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 87; Braun/de Bra, § 129 Rz. 33; K. Schmidt, § 129 Rz. 66. 1024 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZInsO 2002, 1136 ff. 1025 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZInsO 2002, 1136 ff. 1026 Vgl. BGH v. 18.9.2008 – IX ZR 62/05, NZG 2008, 902. Schfer

207

B Rz. 463

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 463 Werden Zahlungen des Schuldners von einem debitorischen auf ein anderes, bei derselben Bank geführtes, ebenfalls debitorisches Konto umgebucht, liegt eine Gläubigerbenachteiligung nur vor, wenn das Konto, dessen Schuldenstand durch die Umbuchung verringert wurde, über schlechtere Sicherheiten verfügte als das Konto, dessen Schuldenstand dadurch erhöht wurde. Das mit dem umgebuchten Betrag belastete Konto ist nicht wegen der zusätzlich von Dritten übernommenen Bürgschaften besser gesichert, da etwaige Leistungen des Bürgen das Schuldnervermögen nicht berühren. Mit seiner Zahlung erwirbt der Bürge gemäß § 774 BGB die gesicherte Forderung, so dass ein bloßer Gläubigertausch stattfindet. Gehen von dem Schuldner bestellte Sicherungen mit der getilgten Forderung gemäß § 401 BGB auf den Bürgen über, so befindet er sich in derselben wirtschaftlichen Lage wie zuvor gegenüber seiner Bank.1027 bb) Keine Unterbrechung der Sicherungskette B 464 Eine geschlossene Sicherungskette, die eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger ausschließt, ist gegeben, wenn ein Drittschuldner direkt an die Bank als Sicherungszessionarin des Schuldners zahlt. In diesem Fall erfolgt die Zahlung nach Ansicht des BGH unmittelbar in das Vermögen der Bank.1028 Diese erhalte den Erlös aus der Einziehung der abgetretenen Forderung selbst im Falle einer noch nicht offengelegten Abtretung als wahre Berechtigte. Der Schuldner hatte demnach zu keinem Zeitpunkt unbeschränkten Zugriff auf den Zahlungsbetrag. Zwar erlischt durch die Zahlung des Drittschuldners der als Sicherheit dienende Anspruch der Bank gegen den Drittschuldner, wobei die Bank schuldrechtlich zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet ist (§ 667 BGB). Gleichzeitig erwirbt sie jedoch gemäß Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken ein Pfandrecht an dem neu entstehenden Anspruch des Kunden gegen die Bank. Ein solcher Austausch gleichwertiger Sicherheiten wirkt nicht gläubigerbenachteiligend.1029 B 465 Dagegen wird im Schrifttum eingewandt, dass der Drittschuldner nicht an die Bank, sondern aufgrund der Einziehungsermächtigung und der Schuldnerschutzbestimmung des § 407 BGB mit schuldbefreiender Wirkung an den Schuldner gezahlt habe. Das nach Ansicht des BGH bestehende Pfandrecht der Bank nach Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift erlösche durch die Gutschrift, mit der die Bank den Debetsaldo reduziere. Folglich verliere sie auch die Ersatzsicherheit, so dass der vom BGH angenommene Sicherheitentausch, der die Gläubigerbenachteiligung ausschließen solle, hinfällig werde. Eine weitere Ersatzsicherheit könne die Bank nicht dadurch erwerben, dass sie ihre erste Ersatzsicherheit aufgebe, indem sie den Anspruch auf Gutschrift, der ihr als Pfand haften solle, erfülle. Ein Ersatzabsonderungsrecht stehe der Bank nur zu, wenn der Insolvenzschuldner nicht mehr zur Einziehung be-

1027 BGH v. 10.7.2008 – IX ZR 142/07, WM 2008, 1606. 1028 Vgl. BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = NJW 2003, 360 ff.; v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, MDR 1983, 930 = NJW 1983, 2147 (2149). 1029 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = NJW 2003, 360 ff.

208 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 468 B

rechtigt gewesen sei.1030 Der BGH hat indes durch Urteil vom 2.2.20171031 bekräftigt, dass die mit der Einzahlung auf ein bei der Bank geführtes Kontokorrentkonto des Schudners verbundene Kontokorrentbindung einem AGB-Pfandrecht der Bank am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift nicht entgegenstehe. Anders verhält es sich jedoch auch nach Ansicht des BGH, wenn der Dritt- B 466 schuldner zunächst an den Schuldner gezahlt und dieser den Zahlbetrag an die Bank als Sicherungsnehmer weitergeleitet hat. Hat der Sicherungsnehmer die dem Schuldner erteilte Einziehungsermächtigung nicht widerrufen, so benachteiligt die Weiterleitung der auf dem Schuldnerkonto eingegangenen Erlöse der wirksam erfüllten Forderungen an den Sicherungsnehmer die Gesamtheit der Gläubiger. An den eingezogenen Forderungsbeträgen entsteht kein Ersatzabsonderungsrecht, wenn der Schuldner die Einziehung berechtigt vorgenommen hat. Der auf das Absonderungsrecht analog anwendbare § 48 InsO greift nur bei unberechtigter Einziehung ein.1032 Dies wird an einem Urteil des BGH vom 8.3.20071033 deutlich: BGH-Urteil vom 8.3.2007 – ZIP 2007, 924 ff. Die Schuldnerin hatte bei der klagenden Bank einen Scheck zur Gutschrift auf B 467 dem auf Guthabenbasis geführten Girokonto eingereicht. Aufgrund der Scheckeinreichung führte die Bank am 16.4.2003 einen Überweisungsauftrag der Schuldnerin aus. Am 17.4.2003 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Durch Beschluss vom gleichen Tag wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter unter Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts bestellt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Am 29.4.2003 wurde der Scheck von der bezogenen Bank wegen eines Formfehlers nicht eingelöst und dem Konto der Schuldnerin rückbelastet. In der Folgezeit übersandte der Drittschuldner einen neuen Scheck, der auf Anweisung des Beklagten über ein Anderkonto eingezogen wurde. Die Klägerin hatte nach Nr. 15 Abs. 1 AGB-Banken Sicherungseigentum an dem B 468 ersten eingereichten Scheck erworben. Nach Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken war zugleich die dem Scheck zugrundeliegende Forderung auf sie übergegangen. Durch die Zahlung mittels erneutem Scheck war die zugrundeliegende Forderung gemäß §§ 362 Abs. 1, 407 Abs. 1 BGB auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin erloschen, da die Sicherungsabtretung der Forderung dem Drittschuldner nicht bekannt gewesen war. Zugleich war das Entstehen eines (künftigen) Ab-

1030 Vgl. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 87; Braun/de Bra, § 129 Rz. 33; OLG Hamm v. 14.7.1982 – 5 U 192/81, ZIP 1982, 1343 ff. als Vorinstanz zu BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, MDR 1983, 930 = NJW 1983, 2147 ff. 1031 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14 in Bestätigung v. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. 1032 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZInsO 2006, 544 ff. Rz. 18; v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, BGHZ 144, 192 (198) = MDR 2000, 848; v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, MDR 2004, 594 = ZIP 2004, 326 (328). 1033 BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05 – „Scheckrückbelastung“, MDR 2007, 1042 = ZIP 2007, 924 ff. Schfer

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B Rz. 468

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

sonderungsrechts der Klägerin verhindert worden.1034 Ein Ersatzabsonderungsrecht zugunsten der Klägerin war dadurch jedoch nicht entstanden, denn dies hätte eine unberechtigte Einziehung durch den Beklagten und die fehlende Anfechtbarkeit der Sicherungsabtretung vorausgesetzt.1035 B 469 Bei der Einreichung des Schecks wurde von der Schuldnerin keine (neue) schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung der dem konkret eingereichten Scheck zugrundeliegenden Forderung begründet. Der BGH konnte es daher dahingestellt sein lassen, ob eine solche Abtretungsverpflichtung, bezogen auf die konkret individualisierte, dem gleichzeitig eingereichten Scheck zugrundeliegende Forderung, die Kongruenz begründet hätte. Hätte allerdings die Schuldnerin den zweiten Scheck über das Konto der Klägerin eingezogen, so hätte diese die Gutschrift mit dem Negativsaldo verrechnen dürfen, weil ihr ein fälliger Anspruch gegen die Schuldnerin zustand. B 470 Anzumerken ist, dass auch dann, wenn die Bank die Einziehungsermächtigung widerrufen und der Sicherungsgeber die Forderung dennoch in der Krise eingezogen hat, der Erwerb des Ersatzabsonderungsrechts analog § 48 InsO der Anfechtung nach § 131 InsO unterliegt. Denn das Sicherungsrecht der Bank nach den AGB-Banken, auf das sie keinen hinreichend konkretisierten Anspruch hatte, entsteht erst mit der Hereingabe des Schecks bei der Bank. B 471 Ein weiteres anschauliches Beispiel zur Unterbrechung der Sicherungskette stellt ein Urteil des BGH vom 19.1.20061036 dar: BGH-Urteil vom 19.1.2006 – ZIP 2006, 959 ff. B 472 Die Schuldnerin war Kreditnehmerin der verklagten Bank. Sie hatte der Beklagten als Sicherheit eine Werklohnforderung abgetreten und sich zur Anweisung gegenüber dem Drittschuldner verpflichtet, dieser solle Zahlungen nur auf ein von der Bank zu bestimmendes Konto leisten. Der Drittschuldner erbrachte am 25.5.2000 eine Zahlung in Höhe von 150 000 DM, indem er dem Geschäftsführer der Schuldnerin einen Scheck übergab, den dieser auf dem Konto der Schuldnerin bei einer Sparkasse gutschreiben ließ. Die Schuldnerin überwies davon am 26.5.2000 einen Teilbetrag in Höhe von 63 000 DM auf eines der bei der Beklagten geführten Konten, welches am 13.6.2000 aufgelöst wurde. Am 14.6.2000 stellte die Schuldnerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. B 473 Der BGH weist zunächst darauf hin, dass die Überweisung auf das bei der Beklagten geführte Kreditkonto in Erfüllung des Anspruchs der Beklagten aus dem Sicherungsabtretungsvertrag geschehen sei. Soweit daher die Überweisung der Be1034 Vgl. BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = NJW 2003, 360 ff.; v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZInsO 2006, 544 ff. 1035 BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, BGHZ 144, 192 (198) = MDR 2000, 848; v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = ZIP 1998, 793 (797). 1036 BGH v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03 – „Zahlungsweiterleitung“, MDR 2006, 1255 = ZIP 2006, 959 ff.

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Rz. 476 B

II. Glubigerbenachteiligung

klagten eine Sicherung ermöglicht hatte, war die Zahlung kongruent. Allerdings konnte die spätestens durch die Kontoauflösung eingetretene Befriedigung der Beklagten eine die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligende Rechtshandlung darstellen. Diese Verrechnung war inkongruent. Nach dem Sicherungsabtretungsvertrag stand der Beklagten zwar ein Anspruch auf Auszahlung unberechtigt eingezogener Geldbeträge zu. Ein Anspruch, die ausgekehrten Beträge zur Verringerung der Kreditsalden zu verwenden, ergab sich daraus aber nicht. Denn an dem vom Drittschuldner geleisteten Zahlungsbetrag konnte die Beklagte keine weitergehenden Rechte erwerben, als sie an der abgetretenen Forderung innehatte. Da diese der Beklagten nur sicherungshalber zustand, konnte die Beklagte vor dem Eintritt des Sicherungsfalls keine Befriedigung aus dem Erlös beanspruchen. Bis zum Eintritt des Sicherungsfalles durfte die Beklagte den Betrag zum Zwecke B 474 der Sicherung zurückhalten. Dies galt aber nicht für den Fall der Insolvenz. Der Anspruch der Beklagten stellte eine schuldrechtliche Forderung dar, die in der Insolvenz keine Bevorrechtigung besaß. Aufgrund dieser Forderung war die Beklagte daher auch nicht berechtigt, den erhaltenen Geldbetrag ungeachtet einer zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz zum Zwecke späterer Verrechnung und zum Nachteil der übrigen Gläubiger zurückzuhalten. Dass die Forderung wirtschaftlich an die Stelle der zur Absonderung berechtigenden Sicherungszession getreten war, verlieh ihr keine entsprechenden rechtlichen Wirkungen. Die Verwertungsreife war vor der Insolvenz noch nicht eingetreten. Die Gläubigerbenachteiligung ließ sich nach Ansicht des BGH nicht unter Hin- B 475 weis auf dessen Urteil vom 1.10.20021037 verneinen. Dort hatte der Drittschuldner direkt an die Sicherungszessionarin gezahlt. Die Schuldnerin verlor durch die Erfüllung ihren (nach Ansicht des BGH aufschiebend bedingten) Anspruch auf Rückübertragung der Forderung aus dem Sicherungsvertrag und erwarb gleichzeitig einen Anspruch auf Herausgabe der Gutschrift gemäß § 667 BGB, der jedoch durch ein Pfandrecht gemäß Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken belastet war. Einen unbeschränkten Zugriff auf den Zahlungsbetrag hatte die Schuldnerin somit zu keinem Zeitpunkt inne. Der auf Gläubigerseite erfolgt Austausch gleichwertiger Sicherheiten wirkte nicht gläubigerbenachteiligend. Anders lag es jedoch im Urteil vom 19.1.2006. Nach dem Vorbringen des Klägers B 476 hatte der Drittschuldner keine Kenntnis von der Sicherungsabtretung, so dass die zur Sicherheit abgetretene Forderung der Schuldnerin gemäß §§ 362 Abs. 1, 407 Abs. 1 BGB erlosch. Eine erneute Sicherung erlangte die Beklagte zwar durch das Pfandrecht am Herausgabeanspruch der Schuldnerin. Dieses entstand aber erst mit der Gutschrift des Zahlungsbetrages, da es zuvor an einer hinreichenden Konkretisierung des Pfandgegenstandes fehlte.1038 Ein Austausch von Sicherheiten hatte daher nicht stattgefunden. Vielmehr hatte die Schuldnerin in der Zwischenzeit ein dinglich unbelastetes Recht an dem Zahlungsbetrag inne. Das später entstandene Pfandrecht am Herausgabeanspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte war seinerseits gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Ein Ersatz1037 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = NJW 2003, 360 ff. 1038 Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (126). Schfer

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B Rz. 476

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

absonderungsrecht analog § 48 InsO hätte vorausgesetzt, dass die Gegenleistung noch unterscheidbar im Schuldnervermögen vorhanden war. Wird diese auf einem Konto gutgeschrieben, so bleibt sie grundsätzlich unterscheidbar, solange sie durch Buchungen belegt und der positive Kontensaldo nicht durch Abbuchungen unter den Betrag der beanspruchten Leistung abgesunken ist.1039 Wird das Konto zur Zeit der Gutschrift im Soll geführt, so wird die Gegenleistung in dieser Höhe zur Schuldentilgung verbraucht, mit der Folge, dass insoweit eine gegenständlich fassbare Gegenleistung nicht mehr vorhanden ist.1040 d) Wertausschöpfend belastete Gegenstände B 477 Eine Gläubigerbenachteiligung ist nicht gegeben, wenn der Gegenstand, auf den sich die angefochtene Rechtshandlung bezog, wertausschöpfend mit unanfechtbaren Grundpfandrechten belastet war. Denn der belastete Gegenstand hätte im Insolvenzverfahren allein der abgesonderten Befriedigung der gesicherten Gläubiger gedient (vgl. § 49 ff., 165 ff. InsO), so dass im Falle der wertausschöpfenden Belastung für die Insolvenzgläubiger nichts übrig geblieben wäre.1041 Die Gläubiger werden durch eine unentgeltliche Verfügung des Schuldners über ein Grundstück jedoch dann benachteiligt, wenn es zwar wertausschöpfend mit Grundschulden belastet ist, diese aber zum Teil keine Forderungen mehr sichern und der Schuldner seine Ansprüche auf Rückgewähr der nicht valutierten Grundpfandrechte mit verschenkt hat.1042 B 478 Erfüllt der Schuldner eine Verbindlichkeit, die er einerseits persönlich schuldete und die andererseits als öffentliche Last auf einem ihm gehörenden Grundstück ruhte, ist die Erfüllungshandlung im Insolvenzverfahren nicht anfechtbar, soweit sich der Gläubiger nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG aus dem Grundstück hätte befriedigen können.1043 Besteht jedoch die Möglichkeit, dass der Inhaber einer Grundschuld aus der bloß formalen, bezogen auf die vorrangigen Grundstücksbelastungen an sich nicht werthaltigen Grundschuldeintragung einen nicht unbeträchtlichen „Lästigkeitswert“ realisiert, weil andere Grundschuldgläubiger bereit sind, ihm seine für eine freihändige Verwertung erforderliche Zustimmung „abzukaufen“, unterliegt die Grundschuldbestellung der Anfechtung.1044 B 479 Die wertausschöpfende Belastung eines vom Schuldner auf einen Dritten übertragenen Grundstücks wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Schuldner gegenüber dem Dritten verpflichtet hat, die grundbuchlich besicherten Darlehen weiter zurückzuführen. Die Tilgungsleistungen des Schuldners können

1039 BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, BGHZ 141, 116 (120 f.) = MDR 1999, 762; v. 18.4.2002 – IX ZR 219/01, BGHZ 150, 326 (328) = MDR 2002, 1150. 1040 MK-InsO/Ganter, 2. Aufl., § 48 Rz. 34. 1041 Vgl. BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, ZIP 2009, 1285 ff. Rz. 19 ff.; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 109. 1042 BGH v. 10.1.1985 – IX ZR 2/84, MDR 1985, 841 = ZIP 1985, 372 ff. 1043 Vgl. BGH v. 28.3.1985 – IX ZR 115/84, MDR 1985, 759 = ZIP 1985, 816 ff. 1044 OLG Hamburg v. 9.5.2001 – 8 U 8/01, ZIP 2001, 1332 ff.; vgl. dazu ferner OLG Frankfurt am Main v. 14.12.2011 – 4 U 28/11, veröffentlicht bei juris.

212 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 482 B

jedoch eine weitere unentgeltliche und mittelbare Zuwendung darstellen, die selbst wieder der Anfechtung unterliegt.1045 aa) Maßgebender Wert Ob eine wertausschöpfende Belastung vorliegt, hängt vom Wert des Grund- B 480 stücks sowie von der tatsächlichen Höhe derjenigen Forderungen ab, welche durch die Grundpfandrechte gesichert werden.1046 Dafür ist nicht der nominelle Wert der Grundstücksbelastung entscheidend; maßgebend ist vielmehr, ob die Höhe der (noch) durch das Grundpfandrecht gesicherten Forderungen den Verkehrswert des Grundstücks übersteigt.1047 Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der schuldrechtliche Anspruch auf Rückgewähr eines nicht (mehr) valutierten Teils der Sicherheit beim Schuldner verblieben ist und wenn dieser Anspruch zur Gläubigerbefriedigung hätte dienen können,1048 oder wenn die bei der Übertragung noch bestehenden Belastungen im Nachhinein vertragsgemäß von ihm beseitigt werden.1049 Handelt es sich um mehrere Grundstücke, ist nicht auf deren Gesamtwert und den Gesamtwert der gesicherten Verbindlichkeiten, sondern auf den Wert der einzelnen Grundstücke und ihre jeweilige Belastung abzustellen.1050 Nach einem zum Anfechtungsgesetz ergangenen Urteil des BGH vom B 481 20.10.20051051 kommt eine Gläubigerbenachteiligung nicht in Betracht, wenn ein Grundstück wertausschöpfend belastet ist und eine Zwangsversteigerung nicht zu einer – auch nur teilweisen – Befriedigung des Gläubigers geführt hätte. Die Übertragung eines belasteten Grundstücks kann danach nur dann eine Gläubigerbenachteiligung zur Folge haben, wenn der in der Zwangsvollstreckung erzielbare Wert des Grundstücks die vorrangigen Belastungen und die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens übersteigt.1052 Im Schrifttum wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die auf der Grund- B 482 lage des Anfechtungsgesetzes entschiedenen Fälle in gleicher Weise Bedeutung für die Insolvenzanfechtung hätten.1053 Dies trifft jedoch nicht uneingeschränkt

1045 BGH v. 3.5.2007 – IX ZR 16/06, MDR 2007, 1222 = NotBZ 2008, 75 = ZIP 2007, 1326 ff. 1046 Vgl. BGH v. 20.10.2005 – IX ZR 276/02, NotBZ 2006, 173 = MDR 2006, 594 = ZInsO 2006, 151 f.; v. 24.9.1996 – IX ZR 190/95, ZIP 1996, 1907 (1908). 1047 BGH v. 27.3.1984 – IX ZR 49/83, MDR 1984, 1020 = ZIP 1984, 753 (755). 1048 BGH v. 23.11.2006 – IX ZR 126/03, MDR 2007, 614 = ZInsO 2007, 101 ff. Rz. 21; v. 10.1.1985 – IX ZR 2/84, MDR 1985, 841 = ZIP 1985, 372 (374); Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 46. 1049 Vgl. BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, ZIP 2009, 1285 ff. Rz. 25; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 129 Rz. 116. 1050 BGH v. 11.7.1996 – IX ZR 226/94, MDR 1997, 52 = NJW 1996, 3147 (3149). 1051 BGH v. 20.10.2005 – IX ZR 276/02, NotBZ 2006, 173 = MDR 2006, 594 = ZInsO 2006, 151 f.; vgl. zuvor schon BGH v. 17.12.1998 – IX ZR 196/97, MDR 1999, 440 = ZIP 1999, 196 (198). 1052 BGH v. 23.11.2006 – IX ZR 126/03, MDR 2007, 614 = ZInsO 2007, 101 ff. Rz. 21. 1053 Vgl. Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 11. Aufl., Rz. 104; Bork/Ehricke, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 4 Rz. 14. Schfer

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B Rz. 482

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

zu. Ist der Insolvenzverwalter zur freihändigen Verwertung des haftungsmäßig dem Schuldnervermögen zuzuordnenden Gegenstandes berechtigt, so ist der Verkehrswert maßgebend.1054 Es ist jedoch zu beachten, dass der bei einer freihändigen Veräußerung zu erzielende Erlös nach Ansicht des BGH nur dann maßgebend ist, wenn der Insolvenzverwalter zu einer freihändigen Veräußerung rechtlich in der Lage ist. Fehlt dem Insolvenzverwalter diese Befugnis, weil der für den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung maßgebliche Zeitpunkt vor der Verfahrenseröffnung liegt oder einer freihändigen Verwertung die von einem dinglichen Gläubiger betriebene Zwangsvollstreckung entgegensteht, ist der in einer Zwangsversteigerung zu erwartende Erlös maßgeblich. Setzt der Anfechtungstatbestand (konkret: § 133 Abs. 2 InsO) eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung zum Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung voraus, kann mangels einer zu diesem Zeitpunkt gegebenen Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters nur der in einem Zwangsversteigerungsverfahren zu erwartende Erlös zugrunde gelegt werden.1055 Betreibt ein absonderungsberechtigter Gläubiger die Zwangsversteigerung, kann auf den bei einer freihändigen Veräußerung zu erzielenden Erlös abgestellt werden, wenn der Insolvenzverwalter gemäß § 30d Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ZVG unter Berufung darauf, dass durch die Versteigerung eine angemessene Verwertung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert würde, die Einstellung der Zwangsversteigerung erwirkt und zu einer freihändigen Veräußerung schreitet.1056 B 482a Die Auffassung des BGH unterliegt indes Bedenken. Maßgebender Rechtsgrund der Anfechtungstatbestände ist – unabhängig davon, ob der jeweilige Tatbestand eine unmittelbare oder eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung voraussetzt – die Beeinträchtigung der Befriedigungsausichten der Gläubiger des Schuldners im eröffneten Insolvenzverfahren.1057 Wäre der anfechtbar weggegebene bzw. belastete Gegenstand im Schuldnervermögen verblieben, so hätte ihn der Insolvenzverwalter im Grundsatz freihändig verwerten können. Es leuchtet daher nicht ohne weiteres ein, weshalb im Bereich der Insolvenzanfechtung nur die Vereitelung von Befriedigungsmöglichkeiten maßgebend sein soll, welche den Einzelgläubigern zur Verfügung gestanden hätten. B 483 Hat der Schuldner einen Bausparvertrag abgeschlossen, welcher vereinbarungsgemäß der Tilgung der aufgenommenen Darlehen dienen soll, so ist nicht allein darauf abzustellen, inwieweit zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung die Darlehen valutiert waren. Anfechtungsrechtlich ist vielmehr davon auszugehen, dass die gesicherte Darlehensforderung nur in der um das Sparguthaben geminderten Höhe besteht. Wäre der Umstand, dass der Schuldner ein Bausparguthaben angesammelt hat, für die Bewertung der

1054 Vgl. BGH v. 9.6.2016 – IX ZR 153/15, ZIP 2016, 1491 ff. Rz. 23; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 56; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 152b; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 65a; OLG Brandenburg v. 19.11.2008 – 7 U 150/06, ZInsO 2009, 240 ff. – offen gelassen in BGH v. 9.2.2012 – IX ZR 48/11, ZInsO 2012, 1264 f. Rz. 5. 1055 BGH v. 9.6.2016 – IX ZR 153/15 Rz. 25. 1056 Vgl. BGH v. 9.6.2016 – IX ZR 153/15 Rz. 43. 1057 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 103.

214 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 487 B

Grundpfandrechte bedeutungslos, solange das Sparziel noch nicht ganz erreicht ist, so könnten die Anfechtungsbestimmungen leicht umgangen werden.1058 Die Frage, welchen Erlös ein Grundstück bei einer Verwertung voraussichtlich B 484 erbringen wird, kann nur aufgrund besonderer Sachkunde beurteilt werden. Ein Gericht kann sich diese grundsätzlich nicht im Wege des Zeugenbeweises verschaffen, sondern in der Regel nur durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.1059 bb) Entscheidender Zeitpunkt Hinsichtlich des Zeitpunkts der Wertausschöpfung ist zu unterscheiden. Setzt B 485 der Anfechtungstatbestand eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraus (vgl. die §§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 2 InsO), ist der Zeitpunkt der Vollendung der Rechtshandlung maßgebend (vgl. § 140 InsO). In den Fällen, in denen eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt, kommt es für die objektive Gläubigerbenachteiligung auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen an.1060 Soweit eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreicht, kann daher auch beim nachträglichen Wegfall einer Belastung angefochten werden. Liegt zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen die bei der Vornahme der Rechtshandlung gegebene wertausschöpfende Belastung nicht mehr vor, so kann sich der Anfechtungsgegner auf die frühere wertausschöpfende Belastung nur berufen, wenn er sie mit eigenen Mitteln beseitigt hat oder eine zwischenzeitlich eingetretene Wertsteigerung auf eigenen werterhöhenden Maßnahmen beruht,1061 nicht aber dann, wenn die Wertsteigerung auch beim Schuldner – insbesondere wegen der Entwicklung der allgemeinen Marktlage – eingetreten wäre. Im Fall der Hinterlegung eines Geldbetrages zum Zwecke der Befriedigung des B 486 Gläubigers gemäß § 1142 BGB ist der fiktive Versteigerungserlös zum Zeitpunkt der Hinterlegung und nicht etwa der (evtl. höhere) Erlös zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen maßgebend.1062 Hat der Anfechtungsgegner durch den Einsatz eigener Mittel für die Entlastung B 487 gesorgt, so hat er zwar einen entsprechenden Aufwendungsersatzanspruch. Ein solcher eigener Mittelaufwand liegt aber nicht vor, soweit die den Belastungen zugrundeliegenden Verbindlichkeiten aus den Nutzungen des dem Anfechtungsgegner übertragenen Gegenstandes zurückgeführt wurden; denn auch diese Nutzungsmöglichkeit wird von den Anfechtungstatbeständen erfasst.1063 1058 BGH v. 3.5.2007 – IX ZR 16/06, MDR 2007, 1222 = NotBZ 2008, 75 = ZIP 2007, 1326 ff. 1059 BGH v. 18.3.1993 – IX ZR 198/92, MDR 1993, 579 = ZIP 1993, 868 ff.; v. 20.10.2005 – IX ZR 276/02, NotBZ 2006, 173 = MDR 2006, 594 = ZIP 2006, 387 f. Rz. 9, 17. 1060 Vgl. BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, MDR 2009, 1068 = NotBZ 2009, 493 = ZInsO 2009, 1249 ff. Rz. 29; v. 24.9.1996 – IX ZR 190/95, ZIP 1996, 1907 ff. 1061 BGH v. 24.9.1996 – IX ZR 190/95, ZIP 1996, 1907 ff. 1062 Vgl. OLG Karlsruhe v. 20.12.2012 – 9 U 79/06, ZInsO 2013, 998 ff. 1063 BGH v. 24.9.1996 – IX ZR 190/95, ZIP 1996, 1907 ff. Schfer

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B Rz. 488

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 488 Eine durch die Erlangung eines Anwartschaftsrechts (konkret: Auflassung und Stellung des Eintragungsantrages) bereits eingetretene unmittelbare Gläubigerbenachteiligung wird nicht dadurch beseitigt, dass der Schuldner das Grundstück wertausschöpfend belastet, bevor der Eigentumswechsel im Grundbuch eingetragen wird.1064 Hat der Anfechtungsgegner den anfechtbar erworbenen Gegenstand selbst weiter belastet, bleibt dies bei der Beurteilung der Wertausschöpfung außer Betracht, denn diese Belastungen muss er ohnehin beseitigen.1065 Die Übertragung eines wertausschöpfend belasteten Grundstücks durch den Schuldner ist ferner dann objektiv gläubigerbenachteiligend, wenn die bei der Übertragung noch bestehenden Belastungen im Nachhinein vertragsgemäß von ihm beseitigt werden.1066 cc) Darlegungs- und Beweislast B 489 Der Insolvenzverwalter ist nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen darlegungs- und beweisbelastet hinsichtlich der wertausschöpfenden Belastung zu dem für die Anfechtung maßgebenden Zeitpunkt. Den Anfechtungsgegner, der sich auf eine wertausschöpfende Belastung des ihm übertragenen Grundstücks beruft, trifft allerdings eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe zum Zeitpunkt seines Erwerbs Belastungen bestanden und valutierten. Die Frage, welchen Erlös ein Grundstück voraussichtlich erbringen wird oder erbracht hätte, kann in der Regel nur aufgrund besonderer Sachkunde und somit grundsätzlich nur mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens beurteilt werden.1067 e) Treuhandverhältnisse und Zweckbindungen B 490 Auch beim Bestehen eines Treuhandverhältnisses kann eine Anfechtung wegen fehlender Gläubigerbenachteiligung ausscheiden. Es muss sich freilich um eine „echte“ Treuhand handeln, wobei streitig ist, wann eine solche gegeben ist.1068 Erforderlich ist eine Rechtsposition, die dem Treugeber im Insolvenzverfahren ein Aussonderungsrecht vermittelt hätte (vgl. § 47 InsO).1069 Das Aussonderungsrecht des Treugebers im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders hat seinen Grund darin, dass das Treugut haftungsrechtlich zum Vermögen des Treugebers gehört. Ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch genügt insoweit unstreitig nicht.1070 Auch durch eine schuldrechtliche Vereinbarung, dass der bisherige Volleigentümer sein Eigentum nunmehr im Interesse eines anderen („Treugeber“) verwaltet, erwirbt dieser kein Aussonderungsrecht 1064 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 ff. = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228. 1065 Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rz. 62. 1066 BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, MDR 2009, 1068 = NotBZ 2009, 493 = ZInsO 2009, 1249 ff. 1067 Vgl. BGH v. 20.10.2005 – IX ZR 276/02, NotBZ 2006, 173 = MDR 2006, 594 = ZInsO 2006, 151 f. 1068 Instruktiv dazu Ganter, Festschrift für Kreft (2004), S. 251 ff. 1069 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 150, 350 ff. Rz. 28 = MDR 2004, 596. 1070 Vgl. BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, ZIP 2007, 1274 ff.; v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227 ff.; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 189.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 492 B

in der Insolvenz des Eigentümers („Treuhänders“). Für eine „echte“ Treuhand ist vielmehr typisch, dass sie neben der schuldrechtlichen eine dingliche Komponente aufweist, indem die Rechte an einem Gegenstand auf den Treuhänder verlagert und ihm zugleich in einer Weise anvertraut werden, dass er seine Befugnisse nur in einer inhaltlich mit dem Treugeber abgestimmten Art und Weise ausüben darf.1071 Behandelt allerdings der Treuhänder die auf ein Treuhandkonto eingezahlten Fremdgelder als eigenes Vermögen, kann das bei der Insolvenzeröffnung vorhandene Restguthaben nicht ausgesondert werden.1072 Rechtshandlungen des Schuldners im Rahmen einer „echten“ Treuhänderstel- B 491 lung benachteiligen die Insolvenzgläubiger nicht, da in einem solchen Fall das Treugut haftungsrechtlich nicht dem Schuldnervermögen zugeordnet ist. So kann etwa bei einer (echten) Sicherungstreuhand der Treugeber das Treugut in der Insolvenz des Treuhänders aussondern, wenn er die gesicherte Forderung begleicht oder wenn der zwischen den Parteien vereinbarte Sicherungszweck in anderer Weise entfallen ist.1073 Es ist ferner allgemein anerkannt, dass bei einer uneigennützigen (Verwaltungs-)Treuhand der Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders das Treugut aussondern kann.1074 Der BGH ist daher früher davon ausgegangen, dass im Insolvenzverfahren über B 492 das Vermögen des uneigennützigen (Verwaltungs-)Treuhänders dessen Verfügungen über das Treugut nicht anfechtbar seien.1075 Davon ist er jedoch in seinem neueren Urteil vom 26.4.20121076 abgerückt. Danach unterliegt ein uneigennütziger Treuhänder der Vorsatzanfechtung, wenn er nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners als Mittelsperson ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet. Eine Gläubigerbenachteiligung tritt schon dadurch ein, dass die Gläubiger des Schuldners das Treuhandguthaben nicht wie dessen Bankguthaben aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen den Schuldner pfänden können, so dass ein Zugriffshindernis entstanden ist.1077 Ein uneigennütziger Treuhänder, der anfechtbar erlangte Gelder des Schuldners weisungsgemäß an dessen Gläubiger auszahlt, ist zum Wertersatz verpflichtet, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können.1078 Zahlt ein Dritter einen bestimmten Betrag zur Ablösung einer Grundschuld auf ein debitorisch geführtes Konto des Schuldners bei der gesicherten Bank ein, werden die Gläubiger des Schuldners wegen der bestehenden treuhänderischen Bindung nicht 1071 1072 1073 1074 1075 1076 1077 1078

BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227 ff. = MDR 2003, 1254. BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 49/10, MDR 2011, 821 = ZInsO 2011, 784 ff. Vgl. MK-InsO/Ganter, 2. Aufl., § 47 Rz. 375; HK-InsO/Lohmann, § 47 Rz. 21. Vgl. BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, MDR 1993, 529 = ZIP 1993, 213 f.; v. 7.4.1959 – VIII ZR 219/57, NJW 1959, 1223 (1224). BGH v. 9.12.1993 – IX ZR 100/93, BGHZ 124, 298 (301 ff.) = MDR 1994, 681; Jaeger/ Henckel, § 129 Rz. 189. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 12; v. 4.3.1993 – IX ZR 151/92, NJW 1993, 2041 (2042). BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 31 unter Aufgabe von BGH v. 9.12.1993 – IX ZR 100/93, BGHZ 124, 298 (301 ff.). Schfer

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B Rz. 492

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

benachteiligt.1079 In welchen weiteren Fällen von einer solchen „echten“ insolvenzbeständigen Treuhand auszugehen ist, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.1080 aa) Voraussetzungen einer Treuhand; Abgrenzung zur Zweckbindung B 493 In der Rechtsprechung wurde ein Aussonderungsrecht des Treugebers zunächst nur anerkannt, wenn der Treuhänder das Treugut unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers übertragen erhalten hatte. Von diesem Grundsatz der Unmittelbarkeit hat der BGH jedoch eine Ausnahme für den Fall gemacht, dass von dritter Seite Geld auf ein sogenanntes „Anderkonto“ eingezahlt oder überwiesen wird, das offenkundig dem Zweck dient, fremde Gelder zu verwalten (sogenanntes „Offenkundigkeitsprinzip“).1081 Ein Treuhandverhältnis setzt allerdings neben der schuldrechtlichen auch eine „quasi-dingliche“ Komponente voraus, indem die Rechte an einem Gegenstand auf den Treuhänder verlagert und ihm zugleich in einer Weise anvertraut werden, dass er seine Befugnisse nur in einer inhaltlich mit dem Treugeber abgestimmten Art und Weise ausüben darf.1082 Es genügt nicht, dass über ein Sonderkonto Forderungen im wirtschaftlichen Interesse eines anderen eingezogen1083 bzw. Vermögensgegenstände aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung im Interesse eines anderen verwaltet werden.1084 B 494 In einer weiteren Entscheidung hat der BGH die Überweisung von Geldbeträgen auf ein nicht als Anderkonto eingerichtetes Postscheckkonto genügen lassen, sofern die den Zahlungen zugrundeliegenden Forderungen nicht in der Person des Treuhänders, sondern unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden waren. Auch in diesem Fall könne man noch sagen, dass die Gelder dem Treuhänder von dem Forderungsinhaber anvertraut seien.1085 In diesen Fällen ist von einer sogenannten „Erwerbstreuhand“ auszugehen.1086 Eine solche ist etwa bei einem Wohngeldkonto gegeben, auf dem ausschließlich die von den Wohnungseigentümern eingezahlten Wohngelder gesammelt werden.1087 B 495 Die Grenzen dieser Treuhandgestaltung werden durch ein Urteil des BGH vom 19.11.19921088 aufgezeigt. 1079 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, MDR 2004, 1317 = ZIP 2004, 1509 ff. Rz. 18. 1080 Vgl. dazu Ganter, Festschrift für Kreft (2004), S. 251 ff.; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 189 ff. 1081 BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, MDR 1993, 529 = ZIP 1993, 213 f.; v. 5.11.1953 – IV ZR 95/53, NJW 1954, 190 (191). 1082 Vgl. BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227 ff.; Ganter in Festschrift für Kreft (2004), S. 251 ff. 1083 BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, ZIP 1993, 213 f. 1084 BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227 ff.; vgl. ferner BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, ZIP 2008, 469 f.: keine Treuhand an Mietkaution, die nicht getrennt vom sonstigen Vermögen des Vermieters angelegt wurde. 1085 BGH v. 7.4.1959 – VIII ZR 219/57, NJW 1959, 1225. 1086 Vgl. dazu noch Armbrüster, DZWIR 2003, 485 ff. 1087 Vgl. Ganter, Festschrift für Kreft (2004), S. 258. 1088 BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92 – „Objektverwaltung“, MDR 1993, 529 = ZIP 1993, 213 f.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 498 B

BGH-Urteil vom 19.11.1992 – ZIP 1993, 213 f. Die Kläger hatten sich zu einem Immobilienfonds in Form einer Gesellschaft B 496 bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen. Sie schlossen mit der späteren Gemeinschuldnerin einen Treuhandvertrag, wonach die Gemeinschuldnerin im eigenen Namen, aber für Rechnung der Kläger ein Erbbaurecht an einem Grundstück erwerben, es bebauen und verwalten sollte. Nach dem Erwerb des Erbbaurechts und der Bebauung übernahm die Gemeinschuldnerin die Verwaltung des Objekts. Sie richtete hierzu verschiedene Konten ein. Über diese Konten wurden ausschließlich Zahlungen abgewickelt, welche die Verwaltung der Häuser betrafen. Der später eingesetzte und von den Klägern verklagte Konkursverwalter zog die Guthaben auf den Konten zur Konkursmasse ein. Der BGH weist darauf hin, dass keine der bislang anerkannten Fallgestaltungen B 497 einer Treuhand gegeben sei. Die von der Gemeinschuldnerin eingerichteten Konten seien keine offenkundigen Treuhandkonten; sie seien nicht als solche bezeichnet. Die Bezeichnung des Mietkontos habe lediglich auf ein bestimmtes Grundstück verwiesen und nicht erkennen lassen, ob es wirtschaftlich einem anderen gehört habe. Auch die Firmenbezeichnung der Gemeinschuldnerin habe nicht mit der nötigen Klarheit auf ein Treuhandkonto hingewiesen. Diese habe eigene, ihr als Vermieterin zustehende Forderungen eingezogen; dass sie dies im wirtschaftlichen Interesse der Kläger getan habe, reiche nicht aus, um den treuhänderischen Charakter des Mietkontos zu begründen.1089 Wer für Rechnung seines Auftraggebers einen Gegenstand von dritter Seite im eigenen Namen erwerbe, sei nur schuldrechtlich verpflichtet (Verschaffungsanspruch), den erworbenen Gegenstand auf den Auftraggeber zu übertragen. Ebenso sei der Auftragnehmer nur schuldrechtlich verpflichtet, die im eigenen Namen für Rechnung des Auftraggebers erwirtschafteten Gelder an diesen zu übereignen. Die Guthaben auf den zu diesem Zweck eingerichteten Konten stellten jedoch kein Treugut dar, welches der Auftraggeber aussondern könnte. Diese Entscheidung des BGH zeigt, dass eine Gläubigerbenachteiligung nicht B 498 schon dann zu verneinen ist, wenn ein auf dem Schuldnerkonto befindlicher Betrag – oder gar das gesamte Konto – einer bestimmten (schuldrechtlichen) Zweckbindung zugunsten eines Dritten unterlag („Sonderkonto“). Ein anfechtungsfestes Aussonderungsrecht ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn ein „echtes“ Treuhandverhältnis bestand.1090 Dementsprechend hat der BGH durch Urteil vom 24.6.20031091 entschieden, durch eine schuldrechtliche Vereinbarung, dass der bisherige Volleigentümer sein Eigentum nunmehr im Interesse eines anderen („Treugeber“) verwalte, erwerbe dieser kein Aussonderungsrecht in der Insolvenz des Eigentümers („Treuhänders“). Ein Aussonderungsrecht an einem Grundstück könne durch eine Treuhandvereinbarung ohne Vormerkung des Übereignungsanspruchs des Treugebers nicht begründet werden. Für die echte 1089 Vgl. dazu noch BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, MDR 2008, 470 = ZInsO 2008, 206 (keine Treuhand an Mietkaution). 1090 Vgl. Ganter, Festschrift für Kreft (2004), S. 251 ff. 1091 BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227 ff. = MDR 2003, 1254. Schfer

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B Rz. 498

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Treuhand sei es typisch, dass sie neben der schuldrechtlichen eine dingliche Komponente aufweise, indem die Rechte an einem Gegenstand auf den Treuhänder verlagert und ihm zugleich in der Weise anvertraut würden, dass er seine Befugnisse nur in einer inhaltlich mit dem Treugeber abgestimmten Art und Weise ausüben dürfe. Da beide rechtliche Elemente zusammengehörten, sei es verfehlt, das Aussonderungsrecht in Treuhandfällen allein aus der „quasi-dinglichen“ Rechtsstellung des Treugebers oder nur aus der schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen ihm und dem Treuhänder herzuleiten. B 499 Eine solche anfechtungsfeste Treuhand ist selbst im Falle eines treuhänderisch gebundenen Kredits – und erst Recht im Falle eines nur zweckgebundenen Kredits – im Grundsatz nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BGH können zwar vereinbarte Zweckbindungen gemäß § 851 Abs. 1 ZPO die Unpfändbarkeit der sie betreffenden Forderungen bewirken.1092 Darf etwa der Käufer eines Grundstücks den Kaufpreis nur auf ein debitorisch geführtes Konto bei einer Bank einzahlen, so unterliegt der Kaufpreisanspruch einer treuhänderischen Bindung, die sogar ein Gläubiger des Verkäufers gegen sich gelten lassen muss.1093 Eine Zuwendung des Schuldners an einen Dritten mittels zweckgebundenen Darlehens unterliegt jedoch der Insolvenzanfechtung, wenn die Zweckbindung nicht dem Schutz des Schuldners, sondern den Interessen des mit dem Darlehen befriedigten Gläubigers dient.1094 Dies veranschaulicht ein Urteil des BGH vom 7.6.2001:1095 BGH-Urteil vom 7.6.2001 – ZIP 2001, 1248 ff. B 500 Die Schuldnerin hatte bei dem verklagten Gerüstbauunternehmen Gerüstteile, einen Lagerplatz und ein Büro gemietet. Die daraus resultierenden Verbindlichkeiten der Schuldnerin betrugen Ende September 1996 ca. 260 000 DM. Diese schloss daraufhin am 4.10.1996 einen Darlehensvertrag mit der D-Bank über 115 000 DM, wobei die Beklagte die persönliche Mithaftung für die Darlehensrückzahlung übernahm. Es wurde zudem vereinbart, dass der zu gewährende Kredit ausschließlich zur Rückführung des Schuldsaldos auf dem Konto der Beklagten bei der Bank zu verwenden sei. Das Darlehen wurde auf dem Konto der Beklagten am 18.9.1996 gutgeschrieben. Dieses Konto wies am 18.9.1996 einen Schuldsaldo von ca. 110 000 DM auf. Nach der Verfahrenseröffnung am 9.6.1997 verlangte die Verwalterin die überwiesene Darlehenssumme von der Beklagten zurück. B 501 Der BGH ist nicht der Würdigung des Berufungsgerichts gefolgt, das eine Gläubigerbenachteiligung wegen der Zweckbindung des Darlehens verneint hatte. Er bestätigt zunächst, dass vereinbarte Zweckbindungen gemäß § 851 Abs. 1 1092 Vgl. BGH v. 26.4.2013 – IX ZR 220/11, ZIP 2013, 1288 f.; v. 7.6.2001 – IX ZR 195/00, MDR 2001, 1258 = ZInsO 2001, 661 ff.; Jaeger/Henckel, § 36 Rz. 25. 1093 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, MDR 2004, 1317 = ZIP 2004, 1509, 1510 f.; v. 20.11.1997 – IX ZR 152/96, MDR 1998, 237 = ZIP 1998, 294 (296 f.). 1094 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 213/06, MDR 2008, 770 = ZInsO 2008, 374 f. 1095 BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 195/00 – „Zweckbindung“, MDR 2001, 1258 = ZIP 2001, 1248 ff.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 504 B

ZPO die Unpfändbarkeit der von ihnen betroffenen Forderungen bewirken könnten. Er hat jedoch offengelassen, ob diese Rechtsfolge ganz allgemein oder nur unter der zusätzlichen Voraussetzung eintritt, dass der Zweckbindung treuhänderischer Charakter zukommt.1096 Darauf kam es in dem zu entscheidenden Fall nicht an, da die Masse durch die Leistung der Schuldnerin selbst dann verkürzt wurde, wenn der Darlehensanspruch aufgrund der Zweckbindung nicht pfändbar gewesen war. Obwohl Schuldbefreiungsansprüche nur an den Drittgläubiger abgetreten wer- B 502 den könnten (§ 399 Alt. 1 BGB) und deshalb gemäß § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar seien, gehörten sie zur Insolvenzmasse und wandelten sich bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Befreiungsgläubigers in einen Zahlungsanspruch um. Die aus der Unabtretbarkeit folgende Unpfändbarkeit des Befreiungsanspruchs diene nicht dem Schutz des Schuldners. Der Anspruch habe auch nicht zum Ziel, dem Drittgläubiger eine insolvenzfeste haftungsrechtliche Zuweisung zu verschaffen. Deshalb müsse der Vermögenswert dieses Anspruchs im Falle der Insolvenz desjenigen, dem der Befreiungsanspruch zustehe, der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehen. Ein infolge der Wirkung des § 851 ZPO nicht allgemein, sondern nur im Rahmen seiner Zweckbestimmung pfändbarer Anspruch bleibe nur dann massefrei, wenn die Unpfändbarkeit gerade dem Schutz des Schuldners diene.1097 bb) Zeitpunkt der Treugutentstehung Auch wenn nach den vorstehenden Ausführungen von einer „echten“ Treu- B 503 hand auszugehen ist, die den Treugeber im Grundsatz zur Aussonderung berechtigt, ist stets zu beachten, dass gleichwohl eine Gläubigerbenachteiligung gegeben sein kann, wenn das Treugut erst in den anfechtungsrelevanten Zeiträumen entstanden ist. Dies zeigt ein Urteil des BGH vom 24.5.2007:1098 BGH-Urteil vom 24.5.2007 – ZIP 2007, 1274 ff. Nachdem am 24.9.2002 ein Vollstreckungsbescheid über ca. 350 000 Euro gegen B 504 die MP ergangen war, erwirkte die MVS als Titelgläubigerin am 14.10.2002 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich des Geschäftskontos der MP bei einer Sparkasse. Da die MP zwischenzeitlich Einspruch eingelegt hatte, vereinbarten die MP – vertreten durch ihre Rechtsanwälte – und die MVS am 17.10.2002 die Aufhebung der Pfändung gegen eine von MP zu leistende Sicherheit. Zu diesem Zweck sollte die WWF – eine Tochtergesellschaft der MP – eine Forderung gegen das Bundesamt für Finanzen an MVS verpfänden. Das Bundesamt sollte nach dieser Vereinbarung mit befreiender Wirkung auf das Treuhandkonto der Rechtsanwälte zahlen können.

1096 Vgl. BGH v. 20.11.1997 – IX ZR 152/96, MDR 1998, 237 = WM 1998, 40 (41). 1097 HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 54. 1098 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05 – „Rechtsanwaltsanderkonto“, MDR 2007, 1157 = ZIP 2007, 1274 ff. Schfer

221

B Rz. 505

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 505 Die MVS gab das gepfändete Konto noch am 17.10.2002 frei. Am 20. und 22.11.2002 zahlte das Bundesamt insgesamt ca. 270 000 Euro auf das Anderkonto. Am 18.12.2002 beantragte die MP die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am 1.2.2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der MVS eröffnet, am 1.3.2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der MP. Die Rechtsanwälte weigerten sich, das Guthaben auf dem Treuhandkonto zugunsten von MP freizugeben, solange die Berechtigung der MVS nicht geklärt war. B 506 Der Kläger begehrte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der MP gegenüber dem Beklagten – dem Insolvenzverwalter der MVS – die Feststellung, dass ihm an dem Betrag auf dem Anderkonto keine Rechte zustünden. Hilfsweise beantragte er die Verurteilung des Beklagten zur Freigabe dieses Betrages. Das Berufungsgericht hatte die Klage als unbegründet angesehen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers führte zur Verurteilung des Beklagten nach dem Hilfsantrag. B 507 Anders als das Berufungsgericht geht der BGH vom Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO aus. Der Kläger habe unwidersprochen vorgetragen, „die Auszahlung der Forderung“ der WWF habe „unmittelbar auf deren Verbindlichkeiten gegenüber MP angerechnet“ werden sollen. Im Ergebnis habe daher die MP Forderungen gegen die WWF in entsprechender Höhe verloren, welche der Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten; dass die Forderungen der MP gegen die WWF von vornherein wertlos gewesen seien, habe der Beklagte nicht behauptet. B 508 Eine Gläubigerbenachteiligung scheide auch nicht etwa deshalb aus, weil die in der Treuhand bestehende Sicherheit nur das Pfändungspfandrecht der MVS an dem Bankguthaben der MP abgelöst hätte. Dies gelte unabhängig davon, ob dieses Pfändungspfandrecht anfechtbar begründet worden sei. Wie der Senat bereits entschieden habe,1099 komme ein anfechtungsrechtlich neutraler Sicherheitentausch dann nicht in Betracht, wenn das eine Recht erloschen sei, bevor das andere Recht begründet werde. Im vorliegenden Fall habe die MVS das gepfändete Konto am 17.10.2002 freigegeben. Ihre Treuhänderstellung – ihr Anspruch gegen die Rechtsanwälte aus § 667 BGB – sei zwar bereits mit dem Abschluss der Vereinbarung vom 17.10.2002 begründet gewesen; werthaltig sei ihre Rechtsposition jedoch erst mit der Überweisung der ca. 270 000 Euro auf das Anderkonto am 20. und 22.11.2002 geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ihr nur ein schuldrechtlicher Anspruch gegen MP zugestanden, der Zahlungen auf das Anderkonto in der vereinbarten Höhe zum Gegenstand gehabt habe. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre dieser Anspruch nur als Insolvenzforderung durchzusetzen gewesen. B 509 Die Treuhänderstellung der MVS sei inkongruent gewesen, da schon das Pfändungspfandrecht an dem Girokonto der MP, welches durch die Treuhandvereinbarung habe abgelöst werden sollen, inkongruent gewesen sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sei eine während der kritischen Zeit im Wege der 1099 BGH v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, MDR 2006, 1255 = ZInsO 2006, 493.

222 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 513 B

Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen.1100 Das Pfändungspfandrecht sei am 15.10.2002, also etwa zwei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 18.12.2002, erwirkt worden. Die anfechtbare Rechtshandlung – die Begründung der Treuhand zugunsten der B 510 MVS – sei im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag vom 18.12.2002 vorgenommen worden (§ 140 Abs. 1 InsO). Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen stellten der Abschluss der Vereinbarung vom 17.10.2002 (einschließlich der Treuhandabrede mit den Rechtsanwälten) einerseits und die Weisung an die WWF, für Zahlung auf das Rechtsanwaltsanderkonto zu sorgen andererseits, nicht Teile eines aus mehreren Akten bestehenden einheitlichen Rechtsgeschäfts dar. Grund- und Erfüllungsgeschäft seien auch anfechtungsrechtlich selbstständige Rechtshandlungen.1101 Bei mehreren Rechtshandlungen sei grundsätzlich jede Handlung auf ihre Anfechtbarkeit zu prüfen. Eine Rechtshandlung gelte erst in dem Zeitpunkt als vorgenommen, in dem ihre B 511 rechtlichen Wirkungen einträten. Dies sei der Fall, sobald eine Rechtsposition begründet worden sei, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste.1102 Erst mit dem Eingang der Zahlungen des Bundesamtes am 20. und 22.11.2002 auf dem Treuhandkonto sei das Treugut entstanden, auf das sich die Treuhandvereinbarung bezogen habe. Entscheidend für die Frage der Anfechtung war somit nicht der Zeitpunkt der B 512 Begründung des Treuhandverhältnisses, sondern der Moment der Entstehung des Treugutes. Die Treuhänderstellung war zwar bereits zum Zeitpunkt der Freigabe des gepfändeten Kontos begründet worden. Dies genügt jedoch nicht für die Annahme eines die Gläubiger des Schuldners nicht benachteiligenden Sicherheitentauschs. Denn die Rechtsposition aus der Treuhandvereinbarung wurde erst mit der Überweisung der gemäß § 667 BGB herauszugebenden Gelder auf das Anderkonto werthaltig.1103 cc) Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung Bei der Zahlung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung handelt der B 513 Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BGH nicht als Treuhänder des Arbeitnehmers.1104 Im Urteil vom 18.1.20071105 hat der BGH bekräftigt, dass es in der Regel an einem Treuhandverhältnis des Arbeitgebers gegenüber seinen 1100 Vgl. BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 ff.; v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, MDR 2009, 712 = ZIP 2009, 728 f. 1101 HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 12. 1102 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166. 1103 Anschaulich zu den Voraussetzungen einer echten Treuhand: Ganter, Festschrift für Kreft (2004), S. 251 ff. 1104 Vgl. BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (105 ff.) = MDR 2002, 418; v. 20.11.2001 – IX ZR 159/00, ZIP 2002, 228 ff.; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 ff. Rz. 32 = MDR 2004, 775; vgl. dazu noch BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, WM 2013, 51 ff.: Zahlung von Beiträgen für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Arbeitnehmer. 1105 BGH v. 18.1.2007 – IX ZR 176/05, MDR 2007, 738 = ZInsO 2007, 541 ff. Schfer

223

B Rz. 513

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Arbeitnehmern fehlt. Den Trägern der Sozialversicherung kommt weder aufgrund der Richtlinie 80/987/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 20.10.1980 noch aufgrund des § 266a StGB eine Sonderstellung im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts zu.1106 B 514 In seinem neueren Urteil vom 5.11.20091107 hat der BGH entschieden, dass auch unter der für die nach dem 1.1.2008 eröffneten Insolvenzverfahren geltenden Neufassung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden kann. Nach dieser Bestimmung gilt die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht. Der Arbeitgeber sei gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV alleiniger Schuldner der Krankenkasse, der auch im Umfang des Arbeitnehmeranteils gegen den Arbeitgeber nur ein schuldrechtlich wirkender Anspruch zustehe; dieser verschaffe ihr in der Gesamtvollstreckung keine Vorrechte gegenüber den anderen Gläubigern. Der Arbeitgeber zahle die Sozialversicherungsbeiträge aus seinem eigenen Vermögen. Die Begründung eines Treuhandverhältnisses setze mindestens voraus, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Lohnabrechnung vornehme, in der bestimmte Beträge als Abzüge aufgeführt seien, und dass diese als Guthaben des einzelnen Arbeitnehmers in den Buchhaltungsunterlagen des Arbeitgebers ausgewiesen würden sowie tatsächlich vorhanden seien. B 515 Sollte die Zahlung nach der Fiktion des Gesetzgebers als unmittelbar aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht gelten, so läge eine Tilgung der Arbeitgeberschuld durch Drittzahlung des Arbeitnehmers vor. Auch bei dieser Fallgestaltung wäre nach Ansicht des BGH ein eigenes Vermögensopfer des Arbeitgebers gegeben, welches zur Benachteiligung seiner Gläubiger führte. Für die fiktive Begründung einer eigennützigen Treuhand des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers fehlten hinreichend deutliche Anhaltspunkte.1108 B 516 Erweitere man die Fiktion in der Weise, dass der Zahlungsweg der Arbeitnehmeranteile vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer und von dort infolge einer fiktiven Rechtshandlung des Arbeitnehmers an das Endziel verlaufe, so wäre die Anteilsabführung nur gegenüber dem Arbeitnehmer anfechtbar. Damit würde aber nach Ansicht des BGH der Besitzstand des Arbeitnehmers entgegen der Intention des Gesetzgebers nicht gesichert, sondern im Gegenteil gefährdet. B 517 Sollte die Zahlung als mittelbar aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht gelten, so liefe die mittelbare Zuwendung vom Arbeitnehmer über den 1106 BGH v. 3.11.2005 – IX ZR 35/05, MDR 2006, 592 = ZInsO 2005, 1268 f.; v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = ZInsO 2006, 94 ff. 1107 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, MDR 2010, 469 = ZInsO 2009, 2293 ff.; bestätigt durch BGH v. 7.4.2011 – IX ZR 118/10, MDR 2011, 693 = ZIP 2011, 966 u. BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 74/15, juris Rz. 2. 1108 A.A. etwa v. d. Heydt, ZInsO 2008, 178 (183); Bräuer, ZInsO 2008, 169 (175); Kreft, Festschrift für Samwer (2008), S. 261, 272 f.

224 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 518 B

Arbeitgeber an die Einzugsstelle. Der unmittelbar zahlende Arbeitgeber wäre daher als Zahlungsmittler des Arbeitnehmers zu behandeln. In diese Rolle habe die Bundesregierung den Arbeitgeber bei der Lohnsteuerzahlung trotz eigener Abführungspflicht gemäß § 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG durch ihren mit § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV wortgleichen Vorschlag eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG in Art. 3 ihres Gesetzentwurfs vom 9.3.20061109 hineindrängen wollen. Voraussetzung der hier erörterten Rollenverteilung sei es aber, dass nach § 38 Abs. 2 EStG der Arbeitnehmer selbst Schuldner der Lohnsteuer sei, die der Arbeitgeber als Dritter gemäß § 267 BGB erfüllen könne. Es fehle jedoch an einem Beitragsteilschuldverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Einzugsstelle. Ergebe sich aus einer gesetzlichen Fiktion nicht die Rechtsfolge, auf die es der Gesetzgeber abgesehen habe, könne der Richter ihn nicht vor seinem Rechtsirrtum schützen. Der Entscheidung des BGH ist insoweit zuzustimmen, als Vorrechte zugunsten B 518 einzelner Gläubigergruppen nicht entgegen der Systematik der Insolvenzordnung durch die Hintertür eingeführt werden dürfen. Sein Urteil unterliegt gleichwohl Bedenken. Der Gesetzgeber wollte die Abführung der Arbeitnehmeranteile ersichtlich auf jedem anfechtungsrechtlich gangbaren Weg „retten“. Dies erscheint unter dem Gesichtspunkt des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO als möglich.1110 Es ist bei der gebotenen Berücksichtigung der zwischen den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen so anzusehen, als habe der Arbeitgeber die Arbeitnehmeranteile mit dem Arbeitslohn an die Arbeitnehmer ausgezahlt. Dies wäre als nicht anfechtbares Bargeschäft zu betrachten. Lediglich der Zahlungsweg wird (in Befolgung der gesetzlichen Bestimmungen) dadurch verkürzt, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmeranteile direkt an die Einzugsstelle abführt.1111 Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass – wie beim Vertrag zugunsten Dritter – auch sonstige „mittelbare Zuwendungen“ an den Schuldner vertraglich in ein Bargeschäft eingebunden werden könnten. Entrichte der Schuldner seine Leistung unmittelbar an einen Dritten, könne § 142 InsO – nur – eingreifen, wenn der Schuldner über weitere Personen vereinbarungsgemäß zeitnah einen vollen Ausgleich erhalte. Dies treffe zum Beispiel zu, wenn der Schuldner seine (Dritt-)Schuldnerin anweise, an seinen Lieferanten zu zahlen, der dafür dem Schuldner gleichwertiges Material liefere.1112 Allenfalls soweit der Arbeitgeber die einbehaltenen Arbeitnehmeranteile für die Sozialversicherung freiwillig abführe, könne diese Weiterleitung wie ein „durchlaufender Posten“ als Bestandteil der vertraglichen Gegenleistung gewertet werden, die er laufend den Arbeitnehmern für deren vollwertige Dienstleistung schulde.1113 Dies kommt der hier vertretenen Auffassung recht nahe.

1109 1110 1111 1112 1113

Vgl. BT-Drucks. 16/886 S. 13. Ebenso Kreft in Festschrift für Samwer (2008), S. 261 (272 f.). Vgl. dazu noch unten Rz. B530. MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 9. Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 5b mit dem zutreffenden Hinweis, dass der BGH nur darauf abstelle, dass die Arbeitsleistung nicht aus dem Vermögen des Hoheitsträgers stamme, aber nicht eine mögliche Dreiecksbeziehung in den Blick nehme. Schfer

225

B Rz. 519

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

dd) Lohnsteuer B 519 Auch die Abführung der Lohnsteuer an das Finanzamt in den kritischen Anfechtungszeiträumen wirkt nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig gläubigerbenachteiligend.1114 Zwar seien – anders als bei den Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV – Schuldner der Lohnsteuer gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG allein die Arbeitnehmer. Die entsprechenden Beträge seien ferner Teil des dem Arbeitnehmer zustehenden Lohns, auf den er einen arbeitsvertraglichen Anspruch habe. Die Leistung der Lohnanteile an das Finanzamt erfolge jedoch ebenso wie die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge aus dem Vermögen des Arbeitgebers. Auch die steuerrechtliche Verpflichtung zur Führung von Lohnkonten gemäß §§ 41 Abs. 1 EStG, 4 LStDV diene allein dem Zweck, die Erfüllung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht zu belegen und dadurch die Nachprüfung zu erleichtern. Sie bewirke kein in der Insolvenz zu beachtendes Aussonderungsrecht zugunsten der Arbeitnehmer. B 520 Der Bundesfinanzhof vertritt insoweit jedoch eine andere Auffassung.1115 Seiner Auffassung nach ist ein Bargeschäft gegeben, da die Lohnsteuerabzugsbeträge zum Arbeitslohn gehörten. Die Lohnsteuer stelle ein aufgrund der steuerrechtlichen Bestimmungen nicht direkt an die Arbeitnehmer auszuzahlendes Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung dar, so dass die Entrichtung an das Finanzamt ebenso wenig wie die Auszahlung des Nettolohnes an die Arbeitnehmer als eine objektive Benachteiligung der übrigen Gläubiger des Arbeitgebers angesehen werden könne. ee) Sicherungstreuhand an Altersteilzeitguthaben B 521 Wird zur Absicherung eines Altersteilzeitguthabens eine sogenannte „Doppeltreuhand“ vereinbart, so ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.7.20131116 die zugunsten des Arbeitnehmers vereinbarte Sicherungstreuhand in der Regel insolvenzfest und begründet in der Insolvenz des Arbeitgebers (Treugebers) ein Absonderungsrecht an dem Sicherungsgegenstand. f) Andere Fallgestaltungen aa) Lebensversicherung, speziell Direktversicherung B 522 Überträgt ein Arbeitgeber die Rechte aus einer Rückdeckungsversicherung, die zur Finanzierung einer Versorgungszusage geschlossen wurde, dem begünstigten Arbeitnehmer unter der aufschiebenden Bedingung, dass ein Vergleichsoder Konkursantrag gestellt wird, so ist eine solche Forderungsabtretung nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.6.19781117 in der Regel wegen Gläubigerbenachteiligung anfechtbar. 1114 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 ff. = MDR 2004, 775; v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = ZIP 2006, 290 ff. Rz. 15. 1115 Vgl. BFH v. 11.8.2005 – VII B 244/04, GmbHR 2005, 1514 = ZInsO 2005, 1105 ff. sowie zuvor schon BFH/NV 1999, 745 – a.A. Kayser, ZIP 2007, 49 ff. 1116 BAG v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 ff. 1117 BAG v. 16.6.1978 – 3 AZR 783/76, BB 1978, 1363.

226 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 526 B

Hat der insolvente Versicherungsnehmer die Ansprüche aus einer Lebensver- B 523 sicherung, die der Versicherte finanziert hat, insolvenzfest an den Versicherten abgetreten, so benachteiligt die Verrechnung der eingezogenen Lebensversicherung mit einem Restdarlehen des Schuldners nicht dessen Insolvenzgläubiger.1118 Zahlt der Schuldner eine Versicherungsprämie für seinen privaten Krankenversicherungsvertrag in bar aus einem nach § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO unpfändbaren Geldbetrag, fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung.1119 Der BGH weist ferner darauf hin, dass die gesetzlichen Regelungen über die Folgen des Rückstandes des Versicherungsnehmers mit Versicherungsprämien keinen Grund geben, Zahlungen auf Versicherungsprämien von den allgemein geltenden Regelungen der Insolvenzanfechtung auszunehmen.1120 Räumt der Schuldner als Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung einem B 524 Dritten ein widerrufliches Bezugsrecht ein, so wird dieses mit dem Tod des Schuldners unwiderruflich. Die Versicherungssumme fällt nach Ansicht des BGH nicht in den Nachlass. Sie steht vielmehr dem Begünstigten direkt aus dem Vermögen des Versicherers zu.1121 Ist der Schuldner innerhalb der kritischen Anfechtungszeiträume verstorben, so ist der Anfall der Versicherungssumme anfechtbar. Da sich der Schuldner durch die Erteilung einer widerruflichen Bezugsberechti- B 525 gung noch keiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag begeben hat, gilt die Rechtshandlung anfechtungsrechtlich erst dann als vorgenommen (vgl. § 140 Abs. 1 InsO), wenn der Versicherungsfall eingetreten ist. Zuvor hat der Bezugsberechtigte keine insolvenzfeste Rechtsposition inne, sondern nur eine ungesicherte Hoffnung auf die später einmal fällig werdende Versicherungssumme.1122 Der BGH folgt nicht der noch vom Reichsgericht vertretenen und auch im frü- B 526 heren Schrifttum befürworteten Auffassung,1123 wonach als gläubigerbenachteiligend nur die im Anfechtungszeitraum des § 134 Abs. 1 InsO geleisteten Prämienzahlungen zurückzugewähren seien. Denn diese Ansicht beruhe auf einer unzutreffenden Bestimmung des Gegenstandes des Anfechtungsanspruchs bei einer mittelbaren Zuwendung. Mittelbare Zuwendungen seien so zu behandeln, als hätte die Zwischenperson an den Schuldner geleistet und dieser sodann den Dritten befriedigt. Es komme daher anfechtungsrechtlich nicht darauf an, welche Mittel der Schuldner als Versprechensempfänger aufgebracht, son-

1118 Vgl. BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/05, veröffentlicht bei juris; Kirchhof, WM 2008, Sonderbeilage Nr. 1 S. 32. 1119 BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, ZIP 2016, 1206 ff. 1120 BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15 Rz. 13. 1121 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. Rz. 12 = MDR 2004, 596; vgl. dazu noch BGH v. 20.9.1995 – XII ZR 16/94, BGHZ 130, 377 (380) = MDR 1995, 1232 = FamRZ 1995, 1562. 1122 Vgl. BGH v. 22.3.1984 – IX ZR 69/83, MDR 1984, 933 = FamRZ 1984, 666 = NJW 1984, 1611; v. 18.7.2002 – IX ZR 264/01, MDR 2002, 1455 = NJW 2002, 3253 ff. 1123 Vgl. RGZ 51, 404; 61, 217 (219 f.) sowie Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 32 KO Rz. 9. Schfer

227

B Rz. 526

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

dern welche Leistungen der Versprechende nach dem Inhalt seiner Vertragsbeziehung zum Schuldner bei Eintritt der Fälligkeit habe erbringen müssen, mit anderen Worten, welche Zuwendung an den Dritten der Versprechensempfänger mit den von ihm aufgewendeten Vermögenswerten „erkauft“ habe. Diese sei durch die Leistung an den Dritten der Masse entzogen worden. Übertragen auf den Lebensversicherungsvertrag bedeute dies, dass die anfechtbare Leistung nicht in der Summe der vom Versicherungsnehmer aufgebrachten Prämien, sondern in der dem Dritten ausbezahlten Versicherungssumme zu sehen sei.1124 B 527 Die Annahme des BGH, die Versicherungssumme stehe dem von Anfang an unwiderruflich Begünstigten direkt aus dem Vermögen des Versicherers zu, unterliegt Bedenken; sie trifft zumindest anfechtungsrechtlich nicht zu.1125 Diese Ansicht ist mit denselben Problemen befrachtet, wie die Auffassung, im Falle der (anfechtungsfesten) Vorausabtretung einer künftigen Forderung finde mit dem Entstehen der Forderung ein Direkterwerb des Zessionars statt, zu der sich der BGH zu Recht bis heute nicht bekannt hat.1126 Der Bundesfinanzhof geht davon aus, dass die Vorausverfügung über ein Vollrecht durch einen Nichtberechtigten im Sinne des § 185 Abs. 2 BGB sowohl zivil- als auch steuerrechtlich zu einem Durchgangserwerb für eine sogenannte „juristische Sekunde“ führt.1127 Es erscheint aber nicht gerechtfertigt, den Erwerb eines Rechts, das es noch gar nicht gibt, hinsichtlich der Frage des Durchgangserwerbs anders zu behandeln als den Erwerb eines Rechts, das bereits existiert und nur nicht dem Verfügenden zusteht. Die Verfügungsmacht ist nicht nur an die Person, sondern jedenfalls auch an den Gegenstand geknüpft. Solange es den Gegenstand (noch) nicht gibt, gibt es auch keine Verfügungsmacht.1128 Einen Abtretungsvertrag kann man dennoch schon abschließen; er entfaltet jedoch noch keine Wirkung. Das gedankliche Konstrukt einer Verfügungsmacht über ein noch nicht existierendes Recht, die mit der Vorausverfügung sogleich wieder entfallen, dem Erwerber aber dennoch das künftige Recht trotz zwischenzeitlich angeordneter Verfügungsbeschränkung insolvenzfest verschaffen soll, überzeugt nicht.1129 Zumindest anfechtungsrechtlich kommt es aber auch nach Ansicht des BGH darauf an, wann das künftige Recht entstanden ist. Er sieht die anfechtungsrechtlich entscheidende Wirkung bei der Vorausabtretung, der Verpfändung und der Pfändung einer künftigen Forderung nicht schon in der Verfügung, sondern erst in der Entstehung der Forderung.1130 Der künftige Anspruch auf Auszahlung der (gesam-

1124 1125 1126 1127 1128

BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. Vgl. dazu MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 52; Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 29. Vgl. Erman/H. P. Westermann, 13. Aufl., § 398 Rz. 13. BFH v. 16.5.1995 – VIII R 33/94, FR 1995, 865 = NJW 1996, 1079 f. Vgl. Schwerdtner, NJW 1974, 1785 (1788) – a.A. BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZInsO 2009, 2336 ff. Rz. 11. 1129 Vgl. dazu B. Schäfer, ZInsO 2007, 18 ff.; Eckardt, ZIP 1997, 957 (961); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 7.38a sowie BGH v. 5.1.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544 f.; v. 30.5.1958 – V ZR 295/56, BGHZ 27, 360 (366 f.). 1130 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f.; v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 (2082).

228 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 531 B

ten) Versicherungssumme1131 entsteht aber nicht schon mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages. Nur wenn man von einer Teilbarkeit der Versicherungsleistung – ähnlich wie B 528 beim Werkvertrag1132 – ausgeht, kann man annehmen, der unwiderruflich Begünstigte habe anfechtungsrechtlich gesehen bereits vor dem Eintritt des Versicherungsfalles eine gesicherte Rechtsstellung inne. Dies gilt aber nicht schon mit der Benennung als unwiderruflich Begünstigter im Versicherungsvertrag, sondern erst sukzessive mit den einzelnen Prämienzahlungen durch den Versicherungsnehmer. Außerhalb der Anfechtungszeiträume hat der Begünstigte die Versicherungsleistung (genauer: den Rückkaufswert) anfechtungsfest erworben. Während der Anfechtungszeiträume unterliegen die Prämienzahlungen des Schuldners zum Schutz seiner Gläubiger gegebenenfalls der Anfechtung. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18.1.20071133 stellt B 529 die Entgeltumwandlung im Rahmen einer Direktversicherung, die der Arbeitgeber zugunsten seines Arbeitnehmers abgeschlossen hat, kein treuhänderisches Rechtsgeschäft dar. Von einer treuhänderischen Berechtigung des Arbeitgebers an den Prämien könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zahlungsabkürzung ausgegangen werden, denn zu einer solchen komme es bei der gewählten Form der betrieblichen Altersversorgung gerade nicht. Schuldner der Versicherungsbeiträge sei allein der Arbeitgeber als Vertragspartner des Versicherers; lediglich die Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung geschehe in der Weise, dass Teile des Entgeltanspruchs in einen Anspruch auf Zahlung der Versicherungsbeiträge umgewandelt würden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat daher die in der Krise geleisteten Prämienzahlungen als anfechtbar angesehen. Die Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe überzeugt nicht. Unabhängig B 530 von der Frage, ob sich die Annahme eines Treuhandverhältnisses begründen lässt, wird man jedenfalls im Ergebnis nicht an der Erwägung vorbeikommen, dass ein Arbeitnehmer, der einen Teil des ihm zustehenden Arbeitsentgelts durch Entgeltumwandlung im Wege der abgekürzten Zahlung für Zwecke der Altersversorgung einsetzt, anfechtungsrechtlich nicht schlechter gestellt sein darf als jener Arbeitnehmer, der sich die entsprechenden Entgeltteile als Arbeitsentgelt auszahlen lässt. Im letzteren Fall aber scheidet eine Anfechtung unter dem Gesichtspunkt des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO aus, da im Gegenzug für das Arbeitsentgelt die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in das Vermögen des Arbeitgebers gelangt ist.1134 Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat durch Urteil vom 6.3.19921135 entschie- B 531 den, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich einer durch Gehaltsumwandlung

1131 Vgl. BGH v. 23.10.2008 – VII ZB 16/08, MDR 2009, 105 = WM 2008, 2265 ff. Rz. 7. 1132 Vgl. BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 ff. 1133 OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 ff.; kritisch dazu B. Schäfer, NZI 2008, 151 ff. 1134 Vgl. dazu Kreft, Festschrift für Samwer (2008), S. 261 (273) sowie oben Rz. B152 ff. 1135 OLG Düsseldorf v. 6.3.1992 – 17 U 201/91, NJW-RR 1992, 798 ff. Schfer

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B Rz. 531

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

selbst finanzierten Direktversicherung im Konkurs des Arbeitgebers auch dann ein Aussonderungsrecht habe, wenn abweichend vom Normalfall einer „Gehaltsumwandlungsversicherung“ dem Arbeitnehmer nicht von vornherein ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden sei. Der Arbeitgeber sei als uneigennütziger Treuhänder des Arbeitnehmers anzusehen. Durch den Verzicht auf den Barlohn übertrage der Arbeitnehmer aus seinem Vermögen einen entsprechenden Gegenwert in das Vermögen des Arbeitgebers, und zwar mit der Abrede, dass dieser den übertragenen Vermögensgegenstand in Form von Beitragsleistungen zwar im eigenen Namen, jedoch nicht zu seinem eigenen Vorteil, sondern vielmehr zum Vorteil des Arbeitnehmers verwalten solle. bb) Spezialfall verbundenes Geschäft B 532 Nachdem der BGH entschieden hat, dass ein Darlehensvertrag und ein Restschuldversicherungsvertrag ein verbundenes Geschäft bilden können, wenn die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB gegeben sind,1136 haben die Fälle zugenommen, in denen Verwalter bzw. Treuhänder nach erklärtem Widerruf der Willenserklärung des Schuldners von der Bank bzw. von der Versicherung die Rückzahlung der Restschuldversicherungssumme verlangen. Fraglich ist insoweit (u.a.) das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5.11.20091137 zeigt: Urteil des OLG Düsseldorf vom 5.11.2009 – ZIP 2010, 617 ff. (abgewandelt) B 533 Der Schuldner nahm durch Vertrag vom 5.7.2004 bei der B-Bank ein Darlehen in Höhe von ca. 29 000 Euro auf und erhielt davon ca. 23 000 Euro ausbezahlt. Die restlichen ca. 6000 Euro dienten als Einmalbetrag für eine am gleichen Tag abgeschlossene Restschuldversicherung bei der Beklagten, die mit der B-Bank beim Vertrieb von Versicherungen systematisch zusammenarbeitete. Am 12.2.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Treuhänder bestellt. Mit Schreiben vom 18.4.2008 focht der Kläger die Zahlung von 6000 Euro an die Beklagte gegenüber dieser gemäß § 133 Abs. 1 InsO mit der Begründung an, dass der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe und dies der Beklagten auch bekannt gewesen sei. B 534 Eine Rechtshandlung des Schuldners im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO ist gegeben. Denn die B-Bank zahlte auf Veranlassung des Schuldners ca. 6000 Euro an die Beklagte als Vertragspartner des Schuldners. Fraglich könnte sein, ob durch die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt wurden. Dazu hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, dass dem Schuldner nur ein Anspruch auf Rückerstattung der aus seinem eigenen Vermögen erbrachten 1136 Vgl. BGH v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, MDR 2010, 335 = NotBZ 2011, 126 m. Anm. Krause = ZIP 2010, 220 ff. 1137 OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – 6 U 27/09 – „Restschuldversicherung“, MDR 2010, 456 = ZIP 2010, 617 ff. – abgewandelt, da kein Anfechtungsfall; vgl. dazu noch OLG Celle v. 19.1.2011 – 3 U 140/10, veröffentlicht bei juris; AG Göttingen v. 26.2.2010 – 21 C 147/09, ZIP 2010, 619 f. und nachfolgend LG Göttingen v. 18.8.2010 – 8 S 3/11, veröffentlicht bei juris.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 536 B

Leistungen zustehe. Die gesetzliche Regelung solle nicht zu einer Bereicherung des Verbrauchers um einen Vermögenswert führen, der – wie die unmittelbar von der B-Bank an die Versicherung geflossenen Prämien – nie zu seinem Vermögen gehört habe.1138 Bei der anfechtungsrechtlichen Beurteilung greift diese Erwägung des Oberlan- B 535 desgerichts Düsseldorf jedoch im Grundsatz nicht durch.1139 Denn der BGH hat in seinem Urteil vom 6.10.20091140 zur Zahlung im Wege der geduldeten Kontoüberziehung entschieden, dass die nach § 143 Abs. 1 InsO zurück zu gewährenden Werte nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen müssen. Anfechtbar können vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger „verschiebt“, ohne notwendigerweise mit diesem in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten (mittelbare Zuwendungen). Für den Dritten muss allerdings erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte. Die mittelbare Zuwendung kann aber nur infolge und nach Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt werden.1141 Der BGH1142 hat aber nunmehr entschieden, dass die ohne den Eintritt des Darlehensgebers in das Rückabwicklungsverhältnis bestehenden Ansprüche des Verbrauchers gegen den Unternehmer und des Darlehensgebers gegen den Verbraucher aufgrund des in § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB a.F. angeordneten Eintritts des Darlehensgebers kraft Gesetzes erlöschen, soweit das Darlehen dem Unternehmer zugeflossen ist. Danach beschränkt sich die Möglichkeit des Schuldners, vom Darlehensgeber auch die dem Unternehmer des verbundenen Geschäfts gewährten Leistungen zurückzuverlangen, nach Sinn und Zweck des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB a.F. auf den Teil der Leistungen, den der Schuldner aus eigenem Vermögen erbracht hat.1143 Dazu gehört nicht die aus dem Darlehensbetrag an den Versicherer gezahlte Versicherungsprämie für die Restschuldversicherung. 6. Aufrechnung und Verrechnung a) Allgemeines Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Aufrechnung unzulässig und damit unwirk- B 536 sam, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Unter der Geltung der Insolvenzordnung bedarf es daher keiner Anfechtung der Herbeiführung der Aufrechnungs1138 Vgl. OLG Düsseldorf v. 5.11.2009 – 6 U 27/09, MDR 2010, 456 = ZIP 2010, 617 ff. Rz. 23. 1139 A.A. zu Recht auch im Rahmen des § 358 Abs. 4 BGB: AG Göttingen v. 26.2.2010 – 21 C 147/09, ZIP 2010, 619 f. – a.A. LG Göttingen v. 18.8.2011 – 8 S 3/10, ZIP 2011, 2160 ff. 1140 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. 1141 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. 1142 BGH v. 3.3.2016 – IX ZR 132/15, NJW 2016, 2118. 1143 BGH v. 3.3.2016 – IX ZR 132/15 Rz. 32, NJW 2016, 2118. Schfer

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B Rz. 536

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

bzw. Verrechnungslage mehr, um die Folgen der Aufrechnung bzw. Verrechnung zu vermeiden, auch wenn die Aufrechnung schon vor der Insolvenzeröffnung erklärt wurde.1144 Der Insolvenzverwalter kann die massezugehörige Forderung gegen den Insolvenzgläubiger unmittelbar durchsetzen, wobei er jedoch an die für die Anfechtung geltende Verjährungsfrist gemäß § 146 InsO gebunden ist.1145 B 537 Allerdings greift § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur ein, wenn einer der Anfechtungstatbestände verwirklicht ist, und diese setzen gemäß § 129 Abs. 1 InsO allesamt voraus, dass die Insolvenzgläubiger durch den fraglichen Vorgang benachteiligt werden.1146 Anfechtbar ist in der Regel nicht die Aufrechnungserklärung als solche, sondern die Herbeiführung der Aufrechnungslage,1147 weil die rechtsgestaltende Aufrechnung die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt, wenn die ihr zugrundeliegende Aufrechnungslage materiell- und insolvenzrechtlich wirksam herbeigeführt wurde.1148 Gläubigerbenachteiligend wirkt im Grundsatz jeder auf einer Rechtshandlung beruhende Forderungserwerb und jede Forderungsbegründung gegen den in der Krise befindlichen künftigen Insolvenzschuldner, wenn der Forderungserwerber seinerseits Schuldner des Insolvenzschuldners ist.1149 Denn in diesen Fällen erlangt der Forderungserwerber im Wege der Aufrechnung volle Befriedigung für seine Gegenforderung, während ihm ansonsten nur eine Insolvenzforderung zugestanden hätte. B 538 Als gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung kommt somit grundsätzlich jedes Rechtsgeschäft in Betracht, das zum anfechtbaren Erwerb einer Gläubigeroder Schuldnerstellung führt. Eine solche Rechtshandlung liegt insbesondere dann vor, wenn der Aufrechnende als Schuldner im Wege der Abtretung eine Forderung erlangt hat. Ebenso können die gläubigerbenachteiligenden Wirkungen von Rechtshandlungen Dritter anfechtbar sein, die – wie etwa die Beantragung von Insolvenzausfallgeld – kraft eines gesetzlichen Forderungsübergangs dem Aufrechnenden eine Gläubigerstellung verschaffen.1150 B 539 Auch Realakte, also gewollte reine Tathandlungen, die rechtserheblich sind, ohne dass es darauf ankommt, ob gerade der konkret eingetretene Rechtserfolg angestrebt war, können zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger führen.1151 Gläubigerbenachteiligend ist daher auch die Entgegennahme von Werk1144 BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, MDR 2007, 1281 = ZInsO 2007, 813 f. Rz. 11. 1145 Vgl. BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158 ff. 1146 BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985, 364 (365); v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZInsO 2005, 932 ff. Rz. 7. 1147 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZInsO 2009, 2334 ff. Rz. 11; v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. = MDR 2009, 350 Rz. 12; v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, MDR 2004, 353 = ZIP 2003, 2370 (2371). 1148 Vgl. BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336 (344) = MDR 1996, 161; MKInsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rz. 148. 1149 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 148; Häsemeyer in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 656 Rz. 34. 1150 BGH v. 24.6.2010 – IX ZR 125/09, ZInsO 2010, 1378 f. Rz. 9; v. 24.6.2010 – IX ZR 97/09, NZI 2010, 903 Rz. 9; v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZIP 2010, 90 ff. Rz. 16 ff. 1151 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 12; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 22.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 542 B

leistungen in der Krise des Schuldners, welche die Aufrechnungslage herbeiführt und dem Gläubiger die Aufrechnung mit einer Gegenforderung erst ermöglicht.1152 Denn die mit dem Abschluss eines Werkvertrages „entstandene“ (bzw. besser: begründete) Aufrechnungslage bringt dem Anfechtungsgegner noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen. Solange der Schuldner nichts geleistet hat, wofür der Gläubiger eine Vergütung schuldet, besteht für ihn keine Befriedigungsmöglichkeit im Wege der Aufrechnung. Die Aufrechnungslage als Befriedigungsmöglichkeit entsteht vielmehr erst durch die Inanspruchnahme der Leistung des Schuldners. Es kommt also darauf an, wann dessen Forderung werthaltig geworden ist. Erst dann sind im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO die rechtlichen Wirkungen eingetreten, die für die Beurteilung der Aufrechnungslage nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO maßgebend sind.1153 Eine vertragliche Verrechnungsvereinbarung führt zu einer Benachteiligung der B 540 Insolvenzgläubiger, wenn die Verrechnungslage innerhalb der kritischen Anfechtungszeiträume herbeigeführt wurde. Maßgebend ist insoweit der Zeitpunkt, zu dem die Forderungen einander aufrechenbar gegenübergetreten sind. Dies ist bei der auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützten Verrechnung nicht der Fall, solange die Verrechnung nicht erklärt wurde.1154 Wichtig für das Verständnis der neueren Rechtsprechung des BGH zur Anfecht- B 541 barkeit der Herbeiführung einer Aufrechnungslage ist ferner dessen neueres Urteil vom 7.5.2013.1155 Danach ist die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers gemäß § 89b HGB insolvenzrechtlich unwirksam, wenn der Unternehmer den Vertrag gekündigt hat, weil der Handelsvertreter bzw. Vertragshändler einen Insolvenzantrag gestellt hat. Erst die Kündigung führte zur Möglichkeit der Aufrechnung, welche den Ausgleichsanspruch der Gesamtheit der Gläubiger entzog. § 95 Abs. 1 InsO, wonach ein Insolvenzgläubiger auch mit einer im Zeitpunkt B 542 der Eröffnung aufschiebend bedingten oder noch nicht fälligen Forderung aufrechnen könne, sobald die Aufrechnungsvoraussetzungen eingetreten seien, erfasse zwar auch Fälle, in denen eine gesetzliche Voraussetzung für das Entstehen der Forderung fehle. Voraussetzung sei dann aber, dass die Forderung in ihrem rechtlichen Kern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert sei und fällig werde, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung bedürfe.1156 Diese Voraussetzungen seien in der Insol-

1152 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 11 f.; v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, ZIP 2001, 2055 ff. 1153 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 13; v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, ZIP 2001, 2055 (2056); HK-InsO/Kayser, § 96 Rz. 57. 1154 Vgl. BGH v. 15.7.2004 – IX ZR 224/03, BGHZ 160, 107 ff. Rz. 14; OLG Köln v. 28.4.1995 – 25 U 17/94, ZIP 1995, 850 (851); Lüke in Kübler/Prütting/Bork, § 94 Rz. 77. 1155 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180 f. 1156 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180 f. Rz. 11; v. 8.1.2009 – IX ZR 217/07, ZIP 2009, 380 ff. Rz. 32; v. 29.6.2006 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1 (4). Schfer

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B Rz. 542

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

venz des Handelsvertreters oder Vertragshändlers nicht erfüllt, denn gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bestehe der Handelsvertreter- oder Vertragshändlervertrag mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Der BGH ist damit ausdrücklich von seinem früheren Urteil vom 27.5.20031157 abgerückt, wonach es unerheblich sein sollte, dass ein Rückzahlungsanspruch erst nach Ausübung des Rücktrittsrechts entsteht. B 543 Aufrechnungen bzw. Verrechnungen der Bank im Kontokorrent1158 führen zu keiner Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, wenn und soweit die Bank den Schuldner in den kritischen Anfechtungszeiträumen unter Fortführung der Giroabrede vereinbarungsgemäß in engem zeitlichem Zusammenhang mit Geldeingängen wieder über die gutgeschriebenen Beträge verfügen lässt. In diesem Fall ist ein unanfechtbares Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO gegeben.1159 Der BGH stellt in diesem Zusammenhang keine „vereinzelnde“ Betrachtungsweise1160 an; er hebt vielmehr darauf ab, inwieweit im gesamten Anfechtungszeitraum die Summe der Geldeingänge jene der Geldausgänge überstiegen hat.1161 Soweit die Bank Zahlungseingänge auf dem schuldnerischen Konto mit ihren Forderungen gegen den Schuldner verrechnet, werden dessen Gläubiger benachteiligt.1162 b) Einzelfälle B 544 Eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger ist in dem praktisch bedeutsamen Fall gegeben, dass sich jemand dadurch zum Gläubiger des in der Krise befindlichen Schuldners macht, dass er von diesem Waren ankauft oder Dienstleistungen in Anspruch nimmt, um sich anschließend im Wege der Aufrechnung volle Befriedigung für seine Forderung zu verschaffen, die ansonsten nur als Insolvenzforderung hätte geltend gemacht werden können. Der Insolvenzverwalter ist in diesem Fall nicht darauf verwiesen, den Vertragsschluss des Schuldners mit dem Gläubiger anzufechten; er kann vielmehr die Wirkungen der Anfechtung auf die Herbeiführung der Aufrechnungslage beschränken.1163 Die Insolvenzgläubiger werden allerdings in diesen Fällen durch die Herbeiführung der Aufrechnungslage nicht benachteiligt, wenn dem Käufer zuvor bereits insolvenzbeständiges Sicherungseigentum an den Kaufgegenständen zustand.1164

1157 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87 (93 f.). 1158 Vgl. dazu näher unten Rz. C40 ff. 1159 Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff.; v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, ZIP 1999, 665 ff.; Bork in Festschrift für G. Fischer (2008), S. 41 ff.; Steinhoff, ZIP 2000, 1141 ff. 1160 Vgl. dazu BGH v. 11.3.2010 – IX ZR 104/09, ZIP 2010, 793 ff. Rz. 10. 1161 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 f.; v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. 1162 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZIP 2009, 1124 f.; v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, ZIP 2008, 237 f. 1163 BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013; v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884 f. 1164 Vgl. BGH v. 22.7.2004 – IX ZR 270/03, MDR 2005, 171 = ZInsO 2004, 1028 ff.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 549 B

Verkauft der spätere Insolvenzschuldner kurz vor dem Eröffnungsantrag an ei- B 545 nen Gläubiger Gegenstände, so werden die Insolvenzgläubiger durch die zugunsten des Käufers hergestellte Aufrechnungslage auch dann benachteiligt, wenn der Käufer vom Schuldner umfangreiche Pflichten gegenüber Dritten übernimmt, weil dies nicht allein Folge der anfechtbaren Rechtshandlung in Form der Herstellung der Aufrechnungslage ist.1165 Verkauft der Schuldner in den kritischen Anfechtungszeiträumen an einen In- B 546 solvenzgläubiger Gegenstände, die er einem anderen Gläubiger zur Sicherheit übereignet hatte und die dieser zur Veräußerung nur an diesen Käufer „freigibt“, so werden die Insolvenzgläubiger im Allgemeinen durch die dadurch zugunsten des Käufers hergestellte Aufrechnungslage benachteiligt.1166 Eine Gläubigerbenachteiligung ist ferner gegeben, wenn die kreditgewährende B 547 Bank Zahlungen Dritter, die auf dem debitorischen Schuldnerkonto eingehen, mit ihren Forderungen gegen den Schuldner verrechnet. Anders ist dies nach der Rechtsprechung des BGH jedoch dann, wenn der Schuldner seine Forderungen gegen den Dritten zuvor insolvenzfest sicherungshalber an die Bank abgetreten hatte oder wenn der Bank andere insolvenzfeste Sicherungsrechte – etwa ein Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken – zustanden.1167 Eine gläubigerbenachteiligende Aufrechnung der Bank ist nicht gegeben, wenn B 548 sie den Schuldner unter Fortführung der Giroabrede vereinbarungsgemäß in engem zeitlichem Zusammenhang mit den Geldeingängen wieder über die gutgeschriebenen Beträge verfügen lässt.1168 Die Insolvenzgläubiger werden jedoch benachteiligt, wenn die Bank in der Krise des Schuldners mit einer außerhalb des Kontokorrentverhältnisses begründeten Forderung gegenüber dem Anspruch auf Auszahlung des Bankguthabens aufrechnet.1169 Ausgeschlossen ist die Aufrechnung des Gläubigers mit seinen vor der Stellung B 549 des Insolvenzantrages begründeten Ansprüchen gegen Forderungen des Schuldners, die auf Werkleistungen beruhen, welche nach der Stellung des Insolvenzantrages erbracht wurden, sofern der Gläubiger Kenntnis vom Eröffnungsantrag hatte. Denn allein die mit dem Abschluss des Werkvertrages entstandene Aufrechnungslage bringt dem Auftraggeber noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen. Solange der Unternehmer nichts geleistet hat, wofür eine Vergütung geschuldet ist, kann sich der Auftraggeber wegen fälliger Gegenforderungen keine Befriedigung im Wege der Aufrechnung verschaffen.1170

1165 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884 f. 1166 BGH v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, MDR 2004, 353 = ZIP 2003, 2370 ff. 1167 BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 246/82, MDR 1983, 930 = NJW 1983, 2147 (2149); MKInsO/Kayser, § 129 Rz. 150. 1168 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff. sowie zuvor schon BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 353/98, MDR 1999, 818 = ZInsO 1999, 289 ff. 1169 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294. 1170 Vgl. BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, MDR 2002, 355 = ZIP 2001, 2055 ff.; v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff. Schfer

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B Rz. 550

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

c) Antezipierte Verrechnungsvereinbarungen B 550 Nach der umstrittenen1171 Rechtsprechung des BGH soll § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht anwendbar und eine Anfechtung ausgeschlossen sein, wenn die Ansprüche der Gesellschafter einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) durch Kontenangleichung verrechnet werden. § 387 BGB setze zwei selbständige Forderungen voraus, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stünden und gleichartig seien. Dies treffe auf unselbständige Rechnungsposten, die „gebunden und gelähmt“ seien, nicht zu. Der Insolvenzverwalter könne daher bei vertragsgerechtem Verhalten der Gesellschafter in der Krise nur ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben des insolventen Gesellschafters zur Masse ziehen.1172 Diese Auffassung des BGH überzeugt nicht. Er behandelt die gesellschaftsrechtlich vereinbarte Verrechnung und die bankrechtlich vereinbarte Kontokorrentverrechnung – bei der eine Insolvenzanfechtung prinzipiell möglich ist – anfechtungsrechtlich unterschiedlich, ohne dass dafür ein rechtfertigender Grund ersichtlich ist.1173 7. Einzelfälle zur Gläubigerbenachteiligung a) Erfüllungshandlungen B 551 Eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger ist gegeben, wenn der Schuldner einem Gläubiger in der Krise Befriedigung verschafft, dessen Forderung im Insolvenzverfahren nur eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO dargestellt hätte. Der Weggabe der zur Erfüllung eingesetzten Vermögensgegenstände steht kein gleichwertiger Vorteil der künftigen Insolvenzmasse gegenüber, da der Gläubiger auf seine Forderung volle Befriedigung erlangt hat, obwohl er im Insolvenzverfahren allenfalls quotale Befriedigung erlangt hätte.1174 B 552 Erfüllt der Schuldner mit darlehensweise in Anspruch genommenen Mitteln die Forderung eines späteren Insolvenzgläubigers, bewirkt dies regelmäßig eine Gläubigerbenachteiligung, wenn das Schuldnervermögen nach der Insolvenzeröffnung nicht ausreicht, um alle Forderungen zu befriedigen. Entscheidend ist dabei, dass die als Darlehen in Anspruch genommenen Mittel zumindest vorübergehend dem haftenden Vermögen des Schuldners zugeordnet waren und damit prinzipiell dem Zugriff seiner Gläubiger unterlagen. Daran vermag auch eine schuldrechtliche Zweckbindung des Darlehens nichts zu ändern.1175 B 553 Schöpft der Schuldner neue Gelder aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung und fließen sie infolge seiner Rechtshandlung einem Gläubiger direkt zu, so kommt die Anfechtung dieser mittelbaren Zuwendung nach der Rechtsprechung des BGH sogar ohne Rücksicht darauf in Betracht, ob aus der Einräumung des Überziehungskredits für die Masse ein pfändbarer Anspruch gegen

1171 1172 1173 1174 1175

Vgl. M. Huber, NZI 2007, 224 f.; Cranshaw, jurisPR-InsR 10/2007 Anm. 3. BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206 ff. = MDR 2007, 740. Vgl. dazu noch Rz. B267 ff. Vgl. BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013. BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, MDR 2002, 844 = ZInsO 2002, 276 ff.; v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 ff. Rz. 12 = MDR 2007, 861.

236 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 555 B

die Bank entsteht oder durch die Valutierung von Sicherheiten ein entsprechender Rückübertragungsanspruch verloren geht.1176 Die Gläubigerbenachteiligung liege bei der Direktauszahlung des Überziehungskredits gerade darin, dass die Kreditmittel nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt seien.1177 Es sei anerkannt, dass die nach § 143 Abs. 1 InsO zurück zu gewährenden Werte nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen müssten. Anfechtbar könnten vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebe, ohne notwendigerweise mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten. Für den Dritten müsse nur erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine Leistung des Schuldners gehandelt habe.1178 Die Gläubiger werden benachteiligt, wenn der Schuldner Kundenschecks nicht B 554 wie üblich bei seiner Hausbank zur Gutschrift einreicht, sondern diese einem Lieferanten zur Tilgung von Verbindlichkeiten übergibt.1179 Übersendet ein Kunde des Schuldners diesem einen (Kunden-)Scheck zum Ausgleich einer Verbindlichkeit und leitet dieser den Scheck an den (stillen) Zessionar weiter, so werden die Gläubiger dadurch benachteiligt.1180 Reicht der Schuldner den Kundenscheck in der Krise an seine Bank weiter, so stellt die Sicherungsabtretung der dem Scheck zugrundeliegenden Forderung an die den Scheck einziehende Bank zwar grundsätzlich eine inkongruente Sicherung dar.1181 Man wird der Bank aber nicht unterstellen können, sie habe damit ihr Sicherungsrecht verwerten wollen. Vielmehr wird man annehmen müssen, dass sie den Scheck für den Kunden eingelöst und deshalb mit der Gutschrift eine kongruente Deckung erhalten hat, wenn sie den Giroverkehr absprachegemäß fortgesetzt hat.1182 Die Gewährung von Kundenschecks bildet im nicht bankmäßigen Geschäfts- B 555 verkehr im Gegensatz zur Zahlung mit eigenen Schecks regelmäßig eine inkongruente Erfüllungshandlung, weil der Gläubiger auf diese Art der Erfüllung keinen Anspruch hat. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn der Schuldner die Kausalforderung in nicht anfechtbarer Weise an den Gläubiger abgetreten und die unverzügliche Weitergabe von Kundenschecks zugesagt hatte. Dieselben Grundsätze gelten im bankmäßigen Verkehr, wenn mit dem Einzug der Schecks eine gegenüber der Bank bestehende Verbindlichkeit getilgt werden soll. Ob der Fall, dass die Kausalforderung erst mit der Einreichung der Kundenschecks abgetreten wird – wie dies in Nr. 15 Abs. 2 AGBBanken und Nr. 25 Abs. 2 AGB-Sparkassen vorgesehen ist –, gleich behandelt

1176 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. unter Aufgabe von BGHZ 170, 276 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. 1177 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 15. 1178 Vgl. BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287) = MDR 1999, 1463; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345 Rz. 25; v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, MDR 2009, 170 = ZIP 2008, 2183 ff. Rz. 21. 1179 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (325) = MDR 1994, 158. 1180 OLG Stuttgart v. 8.7.1980 – 11 U 43/80, ZIP 1980, 860 f.; vgl. dazu noch BGH v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, MDR 2006, 1255 = ZIP 2006, 959 ff. 1181 BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, MDR 2007, 1042 = NJW 2007, 2324 f. 1182 Vgl. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 16. Schfer

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B Rz. 555

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

werden kann, hat der BGH als zweifelhaft bezeichnet, im Ergebnis aber dahingestellt sein lassen.1183 B 556 Hat der Sicherungsnehmer die dem Schuldner erteilte Einziehungsermächtigung nicht widerrufen, so benachteiligt die Weiterleitung der auf dem Schuldnerkonto eingegangenen Erlöse der wirksam erfüllten Forderungen an den Sicherungsnehmer die Gesamtheit der Gläubiger, wenn der Schuldner nicht verpflichtet war, vereinnahmte Beträge an den Sicherungsnehmer abzuführen und keine (anfechtungsfeste) Anschlusssicherheit vereinbart war.1184 B 557 Macht der Schuldner eine abgetretene Kaufpreisforderung in der Krise dadurch werthaltig, dass er die geschuldete Ware ausliefert, so tritt dadurch eine Gläubigerbenachteiligung ein, weil andernfalls voraussichtlich der Insolvenzverwalter die Auslieferung allein zu Gunsten der Insolvenzmasse hätte vornehmen lassen.1185 Die bloße Abnahme der Werkleistung stellt allerdings nach der Rechtsprechung des BGH keine Rechtshandlung dar, die unter dem Gesichtspunkt der Wertauffüllung angefochten werden kann.1186 B 558 Die Genehmigung der Belastungsbuchung beim Lastschrifteinzug im Wege des Einzugsermächtigungsverfahrens hat gläubigerbenachteiligende Wirkung, da (erst) sie eine Schmälerung des Schuldnervermögens zur Folge hat.1187 B 559 Die Abtretung künftiger Ruhegeldansprüche kann die Gläubiger unmittelbar benachteiligen. Geht einer Vollabtretung eine Sicherungsabtretung voraus, liegt eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Entzug des zunächst in der künftigen Insolvenzmasse verbleibenden Vermögenskerns.1188 B 560 Eine Gläubigerbenachteiligung entfällt nicht deshalb, weil durch die angefochtene Erfüllungshandlung des Schuldners im Ergebnis die Einstellung der Stromversorgung für den Geschäftsbetrieb des Schuldners verhindert und diesem dadurch die Fortsetzung seiner Produktion ermöglicht wurde.1189 b) Sicherungsrechte B 561 Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ist gegeben, wenn der Schuldner für einen zusätzlichen Kredit Gegenstände zur Sicherheit übereignet, deren Wert den zusätzlich gewährten Kredit deutlich übersteigt.1190 Hinsichtlich der vom Vorbehaltskäufer aufgeschlagenen Marge kann eine Gläubigerbenachteiligung gegeben sein, da insoweit mit dem Eigentumsvorbehalt noch keine Sicherung vorgelegen hat.1191 1183 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 11 = MDR 2009, 1069. 1184 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZIP 2006, 1009 ff. 1185 Vgl. Kirchhof, WM Sonderbeilage 1/2008, S. 31 mit Hinweis auf BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, MDR 2008, 531 = WM 2008, 363 (364 f.). 1186 BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 134/00, MDR 2001, 1189 = NJW-RR 2001, 1337 (1338). 1187 BGH v. 21.10.2010 – IX ZR 240/09, ZInsO 2010, 2293 ff. 1188 BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374 ff. 1189 BGH v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87 (95) = MDR 1986, 580. 1190 Vgl. BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 ff. 1191 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 ff. Rz. 33.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 566 B

Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung kann ferner gegeben sein, wenn der B 562 Schuldner dem Sicherungsnehmer sein Einverständnis zu einer der künftigen Insolvenzmasse nachteiligen Verwertungsart erklärt.1192 Ohne diese Einwilligung hätte sich der Sicherungsnehmer in dem konkret entschiedenen Fall über den Wert der veräußerten Fahrzeuge informieren müssen. Wäre es ihm bei vertragsgemäßem Handeln gelungen, einen höheren Erlös zu erzielen, so bewirkte das Einverständnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer, dass Letzterem die Verpflichtung, sich um die Erzielung eines möglichen höheren Erlöses zu bemühen, erlassen und damit zugleich auf alle eventuellen Schadensersatzansprüche aus der Verletzung dieser Pflicht verzichtet wurde. Hat der Sicherungsnehmer die dem Schuldner erteilte Einziehungsermächtigung B 563 nicht widerrufen, so benachteiligt die Weiterleitung der auf dem Schuldnerkonto eingegangenen Erlöse der wirksam erfüllten Forderungen an den Sicherungsnehmer die Gesamtheit der Gläubiger.1193 Anders verhält es sich jedoch dann, wenn dem Sicherungsnehmer ein (anfechtungsfestes) Absonderungsrecht bzw. ein Ersatzabsonderungsrecht zustand.1194 Tritt der Schuldner einem Gläubiger eine nicht mehr (voll) valutierende Grund- B 564 schuld ab, so werden die Gläubiger benachteiligt.1195 Gläubigerbenachteiligend kann ferner die Neuvalutierung einer Sicherheit zugunsten des bisherigen oder eines anderen Sicherungsnehmers sein.1196 Wegen Gläubigerbenachteiligung kann schließlich auch die Gewährung einer Sicherheit anfechtbar sein, die eine Bank dadurch erlangt, dass sie sich während der kritischen Phase von einem anderen Insolvenzgläubiger eine bis dahin ungesicherte Forderung gegen den Schuldner abtreten lässt, die nach der zwischen der Bank und dem Schuldner bestehenden Sicherungsabrede in den Deckungsbereich der Sicherung fällt.1197 Die Gläubiger werden benachteiligt, wenn ein Drittschuldner in der Krise des B 565 Schuldners auf das Konto der Hausbank des Schuldners zahlt und diese zuvor die ihr zur Sicherheit abgetretene Forderung gegen den Drittschuldner im Rahmen eines Sicherheiten-Poolvertrages an eine andere Bank als Poolführerin abgetreten hat, welche die Sicherheiten treuhänderisch für die einzelnen Poolmitglieder hält. Denn eine dingliche Sicherung hat die Hausbank erstmals mit dem Pfandrecht nach den AGB-Banken an dem Herausgabeanspruch des Schuldners gemäß § 667 BGB erlangt, das ebenfalls erst in der Krise des Schuldners entstanden ist.1198 Erteilt der Schuldner in den kritischen Anfechtungszeiträumen die Zustim- B 566 mung zu einem Sicherheiten-Poolvertrag, durch den der Sicherungszweck der 1192 1193 1194 1195 1196

BGH v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, MDR 1997, 470 = ZIP 1997, 367 ff. BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZInsO 2006, 544 ff. Vgl. BGH v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, MDR 2006, 1255 = ZIP 2006, 959 ff. BGH v. 17.12.1998 – IX ZR 196/97, MDR 1999, 440 = NJW 1999, 1395 (1397). Vgl. BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 255/06, ZIP 2008, 703 ff. zu § 91 Abs. 1 InsO; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.24. 1197 BGH v. 25.9.1972 – VIII ZR 216/71, BGHZ 59, 230 ff. 1198 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZIP 2005, 1651 ff.; v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, MDR 2008, 1239 = ZIP 2008, 1488 ff. Rz. 10. Schfer

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B Rz. 566

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

den einzelnen Gläubigern gewährten Sicherheiten auf alle Poolmitglieder ausgeweitet wird, so kann diese Rechtshandlung der Insolvenzanfechtung unterliegen.1199 B 567 Hat der Schuldner eine Forderung sicherungshalber abgetreten, kann die Aufrechnung des Forderungsschuldners mit einem Gegenanspruch dennoch die Insolvenzgläubiger des Schuldners benachteiligen. Denn das der Insolvenzmasse nach den §§ 166 Abs. 2, 170, 171 InsO verbleibende Recht verkörpert einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert.1200 Geht einer Vollabtretung eine Sicherungsabtretung voraus, liegt die objektive Gläubigerbenachteiligung im Entzug des zunächst in der künftigen Insolvenzmasse verbleibenden Vermögenskerns.1201 B 568 Verfügt der Schuldner nach der Aussetzung der Vollziehung einer Pfändungsund Einziehungsverfügung der Finanzverwaltung über das gepfändete Konto, werden die Insolvenzgläubiger dadurch – ungeachtet des Bestehenbleibens des Pfandrechts – benachteiligt.1202 B 569 Übereignet der Schuldner Bestandteile seines Geschäftsbetriebes zur Sicherheit an einen Darlehensgeber und veräußert er danach den gesamten Geschäftsbetrieb unter Eigentumsvorbehalt an einen Erwerber mit der Weisung, den Kaufpreis direkt an den Darlehensgeber zu zahlen, werden die Gläubiger benachteiligt, wenn die Höhe der Zahlung den Wert des dem Darlehensgeber insolvenzfest übereigneten Sicherungsguts übersteigt.1203 B 570 Werden die vom Schuldner an den Gläubiger zur Sicherheit abgetretenen Forderungen vom Drittschuldner aufgrund eines mit dem Schuldner geschlossenen Vergleichs beglichen, in dem diese Forderungen nicht mit dem vollen Wert berücksichtigt worden sind, der Schuldner aber zusätzliche Leistungen an den Drittschuldner übernommen hat, so bewirkt dies auch im Verhältnis zum Sicherungsnehmer eine Gläubigerbenachteiligung.1204 c) Besitz B 571 Auch durch die bloße Übertragung des Besitzes können die Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden. Eine Gläubigerbenachteiligung kann bspw. durch die mit der Besitzübertragung begründete Eigentumsvermutung gemäß § 1006 BGB eintreten.1205 Der BGH hat in einem Urteil vom 26.4.20121206 die Frage offen gelassen, ob sich eine objektive Gläubigerbenachteiligung daraus ergeben kann, dass eine Rechtshandlung zum Ausscheiden eines Gegenstandes aus dem Schuldnervermögen geführt hat, welcher wegen des bestehenden Ab1199 1200 1201 1202 1203 1204 1205 1206

Vgl. OLG Köln v. 29.4.1994 – 20 U 168/90, ZIP 1994, 1461 ff. BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013. BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374 ff. Vgl. BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 130/07, MDR 2009, 291 = ZIP 2009, 83 f. BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 39/08, MDR 2009, 831 = ZInsO 2009, 828 ff. BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 177/05, MDR 2008, 710 = ZIP 2008, 650 ff. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 151; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 136. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 30.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 575 B

sonderungsrechts zwar für sich genommen wertlos ist, dem jedoch für die Unternehmensfortführung erhebliche Bedeutung zukommt. d) Gesellschaftsrecht Eine zur Anfechtung berechtigende Gläubigerbenachteiligung kann auch im B 572 Fall der Erbringung einer Gesellschaftereinlage durch den Schuldner gegeben sein. Dabei steht der Grundsatz der Kapitalerhaltung einem Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters gegen die Gesellschaft nicht entgegen.1207 Vielmehr treten die Kapitalschutzvorschriften des Gesellschaftsrechts hinter den mit der Insolvenzanfechtung bezweckten Schutz der Gläubiger des Gesellschafters zurück, da sie nur Auszahlungen an Gesellschafter, nicht auch solche an deren Gläubiger verbieten.1208 Die Rückzahlung einer Gesellschaftereinlage kann auch dann eine Gläubigerbenachteiligung zur Folge haben, wenn der Gesellschafter durch arglistige Täuschung zum Beitritt bewogen wurde.1209 Das Stehenlassen einer Gesellschafterleistung, das nach dem bis zum Inkraft- B 573 treten des „MoMiG“ geltenden Recht des Eigenkapitalersatzes zur Umqualifizierung in haftendes Eigenkapital führte, ist gläubigerbenachteiligend und nach der Rechtsprechung des BGH als unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO anfechtbar. Der durch die Überlassung eigenkapitalersetzender Mittel bewirkte Rangrücktritt des Rückzahlungsanspruchs, der in der Insolvenz der Gesellschaft in der Regel dessen wirtschaftliche Wertlosigkeit zur Folge hat, wird ohne ausgleichende Gegenleistung der Gesellschaft gewährt. Dadurch werden die Gläubiger des Gesellschafters objektiv zumindest mittelbar benachteiligt.1210 Eine Masseschmälerung ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Gesellschaft B 574 vor der Zahlung gleich hohe Zahlungen anderer (Konzern-)Gesellschaften erhalten hat, durch welche diese ihre Pflicht zum Aufwendungsersatz vorab erfüllen wollten. Ausschlaggebend ist die Erwägung, dass sich Gläubiger, die eine Vorauszahlung auf den künftig entstehenden Aufwendungsersatzanspruch geleistet haben, wie alle anderen Gläubiger am Insolvenzverfahren beteiligen müssen. Folglich ist es ohne Bedeutung, wenn es sich bei der Zahlung wirtschaftlich um einen durchlaufenden Posten handelt.1211 Die Gewährung einer Sicherung für ein eigenkapitalersetzendes Darlehen ist nicht gläubigerbenachteiligend, wenn ihr nach dem vereinbarten Rang sämtliche Insolvenzforderungen vorgehen.1212

1207 Vgl. BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228 = NJW 1995, 659 ff. 1208 Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 381; Mylich, ZGR 2009, 474 (498 f.). 1209 OLG Hamm v. 2.3.1999 – 27 U 257/98, ZIP 1999, 1530 ff. 1210 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, GmbHR 2009, 763 m. Anm. Blöse = NotBZ 2009, 272 m. Anm. Heckschen = MDR 2009, 1008 = ZIP 2009, 1080 ff. 1211 Vgl. BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 ff. Rz. 21; Gehrlein, ZInsO 2015, 477 (480). 1212 BGH v. 2.2.2006 – IX ZB 167/04, MDR 2006, 1012 = ZIP 2006, 483 ff. Schfer

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B 575

B Rz. 576

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 576 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung hat der BGH ein einem Fall bejaht, in dem eine GmbH es unterließ, einen Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch nach den von der Rechtsprechung in analoger Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG entwickelten sogenannten „Eigenkapitalersatzregeln“ gegen einen Gesellschafter geltend zu machen. Die mittelbare Gläubigerbenachteiligung war bereits in der Erschwerung des Zugriffs durch die Verlegung des Gesellschaftssitzes ins Ausland zum Zwecke der „stillen“ Liquidation zu sehen.1213 B 577 Eine Leistung der Gesellschaftereinlage aus dem freien Vermögen des Gesellschafters kann dessen Insolvenzgläubiger benachteiligen, da in der Regel der Gesellschaftsanteil weniger leicht zu verwerten ist.1214 B 578 Nach einem Urteil des OLG Celle vom 16.12.20101215 kann eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung darin zu sehen sein, dass eine nicht unerhebliche Verringerung des Reinvermögens einer Tochtergesellschaft zu einer Verringerung des Beteiligungswertes der Muttergesellschaft führt. B 579 Entrichtet eine GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit die Prämien für eine Direktversicherung ihres Geschäftsführers weiter, auf welche dieser nach seinem Anstellungsvertrag Anspruch hat, so benachteiligt dies im Regelfall trotz der als Gegenleistung erhaltenen Dienste die Gläubiger der Gesellschaft. Denn die vom Geschäftsführer erbrachten Tätigkeiten gewähren den Gläubigern der Gesellschaft keine Zugriffsmöglichkeiten, wie sie die zur Entrichtung der Versicherungsprämien abgeflossenen Zahlungsmittel bieten.1216 B 580 Allgemeine Einschränkungen der Gesellschafterrechte im Gesellschaftsvertrag, die auch im Fall der Insolvenz gelten, sollen nach Ansicht des BGH keine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO bewirken. Denn der Gesellschaftsanteil entstehe von vornherein nur mit dieser Beschränkung, und die Gläubiger könnten nicht mehr verlangen, als auch dem Schuldner selbst als Gesellschafter zustehe.1217 Werde hingegen im Wesentlichen allein der insolvente Gesellschafter schlechter gestellt, so benachteilige eine derartige Regelung seine Gläubiger und verstoße sogar gegen § 138 Abs. 1 BGB.1218 e) Steuerrecht B 581 Handlungen des Schuldners oder eines Dritten (etwa des Finanzamts), die zum Entstehen einer Steuerschuld führen, können nach der jüngst geänderten Recht-

1213 Vgl. BGH v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. = MDR 2006, 950 = GmbHR 2006, 316 m. Anm. Blöse. 1214 HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 106. 1215 OLG Celle v. 16.12.2010 – 13 U 98/10, ZIP 2011, 676 f. Rz. 20; vgl. dazu ferner Hirte, ZInsO 2004, 1161 (1165). 1216 BGH v. 12.1.2012 – IX ZR 95/11, ZIP 2012, 285 f. 1217 Vgl. BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206 ff. = MDR 2007, 740; v. 11.5.1959 – II ZR 2/58, WM 1959, 719 (721); vgl. dazu ferner MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 133 und zur Kritik oben Rz. B267 ff. 1218 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 133.

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II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 584 B

sprechung des Bundesfinanzhofes anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne des § 129 InsO darstellen und somit die Insolvenzgläubiger benachteiligen.1219 Da der aus einem strafbaren Umsatzsteuerkarussell resultierende Schadensersatzanspruch der Finanzbehörden selbst dann lediglich eine (nicht bevorrechtigte) Insolvenzforderung darstellt, wenn sich die aus den fraglichen Vorgängen stammenden Gelder noch in der Insolvenzmasse befinden, werden die Insolvenzgläubiger durch eine Verfügung über diese Gelder benachteiligt.1220 Nach einem neueren Urteil des BFH vom 24.11.20111221 unterliegt die Steuerbe- B 582 rechnung nach den §§ 16 ff. UStG weder den Beschränkungen der Insolvenzaufrechnung noch jenen der Insolvenzanfechtung. Die mit der Insolvenzeröffnung nach den §§ 16 ff. UStG vorzunehmende Steuerberechnung stelle keine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO dar. Das Unternehmen bestehe nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus mehreren Unternehmensteilen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden könnten. Die Steuerberechnung sei daher für den „vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil“ bis zur Insolvenzeröffnung vorzunehmen. Anders als bei einer Aufrechnung, die selbständige Forderungen voraussetze, sei- B 583 en die im Rahmen der Steuerberechnung nach den §§ 16 ff. UStG miteinander zu saldierenden Steueransprüche, Vorsteuerbeträge und Berichtigungen lediglich unselbständige Besteuerungsgrundlagen innerhalb einer Steuerberechnung und Steuerfestsetzung, nicht aber Ansprüche mit verfahrensrechtlichem Eigenleben; erst wenn sich bei der Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG als Saldo eine Steuerschuld oder – als Vergütungsanspruch – ein rechnerischer Überschuss und damit eine „negative Steuerschuld“ zu Gunsten des Unternehmers ergebe, bestehe ein selbständiger und damit abtretbarer oder aufrechenbarer Steuer- oder Vergütungsanspruch.1222 Eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung kann ferner gegeben sein, wenn B 584 der Schuldner durch die Wahl einer für ihn ungünstigen Steuerklasse sein Vermögen verkürzt.1223 Durch eine hälftige Steuererstattung an einen in der Krise befindlichen, selbst nicht erwerbstätigen Ehegatten werden in der Regel die Gläubiger des anderen, mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten benachteiligt.1224

1219 Vgl. BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZIP 2011, 181 ff.; BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, ZIP 2010, 90 ff. 1220 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 87/06, MDR 2008, 106 = ZInsO 2007, 1223 ff. 1221 BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481 ff.; kritisch dazu Schmittmann, ZIP 2012, 249 ff.; Mitlehner, EWiR 2013, 387 f. 1222 BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481 ff. Rz. 26; vgl. dazu ferner BFH v. 24.3.1983 – V R 8/81, BFHE 138, 498 ff. 1223 Vgl. BGH v. 4.10.2005 – VII ZB 26/05, FamRZ 2006, 37 = MDR 2006, 352 = ZInsO 2005, 1212 f. 1224 Vgl. OLG Oldenburg v. 27.11.2007 – 9 U 43/07, FamRZ 2008, 1852 = ZInsO 2008, 460 f. Schfer

243

B Rz. 585

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

f) Strafrechtlicher Bereich B 585 Auch die Zahlung einer Geldstrafe kann wegen ihrer die Gläubiger benachteiligenden Wirkung anfechtbar sein.1225 Für die Geldstrafe gelten die allgemeinen Regelungen der Insolvenzordnung, soweit keine Sondervorschriften bestehen.1226 Erfolgt die Zahlung der Geldstrafe durch einen Dritten, dem die erforderlichen Mittel zuvor vom Schuldner zur Verfügung gestellt wurden, so liegt darin eine inkongruente Deckung.1227 Die Gläubiger des Schuldners werden ferner in anfechtungsrelevanter Weise benachteiligt, wenn dieser in den kritischen Anfechtungszeiträumen Zahlungen an die Staatskasse erbringt, um eine Auflage nach § 153a StPO zu erfüllen, von der die Einstellung eines Strafverfahrens abhängt.1228 B 586 Die strafrechtliche Bestimmung des § 266a StGB vermittelt keine unmittelbare Berechtigung an den für den Arbeitnehmer zu entrichtenden Arbeitnehmeranteilen am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, so dass die Gläubiger des Arbeitgebers nach Ansicht des BGH benachteiligt werden, wenn dieser in der Krise Zahlungen auf Arbeitnehmeranteile an Sozialversicherungsträger leistet.1229 B 587 Nach der Rechtsprechung des BGH hat derjenige, der durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung des Schuldners geschädigt wurde, keinen insolvenzfesten Anspruch auf Sicherung.1230 g) Vertragsklauseln (Lösungsklauseln) für den Insolvenzfall B 588 Die Frage der Gläubigerbenachteiligung durch Vertragsklauseln, die speziell für den Insolvenzfall eines Vertragspartners vereinbart wurden,1231 soll danach zu beantworten sein, ob auch ohne die Klausel ebenso nachteilige Folgen eingetreten wären oder ob der Vertragspartner des Schuldners in dessen Insolvenz wenigstens kraft Gesetzes dieselbe Rechtsfolge wie vereinbart hätte herbeiführen dürfen. Sei die Gläubigerbenachteiligung weder gesetzlich gerechtfertigt noch bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände zur Erreichung des Vertragszwecks vorrangig geboten, so sei die Regelung nicht als untrennbarer Vertragsbestandteil zu behandeln, sondern ihre Einbeziehung in den Vertrag selbständig anfechtbar.1232 Nach diesen Grundsätzen soll insbesondere die Anfechtbarkeit der Einbeziehung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B in den Bauvertrag in Betracht kommen.1233 1225 1226 1227 1228 1229 1230 1231 1232 1233

BGH v. 14.10.2010 – IX ZR 16/10, MDR 2011, 70 = ZIP 2010, 2358 ff. Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 123. BGH v. 14.10.2010 – IX ZR 16/10, ZIP 2010, 2358 ff. Rz. 8. BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, MDR 2008, 1064 = WM 2008, 1412 ff. BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 ff. = MDR 2002, 418; v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, MDR 2010, 469 = ZInsO 2009, 2293 ff. BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (107); BGH v. 20.1.1959 – VIII ZR 113/58, WM 1959, 470 f. Vgl. dazu BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, ZIP 2013, 274 ff. Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 130; BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92 – „Breitbandverteilanlage“, BGHZ 124, 76 (80 f.) = MDR 1994, 468. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 131; vgl. dazu ferner Fritsche/Kilian, DZWIR 2008, 45 ff.

244 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 590a B

Der BGH hat durch Urteil vom 15.11.20121234 entschieden, dass Lösungsklau- B 589 seln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie, die an den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung anknüpfen, unwirksam sind. Nach einem weiteren Urteil vom 22.10.20131235 ist auch eine in einem Mietvertrag vereinbarte insolvenzabhängige Lösungsklausel unwirksam. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass dies auch die Unwirksamkeit der vertraglichen Einbeziehung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B in der Insolvenz des Auftragnehmers zur Folge haben dürfte.1236 Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 16.3.20151237 ist § 8 Abs. 2 VOB/B nach § 119 InsO unwirksam. In anfechtungsrechtlicher Hinsicht ist bereits die Fragestellung in diesen Fällen B 590 häufig ungenau. Es geht nicht darum, ob etwa die Einbeziehung des § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B in den Bauvertrag eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO bewirkt.1238 Es fragt sich vielmehr zunächst, ob die Lösungsklausel generell unwirksam ist. Ist dies der Fall, so bedarf es nicht der Anfechtung, um ihre Folgen abzuwenden. Ist die Klausel nicht generell unwirksam, so kann dennoch die Berufung auf die Klausel in der konkreten Situation der Anfechtung unterliegen, wenn sie die Gläubiger des Schuldners benachteiligt und auch die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen gegeben sind.1239 Hat sich der Auftragnehmer bis zur Berufung des Gläubigers auf die Lösungsklausel vertragstreu verhalten, und bietet der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung an, ohne dass seine Leistungsunfähigkeit konkret festzustellen ist, so erscheint die Besserstellung des Auftraggebers allein wegen der Insolvenz des Auftragnehmers nicht gerechtfertigt.1240 Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine insolvenzabhängige Lösungsklausel sei nur anzuerkennen, wenn sie einer gesetzlichen Lösungsmöglichkeit entspreche.1241 Der VII. Zivilsenat des BGH hat nunmehr durch Urteil vom 7.4.20161242 ent- B 590a schieden, dass die in einen Bauvertrag einbezogenen Regelungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B (2009) nicht gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen die §§ 103, 119 InsO unwirksam sind. Sowohl das in § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B vereinbarte Kündigungsrecht für den Fall des Eigeninsolvenzantrages des Auftragnehmers als auch die in § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B vereinbarten Rechtsfolgen dieses Kündigungsrechts seien trotz der Zielsetzung der InsO unter Berücksichtigung der besonderen Interessenlage der an einem Bau-

1234 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348 ff. 1235 BGH v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 ff. Rz. 12 f. 1236 Wegener, ZInsO 2013, 1105 ff.; HK-InsO/Marotzke, § 119 Rz. 7; Braun/Kroth, § 119 Rz. 13 – a.A. OLG Düsseldorf v. 8.9.2006 – 23 U 35/06, BauR 2006, 1909 (1912); OLG Schleswig v. 9.12.2011 – 1 U 72/11, NJW 2012, 1967 ff.; zweifelnd auch M. Huber, ZIP 2013, 493 (499 f.). 1237 OLG Frankfurt a.M. v. 16.3.2015 – 1 U 38/14, ZInsO 2015, 695 ff. 1238 Vgl. etwa MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 131. 1239 Ähnlich zu den bankrechtlichen Lösungsklauseln MK-InsO/Huber, § 129 Rz. 37a. 1240 Vgl. zu dieser Erwägung MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 131. 1241 Vgl. FK-InsO/Wegener, § 119 Rz. 5; Obermüller, ZInsO 2013, 476 (477). 1242 BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 ff.; vgl. dazu ferner M. Huber, ZInsO 2016, 2130 ff. Schfer

245

B Rz. 590a

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

vertrag Beteiligten mit den §§ 103, 119 InsO zu vereinbaren.1243 Die Kündigungsmöglichkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B gehe nicht weiter als die gesetzliche Kündigungsmöglichkeit nach § 649 Satz 1 BGB, wonach der Auftraggeber jederzeit berechtigt sei, den Werkvertrag zu kündigen. Die Bestimmung habe daher nur deklaratorische Bedeutung.1244 h) Sonstige Einzelfälle zur Gläubigerbenachteiligung B 591 Ist im Rahmen eines sogenannten „Cash-Pools“ von einer unentgeltlichen Zuwendung der Schuldnerin auszugehen, weil die Forderung des Zuwendungsempfängers gegen ein mit der Schuldnerin verbundenes Unternehmen wertlos war, so ist auch dann von einer Gläubigerbenachteiligung auszugehen, wenn auf dem Konto der Schuldnerin auch Geldeingänge für das verbundene Unternehmen verbucht wurden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Geldeingänge in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der unentgeltlichen Leistung der Schuldnerin standen.1245 Erbringt eine von mehreren verbundenen Gesellschaften, denen die Bank eine gemeinschaftliche Kreditlinie eingeräumt hatte, eine Zahlung durch eine geduldete Überziehung ihres Kontos, benachteiligt dies ihre Gläubiger, auch wenn mit der Zahlung die Verbindlichkeit einer verbundenen Gesellschaft getilgt wird.1246 B 592 Erscheint die Realisierbarkeit eines Anspruchs nicht unerheblich erschwert oder hat die Leistung eine formale Rechtsstellung begründet, die den zur Masse gehörenden Anspruch im Hinblick auf Rechte gutgläubiger Dritter gefährden kann, ist bereits darin eine objektive Gläubigerbenachteiligung zu sehen. Eine solche Gefährdung des Anspruchs ist immer zu bejahen, wenn ernsthafte Zweifel an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bereicherungsschuldners bestehen.1247 B 593 Gewährt der Schuldner einem Dritten ein langfristiges Darlehen zu einem geringeren als dem marktüblichen Zinssatz, so führt dies grundsätzlich zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, weil ihnen dadurch für die Laufzeit des Darlehens der marktübliche Zins entgeht.1248 B 594 Die Insolvenzgläubiger werden durch eine unentgeltliche Verfügung des Schuldners über ein Grundstück auch dann benachteiligt, wenn es zwar wertausschöpfend mit Grundschulden belastet ist, diese aber zum Teil keine Forderungen mehr sichern und der Schuldner seine Ansprüche auf Rückgewähr der nicht valutierten Grundpfandrechte mitverschenkt hat.1249

1243 1244 1245 1246 1247

BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 ff. Rz. 24. Vgl. BGH v. 7.4.2016 – VII ZR 56/15, ZIP 2016, 981 ff. Rz. 26. Vgl. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, MDR 2005, 953 = ZInsO 2005, 431 ff. BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 12/14, ZIP 2016, 581 ff. BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (105 f.) = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262. 1248 BGH v. 21.4.1988 – IX ZR 71/87, MDR 1988, 858 = ZIP 1988, 725 ff. 1249 BGH v. 10.1.1985 – IX ZR 2/84, MDR 1985, 841 = ZIP 1985, 372 ff.

246 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 597 B

Eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger liegt vor, wenn ein Kreditinstitut B 595 Lohnforderungen von Arbeitnehmern, die deren Arbeitgeber nicht befriedigen kann, den Arbeitnehmern abkauft, damit den schuldnerischen Betrieb fortfinanziert und dadurch erreicht, dass die ihm sicherungsübereigneten Gegenstände zu höherwertigen Waren weiterverarbeitet werden.1250 Wird ein unverzinsliches Darlehen wegen Vermögensverfalls gekündigt, liegt B 595a die Gläubigerbenachteiligung im Wegfall der gesetzlichen Abzinsung (vgl. § 41 Abs. 2 InsO). Die Anfechtung einer Rechtshandlung wegen des Ermöglichens einer Befriedigung (§ 130 Abs. 1 Satz 1 InsO) setzt nicht voraus, dass der Insolvenzgläubiger nachfolgend außerhalb des Insolvenzverfahrens die Befriedigung erlangt hat.1251 8. Einzelfälle zur fehlenden Gläubigerbenachteiligung a) Sicherungsrechte Nicht gläubigerbenachteiligend wirken der bloße Austausch gleichwertiger Si- B 596 cherheiten, die Ablösung eines vollwertigen Pfandrechts, solange der Pfandgegenstand beim Schuldner verbleibt, oder dessen Zahlung auf ein insolvenzund anfechtungsfestes Pfändungspfandrecht.1252 Eine Gläubigerbenachteiligung ist nicht gegeben, wenn der Schuldner vor der Insolvenzeröffnung ein Absonderungsrecht durch Zahlung ablöst, soweit deren Höhe nicht den Erlös überschreitet, den der Absonderungsberechtigte bei der Verwertung des mit dem Absonderungsrecht belasteten Gegenstandes hätte erzielen können.1253 Ein anfechtungsrechtlich neutraler Sicherheitentausch kommt allerdings nicht in Betracht, wenn das eine Recht erloschen war, bevor das andere Recht begründet wurde.1254 Veräußert ein Schuldner mit Zustimmung seiner Bank ein in deren Sicherungs- B 597 eigentum stehendes Warenlager mit der truhänderischen Vereinbarung, dass der Kaufpreis auf das bei dieser Bank im Soll geführte Kontokorrentkonto des Schuldners zu zahlen ist, so benachteiligt die Verrechnung der Gutschriften aus den Kaufpreisen mit Gegenforderungen der Bank die Gläubiger in Höhe des Wertes des aufgegebenen Sicherungseigentums nicht; der Wert des Sicherungsguts ist mit dem für den Warenbestand erzielten Kaufpreis zu bemessen, wenn dieser hinter dem Einkaufswert zurückbleibt.1255

1250 BAG v. 24.1.1964 – 5 AZR 258/63, BB 1964, 699. 1251 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 130/16, ZIP 2017, 489. 1252 Vgl. BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290 = ZInsO 2010, 43 ff. Rz. 16; v. 28.2.2008 – IX ZR 177/05, MDR 2008, 710 = ZIP 2008, 650 ff. Rz. 12; v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (239 f.) = MDR 2001, 1013. 1253 BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 39/08, MDR 2009, 831 = ZInsO 2009, 828 ff. Rz. 13; v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, MDR 2004, 1317 = ZIP 2004, 1509 (1511); v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, MDR 2007, 616 = NotBZ 2007, 17 = ZInsO 2006, 1321 f. Rz. 8. 1254 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, MDR 2007, 1157 = ZIP 2007, 1274 ff. Rz. 21. 1255 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Schfer

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B Rz. 598

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 598 Hat der Gläubiger für die Begleichung von Altforderungen auf Aus- und Absonderungsrechte verzichtet, fehlt es an einem mit dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Sondervorteil, es sei denn, der Wert dieser Rechte ist offenkundig weitaus geringer als jener der befriedigten Altforderungen.1256 Hat der Schuldner eine Sache, die er sicherungshalber übereignet hatte, an einen Dritten veräußert, so ist dies nicht anfechtbar, sofern der Wert der gesicherten Forderungen des Sicherungsnehmers den Wert der Sache überstieg.1257 B 599 Hat der absonderungsberechtigte Gläubiger schon vor der Insolvenzeröffnung eine Forderung nach Aufdeckung der Abtretung eingezogen, kann diese Rechtshandlung nicht mit der Begründung angefochten werden, der Insolvenzmasse sei die Verwertungskostenpauschale nach § 171 Abs. 2 InsO entgangen.1258 Entsprechendes gilt für die Feststellungskostenpauschale gemäß § 171 Abs. 1 InsO.1259 Die Insolvenzgläubiger können jedoch benachteiligt sein, wenn der Verwalter einen höheren Erlös hätte erzielen können, etwa bei einer Gesamtverwertung, in die das Sicherungsgut hätte einbezogen werden können.1260 B 600 Hat der Schuldner künftige Forderungen sicherungshalber rechtwirksam an ein Kreditinstitut abgetreten, so werden die Insolvenzgläubiger in der Regel nicht benachteiligt, wenn das Kreditinstitut die bei ihm eingehenden Zahlungen der Drittschuldner mit Verbindlichkeiten des Schuldners verrechnet.1261 Anders ist es hingegen, wenn ein Schuldner des späteren Insolvenzschuldners mit einer Gegenforderung gegenüber einer Hauptforderung des Insolvenzschuldners aufrechnet, die dieser sicherungshalber an eine Bank abgetreten hatte. Denn der Inhaber einer sicherungshalber abgetretenen Forderung hat in der Insolvenz des Zedenten nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Dieses Absonderungsrecht entzieht die abgetretene Forderung nicht ihrem Bestand nach der Masse, wie sich auch aus dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters gemäß §§ 166 Abs. 2, 173 Abs. 2 InsO ergibt.1262 Das der Insolvenzmasse verbleibende Recht verkörpert durchweg noch einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert.1263 B 601 Hat ein Gläubiger außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums ein Pfandrecht an einem Kontoguthaben des Schuldners erwirkt, liegt in der Überweisung des Guthabens an den Gläubiger wegen des insoweit bestehenden Absonderungsrechts keine Gläubigerbenachteiligung. Die Pfändung des Guthabens selbst unterliegt als Rechtshandlung des Gläubigers nicht der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO.1264 B 602 Kann ein Schuldner nach Sicherungsabtretung und Forderungspfändung schon vor der Insolvenzeröffnung in Gänze nicht mehr über einen Lebensversiche1256 1257 1258 1259 1260 1261 1262 1263 1264

BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, BGHZ 165, 283 ff. = MDR 2006, 650. Vgl. BGH v. 5.12.1985 – IX ZR 165/84, MDR 1986, 404 = ZIP 1986, 452 ff. BGH v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, MDR 2004, 413 = ZInsO 2003, 1137 f. BGH v. 23.9.2004 – IX ZR 25/03, MDR 2005, 478 = ZInsO 2005, 148. Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 120. BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZIP 2002, 2182 (2183 f.). Vgl. BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZIP 2005, 1651 ff. BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013. BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 142/11, ZIP 2012, 2513 ff.

248 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 605 B

rungsvertrag verfügen, hat der zur Kündigung berechtigte Pfändungsgläubiger am aufschiebend bedingten Anspruch auf den Rückkaufswert eine gesicherte Rechtsposition erlangt, so dass der Erwerb nicht in die Insolvenzmasse fällt.1265 b) Gläubigerwechsel Bei einer Zahlung des Schuldners durch Einschaltung eines Dritten ist zwi- B 603 schen der Anweisung auf Schuld und der Anweisung auf Kredit zu unterscheiden. Im ersteren Fall tilgt der Angewiesene mit der Zahlung eine eigene, gegenüber dem Anweisenden bestehende Verbindlichkeit. Demgegenüber nimmt der Angewiesene im zweiten Fall die Zahlung an den Empfänger ohne eine Verpflichtung gegenüber dem Anweisenden vor, so dass er infolge der Zahlung zum Gläubiger des Anweisenden wird.1266 Handelt es sich um eine Anweisung auf Schuld, führt die Zahlung durch den Angewiesenen zu einer Gläubigerbenachteiligung, da der Schuldner mit der Zahlung an den Dritten seine Forderung gegen den Angewiesenen verliert.1267 Liegt dagegen eine Anweisung auf Kredit vor, scheidet eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich aus, da es durch die Zahlung lediglich zu einem Gläubigerwechsel in der Person des Angewiesenen kommt. Die Belastung der Masse mit dem Rückgriffsanspruch des Angewiesenen wird durch die Befreiung von der Schuld gegenüber dem Zahlungsempfänger ausgeglichen.1268 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kredit für den Schuldner belastender ist als die mit seiner Hilfe getilgte Schuld, etwa weil er nur gegen Sicherheiten gewährt wurde.1269 Der BGH hat im Urteil vom 21.6.20121270 klargestellt, dass er an dieser anfech- B 604 tungsrechtlichen Unterscheidung zwischen der Anweisung auf Schuld und der Anweisung auf Kredit trotz der nach dem Urteil zur geduldeten Kontoüberziehung vom 6.10.20091271 im Schrifttum geäußerten Zweifel1272 auch weiterhin festhält. Ein Gläubigerwechsel, der die Gläubiger des Schuldners nicht benachteiligt, B 605 kann ferner gegeben sein, wenn der Hauptunternehmer die Werklohnforderung gegen den Besteller an einen Subunternehmer abtritt1273 oder wenn eine dreiseitige Vereinbarung getroffen wird, nach der ein Dritter die Durchführung des Werkvertrages übernimmt.1274

1265 BGH v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638 ff. 1266 Vgl. BGH v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13, ZIP 2013, 2262 ff. Rz. 16; MK-BGB/Hüffer, § 787 Rz. 2. 1267 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 144. 1268 RGZ 45, 148 (151 f.); RGZ 81, 144 (145 f.); Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 81; Uhlenbruck/Hirte, 12. Aufl., § 129 Rz. 84. 1269 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, MDR 2009, 106 = ZInsO 2008, 1200 f. 1270 BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff. Rz. 12. 1271 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05 – „Kontoüberziehung“, BGHZ 182, 317 ff. 1272 Vgl. Hofmann, EWiR 2011, 431 f.; Lütcke, NZI 2011, 702 (705 ff.); Henkel, ZInsO 2012, 774. 1273 BGH v. 18.11.2004 – IX ZR 299/00, MDR 2005, 956 = ZInsO 2005, 439 ff. 1274 Vgl. BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, MDR 2007, 1096 = ZIP 2007, 1162 ff. Schfer

249

B Rz. 606

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 606 Im Falle der Begleichung einer Gesellschaftsverbindlichkeit durch nicht persönlich haftende Gesellschafter auf Anweisung der Gesellschaft ist keine Gläubigerbenachteiligung gegeben, wenn die Gesellschafter durch die Zahlung keine eigene Schuld gegenüber der Gesellschaft getilgt haben.1275 Denn eine Gläubigerbenachteiligung scheidet aus, wenn ein Gläubiger mit Fremdmitteln befriedigt wird, die nicht in das haftende Vermögen des Schuldners gelangt sind. In einem solchen Fall ist aus der Sicht der Gesellschaft ein bloßer Gläubigerwechsel gegeben. In die direkte Zahlung des Gesellschafters an den Gesellschaftsgläubiger kann auch keine Darlehensgewährung an die Gesellschaft „hineininterpretiert“ werden, die deren Vermögen für eine „logische Sekunde“ vermehrt und sogleich wieder geschmälert habe, so dass die Gläubiger der Gesellschaft benachteiligt worden seien. c) Sonstige Fälle fehlender Gläubigerbenachteiligung B 607 An einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn der Schuldner für das, was er aufgibt, eine gleichwertige Gegenleistung erhält.1276 Dies ist etwa bei einem Bargeschäft der Fall.1277 Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ist daher nicht gegeben, wenn der Schuldner für eine Sicherheitenbestellung in der Darlehensgewährung unmittelbar eine vollwertige Gegenleistung erhalten hat.1278 B 608 Hat ein Tankstelleninhaber bei der Veräußerung seines Betriebes dem Unternehmen, das ihm Treibstoffe geliefert hat, für eine Darlehensforderung Befriedigung oder Deckung in der Weise gewährt, dass er den Übernehmer veranlasst hat, die Darlehensschuld unter Anrechnung auf den Kaufpreis zu übernehmen, so ist eine Anfechtung mangels objektiver Benachteiligung ausgeschlossen, wenn auch der Insolvenzverwalter auf Grund des Zapfstellenvertrages bei einer Veräußerung des Betriebes dem Unternehmen die gleiche Befriedigung oder Deckung hätte gewähren müssen.1279 B 609 Ein ernsthafter Sanierungsversuch kann unter Umständen eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung objektiv sogar dann ausschließen, wenn er letztlich scheitert. Das setzt aber zumindest ein in sich schlüssiges Konzept voraus, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist.1280

1275 BGH v. 21.6.2012 – IX ZR 59/11, ZIP 2012, 1468 ff.; v. 16.10.2008 – IX ZR 147/07, MDR 2009, 106 = ZInsO 2008, 1200 f. 1276 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (190) = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228. 1277 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 49 sowie BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 ff. zur Vereinnahmung der Vergütung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter in einem nicht zur Eröffnung gelangten Verfahren. 1278 BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 39/08, MDR 2009, 831 = ZInsO 2009, 828 ff. Rz. 17. 1279 BGH v. 24.11.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377 ff. 1280 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1563); v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, MDR 1993, 528 = ZIP 1993, 276 (279).

250 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 613 B

Eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger sollte nach der früheren Recht- B 610 sprechung des BGH nicht gegeben sein, wenn ein Dritter durch eine anfechtbare Rechtshandlung die Stellung eines uneigennützigen Treuhänders erlangt, diese aber wieder aufgegeben hat und das Treugut ihm wirtschaftlich nicht zugute gekommen ist.1281 Von dieser Rechtsprechung ist der BGH im Urteil vom 26.4.20121282 abgerückt. Danach unterliegt ein uneigennütziger Treuhänder der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, wenn er nach der Kenntniserlangung von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet. Überträgt der Schuldner ein von ihm durch notariellen Vertrag mit Hilfe von B 611 Treuhandmitteln gekauftes Grundstück ohne Zwischenauflassung kraft einer ihm von dem Veräußerer eingeräumten Auflassungsvollmacht auf einen Dritten, ist keine Gläubigerbenachteiligung gegeben.1283 Eine Gläubigerbenachteiligung liegt ferner nicht vor, soweit Erwerber von Eigentumswohnungen – die gegenüber dem Schuldner als Veräußerer die Zahlung des Entgelts bis zur Fertigstellung eines Gebäudes verweigern dürfen – ihre Gegenrechte durch eine Vereinbarung ablösen lassen, derzufolge sie die zurückzubehaltenden Teile des Entgelts an einen Treuhänder zahlen, der damit offenstehende Forderungen von Handwerkern begleichen soll, damit diese die Gebäude anstelle des Schuldners ohne Preisaufschlag fertigstellen.1284 An einer Gläubigerbenachteiligung kann es im Bereich des Werkvertragsrechts B 612 fehlen, wenn eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Besteller über die Mängelbeseitigung erst zur vollen Durchsetzbarkeit der Werklohnforderung führt.1285 Eine Zahlung, die der Auftraggeber an einen Gläubiger des Auftragnehmers ohne Tilgungswirkung diesem gegenüber leistet – etwa weil der Auftraggeber nicht mehr gemäß § 16 Nr. 6 VOB/B mit befreiender Wirkung an einen Subunternehmer des Auftragnehmers zahlen kann, nachdem gegen diesen ein allgemeines Veräußerungsverbot erlassen wurde –, begründet keinen Anfechtungsanspruch gegen den Empfänger.1286 Wenn ein Schuldner des Insolvenzschuldners, anstatt dessen Forderung zu erfül- B 613 len, sein Geld einem anderen zuwendet, berührt dies die Masse nur unter der Voraussetzung, dass sie dadurch ihre Forderung verliert. Auch wenn die Forderungsdurchsetzung erschwert ist, ist dies ein Nachteil, der als solcher das dem Zugriff der Insolvenzgläubiger unterliegende Massevermögen nicht vermindert. Er beruht nicht darauf, dass der Masse etwas, das vorher zu ihrem Vermögen gehört hätte, entzogen worden wäre. Darin liegt der Unterschied zu den Fällen, in denen ein Anspruch auf Rückgewähr eines durch die anfechtbare Rechtshand-

1281 1282 1283 1284 1285 1286

Vgl. BGH v. 9.12.1993 – IX ZR 100/93, BGHZ 124, 298 (301 f.) = MDR 1994, 681. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. BGH v. 4.2.2016 – IX ZA 28/15, ZIP 2016, 630 ff. BGH v. 24.1.2002 – IX ZR 180/99, MDR 2002, 718 = ZInsO 2002, 278 ff. Vgl. OLG Hamm v. 19.1.2016 – 21 U 106/15, ZIP 2016, 781 f. BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 176/98, NJW 1999, 2969 f. Schfer

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B Rz. 613

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

lung aus dem Massebestand entfernten Vermögensgegenstandes nur mit Schwierigkeiten durchzusetzen ist.1287 B 614 Wirkt der Schuldner an der Änderung eines für ihn ungünstigen Vertrages mit und wird dieser durch den anderen Vertragsteil erfüllt, so begründet die Möglichkeit, dass andernfalls der Gegner vom Vertrag zurückgetreten wäre, keine objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger.1288 Nur wenn die Beklagte den Gewinn aus dem Grundstückskaufvertrag in dem entschiedenen Fall durch Erklärung des angedrohten Rücktritts vom Vertrag preisgegeben hätte, wäre es für die Schuldnerin günstiger gewesen, den Vertrag scheitern zu lassen. Aus der nur hypothetischen Möglichkeit eines Rücktritts der Beklagten konnte indes nicht gefolgert werden, die angefochtene Mitwirkung der Schuldnerin an der Vertragsänderung habe ihre Gläubiger benachteiligt. So wie nur gedachte Geschehensabläufe die Ursächlichkeit einer Rechtshandlung für die Benachteiligung der Gläubiger grundsätzlich nicht ausschließen,1289 können sie im Regelfall auch nicht die Ursächlichkeit einer Rechtshandlung des Schuldners für die Benachteiligung seiner Gläubiger begründen. B 615 Verweigert der Insolvenzverwalter die Genehmigung einer Lastschrift, so kann er bei einem debitorischen Konto lediglich eine Korrektur der ungenehmigten Belastung, nicht aber im Wege der Anfechtung die Auszahlung des Lastschriftbetrages verlangen, solange das Konto weiterhin im Soll geführt wird. In diesen Fällen liegt daher keine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners vor.1290 B 616 Hat die Schuldnerbank den Lastschriftbetrag zunächst dem Girokonto des Schuldners belastet und auf den Widerspruch des Insolvenzverwalters wieder dem Girokonto des Schuldners gutgeschrieben, so kann der Schuldnerbank nach der Rechtsprechung des BGH ein Bereicherungsanspruch gegen den Gläubiger aus Nichtleistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB zustehen, wenn die sechswöchige Rückgabefrist nach dem Lastschriftabkommen gegenüber der Gläubigerbank bereits verstrichen ist.1291 Eine Benachteilung der Insolvenzgläubiger ist in diesem Fall nicht gegeben. B 617 Eine Gläubigerbenachteiligung ist nicht gegeben, wenn einer Forderung des Schuldners eine dauernde Einrede – etwa die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung – entgegenstand, da in diesem Fall die Forderung des Schuldners zu keinem Zeitpunkt den Gläubigern als Zugriffsobjekt zur Verfügung stand.1292 Eine Forderungsstundung als solche ist nicht gläubigerbenachteiligend.1293 1287 BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 176/98, MDR 1999, 1153 = NJW 1999, 2969 f.; vgl. dazu noch BGH v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. = MDR 2006, 950 = GmbHR 2006, 316 m. Anm. Blöse. 1288 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 199/03, NotBZ 2007, 248 = ZInsO 2007, 596 ff. 1289 Vgl. BGH v. 7.6.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355 (360) = MDR 1988, 858; v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, MDR 2002, 844 = NJW 2002, 1574 (1576); v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = WM 2005, 1712 (1714). 1290 Vgl. BGH v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, MDR 2009, 833 = ZIP 2009, 673 ff. 1291 BGH v. 11.4.2006 – XI ZR 220/05, BGHZ 167, 171 ff. = MDR 2006, 1178. 1292 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 252/93, MDR 1995, 1134 = NJW 1995, 1484 (1485). 1293 BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 ff. Rz. 10 a.E. = MDR 2007, 861.

252 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 621 B

In einem Urteil vom 17.6.19991294 ist der BGH davon ausgegangen, dass eine B 618 Gläubigerbenachteiligung ausscheide, wenn die Schuldnerin in Höhe der von der verklagten Bank vorgenommenen Verrechnung noch vollwertige Ansprüche gegen ihre Gesellschafter habe. Möglicherweise stünden der Schuldnerin noch Ansprüche auf Beibringung der Stammkapitalanteile gegen die Gesellschafter zu. In dem entschiedenen Fall ging es um eine Kapitalerhöhung in einer GmbH, die zur Kredittilgung bei der verklagten Bank verwendet wurde. Dieses Urteil wird im Schrifttum zu Recht kritisiert.1295 Etwaige Ansprüche gegen die Gesellschafter wurden nicht durch die Verrechnung der Bank begründet, sondern bestanden unabhängig davon. Eine Gläubigerbenachteiligung hätte sich wohl nur mit der Erwägung verneinen lassen, dass die Kapitalerhöhung nach dem Willen der Beteiligten – auch der finanzierenden Beklagten – ohne die spätere Verrechnung nicht zustande gekommen wäre. Eine solche hypothetische Betrachtung soll aber nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich unbeachtlich sein.1296 Die Gewährung einer Sicherung für ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafter- B 619 darlehen ist nicht gläubigerbenachteiligend, wenn ihr nach dem vereinbarten Rang sämtliche Insolvenzforderungen vorgehen.1297 9. Nachträgliche Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung Eine zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung kann nachträglich da- B 620 durch wieder beseitigt werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt. Dies setzt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass die entsprechende „Rückgewähr“ des Anfechtungsgegners eindeutig zu dem Zweck erfolgt, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wieder zu geben und damit die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen zu machen. Von der Zweckbestimmung her muss es sich um eine vorweggenommene Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs handeln.1298 Zu dieser Frage gibt es eine bemerkenswerte Entscheidung des Oberlandesge- B 621 richts Rostock vom 9.9.2013,1299 die leider nicht veröffentlicht ist. Dort hatte der Schuldner behauptet (und bei seiner Zeugenvernehmung bestätigt), der Auflösungsbetrag aus einer ihm zustehenden Lebensversicherung sei nur zu treuen Händen auf das Konto seiner Ehefrau überwiesen worden. Diese habe entsprechend der Weisung des Schuldners sogleich den überwiesenen Betrag abgehoben und ihm in bar ausgehändigt. Das Oberlandesgericht Rostock hat diese Einlassung angesichts der damaligen wirtschaftlichen Situation des Schuldners als „nachvollziehbar und lebensnah“ bezeichnet. Denn aufgrund der Insolvenz seiner GmbH habe sich der Schuldner bereits damals auch bezüglich seiner persön1294 BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = ZInsO 1999, 467 ff. 1295 Vgl. Hirte/Groß, WuB VI B. § 30 Nr. 2 KO 1.02; Eckardt, EWiR 1999, 801. 1296 BGH v. 7.6.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355 ff. = MDR 1988, 858; v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. Rz. 15. 1297 BGH v. 2.2.2006 – IX ZB 167/04, MDR 2006, 1012 = ZInsO 2006, 254 ff. 1298 Vgl. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, ZIP 2007, 2084 ff. Rz. 19; MK-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 129 Rz. 178. 1299 OLG Rostock v. 9.9.2013 – 6 U 38/12, nicht veröffentlicht. Schfer

253

B Rz. 621

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

lichen Vermögensverhältnisse in einer wirtschaftlich kritischen Lage befunden, da er sich selbstschuldnerisch für die Verbindlichkeiten seiner GmbH verbürgt gehabt habe. Aus diesem Grund mache es durchaus Sinn, dass der Schuldner aus Furcht vor drohenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger, insbesondere einer Kontopfändung, die Gelder nicht auf seinem privaten Bankkonto belassen, sondern sie vorübergehend zur treuhänderischen Verwaltung auf das private Konto der Ehefrau überwiesen habe. Wenn die Ehefrau dann nachfolgend die Beträge abgehoben und dem Schuldner wieder zur Verfügung gestellt habe, so habe dies für den Schuldner den Vorteil gehabt, dass die Übergabe von Bargeld für seine Gläubiger nicht im gleichen Maße wie ein Kontoguthaben oder eine Direktabhebung durch ihn selbst offenkundig gewesen sei. Eine solche Vorgehensweise möge in Bezug auf den Schuldner als unlauteres Verhalten angesehen werden; es bleibe aber in Bezug auf die verklagte Ehefrau festzustellen, dass eine Treuhandabrede von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligt werde und es im vorliegenden Prozess allein um die – im Ergebnis vom Gericht verneinte – Frage der Anfechtbarkeit der Rechtshandlungen gegenüber der Ehefrau gehe. B 622 Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock vermag nicht zu überzeugen. Eine „echte“ Treuhand war nicht gegeben, da diese nach der Rechtsprechung eine „quasi-dingliche Komponente“ voraussetzt bzw. dem Offenkundigkeitsprinzip genügen muss.1300 Die auf das Konto der Ehefrau überwiesenen Beträge waren somit jedenfalls vorübergehend der Ehefrau dinglich zugeordnet. Die Gläubiger des Ehemannes wurden daher objektiv benachteiligt. Es kann somit allenfalls darum gehen, ob diese Gläubigerbenachteiligung durch die anschließende Abhebung und Barübergabe an den Ehemann wieder beseitigt wurde. Dies setzt nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass es sich von der Zweckbestimmung des Vorgangs her um eine vorweggenommene Befriedigung des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs handelt. Der vorgefassten Zielrichtung der Beteiligten, die darin bestand, zur Verheimlichung gegenüber den Gläubigern des Ehemannes die fraglichen Beträge über das Konto der Ehefrau zu leiten und nach der Abhebung in bar dem Schuldner zu übergeben, kann aber nicht zugleich die gegenläufige Zielrichtung beigemessen werden, die durch Überweisung auf das Konto der Ehefrau eingetretene Gläubigerbenachteiligung durch anschließende Baraushändigung an den Beklagten wieder auszugleichen. B 623 Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock inzwischen zu Recht aufgehoben.1301 Liegt die anfechtbare Rechtshandlung in der Überweisung eines Guthabens des Schuldners auf das Konto eines Dritten, wird die objektive Gläubigerbenachteiligung nicht dadurch wieder rückgängig gemacht, dass der Dritte den Betrag planmäßig abhebt und dem Schuldner bar zur Verfügung stellt. Der BGH hat zugleich ausgesprochen, dass ein uneigennütziger Treuhänder, der anfechtbar erlangte Gelder des Schuldners weisungsgemäß an diesen zurückzahlt, zum Wertersatz verpflichtet ist, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können.

1300 Vgl. BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227 ff.; v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, NJW-RR 1993, 301 f. Rz. 15. 1301 BGH v. 10.9.2015 – IX ZR 215/13, ZInsO 2015, 2180 ff.

254 Schfer

Rz. 626 B

II. Glubigerbenachteiligung

10. Ursachenzusammenhang und hypothetische Geschehensabläufe a) Ursachenzusammenhang; Maßgeblichkeit des realen Geschehensablaufs Zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Beeinträchtigung des B 624 Gläubigerzugriffs muss ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der condicio-sine-qua-non-Formel bestehen. Die anfechtbare Rechtshandlung darf nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Gläubigerbenachteiligung als Erfolg entfiele.1302 Es ist mit anderen Worten zu prüfen, ob sich die Befriedigung der Insolvenzgläubiger ohne die angefochtene Rechtshandlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätte.1303 Daran fehlt es etwa, wenn der Schuldner auf dem Grundstück des Anfechtungsgegners Bauleistungen erbracht hat, der für das Grundstück erzielbare Kaufpreis oder Versteigerungserlös dadurch jedoch nicht beeinflusst wurde.1304 Sichert eine Bank durch eine Kontosperre die künftige Verrechnung gegenüber dem Schuldner, so ist nach einem Urteil des BGH vom 18.12.20031305 eine Gläubigerbenachteiligung nur gegeben, wenn das auf dem Konto des Schuldners befindliche Guthaben in der Zeit zwischen der Kontosperre und der Fälligkeit des Anspruchs der Bank abgeflossen wäre. Es genügt für die Ursächlichkeit, dass die Rechtshandlung im natürlichen Sin- B 625 ne eine Bedingung für die Gläubigerbenachteiligung darstellt.1306 Da es nicht um einen Schadensersatzanspruch geht, der sich unter Umständen auch auf entferntere Folgen einer Handlung erstrecken kann, bedarf es für die Anfechtbarkeit nicht der Einschränkung durch die Adäquanztheorie. Vielmehr grenzen die Anfechtungstatbestände mit eigenen Mitteln, insbesondere über die subjektive Voraussetzung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes oder durch die Beschränkung auf unentgeltliche Leistungen (vgl. § 134 InsO) zu weit gehende Folgen von der Haftung aus.1307 Für eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung reicht es aus, dass die angefoch- B 626 tene Rechtshandlung erst in Verbindung mit einem weiteren Umstand eine Benachteiligung der Gläubiger ausgelöst hat. Dieser weitere Umstand muss nicht seinerseits durch die angefochtene Rechtshandlung verursacht sein; schon gar nicht muss er deren adäquate Folge sein. Es reicht vielmehr aus, dass die Benachteiligung objektiv jedenfalls auch durch die angefochtene Rechtshandlung verursacht wurde.1308 1302 BGH v. 23.2.1984 – IX ZR 26/83, BGHZ 90, 207 (212) = MDR 1984, 486; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 126. 1303 Vgl. BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, MDR 2007, 1099 = NJW 2007, 2325 (2326); v. 11.5.1989 – IX ZR 222/88, MDR 1989, 908 = ZIP 1989, 785 (786). 1304 Vgl. BGH v. 20.2.1980 – VIII ZR 48/79, MDR 1980, 575 = NJW 1980, 1580 (1581); HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 65. 1305 BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 9/03, ZIP 2004, 324 ff. Rz. 26. 1306 Vgl. BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 102/97, BGHZ 143, 246 (253) = MDR 2000, 352; MKInsO/Kayser, § 129 Rz. 169. 1307 BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 102/97, BGHZ 143, 246 (253) = MDR 2000, 352; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 129 Rz. 121. 1308 BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 102/97, BGHZ 143, 246 (253) = MDR 2000, 352; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 237. Schfer

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B Rz. 627

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 627 Eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners ist daher auch dann gegeben, wenn sie erst in Verbindung mit einem Verhalten des vorläufigen Insolvenzverwalters (Genehmigung des Lastschrifteinzuges) zu einer Vermögensschmälerung geführt hat.1309 Es genügt ferner für die Annahme einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung, dass der vom Schuldner aufgrund der Veräußerung eines Grundstücks erlangte Kaufpreis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Anfechtungsprozesses nicht mehr im Schuldnervermögen vorhanden ist, wenn davon auszugehen ist, dass sich das Grundstück selbst ohne die Veräußerung noch im Vermögen des Schuldners befunden hätte.1310 B 628 Begründet die Übertragung eines dem Schuldner gehörenden Grundstücks an einen Dritten einen Anspruch des Gläubigers auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach dem Anfechtungsrecht, so bleibt dieser Anspruch auch dann bestehen, wenn dem Dritten später das Grundstück in der Zwangsversteigerung zugeschlagen worden ist. Dies folgt daraus, dass im Anfechtungsrecht allein der reale Geschehensablauf maßgebend ist. Das die Anfechtung begründende Handeln kann daher durch nachfolgendes Geschehen in seiner Wirkung grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden, solange die Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf das Schuldnervermögen fortdauert.1311 b) Hypothetische Geschehensabläufe B 629 In früheren Entscheidungen ist der BGH davon ausgegangen, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Rechtshandlung des Schuldners und der Vereitelung der Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger auch dann verneint werden müsse, wenn ohne die angefochtene Rechtshandlung eine Befriedigung aus dem weggegebenen Gegenstand deshalb nicht möglich gewesen wäre, weil der Schuldner selbst nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge anderweitig unanfechtbar über den weggegebenen Gegenstand verfügt hätte, oder wenn das Zugriffsobjekt ohne die anfechtbare Rechtshandlung untergegangen wäre.1312 B 630 Davon ist der BGH jedoch später nach und nach abgerückt. In seinen Urteilen vom 7.6.19881313 und vom 21.1.19931314 führt er aus, die gedachte Möglichkeit einer anderweitigen Verfügung des Schuldners über den weggegebenen Gegenstand schließe die Anfechtung nicht zwingend aus. Es sei vielmehr eine Frage wertender Beurteilung, inwieweit der hypothetische Geschehensablauf geeignet sei, eine an sich gegebene Haftung des Anfechtungsgegners zu beeinflussen. Ein entsprechendes Vorbringen könne dann beachtlich sein, wenn sich der anfechtbar erlangte Gegenstand nicht mehr im Vermögen des Anfechtungsgegners befinde und dies auf – realen – Ereignissen beruhe, die in gleicher Weise 1309 1310 1311 1312

BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 177/07, ZInsO 2010, 2133 ff. Vgl. BGH v. 3.3.1988 – IX ZR 11/87, WM 1988, 799 (801). BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 258/02, BGHZ 159, 397 ff. = MDR 2004, 1379. Vgl. BGH v. 23.2.1984 – IX ZR 26/83, BGHZ 90, 207 (212) = MDR 1984, 486; v. 20.2.1980 – VIII ZR 48/79, MDR 1980, 575 = NJW 1980, 1580 f.; v. 16.5.1979 – VIII ZR 156/78, MDR 1980, 51 = WM 1979, 776 ff. Rz. 22. 1313 BGH v. 7.6.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355 (360) = MDR 1988, 858. 1314 BGH v. 21.1.1993 – IX ZR 275/91, BGHZ 121, 179 ff. Rz. 28 = MDR 1993, 526.

256 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 633 B

ohne die angefochtene Rechtshandlung ebenfalls den Verlust der Sache beim Schuldner bewirkt hätten. In der neueren Rechtsprechung des BGH ist zumeist nur noch davon die Rede, B 631 dass für hypothetische, nur gedachte Geschehensabläufe bei der Prüfung der Gläubigerbenachteiligung kein Raum sei;1315 der Ursachenzusammenhang zwischen der Rechtshandlung und der Gläubigerbenachteiligung sei vielmehr nur aufgrund des realen Geschehens zu beurteilen.1316 Eine Gläubigerbenachteiligung könne daher nicht mit der Erwägung verneint werden, dass der Gläubiger im Falle des Unterbleibens der angefochtenen Rechtshandlung ebenfalls nicht auf den Gegenstand hätte zugreifen können, weil dann über ihn in nicht anfechtbarer Weise verfügt worden wäre.1317 Unerheblich ist ferner die Erwägung, dass der Anfechtungsgegner dem Schuldner anstelle von Staffelkrediten eine dauernde Kreditlinie hätte einräumen können.1318 Hat der Schuldner eine Sache in der dem Verkäufer bekannten Absicht erworben, diese sofort an einen Dritten weiter zu veräußern, kann eine durch die Weiterveräußerung bewirkte Gläubigerbenachteiligung in der Regel nicht mit der Erwägung verneint werden, es habe von Anfang an dem Willen aller Beteiligten entsprochen, dass letztlich der Dritte die Sache erhalten solle.1319 Bloß gedachte Geschehensabläufe schließen die Anfechtung jedenfalls so lange nicht aus, als sich der Vermögensgegenstand noch im Vermögen des Anfechtungsgegners befindet.1320 Wie weit diese Rechtsprechung geht, zeigt das Urteil des BGH vom B 632 12.7.2007:1321 BGH-Urteil vom 12.7.2007 – ZIP 2007, 2084 ff. Der Beklagte war als Makler für die Schuldnerin – eine Bauträgergesellschaft – B 633 tätig und hatte sie außerdem mit der Errichtung eines Rohbaus beauftragt. Da sich die Schuldnerin in erheblichen Finanznöten befand, trat sie dem Beklagten zum Zwecke der Erfüllung seiner Provisionsforderungen eine Kaufpreisforderung gegen Dritte ab. Dieser erhielt daraufhin die Zahlung der Erwerber. Gegen den Vergütungsanspruch der Schuldnerin für die Erstellung des Rohbaus rechnete er mit weiteren Provisionsansprüchen auf. Der klagende Insolvenzverwalter focht die Abtretung und die durch die Zahlung der Erwerber herbeigeführte Befriedigung des Beklagten an. 1315 Vgl. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 258/02, BGHZ 159, 397 (401) = MDR 2004, 1379; v. 29.9.2005 – IX ZR 184/04, MDR 2006, 414 = WM 2005, 2193 (2194); v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. Rz. 15. 1316 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10 – „Endmieter“, ZIP 2011, 438 ff. Rz. 14; v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZIP 2005, 1521 ff. Rz. 22. 1317 BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. Rz. 15; v. 7.6.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355 (360 f.) = MDR 1988, 858. 1318 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 21 f.; vgl. dazu Rz. H76b. 1319 BGH v. 18.5.2000 – IX ZR 119/99, MDR 2000, 974 = ZIP 2000, 1550 ff. 1320 Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rz. 73; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 181 ff. 1321 BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03 – „Maklerprovision“, MDR 2008, 46 = ZIP 2007, 2084 ff. Schfer

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B Rz. 634

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 634 Der BGH geht von einer Benachteiligung der Gläubiger aus, obwohl der Beklagte ohne die Abtretung der Forderung der Schuldnerin gegen die Erwerber mit seinen Provisionsforderungen anfechtungsfest hätte aufrechnen können. Wenngleich die Aufrechnungsbefugnis in der Insolvenz im wirtschaftlichen Ergebnis einem Pfandrecht oder einer Sicherungsabtretung ähnele, könnten diese Rechtsinstitute in der Insolvenz nicht vollständig gleich behandelt werden. Da für hypothetische, nur gedachte Kausalverläufe kein Raum sei, könne eine Gläubigerbenachteiligung auch nicht mit der Erwägung verneint werden, dass der Gläubiger im Falle des Unterbleibens der angefochtenen Rechtshandlung auf den Gegenstand ebenfalls hätte zugreifen können, weil dann über ihn in nicht anfechtbarer Weise verfügt worden wäre (konkret: durch Aufrechnung). B 635 Mit dieser neueren Rechtsprechung dürfte ein älteres Urteil des BGH vom 11.12.19861322 überholt sein, in dem dieser eine Benachteiligung der Gläubiger verneint hat. Er führt in dieser Entscheidung aus, dass den übrigen Gläubigern kein Anfechtungsrecht zustehe, wenn der Schuldner die „künftige und bedingte“ Forderung auf den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens in nicht anfechtbarer Weise an einen Gläubiger (Ehefrau) abgetreten habe, da der Abschluss des Arbeitsvertrages sie nicht benachteilige. Die übrigen Gläubiger seien durch den späteren Abschluss des Arbeitsvertrages nicht benachteiligt worden, da sie ohne dessen Abschluss jedenfalls nicht besser gestellt gewesen wären. B 636 Diese Entscheidung wird im Schrifttum zu Recht kritisiert.1323 Zunächst einmal kann von einer bedingten Gehaltsforderung nicht gesprochen werden, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht besteht, aus dem sie hervorgehen soll. Zum anderen richtet sich die Anfechtung bei verständiger Würdigung gegen den Eintritt der Rechtswirkung der Abtretung, die erst mit der Entstehung der vorausabgetretenen Forderung eintritt.1324 Und schließlich dürfte es eine anfechtungsrechtlich unbeachtliche hypothetische Erwägung darstellen,1325 wenn der BGH darauf abstellt, dass die übrigen Gläubiger ohne den Abschluss des Arbeitsvertrages nicht besser gestellt gewesen wären. Die Wirkung der Vorausabtretung hängt zwar vom tatsächlichen Einsatz des Schuldners in der Folgezeit ab; erbringt er ihn aber, darf die Gläubigerbenachteiligung nicht mit der rein hypothetischen Erwägung verneint werden, dass der Schuldner sich unanfechtbar anders hätte verhalten können.1326 B 637 So wie nur gedachte Geschehensabläufe die Ursächlichkeit einer Rechtshandlung für die Benachteiligung der Gläubiger nicht ausschließen, können aber andererseits hypothetische Geschehensabläufe auch nicht die Ursächlichkeit einer Rechtshandlung des Schuldners für die Benachteiligung seiner Gläubiger

1322 BGH v. 11.12.1986 – IX ZR 78/86, MDR 1987, 494 = ZIP 1987, 305 ff. 1323 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 204; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 92; Gottwald/Huber, Insolvenzrechtshandbuch, § 46 Rz. 59. 1324 Vgl. dazu BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. = GesR 2006, 418 = MDR 2007, 112. 1325 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 199/03, NotBZ 2007, 248 = ZInsO 2007, 596 ff. 1326 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 92.

258 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 641 B

begründen. Wirkt der Schuldner daher an der Änderung eines für ihn wirtschaftlich ungünstigen Vertrages mit und wird dieser durch den anderen Vertragsteil erfüllt, so begründet die Möglichkeit, dass andernfalls der Gegner vom Vertrag zurückgetreten wäre, keine objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger.1327 Bei der Bestimmung der Wertersatzpflicht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO kön- B 638 nen hypothetische Umstände ausnahmsweise zu berücksichtigen sein, da insoweit nicht die engen Begrenzungen der Anfechtungstatbestände eingreifen, sondern der Zurechnungszusammenhang selbständig nach dem Normzweck einzuschränken ist.1328 An der ursächlichen Herbeiführung einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn bei anfechtbar erbrachten Aufwendungen des Schuldners auf ein im Miteigentum mit dem Anfechtungsgegner stehendes Hausgrundstück feststeht, dass auch dann, wenn die Aufwendungen zugunsten des Anfechtungsgegners unterblieben wären und eine Zwangsversteigerung stattgefunden hätte, dabei kein höherer, über die Grundstücksbelastungen hinausgehender Versteigerungserlös erzielt worden wäre.1329 c) Weitere Einzelfälle Im Falle der Direktzahlung eines Auftraggebers gemäß § 16 Nr. 6 VOB/B an ei- B 639 nen Nachunternehmer des insolventen Auftragnehmers fehlt es nicht deshalb an einer Gläubigerbenachteiligung, weil bei einer Nichterfüllung erhebliche Schadensersatzansprüche gegen den Auftragnehmer bestanden hätten. Die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Rechtshandlung und der Gläubigerbenachteiligung ist vielmehr allein aufgrund des realen Geschehens zu beurteilen.1330 Verkauft der Schuldner kurz vor der Stellung des Insolvenzantrages an einen B 640 seiner Gläubiger Gegenstände seines Anlage- und Umlaufvermögens und soll die Kaufpreisforderung mit den Gegenforderungen des Gläubigers verrechnet werden, so werden die übrigen Gläubiger benachteiligt. Der Einwand des Gläubigers, dass er den Kaufvertrag ohne die Verrechnungsmöglichkeit nicht abgeschlossen hätte, stellt eine hypothetische und deshalb anfechtungsrechtlich unbeachtliche Erwägung dar.1331 Überlässt der Schuldner einem seiner Gläubiger in der Krise Kundenschecks, B 641 damit sich dieser daraus befriedige, so werden die übrigen Gläubiger benachteiligt. Denn ohne die Überlassung dieser Schecks hätte der Schuldnerin diese bei seiner Hausbank eingereicht, so dass sie prinzipiell dem Zugriff der übrigen Gläubiger unterlegen hätten. Ob die Schuldnerbank möglicherweise mit eigenen Forderungen unanfechtbar hätte aufrechnen können oder ob die Schuldnerin über das Guthaben anderweitig verfügt hätte, ist unerheblich. Denn als Ur1327 1328 1329 1330 1331

BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 199/03, NotBZ 2007, 248 = ZInsO 2007, 596 ff. Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 183. BGH v. 20.2.1980 – VIII ZR 48/79, MDR 1980, 575 = NJW 1980, 1580 (1581). BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, MDR 2009, 227 = ZInsO 2008, 1322 f. Rz. 11. BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884 f. Schfer

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B Rz. 641

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

sachen für den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung sind grundsätzlich nur reale Gegebenheiten zu berücksichtigen.1332 B 642 Unerheblich ist der Einwand des Anfechtungsgegners, dass über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren mit möglicherweise ungünstigerem Ausgang eröffnet worden wäre, wenn er sich nicht bereiterklärt hätte, ein Grundstück zur Verwertung einzelner Gläubiger zur Verfügung zu stellen. Ein entsprechendes Vorbringen könne nur dann beachtlich sein, wenn sich der anfechtbar erlangte Gegenstand nicht mehr im Vermögen des Anfechtungsgegners befinde und dies auf realen Ereignissen beruhe, die in gleicher Weise ohne die angefochtene Rechthandlung ebenfalls den Verlust der Sache beim Schuldner bewirkt hätten.1333 B 643 Für die Frage der Ursächlichkeit einer verfrühten Leistung an einen Gläubiger des Schuldners ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob die Zahlung auch nach der Fälligkeit erfolgt wäre. Ob die wenige Tage nach der Zahlung eingetretene Fälligkeit einer Anfechtung entgegensteht, ist nach Ansicht des BGH keine Frage der Ursächlichkeit, sondern der Zurechenbarkeit. Im Wege wertender Betrachtung sei einzuschätzen, ob dieselbe Masseschmälerung durch eine gesetzlich nicht missbilligte Rechtshandlung des Schuldners hätte herbeigeführt werden können. In dem konkret entschiedenen Fall sah es der BGH als entscheidend an, dass die Schuldnerin aufgrund des kurz nach der verfrühten Zahlung angeordneten Zustimmungsvorbehalts nicht mehr die Möglichkeit gehabt hätte, nach Eintritt der Fälligkeit frei über ihr Vermögen zu verfügen.1334 B 644 In einem anderen Fall war der Gesellschafter der Schuldnerin berechtigt, das ihr gewährte Gesellschafterdarlehen jederzeit mit einer Frist von einer Woche zum Monatsende zu kündigen. Am 2.3.1993 veranlasste er (möglicherweise) ohne vorausgegangene Kündigung die Überweisung des Darlehensbetrages an sich selbst. Am 15.4.1993 stellte er den Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens. Nach Ansicht des BGH lag der unmittelbare Nachteil für die Schuldnerin höchstens darin, dass sie die Zahlung etwa vier Wochen zu früh erbracht hatte und ihr die Nutzung des Geldes in diesem Zeitraum entgangen war. Mit der Berücksichtigung eines bloß hypothetischen Kausalverlaufs habe dies nichts zu tun.1335 B 645 Ob der Insolvenzverwalter einen Kredit, wenn er nicht schon durch die Überweisung an den Anfechtungsgegner „verbraucht“ worden wäre, zugunsten der Masse noch hätte abrufen können, ist unerheblich.1336 Bei einer die Gläubiger benachteiligenden unausgewogenen Vertragsklausel kommt es nicht darauf an, 1332 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (325 f.) = MDR 1994, 158; v. 7.6.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355 (360 f.) = MDR 1988, 858; vgl. ferner OLG Stuttgart v. 13.1.2005 – 2 U 164/04, ZIP 2005, 1837 ff. Rz. 44 zum Abruf eines Darlehens. 1333 BGH v. 21.1.1993 – IX ZR 275/91, BGHZ 121, 179 (187) = MDR 1993, 526; vgl. dazu jedoch Rz. B630 f. 1334 Vgl. BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, MDR 2005, 1312 = ZInsO 2005, 766 ff. 1335 BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96, MDR 1997, 767 = ZIP 1997, 853. 1336 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 210/07, MDR 2008, 821 = ZIP 2008, 747 ff. Rz. 5.

260 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 648 B

ob der Schuldner in anderen Punkten hätte nachgeben müssen, wenn die Vertragsschließenden die Unausgewogenheit erkannt hätten.1337 Tritt der Schuldner einen Pflichtteilsanspruch vor vertraglicher Anerkennung B 646 oder Rechtshängigkeit an einen Dritten ab, scheitert die Anfechtbarkeit nicht wegen Fehlens einer Gläubigerbenachteiligung. Diese wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Schuldner ohne die Abtretung die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Pfändbarkeit nicht herbeigeführt hätte.1338 11. Vorteilsausgleichung Die schadensersatzrechtlichen Grundsätze der Vorteilsausgleichung finden kei- B 647 ne Anwendung, da der Anfechtungsanspruch kein deliktsrechtlicher Anspruch ist.1339 Der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung ist vielmehr isoliert in Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens oder die Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen.1340 Dabei sind lediglich solche Folgen zu berücksichtigen, die an die anzufechtende Rechtshandlung selbst anknüpfen. Hingegen bleiben entferntere Ereignisse grundsätzlich selbst dann außer Betracht, wenn sie adäquat kausal verursacht sind. Der Umstand, dass eine die Insolvenzgläubiger benachteiligende Rechtshandlung in adäquatem ursächlichem Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Insolvenzmasse auch Vorteile gebracht hat, die jedoch keine Gegenleistung für die durch die Handlung bewirkte Vermögensminderung darstellen, vermag die Entstehung des Anfechtungsrechts nicht zu hindern.1341 Ist beispielsweise der Betrieb des Schuldners nur mit Zustimmung eines Liefe- B 648 ranten günstig zu verwerten und macht dieser seine Einwilligung davon abhängig, dass ihm der Schuldner ausstehende Schulden bezahlt, so benachteiligt diese Schuldtilgung die anderen Insolvenzgläubiger nicht, wenn der Betrieb ohne die „erkaufte“ Einwilligung weniger wert gewesen wäre als den tatsächlich erzielten Kaufpreis abzüglich der Tilgungsleistung. Hier schlägt sich der Vorteil unmittelbar und gegenständlich in einer Mehrung des Schuldnervermögens nieder.1342 Hingegen entfällt die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Bezahlung der Schulden aus Stromlieferungen nicht deshalb, weil sonst die – berech-

1337 Vgl. BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06 – „Heimfallanspruch“, MDR 2007, 1099 = ZInsO 2007, 600 ff. Rz. 23. 1338 BGH v. 8.7.1993 – IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183 (190 f.) = MDR 1994, 203 = FamRZ 1993, 1307. 1339 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, MDR 2009, 1306 = ZIP 2009, 1674 ff. Rz. 26; v. 15.10.1969 – VIII ZR 136/67, NJW 1970, 44 (46); Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 164; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rz. 71. 1340 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 30; v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08 – „Bierbrauen“, MDR 2009, 1306 = ZInsO 2009, 1585 ff. Rz. 27; v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZIP 2005, 1521 (1523); MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 175. 1341 BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/07, ZIP 2007, 2084 ff. Rz. 11; v. 25.9.1952 – IV ZR 13/52, BB 1952, 868 f.; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 176. 1342 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. Rz. 16; v. 24.11.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377 (379). Schfer

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B Rz. 648

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

tigte – Einstellung der Stromversorgung in dem Betrieb des Schuldners zu einem Produktionsausfall geführt hätte.1343 B 649 Dass sich ein Subunternehmer gegen Bewilligung einer Sicherheit für ausstehende Forderungen verpflichtet, die ihm übertragenen Arbeiten gegen Entgelt weiterzuführen, gleicht den Verlust der Sicherheit für die Insolvenzgläubiger des Hauptunternehmers nicht aus.1344 Des weiteren ist der Abschluss eines Vertrages, durch den einem Beteiligten für den Fall seiner Insolvenz Vermögensnachteile auferlegt werden, die über die gesetzlichen Folgen hinausgehen und nicht zur Erreichung des Vertragszwecks geboten sind, gläubigerbenachteiligend, selbst wenn der Beteiligte bei ungestörter Durchführung des Vertrages wirtschaftliche Vorteile erzielt hätte. Die durch den Schuldner fortgesetzte Nutzung von gemieteten Räumen gleicht nicht die Beitreibung älterer Mietforderungen durch den Vermieter aus.1345 Diese enge Abgrenzung danach, ob sich der Vorteil unmittelbar in einer Mehrung des Schuldnervermögens niederschlägt, ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur aus Gründen der Rechtsklarheit, sondern auch deshalb geboten, weil nur so verhindert werden kann, dass der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum) ausgehöhlt wird.1346 B 650 Ein dem Schuldner zugeflossener Vorteil ist somit nur dann als ausgleichender Umstand zu berücksichtigen, wenn er sich unmittelbar in einer Mehrung seines Vermögens niedergeschlagen hat.1347 Dafür soll es jedoch nicht genügen, dass mit dem Bierbrauen, welches die Entstehung der Biersteuer zur Folge hat, zugleich eine diesen Nachteil ausgleichende Wertschöpfung zugunsten des Schuldnervermögens erzielt wurde.1348 B 651 Dass die Rechtshandlung, welche die Aufrechnungslage herbeiführt, der Insolvenzmasse auch Vorteile verschafft, steht einer Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen. Es ist daher für die Frage der Anfechtbarkeit ohne Bedeutung, dass die vom Insolvenzverwalter angefochtene Vertragskündigung des Vertragsgegners einen aufrechenbaren Ausgleichsanspruch des Schuldners nach § 89b HGB erst „begründet“ hat.1349 B 652 Die Unanwendbarkeit der Rechtsgrundsätze zur Vorteilsausgleichung bedeutet jedoch nicht, dass der Anfechtungsgegner nicht die Rückgewähr seiner Gegenleistung aus der Insolvenzmasse verlangen kann, soweit diese noch unter1343 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. Rz. 16; v. 25.9.1952 – IV ZR 13/52, BB 1952, 868. 1344 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. Rz. 16; v. 28.6.1984 – IX ZR 21/84, WM 1984, 1194 (1195). 1345 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. Rz. 16; v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, MDR 1994, 468 = ZIP 1994, 40 (42), insofern in BGHZ 124, 76 ff. nicht abgedruckt. 1346 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. Rz. 17. 1347 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. 1348 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08 – „Bierbrauen“, MDR 2009, 1306 = ZIP 2009, 1674 ff. 1349 Vgl. BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180 f. Rz. 7; Gehrlein in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, § 129 Rz. 64.

262 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 654 B

scheidbar vorhanden ist oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist.1350 Dies kann insbesondere im Anwendungsbereich des § 132 Abs. 1 InsO von Bedeutung sein.1351 Der Anfechtungszweck wird unter Umständen schon dann erreicht, wenn der Insolvenzmasse die Wertdifferenz zwischen den wechselseitig versprochenen Leistungen zugeführt wird.1352 12. Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Gläubigerbenachtei- B 653 ligung trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Insolvenzverwalter.1353 Denn die Gläubigerbenachteiligung ist anspruchsbegründende Voraussetzung sämtlicher Anfechtungstatbestände.1354 Wird vom Anfechtungsgegner eingewandt, die vorhandene Masse reiche zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger aus, ist der Insolvenzverwalter nur dann uneingeschränkt darlegungs- und beweisbelastet, wenn das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners wegen drohender Zahlungsunfähigkeit eröffnet wurde.1355 Ist das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eröffnet worden, spricht hingegen ein Anschein dafür, dass die Insolvenzmasse nicht zur Befriedigung aller Gläubigeransprüche ausreicht.1356 Behauptet der Anfechtungsgegner, dass der gezahlte Betrag ihm auch ohne die angefochtene Rechtshandlung zugestanden hätte, da die Insolvenzmasse zur Befriedigung aller vor- und gleichrangigen Gläubiger ausreiche, so trägt er dafür die Beweislast.1357 Bestrittene Ansprüche, deren Durchsetzung noch ungewiss ist, bleiben bei der Prüfung der Frage, ob die Aktivmasse ausreicht, um alle dem Anfechtungsgegner vor- und gleichrangigen Gläubiger befriedigen zu können, unberücksichtigt.1358 Der Insolvenzverwalter muss schließlich nicht nachweisen, dass er sich nicht durch andere Anfechtungsprozesse eine ausreichende Masse zur Befriedigung aller Insolvenzgläubiger verschaffen kann.1359 Den Insolvenzverwalter trifft die Beweislast, dass die angefochtene Rechts- B 654 handlung nicht schuldnerfremdes Vermögen betraf.1360 Er muss jedoch seit

1350 1351 1352 1353 1354 1355 1356 1357 1358 1359 1360

Vgl. Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 143 Rz. 23. Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.71. Vgl. BGH v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05, ZIP 2008, 1028 ff. Rz. 16. BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, MDR 2000, 903 = ZIP 2000, 1061 (1063); v. 28.2.2008 – IX ZR 177/05, MDR 2008, 710 = ZInsO 2008, 375 ff. Rz. 21; HK-InsO/ Kreft, § 129 Rz. 64; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 258. BGH v. 20.12.1984 – IX ZR 114/83, WM 1985, 364 (365); v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZInsO 2005, 932 ff. Rz. 7. Vgl. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 64; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 260. BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96, MDR 1997, 767 = ZIP 1997, 853 (854 f.); v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 ff.; v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, MDR 1986, 1021 = ZIP 1986, 787 ff. BGH v. 11.6.1992 – IX ZR 147/91, MDR 1992, 959 = ZIP 1992, 1008 ff. Rz. 22. BGH v. 11.6.1992 – IX ZR 147/91, MDR 1992, 959 = NJW 1992, 2485 (2486); v. 7.5.1991 – IX ZR 30/90, BGHZ 114, 315, 322 f. = MDR 1991, 860. Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechtshandbuch, § 46 Rz. 52. BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 39/08, ZIP 2009, 817 f. Rz. 13 ff.; v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, MDR 2004, 1317 = ZIP 2004, 1509 (1511). Schfer

263

B Rz. 654

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

dem Grundsatzurteil des BGH vom 6.10.20091361 nicht mehr beweisen, dass eine Zahlung des Schuldners aus einem Bankguthaben oder einer genehmigten Kreditlinie und nicht etwa im Wege der geduldeten Kontoüberziehung erbracht wurde. Der Insolvenzverwalter muss ferner darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Anfechtungsgegner keine bzw. keine vollwertige Gegenleistung erbracht hat.1362 Es obliegt ihm auch der Nachweis, dass eine vom Anfechtungsgegner erbrachte Gegenleistung in der Insolvenzmasse nicht (mehr) vorhanden oder nicht mehr vollwertig ist.1363 Steht allerdings fest, dass dem Anfechtungsgegner ein Entgelt für Leistungen gewährt wurde, die er unentgeltlich zu erbringen hatte, trifft ihn die Beweislast für die über die Verpflichtung zur unentgeltlichen Leistungserbringung hinausgehenden zusätzlichen Leistungen.1364 B 655 Der Insolvenzverwalter genügt seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er vorträgt und im Falle des Bestreitens beweist, dass der Anfechtungsgegner einen Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners ohne (angemessene) Gegenleistung erlangt hat; demgegenüber muss der Anfechtungsgegner im Einzelnen die Tatsachen vortragen, die ihm zum Erwerb des Gegenstandes schon mit einem früheren Vertrag oder die ihm schon zuvor zu einem vorrangigen Sicherungsrecht verholfen haben sollen.1365 B 656 Steht fest, dass der Anfechtungsgegner die herausverlangten Zahlungen vom Schuldner ohne Gegenleistung erhalten hat, trifft ihn die sekundäre Darlegungslast dafür, dass er die den Zahlungen zugrundeliegenden Forderungen des Schuldners gegen Dritte zuvor erworben hatte.1366 B 657 Beruft sich der Anfechtungsgegner darauf, dass er aufgrund eines früheren insolvenzfesten Erwerbs ohnehin Inhaber des Gegenstandes sei, wird der Anfechtungstatbestand als solcher geleugnet; die dazu vorgetragenen Tatsachen muss daher der Anfechtende ausräumen. Dabei ändert sich an der Beweislastverteilung nichts dadurch, dass sich die Buchhaltungsunterlagen des Schuldners in schlechtem Zustand befinden. Allerdings ist es Sache des Anfechtungsgegners, die Voraussetzungen eines von ihm behaupteten Erwerbstatbestandes aufgrund eines früheren Vertrages darzulegen, denn insoweit hat er genauere Kenntnis vom Geschehen als der erst später mit den Vorgängen befasste Insolvenzverwalter.1367 B 658 Hinsichtlich der Gegenrechte, die vom Anfechtungsgegner geltend gemacht werden können, trifft diesen die sekundäre Darlegungslast.1368 Erst wenn der 1361 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05 – „Kontoüberziehung“, BGHZ 182, 317 ff. 1362 Vgl. BGH v. 17.12.1998 – IX ZR 196/97, MDR 1999, 440 = ZIP 1999, 196 ff.; v. 19.3.2009 – IX ZR 39/08, MDR 2009, 831 = ZInsO 2009, 828 ff. Rz. 16. 1363 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 228a. 1364 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, MDR 1995, 919 = NJW 1995, 1093 (1095). 1365 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZIP 2006, 1009 ff. Rz. 23; v. 11.7.1991 – IX ZR 230/90, MDR 1991, 962 = NJW 1992, 624 (626). 1366 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZIP 2006, 1009 ff. Rz. 23. 1367 BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, MDR 2000, 903 = ZIP 2000, 1061 ff. 1368 BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZIP 2012, 1422 ff. Rz. 17; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 64; K. Schmidt, § 129 Rz. 72.

264 Schfer

II. Glubigerbenachteiligung

Rz. 662 B

Anfechtungsgegner solche Rechte substantiiert geltend macht, muss der Insolvenzverwalter darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass diese Rechte entweder nicht bestehen oder anfechtbar sind. Dies muss jedoch nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO geschehen, denn diese Bestimmung regelt nur die Verjährung geltend gemachter Anfechtungsansprüche.1369 Setzt der Anfechtungstatbestand eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung B 659 voraus, so hat der Insolvenzverwalter auch diese zu beweisen.1370 Genügt für die Anfechtung eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung, so hat der Insolvenzverwalter darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Gegenleistung des Anfechtungsgegners zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Anfechtungsprozesses nicht mehr vorhanden oder im Wert gemindert war.1371 Macht der Anfechtungsgegner geltend, der ihm übertragene Gegenstand sei wert- B 660 ausschöpfend belastet gewesen, so trifft den Insolvenzverwalter die Darlegungsund Beweislast, dass im Falle der Verwertung des Gegenstandes ein Erlös für die Masse erzielt werden könnte. Den Anfechtungsgegner trifft allerdings eine sekundäre Darlegungslast, inwieweit die Belastungen noch valutierten.1372 Den Insolvenzverwalter trifft ferner die Darlegungs- und Beweislast, dass der B 661 weggegebene Gegenstand aus dem pfändbaren Vermögen des Schuldners stammte (vgl. §§ 35, 36 InsO). Die frühere Rechtsprechung des BGH, wonach zur Schlüssigkeit des Vorbringens des Insolvenzverwalters die Darlegung gehörte, dass die Zahlung des Schuldners aus einem Guthaben oder im Rahmen einer eingeräumten Kreditlinie – und nicht etwa im Wege der geduldeten Kontoüberziehung – erbracht wurde,1373 ist aufgrund des neueren Urteils vom 6.10.20091374 überholt. Macht der Anfechtungsgegner geltend, er habe die zunächst eingetretene Gläu- B 662 bigerbenachteiligung wieder beseitigt, so trägt er die Beweislast.1375 Der Anfechtungsgegner hat daher darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er dem Schuldner Vermögenswerte hat zukommen lassen, welche die angefochtene Leistung vollständig ausgeglichen und dem Gläubigerzugriff offen gestanden haben.1376 Entsprechendes gilt, wenn der Anfechtungsgegner geltend macht, er habe mit dem empfangenen Geld oder in Höhe des Wertes des empfangenen Gegenstandes Gläubiger des Insolvenzschuldners befriedigt, die der Insolvenzverwalter in gleicher Höhe hätte befriedigen müssen.1377 1369 BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, MDR 2008, 1300 = ZIP 2008, 1593 ff. Rz. 23 f. 1370 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 228. 1371 BGH v. 3.3.1988 – IX ZR 11/87, WM 1988, 799 (801); HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 118. 1372 BGH v. 20.10.2005 – IX ZR 276/02, NotBZ 2006, 173 = MDR 2006, 594 = ZInsO 2006, 151 f.; v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, MDR 2009, 1068 = NotBZ 2009, 493 = ZInsO 2009, 1249 ff. Rz. 34. 1373 Vgl. BGH v. 1.2.2007 – IX ZB 248/05, MDR 2007, 858 = ZInsO 2007, 323 f. 1374 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. 1375 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 232. 1376 BGH v. 16.8.2007 – IX ZR 63/06, BGHZ 173, 328 ff. Rz. 57. 1377 BGH v. 24.10.1962 – VIII ZR 126/61, WM 1962, 1316 (1317). Schfer

265

B Rz. 663

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 663 Richtet sich die Anfechtung gegen den Ehegatten des Insolvenzschuldners, so greift die Vermutung des § 1362 BGB auch zugunsten des Insolvenzverwalters ein.1378 Die gesetzliche Vermutung des § 1362 BGB ist allerdings auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht entsprechend anzuwenden.1379

III. Anfechtungsanspruch – Rechtsnatur, Entstehung, Abtretbarkeit und Durchsetzung 1. Rechtsnatur des Anfechtungsanspruchs B 664 Die Rechtsnatur des Anfechtungsanspruchs ist streitig. Im Wesentlichen werden zu dieser Frage die „Dinglichkeitstheorie“, die „haftungsrechtliche“ und die „schuldrechtliche“ Theorie vertreten, wobei überwiegend betont wird, dass letztlich Wertungsgesichtspunkte entscheidend und deshalb die Unterschiede der Theorien in der Praxis gering seien.1380 In den meisten Fällen mag es zwar in der Tat auf den Theorienstreit nicht ankommen; er ist aber – wie noch zu zeigen ist – dennoch nicht nur rein akademischer Natur.1381 Vor allem bestimmte, in der Rechtsprechung anerkannte Möglichkeiten der Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs lassen sich nicht auf der Grundlage einer rein schuldrechtlichen Einordnung des Anfechtungsanspruchs erklären. B 665 Anders als noch in § 29 KO hat der Gesetzgeber in § 129 Abs. 1 InsO bewusst nicht angeordnet, dass die von den Anfechtungstatbeständen erfassten Rechtshandlungen „als den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam“ angefochten werden können. Schon unter der Geltung der Konkursordnung habe sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nicht als relative Unwirksamkeit aufzufassen sei, sondern im Regelfall einen obligatorischen Rückgewähranspruch begründe. Eine weitergehende Stellungnahme zum Streit um die dogmatische Einordnung der Anfechtung ergebe sich aus dem Entwurf jedoch nicht.1382 B 666 Die schuldrechtliche Theorie wird durch den Wortlaut des § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO gestützt. Die Bestimmung des § 145 InsO, wonach die Anfechtbarkeit gegen den Erben oder einen anderen Gesamtrechtsnachfolger des Anfechtungsgegners geltend gemacht werden kann, zeigt jedoch, dass sich die Bedeutung des Anfechtungsanspruchs nicht in einem rein schuldrechtlich wirkenden Anspruch erschöpft.1383 Es ist in diesem Zusammenhang ferner an § 7 Abs. 1 AnfG a.F. zu erinnern, in dem davon die Rede war, dass dasjenige, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder auf1378 MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rz. 229. 1379 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 ff. = FamRZ 2007, 457 = MDR 2007, 660. 1380 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 3 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.11 ff.; MKInsO/Kirchhof, 2. Aufl., vor §§ 129–147 Rz. 11 ff. 1381 Zutr. Braun/de Bra, § 129 Rz. 6. 1382 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157. 1383 Vgl. BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.13; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 75.

266 Schfer

III. Anfechtungsanspruch

Rz. 668 B

gegeben wurde, „als noch zu demselben gehörig“ vom Empfänger zurückzugewähren sei. Das Recht zur Insolvenzanfechtung ist jedenfalls kein Gestaltungsrecht und B 667 muss daher insbesondere nicht durch Klage geltend gemacht werden. Es wird vielmehr unmittelbar als Folge der Verwirklichung eines Anfechtungstatbestandes begründet und hat kraft Gesetzes mit seiner Entstehung und gleichzeitigen Fälligkeit durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners1384 eine Rückgewährpflicht des Anfechtungsgegners zur Folge,1385 ohne dass man freilich von einem bedingten Anspruch ausgehen müsste.1386 Für die Ausübung des Anfechtungsrechts genügt vielmehr jede erkennbare – auch konkludente – Willensäußerung, dass der Insolvenzverwalter eine Gläubigerbenachteiligung in der Insolvenz nicht hinnehme, sondern zur Masseanreicherung wenigstens wertmäßig auf Kosten des Anfechtungsgegners wieder auszugleichen suche.1387 Die Anfechtung führt nicht etwa zur Nichtigkeit eines anfechtbaren Rechtsgeschäfts; nach der Rechtsprechung des BGH entsteht vielmehr ein Rückgewähranspruch in Form eines schuldrechtlichen Verschaffungsanspruchs.1388 Der BGH hatte durch Urteil vom 23.10.20031389 über die Frage zu entscheiden, B 668 ob der Anfechtungsanspruch in der Insolvenz des Anfechtungsgegners ein Aussonderungsrecht gewährt. Er ist in dieser Entscheidung von seiner früheren Rechtsprechung abgerückt, wonach der Anfechtungsanspruch in der Insolvenz des Anfechtungsgegners nur als Insolvenzforderung geltend gemacht werden könne.1390 Unabhängig davon, ob man den Anfechtungsanspruch als obligatorischen Rückgewähranspruch verstehe, seien insoweit die Wertungen der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen entscheidend. Danach sei grundsätzlich ein Aussonderungsrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 47 InsO („dingliches oder persönliches Recht“) in der Insolvenz des Anfechtungsgegners zu bejahen. Auch schuldrechtliche Ansprüche könnten bei einer den Normzweck beachtenden Betrachtungsweise zu einer vom dinglichen Recht abweichenden Vermögenszuordnung führen. Diese Wertung finde ihre Bestätigung auch in § 145 Abs. 1 InsO. Mit der dort vorgeschriebenen Erstreckung des Anfechtungsrechts auf Gesamtrechtsnachfolger jeglicher Art habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Zuordnung zur Haftungsmasse sich im Allgemeinen unabhängig von der Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs durchsetzen solle. Es sei auch wertungsmäßig nicht einzusehen, warum die Gläubiger des insolvent ge-

1384 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 ff. Rz. 20. 1385 Vgl. Kummer, jurisPR-BGHZivilR 12/2010 Anm. 3. 1386 So Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 103; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 186; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 529 – zu Recht ablehnend BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, NJW 1995, 2783 (2784); insoweit in BGHZ 130, 38 ff. nicht abgedruckt – zu Recht zweifelnd auch HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 82. 1387 BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 209/06, ZIP 208, 888 ff. 1388 BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 ff.; K. Schmidt/Büteröwe, § 143 Rz. 6. 1389 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596. 1390 BGH v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, MDR 1990, 622 = NJW 1990, 990 (992). Schfer

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B Rz. 668

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

wordenen Anfechtungsgegners von Rechtshandlungen sollten profitieren können, die – im Hinblick auf die beiderseitige Insolvenz – als ungerechtfertigte Vermehrung der Vermögensmasse des Empfängers erschienen.1391 B 669 Auf der Grundlage einer rein schuldrechtlichen Theorie ließe sich das Ergebnis des BGH wohl kaum begründen. Er konnte sich jedoch neben § 145 Abs. 1 InsO auch auf § 47 InsO (Aussonderung) stützen, wonach nicht nur aufgrund eines dinglichen, sondern unter Umständen auch aufgrund eines persönlichen Rechts geltend gemacht werden kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung hat der BGH zu den §§ 4, 11, 12 AnfG entschieden, dass der Anfechtungsgläubiger einer teils entgeltlichen, teils unentgeltlichen Leistung des Schuldners einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den zugewandten Gegenstand hat. Der gutgläubige Empfänger einer teils entgeltlichen, teils unentgeltlichen Leistung, der eine Gegenleistung erbracht hat, kann bevorzugte Befriedigung seines Anspruchs auf Rückgewähr der Gegenleistung aus dem Verwertungserlös verlangen.1392 Wird Buchgeld in anfechtbarer Weise übertragen, so kann nach einem Urteil des OLG Schleswig vom 27.7.20161393 dem infolgedessen zur Entstehung gelangenden Wertersatzanspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO Aussonderungskraft zukommen. Die Aussonderung setzt danach voraus, dass die Gutschrift auf dem Empfängerkonto durch Buchungen belegt ist; sie kann in Höhe des in der Zeit nach der Gutschrift eingetretenen niedrigsten positiven Tagessaldos verlangt werden. B 670 Der Theorienstreit ist ferner von Bedeutung für die Frage des Wiederauflebens von Sicherheiten nach der Anfechtung der Tilgung der gesicherten Forderung.1394 Nach der schuldrechtlichen Theorie müssten die Sicherheiten jeweils neu begründet werden. Auf der Grundlage der dinglichen und haftungsrechtlichen Theorien wird zum Teil vertreten, dass sowohl akzessorische als auch nichtakzessorische Sicherheiten automatisch wieder auflebten.1395 Zum Teil wird nach der Art der Sicherungsrechte differenziert.1396 Sicherungsrechte, zu deren Begründung kein Realakt erforderlich ist, leben nach dieser Auffassung ohne weiteres wieder auf, sobald der Sicherungsnehmer den durch die Anfechtung ausgelösten Rückgewähranspruch erfüllt hat.1397 Dies gilt insbesondere für Bürgschaften.1398 Ist der zur Begründung des Sicherungsrechts erforderliche Realakt (etwa die Übergabe bei einer Verpfändung oder die Eintragung bei einem Grundpfandrecht) bereits rückgängig gemacht worden, muss nach dieser Auffassung das Sicherungsrecht neu begründet werden, mit der Folge, dass zwi1391 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. Rz. 30 f. 1392 BGH v. 15.12.2016 – IX ZR 113/15, ZIP 2017, 185 ff. 1393 OLG Schleswig v. 27.7.2016 – 9 U 34/16, ZIP 2016, 1932 ff.; beim BGH zum Redaktionsschluss unter Az. IX ZR 198/16 anhängig. 1394 Vgl. Ganter, WM 2006, 1081 (1084 ff.) und teilweise abweichend in WM 2011, 245 ff. 1395 OLG Frankfurt v. 25.11.2003 – 9 U 127/02, ZIP 2004, 271 f.; MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 10; Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 18. 1396 Vgl. Ganter, WM 2006, 1081 ff. und teilweise abweichend in WM 2011, 245 ff. 1397 HK-InsO/Kreft, § 144 Rz. 3. 1398 OLG München v. 19.6.2008 – 24 U 737/07, WM 2008, 2112 f.

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III. Anfechtungsanspruch

Rz. 674 B

schenzeitliche Belastungen dem neu zu begründenden Sicherungsrecht vorgehen.1399 Fraglich ist, ob in diesem Fall ein Anspruch der Masse auf Wertersatz besteht.1400 Nach der schuldrechtlichen Theorie müsste der Insolvenzverwalter einen auf B 671 Rückgewähr gerichteten Titel erstreiten, um einen anfechtbar wegegegebenen Gegenstand wieder der Masse zuzuführen. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass der Insolvenzverwalter den Anfechtungsgegner auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den anfechtbar weggegebenen Gegenstand in Anspruch nehmen kann.1401 Noch nicht endgültig geklärt ist hingegen die Frage, ob der anfechtungsrecht- B 672 liche Rückgewähranspruch im Wege der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO geltend gemacht werden kann, wenn etwa ein Gläubiger des Anfechtungsgegners in eine anfechtbar weggegebene Sache vollstreckt hat. Der BGH hat dazu noch durch Urteil vom 11.1.19901402 entschieden, dass der auf die Anfechtung gestützte Rückgewähranspruch nach § 37 KO als schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch kein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne des § 771 ZPO sei. Dies dürfte nach dem oben erwähnten Urteil des BGH vom 23.10.20031403 nicht mehr gelten.1404 Begründen lässt sich die gegenteilige Auffassung wohl nur auf der Grundlage der dinglichen und der haftungsrechtlichen Theorie. Streitig ist ferner, ob Pfändungsgläubiger des Anfechtungsgegners selbst dann ge- B 673 genüber dem Anfechtungsbegehren des Insolvenzverwalters zurücktreten müssen, wenn sie bei der Pfändung die Umstände nicht kannten, welche die Anfechtbarkeit begründeten.1405 Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass nach herrschender Auffassung auch jener Erwerb als unentgeltlich im Sinne des § 145 Abs. 2 InsO anzusehen ist, der durch Zwangsvollstreckung in den beim Rechtsvorgänger befindlichen, ursprünglich anfechtbar weggegebenen Gegenstand begründet wurde.1406 2. Entstehung und Abtretbarkeit des Anfechtungsanspruchs Der BGH ist unter der Geltung der Konkursordnung davon ausgegangen, dass B 674 das Anfechtungsrecht untrennbar mit dem Amt des Konkursverwalters verbunden sei.1407 Im Schrifttum wurde indes zu Recht darauf hingewiesen, dass diese 1399 Ganter, WM 2006, 1085 f. 1400 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 144 Rz. 3. 1401 BGH v. 5.2.1987 – IX ZR 161/85, BGHZ 100, 36 (42) = MDR 1987, 494; v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, MDR 2009, 1068 = NotBZ 2009, 493 = ZInsO 2009, 1249 ff.; HK-InsO/ Kreft, § 143 Rz. 6; Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 16. 1402 BGH v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, MDR 1990, 622 = NJW 1990, 990 ff. 1403 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596. 1404 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 143 Rz. 172; Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 59; Gottwald/ Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 29; Eckardt, KTS 2005, 15 (47 f.). 1405 Dafür HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 74; dagegen etwa Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 94. 1406 MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 30; FK-InsO/Dauernheim, § 145 Rz. 11; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 145 Rz. 12. 1407 BGH v. 10.2.1982 – VIII ZR 158/80, BGHZ 83, 102 (105) = MDR 1982, 748. Schfer

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B Rz. 674

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

Auffassung nicht uneingeschränkt aufrecht erhalten werden könne.1408 Denn nach der Insolvenzordnung kann das Anfechtungsrecht auch dem Sachwalter bzw. Treuhänder und sogar einem Insolvenzgläubiger zustehen (vgl. §§ 280, 313 Abs. 2 InsO). Als Inhaber des Anfechtungsrechts ist vielmehr die Insolvenzmasse als Sondervermögen anzusehen, dessen Träger der Schuldner ist.1409 Nach anderer Auffassung handelt es sich um einen massezugehörigen Anspruch des Schuldners.1410 Dagegen wird jedoch eingewandt, dass der Schuldner selbst kraft Gesetzes nie anfechten kann.1411 Der BGH hat aber jedenfalls durch Urteil vom 17.2.2011 entschieden, dass der aus der Insolvenzanfechtung folgende Rückgewähranspruch abgetreten werden kann.1412 B 675 Nach einem weiteren Urteil des BGH vom 10.1.20131413 ist die Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden streitigen Rückgewähranspruchs nicht insolvenzzweckwidrig und nichtig, wenn die Masse als Gegenleistung einen Anspruch auf Auskehrung des hälftigen Erlöses des vom Abtretungsempfänger zu führenden Rechtsstreits erhält. Im Urteil vom 21.2.20131414 hat der BGH die Frage offen gelassen, ob der Zessionar einen abgetretenen Anfechtungsanspruch auch dann noch weiterverfolgen kann, wenn das Insolvenzverfahren aufgehoben ist. Diese Frage dürfte zu bejahen sein. B 676 Die unterschiedlichen Auffassungen zum Wesen des Anfechtungsanspruchs haben eine gewisse Rolle bei der Kontroverse zwischen dem BGH und dem Bundesarbeitsgericht zu der Frage gespielt, ob die Arbeitsgerichte im Falle der Anfechtung der Zahlung rückständigen Arbeitslohnes an die Arbeitnehmer des insolventen Arbeitgebers zuständig sind. Das Bundesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger des insolventen Arbeitgebers im Sinne des § 3 ArbGG handle.1415 Der BGH hat dagegen in seinem Vorlagebeschluss an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 2.4.2009 betont,1416 dass es sich bei dem anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch um einen originären gesetzlichen Anspruch handle, der mit der Insolvenzeröffnung entstehe und untrennbar mit dem Amt des Insolvenzverwalters verbunden sei.1417 Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist im Ergebnis dem Bundesarbeitsgericht gefolgt.1418 B 677 Zur Frage der Entstehung des Anfechtungsanspruchs wird im Schrifttum zum Teil die Auffassung vertreten, das Anfechtungsrecht – und mit ihm der Anfech1408 1409 1410 1411 1412 1413 1414 1415 1416 1417

HK-InsO/Kreft, 5. Aufl., § 129 Rz. 84. Vgl. MK-InsO/Kayser § 129 Rz. 191. Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 97. MK-InsO/Kayser § 129 Rz. 190. BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, MDR 2011, 820. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, WM 2013, 471 f. BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 69/12, ZIP 2013, 586 ff. Rz. 18. BAG v. 27.2.2008 – 5 AZB 43/07, ZInsO 2008, 391 f. BGH v. 2.4.2009 – IX ZB 182/08, MDR 2009, 886 = ZInsO 2009, 820 ff. BGH v. 2.4.2009 – IX ZB 182/08, MDR 2009, 886 = ZInsO 2009, 820 ff. Rz. 13; vgl. dazu noch unten Rz. B732 ff. 1418 GemS-OGB 1/09, 27.9.2010 – ZInsO 2010, 2400 ff.; kritisch dazu Bork, EWiR 2010, 765 f.

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III. Anfechtungsanspruch

Rz. 679 B

tungsanspruch – entstehe schon mit dem Eintritt der Rechtswirkung der anfechtbaren Handlung, aufschiebend bedingt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.1419 Diese Auffassung dürfte jedoch auf einer unzureichenden Unterscheidung zwischen der Begründung, Entstehung und Fälligkeit einer Forderung beruhen. Begründet ist der Anfechtungsanspruch bereits mit dem Eintritt der Rechtswirkung der anfechtbaren Handlung.1420 Andernfalls wäre es nicht zu erklären, dass gemäß §§ 16 f. AnfG eine Rechtsnachfolge des Insolvenzverwalters in den Anfechtungsanspruch stattfinden kann und dass der Anfechtungsgegner auch für eine von ihm schon vor der Insolvenzeröffnung verursachte Unmöglichkeit der Rückgewähr haftet.1421 Entstanden ist der Anfechtungsanspruch allerdings erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Annahme eines aufschiebend bedingten Anspruchs bedarf es jedoch nicht.1422 Nach einem neueren Urteil des BGH vom 1.2.20071423 entsteht das Anfech- B 678 tungsrecht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird zugleich fällig, da nach neuerem Verständnis die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf. Nach allen genannten Auffassungen steht damit jedenfalls fest, dass das Anfechtungsrecht nicht schon dem vorläufigen Insolvenzverwalter zusteht. Auch wenn davon auszugehen wäre, dass der Anfechtungsanspruch bereits mit der Verwirklichung des Anfechtungstatbestandes entsteht und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur eine aufschiebende Bedingung und keine Anspruchsvoraussetzung darstellt, beginnt die Verjährungsfrist bei aufschiebend bedingten Ansprüchen erst mit dem Eintritt der Bedingung. Erst dann sind diese Ansprüche im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB „entstanden“.1424 Wirkungen gegenüber jedermann entfaltet die Anfechtung nach der Rechtsprechung des BGH erst mit der Erfüllung des Anfechtungsanspruchs durch den Anfechtungsgegner. Der Zwangsverwalter eines vermieteten Grundstücks kann daher eine Räumungsklage auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters nicht auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit des Mietvertrages stützen.1425 Gegenüber dem erst mit der Insolvenzeröffnung entstehenden Rückgewähr- B 679 anspruch kann ferner nicht mit einer Insolvenzforderung aufgerechnet werden.1426 Dies folgt im Übrigen auch aus dem Wesen des Anfechtungsanspruchs, welcher der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger dient und somit nicht die Einzelbefriedigung eines Gläubigers durch Aufrechnung zulässt.1427

1419 Vgl. Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 103; MK-InsO/Kayser § 129 Rz. 186; zweifelnd hinsichtlich der Frage der Bedingtheit HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 82. 1420 Vgl. B. Schäfer, NZI 2010, 505 (507). 1421 Vgl. Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 103. 1422 Zu Recht ablehnend BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, NJW 1995, 2783 (2784); insoweit nicht in BGHZ 130, 38 ff. abgedruckt. 1423 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 (44) = MDR 2007, 678. 1424 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 275/13, NZI 2015, 178. 1425 BGH v. 16.10.2014 – IX ZR 282/13, ZInsO 2014, 2318 f. Rz. 13. 1426 BGH v. 23.11.1981 – VIII ZR 190/80, ZIP 1982, 76 (78); v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, BGHZ 130, 38 (40) = MDR 1995, 1225. 1427 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 19.21. Schfer

271

B Rz. 680

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 680 Daraus, dass der Anfechtungsanspruch untrennbar mit dem Amt des Insolvenzverwalters verbunden sei, wurde zum Teil gefolgert, dass der Anspruch auch nicht abtretbar sei.1428 Die herrschende Auffassung im Schrifttum ging jedoch zu Recht davon aus, dass der Anfechtungsanspruch abtretbar sei.1429 In diesem Sinne hat auch der BGH inzwischen durch Urteil vom 17.2.2011 entschieden.1430 Er hat allerdings offen gelassen, ob das Anfechtungsrecht mit der vorbehaltslosen Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens erlischt.1431 Man wird jedoch vom Fortbestand des wirksam abgetretenen Anfechtungsanspruchs ausgehen können. B 681 Der Umstand, dass der Anfechtungsanspruch erst mit der Insolvenzeröffnung entsteht, ist unter anderem von Bedeutung für die Verpflichtung des Anfechtungsgegners zur Zinszahlung gemäß §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, 819 Abs. 1, 291, 288 Abs. 1 BGB. Da die Zinspflicht gemäß § 291 Satz 1 Halbsatz 2 BGB erst mit Fälligkeit der in Rede stehenden Geldschuld beginnt, stehen der Insolvenzmasse für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung keine Prozesszinsen zu.1432 Gezogene bzw. schuldhaft nicht gezogene Zinsen sind hingegen als Nutzungen bzw. unterlassene Nutzungen ab dem Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung herauszugeben. Die Anknüpfung des Anfechtungsrechts an die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungsnorm führt nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass Nutzungen und vorwerfbar nicht gezogene Nutzungen nach den §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 2, 987 BGB vom Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung an zu erstatten sind, auch wenn der Schuldner selbst sie nicht gezogen hätte.1433 Dass dem Anfechtungsgegner die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Rückgewährbetrag gezogenen Zinsen verbleiben sollen, lässt sich nach Ansicht des BGH mit dem verfahrenseigenen Hauptzweck einer optimalen gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung nicht vereinbaren.1434 3. Umfang und Einschränkungen des Anfechtungsanspruchs; Zurückbehaltungsrechte a) Umfang der Anfechtung B 682 Der Anfechtungsgegner hat nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich den gesamten, durch die angefochtene Rechtshandlung erlangten Geldbetrag 1428 Vgl. OLG Zweibrücken v. 22.4.2010 – 4 U 128/09, ZIP 2010, 1505 ff. als Vorinstanz zu BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, MDR 2011, 820 = ZIP 2011, 1114 ff. 1429 Eckardt, KTS 1993, 585 ff.; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 92; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 214; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 4. 1430 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, MDR 2011, 820 = ZIP 2011, 1114 ff. 1431 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114 ff. Rz. 12; vgl. dazu BGH v. 2.4.2009 – IX ZB 182/08, ZIP 2009, 825 ff. Rz. 22. 1432 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 ff. Rz. 19, 20 = MDR 2007, 678. 1433 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 ff. Rz. 22; v. 22.9.2005 – IX ZR 271/01, MDR 2006, 416 = ZIP 2005, 1888 (1889); Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 143 Rz. 47. 1434 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 ff. Rz. 22.

272 Schfer

III. Anfechtungsanspruch

Rz. 685 B

auch dann an den Insolvenzverwalter herauszugeben, wenn er möglicherweise einen erheblichen Teil davon im Verteilungsverfahren als Quote zurückerhalten wird.1435 Von praktischer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang jedoch ein Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 20.1.2015,1436 wonach eine Ausnahme dann gegeben ist, wenn der im Wege der Anfechtung zurückgeforderte Betrag ein hohes Vielfaches (konkret: rund das Zehnfache) des Betrages ausmacht, der zur Begleichung aller vorrangigen und gleichrangigen Forderungen erforderlich ist. Ist der Anfechtungsgegner einziger Insolvenzgläubiger, weil er alle anderen Gläubiger abgefunden hat und deren angemeldete Forderungen an ihn abgetreten wurden, kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine gegen ihn gerichtete Anfechtungsklage nicht in Betracht. Das OLG München ist in einem Urteil vom 4.8.20091437 im Zusammenhang mit B 683 der Anfechtung der Auszahlung von Scheingewinnen, die im Rahmen eines sogenannten „Schneeballsystems“ erzielt wurden,1438 davon ausgegangen, dass der Wert der in das Vermögen des Anfechtungsgegners gelangten Bereicherung gemäß §§ 134, 143 Abs. 2 Satz 1 InsO, 818 BGB nach der Saldotheorie nur im Wert des Erlangten abzüglich der Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung bestehe. Der Anfechtungsgegner sei wegen der Sondervorschrift des § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO hinsichtlich seines Anspruchs auf Rückzahlung der Einlage nicht nach § 144 Abs. 1 InsO auf die Anmeldung zur Insolvenztabelle zu verweisen; vielmehr mindere der Betrag der getätigten Aufwendung unmittelbar den Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung, weil der Anfechtungsgegner in dieser Höhe nicht bereichert sei. Diese Auffassung des OLG München ist unzutreffend. Zum einen gelten die B 684 Grundsätze der Saldotheorie nach der Rechtsprechung des BGH in der Insolvenz nur in abgewandelter Form. Danach bietet die Saldotheorie keine Grundlage dafür, Forderungen, die ohne eine Saldierungsmöglichkeit nur Insolvenzforderungen wären, zu „verdinglichen“ oder gar zu Masseforderungen zu erheben.1439 Zum anderen sind allenfalls solche Aufwendungen nach der Saldotheorie zu berücksichtigen, die der Zuwendungsempfänger im Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit des vermeintlichen Vermögenszuwachses getätigt hat.1440 In dem vom OLG München entschiedenen Fall scheiterte die Anwendung der Saldotheorie im Übrigen schon daran, dass die ausgezahlten Scheingewinne nicht als Gegenleistung für die Einlage des Anlegers angesehen werden konnten.1441 Der BGH hat daher die Entscheidung des OLG München zu Recht durch Urteil B 685 vom 22.4.20101442 aufgehoben. Danach ist der aus der Anfechtung der Auszahlung von Scheingewinnen resultierende anfechtungsrechtliche Rückgewähr1435 1436 1437 1438 1439 1440 1441 1442

BGH v. 11.6.1992 – IX ZR 147/91, ZIP 1992, 1008 ff. OLG München v. 20.1.2015 – 5 W 1651/14, ZInsO 2015, 1444 f. OLG München v. 4.8.2009 – 5 U 2971/09, ZInsO 2009, 1767 f. Vgl. dazu BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. = MDR 2009, 350; v. 25.6.2009 – IX ZR 157/08, veröffentlicht bei juris. BGH v. 2.12.2004 – IX ZR 200/03, MDR 2005, 713 = NJW 2005, 884 (887). Vgl. dazu BGH v. 23.10.1980 – IVa ZR 45/80, NJW 1981, 277 (278). BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253 ff. Rz. 7. BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, MDR 2010, 956 = ZIP 2010, 1253 ff. Schfer

273

B Rz. 685

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

anspruch nicht mit den als Einlage des Anlegers erbrachten Zahlungen zu saldieren. Durch ein weiteres Urteil vom 2.4.20091443 hat der BGH klargestellt, dass der Empfänger der Auszahlung nicht mit seinem gegen den Insolvenzschuldner begründeten Schadensersatzanspruch gegen den aus der Anfechtung folgenden Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO aufrechnen kann. Wird dem Anleger in einem Schneeballsystem neben Scheingewinnen auch die Einlage ausgezahlt, kann sich der anfechtende Insolvenzverwalter nicht darauf berufen, die Einlage sei durch Verluste und Verwaltungsgebühren teilweise aufgebraucht.1444 Ausschüttungen erfolgen jedoch in der Regel zunächst auf ausgewiesene Scheingewinne und erst danach auf die geleistete Einlage.1445 B 686 Nach einem Beschluss des BGH vom 21.10.20101446 unterliegen Provisionen für den Vertrieb eines Anlagemodells als objektiv unentgeltliche Leistungen der Anfechtung, wenn der Betrag der an den Anleger ausgezahlten Scheingewinne ihre Berechnungsgrundlage bildet. Hingegen begründet es keinen anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch, wenn die in einem Schneeballsystem erzielten Scheingewinne auf ein anderes Anlagekonto desselben Anlegers umgebucht werden.1447 b) Teilbarkeit der Rechtshandlung und Teilanfechtung B 687 Eine einheitliche Rechtshandlung ist grundsätzlich nur insgesamt anfechtbar.1448 Dies gilt auch für den Abschluss von Verträgen, welche die Gläubiger des Schuldners benachteiligen. Die Anfechtung einzelner Bestimmungen eines Vertrages ist im Grundsatz ausgeschlossen.1449 Bei Austauschverträgen, bei denen die dem Schuldner zu erbringende Gegenleistung hinter dem Wert seiner Leistung zurückbleibt, kommt eine Teilanfechtung nicht in Betracht, wie insbesondere § 144 Abs. 2 InsO zeigt. Diese Bestimmung ergäbe keinen Sinn, wenn sich die Wirkung der Anfechtung darauf beschränkte, den Vertrag so anzupassen, dass die Gläubigerbenachteiligung entfällt.1450 Gewährt der Schuldner dem Gläubiger eine Sicherheit, die neben einem neu gewährten Kredit auch sogenannte „Altverbindlichkeiten“ des Schuldners absichern soll, so unterliegt die Sicherheitenbestellung daher im Grundsatz insgesamt der Anfechtung.1451

1443 1444 1445 1446 1447 1448

BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 221/07, BRAK 2008, 14 m. Anm. Jungk = GWR 2009, 97. BGH v. 9.12.2010 – IX ZR 60/10, ZIP 2011, 390 ff. BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 18/10, ZIP 2011, 674 ff. BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484 f. BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 207/10, ZIP 2012, 931 ff. Vgl. BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 (83 f.) = MDR 1994, 468; v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05, MDR 2008, 884 = NotBZ 2008, 266 m. Anm. Suppliet = ZInsO 2008, 558 ff.; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 94. 1449 BGH v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05, MDR 2008, 884 = NotBZ 2008, 266 m. Anm. Suppliet = ZIP 2008, 1028 ff. Rz. 16; v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, MDR 2007, 1099 = ZIP 2007, 1120 (1123). 1450 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 247. 1451 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 102; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 238; OLG Hamburg v. 26.10.1984 – 11 U 168/83, ZIP 1984, 1373 ff.

274 Schfer

III. Anfechtungsanspruch

Rz. 691 B

Begibt ein Schuldner eine Sicherung zugleich sowohl für künftige Forderungen B 688 als auch für bereits bestehende Verbindlichkeiten und hat der Gläubiger jedenfalls auf letztere Sicherung keinen Anspruch, handelt es sich um ein insgesamt inkongruentes, in vollem Umfang nach § 131 InsO anfechtbares Deckungsgeschäft, wenn nicht festgestellt werden kann, ob und in welchem Umfang sich die Sicherung auf bestimmte Ansprüche bezieht.1452 Bleibt allerdings der Wert der Sicherheiten hinter dem Alt- und dem Neukredit zurück und sollte nachweislich vorrangig der Neukredit gesichert werden, so unterliegt die Sicherung nur insoweit der Anfechtung, als sie zur Deckung des Altkredits bestimmt war.1453 Die Anfechtung eines Vertrages kann allerdings die Wirkung einer Teilanfech- B 689 tung haben, wenn die anfechtbare Rechtshandlung das Schuldnervermögen nur in begrenztem Umfang geschmälert hat und das Rechtsgeschäft insoweit teilbar ist.1454 Teilbar in diesem Sinn ist etwa ein ansonsten ausgewogener Vertrag, der den Schuldner bzw. dessen Gläubiger in Einzelpunkten gezielt für den Fall der Insolvenz benachteiligt. In diesem Fall entfällt für die Rückabwicklung allein die benachteiligende Klausel.1455 Eine Gläubigerbenachteiligung kommt in einem solchen Fall in Betracht, wenn dem späteren Insolvenzschuldner gezielt für den Fall der Insolvenz Vermögensnachteile auferlegt werden, welche über die gesetzlichen Folgen hinausgehen und nicht zur Erreichung des Vertragszwecks geboten sind.1456 Der BGH hat dies für einen Vertrag über eine Breitbandverteilanlage entschie- B 690 den, nach dessen Inhalt die Anlage im Falle des Konkurses der Schuldnerin entschädigungslos in das Eigentum der Stadt übergehen sollte. Entweder hätte der Konkursverwalter selbst erwägen können, die Arbeiten fortzusetzen, oder aber hätte er von der vertraglich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen können, die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auf einen Dritten zu übertragen, wie es die verklagte Stadt später getan hatte.1457 Ist die Vereinbarung eines Heimfallanspruchs in einem Erbbaurechtsvertrag B 691 gläubigerbenachteiligend und daher anfechtbar, kann der Insolvenzverwalter verlangen, dass die Masse so gestellt wird, wie wenn der Vertrag ohne diese Vereinbarung abgeschlossen worden wäre.1458

1452 BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 57/08, NZI 2012, 81 f. 1453 Vgl. OLG Hamburg v. 26.10.1984 – 11 U 168/83, ZIP 1984, 1373 ff.; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 242. 1454 BGH v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05, MDR 2008, 884 = NotBZ 2008, 266 m. Anm. Suppliet = ZIP 2008, 1028 ff. Rz. 16; v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, ZInsO 2007, 600 ff. Rz. 32. 1455 BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92 – „Breitbandverteilanlage“, BGHZ 124, 76 (84) = MDR 1994, 468. 1456 BGH v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05, MDR 2008, 884 = NotBZ 2008, 266 m. Anm. Suppliet = ZIP 2008, 1028 ff. Rz. 16; v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 (81) = MDR 1994, 468. 1457 BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 ff. = MDR 1994, 468. 1458 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, MDR 2007, 1099 = ZInsO 2007, 600 ff. Schfer

275

B Rz. 692

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 692 Nach einem Urteil des BGH vom 11.6.19801459 soll bei einem unangemessen hohen Sanierungshonorar eine Korrektur durch die Insolvenzanfechtung nur insoweit geboten sein, als die Gläubiger des Schuldners benachteiligt wurden. Sei das vereinbarte Anwaltshonorar nur teilweise unangemessen, so sei jedenfalls dann, wenn das zur Erfüllung Geleistete teilbar sei, nur der nicht angemessene Teil der Vergütung zur Masse zurück zu gewähren. Es sei zu prüfen, ob das angefochtene Rechtsgeschäft die Gläubiger nur zum Teil benachteilige, mit der Folge, dass die Anfechtung nur teilweise durchgreife. B 693 Diese Entscheidung wird im Schrifttum zum Teil kritisiert.1460 Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass Verschleuderungsgeschäfte des Schuldners gemäß § 132 Abs. 1 InsO nicht etwa teilweise aufrechterhalten und nur die gegenseitigen Leistungen einander angepasst werden. So ergäbe etwa § 144 Abs. 2 InsO, wonach eine Gegenleistung aus der Insolvenzmasse zu erstatten ist, soweit sie in dieser noch unterscheidbar vorhanden oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist, keinen Sinn, wenn der Vertrag nur so anzupassen wäre, dass die Gläubigerbenachteiligung entfällt.1461 Es ist aber unverkennbar eine Neigung festzustellen, in bestimmten Fällen von einer nur teilweisen Wirkung der Anfechtung auszugehen.1462 Zum Teil wird es als ausreichend angesehen, dass die in Erfüllung des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts erbrachte Leistung teilbar ist.1463 B 694 Der BGH führt im Urteil vom 9.7.20091464 aus, dass nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO nur der beim Gläubiger eingetretene Erfolg zurück zu gewähren sei. Damit könnten auch einzelne, abtrennbare Wirkungen sogar einer einheitlichen Rechtshandlung erfasst werden; deren Rückgewähr dürfe nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass die Handlung auch sonstige, für sich nicht anfechtbare Rechtsfolgen ausgelöst habe, mögen diese auch – ohne Zutun des Anfechtungsgegners – die Masse erhöht haben. Einen Rechtsgrundsatz, dass mehrere von einer Rechtshandlung ausgehende Wirkungen nur insgesamt oder gar nicht anfechtbar seien, gebe es auch für solche Folgen nicht, die im Kausalverlauf ferner lägen als nähere, unanfechtbare Folgen. B 695 Im Schrifttum wird zum Teil darauf hingewiesen, dass dieses Urteil Anlass geben könnte, die bisherige Rechtsprechung zur Teilanfechtung zu überprüfen.1465 Bei der Frage der Teilanfechtung sei darauf abzustellen, ob es sich um eine einheitliche Wirkung einer anfechtbaren Rechtshandlung handle – dann nur einheitliche Anfechtung – oder ob die Wirkungen sich in selbständige Teile zerlegen ließen; 1459 BGH v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 ff. = MDR 1980, 843; vgl. ferner OLG Düsseldorf v. 13.4.1989 – 12 U 81/88, ZIP 1989, 1072 ff. zu einer Abfindungsvereinbarung. 1460 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 14; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 23; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 248. 1461 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 247. 1462 HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 81. 1463 Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechtshandbuch, § 46 Rz. 41. 1464 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08 – „Bierbrauen“, ZIP 2009, 1674 ff. Rz. 32. 1465 Vgl. Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, Rz. 242; HK-InsO/ Kreft, § 129 Rz. 81.

276 Schfer

III. Anfechtungsanspruch

Rz. 698 B

in diesem Fall müsse eine Teilanfechtung möglich sein.1466 Dies beruht maßgeblich auf der Erkenntnis, dass sich die Anfechtung nicht gegen die Rechtshandlung als solche, sondern gegen deren Wirkungen richtet. Es sei daher entscheidend, ob sich die Wirkungen der Rechtshandlung in selbständige Teile zerlegen ließen.1467 Der BGH ist in einer Entscheidung vom 14.5.19751468 zum verlängerten Eigen- B 696 tumsvorbehalt davon ausgegangen, dass der Forderungserwerb aufgrund einer Vorausabtretung nur insoweit angefochten werden kann, als die Forderung den Anteilswert des Vorbehaltsverkäufers an der mit der Vorbehaltsware hergestellten Sache übersteigt.1469 Bestellt der Schuldner durch eine einheitliche Rechtshandlung eine Sicherheit B 697 für zwei Forderungen und bestand nur hinsichtlich einer der Forderungen eine in unkritischer Zeit begründete Verpflichtung zur Sicherheitenbestellung, so ist die Gewährung der Sicherheit nur insoweit anfechtbar, als sie die zweite Forderung betrifft. Ergibt sich aus der getroffenen Vereinbarung keine eindeutige Zuordnung der Sicherheit, so ist § 366 Abs. 2 BGB anzuwenden. Bestand eine fällige Verpflichtung zur Sicherheitenbestellung für eine der Forderungen vor der kritischen Zeit des § 131 InsO, so ist diese als die ältere Schuld im Sinne des § 366 Abs. 2 BGB anzusehen, so dass die Sicherheit in erster Linie als für diese Forderung bestellt anzusehen ist. Sie ist dann nur in dem Umfang nach § 131 InsO anfechtbar, wie ihr Wert diese Forderung übersteigt.1470 c) Zurückbehaltungsrechte Ein auf § 273 Abs. 1 BGB gestütztes Zurückbehaltungsrecht hat zugunsten blo- B 698 ßer Insolvenzgläubiger innerhalb der Insolvenz keine Wirkung.1471 Der Anfechtungsgegner kann daher zwar wegen eines sich aus § 144 Abs. 2 InsO ergebenden Anspruchs auf Erstattung der Gegenleistung ein Zurückbehaltungsrecht ausüben.1472 Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch hat seine Grundlage aber in einem gesetzlichen Tatbestand, der das Ergebnis einer Abwägung der Interessen des Anfechtungsgegners mit denen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger darstellt und deshalb von den Rechtsbeziehungen zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner losgelöst ist. Er kann deshalb nicht ohne weiteres mit gegen die Masse gerichteten Ansprüchen verknüpft werden, die nicht – wie eine 1466 Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, Rz. 243. 1467 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 81; noch weitergehend K. Schmidt, § 129 Rz. 6: Es gehe genau genommen nicht um die teilweise Anfechtung einer Rechtshandlung, sondern darum, ob die anzufechtende Vermögensbewegung und die ihr innewohnende Gläubigerbenachteiligung teilbar sei. 1468 BGH v. 14.5.1975 – VIII ZR 254/73, BGHZ 64, 312 ff. 1469 Vgl. dazu noch BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, MDR 2000, 907 = ZInsO 2000, 349 Rz. 24. 1470 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 236, 237. 1471 Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138 (145) = MDR 2002, 907; v. 2.12.2004 – IX ZR 200/03, MDR 2005, 713 = NJW 2005, 884 (886). 1472 BGH v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, MDR 1986, 1021 = WM 1986, 841 (842); v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, MDR 2000, 903 = NJW 2000, 3777 (3781). Schfer

277

B Rz. 698

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

nach § 144 Abs. 2 InsO zu erstattende Gegenleistung – mit dem anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch in einem besonders engen Zusammenhang stehen. So kann etwa für Aus- oder Absonderungsansprüche wegen anderer Leistungen des Anfechtungsgegners als derjenigen, deren Absicherung der anfechtbar erlangte Gegenstand dienen sollte, ein solch enger, ein Zurückbehaltungsrecht begründender Zusammenhang nicht bejaht werden. Dem Anfechtungsgegner steht daher gegenüber dem anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht wegen des Anspruchs auf Auskunft über den Verbleib von Gegenständen zu, an denen ihm ein Aus- oder Absonderungsrecht zusteht.1473 4. Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs a) Anfechtungsberechtigter B 699 Im Grundsatz ist nur der Insolvenzverwalter anfechtungsberechtigt. Im Fall der Eigenverwaltung durch den Schuldner steht die Anfechtungsbefugnis gemäß § 280 InsO dem Sachwalter zu. Wird der Insolvenzverwalter im Insolvenzplan ermächtigt, anhängige Anfechtungsklagen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, fallen die geltend gemachten Ansprüche in die Masse, wenn vor vollständiger Erfüllung des Plans ein neues Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird.1474 Im Schrifttum wird ferner zu Recht eine Anfechtbarkeit nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Hinblick auf eine mögliche Nachtragsverteilung (vgl. §§ 203 ff. InsO) befürwortet, selbst wenn es an einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger in diesem Fall fehlt.1475 Der Insolvenzschuldner ist dagegen nach herrschender Meinung nicht anfechtungsberechtigt, auch nicht nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens.1476 B 700 Zu beachten ist ferner, dass der Anfechtungsgegner nach der Rechtsprechung des BGH einer Anfechtung durch mehrere Anfechtungsberechtigte ausgesetzt sein kann.1477 Dies gilt etwa dann, wenn ein Dritter den Schuldner anweist, einen seiner Gläubiger zu befriedigen und die Forderung dieses Gläubigers gegen den Dritten als wertlos anzusehen ist. In diesem Fall kommt sowohl eine Deckungsanfechtung des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Dritten gegen den Zahlungsempfänger als auch eine „Schenkungsanfechtung“ des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Schuldners gegen den Zahlungsempfänger in Betracht. Dabei ist die Deckungsanfechtung allerdings vorrangig gegenüber der „Schenkungsanfechtung“.1478 Bestreitet der Anfechtungsgegner die Sachbefugnis des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Angewiesenen unter Hin-

1473 1474 1475 1476

BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, MDR 2000, 903 = NJW 2000, 3777 (3781). BGH v. 9.1.2014 – IX ZR 209/11, BGHZ 199, 344 ff. Pape, ZIP 2001, 901 ff. Vgl. BGH v. 10.2.1982 – VIII ZR 158/80, BGHZ 83, 102 ff.; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 1. 1477 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 84. 1478 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345; kritisch dazu Bork, ZIP 2008, 1048 unter 3.2.

278 Schfer

III. Anfechtungsanspruch

Rz. 703 B

weis auf einen konkurrierenden Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters des Anweisenden, so hat er darzulegen und zu beweisen, dass ein vorrangiger Anfechtungsanspruch besteht, der in unverjährter Zeit erhoben wurde.1479 Hat der persönlich haftende Gesellschafter vor der Eröffnung des Insolvenzver- B 701 fahrens über das Vermögen der Gesellschaft Leistungen an einen Gesellschaftsgläubiger erbracht, ist grundsätzlich der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gesellschaft zur Anfechtung berechtigt. Bei einer Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter steht das Recht zur Insolvenzanfechtung dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gesellschafters zu, der von dem Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommen worden ist. Der Anfechtungszeitraum errechnet sich in diesem Fall nach dem früher gestellten Insolvenzantrag.1480 Der Anfechtungsgegner muss den anfechtbar erlangten Gegenstand an den Insolvenzverwalter des Gesellschafters herausgeben und seinen gemäß § 144 Abs. 1 InsO wiederaufgelebten Anspruch im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft anmelden. Deren Insolvenzverwalter macht die persönliche Haftung des Gesellschafters geltend und erhält in dessen Insolvenzverfahren eine aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des anderen Insolvenzverwalters erhöhte Quote.1481 b) Anfechtungsgegner Anfechtungsgegner ist im Grundsatz derjenige, der die anfechtbare Leistung des B 702 Schuldners empfangen hat (vgl. § 144 Abs. 1 InsO). Dazu hat der BGH durch Urteil vom 12.2.2004 klargestellt, dass Anfechtungsgegnerin auch eine tarifvertraglich zur Einziehung von Sozialkassenbeiträgen der Arbeitgeber ermächtigte Einzugsstelle sein kann, soweit sie die fremdnützig eingezogenen Beiträge an die berechtigten Sozialkassen ausgekehrt hat.1482 Auch im Bereich des Insolvenzanfechtungsrechts kann eine Rechtsscheinhaftung in Betracht kommen, wenn ein Unternehmen den ihm zurechenbaren Rechtsschein erweckt hat, mit einem anderen Unternehmen identisch zu sein.1483 Wurde ein anfechtbares Rechtsgeschäft mit mehreren Personen abgeschlossen, so haften diese nicht schon wegen des gemeinsamen Erwerbsvorgangs als Gesamtschuldner, sondern nur dann, wenn eine unteilbare Leistung zurückzugewähren ist (vgl. § 431 BGB); im Falle einer teilbaren Leistung haftet jeder Erwerber anteilig.1484 Als Anfechtungsgegner einer Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO B 703 kommt nur ein Insolvenzgläubiger in Betracht.1485 Insoweit ist jedoch zu beachten, dass die Inhaber von Absonderungsrechten aufgrund der Neuregelung

1479 1480 1481 1482 1483 1484

BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 239 ff. Rz. 49. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 ff. = MDR 2009, 171. Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 3. Vgl. BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 70/03, MDR 2004, 904 = NJW 2004, 2163 f. BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484 f. Rz. 7. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 58; MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 6. 1485 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. = MDR 2008, 341 Rz. 14; v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 ff. = MDR 1999, 1463. Schfer

279

B Rz. 703

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

des § 52 InsO wegen ihrer gesamten persönlichen Forderung – und nicht nur wegen ihres Ausfalls – Insolvenzgläubiger sind.1486 Deshalb betreffen Rechtshandlungen, die nicht nur der Befriedigung des Absonderungsrechts dienen, sondern die durch das Absonderungsrecht gesicherten Forderungen erfüllen, deren Berechtigte in ihrer Eigenschaft als Insolvenzgläubiger. Der absonderungsberechtigte Gläubiger als Inhaber seines Sicherungsrechts ist dagegen insoweit nicht Insolvenzgläubiger.1487 B 704 Der Insolvenzschuldner ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht tauglicher Gegner eines Insolvenzanfechtungsanspruchs. Dies ergebe sich insbesondere aus § 143 Abs. 1 InsO, der voraussetze, dass ein Vermögensgegenstand aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden sei.1488 Die Frage, ob der Insolvenzschuldner selbst Anfechtungsgegner sein kann, stellt sich im Zusammenhang mit einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.12.2011.1489 Danach soll die Umwandlung einer Lebensversicherung gemäß § 167 VVG zur Erlangung des Pfändungsschutzes nach § 851c ZPO nicht nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar sein. Die Wirkung der Umwandlung bestehe vielmehr allein in der Begründung von Pfändungsschutz zugunsten des Insolvenzschuldners; Vorteile für eine andere Person seien damit nicht verbunden.1490 B 705 Nach der Rechtsprechung des BGH richtet sich die Bestimmung des Anfechtungsgegners bei mittelbaren Zuwendungen in Mehrpersonenverhältnissen im Grundsatz nach den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs.1491 Bei mittelbaren Zuwendungen über eine angewiesene Mittelsperson kommt daher im Grundsatz nur der Leistungsempfänger und nicht etwa die Mittelsperson als Anfechtungsgegner in Betracht.1492 Eine Ausnahme gilt zum einen dann, wenn in der Person des Angewiesenen die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind.1493 Eine weitere Ausnahme soll dann gelten, wenn nicht nur der Leistungsempfänger, sondern auch der Leistungsmittler einen eigenen Vorteil erlangt hat.1494 B 706 Eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz, wonach sich die Anfechtung nach den bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehungen richtet, gilt nach der Rechtsprechung dann, wenn im Falle der Tilgung einer fremden Schuld durch den In1486 Vgl. BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 ff. Rz. 13; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rz. 18; Nerlich in Nerlich/Römermann, § 130 Rz. 44. 1487 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZInsO 2006, 544 ff. Rz. 13, 14. 1488 BGH v. 13.10.2011 – IX ZR 80/11, NZI 2011, 937. 1489 Vgl. OLG Stuttgart v. 15.12.2011 – 7 U 184/11, ZInsO 2012, 281 ff.; Kirchhof, ZInsO 2011, 2009 ff.; Wollmann, ZInsO 2012, 2061 ff. 1490 Vgl. dazu jedoch BGH v. 13.10.2011 – IX ZR 80/11, NZI 2011, 937. 1491 Vgl. BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 ff. = MDR 1999, 1463; v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZInsO 2004, 499 ff. 1492 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 9; v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 ff. = MDR 1999, 1463. 1493 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. = MDR 2008, 341. 1494 Vgl. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, MDR 2009, 170 = ZIP 2008, 2183 ff. Rz. 23; v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = NJW 1998, 2592 ff. – insoweit in BGHZ 138, 291 ff. nicht abgedruckt; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rz. 305 mit Hinweis auf RGZ 117, 86 (88).

280 Schfer

III. Anfechtungsanspruch

Rz. 710 B

solvenzschuldner die befriedigte Forderung des Gläubigers gegen dessen Schuldner (Drittschuldner) wertlos war. In diesem Fall kann die „Schenkungsanfechtung“ des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Schuldners mit der Deckungsanfechtung des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Drittschuldners konkurrieren, wobei Letztere vorrangig ist.1495 Im Fall der treuhänderischen Übertragung einer gesellschaftsrechtlichen Betei- B 707 ligung kommt in der Insolvenz des Treugebers eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nur gegen den Treuhänder der Beteiligung in Betracht. Da die Gesellschaft selbst kein Treuhandvermögen seitens des Treugebers erlangt hat, kann sie nicht als Anfechtungsgegner in Anspruch genommen werden. Aus dieser Erwägung scheidet auch § 134 Abs. 1 InsO aus, der die Anfechtung nur gegenüber dem Zuwendungsempfänger gestattet. Davon abgesehen kann die treuhänderische Übertragung von Vermögenswerten infolge des Rückforderungsanspruchs des Treugebers nicht als unentgeltlich betrachtet werden.1496 Macht der Schuldner in der Krise durch Erfüllungshandlungen eine vorausab- B 708 getretene Forderung werthaltig, so stellt dies nach der Rechtsprechung des BGH eine Rechtshandlung dar, die gegenüber mehreren Personen Rechtswirkungen entfaltet und somit sowohl gegenüber dem unmittelbaren Leistungsempfänger als auch gegenüber dem Zessionar angefochten werden kann. Beide Gläubiger haften gegebenenfalls als Gesamtschuldner.1497 Erbringt der Schuldner Vorleistungen auf einen beabsichtigten Vertrag und B 709 erteilt er später aufgrund finanzieller Schwierigkeiten sein Einverständnis zu einem Vertragsschluss zwischen dem vorgesehenen Auftraggeber und einem Dritten, so kommt der Dritte nach der Rechtsprechung des BGH als Anfechtungsgegner einer unentgeltlichen Leistung im Sinne des § 134 InsO in Betracht, wenn sich der Dritte die Vorarbeiten des Schuldners zunutze gemacht hat.1498 c) Ausübung des Anfechtungsrechts Für die Ausübung des Anfechtungsrechts genügt jede erkennbare – auch kon- B 710 kludente – Willensäußerung, dass der Insolvenzverwalter eine Gläubigerbenachteiligung in der Insolvenz nicht hinnimmt, sondern zur Masseanreicherung wenigstens wertmäßig auf Kosten des Anfechtungsgegners wieder auszugleichen sucht.1499 Die Anfechtung muss daher nicht – geschweige denn ausdrücklich – als solche „erklärt“ und insbesondere nicht – wie nach früherem Recht – durch Klage geltend gemacht werden. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Insolvenzverwalter überhaupt auf einen bestimmten Anfechtungstatbestand be-

1495 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345; kritisch dazu Bork, ZIP 2008, 1041 (1048). 1496 BGH v. 23.1.2014 – IX ZR 15/13, juris Rz. 5 f. 1497 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, MDR 2008, 531 = ZIP 2008, 372 ff. Rz. 16 (17); vgl. dazu oben Rz. B234 ff. 1498 Vgl. BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 79/05, MDR 2007, 1099 = ZIP 2007, 1118 ff. und ergänzend oben Rz. B242 ff. 1499 BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 209/06, MDR 2008, 827 = ZInsO 2008, 508 f. Schfer

281

B Rz. 710

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

rufen hat; vielmehr genügt es, dass der dem Gericht unterbreitete Sachverhalt einen Anfechtungstatbestand erfüllt. Das Gericht ist von Amts wegen verpflichtet, den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung zu prüfen (Grundsatz „jura novit curia“).1500 d) Auskunftsanspruch B 711 Es liegt auf der Hand, dass Auskunftsansprüche für die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen von erheblicher Bedeutung sind. Insbesondere der Insolvenzschuldner ist nach den §§ 20, 97 f. InsO verpflichtet, über alle das Insolvenzverfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er kommt daher auch als Zeuge im Anfechtungsprozess in Betracht. B 712 Gegenüber Dritten steht dem Insolvenzverwalter nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ein bürgerlich-rechtlicher Auskunftsanspruch nur dann zu, wenn ein Anfechtungsanspruch dem Grunde nach feststeht und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht.1501 Es genügt nicht, dass eine Person im Verdacht steht, vom Schuldner etwas in anfechtbarer Weise erworben zu haben.1502 Auch in dem Fall, dass anfechtbare Rechtshandlungen des Schuldners zugunsten einer nahestehenden Person im Sinne des § 138 InsO festgestellt sind, begründet der Verdacht weiterer selbständiger Vermögensverschiebungen keinen allgemeinen Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen die nahestehende Person über einen etwaigen weiteren anfechtbaren Vermögenserwerb.1503 B 713 Der Bundesfinanzhof hat zunächst entschieden, dass es sich um eine Streitigkeit im Sinne des § 33 Abs. 1 FGO (Finanzgerichtsbarkeit) handle, wenn der Insolvenzverwalter Einsicht in die beim Finanzamt geführten Vollstreckungsakten begehre, ohne sein Anliegen näher zu konkretisieren. Ein in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fallender Rechtsstreit liege dagegen vor, wenn der Insolvenzverwalter einen insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch gerichtlich geltend machen wolle.1504 Aufgrund dieser Mitteilung des Bundesfinanzhofes hat sich die Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes erledigt. B 714 Die Bestimmungen der InsO über die Erteilung von Auskünften (vgl. §§ 97, 101 InsO) stellen – ebenso wie § 242 BGB – keine Regelungen in anderen Rechtsvorschriften im Sinne des § 1 Abs. 3 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) dar, die dem IFG vorgehen.1505 Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner durch

1500 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, ZInsO 1999, 640 ff. unter III. 2. – insoweit nicht in BGHZ 142, 284 ff. abgedruckt = MDR 1999, 1463. 1501 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZInsO 2009, 1810 f.; v. 18.1.1978 – VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 26. 1502 Vgl. BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 429/97, ZIP 1999, 3216 ff. Rz. 14. 1503 BGH v. 15.1.1987 – IX ZR 4/86, NJW 1987, 1812 f. 1504 BFH v. 10.2.2011 – VII B 183/10, ZIP 2011, 883 f.; vgl. dazu noch BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481 ff. Rz. 32. 1505 Vgl. BVerwG v. 9.11.2010 – 7 B 43.10, ZIP 2011, 41 ff.

282 Schfer

III. Anfechtungsanspruch

Rz. 715 B

Beschluss vom 14.5.20121506 entschieden, dass ein gegenüber dem Finanzamt geltend gemachter Informationsanspruch des Insolvenzverwalters, der anschließend einen Anfechtungsanspruch durchsetzen will, vom Regelungsbereich der Abgabenordnung (AO) nicht umfasst wird. Ein Anspruch nach § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ist demnach nicht durch § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 15.10.20121507 dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob für eine auf § 4 des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes (nunmehr § 1 Abs. 2 des Hamburgischen Transparenzgesetzes) gestützte Klage eines Insolvenzverwalters auf Zugang zu den Informationen, die in den beim Finanzamt vorhandenen Vollstreckungsakten über den Schuldner enthalten sind, der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Diese Vorlage hat sich durch die Mitteilung des BFH vom 8.1.2013 erledigt.1508 Auf Anfrage des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat er sich inzwischen der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen, wonach für einen auf § 4 IFG Hmb. gestützten Anspruch des Insolvenzverwalters gegen das Finanzamt auf Einsicht in die den Schuldner betreffenden Vollstreckungsakten der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Die Sonderzuweisung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FGO erfasse diesen Anspruch nicht.1509 Das Bundessozialgericht ist ebenfalls dieser Auffassung.1510 Voraussetzung eines Auskunftsanspruchs nach dem IFG ist aber stets, dass das im Bundes- oder Landesgesetz vorgeschriebene Verwaltungsverfahren eingehalten wurde.1511 e) Gerichtliche Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs aa) Zuständigkeit Der Rechtsstreit über den insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch stellt B 715 nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 13 GVG dar, und zwar auch dann, wenn für den in anfechtbarer Weise befriedigten Anspruch ein anderer Rechtsweg eröffnet gewesen wäre.1512 Der Anfechtungsanspruch ist nicht etwa die Umkehrung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Abgaben.1513 Dies hat der V. Senat des Bundesfinanzhofes in einem Urteil vom 24.11.20111514 unter Hinweis auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom

1506 1507 1508 1509 1510 1511 1512 1513 1514

BVerwG v. 14.5.2012 – 7 B 53.11, ZIP 2012, 1258 f. BVerwG v. 15.10.2012 – 7 B 2.12, ZIP 2012, 2417. Vgl. BFH v. 8.1.2013 – VII ER-S 1/12, ZIP 2013, 1252. BFH v. 8.1.2013 – VII ER-S 1/12, ZIP 2013, 1252 – entgegen BFH v. 10.2.2011 – VII B 183/10, ZIP 2011, 883. BSG v. 4.4.2012 – B 12 SF 1/10 R, ZIP 2012, 2321 ff. Rz. 8 ff. BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZInsO 2009, 1810 f. Rz. 8. BGH v. 27.7.2006 – IX ZB 141/05, ZIP 2006, 1603 f.; v. 7.5.1991 – IX ZR 30/90, BGHZ 114, 315 (320 f.). Vgl. BGH v. 7.5.1991 – IX ZR 30/90, BGHZ 114, 315 (320); v. 2.4.2009 – IX ZB 182/08, ZInsO 2009, 820 ff. BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481 ff. Rz. 32. Schfer

283

B Rz. 715

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

27.9.20101515 in Zweifel gezogen. Der VII. Senat hat indes in einem Beschluss vom 5.9.20121516 zu erkennen gegeben, dass er weiterhin die Rechtsauffassung des BGH teilt. B 716 Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat auf Vorlage des BGH durch Beschluss vom 27.9.20101517 entschieden, dass für eine Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr vom Schuldner geleisteter Arbeitsvergütung nach § 143 Abs. 1 InsO der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist.1518 Der BGH ist dem inzwischen auch für die Rückforderung zwangsweise beigetriebener Arbeitsvergütung gefolgt.1519 Er legt den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu Recht eng aus und hat zutreffend entschieden, dass für eine Insolvenzanfechtungsklage der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist, wenn ein Dritter anstelle des Arbeitgebers die dem Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsvergütung entrichtet hat.1520 Auch für die Anfechtung von Beitragszahlungen eines Arbeitgebers an eine Sozialeinrichtung des privaten Rechts ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.1521 Der BGH hat ferner durch Beschluss vom 24.3.20111522 klargestellt, dass für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Sozialversicherungsträger auch weiterhin der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist. B 717 Der Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat weitere Streitfragen nach sich gezogen. So ergingen divergierende landesarbeitsgerichtliche Entscheidungen zur Frage der Anwendung einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist auf den insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch.1523 Im Schrifttum wurde dies zu Recht verneint.1524 Das Bundesarbeitsgericht hat inzwischen zu Recht entschieden, dass der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch nicht tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterfällt. Denn die Regelungen über die Insolvenzanfechtung sind zwingendes Recht, in das die Tarifvertragsparteien nicht eingreifen dürfen.1525 B 718 Der BFH hat in einem neueren Beschluss vom 27.9.20121526 ausgesprochen, dass der Anspruch auf Rückgewähr von Steuern, die in anfechtbarer Weise geleistet worden seien, keinen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, son1515 1516 1517 1518 1519 1520 1521 1522 1523

1524 1525 1526

GemS-OGB 1/09, 27.9.2010 – BGHZ 187, 105 ff. BFH v. 5.9.2012 – VII B 95/12, ZIP 2012, 2073 Rz. 11, 13. GemS-OGB 1/09, 27.9.2010 – BGHZ 187, 105 ff. Zu Recht kritisch dazu HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 98; Bork, EWiR 2010, 765 f. BGH v. 9.6.2011 – IX ZB 247/09, ZInsO 2011, 1368. BGH v. 19.7.2012 – IX ZB 27/12, ZIP 2012, 1681 ff. BGH v. 6.12.2012 – IX ZB 84/12, DB 2012, 2928 f. BGH v. 24.3.2011 – IX ZB 36/09, ZIP 2011, 683 ff. – a.A. OLG Frankfurt a.M. v. 21.3.2011 – 13 W 15/11, ZIP 2011, 1444. Vgl. einerseits LAG Nürnberg v. 30.4.2012 – 7 Sa 557/11, ZIP 2012, 2263 ff., LAG Niedersachsen v. 22.3.2012 – 7 Sa 1053/11, veröffentlicht bei juris u. andererseits LAG Berlin-Brandenburg v. 12.9.2012 – 4 Sa 1166/12, ZIP 2012, 2261 ff., LAG Nürnberg v. 16.5.2012 – 2 Sa 566/11, veröffentlicht bei juris. Stiller, EWiR 2012, 765 f.; Freitag, EWiR 2013, 57 f. BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, ZIP 2014, 91 ff. BFH v. 27.9.2012 – VII B 190/11, ZIP 2012, 2851 f.

284 Schfer

Rz. 720 B

III. Anfechtungsanspruch

dern einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch darstelle. Es sei daher ernstlich zweifelhaft, ob das auf einen solchen Anspruch Geleistete mit hoheitlichem Bescheid zurückgefordert werden könne. Inzwischen hat der BFH durch Urteil vom 12.11.20131527 entschieden, dass sich das Finanzamt für die Rückforderung einer auf einer (vermeintlich) unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung mangels Anwendbarkeit des § 218 Abs. 2 Satz 2 AO oder einer sonstigen Rechtsgrundlage nicht eines Rückforderungsbescheids bedienen könne, sondern den Zivilrechtsweg beschreiten müsse. Nach einem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 11.8.20141528 ist für die Rückforderung seitens des Schuldners erbrachter unentgeltlicher Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass der Beklagte einwende, die erfolgten Zahlungen seien Gehaltszahlungen gewesen. Zu beachten ist ferner, dass der vom Insolvenzverwalter erhobene Einwand der B 719 Anfechtbarkeit im Falle der Aufrechnung nicht rechtswegbestimmend ist. Da es bei ihr gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO keiner besonderen Geltendmachung der Insolvenzanfechtung bedarf, sondern die Anfechtung schon kraft Gesetzes unwirksam ist, kann die Frage der Anfechtbarkeit auch nicht rechtswegbestimmend sein. Ist daher für eine Klage das Sozialgericht zuständig und rechnet der Anfechtungsgegner mit sozialrechtlichen Forderungen gegenüber der Klageforderung auf, so verbleibt es auch im Falle der Anfechtung der Aufrechnung beim Rechtsweg für sozialrechtliche Ansprüche.1529 Für die örtliche und sachliche Zuständigkeit gelten im Grundsatz die allgemei- B 720 nen Bestimmungen. Einen besonderen Gerichtsstand für Anfechtungsklagen gibt es nicht. § 19a ZPO sieht zwar einen Gerichtsstand am Sitz des Insolvenzgerichts für Klagen gegen den Insolvenzverwalter vor, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, nicht jedoch für Prozesse, in denen der Insolvenzverwalter Kläger ist.1530 Da die Anfechtungstatbestände keine Deliktstatbestände darstellen, ist ohne das Hinzutreten besonderer Umstände auch nicht der Gerichtsstand der unerlaubten Handlungen nach § 32 ZPO begründet.1531 Der dingliche Gerichtsstand gemäß § 24 ZPO ist nur begründet, wenn das Eigentum an einem Grundstück, dessen dingliche Belastung oder deren Nichtbestehen geltend gemacht wird.1532 Denn der Anfechtungsanspruch ist kein dinglicher, sondern ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch.1533 Zu beachten ist schließlich die durch das „MoMiG“ mit Wirkung ab dem 1.11.2008 neu geschaffene Regelung in § 22 ZPO, wonach das Gericht, bei dem die Gesellschaft ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, auch für Klagen zuständig ist, die von einem Insolvenzverwalter gegen einen Gesellschafter erhoben werden (vgl. § 135 InsO).1534

1527 1528 1529 1530 1531 1532 1533 1534

BFH v. 12.11.2013 – VII R 15/13, ZInsO 2014, 669 ff. LAG Hessen v. 11.8.2014 – 16 Ta 455/14, ZInsO 2015, 1468. Vgl. BGH v. 2.6.2005 – IX ZB 235/04, MDR 2005, 1304 = ZIP 2005, 1334 f. BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 203/02, ZIP 2003, 1419 (1420). Vgl. BGH v. 4.7.2000 – VI ZR 192/99, ZIP 2000, 1539 ff. MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 33. BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 ff. Vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 17.11.2014 – 11 SV 115/14, ZIP 2015, 841. Schfer

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B Rz. 720a

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 720a Nach herrschender Meinung sind Streitigkeiten nach dem Insolvenzanfechtungsrecht keine Handelssachen im Sinne der §§ 94, 95 GVG, weil der Anfechtungsanspruch von der rechtlichen Einordnung der angefochtenen Rechtshandlung unabhängig ist.1535 B 721 Wesentlich für die Frage der internationalen Zuständigkeit1536 bei Insolvenzanfechtungsklagen ist schließlich ein neueres Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12.2.2009.1537 Danach ist Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/ 2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) dahingehend auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, zuständig sind. Auch über die Frage der örtlichen Zuständigkeit für Anfechtungsklagen in diesen Fällen hat der BGH inzwischen entschieden. Sind die deutschen Gerichte für eine Insolvenzanfechtungsklage europarechtlich international zuständig, ohne dass nach den allgemeinen deutschen Gerichtsstandsbestimmungen eine örtliche Zuständigkeit begründet wäre, so ist das sachlich zuständige Streitgericht für den Sitz des eröffnenden Insolvenzgerichts ausschließlich örtlich zuständig.1538 bb) Klageart B 722 In der Regel wird der Anspruch auf Rückgewähr des anfechtbar weggegebenen Gegenstandes gemäß § 143 InsO durch Leistungsklage geltend gemacht. Trotz möglicher Leitungsklage ist aber auch ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO für eine Feststellungsklage gegeben, wenn zu erwarten ist, dass ein Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führen wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn angenommen werden kann, dass der Beklagte bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten wird.1539 B 723 Da der Insolvenzverwalter das Anfechtungsrecht für die Insolvenzmasse ausübt, ist ein Klageantrag, mit dem ein Insolvenzverwalter Leistung an sich begehrt, in der Regel dahingehend auszulegen, dass Leistung an ihn in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter verlangt wird.1540 B 724 Der Insolvenzverwalter kann den Anfechtungsgegner durch Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Anspruch nehmen.1541 Auf der Grundlage der neue1535 HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 101; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 129 Rz. 129; K. Schmidt/Büteröwe, § 143 Rz. 40; vgl. dazu ferner BGH v. 9.7.1987 – IX ZR 167/86, ZIP 1987, 1132 ff. Rz. 35 – a.A. LG Osnabrück v. 24.7.2014 – 3 O 1497/14, ZInsO 2014, 1963 f.; LG Dortmund v. 20.3.2015 – 4 O 374/14, NZI 2015, 894; LG Duisburg v. 9.3.2016 – 8 O 382/15, ZInsO 2016, 1812 f.; vgl. dazu ferner LG Bremen v. 5.10.2015 – 3 AR 8/15, ZInsO 2015, 2196. 1536 Vgl. dazu noch Rz. A47 ff. 1537 EuGH v. 13.8.2009 – C-339/07, ZIP 2009, 427 f. 1538 BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 39/06, MDR 2009, 1250 = ZInsO 2009, 1270 ff. 1539 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610 Rz. 7. 1540 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 195. 1541 Vgl. BGH v. 5.2.1987 – IX ZR 161/85, BGHZ 100, 36 (42) = MDR 1987, 494; Jaeger/ Henckel, § 143 Rz. 16.

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III. Anfechtungsanspruch

Rz. 727 B

ren Rechtsprechung des BGH1542 dürfte ferner eine Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zulässig sein, wenn etwa ein Gläubiger des Anfechtungsgegners den vom Schuldner anfechtbar erworbenen Gegenstand gepfändet hat.1543 Eine Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO kann erhoben werden, wenn das in anfechtbarer Weise erlangte Recht aufgrund eines vor der Insolvenzeröffnung erwirkten Titels geltend gemacht wird. Eine Vollstreckungsabwehrklage kommt etwa in Betracht, wenn der durch eine anfechtbar erlangte Sicherungshypothek gesicherte Gläubiger die Zwangsversteigerung des schuldnerischen Grundstücks betreibt.1544 cc) Klageänderung; Einhaltung der Anfechtungsfrist Die Anfechtungsklage muss den Gegenstand der Anfechtung und die Tatsachen B 725 bezeichnen, aus denen die Anfechtungsberechtigung hergeleitet wird.1545 Dabei stellt jedoch der Übergang von einem Anfechtungstatbestand zu einem anderen keine Klageänderung dar, sofern der zugrundeliegende Sachverhalt derselbe bleibt. Eine Klageänderung ist indes beim Übergang von einem der Tatbestände der §§ 130 ff. InsO auf einen der Tatbestände des § 145 Abs. 2 InsO (Rechtsnachfolge) sowie dann gegeben, wenn eine zunächst ausschließlich auf Insolvenzanfechtung gestützte Klage auf einen Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB umgestellt wird.1546 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Insolvenzverwalter von Anfang an nur Herausgabe begehrt hat, ohne sich auf anfechtungsrechtliche Ansprüche zu beschränken, und der vorgetragene Lebenssachverhalt sowohl anfechtungsrechtliche als auch bereicherungsrechtliche Ansprüche begründet.1547 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH wahrt die rechtzeitige Geltendma- B 726 chung eines anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs in Natur zugleich die Frist für einen Wertersatzanspruch.1548 Umgekehrt wahrt aber auch die klageweise Geltendmachung des Anspruchs auf Wertersatz die Rechte für den nach Ablauf der Anfechtungsfrist im Berufungsrechtszug verfolgten Primäranspruch.1549 Macht der Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch gerichtlich geltend, so B 727 kann er zwar bestimmte Sachverhalte von der Anfechtung ausnehmen. Davon ist jedoch nicht schon dann auszugehen, wenn sich sein Vorbringen nur auf eine bestimmte Rechtshandlung bezieht. Verfolgt der Verwalter vor Gericht das Ziel, dass der Gegner einen erworbenen Gegenstand zumindest wertmäßig wieder der Masse zuführt, stützt er sein Begehren auf einen Sachverhalt, der geeig-

1542 1543 1544 1545 1546

BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596. Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 51 Rz. 29. HambKomm-InsO/Rogge, § 143 Rz. 120. BGH v. 11.7.1991 – IX ZR 230/90, MDR 1991, 962 = ZIP 1991, 1014 ff. Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 143 Rz. 176; BGH v. 16.9.2008 – IX ZR 172/07, MDR 2008, 1351 = ZIP 2008, 1991 f. 1547 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 143 Rz. 176; Zenker, NJW 2007, 1038 (1040). 1548 BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 245/06, MDR 2008, 1358 = ZIP 2008, 2136 ff. Rz. 14; v. 19.10.1983 – VIII ZR 156/82, WM 1983, 1313 (1315). 1549 BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 245/06, MDR 2008, 1358 = ZIP 2008, 2136 ff. Rz. 14 ff. Schfer

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B Rz. 727

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

net sein kann, die Voraussetzungen einer Anfechtungsnorm zu erfüllen, und lässt der Vortrag erkennen, welche Rechtshandlungen angefochten werden, so wird die Verjährung bezüglich all dieser Rechtshandlungen gehemmt.1550 B 728 Auch nach neuem Verjährungsrecht hemmt die Erhebung einer Klage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe die Klageforderung übersteigt, die Verjährung aller ausreichend bestimmten Teilansprüche.1551 Denn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungshemmung durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung sind gegenüber den bisherigen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungsunterbrechung gleich geblieben.1552 B 729 Es ist ferner zu beachten, dass der Insolvenzverwalter, der die Unzulässigkeit einer Aufrechnung oder Verrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO geltend macht, die Anfechtbarkeit von Rechten, die möglicherweise einer objektiven Gläubigerbenachteiligung entgegenstehen, nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 146 InsO geltend machen muss.1553 B 730 Ist das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters in einem ersten Insolvenzverfahren verfristet oder verjährt, so ist dadurch der Anspruch auf anfechtungsrechtliche Rückgewähr zur Masse eines Zweitverfahrens nicht mitbetroffen.1554 dd) Prozesskostenhilfe B 731 Als Partei kraft Amtes kann der Insolvenzverwalter zum Zwecke der Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf Antrag Prozesskostenhilfe erhalten, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits Beteiligten wirtschaftlich nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Auch wenn der Insolvenzverwalter selbst Volljurist ist, hat er unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.1555 B 732 Am Anfechtungsprozess wirtschaftlich beteiligt im Sinne des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind nur diejenigen Gläubiger, die im Fall des erfolgreichen Abschlusses des Rechtsstreits wenigstens mit einer teilweisen Befriedigung ihrer Ansprüche aus der Masse rechnen können.1556 Vorschüsse auf die Prozesskosten sind nach der Rechtsprechung des BGH nur solchen Beteiligten zuzumuten, welche die 1550 BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 209/06, MDR 2008, 827 = ZInsO 2008, 508 f. 1551 Vgl. BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14; v. 19.11.1987 – VII ZR 189/86, NJW-RR 1988, 692 (693); v. 17.10.2000 – XI ZR 312/99, NJW 2001, 305 (307); v. 18.7.2000 – X ZR 62/98, NJW 2000, 3492 (3494). 1552 BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, ZIP 2015, 1234 ff. Rz. 29; v. 6.5.2014 – II ZR 217/13, NJW 2014, 3298 ff. Rz. 19. 1553 BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, MDR 2008, 1300 = ZInsO 2008, 913 ff. 1554 BGH v. 11.4.2013 – IX ZR 268/12, ZIP 2013, 1088 ff. 1555 BGH v. 23.3.2006 – IX ZB 130/05, ZIP 2006, 825 f. 1556 BGH v. 3.5.2012 – V ZB 138/11, ZIP 2012, 2275 f.; v. 8.10.1992 – VII ZB 3/92, BGHZ 119, 372 (377).

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III. Anfechtungsanspruch

Rz. 734 B

erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko (und das Vollstreckungsrisiko) angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird.1557 Auch Gläubiger, deren Forderung nur für den Ausfall festgestellt ist, sind grundsätzlich zu einem Vorschuss heranzuziehen. Dies gilt allerdings nicht, wenn prognostisch zu erwarten ist, dass sie wegen ihrer gesonderten Befriedigungsmöglichkeit nicht in nennenswertem Umfang am Erlös des Rechtsstreits partizipieren.1558 Der Bundesagentur für Arbeit, Arbeitnehmern und Sozialversicherungsträgern ist ein Kostenvorschuss nicht zumutbar.1559 Anders verhält es sich dagegen bei den Finanzbehörden.1560 Eine Mehrheit von Gläubigern wird im Verhältnis der zu erwartenden Quoten- B 733 verbesserung zur Kostentragung herangezogen.1561 Gläubigern, die nur mit einer geringen Quote rechnen können, wird allerdings in der Regel der riskante Einsatz eigener Mittel nicht zugemutet werden können. Gleiches gilt für Insolvenzgläubiger, deren angemeldete Forderungen vom Insolvenzverwalter bestritten werden.1562 Einen festen Maßstab, wonach eine bestimmte Mindestquote oder eine bestimmte Quotenverbesserung erforderlich ist, damit einem Insolvenzgläubiger eine Vorschussleistung zuzumuten ist, gibt es nicht. Vielmehr ist auf das Verhältnis zwischen den aufzubringenden Kosten und dem möglichen Prozessergebnis abzustellen. Ist mehr als das Doppelte des aufzubringenden Vorschusses zu erwarten, wird eine Vorschusspflicht in Betracht kommen.1563 Nach einem Beschluss des OLG München vom 28.6.20101564 ist bei einer Quotenverbesserung von maximal 5,8 % bei einer Insolvenzforderung in Höhe von ca. 134 000 Euro ein Kostenvorschuss unzumutbar. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit steht der Gewährung der Prozesskos- B 734 tenhilfe nicht entgegen.1565 Anders verhält es sich im Grundsatz dann, wenn sich herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht einmal mehr ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Denn die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs, die nicht geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben, gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des Insolvenzverwal-

1557 BGH v. 6.3.2006 – II ZB 11/05, ZIP 2006, 682 ff. Rz. 9; v. 27.9.1990 – IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490 f. 1558 BGH v. 3.5.2012 – V ZB 138/11, ZIP 2012, 2275 f.; OLG München v. 5.4.2013 – 5 U 1051/13, ZInsO 2013, 1091 f. 1559 Vgl. BGH v. 8.10.1992 – VII ZB 3/92, BGHZ 119, 372 (378); v. 27.9.1990 – IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490 f. Rz. 5, 9; OLG München v. 16.5.2013 – 5 W 835/13, ZIP 2013, 1299 f. 1560 BGH v. 16.11.1998 – II ZB 15/98, NJW-RR 1999, 275; BVerwG v. 8.2.2006 – 8 PKH 4.05, ZIP 2006, 1542 (1544). 1561 KG v. 30.12.2005 – 2 W 256/02, ZIP 2003, 270 f. 1562 Vgl. Bork/Jacoby, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 14 Rz. 16. 1563 Vgl. BGH v. 7.2.2010 – II ZR 13/10, juris Rz. 5; OLG München v. 5.4.2013 – 5 U 1051/13, ZInsO 2013, 1091 f. 1564 OLG München v. 28.6.2010 – 5 W 1581/10, ZIP 2011, 398 (399). 1565 BGH v. 22.12.2012 – IX ZB 62/12, ZIP 2012, 2526 ff.; v. 16.7.2009 – IX ZB 221/08, ZIP 2009, 1591 f. Rz. 5; vgl. dazu ferner N. Schmidt, ZInsO 2013, 766 ff. Schfer

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B Rz. 734

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

ters.1566 In einem solchen Fall ist das Verfahren grundsätzlich nach § 207 Abs. 1 InsO einzustellen. Die Massekostenarmut steht der Gewährung der Prozesskostenhilfe allerdings dann nicht entgegen, wenn im Falle der erfolgreichen Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs die Massekostenarmut abgewendet würde.1567 B 735 Die Prozesskostenhilfe ist dem Insolvenzverwalter zu versagen, wenn das anzufechtende Urteil zwar formell keinen Bestand haben kann (bspw. wegen Unterbrechung des Prozesses gemäß § 249 ZPO), das materielle Ergebnis sich nach einer Zurückverweisung jedoch voraussichtlich nicht ändern wird.1568 Die beabsichtigte Erhebung einer Teilklage durch den Insolvenzverwalter ist nicht bereits als solche, sondern nur dann mutwillig im Sinne der §§ 116 Satz 2, 114 Satz 1, letzter Halbs. ZPO, wenn der Insolvenzverwalter keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichtet.1569

IV. Zeitliche Reichweite des § 129 InsO B 736 Nach § 129 InsO sind Rechtshandlungen anfechtbar, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. § 147 InsO erweitert den Anwendungsbereich der Insolvenzanfechtung auf Rechtshandlungen, die noch nach der Insolvenzeröffnung gemäß §§ 81 Abs. 1, 91 Abs. 2 InsO zu einem wirksamen Erwerb kraft guten Glaubens geführt haben. Nach der Insolvenzeröffnung vorgenommene Rechtshandlungen sind im Übrigen nach den §§ 81 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 InsO unwirksam. B 737 Das Anfechtungsrecht endet somit im Grundsatz mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Einen anhängigen Rechtsstreit, der die Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hat, kann der Insolvenzverwalter jedoch gemäß § 259 Abs. 3 Satz 1 InsO auch nach der Aufhebung des Verfahrens fortführen, wenn dies im gestaltenden Teil eines Insolvenzplanes vorgesehen ist. B 738 Eine weitere Ausdehnung der Reichweite der Anfechtungsbestimmungen über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus geht mit der Entscheidung des BGH1570 zur Doppelsicherung durch die Gesellschaft und den Gesellschafter einher. Denn der BGH geht von der analogen Anwendbarkeit des § 143 Abs. 3 InsO aus, wenn die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen des Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt wird.1571

1566 BGH v. 16.7.2009 – IX ZB 221/08, ZIP 2009, 1591 f. Rz. 4. 1567 BGH v. 22.11.2012 – IX ZB 62/12, ZIP 2012, 2526 ff. 1568 Vgl. BGH v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 ff. zum Prozess gegen eine insolvente GmbH auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens. 1569 BGH v. 6.12.2010 – II ZB 13/09, ZIP 2011, 246 f. 1570 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11 – „Doppelsicherung“, BGHZ 192, 9 ff. 1571 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 ff. Rz. 12.

290 Schfer

Rz. 741 B

V. Verhltnis zur Einzelglubigeranfechtung

V. Verhältnis zur Einzelgläubigeranfechtung Wird über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist B 739 gemäß § 16 Abs. 1 AnfG der Insolvenzverwalter berechtigt, die von den Insolvenzgläubigern im Wege der Einzelgläubigeranfechtung erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen. Hat ein Gläubiger bereits zuvor einen vollstreckbaren Titel erwirkt, so kann der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger gemäß §§ 727, 325 ZPO den Titel auf sich umschreiben lassen.1572 Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BGH zur Konkursordnung das Recht zur Konkursanfechtung nicht schon als vor der Konkurseröffnung aufschiebend bedingt entstanden anzusehen war. Die gegenteilige Auffassung von Henckel1573 berücksichtige zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung hinreichend den Unterschied zwischen der Einzelgläubigeranfechtung und der Konkursanfechtung. Wegen des weiteren Zwecks der Konkursanfechtung, die Gleichbehandlung aller Gläubiger nach Maßgabe der Konkursordnung durchzusetzen, sei sie mit der Einzelgläubigeranfechtung nicht identisch. Dieser fehle der zusätzliche Zweck; sie diene allein der Verwirklichung der Rechte des Anfechtenden. Auch wenn der Konkursverwalter aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung als Rechtsnachfolger eines einzelnen Gläubigers einen schwebenden Prozess fortführe, könnten daraus keine zwingenden Rückschlüsse auf die inhaltliche oder rechtliche Identität der verschiedenen geltend gemachten Ansprüche gezogen werden.1574 Der Anspruch eines Einzelgläubigers nach dem Anfechtungsgesetz ist mit der B 740 Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr auf Leistung an den Gläubiger gerichtet (vgl. § 11 AnfG), sondern auf Leistung an die Insolvenzmasse.1575 Dies ist die Konsequenz daraus, dass nunmehr der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung gilt (par condicio creditorum); der Prioritätsgrundsatz ist außer Kraft gesetzt.1576 Ist das Verfahren über den Anfechtungsanspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtshängig, so wird es unterbrochen und kann vom Insolvenzverwalter aufgenommen werden (vgl. § 17 AnfG). Der Insolvenzverwalter ist jedoch nicht zur Aufnahme des Gläubigeranfechtungsprozesses gezwungen. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 AnfG kann er die Aufnahme des Prozesses auch ablehnen und nach den Insolvenzanfechtungstatbeständen anfechten. Dies kann sich insbesondere bei unsorgfältiger Prozessführung durch den Gläubiger im Hinblick auf die Präklusionsbestimmungen der Zivilprozessordnung empfehlen. Ein Gläubigeranfechtungsprozess wird durch die Eröffnung des vereinfachten B 741 Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners (vgl. §§ 311 ff. InsO) unterbrochen. Nach der Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens kann ein laufender Gläubigeranfechtungsprozess vom Gläubiger zugunsten der Insolvenzmasse fortgesetzt werden.1577 1572 1573 1574 1575 1576 1577

Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 202. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 37 Rz. 84 und 153. BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, BGHZ 130, 38 ff. = MDR 1995, 1225. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 90. Vgl. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 320. BGH v. 3.12.2009 – IX ZR 29/08, MDR 2010, 525 = ZInsO 2010, 230 ff. Schfer

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B Rz. 742

§ 129 InsO – Grundtatbestand der Insolvenzanfechtung

B 742 Hat ein Insolvenzgläubiger bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund seines Anfechtungsanspruchs Sicherung oder Befriedigung erlangt, so gilt § 130 InsO entsprechend (§ 16 Abs. 2 AnfG). B 743 Wurde der Anfechtungsgegner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den Bestimmungen des Anfechtungsgesetzes von einem Einzelgläubiger in Anspruch genommen, scheidet ein Anspruch auf Rückgewähr zur Insolvenzmasse im Umfang der Erfüllung des Anfechtungsanspruchs aus. Die Erfüllung des Anfechtungsanspruchs wirkt gegenüber den übrigen gegenwärtigen und künftigen Gläubigern des Schulders und – wenn die Voraussetzungen der besonderen Insolvenzanfechtung nach § 130 InsO nicht vorliegen – auch gegenüber dem Insolvenzverwalter, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners allein zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen berechtigt ist. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger tritt hinter dem Interesse des Anfechtungsgläubigers an der Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs zurück.1578 B 744 Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können die Anfechtungsansprüche im Grundsatz wieder von den einzelnen Gläubigern verfolgt werden (vgl. § 18 AnfG). Allerdings stehen dem Anfechtungsgegner „Einreden“, die er gegen den Insolvenzverwalter erlangt hatte, gemäß § 18 Abs. 1, letzter Halbsatz AnfG auch gegenüber allen einzelnen Gläubigern zu.1579 Dies umfasst nicht nur sämtliche materiell-rechtlichen Einwendungen oder Einreden, sondern unter Umständen auch eine Rechtskrafterstreckung zu Lasten der Einzelgläubiger. Ein erst vom Insolvenzverwalter begonnener Anfechtungsprozess kann in der Hauptsache weder von einem Insolvenzgläubiger noch vom Insolvenzschuldner aufgenommen werden; der Prozess wird mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen, sondern ist regelmäßig in der Hauptsache erledigt.1580

1578 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 173/09, ZIP 2013, 131 ff. 1579 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 210. 1580 BGH v. 10.2.1982 – VIII ZR 158/80, BGHZ 83, 102 (105 f.); MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 211.

292 Schfer

C. § 130 InsO – Kongruente Deckung § 130 Kongruente Deckung (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, 1. wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder 2. wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit). (2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. (3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Rz. I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . . II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzgläubigerstellung . . . . . . . . 3. Mehrpersonenverhältnisse . . . . . . . .

C1 C10 C10 C12 C17

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C18 1. Gewährung oder Ermöglichung einer kongruenten Befriedigung bzw. Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . C18 a) Befriedigungen . . . . . . . . . . . . . . . . C23 aa) Kongruente Direktzahlung . C23a bb) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . C24 cc) Bankverrechnungen und Bankaufrechnungen (insbesondere im Kontokorrent) . . . C40 (1) Kündigung des Schuldners. . . . . . . . . . . . . . . . . . . C46 (2) Kontosperre . . . . . . . . . . . . C47

Rz. (3) Fortsetzung der Giroabrede . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Eigennützige Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Sicherheitentausch. . . . . . dd) Scheckeinreichung . . . . . . . . . ee) Lastschriftverfahren . . . . . . . . b) Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Treuhänderische Sicherheitenverwaltung. . . . . . . . . . . . . bb) Bauhandwerkersicherung . . . cc) Gesetzliche Pfandrechte . . . . c) Ausnahme Margensicherheiten; § 130 Abs. 1 Satz 2 InsO . . . . . . . . 2. Zustand der materiellen Insolvenz . a) Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . aa) Zahlungseinstellung . . . . . . . bb) Liquiditätslücke; Abgrenzung zur Zahlungsstockung . cc) Feststellung der Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . .

Schfer

C49 C54 C55 C56 C58 C60 C64 C70 C72 C73 C76 C77 C78 C80 C82

293

C

§ 130 InsO – Kongruente Deckung Rz. dd) Indizien für Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . C87 ee) Ursächlichkeit der Zahlungsunfähigkeit für die Insolvenzeröffnung; späterer Wegfall . C91 b) Eröffnungsantrag; Maßgeblichkeit für Anfechtungsfristen (§ 139 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . C95 c) Anfechtungszeitraum . . . . . . . . . C100 3. Subjektive Anfechtungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C101 a) Kenntnis des Gläubigers; Nachweiserleichterung gemäß § 130 Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . . . C102

Rz. aa) Indizien für Gläubigerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Spezialfall Arbeitnehmervergütung . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachträglicher Wegfall der Gläubigerkenntnis . . . . . . . . . . . c) Kenntniszurechnung bei Organbzw. Vertreterhandeln und zwischen Behörden . . . . . . . . . . . 4. Darlegungs- und Beweislast; Erleichterung gegenüber nahestehenden Personen gemäß § 130 Abs. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C107 C110 C115 C117

C127

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes C 1 § 130 InsO ist an die Stelle des § 30 Nr. 1 Alt. 2 KO getreten. Er regelt die Anfechtbarkeit einer dem Gläubiger gebührenden (kongruenten) Sicherung oder Befriedigung (sogenannte „Deckungsanfechtung“) innerhalb des kritischen Dreimonatszeitraums vor der Stellung des Insolvenzantrages und in der Zeit danach, sofern der Gläubiger den Eröffnungsantrag oder die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte. Dabei steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrages die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Während im Falle der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungseinstellung nach den §§ 30 Nr. 1 Alt. 2, 33 KO Rechtshandlungen anfechtbar sein konnten, die im Zeitraum der letzten sechs Monate vor der Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden, lässt § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO dies nur für die letzten drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages zu. In der Regel hat diese Neuregelung eine Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeiten zur Folge.1 C 1a § 130 InsO respektiert im Grundsatz das Vertrauen des Gläubigers, eine ihm gebührende (kongruente) Leistung des Schuldners behalten zu dürfen. Allein der Eintritt der materiellen Insolvenz des Schuldners genügt daher aus Gründen des Verkehrsschutzes nicht für die Anfechtbarkeit. Erforderlich ist vielmehr im Grundsatz, dass der Anfechtungsgegner die Krise des Schuldners oder jedenfalls Umstände kennt, die zwingend auf die Krise schließen lassen. Entscheidende Anknüpfungsmerkmale sind insoweit der Eröffnungsantrag und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, denen jeweils selbständige Bedeutung zukommt. Eine nach der Stellung des Insolvenzantrages vorgenommene Rechtshandlung ist daher auch dann anfechtbar, wenn die Zahlungsunfähigkeit erst später oder gar nicht eingetreten ist, etwa weil das Verfahren wegen Überschuldung oder auf einen Eigenantrag des Schuldners hin wegen drohender Zahlungsunfähig-

1 Vgl. dazu Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 824 Rz. 26.

294 Schfer

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 3 C

keit (vgl. § 18 InsO) eröffnet wurde.2 Dies wird damit gerechtfertigt, dass in einem solchen Fall mit der Verfahrenseröffnung zu rechnen und der Anreiz zur Vorteilsverschaffung durch einzelne Gläubiger hoch sei.3 Über § 30 Nr. 1 Alt. 2 KO hinaus werden von § 130 InsO auch die nachrangigen C 2 Gläubiger im Sinne des § 39 InsO einbezogen.4 Es werden weitergehend auch solche Rechtshandlungen erfasst, die eine Deckung „ermöglichen“. Mit dem Merkmal des „Ermöglichens“ sollen Rechtshandlungen erfasst werden, die dem Gläubiger noch keine Deckung gewähren, ihn aber in die Lage versetzen, sich eine Deckung zu verschaffen. Als Beispiel wird in der Gesetzesbegründung das Anerkenntnis im Prozess genannt.5 Hierzu zählen ganz allgemein Schuldanerkenntnisse, Schuldversprechen und die Nichteinlegung von Rechtsbehelfen.6 Mit dieser Erweiterung wird nach der Gesetzesbegründung klargestellt, dass eine Anfechtung derartiger Handlungen nicht nur unter den strengeren Voraussetzungen der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 InsO in Betracht kommt.7 Auch das Werthaltigmachen einer Forderung kann eine die Befriedigung (etwa C 2a durch Aufrechnung) ermöglichende Rechtshandlung darstellen.8 Darunter fallen beispielsweise Werkleistungen des Schuldners,9 die Auslieferung der Kaufsache und die Erbringung von Dienstleistungen,10 nicht jedoch die bloße Abnahme der Werkleistung.11 Hinsichtlich des Werthaltigmachens von Forderungen ist noch nicht abschließend geklärt, ob auf das Werthaltigmachen der Forderung insgesamt abzustellen ist, also auf den Zeitpunkt, zu dem die Einrede des nichterfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB (insgesamt) ausgeräumt wurde,12 oder aber darauf, inwieweit bei teilbaren Leistungen in den Anfechtungszeiträumen eine konkret messbare Werterhöhung der Forderung herbeigeführt wurde.13 § 130 InsO stellt im Gegensatz zu § 30 KO nicht mehr auf die Zahlungseinstel- C 3 lung, sondern auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ab. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass die Zahlungseinstellung zwar die wichtigste Erscheinungsform der Zahlungsunfähigkeit sei; es gebe aber genügend Fälle, in denen die Zahlungsunfähigkeit vorliege, obwohl der Schuldner noch einzelne 2 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 130 Rz. 52; vgl. zur Problematik im Fall der Stellung eines Eigenantrages durch den Schuldner wegen drohender Zahlungsunfähigkeit: Henckel in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 829 Rz. 37. 3 HK-InsO/Thole, § 130 Rz. 4. 4 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157. 5 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157. 6 Vgl. HK-InsO/Thole, § 130 Rz. 13. 7 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157. 8 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372 ff.; v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, juris Rz. 3; v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 13. 9 BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, juris Rz. 3. 10 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372 ff. Rz. 14. 11 Vgl. BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 134/00, NJW-RR 2001, 1337. 12 Vgl. dazu jedoch BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435 ff. Rz. 24: „Maßgeblicher Zeitpunkt ist gemäß § 140 Abs. 1 InsO derjenige, in dem die Forderungen werthaltig gemacht, also die erforderlichen Bauleistungen abgeschlossen wurden“. 13 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 41 f. sowie Rz. B67. Schfer

295

C Rz. 3

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

Gläubiger befriedige. In diesen Fällen solle die Anfechtung unter den gleichen Voraussetzungen möglich sein wie bei einer allgemeinen Einstellung der Zahlungen.14 C 4 In der Begründung zum Regierungsentwurf ist zwar davon die Rede, dass die zeitliche Nähe des Erwerbs zur Insolvenzeröffnung es rechtfertige, die grob fahrlässige Unkenntnis der Krise seitens des Anfechtungsgegners genügen zu lassen.15 Die Begründung des Rechtsausschusses des Bundestages16 lässt jedoch nach Ansicht des BGH erkennen, dass mit dem Erfordernis der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO), ein strengerer Maßstab angelegt werden soll als jener der von der Bundesregierung vorgeschlagenen grob fahrlässigen Unkenntnis.17 Vorausgesetzt werde demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kenne, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folge. Dann könne er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er den an sich zwingenden Schluss von den Tatsachen auf die Rechtsfolge selbst nicht gezogen habe.18 C 5 § 130 InsO ist im Verhältnis zu den §§ 131, 135 InsO a.F. Auffangtatbestand, wenn die Inkongruenz der Deckungshandlung bzw. die eigenkapitalersetzende Funktion der Forderung des Gläubigers nicht festzustellen ist.19 Sind die sonstigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 130 InsO erfüllt, kann letztlich offen bleiben, ob eine kongruente oder eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 InsO gegeben ist. Es ist kein Fall denkbar, in dem eine möglicherweise inkongruente Deckung zwar § 130 InsO, nicht aber § 131 InsO erfüllt.20 C 6 In seinem Urteil vom 16.9.199921 hat sich der BGH der Auffassung im Schrifttum22 angeschlossen, wonach sich die Tatbestände der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) und der Tatbestand des § 132 InsO gegenseitig ausschließen. Diese Auffassung werde den schutzwürdigen Belangen aller Beteiligten gerecht. Hat etwa der zahlungsunfähige Schuldner Ware zu einem deutlich überhöhten Preis gekauft, um überhaupt noch Ware zu bekommen, so ist der Abschluss des Kaufvertrages nach § 132 InsO anfechtbar. Die Zahlung des Kaufpreises durch den Schuldner kann nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar sein. Ein und dieselbe Rechtshandlung kann danach jedoch niemals sowohl den Tatbestand des § 132 InO als auch einen Tatbestand der Deckungsanfechtung erfüllen.23 14 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157. 15 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158. 16 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7302, S. 173. 17 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (185) = MDR 2002, 416. 18 Vgl. dazu noch BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08, MDR 2010, 235 = ZIP 2009, 2306 f. Rz. 11. 19 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 5. 20 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 5; Bork/Schoppmeyer, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 7 Rz. 13. 21 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 ff. = MDR 1999, 1463. 22 Vgl. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 9. 23 Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 9; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 5; teilw. abweichend Bork/ Schoppmeyer, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 7 Rz. 49 ff.

296 Schfer

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 7b C

Die §§ 130, 131 InsO erfassen allerdings nur Rechtshandlungen, die gegenüber C 7 einem Insolvenzgläubiger vorgenommen wurden.24 Es ist daher streitig,25 ob § 132 InsO anwendbar ist, wenn der Empfänger einer Verfügung des Schuldners kein Insolvenzgläubiger ist. Von praktischer Bedeutung ist dies im Wesentlichen bei der Zahlung auf fremde Schuld; die Anwendbarkeit des § 132 InsO dürfte in diesem Fall zu verneinen sein.26 In den Fällen, in denen der Schuldner einem Insolvenzgläubiger durch ein C 7a Rechtsgeschäft eine Sicherung oder eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht, greifen nach herrschender Auffassung die speziellen Bestimmungen der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) ein.27 Wird dagegen die erfüllte oder gesicherte Forderung erst zugleich mit der Leistungshingabe oder sogar später begründet, handelt es sich nach herrschender Meinung um einen Anwendungsfall des § 132 InsO.28 Wird zum Beispiel ein Arbeitsverhältnis gegen sofortige Zahlung eines überhöhten Entgelts aufgehoben, so entsteht dieser Zahlungsanspruch erst durch die Aufhebungsvereinbarung; der Arbeitnehmer ist deshalb insoweit nicht Insolvenzgläubiger.29 Ein Abänderungsvertrag ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar, weil er keine Deckungshandlung im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.30 Im Schrifttum wird geltend gemacht, dass die Lösung, wonach die §§ 130, 131 C 7b InsO für Deckungen gegenüber einem Insolvenzgläubiger als lex specialis gegenüber § 132 InsO anzusehen seien, die Problematik nur teilweise beantworte und den Begriff des Insolvenzgläubigers überfrachte.31 Es richte sich nach den gesetzlichen Wertungen hinsichtlich der widerstreitenden Interessen, ob in einem Fall, in dem die Forderung des Insolvenzgläubigers zugleich mit der Deckung begründet werde, eine Deckungsanfechtung möglich sei. Das Gesetz schränke die Anfechtung von Rechtsgeschäften des Schuldners ein, indem es hier eine unmittelbare Benachteiligung verlange. Ob also eine Deckung ausnahmsweise nicht anfechtbar sei, richte sich daher nicht danach, ob auch der Gläubiger der im unmittelbaren Zusammenhang mit der Forderungsentstehung gewährten Deckung Insolvenzgläubiger sei (das sei ohne jeden Zweifel der Fall), sondern ob die Wertungen des § 132 InsO auch auf eine solchermaßen gewährte Deckung durchschlügen. Es gehe nicht an, diese notwenige Wertung hinter dem Begriff des Insolvenzgläubigers zu verstecken. 24 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff.; v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 (316) = MDR 2008, 341; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rz. 16; Bork/Schoppmeyer, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 7 Rz. 37. 25 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 5; – a.A. Henckel, ZIP 2004, 1671 (1673); Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 95. 26 Siehe dazu unten Rz. E6 ff. 27 BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 ff. Rz. 6; HK-InsO/Thole, § 132 Rz. 6; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 132 Rz. 16. 28 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404 (406); MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 21; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 130 Rz. 5. 29 MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 21 mit Hinweis auf Gerhardt, EWiR 1989, 609 (610), gegen OLG Düsseldorf v. 13.4.1989 – 12 U 81/88, ZIP 1989, 1072 (1074). 30 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 19 f. 31 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 58. Schfer

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C Rz. 7c C 7c

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

Daher ist nach dieser Ansicht eine Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO nur dann ausgeschlossen, wenn der besondere Zweck des § 132 InsO eine andere Wertung erfordert. Entscheidend sei, ob und inwieweit dem Schuldner mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts zugleich Kredit gewährt werde. Sei dies der Fall, sei nicht nur das Rechtsgeschäft nach § 132 InsO, sondern auch die nachfolgende Deckungshandlung nach § 130 InsO anfechtbar. Fehle es daran, greife auch hinsichtlich der Deckung nur eine Anfechtung nach § 132 InsO.32

C 8 Die Tatbestände der Deckungsanfechtung gemäß §§ 130, 131 InsO regeln die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen, die im Zustand der materiellen Insolvenz vorgenommen wurden.33 Durch § 130 InsO soll – ebenso wie durch § 131 InsO – bereits für eine bestimmte Zeit vor der Insolvenzeröffnung dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger („par condicio creditorum“) im Zustand der materiellen Insolvenz des Schuldners Geltung verschafft werden. Beide Tatbestände der Deckungsanfechtung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die materiellen Wirkungen der Insolvenz schon vor der formellen Insolvenzeröffnung eintreten.34 Im Rahmen der besonderen Insolvenzanfechtung wird den Gläubigern die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auferlegt.35 C 9 Wer in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder des Eröffnungsantrages noch Sicherung oder Befriedigung erlangt, soll das Erlangte nicht behalten dürfen. Das System der Anfechtungsregeln verdrängt in dem von ihm abgedeckten zeitlichen Bereich das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt etwa auch die Befugnis des Gläubigers zur zwangsweisen Durchsetzung seiner Ansprüche hinter dem Schutz der Gläubigergemeinschaft zurück.36

II. Allgemeines 1. Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung C 10 Tatbestandliche Voraussetzung des § 130 InsO ist eine anfechtbare Rechtshandlung,37 die jedoch nicht der Schuldner selbst vorgenommen haben muss. Praktisch bedeutsame Beispiele stellen die Herbeiführung einer Aufrechnungslage ohne Zutun des Schuldners sowie speziell die Kontokorrentverrechnung durch 32 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 60. 33 Vgl. BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 ff.; Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 8. 34 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832; v. 7.12.2006 – IX ZR 157/05, MDR 2007, 612 = ZIP 2007, 136 f. Rz. 6; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 1. 35 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 17 = MDR 2005, 832. 36 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff.; BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353) = MDR 2004, 775; v. 11.4.2002 – IX ZR 211/01, MDR 2002, 1027 = NJW 2002, 2568; v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 (311 ff.). 37 Siehe dazu die Ausführungen zu § 129 InsO.

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II. Allgemeines

Rz. 10c C

die Bank des Schuldners dar.38 Sogar eine Rechtshandlung des vorläufigen Insolvenzverwalters kann die Deckungsanfechtung in einem später eröffneten Insolvenzverfahren begründen, wie ein Urteil des BGH vom 15.12.201139 zeigt: BGH-Urteil vom 15.12.2011 – ZIP 2012, 333 ff. Der Beklagte war zum vorläufigen Insolvenzverwalter unter gleichzeitiger An- C 10a ordnung eines Zustimmungsvorbehalts bestellt worden. Er war ermächtigt worden, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Nach der Befriedigung der den Insolvenzantrag stellenden Gläubigerin erklärte diese ihren Eröffnungsantrag für erledigt. Durch Beschluss vom 9.6.2006 hob das Insolvenzgericht die vorläufige Insolvenzverwaltung auf und setzte die Vergütung des Beklagten durch Beschluss vom 28.7.2006 auf 5520,95 Euro fest. Diesen Betrag überwies der Beklagte von einem Sonderkonto, das er im Rahmen der vorläufigen Verwaltung eingerichtet hatte, auf sein eigenes Konto. Das auf dem Sonderkonto befindliche Guthaben hatte er als vorläufiger Insolvenzverwalter für die Schuldnerin vereinnahmt. Auf einen weiteren Insolvenzantrag vom 25.7.2006 wurde am 16.11.2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Diese verlangte vom Beklagten die Rückgewähr der von ihm vereinnahmten Vergütung. Die Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg. Die Revision der Klägerin führte zur Verurteilung des Beklagten. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war der Beklagte mit seinem zu den Kos- C 10b ten des Insolvenzverfahrens gehörenden Vergütungsanspruch kein Insolvenzgläubiger im Sinne des § 130 Abs. 1 InsO. Der BGH ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Die §§ 53, 54 Nr. 2 InsO beträfen nur die Kosten des eröffneten und durchgeführten Verfahrens und nicht die Kosten vorausgegangener Eröffnungsverfahren, die nicht zur Eröffnung geführt hätten.40 Etwas anderes gelte auch nicht für den Fall, dass eine einheitliche materielle Insolvenz gegeben sei. Die nach § 129 Abs. 1 InsO stets erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung sei ebenfalls gegeben, auch wenn der Beklagte das Sonderkonto als echtes Anderkonto angelegt habe. Eine für § 130 Abs. 1 InsO ausreichende mittelbare Gläubigerbenachteiligung sei jedenfalls dadurch eingetreten, dass der Beklagte das zuvor auf dem Anderkonto befindliche Geld nicht mehr an die Schuldnerin bzw. die Klägerin habe auskehren können. Von Bedeutung sind ferner die Ausführungen des BGH zum Bargeschäft im Sin- C 10c ne des § 142 InsO. Der Senat habe angenommen, dass ein Bargeschäft nur gegeben sei, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige Gegenleistung erhalten habe.41 Dem Tätigwerden des 38 Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff.; v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, NotBZ 2009, 458 = MDR 2009, 1005 = ZInsO 2009, 1054 ff. 39 BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 ff. 40 Vgl. BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (181). 41 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 41; v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 ff. Rz. 13. Schfer

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C Rz. 10c

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

vorläufigen Insolvenzverwalters liege kein Vertrag mit dem Schuldner zugrunde, sondern die Bestellung durch das Insolvenzgericht. Insoweit erscheine es erwägenswert, auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter für seine Vergütung im nicht eröffneten Verfahren die Privilegierung des Bargeschäfts zu gewähren. Im konkreten Fall scheiterte die Annahme eines Bargeschäfts allerdings an der vom BGH im Grundsatz angewandten sogenannten „30-Tage-Regel“.42 C 11 Wie jeder Anfechtungstatbestand setzt § 130 InsO nach der Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO eine Gläubigerbenachteiligung voraus. Eine mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger genügt jedoch für die Anwendung des § 130 InsO.43 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist etwa gegeben, wenn durch die angefochtene Rechtshandlung eine Forderung des Anfechtungsgegners, die im Falle der Insolvenzeröffnung bloße Insolvenzforderung gewesen wäre, zur Masseverbindlichkeit aufgewertet wird.44 2. Insolvenzgläubigerstellung C 12 Anfechtungsgegner der Deckungsanfechtung nach § 130 InsO kann nur ein Insolvenzgläubiger sein (vgl. die §§ 38, 39 InsO). Die Frage der Insolvenzgläubigerstellung ist stets auf die konkret betroffene Forderung zu beziehen. Eine Insolvenzgläubigerstellung aus anderen Gründen genügt nicht.45 Insolvenzgläubiger ist jeder, der ohne die erlangte Deckung in dem anschließenden Insolvenzverfahren keine bessere Stellung in Bezug auf die befriedigte oder gesicherte Forderung gehabt hätte als gemäß § 38 InsO.46 Denn dann ist die Erfüllung oder Sicherung geeignet, die Befriedigungsaussichten der anderen Insolvenzgläubiger über das kraft Gesetzes vorgegebene Maß hinaus zu schmälern. Unerheblich ist es deshalb, ob der Berechtigte schon Insolvenzgläubiger war, als er eine Sicherheit erlangte; entscheidend ist, inwieweit er die Sicherheit im Verfahren zur Verstärkung einer bloßen Insolvenzforderung einsetzt.47 Tilgt der Schuldner eine fremde Schuld eines Dritten, so scheitert die Deckungsanfechtung gegenüber dem Zuwendungsempfänger in der Regel daran, dass dieser nicht Insolvenzgläubiger ist.48 Dabei ist jedoch zu beachten, dass mit der Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten zugleich die Tilgung einer Forderung des befriedigten Gläubigers (als künftigem Insolvenzgläubiger) gegenüber dem Schuldner einhergehen kann. So ist etwa der befriedigte Gläubiger, zu dessen Gunsten sich der zahlende Schuldner selbstschuldnerisch verbürgt hat, in der Insolvenz des Schuldners Insolvenzgläubiger, weil er wegen seiner Bürgschaftsforderung am Insolvenzverfahren

42 Vgl. BGH v. 19.9.2008 – IX ZR 134/05, Rz. 2, veröffentlicht bei juris; v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, ZIP 2008, 232 ff. Rz. 20 ff. 43 BGH v. 11.6.1992 – IX ZR 147/91, MDR 1992, 959 = NJW 1992, 2485 (2486). 44 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11 – „Mietvertragsübernahme“, ZIP 2012, 1183 ff. 45 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 17d. 46 BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 ff. Rz. 9; v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 ff. Rz. 12; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 17. 47 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 17. 48 BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZInsO 2004, 499 ff.; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 11.

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II. Allgemeines

Rz. 12c C

teilnehmen kann.49 Denn bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft findet der Grundsatz der Doppelberücksichtigung Anwendung.50 Insolvenzgläubiger im Sinne des § 130 InsO sind all jene Gläubiger, die ohne die C 12a erlangte Deckung an dem anschließenden Insolvenzverfahren in Bezug auf die befriedigte Forderung nur im Rang der §§ 38, 39 InsO teilgenommen hätten.51 Eine Insolvenzforderung im Sinne der §§ 38, 39 InsO liegt vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor der Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein.52 Dagegen ist es unerheblich, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist. Entsprechend geht auch der BFH davon aus, dass für die Frage, ob Steuerforderungen Insolvenzforderungen sind, entscheidend ist, ob die Hauptforderung „ihrem Kern nach“ bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Auf die Frage, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung im steuerrechtlichen Sinne entstanden ist, kommt es dagegen nicht an.53 Das Finanzamt erlangt daher eine Zahlung als Insolvenzgläubiger, wenn es in C 12b Fällen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft der Steuerschuld des Organträgers entsprechende Beträge durch Lastschrift vom Konto der Organgesellschaft einzieht und damit den steuerrechtlichen Haftungsanspruch nach § 73 AO geltend macht.54 Im Schrifttum wird unter Bezugnahme auf ein Urteil des BGH vom 29.9.201155 darauf hingewiesen, dass der BGH die Frage offen gelassen habe, ob das Finanzamt Gläubiger einer Organgesellschaft sei, wenn diese eine – in ihrem eigenen Geschäftsbetrieb entstandene – Umsatzsteuerschuld ihres – selbst solventen – Organträgers freiwillig vor dem Eintritt der Fälligkeit tilge.56 Ein Dritter, der für eine Verbindlichkeit des Schuldners eine Sicherheit gestellt C 12c hat, ist wegen des ihm gegen den Schuldner zustehenden Befreiungsanspruchs Insolvenzgläubiger.57 Hingegen ist ein Bürge kein Insolvenzgläubiger hinsichtlich der Ansprüche, die ihm (nur) gegen den Bürgschaftsgläubiger zustehen, und zwar auch dann nicht, wenn der Bürgschaftsgläubiger Erstattung dieser Zahlungen vom Schuldner verlangen kann („Leistungskette“).58 Ein Dritter, für dessen Verbindlichkeit der Schuldner eine Sicherheit bestellt, ist dann in 49 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, MDR 2009, 170 = NJW 2008, 3780 (3781). 50 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 124; MK-InsO/Bitter, § 43 Rz. 11. 51 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 ff. Rz. 12; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 18. 52 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11 – „Organschaft“, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 15; v. 22.9.2011 – IX ZB 121/11, ZVI 2011, 408 f. Rz. 3. 53 BFH v. 1.4.2008 – X B 201/07, ZIP 2008, 1780 ff. Rz. 17 m.w.N. 54 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11 – „Organschaft“, BGHZ 192, 221 ff. 55 BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 ff. Rz. 7. 56 Vgl. Kirchhof, WM 2013, Sonderbeilage 3, S. 38. 57 Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 18; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 51a. 58 Vgl. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 16/08, ZIP 2009, 769 ff. Rz. 8 ff.; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 51a. Schfer

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C Rz. 12c

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

dieser Hinsicht Insolvenzgläubiger, wenn der Schuldner hierzu gegenüber dem Dritten vorher verpflichtet war.59 C 13 Der Schuldner befriedigt auch dann einen (künftigen) Insolvenzgläubiger, wenn er vor der Insolvenzeröffnung den Freistellungsanspruch eines neben ihm haftenden Gesamtschuldners erfüllt. Ob der Empfänger der Leistung des Schuldners tatsächlich am Verfahren teilnehmen würde, spielt keine Rolle, weil davon die Gläubigerbenachteiligung durch die Rechtshandlung des Schuldners nicht abhängig ist. Ein Anfechtungsanspruch gegen den Gesamtschuldner kommt daher auch dann in Betracht, wenn er gemäß § 44 InsO seinen Ausgleichsanspruch nicht geltend machen kann.60 C 13a Die Einzugsstellen der Krankenkassen sind – anders als hinsichtlich der Beiträge von Pflichtversicherten – keine Insolvenzgläubiger, soweit sie die Versicherungsbeiträge von freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung einziehen.61 C 13b Schon aus dem Wortlaut des § 131 Abs. 1 InsO ergibt sich, dass Insolvenzgläubiger auch jener sein kann, dem keine wirksame Forderung gegen den Schuldner zusteht. Denn auch solche Fälle inkongruenter Deckung erfasst § 131 Abs. 1 InsO. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner mit der fraglichen Forderung im Falle ihres Bestehens Insolvenzgläubiger gewesen wäre.62 C 13c

Der BGH hat durch Urteil vom 23.10.201463 entschieden, dass sich beim Einsatz einer Kreditkarte als Barzahlungsersatz die Deckungsanfechtung in der Insolvenz des Karteninhabers gegen das Vertragsunternehmen und nicht gegen den Kartenaussteller (Bank) richtet. Entscheidend ist insoweit der Umstand, dass die als bloße Zahlstelle des Schuldners eingeschaltete Bank bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht als Insolvenzgläubigerin, sondern als Schuldnerin des Insolvenzschuldners handelt.64 Die nähere Ausgestaltung des Kartenzahlungsverfahrens ist für die anfechtungsrechtliche Beurteilung ohne maßgebliche Bedeutung.65

C 13d Die Kartengesellschaft oder die mit der Abwicklung der Kartenzahlung beauftragte Bank handelt dann, wenn mit der Kartenzahlung keine Kreditgewährung verbunden ist, als bloße Zahlungsmittlerin des den Gesamtvorgang veranlassenden Karteninhabers gegenüber seinem Gläubiger als Leistungsempfänger (mittelbare Zuwendung).66 Erteilte der Karteninhaber mit dem Einsatz der Karte dem 59 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 51a; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 19; Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 19. 60 BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 44/05, MDR 2007, 300 = ZIP 2006, 1591 ff. 61 BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 26/10, veröffentlicht bei juris. 62 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 211 ff. Rz. 11; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 17. 63 BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2359 ff. 64 Vgl. BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2359 ff. Rz. 9; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 17c, 21; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 55a; K. Schmidt, § 129 Rz. 41. 65 BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2359 ff. Rz. 12. 66 BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2359 ff. Rz. 13.

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II. Allgemeines

Rz. 13f C

Kartenunternehmen unmittelbar die Weisung, ein bei ihm bestehendes Guthaben direkt an das Vertragsunternehmen auszuzahlen, handelte das Kartenunternehmen bereits formal nicht als Insolvenzgläubiger, sondern als Schuldner des Karteninhabers (Anweisung auf Schuld).67 Dass die Weisung auf eine Zahlung aus dem Vermögen des Kartenunternehmens gerichtet ist und einen Anspruch des Kartenunternehmens auf Aufwendungsersatz entstehen lässt, macht dieses zwar formal zu einem Gläubiger des Karteninhabers; wirtschaftlich geht es gleichwohl um die Erfüllung einer Verpflichtung des Kartenunternehmens gegenüber dem Karteninhaber.68 Es steht der Einordnung der Kartenzahlung als mittelbare Zuwendung nicht ent- C 13e gegen, dass sich das Kartenunternehmen selbst gegenüber dem Vertragsunternehmen im Wege eines abstrakten Schuldversprechens nach § 780 BGB zur Zahlung verpflichtet hat und auf diese eigene Verpflichtung leistet.69 Zahlt ein Dritter – so der BGH weiter – an den Gläubiger auf eine eigene Schuld, etwa als Sicherungsgeber oder Gesamtschuldner, kann dies zwar zu der Beurteilung führen, dass keine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, sondern jeweils eigene Leistungsbeziehungen zwischen dem Dritten und dem Gläubiger einerseits und zwischen dem Schuldner und dem Dritten andererseits bestehen.70 In dem vom BGH entschiedenen Fall war eine solche Beurteilung jedoch nicht gerechtfertigt, denn die eigene Verpflichtung des Kartenunternehmens gegenüber dem Vertragsunternehmen entstand jeweils erst infolge des Karteneinsatzes. Die Verpflichtung des Kartenunternehmens stellt sich als Teil eines Gesamtvorgangs dar, der darauf gerichtet war, eine Barzahlung des Karteninhabers zu ersetzen und zur Tilgung der Verbindlichkeit des Schuldners eine Leistung aus dessen Vermögen mittels des Kartenunternehmens als Zahlstelle an das Vertragsunternehmen als Gläubiger zu erbringen. Der BGH weist noch darauf hin, dass auch nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts, an das sich die anfechtungsrechtliche Behandlung anlehne, eine Leistung des Schuldners an den Gläubiger vorliege.71 In dem vom BGH entschiedenen Fall fehlte es zudem an der stets erforderlichen C 13f Gläubigerbenachteiligung. Die Verrechnung der Bank führte zwar zur Verringerung des Aktivvermögens der Schuldnerin, die durch das Erlöschen der Forderung der Bank nicht ausgeglichen wurde, da diese im Insolvenzverfahren eine bloße Insolvenzforderung gewesen wäre. Es fehlte dennoch an einer Gläubigerbenachteiligung, weil die Beklagte auch im Insolvenzverfahren nach § 94 Abs. 1

67 Vgl. BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287); v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 14; Obermüller in Festschrift für Gerhardt, 2004, S. 683, (689, 697). 68 BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2359 ff. Rz. 13; Schoppmeyer in Kübler/ Prütting/Bork, § 130 Rz. 54; FK-InsO/Dauernheim, § 130 Rz. 17. 69 Vgl. Nobbe in Festschrift für Hadding, 2004, S. 1007 (1015). 70 Vgl. BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2359 ff. Rz. 14; v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (46 f.); Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 53a; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 49a; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 129 Rz. 29. 71 Vgl. BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2359 ff. Rz. 14; v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287). Schfer

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C Rz. 13f

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

InsO zur Aufrechnung berechtigt gewesen wäre. Die Aufrechnung wäre insbesondere nicht nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig gewesen, denn die Beklagte hatte die Aufrechnungsmöglichkeit nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt. Die aus dem Karteneinsatz resultierenden Aufwendungsersatzansprüche beruhten auf einem vertragsgemäßen, kongruenten Verhalten der Beklagten. Die subjektiven Voraussetzungen der §§ 130, 133 Abs. 1 InsO waren nicht gegeben. C 13g Zu beachten ist die Einschränkung des BGH, dass eine mittelbare Zuwendung vorliegt, wenn der Schuldner ein Bankguthaben auf einen Leistungsempfänger überträgt und dass für den Spezialfall des Kreditkarteneinsatzes nichts anderes gelte, wenn dieser nur die Funktion des Bargeldersatzes habe und es zu keiner Kreditgewährung komme.72 Diese Einschränkung könnte sich hinsichtlich der Frage als bedeutsam erweisen, ob die Deckungsanfechtung auch gegenüber jenem Gläubiger durchgreift, der erst zugleich mit dem zur Deckung führenden Gesamtvorgang zum Insolvenzgläubiger des Schuldners (durch Kreditgewährung) wird.73 Nach Ansicht von Henckel erwirbt die Bank mit dem Abschluss des Überweisungsvertrages einen Anspruch auf Vorschuss und wird somit zum Gläubiger des Überweisenden. Dieser Anspruch werde aber durch die Lastschrift auf dem Konto des Überweisenden getilgt, die vor der Ausführung der Überweisung erfolge, so dass die Bank im Zeitpunkt der Ausführung der Überweisung nicht mehr Gläubiger des Überweisenden sei.74 Schoppmeyer sieht es als entscheidend an, ob die Bank im Hinblick auf eigene Forderungen tätig wird oder lediglich als Zahlungsmittlerin auftritt.75 Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen des BGH zu sehen, wonach die als bloße Zahlstelle des Schuldners eingeschaltete Bank nicht der Deckungsanfechtung ausgesetzt sei, weil sie bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht als Insolvenzgläubigerin, sondern als Schuldnerin des Insolvenzschuldners handle. C 14 Aussonderungsberechtigte im Sinne der §§ 47, 48 InsO sind keine Insolvenzgläubiger. Der absonderungsberechtigte Gläubiger ist zwar als Inhaber eines Sicherungsrechts nicht Insolvenzgläubiger;76 Inhaber von Absonderungsrechten sind aber aufgrund der Neuregelung in § 52 InsO wegen ihrer gesamten persönlichen Forderung, nicht nur wegen ihres Ausfalls, Insolvenzgläubiger. Deshalb betreffen Rechtshandlungen, die nicht nur der Befriedigung des Absonderungsrechts dienen, sondern auch die durch das Absonderungsrecht gesicherten Forderungen erfüllen, deren Berechtigte in ihrer Eigenschaft als Insolvenzgläubiger.77

72 BGH v. 23.10.2014 – IX ZR 290/13, ZIP 2014, 2359 ff. Rz. 9 f. 73 Vgl. dazu oben Rz. C7b f.; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz, 21; Schoppmeyer in Kübler/ Prütting/Bork, § 130 Rz. 55a. 74 Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 40. 75 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 55a. 76 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZIP 2006, 1009 ff. Rz. 14; Eckardt, ZIP 1999, 1734 (1741); Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 130 Rz. 31. 77 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, MDR 2006, 1431 = ZIP 2006, 1009 ff. Rz. 13; MK-InsO/ Kayser, § 130 Rz. 18; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 56.

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II. Allgemeines

Rz. 16 C

Verschafft sich der Absonderungsberechtigte in der kritischen Zeit den Besitz an C 15 dem beweglichen Sicherungsgut des Schuldners, handelt er auch im Hinblick auf seine gesicherte Forderung, deren Befriedigung er anstrebt. Dies gilt umso mehr dann, wenn der Absonderungsberechtigte noch keinen fälligen Anspruch auf Verwertung des Sicherungsguts hat, sondern diese lediglich sicherstellen will.78 Das der Insolvenzmasse gemäß §§ 166 Abs. 2, 170, 171 InsO verbleibende Recht verkörpert durchweg noch einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert.79 Bis zur Verwertung ist der Sicherungsgeber berechtigt, das Sicherungsgut auszulösen. Erst im Zeitpunkt der Veräußerung des Sicherungsgutes durch den Absonderungsberechtigten scheidet das Sicherungsgut wirtschaftlich endgültig aus dem Vermögen des Schuldners oder der Masse aus. Wenn sich eine Handlung des Absonderungsberechtigten somit auf das Sicherungsgut und die persönliche Forderung bezieht, ist eine Anfechtung nach den §§ 130, 131 InsO nicht ausgeschlossen.80 Es kann allerdings im konkreten Fall an der nach § 129 Abs. 1 InsO erforderlichen Gläubigerbenachteiligung fehlen,81 etwa wenn der Schuldner das Absonderungsrecht durch eine Zahlung ablöst, soweit deren Höhe nicht den Erlös übersteigt, den der Absonderungsberechtigte bei einer Verwertung der Sache oder Forderung hätte erzielen können.82 Aufgrund des der Insolvenzmasse beim Bestand von Absonderungsrechten nach C 15a den §§ 166 Abs. 2, 170, 171 InsO zustehenden Rechts kann auch eine Besitzergreifung des Absonderungsberechtigten, durch die in kritischer Zeit der „technisch-organisatorische Verbund des Schuldnervermögens“ in gläubigerbenachteiligender Weise auseinandergerissen wird, der Anfechtung nach § 130 InsO unterliegen.83 Die Stellung als Insolvenzgläubiger ist auf die jeweils betroffene konkrete For- C 15b derung zu beziehen. Der Kreditgeber des Schuldners ist insoweit nicht dessen Insolvenzgläubiger, als jenem die eigene Pflicht zur bestmöglichen Verwertung von Sicherungsgut erlassen wird.84 Massegläubiger sind keine Insolvenzgläubiger. Dementsprechend hat der BGH C 16 durch Beschluss vom 15.12.200585 entschieden, dass die Anwendung der Vorschrift des § 130 Abs. 1 InsO auf Massegläubiger im Hinblick auf die Legaldefinition des § 38 InsO zu verneinen ist. Die Anfechtung nach § 130 InsO kommt

78 Vgl. BGH v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, UR 2007, 583 = MDR 2007, 1101 = ZIP 2007, 1126 ff. Rz. 25. 79 BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013. 80 BGH v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, UR 2007, 583 = MDR 2007, 1101 = ZIP 2007, 1126 ff. Rz. 26. 81 Vgl. dazu BGH v. 23.9.2004 – IX ZR 25/03, MDR 2005, 478 = ZIP 2005, 40 f.; v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, MDR 2004, 413 = ZIP 2004, 42 ff. 82 BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 ff. Rz. 21. 83 Vgl. HK-InsO/Thole, § 130 Rz. 10; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 18 – a.A. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 819 f. Rz. 15 ff. 84 BGH v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, NJW 1997, 1063 (1065); MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 17d. 85 BGH v. 15.12.2005 – IX ZA 3/04, FamRZ 2006, 411. Schfer

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C Rz. 16

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

somit nur gegenüber einem Insolvenzgläubiger in Betracht. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob § 130 InsO nicht dem Schutz der Massegläubiger im Falle der Masselosigkeit oder Masseunzulänglichkeit dient, wovon im Schrifttum zum Teil ausgegangen wird.86 Dagegen wird indes zu Recht eingewandt, man müsse sich von der Vorstellung lösen, dass eine Insolvenzanfechtung während der gesamten Zeit der Durchsetzung des Anfechtungsrechts dazu dienen müsse, die Befriedigungsaussichten (speziell) der Insolvenzgläubiger zu verbessern. Es könne im Einzelfall durchaus auch darum gehen, zunächst die Befriedigung der Masseverbindlichkeiten zu sichern, um sodann eventuell erzielbare Überschüsse wiederum an die Insolvenzgläubiger zu verteilen.87 3. Mehrpersonenverhältnisse C 17 Bei der Einschaltung von Leistungsmittlern ist nach der Rechtsprechung des BGH zwischen schlichten Hilfspersonen, die in dem einen oder anderen Lager stehen, und den übrigen Anweisungsempfängern zu unterscheiden. Findet bei wertender Betrachtungsweise kein Zwischenerwerb statt, ist der Leistungsmittler nicht Empfänger des anfechtbar weggegebenen Gegenstandes und kann schon deshalb nicht Gegner einer Deckungsanfechtung sein.88 Hat der Schuldner dagegen eine Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Rechtshandlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert hat, kann diese grundsätzlich Gegner eines Anfechtungsanspruchs sein. Insolvenzgläubiger ist in einem solchen Fall aber allein der Dritte als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners gehandelt hat. Ein Geldinstitut, das einen Zahlungsauftrag des späteren Insolvenzschuldners ausführt, ist insoweit nicht dessen Insolvenzgläubiger.89 Zahlt ein Dritter, der dem Schuldner etwas schuldet (Drittschuldner), auf dessen Anweisung an einen Insolvenzgläubiger des Schuldners, ist im Grundsatz nur die Deckungsanfechtung gegenüber dem Insolvenzgläubiger als Leistungsempfänger und nicht die Anfechtung gegenüber der Mittelsperson begründet.90 Nach der Rechtsprechung des BGH können jedoch zwei konkurrierende Ansprüche aus Deckungsanfechtung in Betracht kommen, wenn die Mittelsperson selbst einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat.91

86 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 20. 87 Pape, ZIP 2001, 901 (902/903). 88 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 9; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 17c. 89 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff.; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 17c. 90 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 ff. = MDR 1999, 1463; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345 Rz. 25; Schoppmeyer in Kübler/ Prütting/Bork, § 130 Rz. 53. 91 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97 – „Zinsersparnis“, ZInsO 1998, 89 ff., insoweit nicht in BGHZ 138, 291 ff. = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 abgedruckt; vgl. dazu jedoch BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff.

306 Schfer

Rz. 20 C

III. Einzelheiten

III. Einzelheiten 1. Gewährung oder Ermöglichung einer kongruenten Befriedigung bzw. Sicherung Mit der Ausdehnung des Tatbestandes auf das „Ermöglichen“ einer Deckung C 18 sollen auch Rechtshandlungen erfasst werden, die dem Gläubiger noch keine Deckung gewähren, ihn aber in die Lage versetzen, sich eine Deckung zu verschaffen.92 Beispiele sind etwa das Stehenlassen einer Gutschrift auf einem debitorischen Konto des Schuldners, das der Bank die Möglichkeit der Verrechnung oder Aufrechnung verschafft,93 oder das Werthaltigmachen einer abgetretenen Forderung, das dem Zessionar die Befriedigung durch Aufrechnung ermöglicht.94 Ermöglichende Rechtshandlungen im Sinne des § 130 Abs. 1 InsO können auch Prozesshandlungen sein, die selbst zwar keine Deckung gewähren, jedoch einen Zwischenschritt zur Erlangung der Deckung bedeuten. Dies ist etwa der Fall bei einem Anerkenntnis (§ 307 ZPO), einem Geständnis (§ 288 ZPO) und einem Nichtbestreiten im Prozess, das als Unterlassen einer Rechtshandlung gleichsteht (§ 129 Abs. 2 InsO). Erfasst ist auch die aufgrund der Nichteinlegung eines Rechtsmittels erworbene Position.95 Hingegen ist das Unterlassen einer Kündigung keine ermöglichende Rechtshandlung gemäß § 130 InsO, wenn der Schuldner eine Kündigung nicht in Betracht gezogen hat.96 Anfechtungsrelevant ist vielmehr nur ein bewusstes Unterlassen.97 Zu den Rechtshandlungen, die dem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Be- C 19 friedigung gewähren bzw. ermöglichen, gehört auch das Einbringen einer Sache in die gemieteten Räume, das zu einem Vermieterpfandrecht führt.98 Als Beispiel für eine ermöglichende Rechtshandlung wird ferner die Anweisung des Schuldners an dessen Drittschuldner genannt, dessen Schuld durch Überweisung auf ein bestimmtes Konto zu tilgen, sowie das anschließende freiwillige Stehenlassen des eingezogenen Betrages auf dem Konto, wenn dadurch zugunsten der kontoführenden Bank eine Aufrechnungs- bzw. Verrechnungslage geschaffen wird.99 § 130 InsO setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Deckung bereits eine zuvor C 20 begründete Forderung bestand. Eine vor der Entstehung der Forderung oder in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dieser gewährte Deckung (Bar-

92 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 157 sowie oben Rz. C2. 93 Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 15; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 13b mit Hinweis auf BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, NZI 2012, 453 (455 f.). 94 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff. 95 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 37. 96 Vgl. BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 ff. 97 BGH v. 15.3.2012 – IX ZA 107/11, ZIP 2012, 833 f. Rz. 8; HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 24. 98 BGH v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, MDR 2009, 1306 = ZIP 2009, 1674 ff. Rz. 21; v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 (200) = MDR 2007, 610. 99 MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 13b. Schfer

307

C Rz. 20

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

deckung) unterliegt nicht der Deckungsanfechtung.100 In einem solchen Fall kommt nur die Anfechtung des Kausalgeschäfts nach § 132 InsO in Betracht.101 Unerheblich ist es hingegen, ob die Forderung des Insolvenzgläubigers erst nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners entstanden ist.102 C 21 Kongruent ist eine Deckung, auf die der Gläubiger in der geschehenen Art und Weise einen hinreichend bestimmten Anspruch hatte. Bestand in unkritischer Zeit nur ein allgemeiner Anspruch auf Sicherheitenbestellung – etwa nach Nr. 14 Abs. 1 AGB- Banken –, so ist die in der Krise erlangte Sicherung inkongruent.103 Die durch die Vorausabtretung im Rahmen einer Globalzession erlangte Sicherung ist dagegen kongruent, wenn bereits beim Abschluss des Globalzessionsvertrages das dingliche Geschäft vollzogen und zugleich die schuldrechtliche Seite in dem vertragsrechtlich möglichen Maße derart konkretisiert wurde, dass die abgetretenen Forderungen zumindest bestimmbar waren.104 Erweiterte und verlängerte Eigentumsvorbehalte sind hinsichtlich der abgetretenen, zukünftig entstehenden oder zukünftig werthaltig gemachten Forderungen ebenfalls nur als konruente Deckung anfechtbar.105 C 22 Abweichungen, die nach der Verkehrsanschauung geringfügig und damit unwesentlich sind, stellen die Kongruenz nicht in Frage. Die Begleichung einer Verbindlichkeit durch Scheck oder Wechsel ist daher eine kongruente Deckung, auch wenn ursprünglich eine andere Zahlungsart vereinbart war.106 Bei der Frage, ob eine Deckung noch als kongruent anzusehen ist, legt der BGH allerdings recht strenge Maßstäbe an. So ist etwa eine Zahlung durch Banküberweisung, die beim Gläubiger früher als fünf Tage vor Fälligkeit eingeht, bereits als inkongruent anzusehen.107 Zahlt der Schuldner allerdings vor dem Eintritt der Fälligkeit unter Ausnutzung einer befristet eingeräumten Möglichkeit zum Skontoabzug, ist die dadurch bewirkte Deckung in der Regel nicht inkongruent.108 Erbringt der Schuldner Teilleistungen im Sinne des § 266 BGB und nimmt der Gläubiger diese an, ist keine inkongruente Deckung gegeben.109 C 22a Erteilt ein dazu nicht verpflichteter Unternehmer seiner Bank zur Begleichung unternehmensbezogener Verbindlichkeiten einen Abbuchungsauftrag zuguns100 Vgl. dazu BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 ff. = MDR 1994, 158; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 21. 101 Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 12; Bork/Schoppmeyer, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 7 Rz. 14. 102 Vgl. BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, WM 1955, 404 ff.; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rz. 21. 103 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411 Rz. 17; v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff. 104 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411; v. 17.1.2008 – IX ZR 134/07, DZWIR 2008, 253; HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 22. 105 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 ff. 106 BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 ff. = MDR 2006, 1191 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse; v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = ZInsO 2007, 816 ff. 107 Vgl. BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, MDR 2005, 1312 = ZIP 2005, 1243 ff. 108 BGH v. 6.5.2010 – IX ZR 114/08, MDR 2010, 956 = ZIP 2010, 1188. 109 OLG Saarbrücken v. 24.6.2008 – 4 U 324/07-108, MDR 2009, 52 = ZIP 2008, 2430 ff.

308 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 23b C

ten bestimmter Gläubiger (Lastschrifteinzug im Abbuchungsauftragsverfahren), so führt diese Zahlungsweise als im unternehmerischen Geschäftsverkehr üblich zu einer Deckung, die ihrer Art nach kongruent ist.110 a) Befriedigungen Die Befriedigung im Sinne des § 130 Abs. 1 InsO besteht in der vollständigen oder C 23 teilweisen Erfüllung eines Anspruchs (vgl. die §§ 241 Abs. 1, 362 BGB). Sie ist auch durch Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) oder durch schuldbefreiende Hinterlegung gemäß §§ 372 f. BGB möglich.111 Für die Wechsel- und Scheckzahlung enthält § 137 InsO einen Ausnahmetatbestand, der dem Umstand Rechnung trägt, dass der Empfänger eine Wechsel- oder Scheckzahlung annehmen muss, um seine wechsel- oder scheckmäßigen Rückgriffsansprüche zu wahren.112 Es kommt jedoch nicht darauf an, ob durch die Rechtshandlung auch tatsächlich Befriedigung eintritt. Die Leistung auf eine vermeintliche Schuld genügt daher, wenn die Gläubiger dadurch benachteiligt werden.113 Eine erfüllungshalber erbrachte Leistung ist zunächst nur als Sicherheitsleistung anfechtbar. Eine Anfechtung unter dem Gesichtspunkt der Befriedigung kommt erst in Betracht, wenn tatsächlich Erfüllung eingetreten ist.114 Dies kann für die Frage von Bedeutung sein, ob die Rechtshandlung innerhalb des Anfechtungszeitraums vorgenommen wurde. aa) Kongruente Direktzahlung Befriedigt ein Dritter als Schuldner des Insolvenzschuldners einen Gläubiger C 23a des Schuldners durch Direktzahlung in den Anfechtungszeiträumen der Deckungsanfechtung, so stellt dies in der Regel eine inkongruente Deckung dar, die gegenüber dem Gläubiger des Schuldners nach § 131 InsO angefochten werden kann. Die in der Praxis bedeutende Frage, wie eine solche Anfechtung bei Lieferbeziehungen vermieden werden kann, verdeutlicht ein Urteil des BGH vom 17.7.2014:115 BGH-Urteil vom 17.7.2014 – ZIP 2014, 1595 ff. Die Schuldnerin stand in ständiger Geschäftsbeziehung zur Beklagten, die ihr C 23b Fenster und Türen lieferte. Seit Oktober 2010 bestanden erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber der Beklagten; Ratenzahlungsvereinbarungen hielt die Schuldnerin nicht ein und versprochene Sicherheiten erbrachte sie nicht. Im

110 BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, ZIP 2013, 324 f. 111 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 130 Rz. 9; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 130 Rz. 8. 112 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, 13. Aufl., § 130 Rz. 16. 113 MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rz. 7. 114 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 20. 115 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff.; vgl. dazu noch BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14 – „Brückengeländer“, ZIP 2016, 279 ff.; v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05 – „Mobile Trennwandanlagen“, ZIP 2007, 1162 ff. Schfer

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C Rz. 23b

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

Februar 2011 vereinbarte sie bei einem Zahlungsrückstand von annähernd 100 000 Euro mit der Beklagten und ihren Auftraggebern – mehreren Bauherren –, dass diese den Kaufpreis für die von der Schuldnerin einzubauenden Fenster und Türen direkt an die Beklagte zahlen sollten und die Beklagte diese Werkteile sodann an die Baustelle ausliefern sollte. Die Zahlungen erfolgten absprachegemäß am 29.3.2011. Nach Gutschrift der Beträge auf ihrem Konto lieferte die Beklagte die bestellten Fenster und Türen aus. Am 12.4.2011 stellte die Schuldnerin einen Insolvenzantrag. Nach der Insolvenzeröffnung forderte der Insolvenzverwalter (ohne Erfolg) die gezahlten Beträge zurück. C 23c

Der BGH weist darauf hin, dass die Werklohnforderungen, welche die Schuldnerin durch die Direktzahlungen verloren habe, wirtschaftlich nicht wertlos gewesen seien; die erforderliche Gläubigerbenachteiligung sei daher gegeben. Denn in Folge der dreiseitigen Änderungsvereinbarungen seien die Werklohnforderungen der Schuldnerin werthaltig geworden. Die Schuldnerin habe durch ihre mittelbare Zuwendung der Beklagten zu Lasten ihrer anderen Gläubiger volle Deckung verschafft. Unerheblich sei es hingegen wegen der Unbeachtlichkeit hypothetischer Geschehensabläufe, ob die Beklagte ohne die Direktzahlungen die Lieferung der Türen und Fenster hätte verweigern können.116

C 23d Die Direktzahlungen seien als kongruente Rechtshandlungen nicht nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Grundsätzlich seien solche Direktzahlungen allerdings als inkongruente Leistungen anzusehen, da der Lieferant keinen Anspruch auf eine (prinzipiell verdächtige) Zahlung durch Dritte habe. Die Beteiligten hätten jedoch dreiseitige Änderungsverträge abgeschlossen, aufgrund derer die Direktzahlungen, weil sie von der Schuldnerin in dieser Weise geschuldet gewesen seien, kongruente Leistungen darstellten. Ein Abänderungsvertrag stelle allerdings dann keine wirksame Kongruenzvereinbarung für spätere Drittzahlungen dar, wenn er seinerseits anfechtbar sei. Die Kongruenzvereinbarung sei indes nicht nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar, weil sie keine Deckungshandlung im Sinne dieser Bestimmungen darstelle. Vertragsparteien könnten den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch abändern, ohne den Charakter der Bardeckung zu gefährden, wenn sie die Abänderungsvereinbarung träfen, bevor die erste Leistung eines Vertragsteils erbracht worden sei.117 In einem solchen Fall sei nach Sinn und Zweck der §§ 132, 142 InsO eine abändernde Kongruenzvereinbarung, durch die ein Bargeschäft erst ermöglicht werde, der Deckungsanfechtung entzogen. C 23e Die nachträglichen Kongruenzvereinbarungen seien auch nicht nach § 132 InsO anfechtbar, weil sie die Gläubiger nicht unmittelbar benachteiligt hätten. Die Werklohnforderungen der Schuldnerin seien nämlich zum Zeitpunkt der Änderungsvereinbarung wirtschaftlich wertlos gewesen, da sie nicht durchsetzbar gewesen seien. Die Vertragsänderungen hätten die Werklohnteilforderungen erst werthaltig gemacht und deshalb die Gläubiger nicht unmittelbar benachteiligt.

116 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 13 mit Hinweis auf BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, ZIP 2011, 438 ff. Rz. 14. 117 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 21.

310 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 23h C

Das Ergebnis des BGH erscheint aus praktischer Sicht naheliegend, doch der Weg C 23f dorthin ist nicht unproblematisch und erfordert fundierte insolvenzanfechtungsrechtliche Kenntnisse. Unzutreffend war die Annahme des Berufungsgerichts, dass die fraglichen „Teile der Werklohnansprüche“ der Schuldnerin bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise vor den Direktzahlungen keinen Wert mehr gehabt hätten. Denn zum Zeitpunkt dieser Zahlungen bestanden die dreiseitigen Änderungsvereinbarungen, nach denen die Bauherren direkt an die Beklagten zahlen und dadurch zugleich sowohl der Anspruch der Schuldnerin gegen die Bauherren als auch der Anspruch der Beklagten gegen die Schuldnerin erlöschen sollten. Die Direktzahlungen hatten somit zur Folge, dass der Anspruch der Beklagten gegen die Schuldnerin erlosch, womit erstere volle Befriedigung auf ihre ansonsten als bloße Insolvenzforderung anzusehende Werklohnforderung erlangte. Darin liegt die Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger. Ohne die Abänderungsvereinbarungen wären die Direktzahlungen zweifellos als C 23g inkongruente Deckungen nach § 131 InsO anfechtbar gewesen, worauf der BGH ebenso zutreffend hinweist wie darauf, dass nach seiner Rechtsprechung118 und nach der herrschenden Meinung im Schrifttum119 eine Abänderungsvereinbarung dann keine wirksame Kongruenzvereinbarung darstellt, wenn sie ihrerseits nach § 131 InsO anfechtbar ist. Davon rückt der BGH nun ohne nähere Problemerörterung ab: Die Kongruenzvereinbarung sei nicht nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar, weil sie keine Deckungshandlung im Sinne dieser Vorschriften darstelle.120 Insoweit wird im Schrifttum jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass man zwar daran denken könne, eine solche Vereinbarung sei nur nach § 132 InsO anfechtbar, doch würde dadurch der Weg zu einer Umgehung des § 131 InsO geöffnet.121 Dieser Hinweis wird auch nicht durch die Erwägung des BGH entkräftet, dass die Vertragsparteien den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch abändern könnten, ohne den Charakter der Bardeckung zu gefährden, wenn sie die Abänderungsvereinbarung träfen, bevor die erste Leistung eines Vertragsteils erbracht worden sei.122 Eher hätte der BGH die Möglichkeit eines Bargeschäfts auch im Falle einer inkongruenten Deckung bejahen sollen, was jedoch nach seiner bisherigen Rechtsprechung ausscheidet.123 Zur Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO führt der BGH aus, es fehle am C 23h erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Denn diese habe durch die dreiseitigen Vereinbarungen und die unmittelbar nach den Direktzahlungen auszuführenden Auslieferungen der notwendigen Baustoffe erreichen wollen, dass die Bauvorhaben fortgesetzt wurden und sie somit zum

118 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 19 mit Hinweis auf BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 f. Rz. 13. 119 Vgl. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 4; HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 7; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 10. 120 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 20. 121 Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 4. 122 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 21; zustimmend jedoch Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 36a. 123 Vgl. BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZInsO 2010, 1929 ff. Rz. 26; v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. Rz. 15. Schfer

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C Rz. 23h

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

Wohle aller Gläubiger den noch ausstehenden Werklohn verdienen konnte.124 Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz allerdings nicht schon dann zu verneinen, wenn es diesem um die Durchführung eines für die Fortführung des Unternehmens günstigen Geschäfts mit einem einzelnen Gläubiger geht. Denn dadurch kann sich die Situation für die übrigen Gläubiger weiter verschlechtern.125 C 23i Der BGH hat die Entscheidung vom 17.7.2014 durch Urteil vom 17.12.2015126 bekräftigt und konkretisiert. Danach kann eine in den kritischen Zeiträumen des § 130 InsO im Mehrpersonenverhältnis geschlossene Kongruenzvereinbarung, die einen Baraustausch ermöglichen soll, als solche nicht Gegenstand der Deckungsanfechtung sein. Eine solche Kongruenzvereinbarung kann bis zu dem Zeitpunkt getroffen werden, zu dem eine der Vertragsparteien nicht nur eine erste Leistungshandlung vorgenommen, sondern einen ersten Leistungserfolg herbeigeführt hat. Werden im Rahmen eines Werkvertrages Baumaterialien vom Auftragnehmer lediglich an die Baustelle gebracht, aber nicht eingebaut, fehlt es an einem ersten Leistungserfolg.127 bb) Aufrechnung C 24 Die Aufrechnung führt die Befriedigung im Wege der „Selbstexekution“128 herbei; die Herbeiführung der Aufrechnungslage ermöglicht sie. Nach neuerer Auffassung kann mangels Gläubigerbenachteiligung niemals die Aufrechnungserklärung, sondern nur die Herbeiführung der Aufrechnungslage angefochten werden. Da die Insolvenzordnung eine Aufrechnung sogar nach der Insolvenzeröffnung zulasse, sofern die Aufrechnungslage schon vor der Verfahrenseröffnung bestanden habe, fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung.129 Wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat, bedarf es keiner Anfechtung, da die Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO bereits kraft Gesetzes unwirksam ist. Nur wenn der Schuldner die Aufrechnung erklärt hat, ist es – insbesondere, wenn der Gläubiger selbst nicht zur Aufrechnung befugt war – erforderlich, auch die Aufrechnungserklärung selbst anzufechten.130 C 25 Aufrechnungen unterliegen nach der Rechtsprechung des BGH im Eröffnungsverfahren im Grundsatz keinen Beschränkungen. So findet etwa § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf eine im Eröffnungsverfahren begründete Aufrechnungslage auch dann keine Anwendung, wenn das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 InsO getroffen hat.131 Insbesondere die Verbindung der Unwirksamkeit der Aufrech124 125 126 127 128 129

BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 25. Vgl. BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 25. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14 – „Brückengeländer“, ZIP 2016, 279 ff. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, ZIP 2016, 279 ff. Rz. 23 ff. Vgl. BGH v. 28.4.1987 – VI ZR 1 und 43/86, NJW 1987, 2997 (2998). Vgl. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 11; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 19 mit Fn. 41. 130 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 19. 131 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 ff. = MDR 2005, 51.

312 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 27 C

nung mit der anfechtbaren Begründung der Aufrechnungslage mache deutlich, dass die §§ 94 bis 96 InsO insgesamt die Frage, wann Aufrechnungen unwirksam seien, insolvenzrechtlich umfassend und abschließend regelten und damit auch für das Eröffnungsverfahren in dieser Hinsicht keinen Raum ließen für von § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO ausgehende zusätzliche Rechtswirkungen.132 Die Insolvenzordnung enthält nach der Rechtsprechung des BGH zum Aufrechnungsausschluss in den §§ 94 ff. InsO eine abschließende Regelung, die nicht über eine entsprechende Anwendung des § 394 BGB erweitert werden kann.133 Aufrechnungen und Verrechnungen im Eröffnungsverfahren unterliegen daher im Grundsatz nur anfechtungsrechtlichen Beschränkungen. Insoweit ist ferner zu beachten, dass § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch die vom Gläubiger vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte Aufrechnung erfasst.134 Auch im Fall der Aufrechnung ist die Frage, ob eine Befriedigung kongruent C 26 oder inkongruent ist, im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO davon abhängig, ob der Gläubiger einen Anspruch auf die Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit hatte.135 Die Herstellung der Aufrechnungslage führt zu einer inkongruenten Deckung, wenn der Aufrechnende vorher keinen Anspruch auf die Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ.136 Es kommt somit nicht darauf an, ob der Gläubiger die Handlung beanspruchen konnte, welche die Befriedigung ermöglichte, sondern nur darauf, ob er einen Anspruch auf die ermöglichte Befriedigung hatte.137 Zumeist wird daher eine inkongruente Deckung vorliegen, da in der Regel nur ein Anspruch auf Leistung, nicht jedoch auf Befriedigung im Wege der Aufrechnung bestehen dürfte.138 Die hiermit verbundenen Fragen werden an einem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 8.9.2009139 deutlich: Urteil des OLG München vom 8.9.2009 – ZInsO 2009, 2151 ff. Die Schuldnerin hatte mit dem verklagten Land, vertreten durch das Bauamt in C 27 F., deutlich vor dem 17.8.2004 Bauverträge abgeschlossen. Am 3.8.2004 hatte das Finanzamt in F. wegen offenstehender Steuerforderungen gegen die Schuldnerin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen. Gegen die Werklohnforderung der Schuldnerin rechnete das verklagte Land auf Veranlassung des Finanzamts in F. mit Steuerforderungen auf. Auf den Insolvenzantrag der Schuldnerin vom 17.11.2004 wurde am 18.1.2005 das Insolvenzverfahren über 132 133 134 135 136 137 138 139

Vgl. dazu noch BGH v. 4.6.1998 – IX ZR 165/97, NJW 1998, 2538 f. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 ff. = MDR 2005, 51. BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158 ff. = MDR 2007, 489. BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294 Rz. 4; v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, juris Rz. 2. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, MDR 2005, 51 = NJW 2004, 3118 (3119) = BGHZ 159, 388 ff. Vgl. Klinck, KTS 2014, 197 (203). Vgl. Graf-Schlicker/Hofmann, § 96 Rz. 16. OLG München v. 8.9.2009 – 5 U 2499/09 – „Aufrechnungsersuchen“, ZInsO 2009, 2151 ff. – die Nichtzulassungsbeschwerde des verklagten Landes wurde durch Beschluss des BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09 (veröffentlicht bei juris) zurückgewiesen. Schfer

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C Rz. 27

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

ihr Vermögen eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter machte geltend, ein Teil der Bauleistungen im Wert von ca. 52 000 Euro sei erst ab dem 17.8.2004 erbracht worden und focht insoweit an. C 28 Das Landgericht wies die Klage ab. Abzustellen sei auf den Abschluss des Bauvertrages, und eine Zurechnung der Kenntnis des Finanzamts von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin finde nicht statt. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG München das erstinstanzliche Urteil ab und gab der Klage statt. Nach seiner Auffassung hatte das verklagte Land die Leistungen der Schuldnerin im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO in anfechtbarer Weise erlangt. Der BGH habe bereits mehrfach entschieden, dass eine durch Wertschöpfung geschaffene Aufrechnungslage anfechtbar sein könne.140 Nach dem Globalzessionsurteil des BGH vom 29.11.2007141 sei sowohl die Entstehung als auch das Werthaltigmachen der zukünftigen Forderungen als kongruente Sicherung anzusehen. Gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO sei daher die Aufrechnungslage anfechtbar erworben, denn die vom Kläger verfolgten Ansprüche stammten aus Leistungserbringungen im Krisenzeitraum. Das verklagte Land habe bis zur Entgegennahme der Leistungen der Schuldnerin noch keine unentziehbare Rechtsposition innegehabt, denn bis dahin habe es noch keinen Hauptanspruch gegeben, gegen den das Land hätte aufrechnen können. Das verklagte Land habe aufgrund der durch das Finanzamt ausgebrachten Vollstreckungsmaßnahmen die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gekannt. Da das Finanzamt Initiator der durch die Staatsoberkasse erklärten Aufrechnung gewesen sei, komme es auf die vom verklagten Land problematisierte Kenntniszurechnung zwischen verschiedenen Behörden nicht an. C 29 In dem vom OLG München entschiedenen Fall war sogar von einer inkongruenten Deckung auszugehen. Denn es genügt nicht, dass das verklagte Land aufgrund des mit der Schuldnerin in unkritischer Zeit abgeschlossenen Werkvertrages Anspruch auf die Werkleistungen hatte.142 Hinzukommen müsste vielmehr das Recht, sich durch die Entgegennahme dieser Werkleistungen in der materiellen Insolvenz der Schuldnerin Befriedigung für die Steuerforderungen zu verschaffen, die ohne die Herbeiführung der Aufrechnungslage als bloße Insolvenzforderungen zu befriedigen gewesen wären. Das verklagte Land hatte aber nur einen Anspruch auf Begleichung der Steuerschulden durch Zahlung, nicht aber auf Befriedigung durch Aufrechnung.143 Für die Annahme einer inkongruenten Deckung sprach bereits ein Beschluss des BGH vom 7.5.2009,144 wonach eine außerhalb eines Kontokorrentverhältnisses begründete Aufrechnungsmöglichkeit nicht zu einer kongruenten Befriedigung führt. Ob eine Sicherung oder Befriedi140 Vgl. BGH v. 28.9.2000 – IX ZR 372/99, BGH 145, 245 (254 f.); v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98 – „Lili Marleen“, BGHZ 147, 28 (35) = MDR 2001, 1076; v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, MDR 2002, 355 = WM 2001, 2208 (2209 f.). 141 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411. 142 Vgl. BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, veröffentlicht bei juris – a.A. OLG Stuttgart v. 13.10.2005 – 13 U 78/05, veröffentlicht bei juris. 143 BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09; vgl. dazu noch BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZIP 2011, 181 ff. Rz. 41. 144 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294.

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III. Einzelheiten

Rz. 33 C

gung kongruent oder inkongruent ist, ist danach auch bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 131 InsO davon abhängig, ob der Insolvenzgläubiger einen Anspruch auf die Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit hatte. Eine kongruente Deckung kann jedenfalls nicht mit der Erwägung angenommen C 30 werden, dass die Aufrechnungslage bereits mit dem Abschluss des Werkvertrages begründet worden sei.145 Der BGH hat zwar früher im Fall der Aufrechnung des Gläubigers gegenüber einem Anspruch des Mieters auf Rückzahlung zuviel gezahlter Mietnebenkosten ähnlich argumentiert; gemäß § 140 Abs. 3 InsO sei auf den Abschluss des Mietvertrages abzustellen.146 Davon ist er jedoch in seinem neueren Urteil vom 17.9.2009147 abgerückt. Anders gelagert war hingegen eine Entscheidung des BGH vom 9.2.2006.148 Dort C 31 hatte der Geschäftsführer der Beklagten am 10.9.1999 einen Aufwendungsersatzanspruch an die Beklagte abgetreten. Am 27.9.1999 hatte die Schuldnerin aufgrund einer Bestellung vom gleichen Tage Waren an die Beklagte geliefert. Am 6.10.1999 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin rechnete die Beklagte gegenüber dem Kaufpreisanspruch mit dem abgetretenen Aufwendungsersatzanspruch auf. Der BGH hat in diesem Urteil entschieden, dass ein Gläubiger die Aufrechnungslage inkongruent erlangt hat, wenn er gegenüber der Forderung des Schuldners aus einem gegenseitigen Vertrag mit einem abgetretenen Anspruch aufrechnet, der aus einem gegenseitigen Vertrag des Zedenten mit dem Schuldner stammt. Ob die Begründung der Aufrechnungslage zu einer kongruenten oder einer in- C 32 kongruenten Deckung führt, richtet sich nach dem Urteil des BGH danach, ob der Aufrechnende einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ, oder ob dies nicht der Fall war.149 § 131 InsO bezeichnet jede Rechtshandlung als inkongruent, die dem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt, auf die er keinen Anspruch hatte. Deshalb ist die Herstellung einer Aufrechnungslage inkongruent, soweit die Aufrechnungsbefugnis sich nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt. Dementsprechend gibt ein Anwaltsvertrag keinen Anspruch auf Erfüllung des C 33 Vergütungsanspruchs durch Verrechnung mit eingezogenen Mandantenforderungen, so dass eine durch Aufrechnung herbeigeführte Befriedigung ebenfalls inkongruent ist.150 145 So aber das OLG Stuttgart v. 13.10.2005 – 13 U 78/05, IBR 2006, 28 m. Anm. Vogel. 146 Vgl. BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, MDR 2005, 596 = ZInsO 2005, 94 f. 147 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290 = ZIP 2010, 38 ff. Rz. 13. 148 BGH v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03 – „letter of intent“, MDR 2006, 1314 = ZIP 2006, 818 ff. 149 Vgl. dazu noch BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. = MDR 2001, 1013 (240); v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (395) = MDR 2005, 51; v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, MDR 2004, 353 = WM 2003, 2458 (2459). 150 Vgl. BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = ZIP 2007, 1507 ff. Schfer

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C Rz. 34

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

C 34 In diesen Zusammenhang gehört auch der berühmte „Panzerbrückenfall“, über den der BGH durch Urteil vom 14.12.1983151 entschieden hat: BGH-Urteil vom 14.12.1983 – BGHZ 89, 189 ff. C 35 Der klagende Konkursverwalter hatte gegen die Beklagte eine restliche Werklohnforderung für die Herstellung und Lieferung von 7 Panzerbrücken geltend gemacht, die in der Krise der Gemeinschuldnerin ausgeliefert worden waren. Gegen diese Forderung hatte die Beklagte mit einer Forderung auf Rückzahlung einer Überzahlung auf frühere Lieferungen von Panzerbrücken aufgerechnet. C 36 Der BGH geht davon aus, dass die Aufrechnungslage nicht in anfechtbarer Weise herbeigeführt worden sei. Die Aufrechnungslage sei schon vor dem Ausbruch der Krise der Gemeinschuldnerin geschaffen worden, da es nicht auf die Auslieferung der Panzerbrücken ankomme, sondern auf die Entstehung des Vergütungsanspruchs, der bereits mit dem Abschluss des Werkvertrages entstanden sei. Zu Unrecht sei das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass auch die Übereignung der 7 Panzerbrücken als solche nicht der Anfechtung unterliege. Die Annahme des Gerichts, dass diese Übereignung nicht zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Konkursgläubiger geführt habe, weil diese für das Ausscheiden der Panzerbrücken einen fälligen Vergütungsanspruch gegen die solvente Beklagte erlangt hätten, treffe nicht zu. Mit der Lieferung der 7 Panzerbrücken sei der Beklagten in der Krise der Gemeinschuldnerin Befriedigung ihres Anspruchs aus dem Werkvertrag gewährt worden. Die Benachteiligung der Konkursgläubiger bestehe darin, dass der Weggabe der Vermögenswerte im wirtschaftlichen Ergebnis nicht der Zufluss des Werklohnes, sondern die durch wirksame Aufrechnung erfolgte Tilgung einer Konkursforderung gegenüber gestanden habe. C 37 Im Schrifttum152 wird indes zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Anfechtung des Konkursverwalters bei verständiger Würdigung nicht gegen die Lieferung der Panzerbrücken gerichtet habe, sondern gegen die Befreiung des Anfechtungsgegners von seiner Schuld gegenüber dem Gemeinschuldner im Wege der Aufrechnung. Die These des BGH, dass eine vor der kritischen Zeit geschaffene Aufrechnungslage nicht der Anfechtung nach § 130 InsO ausgesetzt sein könne, sei nicht uneingeschränkt richtig. Mit der Begründung der Aufrechnungslage habe der Gläubiger lediglich eine Sicherheit für seine Forderung erlangt, weil er nicht auf die Gegenforderung habe zahlen müssen. Hätte er aber gegen die Forderung der Gemeinschuldnerin vor der Lieferung der Panzerbrücken aufgerechnet, so hätte er vorgeleistet. Er hätte durch die Aufrechnung gegen eine mit der Einrede des nichterfüllten Vertrages behaftete Forderung der Gemeinschuldnerin Kredit gewährt und müsste folglich das Insolvenzrisiko tragen. Die Aufrechnungslage habe daher für den Anfechtungsgegner erst dann einen sicheren Wert gehabt, als die Gemeinschuldnerin ihren Anspruch durch 151 BGH v. 14.12.1983 – VIII ZR 352/82 – „Panzerbrücken“, BGHZ 89, 189 ff. = MDR 1984, 574 – m. krit. Anm. von Baur, JZ 1984, 422 f. 152 Vgl. Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 20.

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III. Einzelheiten

Rz. 39a C

Lieferung in der kritischen Zeit einredefrei gemacht habe. Folglich habe der Anfechtungsgegner durch die Lieferung der Panzerbrücken eine werthaltige Aufrechnungsmöglichkeit erhalten, die er zuvor allein aufgrund der Aufrechnungslage nicht gehabt habe.153 Es ist somit für die Frage der Anfechtbarkeit der Befriedigung durch Aufrechnung C 37a nicht entscheidend, ob eine Aufrechnungslage bereits mit dem Vertragsschluss, welcher die Hauptforderung hervorgebracht hat, entstanden oder nur begründet worden ist (wenngleich diese Unterscheidung für das Verständnis durchaus hilfreich ist). Maßgebend ist vielmehr, dass dem Aufrechnenden nur eine ungesicherte Aussicht auf künftige Befriedigung zusteht, solange die Hauptforderung noch nicht werthaltig gemacht wurde. Auch der BGH stellt inzwischen nicht mehr maßgeblich darauf ab, wann die C 38 später zur Aufrechnung gestellten Forderungen begründet wurden. Er betont in seiner neuesten Rechtsprechung die im wirtschaftlichen Ergebnis einer Vollstreckung gleichkommenden Rechtsfolgen der Aufrechnung. Allein eine mit dem Abschluss eines Vertrages begründete bzw. entstandene Aufrechnungslage bringe dem Vertragspartner des Schuldners noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen. Solange der Schuldner nichts geleistet habe, wofür der Gläubiger eine Vergütung schulde, bestehe für ihn keine Befriedigungsmöglichkeit im Wege der Aufrechnung. Die Aufrechnungslage entstehe vielmehr erst durch die Inanspruchnahme der Leistung des Schuldners. Es komme also darauf an, wann dessen Forderung werthaltig geworden sei.154 Allein daraus, dass die Aufrechnung eine rechtlich zulässige Art der Erfüllung C 39 darstellt, folgt nicht schon deren Kongruenz im Sinne des § 130 InsO.155 Ob die Begründung der Aufrechnungslage zu einer kongruenten oder einer inkongruenten Deckung führt, richtet sich nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr danach, ob der Aufrechnende einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ. § 131 InsO bezeichnet jede Rechtshandlung als inkongruent, die dem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt, auf die er keinen Anspruch hatte. Deshalb ist die Herstellung einer Aufrechnungslage inkongruent, soweit sich die Aufrechnungsbefugnis nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt.156 Ein Gläubiger, der gegenüber einer Forderung des Schuldners aus einem gegenseitigen Vertrag mit einem abgetretenen Anspruch aufrechnet, der aus einem gegenseitigen Vertrag des Zedenten mit dem Schuldner stammt, hat daher die Aufrechnungslage inkongruent erlangt.157 Kongruent ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der die Auf- C 39a rechnungslage begründende Erlass eines Honorarbescheids durch die kassen153 154 155 156

Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 20 a.E. BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff. Rz. 13. A.A. Häsemeyer in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 645, 657 Rz. 35. BGH v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03, MDR 2006, 1314 = ZIP 2006, 818 ff. Rz. 14; vgl. dazu noch BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (395 f.) = MDR 2005, 51; v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, GmbHR 2004, 799 = MDR 2004, 963 = ZIP 2004, 957 ff. 157 BGH v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03, MDR 2006, 1314 = ZIP 2006, 818 ff. Schfer

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C Rz. 39a

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

ärztliche Vereinigung, da diese zum Erlass eines solchen Bescheids rechtlich verpflichtet sei.158 cc) Bankverrechnungen und Bankaufrechnungen (insbesondere im Kontokorrent) C 40 Streitig ist, ob mit der Anordnung einer Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO im Eröffnungsverfahren die Befugnis der Bank zur Kontokorrentverrechnung erlischt.159 Der BGH dürfte bei seiner Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit von Verrechnungen im Kontokorrent vom Fortbestand der Verrechnungsbefugnis während des Eröffnungsverfahrens ausgehen.160 Unabhängig vom Fortbestand der Verrechnungsabrede bleibt aber im Eröffnungsverfahren zumindest die Aufrechnung möglich.161 C 41 Ein Anspruch der Bank, Gutschriften mit dem Saldo eines Kreditkontos des Schuldners zu verrechnen und ihre eigenen Forderungen zu befriedigen – und damit eine kongruente Deckung im Sinne des § 130 InsO –, ist nur dann gegeben, wenn sie zum jeweiligen Zeitpunkt der Verrechnung die Rückzahlung des Kredits verlangen kann.162 Dies ist der Fall, wenn der Verrechnung eine Kündigung der Bank oder eine nur geduldete Kontoüberziehung vorausging.163 Allein die Giro- oder Kontokorrentabrede stellt den eingeräumten Kredit nicht zur Rückzahlung fällig.164 Nimmt die Bank allerdings an einem vereinbarten „Cash-Pool“ teil, so sind die jeweiligen Kreditrückführungen im Verhältnis zwischen den Konzernunternehmen als kongruent anzusehen.165 Der BGH hat im Urteil vom 14.5.2009166 offen gelassen, ob auch dann von einer kongruenten Deckung auszugehen ist, wenn die Kündigung der Bank innerhalb des kritischen Zeitraums erfolgte.167 Die Kündigung kann aber unter Umständen als eine die Befriedigung ermöglichende Rechtshandlung angefochten werden.168 Dafür ist entscheidend, ob dem Kündigenden bereits vor dem Kündigungsausspruch ein anfechtungsfestes Recht zur Kündigung zustand.

158 BSG v. 3.2.2010 – B 6 KA 30/08 R, ZIP 2010, 2309 ff. Rz. 27. 159 Vgl. Uhlenbruck/Vallender, § 21 Rz. 20; Gerhardt, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 196 Rz. 9 mit weiteren Nachweisen; Canaris, ZIP 1986, 1225 (1228 ff.). 160 Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff. 161 Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 130 Rz. 14. 162 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff.; v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, NotBZ 2009, 458 = MDR 2009, 1005 = ZIP 2009, 1124 f. Rz. 8. 163 Vgl. BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 ff. = MDR 2007, 861; v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, MDR 2005, 834 = ZIP 2005, 585 ff.; v. 22.1.1998 – IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40 (47) = MDR 1998, 481. 164 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, NotBZ 2009, 458 = MDR 2009, 1005 = ZIP 2009, 1124 f. Rz. 9. 165 Vgl. BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 3.1125. 166 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 13 = MDR 2009, 1069. 167 Vgl. dazu MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 41a; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 69 f. 168 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 69.

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III. Einzelheiten

Rz. 44 C

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der BGH in Abkehr von seiner C 42 früheren Rechtsprechung169 nunmehr zu Recht davon ausgeht, dass die mittelbare Zuwendung des Schuldners, die dieser mittels seiner Bank im Wege der geduldeten Kontoüberziehung an einen Gläubiger bewirkt, nur „infolge und nach Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits“ bewirkt werden kann. Dieser nach Ansicht des BGH unmittelbar aus dem Vermögen der Bank herrührende Zahlungsfluss ist deshalb dem Schuldner zuzurechnen.170 Unerheblich ist es nach dieser neueren Rechtsprechung, ob mit der geduldeten Kontoüberziehung ein pfändbarer Anspruch des Schuldners gegen die Bank verbunden war.171 Auch ein bloßer Gläubigertausch ist in diesen Fällen – anders als nach der früheren Rechtsprechung – nicht gegeben. Der BGH hat schon zuvor durch Urteil vom 28.2.2008172 klargestellt, dass ein C 43 Darlehensvertrag zustande kommt und die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden, wenn ein Kreditinstitut, das für den Schuldner ein überzogenes Konto führt, die Begleichung der einer Kontopfändung zugrunde liegenden Forderung veranlasst. Vereinbare die Bank mit dem Schuldner, ihn das Konto überziehen zu lassen, damit er einen bestimmten Gläubiger befriedigen könne, verschaffe sie dem Kunden einen Anspruch auf Kreditgewährung, noch bevor das Darlehen gewährt werde. Dieser Anspruch sei grundsätzlich für die Gläubiger pfändbar; er falle nach der Insolvenzeröffnung in die Insolvenzmasse (vgl. § 36 Abs. 1 InsO), und die Kontoüberziehung benachteilige die Insolvenzgläubiger. Die allein festgestellte mehrfache Duldung einer Kontoüberziehung in wech- C 44 selnder Höhe reicht jedoch nach dem neueren Urteil des BGH vom 6.10.2009173 nicht für eine konkludente Einigung über eine bestimmte Erweiterung der Kreditlinie aus.174 Die Rückführung einer nur geduldeten Kontoüberziehung setzt daher keine vorausgegangene Kündigung der Bank voraus.175 Eine vertragliche Vereinbarung über die Kontoüberziehung, die – anders als eine nur geduldete Kontoüberziehung – eine Kündigung durch die Bank erforderlich macht, kann allerdings auch konkludent zustande kommen.176 Eine Kreditgewährung und nicht nur eine geduldete Kontoüberziehung ist nach der Rechtsprechung des BGH gegeben, wenn die Bank den Schuldner über Gutschriften unter Vorbehalt verfügen lässt. Denn die Bank gewährt dem Kontoinhaber Kredit, wenn sie ihn

169 Vgl. BGH v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 ff. = MDR 2007, 861; dagegen zu Recht kritisch Marotzke, ZInsO 2007, 897 ff.; Bitter, Festschrift für G. Fischer, 2008, S. 15, 24 ff. 170 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet Rz. 14. 171 Kritisch dazu zu Recht HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 40. 172 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 213/06, MDR 2008, 770 = ZInsO 2008, 374 ff. 173 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet Rz. 9. 174 Vgl. dazu noch Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 33 Rz. 85. 175 BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10 Rz. 13, AG 2011, 512 = ZIP 2011, 1111 ff. 176 BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, MDR 2005, 834 = ZIP 2005, 585 ff. Rz. 9; v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = NJW 1999, 3780 (3781). Schfer

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C Rz. 44

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

verfügen lässt, obwohl der Vorbehalt noch nicht aufgelöst ist.177 Erklärt ein Kreditinstitut, das den Kredit wegen einer finanziellen Krise des Kunden gekündigt und fällig gestellt hat, es werde künftig Kontoüberziehungen dulden, rechtfertigt dies allein noch nicht die Annahme, das Kreditinstitut fordere den Kredit nicht mehr ernsthaft ein.178 C 45 Verrechnungen der Bank sind allerdings auch ohne vorausgegangene Kreditkündigung kongruent, sofern sie ihren Kunden vereinbarungsgemäß im Rahmen eines Bargeschäfts gemäß § 142 InsO als bloße Zahlstelle über die Geldeingänge wieder verfügen lässt.179 Hat der Schuldner einen ungekündigten Kontokorrentkredit nicht ausgeschöpft, führen die in der kritischen Zeit eingehenden, dem Konto gutgeschriebenen Zahlungen, denen keine Abbuchungen gegenüberstehen, infolge der damit verbundenen Kredittilgung jedoch zu einer inkongruenten Deckung zugunsten der Bank.180 Verrechnet die Bank für den Kunden eingehende Zahlungen mit ihrem noch nicht fälligen Anspruch auf Darlehensrückzahlung, ist die dadurch erlangte Befriedigung hingegen dann nicht inkongruent, wenn die Verrechnung mit dem Kunden vereinbart war.181 (1) Kündigung des Schuldners C 46 Den Sonderfall einer Kündigung des Kredits durch den Schuldner betrifft ein Urteil des BGH vom 14.5.2009.182 Dort hatte die Schuldnerin der Bank mitgeteilt, dass sie die Kreditlinie nicht mehr benötige, und um deren Auflösung gegen Rückgabe von Sicherheiten gebeten. Aufgrund späterer Scheckeinreichungen verminderten sich die Forderungen der Bank gegen die Schuldnerin. Der BGH geht von einer inkongruenten Deckung aus, da die verklagte Bank die Zahlung nicht zur Zeit ihrer Bewirkung habe beanspruchen können, sondern sie aufgrund der angefochtenen Kündigung der Schuldnerin früher als geschuldet erhalten habe. Wird die Fälligkeit des Kredits innerhalb der kritischen Zeit durch eine Rechtshandlung des Schuldners herbeigeführt, so liegt eine inkongruente Deckung vor. Die Kündigung selbst bildet eine anfechtbare, die Befriedigung erst ermöglichende Rechtshandlung. In dieser Gestaltung räumt der Schuldner durch seine auf einer persönlichen Entschließung fußende Rechtshandlung dem Gläubiger mehr Rechte ein, als diesem kraft seiner eigenen Rechtsstellung gebühren.183

177 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 210/07, MDR 2008, 821 = ZIP 2008, 747 ff. Rz. 3; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 58 Rz. 13. 178 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, MDR 2001, 761 = NJW 2001, 1650 ff.; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 44a. 179 Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff.; v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = NJW 1999, 3780 ff.; vgl. dazu unten Rz. C49 ff. 180 Vgl. BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, NotBZ 2009, 458 = MDR 2009, 1005 = ZIP 2009, 1124 f. 181 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 42/08, MDR 2010, 717 = ZIP 2010, 588. 182 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. = MDR 2009, 1069; kritisch dazu Paulus, NJW 2009, 2603 (2604). 183 Vgl. BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 14; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 41b; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 70a.

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III. Einzelheiten

Rz. 49 C

(2) Kontosperre In einer weiteren Entscheidung des BGH vom 12.2.2004184 hatte die verklagte C 47 Bank die Kreditlinie gekündigt und der Schuldnerin zugleich mitgeteilt, sie habe das nach den AGB-Banken haftende Guthaben auf dem Kontokorrentkonto gesperrt. Nach Eintritt der Fälligkeit des Diskontkredits verrechnete die Beklagte ihre daraus folgende Forderung mit dem Kontoguthaben der Schuldnerin. Nach Ansicht des Berufungsgerichts konnte der klagende Insolvenzverwalter die Kontosperre als inkongruente Deckung anfechten. Dem ist der BGH nicht gefolgt. Die Kontosperre sei nur insoweit inkongruent, als das Pfandrecht der Beklagten inkongruent sei. Der Bank habe am Guthaben der Schuldnerin ein Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken zugestanden. Von diesem Pfandrecht habe sie nach § 1281 Satz 2 Halbs. 1 BGB trotz fehlender Pfandreife in der Weise Gebrauch machen dürfen, dass sie das Konto gesperrt habe. Diese Kontosperre sei noch keine Verwertungsmaßnahme gewesen, sondern habe nur der Sicherstellung der späteren Verwertung gedient.185 Eine Kontosperre ist somit nicht mit einer Kreditkündigung gleichzusetzen. Lässt die Bank es zu, dass der Kunde nach der Kontosperre über sein Kontoguthaben verfügt, gibt sie insoweit ihr Pfandrecht frei. Erhöht sich anschließend in den Zeiträumen des § 131 InsO durch Gutschriften der Kontostand, ist das in entsprechender Höhe neu entstehende Pfandrecht nach § 131 InsO anfechtbar.186 Setzt ein Kreditinstitut eine Frist zur Rückführung eines ausgereichten Kon- C 48 tokorrentkredits, so stellt die Rückführung des Kredits vor Fristablauf allerdings auch dann eine inkongruente Befriedigung dar, wenn das Kreditinstitut gleichzeitig ankündigt, weitere Belastungen schon sofort nicht mehr zuzulassen.187 (3) Fortsetzung der Giroabrede Verrechnungen der Bank im Kontokorrent sind kongruent, soweit die Bank den C 49 späteren Insolvenzschuldner vereinbarungsgemäß wieder über die Eingänge verfügen lässt, insbesondere eine Kreditlinie offenhält.188 Soweit die Bank die girovertraglichen Absprachen einhält und den Giroverkehr fortsetzt, handelt sie vertragsgemäß, also kongruent. Stellt die Bank Zahlungseingänge in das Kontokorrent ein, kann in dem Umfang ein unanfechtbares Bargeschäft gemäß § 142 InsO vorliegen, in dem sie ihren Kunden wieder über den Gegenwert verfügen lässt. Dabei kommt es nach Ansicht des BGH nicht darauf an, ob der Schuldner ohne die Verrechnung die eingeräumte Kreditlinie überschritten hätte. Erst wenn die Bank Verfügungen des Kunden nicht mehr in der vereinbarten Weise zulässt oder soweit sie Zahlungseingänge zur Begleichung ihrer Forde-

184 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZIP 2004, 620 ff.; vgl. dazu noch BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = NJW 2003, 360 ff. 185 Vgl. Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, Rz. 700. 186 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZIP 2004, 620 ff. 187 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = NJW 2003, 360 ff. 188 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff.; v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, MDR 2008, 346 = ZIP 2008, 235 ff. Rz. 15. Schfer

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C Rz. 49

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

rungen gegen den Kunden verwendet, sind die von ihr vorgenommenen Verrechnungen als inkongruent anzusehen.189 C 49a In einem echten Kontokorrent mit vereinbarter Kreditobergrenze scheidet eine Gläubigerbenachteiligung durch einzelne Kreditrückführungen aus, weil ohne sie die Kreditmittel, die der Schuldner danach tatsächlich noch erhalten hat, ihm nicht mehr zugeflossen wären. Nach der Kreditabrede stehen dort die Leistungen des Schuldners an den Gläubiger in einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit der dem Schuldner eingeräumten Möglichkeit, einen neuen Kredit zu ziehen. Anfechtbar sind solche Kreditrückführungen daher nicht in ihrer Summe, sondern bis zu der eingeräumten Kreditobergrenze.190 C 50 Nach dem Erlass des Grundsatzurteils des BGH zur Anfechtbarkeit von Bankverrechnungen im Kontokorrent191 war zunächst umstritten, welche Folgerungen aus dieser Entscheidung zu ziehen waren. Zum Teil wurde angenommen, aus der Wechselwirkung zwischen dem Recht des Kontoinhabers, bis zur Ausschöpfung der Kreditlinie Liquidität zu erhalten und den Kredit jederzeit zurückführen zu dürfen (einerseits) und der Pflicht der kontoführenden Bank, eingehende Gelder anzunehmen und im Rahmen der vereinbarten Kreditlinie wieder zur Verfügung zu stellen (andererseits), ergebe sich ein kongruentes Geschäft. Die vertragsgemäße Fortführung der Kontokorrentabsprache werde nicht deshalb inkongruent, weil innerhalb des kritischen Zeitraums die Gutschriften im Ergebnis höher seien als die Belastungen.192 C 51 Im Urteil vom 7.5.2009193 hat der BGH indes bekräftigt, dass die Kongruenz der Kredittilgung nicht schon aus der fortbestehenden Verrechnungsbefugnis der Bank hergeleitet werden könne; dass diese die Kreditlinie offengehalten habe, mache die Verrechnung nicht kongruent, soweit die Kreditlinie tatsächlich nicht mehr in Anspruch genommen worden sei. Selbst wenn neben den Zahlungseingängen vom Schuldner veranlasste Überweisungen in eine Kontoverbindung einzustellen seien, liege insoweit eine durch die Verrechnung bewirkte, nach § 131 InsO anfechtbare Kredittilgung vor, als die Summe der Eingänge die der Ausgänge übersteige.194 Die Saldierungsvereinbarung decke also nicht die endgültige Rückführung des eingeräumten Kredits, sondern lediglich das Offenhalten der Kreditlinie für weitere Verfügungen des Kunden.

189 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 233/01, BGHZ 150, 122 ff.; v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, NotBZ 2009, 458 = MDR 2009, 1005 = ZIP 2009, 1124 f. 190 Vgl. BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 116/13, ZIP 2014, 785 ff. Rz. 2; v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. Rz. 33; v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 16. 191 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 233/01, BGHZ 150, 122 ff. 192 Vgl. OLG Rostock v. 7.3.2005 – 3 U 121/04, WM 2007, 980 ff.; Dörrscheidt, EWiR 2008, 55 f.; Schönfelder, WuB VI A § 131 InsO 2.07. 193 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, NotBZ 2009, 458 = MDR 2009, 1005 = ZInsO 2009, 1054 ff. m. zust. Anm. von Hofmann/Würdinger, EWiR 2009, 513 f. und Mohrbutter, WuB VI A § 131 InsO 1.09; vgl. zuvor schon BGH v. 6.4.2006 – IX ZR 107/05, veröffentlicht bei juris. 194 Vgl. dazu noch BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, MDR 2008, 346 = ZInsO 2008, 159 ff. Rz. 15.

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III. Einzelheiten

Rz. 55 C

Der BGH hat im Urteil vom 15.11.2007195 klargestellt, dass die Frage der In- C 52 kongruenz der Rückführung eines Darlehens für den Zeitraum der Anfechtbarkeit nur einheitlich bestimmt werden könne. Für eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO wegen inkongruenter Deckung kommt es deshalb auf den Betrag an, um den die verrechneten Einzahlungen in diesem Zeitraum die Auszahlungen überstiegen haben. Entscheidend ist, ob der Sollstand zu Beginn des Anfechtungszeitraums höher war als an dessen Ende; der höchste erreichte Sollstand ist grundsätzlich unerheblich.196 Nach einem weiteren Urteil vom 7.7.2011197 kann die Frage der Inkongruenz von Verrechnungen im debitorischen Bankenkontokorrent bei der Anfechtung von Rechtshandlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor der Insolvenzantragstellung für den gesamten Anfechtungszeitraum nur einheitlich beantwortet werden. Wenn es in der Rechtsprechung des BGH gelegentlich heißt, es komme auf die C 53 Reihenfolge von Gutschriften und Belastungsbuchungen nicht an,198 so bezieht sich dies auf das Merkmal der Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs. Erforderlich ist jedoch stets, dass die Verrechnung einer Gutschrift nicht der letzte Akt sein darf, bevor die Bank das Konto des Schuldners schließt; es müssen vielmehr weitere Verfügungen zugelassen werden.199 (4) Eigennützige Verrechnung Die Bank erfüllt nur dann eine gleichwertige Pflicht aus dem Kontokorrentver- C 54 trag, wenn die Verfügung des Schuldners fremdnützig wirkt, der finanzielle Vorteil daraus also grundsätzlich allein einem Dritten zufließt. Daher begründet eine Zahlung aus dem Kontokorrent, die mittelbar auch der Bank zugutekommt, etwa weil sie sich für die Verbindlichkeit des Schuldners verbürgt hat, in der Regel kein Bargeschäft, sondern eine inkongruente Deckung.200 Eine kongruente Deckung ist ferner nicht gegeben, wenn die Bank mit einer außerhalb des Kontokorrents stehenden Forderung – etwa mit einem eigenen Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner201 – aufrechnet.202 (5) Sicherheitentausch Die Verrechnung der Bank ist ferner kongruent und mangels Gläubigerbenach- C 55 teiligung nicht anfechtbar, wenn den Geldeingängen auf dem Konto des Schuld-

195 BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, MDR 2008, 346 = ZInsO 2008, 159 ff. 196 BGH, 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. Rz. 17; vgl. dazu noch OLG Karlsruhe v. 4.9.2007 – 17 U 355/06, ZIP 2007, 2367 ff. 197 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 f. 198 Vgl. BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (202) = FamRZ 2006, 1196 = MDR 2007, 113; v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, MDR 2007, 1096 = WM 2007, 1181 f. Rz. 15. 199 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 153/07, veröffentlicht bei juris, Rz. 2. 200 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, MDR 2008, 348 = ZInsO 2008, 163 f. 201 Vgl. OLG Karlsruhe v. 4.1.2008 – 17 U 406/06, ZIP 2008, 1343 ff. 202 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294. Schfer

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C Rz. 55

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

ners Forderungen zugrundelagen, die ihrerseits anfechtungsfest an die Bank abgetreten worden waren. In diesem Fall erhält die Bank nach Ansicht des BGH die unmittelbar in ihr Vermögen gelangten Beträge auch im Falle der noch nicht offengelegten Abtretung als wahre Berechtigte.203 Zwar erlischt damit der als Sicherheit dienende Anspruch, und die Bank ist gemäß § 667 BGB zur Herausgabe des Erlangten an den Schuldner verpflichtet. Gleichzeitig erwirbt die Bank jedoch nach Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken ein Pfandrecht an diesem neu entstehenden Anspruch des Schuldners. Ein solcher Austausch gleichwertiger Sicherheiten wirkt nicht gläubigerbenachteiligend im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO.204 dd) Scheckeinreichung C 56 Im Fall der Scheckeinreichung durch den Schuldner kommt es für die Anwendung des § 130 InsO auf den Zeitpunkt an, in dem die Verrechnungslage entsteht. Der verrechnungsfähige Anspruch des Schuldners nach den §§ 675, 667 BGB auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten entsteht erst dann, wenn die Inkassobank buchmäßige Deckung erlangt. Vorher schuldet sie den einzuziehenden Betrag weder bedingt noch betagt.205 Zwar pflegen die Banken dem Scheckeinreicher unabhängig von der Einlösung durch die bezogene Bank unter dem Vorbehalt des Eingangs eine Gutschrift zu erteilen. Diese ist aber nur eine vorläufige; dass der Scheckeinreicher über den Scheckbetrag meist sofort verfügen kann, ändert daran nichts. Erst wenn die bezogene Bank den Scheck durch Belastung des Ausstellerkontos eingelöst hat, sind die in der Girokette erfolgten Gutschriften und Belastungen wirksam geworden. Erst jetzt ist die Buchung endgültig und die Verrechnungslage eingetreten. Es handelt sich deshalb nicht um eine auflösende, sondern um eine aufschiebende Bedingung.206 C 57 Die Gewährung von Kundenschecks bildet im nicht bankmäßigen Geschäftsverkehr im Gegensatz zur Zahlung mit eigenen Schecks in der Regel eine inkongruente Erfüllungshandlung, weil der Gläubiger auf diese Art der Erfüllung keinen Anspruch hat.207 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Schuldner die Kausalforderung in nicht anfechtbarer Weise an den Gläubiger abgetreten und die unverzügliche Weitergabe von Kundenschecks zugesagt hatte.208 Dieselben Grundsätze gelten im bankmäßigen Verkehr, wenn mit dem Einzug

203 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, MDR 2008, 1121 = ZInsO 2008, 803 ff. Rz. 20 – kritisch dazu Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 87; Braun/de Bra, § 129 Rz. 33; K. Schmidt, § 129 Rz. 66. 204 Vgl. BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14; v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZIP 2002, 2182 ff. 205 Vgl. dazu BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, BGHZ 95, 149 (155) = MDR 1985, 999. 206 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 ff. = MDR 1992, 766; v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, MDR 1987, 293 = CR 1987, 166 = ZIP 1986, 1537 ff.; Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 140 Rz. 5B. 207 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 11 = MDR 2009, 1069; v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (324 f.) = MDR 1994, 158. 208 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 11 = MDR 2009, 1069; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 61 Rz. 68.

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III. Einzelheiten

Rz. 60 C

der Schecks und der Verrechnung der Schecksummen eine gegenüber der Bank bestehende Verbindlichkeit getilgt werden soll. Ob der Fall, dass die Kausalforderung erst mit der Einreichung der Kundenschecks abgetreten wird – wie dies in Nr. 15 Abs. 2 AGB- Banken und Nr. 25 Abs. 2 AGB-Sparkassen vorgesehen ist –, gleich behandelt werden kann, hat der BGH im Urteil vom 14.5.2009209 als zweifelhaft bezeichnet, im Ergebnis aber mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt sein lassen. ee) Lastschriftverfahren Beim Lastschriftverfahren entsteht die Verrechnungslage mit der Einlösung, C 58 wenn die Bank die Kausalforderung nicht erworben hat. Hat die Bank mit der Einreichung der Lastschrift die dieser zugrunde liegende Forderung erworben, so ist maßgebender Zeitpunkt jener der Abtretung, nämlich der Einreichung der Lastschrift.210 Wird einer Bank eine Lastschrift zum Einzug eingereicht, werden ihr nach Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken zugleich die Forderungen, die mit der Lastschrift eingezogen werden, zur Sicherung der Ansprüche abgetreten, die der Bank gegen den Kunden bei der Einreichung aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere oder diskontierter Wechsel entstehen (Nr. 15 Abs. 4 AGB-Banken).211 Bei einer Zahlung im Einzugsermächtigungsverfahren handelt es sich ebenso C 58a wie bei einer Banküberweisung um eine mittelbare Zuwendung des Schuldners, die insolvenzrechtlich so zu behandeln ist, als habe die Bank als zwischengeschaltete Leistungsmittlerin an den Schuldner geleistet und dieser seinen Gläubiger befriedigt. Insoweit steht die vom Schuldner dem Gläubiger mittelbar gewährte Leistung, sofern sie für diesen als Schuldnerleistung erkennbar ist, anfechtungsrechtlich einer unmittelbaren gleich. Leistungsempfänger und damit Anfechtungsgegner im Lastschrifteinzugsverfahren ist folglich der Gläubiger und nicht die Bank als Leistungsmittler.212 Ist der Schuldner aufgrund des Girovertrages berechtigt, seine Verpflichtungen C 59 statt durch Barzahlung durch die Hereingabe von Lastschriften zu erfüllen, besteht eine Ersetzungsbefugnis. Darf sich aber ein Schuldner durch eine andere Leistung als die geschuldete von seiner Schuld befreien (facultas alternativa), so fehlt es an einer inkongruenten Deckung. So liegt es ferner, wenn eine Bank verpflichtet ist, Kundenwechsel zur Abdeckung des Kontos hereinzunehmen.213 b) Sicherheiten Unter einer Sicherung im Sinne des § 130 Abs. 1 InsO ist eine Rechtsposition zu C 60 verstehen, die geeignet ist, die Durchsetzung des Anspruchs, für den sie einge-

209 210 211 212 213

BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. = MDR 2009, 1069 Rz. 11. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 92. Vgl. Obermüller, ZInsO 1998, 252 (259). BGH v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. Rz. 38. BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, NJW 1978, 758 ff. Schfer

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C Rz. 60

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

räumt ist, zu erleichtern.214 Darunter fallen alle Arten von Sicherheiten, gleichgültig ob gesetzlich oder vertraglich begründet, also zum Beispiel neben Pfandund Zurückbehaltungsrechten, Sicherungseigentum oder der Vorausabtretung von Forderungen auch treuhänderische oder Personalsicherheiten, soweit sie die Insolvenzgläubiger benachteiligen, ferner Bürgschaften, Vormerkungen und die Hinterlegung zum Zwecke der Sicherheitsleistung. Dazu zählt ferner die Herbeiführung einer Aufrechnungslage bzw. einer Verrechnungslage.215 C 61 Eine Globalzession erfüllt nach der Rechtsprechung des BGH auch hinsichtlich der künftig entstehenden Forderungen alle Voraussetzungen einer kongruenten Deckung. Bei einer Raumsicherung stellt die Einbringung neuer Sicherungsgegenstände eine kongruente Deckung dar, wenn der Vertrag als Sicherungsgut den gesamten Warenbestand oder sämtliche Gegenstände einer bestimmten Gattung oder Serie aufführt.216 Hingegen stellen Sicherungen nach den Nr. 13 bis 15 AGB- Banken inkongruente Deckungen dar, weil es dort völlig dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen bleibt, ob und in welchem Umfang die Gläubigerrechte entstehen.217 C 61a Eine ermöglichende Rechtshandlung im Sinne des § 130 Abs. 1 InsO soll gegeben sein, wenn „bereits bestehende“ Ansprüche eines Insolvenzgläubigers durch ein Verhalten des Schuldners erst werthaltig, insbesondere Sicherheiten aufgefüllt werden.218 Ermöglichende Rechtshandlung ist daher etwa die Werkleistung des Schuldners, die den abgetretenen Werklohnanspruch erst werthaltig werden lässt.219 C 62 Der Anspruch auf Besicherung ist gegenüber dem Anspruch auf Leistung kein minus, sondern ein aliud.220 Die nicht geschuldete nachträgliche Besicherung stellt daher eine inkongruente Deckung gemäß § 131 Abs. 1 InsO dar.221 Wird hingegen zugleich mit der Krediteinräumung die Stellung einer Sicherheit vereinbart, liegt in deren späterer Gewährung keine inkongruente Deckung, weil von Anfang an ein Anspruch auf die Sicherung bestand.222

214 215 216 217 218

219 220 221 222

MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 8; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 21. Vgl. die Auflistung bei MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 8. Obermüller, ZInsO 2016, 491 (495). BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 17 = MDR 2008, 411; v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (126). Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 37; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 40 – a.A. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 17: unabhängig vom „Ermöglichen“ als mittelbare Leistung des Schuldners an den Sicherungsnehmer anfechtbar. BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 144/05, ZIP 2008, 1435 ff. Rz. 22 f.; Kirchhof, Festschrift für Uhlenbruck, 2000, S. 269, 274 ff., 278. Vgl. BGH v. 21.12.1960 – VIII ZR 204/59, BGHZ 34, 254 (258); Ganter, WM 2006, 1081 (1084). BGH v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZIP 2004, 1060 ff.; Graf-Schlicker/Huber, § 131 Rz. 7; vgl. zur Anfechtbarkeit von Sicherungen allgemein ferner Kirchhof, ZInsO 2004, 465 ff. Vgl. BGH v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZIP 2004, 1060 (1061); v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1562 (1563); HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 20.

326 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 66 C

Das gesetzliche Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB vermittelt eine kon- C 63 gruente Deckung, wenn der Gegenstand des Zurückbehaltungsrechts in einer im Hinblick auf die drohende Insolvenz unverdächtigen Weise mit Willen des späteren Verfahrensschuldners in den Besitz des Berechtigten gelangt ist.223 aa) Treuhänderische Sicherheitenverwaltung Im Fall einer treuhänderischen Sicherheitenverwaltung durch einen Dritten C 64 kann eine kongruente Deckung gegeben sein, wenn dem Anfechtungsgegner schon in unkritischer Zeit ein dingliches Sicherungsrecht zustand und er somit die spätere Befriedigung in den kritischen Anfechtungszeiträumen gegenüber den künftigen Insolvenzgläubigern beanspruchen konnte. Dies erfordert eine genaue Betrachtung der bestehenden Rechtsbeziehungen, wie ein Urteil des BGH vom 2.6.2005224 zeigt: BGH-Urteil vom 2.6.2005 – ZInsO 2005, 932 ff. Die D-AG war Poolführerin eines unter Mitwirkung der Schuldnerin gebildeten C 65 Sicherheitenpools, dem auch die Beklagte angehörte. Die Sicherheiten der Poolmitglieder waren auf die D-AG übertragen und sollten von ihr treuhänderisch verwaltet werden. Kurz nach der Stellung des Insolvenzantrages ging auf dem Konto der Schuldnerin bei der verklagten Bank ein Betrag von 31 000 DM ein, den die Drittschuldnerin einer an die D-AG abgetretenen Forderung überwiesen hatte. Die Beklagte schrieb den Betrag dem im Soll geführten Konto der Schuldnerin gut. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte mit Erfolg die Rückzahlung dieser 31 000 DM. Einen bloßen Austausch gleichwertiger Sicherheiten hat der Bundesgerichthof C 66 verneint. Sowohl das Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken als auch das im Poolvertrag vereinbarte Pfandrecht konnten der Beklagten erst mit dem Eingang der Zahlung der Drittschuldnerin auf dem Konto der Schuldnerin eine dingliche Rechtsposition verschaffen. Eine pauschale Einigung dahingehend, dass sämtliche künftig für den Kunden entstehenden Ansprüche gegen die beteiligten Banken verpfändet werden sollten, ist nicht geeignet, eine kongruente Sicherung im Voraus zu begründen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der BGH nur in den Fällen zugelassen, in denen die kontoführende Bank zugleich Inhaberin der zur Sicherheit abgetretenen Forderung gewesen war, auf die der Drittschuldner zahlte.225 In dem vom BGH entschiedenen Fall hatten der Beklagten vor dem Eingang der Zahlung auf dem Konto der Schuldnerin keinerlei dingliche Rechte an der Forderung gegen die Drittschuldnerin zugestanden, auch wenn die D-AG die ihr übertragenen Sicherheiten treuhänderisch für die übrigen Banken verwaltet hatte.

223 Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 41. 224 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03 – „Sicherheitenpool (1)“, ZInsO 2005, 932 ff. 225 Vgl. BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZIP 2002, 2182 ff. Schfer

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C Rz. 67

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

C 67 Wesentlich anders gelagert war dagegen nach Ansicht des BGH ein Fall, über den er durch Urteil vom 21.2.2008226 entschieden hat: BGH-Urteil vom 21.2.2008 – ZInsO 2008, 317 ff. C 68 Die verklagte Bausparkasse gewährte der Schuldnerin in anfechtungsfreier Zeit ein Darlehen, das durch eine Grundschuld gesichert werden sollte, welche zugunsten einer Sparkasse bestellt worden war. Es wurde vereinbart, dass die Sparkasse die Grundschuld auf die Beklagte übertragen durfte. Die Sparkasse übertrug daraufhin in kritischer Zeit die Grundschuld in der Höhe, in der das Darlehen noch valutierte, auf die Beklagte. Der klagende Insolvenzverwalter focht die Abtretung (ohne Erfolg) an. C 69 Der BGH stellt zunächst klar, dass die Neuvalutierung von Grundpfandrechten grundsätzlich unter § 91 Abs. 1 InsO fällt. In einem früheren Urteil vom 30.10.1974227 hatte er bereits entschieden, dass § 15 KO der nachträglichen „Unterlegung“ einer insolvenzfesten Sicherheit mit einer erst nach der Konkurseröffnung erworbenen Forderung entgegenstehe. Eine unwirksame Unterdeckungnahme liegt nach dem neueren Urteil vom 21.2.2008 jedoch nicht vor, wenn in unkritischer Zeit eine (schuldrechtliche) Sicherungsvereinbarung getroffen wurde, wonach die Sicherheit auch die Forderung eines Dritten sichern soll. Den wesentlichen Unterschied zum Urteil vom 2.6.2005228 sieht der BGH darin, dass dort die zur Sicherheit abgetretene Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner mit dessen Zahlung an die Anfechtungsgegnerin erloschen sei. Diese habe nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Sicherungsnehmerin gehabt, die ihr übertragenen Sicherheiten auch für sie zu verwalten. Dieser schuldrechtliche Anspruch habe nicht die Absonderungskraft, um im Fall des Sicherheitentauschs den nur schuldrechtlich Berechtigten wie einen ursprünglich Berechtigten an der Ersatzsicherheit teilhaben zu lassen. In dem nunmehr entschiedenen Fall sei das Sicherungsrecht dagegen nicht untergegangen. bb) Bauhandwerkersicherung C 70 § 648a BGB a.F. – in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes am 1.1.2009 – gibt dem Unternehmer nur ein Leistungsverweigerungsrecht, jedoch keinen durchsetzbaren Anspruch auf Gewährung einer Sicherheit. Eine zwischen den Vertragsparteien nicht vereinbarte Drittzahlung des Auftraggebers des Hauptunternehmers an den Subunternehmer ist daher auch dann inkongruent, wenn diesem ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 648a BGB a.F. zustand.229 § 648a BGB a.F. begründet nicht einmal die Kongruenz einer nachträglichen Vereinbarung über die Abtretung einer Werklohnforderung des Haupt226 BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 255/06 – „Bausparkasse“, MDR 2008, 646 = ZInsO 2008, 317 ff. 227 BGH v. 30.10.1974 – VIII ZR 81/73, NJW 1975, 122 f. 228 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03 – „Sicherheitenpoolvertrag (1)“, ZInsO 2005, 932 ff. 229 BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, MDR 2007, 1096 = ZIP 2007, 1162 ff.

328 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 74 C

unternehmers gegen den Bauherrn an den Subunternehmer;230 für Direktzahlungen des Bauherrn an den Subunternehmer gilt dies erst recht. Die (vorzeitige) Erfüllung des Werklohnanspruchs durch Dritte ist in § 648a BGB a.F. nicht vorgesehen und daher schon deshalb grundsätzlich inkongruent. Die Kongruenz der Zahlung des Auftraggebers an den Subunternehmer kann aber durch eine dreiseitige Vereinbarung hergestellt werden, sofern zuvor noch keine Leistungen erbracht wurden.231 Bis zum Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes am 1.1.2009 war auch C 71 die Stellung einer Bauhandwerkersicherung aufgrund eines Verlangens nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. inkongruent, weil die Bestimmung nur ein Leistungsverweigerungsrecht gewährte. Dies gilt unter der Neufassung des § 648a BGB nicht mehr, da dem Unternehmer nunmehr ein gesetzlicher Anspruch auf Sicherheitsleistung zusteht.232 cc) Gesetzliche Pfandrechte Gesetzliche Pfandrechte (bspw. Vermieter- und Frachtführerpfandrecht) setzen C 72 nicht voraus, dass der Begünstigte zuvor einen Sicherungsanspruch hatte. Das Fehlen eines solchen Sicherungsanspruchs kann daher nicht schon zur Anfechtbarkeit wegen inkongruenter Deckung führen.233 Kraft Gesetzes entstehenden Pfandrechten fehlt die Verdächtigkeit des Erwerbs, die der inkongruenten Deckung innewohnt.234 Im Fall des Frachtführerpfandrechts gilt dies selbst für inkonnexe Forderungen aus früheren Frachtaufträgen.235 c) Ausnahme Margensicherheiten; § 130 Abs. 1 Satz 2 InsO § 130 Abs. 1 Satz 2 InsO nimmt sogenannte „Margensicherheiten“ von der An- C 73 fechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 InsO aus. Dies setzt voraus, dass zwischen dem Schuldner als Sicherungsgeber und dem Sicherungsnehmer eine Sicherungsvereinbarung über die Bestellung sogenannter „Basissicherheiten“ getroffen wurde. Für deren Bestellung gilt die Privilegierung nicht.236 Ist die Basissicherheit anfechtbar, so entzieht dies auch späteren Nachbesicherungen die Grundlage.237 § 130 Abs. 1 Satz 2 InsO schützt die vor allem im Bankverkehr übliche Verein- C 74 barung, wonach der Sicherungsgeber bei Wertschwankungen der geleisteten Si-

230 BGH v. 18.11.2004 – IX ZR 299/00, MDR 2005, 956 = ZInsO 2005, 439 ff. 231 Vgl. BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, MDR 2007, 1096 = ZIP 2007, 1162 f. 232 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 47 Rz. 53; Schoppmeyer in Kübler/ Prütting/Bork, § 131 Rz. 109 – a.A. HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 22 i.V.m. § 133 Rz. 23: Inkongruenz mangels Anspruchs auf ein konkretes Sicherungsmittel. 233 BGH v. 18.4.2002 – IX ZR 219/01, BGHZ 150, 326 ff. Rz. 13 f. = MDR 2002, 1150 zum Frachtführerpfandrecht; Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 41. 234 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158. 235 BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 24/04, MDR 2005, 1133 = ZIP 2005, 992 ff. 236 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 15/1853, S. 32; HK-InsO/Thole, § 130 Rz. 46. 237 Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 152. Schfer

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C Rz. 74

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

cherheiten bzw. der gesicherten Verbindlichkeiten verpflichtet ist, weitere Sicherheiten zu leisten, um die unbesicherte „Marge“ abzudecken.238 Dies setzt freilich voraus, dass in der Sicherungsvereinbarung das Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der Basissicherheiten festgelegt ist, da sich ansonsten eine Verschiebung des Wertverhältnisses zu Lasten des Sicherungsnehmers nicht feststellen lässt.239 C 75 Eine Anfechtung nach den übrigen Anfechtungstatbeständen wird durch § 130 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht ausgeschlossen.240 2. Zustand der materiellen Insolvenz C 76 Die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die materiellen Wirkungen der Insolvenz schon vor der formellen Insolvenzeröffnung eintreten.241 Der Zustand der materiellen Insolvenz im Sinne des § 130 InsO ist mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, spätestens aber mit der Stellung des Insolvenzantrages, gegeben. Dies allein begründet freilich nicht die Anfechtbarkeit der in den Zeiträumen des § 130 InsO vorgenommenen Rechtshandlungen. Da der Gläubiger vom Schuldner erhält, was ihm gebührt, muss vielmehr die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Stellung des Insolvenzantrages hinzukommen. Aufgrund der Tatbestandserweiterung in § 130 Abs. 2 InsO steht dieser Kenntnis die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Drohende Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 18 InsO) reicht hingegen für die Anfechtbarkeit ebenso wenig aus wie eine Überschuldung (vgl. § 19 InsO).242 a) Zahlungsunfähigkeit C 77 § 17 InsO bestimmt auch für den Bereich der Insolvenzanfechtung, was unter Zahlungsunfähigkeit zu verstehen ist.243 Danach ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht (mehr) in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Diese gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt auch im Rahmen des § 130 Abs. 1 InsO.244 Zahlungsunfähigkeit ist auch dann gegeben, wenn

238 239 240 241

Graf-Schlicker/Huber, § 130 Rz. 6. HK-InsO/Thole, § 130 Rz. 46. Vgl. Obermüller, ZInsO 2004, 187 (190). Vgl. BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832; MK-InsO/ Kirchhof, 2. Aufl., § 130 Rz. 1. 242 Vgl. BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 ff. Rz. 23; HK-InsO/Thole, § 130 Rz. 22. 243 Vgl. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 7; v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (184) = MDR 2002, 416; HK-InsO/Thole, § 130 Rz. 18; Schoppmeyer in Kübler/ Prütting/Bork, § 130 Rz. 68; allgemein zur Zahlungsunfähigkeit Pape, WM 2008, 1949 ff. 244 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (184) = MDR 2002, 416.

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III. Einzelheiten

Rz. 78a C

der Schuldner durch den Verkauf von Vermögensgegenständen die erforderliche Liquidität schaffen könnte, dazu aber nicht bereit ist.245 Überschuldung im Sinne des § 19 InsO ist dagegen nicht mit der Zahlungsunfähigkeit gleichzusetzen. Denn der Schuldner kann trotz bestehender Überschuldung zahlungsfähig bleiben, etwa wenn es ihm gelingt, durch kurzfristige Veräußerung von Aktiva die Mittel zur Befriedigung fälliger Gläubigerforderungen zu beschaffen.246 aa) Zahlungseinstellung Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet dies auch für die In- C 78 solvenzanfechtung gemäß § 17 Abs. 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.247 Die Zahlungseinstellung manifestiert sich durch ein nach außen hervortretendes Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine Zahlungspflichten zu erfüllen. Die unterbliebene Zahlung gegenüber einem einzelnen Gläubiger kann ausreichen, wenn dessen Forderung von insgesamt nicht unerheblicher Höhe ist. Für eine erfolgreiche Anfechtung muss dies allerdings gerade der Anfechtungsgegner sein.248 Hatte der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, aber danach seine Liquidität wiedergewonnen, kann allerdings die erste Krise, die der Schuldner überwunden hat, für die Anfechtbarkeit in einem später wegen erneuter Zahlungsunfähigkeit eröffneten Insolvenzverfahren nicht mehr maßgebend sein. Genauso wenig wirkt ein späterer Insolvenzantrag auf einen früheren zurück, der nicht zur Verfahrenseröffnung geführt hatte.249 Der Schuldner hat seine Zahlungen eingestellt, wenn er einen maßgeblichen Teil C 78a der fälligen Verbindlichkeiten nicht begleicht. Diese Feststellung kann nicht nur durch eine Gegenüberstellung der beglichenen und der offenen Verbindlichkeiten, sondern auch mit Hilfe von Indiztatsachen getroffen werden.250 Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden.251 Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es nicht einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 vom Hundert.252 Dafür kann auch ein Vortrag ausreichend sein, der zwar in bestimmten Punkten lückenhaft ist, eine Ergänzung fehlender 245 BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124 Rz. 5. 246 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 130 Rz. 43. 247 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 ff. Rz. 8; v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, ZInsO 2012, 976 ff. 248 BGH v. 27.4.1995 – IX ZR 147/95, ZIP 1995, 929 (930); v. 10.1.1985 – IX ZR 4/84, MDR 1985, 932 = ZIP 1985, 363 (365). 249 Vgl. BGH v. 14.10.1999 – IX ZR 142/98, ZIP 1999, 1977/1998; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 94. 250 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. 251 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 13; v. 13.4.2006 – IX ZB 118/04, ZIP 2006, 1056 ff. Rz. 14. 252 Vgl. BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, ZInsO 2012, 976 ff. Rz. 11; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 13; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 28a; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 130 Rz. 12. Schfer

331

C Rz. 78a

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

Tatsachen aber schon auf der Grundlage von Beweisanzeichen zulässt. Es obliegt dann dem Tatrichter, ausgehend von den festgestellten Indizien eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob eine Zahlungseinstellung gegeben ist.253 C 78b Erhebliche Zahlungsrückstände, die der Schuldner bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vollständig beglichen hat, begründen nach der ständigen Rechtsprechung des BGH in der Regel ein Indiz für eine Zahlungseinstellung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund konkreter Umstände, die sich nachträglich geändert haben, damals angenommen werden konnte, der Schuldner werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen.254 Schiebt der Schuldner ständig einen Forderungsrückstand vor sich her, den er nur schleppend abträgt, verwirklicht sich ein typisches Merkmal einer Zahlungseinstellung.255 C 79 Eigene Erklärungen des Schuldners, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können, deuten – ebenso wie mehrfache Rücklastschriften256 oder Scheckrückbelastungen257 – auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind.258 Die Einstellung der Zahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen deutet nach der Rechtsprechung des BGH auf eine Zahlungseinstellung hin.259 Kündigt die Hausbank sämtliche Kredite und kann der Schuldner diese nicht begleichen, ist in der Regel eine Zahlungseinstellung gegeben.260 Die nicht nach außen verlautbarte Willensentschließung der Hausbank des Schuldners, ihm keinen Kredit mehr zu gewähren, reicht für die Annahme der Zahlungseinstellung hingegen nicht aus. Die Zahlungseinstellung kann nicht vorverlegt werden, nur weil sie die sichere Folge einer zu erwartenden Kündigung ist.261 C 79a Eine Zahlungseinstellung, die sich in der Nichtzahlung der ersten vereinbarten Rate manifestiert, wird nicht durch die Erneuerung der Ratenzahlungsvereinbarung beseitigt, wenn der Schuldner auch danach die Raten verspätet entrichtet und deshalb der gesamte offene Restbetrag fällig bleibt.262 C 79b Es ist dem Anfechtungsgegner nach der Rechtsprechung des BGH unbenommen, der auf eine Zahlungseinstellung gestützten Annahme der Zahlungsunfähigkeit 253 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 13; v. 11.7.1991 – IX ZR 230/90, ZIP 1991, 1014 (1015). 254 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 ff. Rz. 12; v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 28. 255 Vgl. BGH v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 ff. Rz. 19; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 16. 256 BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, ZInsO 2010, 1598 ff. 257 BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 81/99, ZIP 2001, 2097 (2098). 258 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 15; v. 4.10.2001 – IX ZR 81/99, MDR 2001, 1437 = ZIP 2001, 2097 (2098); HK-InsO/Kirchhof, § 17 Rz. 30. 259 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 ff. = MDR 2009, 650 Rz. 16; v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 24. 260 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 91. 261 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 ff. = MDR 1992, 766. 262 BGH v. 27.9.2012 – IX ZR 24/12, ZInsO 2012, 2048.

332 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 81 C

durch den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis entgegenzutreten, dass die Liquiditätsbilanz im maßgeblichen Zeitraum für den Schuldner eine Deckungslücke von weniger als 10 % ausweist.263 bb) Liquiditätslücke; Abgrenzung zur Zahlungsstockung Zahlungsunfähigkeit ist der Mangel an aktuell verfügbaren (liquiden) Zahlungs- C 80 mitteln zur Deckung der fälligen und kurzfristig fällig werdenden Verbindlichkeiten.264 Trotz bestehender Überschuldung kann daher der Schuldner noch zahlungsfähig sein, wenn er die aktuell und kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten begleichen kann. Bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit können daher auf der „Habenseite“ nur kurzfristig verwertbare Vermögensbestandteile angesetzt werden, wozu eine Geschäftseinrichtung in der Regel nicht gehört.265 Wie sich der Schuldner die erforderlichen Mittel beschafft, etwa durch weitere Kreditaufnahme266 oder gar durch eine Straftat,267 ist hingegen unerheblich. Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon C 81 von einer endgültigen Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, muss allein aufgrund der objektiven Umstände beantwortet werden.268 Ist der Schuldner nicht in der Lage, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen, handelt es sich nicht mehr um eine bloße Zahlungsstockung, vielmehr liegt dann Zahlungsunfähigkeit vor.269 Eine bloß vorübergehende Zahlungsstockung liegt nicht vor, wenn es dem Schuldner über mehrere Monate nicht gelingt, seine fälligen Verbindlichkeiten spätestens innerhalb von drei Wochen auszugleichen und die rückständigen Beträge insgesamt so erheblich sind, dass von lediglich geringfügigen Liquiditätslücken keine Rede sein kann.270 Dies gilt auch dann, wenn die tatsächlich noch geleisteten Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen.271 War der Schuldner rückblickend nicht in der Lage, seine Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen auszugleichen, lag von Anfang an – und nicht erst nach drei Wochen – Zahlungsunfähigkeit vor.272

263 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 20. 264 Vgl. BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286 ff. Rz. 30 = MDR 2007, 1395. 265 BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286 f. Rz. 30 = MDR 2007, 1395; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 69. 266 BGH v. 12.7.1990 – IX ZR 245/89, MDR 1990, 1109 = WM 1990, 1588 (1590). 267 Vgl. BGH v. 31.3.1982 – 2 StR 744/81, MDR 1982, 686 = NJW 1982, 1952 (1954). 268 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 ff. Rz. 15. 269 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 27; v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 (139 f.) = GmbHR 2005, 1117 m. Anm. Blöse = MDR 2005, 1248. 270 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, WM 2013, 180 ff. Rz. 16; v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 43. 271 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 19; v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, MDR 2001, 761 = ZIP 2001, 524 (525). 272 Vgl. BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 28 f.; HambKomm-InsO/ Schröder, § 17 Rz. 16. Schfer

333

C Rz. 81a

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

C 81a Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke weniger als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist in der Regel von der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % betragen wird. Beträgt die Liquiditätslücke 10 % oder mehr, ist dagegen in der Regel von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist.273 Dabei ist nach der Rechtsprechung des BGH und nach einem Teil der Literatur274 nur auf die am Stichtag fälligen und nicht zusätzlich auf die erst während des dreiwöchigen Zeitraums fällig werdenden Verbindlichkeiten („Bugwelleneffekt“)275 abzustellen.276 cc) Feststellung der Zahlungsunfähigkeit C 82 Die Zahlungsunfähigkeit kann durch eine Liquiditätsbilanz nachgewiesen werden. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten in Beziehung zu setzen.277 Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit278 erfordert jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht unbedingt die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz. Es genügt vielmehr, wenn anderweitig festgestellt werden kann, dass der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht begleichen konnte.279 Die Vorlage von Listen über die Verbindlichkeiten des Schuldners in Verbindung mit ergänzenden Anlagen, insbesondere den Rechnungen der Gläubiger, kann genügen, wenn sich daraus die notwendigen Informationen über den jeweiligen Anspruch und seine Fälligkeit entnehmen lassen.280 Praktisch sehr bedeutsam ist ferner die Rechtsprechung des BGH, wonach regelmäßig von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen ist, sofern zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung fällige Verbindlichkeiten erheb273 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 27; v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = ZIP 2007, 1469 ff. Rz. 37; v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 (142 f.) = GmbHR 2005, 1117 m. Anm. Blöse = MDR 2005, 1248. 274 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 (138); G. Fischer in Festschrift für Ganter (2010), S. 153 (157 ff.); HK-InsO/Kirchhof, § 17 Rz. 20 – a.A. HambKomm/ Schröder, § 17 Rz. 16; Bork, ZIP 2008, 1749 ff.; Ganter, ZInsO 2011, 2297 (2302); vermittelnd K. Schmidt, § 17 Rz. 27 ff. 275 Vgl. dazu noch K. Schmidt, § 17 Rz. 27 ff. 276 Vgl. dazu unten Rz. C85a. 277 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 28; HKInsO/Kirchhof, § 17 Rz. 25. 278 Vgl. dazu Nickert/Lamberti, Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeitsprüfung; Pape, Zahlungsunfähigkeit in der Gerichtspraxis, WM 2008, 1949 ff. 279 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 7; v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 ff. Rz. 17; v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 28. 280 BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 210/04, MDR 2007, 1450 = ZInsO 2007, 1046 f. Rz. 5.

334 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 83 C

lichen Umfangs bestanden haben, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen wurden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn auf Grund konkreter Umstände, die sich nachträglich geändert haben, damals angenommen werden konnte, der Schuldner werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen.281 Soll die Zahlungsunfähigkeit anhand einer Liquiditätsbilanz festgestellt werden, C 82a weil die Ableitung aus einer regelmäßig einfacher festzustellenden Zahlungseinstellung nicht in Betracht kommt, bedarf es eigenständiger insolvenzrechtlicher Feststellungen. Die insolvenzrechtliche Liquiditätsbilanz ist in aller Regel nicht mit einer Handelsbilanz gleichzusetzen. Allein die Handelsbilanz ist nicht einmal geeignet, eine Überschuldung darzutun. Handelsrechtliche Rückstellungspflichten – etwa aus § 249 HGB – sind auf die Liquiditätsbilanz nicht anzuwenden.282 Bei der Prüfung, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, sind alle fälligen Ver- C 83 bindlichkeiten zu berücksichtigen, die vom jeweiligen Gläubiger ernsthaft eingefordert wurden.283 Dabei dient das Merkmal des „ernsthaften Einforderns“ nur dem Zweck, solche Forderungen auszunehmen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind.284 Eine kalendermäßige Fälligkeit der Forderung macht ein weiteres Zahlungsverlangen entbehrlich.285 Eine Forderung darf indes nicht berücksichtigt werden, wenn mit dem Gläubiger ein Stillhalteabkommen abgeschlossen wurde, das keine Stundung im Rechtsinne enthalten muss.286 Hat der Gläubiger das Stillhalten an die Erbringung gewisser Leistungen, insbesondere Ratenzahlungen, geknüpft, kann der Schuldner allerdings von Neuem zahlungsunfähig werden, wenn er nicht in der Lage ist, diese Leistungen zu erbringen.287 Als fällige Verbindlichkeiten sind ferner Forderungen zu berücksichtigen, die – wie etwa Vergütungsforderungen von Arbeitnehmern – nur aufgrund einer „erzwungenen Stundung“ nicht eingefordert wurden.288 Bei der Annahme einer solchen „erzwungenen Stundung“ dürfte allerdings Zurückhaltung geboten sein. Denn es kann von einem Geschäftsführer nicht ohne weiteres erwartet werden, einen Insolvenzantrag zu stellen (vgl. § 64 GmbHG), wenn die Frage der Zahlungsunfähigkeit von den Forderungen der Arbeitnehmer abhängt und diese faktisch stillhalten. 281 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 9; v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 ff. Rz. 18; v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 16; v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 28. 282 Vgl. BGH v. 5.2.2015 – IX ZR 211/13, ZInsO 2015, 841 ff. Rz. 12; v. 8.3.2012 – IX ZR 102/11, ZInsO 2012, 732 Rz. 4 f. 283 BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286 ff. Rz. 14 = MDR 2007, 1395; v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 (174) = MDR 1992, 766. 284 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, MDR 2009, 1069 = ZIP 2009, 1235 ff. Rz. 22. 285 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 26; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 130 Rz. 45. 286 BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, MDR 2008, 590 = ZInsO 2008, 273 ff.; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 75. 287 BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, MDR 2008, 590 = ZIP 2008, 420 ff. Rz. 26. 288 Vgl. BGH v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, MDR 2008, 711 = ZInsO 2008, 378 ff. Schfer

335

C Rz. 83a

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

C 83a Setzt die Finanzbehörde die Vollziehung eines Steuerbescheids wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aus, fordert sie den festgesetzten Betrag für die Dauer der Aussetzung nicht mehr ernsthaft ein. Ist eine unstreitige Forderung für eine begrenzte Zeit gestundet oder nicht ernsthaft eingefordert, kann sie bei der Prognose, ob drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt, gleichwohl zu berücksichtigen sein.289 C 84 Eine Zahlung, die erst die Zahlungsunfähigkeit auslöst, unterliegt zwar selbst nicht der Anfechtung; eine Forderung, deren Begleichung angefochten wird, muss jedoch bei der Feststellung, ob zu diesem Zeitpunkt bereits eine Zahlungsunfähigkeit bestand, mitberücksichtigt werden.290 C 85 Nur die Nichterfüllung fälliger, einwendungs- und einredefreier Zahlungspflichten kann die Zahlungsunfähigkeit begründen.291 Vom Schuldner bestrittene Forderungen sind nicht zu berücksichtigen, wenn er sie mit Aussicht auf Erfolg bestreitet. Zweifelhafte Verbindlichkeiten sollen gegebenenfalls mit einem Abschlag anzusetzen sein.292 Andere als Geldforderungen sind bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nur zu berücksichtigen, wenn sie bereits in eine Geldforderung umgewandelt sind oder dies mit Sicherheit innerhalb der nächsten ca. drei Wochen zu erwarten ist. Dies hängt insbesondere bei der Verpflichtung zu Sachleistungen davon ab, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Schadensersatzpflicht in Geld eingetreten sind. Lieferpflichten, Gewährleistungspflichten, Übereignungsansprüche etc. führen daher grundsätzlich nicht schon dann zur Zahlungsunfähigkeit, wenn der Schuldner sich weigert oder nicht in der Lage ist, diese Ansprüche zu erfüllen.293 C 85a Im Schrifttum streitig und vom BGH noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auch die sogenannten „Passiva II“, nämlich diejenigen Zahlungspflichten zu berücksichtigen sind, die in den nächsten drei Wochen fällig werden und gegebenenfalls auch erst neu entstehen.294 Unterstelle man – so die bejahende Auffassung, dass Neuvermögen („Aktiva II“) stets für die Begleichung von Altschulden („Passiva II“)verwendet werde, so könne der Schuldner eine „Bugwelle“ von unbeglichenen Verbindlichkeiten vor sich herschieben, ohne im Rechtsinne zahlungsunfähig zu sein.295 Dieser Einwand ist im Grundsatz berechtigt. Berücksichtigt man bei der Prognose künftige Zahlungszuflüsse,296 so sind konsequenterweise auch die zu erwartenden Zahlungsabflüsse zu berücksichtigen.297 Dem Einwand, 289 290 291 292 293 294

BGH v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289 ff. BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, MDR 2009, 1069 = ZIP 2009, 1235 ff. Rz. 24. HK-InsO/Kirchhof, § 17 Rz. 8 ff. Vgl. HK-InsO/Kirchhof, § 17 Rz. 7; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 130 Rz. 6. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 71. Vgl. Ganter, ZInsO 2011, 2297 ff.; K. Schmidt, § 17 Rz. 27 ff.; Uhlenbruck/Mock, § 17 Rz. 85; Vallender/Undritz/Henkel, Kap. 4 Rz. 53. 295 Vgl. Bork, ZIP 2008, 1749 ff.; K. Schmidt, § 17 Rz. 28; Uhlenbruck/Mock, § 17 Rz. 84; HambKomm-InsO/Schröder, § 17 Rz. 16. 296 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 ff. Rz. 11. 297 Zutr. Uhlenbruck/Mock, § 17 Rz. 85; Ganter, ZInsO 2011, 2297 (2302); Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 5.28.

336 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 86a C

dass der Schuldner für die Tilgung neu hinzutretender Verbindlichkeiten weniger als drei Wochen Zeit habe,298 ist allerdings angemessen Rechnung zu tragen.299 Ob bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit einer GmbH eigenkapitalersetzen- C 86 de Gesellschafterdarlehen als fällige Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind, ist streitig. Der IX. Zivilsenat des BGH hat dies in seinem Urteil vom 14.5.2009 verneint.300 Im Schrifttum wird mit einiger Berechtigung geltend gemacht, die Zahlungsfähigkeit des Schuldners werde nicht beeinträchtigt, wenn er die Erfüllung einer Forderung verweigern könne.301 Im Hinblick auf etwaige Unsicherheiten wird man aber fordern müssen, dass der Eigenkapitalersatzcharakter feststand.302 Die Gegenauffassung303 verweist auf die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH, nach der Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender Leistungen in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft zu passivieren sind, sofern keine Rangrücktrittserklärung für sie abgegeben wurde.304 Unter der Geltung des „MoMiG“ sind Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, vor der Insolvenzeröffnung uneingeschränkt durchsetzbar und daher als Passivposten anzusetzen.305 Insoweit ist zu beachten, dass die Befriedigung einer fälligen und durchsetzbaren Forderung nur dann zur Zahlungsunfähigkeit führen kann, wenn zum Zeitpunkt der Zahlung bereits eine – unwesentliche – Deckungslücke besteht. Denn durch die Begleichung der Forderung in voller Höhe reduziert sich die Deckungsquote für die übrigen Forderungen mit der Folge, dass aus einer unwesentlichen eine wesentliche Deckungslücke werden kann.306 Streitig ist, ob aus dem Rücktritt von Genussrechtsinhabern („Prokon“) in den C 86a Rang des § 39 Abs. 2 InsO zu folgern ist, dass deren Forderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen sind oder ob nur die (zusätzliche) Vereinbarung einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre die Berücksichtigung der nachrangigen Forderung im Liquiditätsstatus zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit hindert.307 Nach wohl herrschender Auffassung ist § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht entsprechend anwendbar. Durch eine Nachrangverein298 Vgl. Vallender/Undritz/Henkel, Kap. 4 Rz. 53. 299 Vgl. dazu Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 5.29; Kayser, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Insolvenzrecht, 6. Aufl., Rz. 16. 300 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, MDR 2009, 1069 = ZIP 2009, 1235 ff. Rz. 20; ebenso Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 72. 301 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 72; Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 5.21. 302 Vgl. Haas, NZI 1999, 209 (214). 303 Vgl. Haas, NZI 1999, 209 ff.; Keller, EWiR 2009, 579 f. 304 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 ff. = MDR 2001, 401 = AG 2001, 303 = GmbHR 2001, 190 m. Anm. Felleisen. 305 HK-InsO/Thole, § 130 Rz. 20; G. Fischer, Festschrift für Ganter (2010), S. 153 (160); Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 5.19. 306 Vgl. Haas in Baumbach/Hueck, Rz. 99; Spliedt, ZIP 2009, 149 (159). 307 Vgl. dazu Bork, ZIP 2014, 997 ff.; Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005 ff.; K. Schmidt, § 17 Rz. 10, 13; G. Fischer, Festschrift für Kübler (2015) S. 137 ff.; AG Itzehoe v. 1.5.2014 – 28 IE 1/14, ZIP 2014, 1038 ff. Schfer

337

C Rz. 86a

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

barung im Sinne des § 39 Abs. 2 InsO verlieren die davon betroffenen Forderungen ihre Fälligkeit nur, wenn zugleich deren Stundung für den Zeitraum vor der Entscheidung über die Zahlungsunfähigkeit vereinbart wird.308 In diesem Zusammenhang ist zudem das Urteil des BGH vom 5.3.2015309 zu beachten, wonach ein nur für den Fall der Insolvenzeröffnung vereinbarter Rangrücktritt nicht geeignet ist, die Überschuldung des Unternehmens abzuwenden, weil der Gläubiger nicht gehindert wäre, seine Forderung vor der Verfahrenseröffnung durchzusetzen. C 86b Hinzuweisen ist ferner auf ein Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 19.11.2013,310 welches zu § 64 GmbHG ergangen ist. Hat danach der Insolvenzverwalter durch Vorlage einer Handelsbilanz und den Vortrag, dass keine stillen Reserven sowie aus der Bilanz nicht ersichtlichen Vermögenswerte vorhanden sind, die Überschuldung der GmBH dargelegt, genügt der wegen Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch genommene Geschäftsführer seiner sekundären Darlegungslast nicht, wenn er lediglich von der Handelsbilanz abweichende Werte behauptet. dd) Indizien für Zahlungsunfähigkeit C 87 Für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners können Indizien sprechen, die dem Tatrichter im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Überzeugung vermitteln können, dass der Schuldner bei der Vornahme der Rechtshandlung zahlungsunfähig war.311 Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit ist im Wesentlichen eine Frage der tatrichterlichen Würdigung und unterliegt daher nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung.312 C 88 Beitragsrückstände gegenüber Sozialversicherungsträgern haben nach der Rechtsprechung des BGH im Allgemeinen eine erhebliche Bedeutung für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Denn erfahrungsgemäß sind Unternehmer schon wegen der Strafandrohung des § 266a StGB bestrebt, solche Beitragsrückstände zu vermeiden. Die mindestens halbjährige Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann deshalb bereits hinreichend auf eine Zahlungseinstellung hindeuten.313 Auch wenn der Beitragsrückstand geringer ist, können zusätzliche Umstände für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sprechen, etwa das stetige Anwachsen der Rückstände oder ein vertröstendes Verhalten des Schuldners.314

308 Vgl. Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005 (1007 f.); K. Schmidt, § 17 Rz. 10, 13; G. Fischer, Festschrift für Kübler (2015), S. 137 (140/141); AG Itzehoe v. 1.5.2014 – 28 IE 1/14, ZIP 2014, 1038 ff. 309 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. Rz. 15. 310 BGH v. 19.11.2013 – II ZR 229/11, ZIP 2014, 168 ff. 311 Vgl. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 10; v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, MDR 2007, 52 = ZIP 2006, 1457 ff. Rz. 6; v. 9.1.2003 – IX ZR 175/02, MDR 2003, 473 = WM 2003, 400 (402); Kayser, WM 2013, 293 ff. 312 Vgl. BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, MDR 1984, 934 = ZIP 1984, 809 (810). 313 BGH v. 10.7.2003 – IX ZR 89/02, MDR 2003, 1376 = ZInsO 2003, 755 ff. 314 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 ff. = MDR 2002, 416.

338 Schfer

Rz. 91 C

III. Einzelheiten

Auch die schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern ist ein Anzeichen für C 89 eine Zahlungseinstellung.315 Durch die Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge, der Löhne und der sonstigen Verbindlichkeiten über einen Zeitraum von mehr als drei Wochen nach Fälligkeit wird für die beteiligten Verkehrskreise in der Regel hinreichend erkennbar, dass die Nichtzahlung auf einem objektiven Mangel an Geldmitteln beruht. Gerade Sozialversicherungsbeiträge und Löhne werden typischerweise nur dann nicht bei Fälligkeit bezahlt, wenn die dafür erforderlichen Geldmittel nicht vorhanden sind.316 Entsprechendes gilt für sonstige Forderungen, deren Begleichung für den schuldnerischen Geschäftsbetrieb existentielle Bedeutung hat, wie es etwa bei den Forderungen von Stromversorgern der Fall sein kann.317 Die Einstellung des schuldnerischen Geschäftsbetriebes ist ebenfalls ein gewich- C 90 tiges Indiz für die Frage der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.318 Kündigt die Hausbank des Schuldners dessen Kredite und ist dieser nicht in der Lage, sie zurückzuführen, so ist in der Regel von dessen Zahlungsunfähigkeit auszugehen; die nur theoretische Möglichkeit, dass der Schuldner noch irgendwoher Kredit erhält, steht dem nicht entgegen.319 Eigene Erklärungen des Schuldners, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können, deuten – ebenso wie mehrfache Scheckrückbelastungen320 oder Rücklastschriften321 – auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind.322 ee) Ursächlichkeit der Zahlungsunfähigkeit für die Insolvenzeröffnung; späterer Wegfall Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners muss vom Zeitpunkt der Vornahme der C 91 Rechtshandlung an bis zur Insolvenzeröffnung ohne Unterbrechung fortbestanden haben; nur dann ist die Vorverlegung der Wirkungen der Insolvenzeröffnung gerechtfertigt.323 Mit § 130 InsO sollen nur die Wirkungen des tatsächlich eröffneten Insolvenzverfahrens auf den Zeitpunkt vorverlegt werden, zu dem die Voraussetzungen für eine Insolvenzeröffnung tatsächlich vorgelegen haben.324 Die Kausalität wird aber nicht dadurch unterbrochen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst mangels Masse abgelehnt oder ein eröffnetes Insolvenzverfahren nach § 207 InsO eingestellt wird, sofern das Insolvenzverfahren anschließend (erneut) eröffnet wird.325 Eine einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit wirkt grundsätzlich fort. Sie kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass die Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen werden. 315 316 317 318 319 320 321 322 323

BGH v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, MDR 2008, 711 = WM 2008, 698 (700). BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 24. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 ff. Rz. 12. Vgl. BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, MDR 1984, 934 = ZIP 1984, 809 (810 f.). BGH v. 27.4.1995 – IX ZR 147/94, MDR 1996, 162 = ZIP 1995, 929. BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 81/99, MDR 2001, 1437 = ZIP 2001, 2097 (2098). BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, ZInsO 2010, 1598 ff. Vgl. BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 15. Vgl. BGH v. 14.10.1999 – IX ZR 142/98, ZIP 1999, 1977 ff.; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 30. 324 BGH v. 14.10.1999 – IX ZR 142/98, ZIP 1999, 1977/1978. 325 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 94. Schfer

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C Rz. 92

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

C 92 Eine an den Gläubiger gerichtete harte Patronatserklärung der Muttergesellschaft beseitigt weder die objektive Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft noch die darauf bezogene Kenntnis des Gläubigers.326 Eine konzernexterne Patronatserklärung vermag für sich genommen mangels Begründung eigener Ansprüche weder eine Zahlungsunfähigkeit noch eine Überschuldung der Tochtergesellschaft zu beseitigen. Dies kommt vielmehr erst in Betracht, wenn die Patronin ihre gegenüber dem Gläubiger eingegangenen Verpflichtungen durch eine Liquiditätsausstattung der Tochtergesellschaft tatsächlich erfüllt.327 Auch bei einer konzerninternen Patronatserklärung ist es erforderlich, dass die Muttergesellschaft ihrer Ausstattungsverpflichtung tatsächlich nachkommt, sofern nicht der Tochtergesellschaft ein ungehinderter Zugriff auf die Mittel eröffnet wird.328 C 92a Diese Grundsätze gelten ganz allgemein für Zahlungszusagen von Gesellschaftern. Solange diese ihren Zusagen (aus der Sicht des Anfechtungsgegners) nicht tatsächlich nachgekommen sind, kann auch nicht von einem Wegfall der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausgegangen werden.329 C 93 Die allgemeine Aufnahme der Zahlungen hat grundsätzlich derjenige zu beweisen, der sich auf den nachträglichen Wegfall einer zuvor eingetretenen Zahlungsunfähigkeit beruft. Dies gilt uneingeschränkt jedenfalls dann, wenn zwischen den angefochtenen Zahlungen und dem Eingang eines erneuten, erfolgreichen Eröffnungsantrages nur ein kurzer Zeitraum liegt.330 Die Bedeutung der zuletzt genannten Einschränkung erweist ein Urteil des Oberlandesgerichts München vom 28.3.2007,331 das zu § 133 InsO erging. Dort hatten in den Jahren 1999 bis 2004 Vollstreckungsbeamte des Finanzamts regelmäßig bei der Schuldnerin wegen fälliger Steuerzahlungen vorgesprochen. Infolgedessen war es in diesem Zeitraum zu Steuerzahlungen der Schuldnerin in Höhe von ca. 234 000 Euro gekommen. Am 30.9.1999, am 30.8.2000 und am 22.1.2004 hatte die AOK Insolvenzanträge gestellt. Die Insolvenzeröffnung wurde von der Schuldnerin jeweils durch Zahlungen an die AOK abgewendet. Aufgrund des Insolvenzantrages der Schuldnerin vom 8.10.2004 wurde am 1.12.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte mit Erfolg die gezahlten 234 000 Euro zurück. C 94 Der Anfechtungsgegner hatte letztlich ein Vielfaches des Betrages zurückzugewähren, der zu jedem einzelnen Zahlungszeitpunkt zur Befriedigung der Gläubiger benötigt worden wäre. Die Schuldnerin hatte möglicherweise über länge-

326 327 328 329 330

BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, AG 2011, 512 = ZIP 2011, 1111 ff. BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10 Rz. 22 = AG 2011, 512. BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10 Rz. 21 = AG 2011, 512. Vgl. BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 232/12, WM 2013, 1995 f. Rz. 7, 9. BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 ff. Rz. 35 = MDR 2002, 416; v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (109) = MDR 2002, 418. 331 OLG München v. 28.3.2007 – 20 U 4101/06, veröffentlicht bei juris; die Nichtzulassungsbeschwerde des verklagten Landes wurde durch Beschluss des BGH vom 17.4.2008 – IX ZR 77/07, veröffentlicht bei juris, zurückgewiesen.

340 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 97 C

re Zeit einen unbeglichenen „Spitzenbetrag“ vor sich hergeschoben. Dafür spricht der Umstand, dass es ihr immerhin gelang, ihren Geschäftsbetrieb nach der ersten angefochtenen Zahlung noch fast fünf Jahre aufrechtzuerhalten. b) Eröffnungsantrag; Maßgeblichkeit für Anfechtungsfristen (§ 139 InsO) Unabhängig von der Frage der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sind nach C 95 § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO Rechtshandlungen anfechtbar, die nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden, sofern der Gläubiger zur Zeit der Handlung den Eröffnungsantrag (oder die Zahlungsunfähigkeit) kannte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Insolvenzantrag, der zur Verfahrenseröffnung geführt hat, zulässig und begründet war; unerheblich ist es daher insbesondere, ob zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Eröffnungsgrund gegeben war.332 Der Anfechtungsgegner kann sich somit nicht darauf berufen, dass die Zahlungsunfähigkeit erst nach der Stellung des Insolvenzantrages oder der Vornahme der Rechtshandlung eingetreten sei.333 Dies hat zur Folge, dass der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auf den Bereich der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgedehnt wird, wenn der Schuldner aus diesem Grund einen Insolvenzantrag gestellt hat (vgl. § 18 InsO).334 Bei der Bestimmung des maßgeblichen Insolvenzantrages ist § 139 Abs. 2 InsO C 96 zu beachten. Wurden mehrere Anträge gestellt, so ist gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 InsO der erste zulässige und begründete Antrag maßgebend, auch wenn das Verfahren aufgrund eines späteren Antrages eröffnet wurde. Ein rechtskräftig abgewiesener Antrag wird nach § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO nur berücksichtigt, wenn er mangels Masse abgewiesen wurde. Für die Berechnung der Anfechtungsfrist kommt es allein darauf an, dass der Antrag zur Verfahrenseröffnung geführt hätte, wenn er nicht mangels Masse rechtskräftig abgewiesen oder das Verfahren nicht aufgrund eines späteren Antrages eröffnet worden wäre. Durch § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO wird hervorgehoben, dass die Abweisung allein wegen nicht ausreichender Masse erfolgt sein muss. Aus anderen Gründen abgewiesene Anträge bleiben, auch wenn die Abweisung zu Unrecht erfolgte, unberücksichtigt.335 Liegt eine einheitliche Insolvenz vor, ist der erste, mangels Masse abgewiesene Antrag grundsätzlich auch dann maßgebend, wenn zwischen ihm und dem Antrag, der zur Verfahrenseröffnung geführt hat, ein beträchtlicher Zeitraum (konkret: drei Jahre) liegt.336 Einem Eröffnungsantrag kommt jedoch dann keine Bedeutung für die Anfech- C 97 tung zu, wenn zwischen dem zunächst zulässigen und begründeten Eröffnungsantrag und dem späteren Antrag, der zur Verfahrenseröffnung führte, der Er-

332 Vgl. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 109; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 130 Rz. 52; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 290. 333 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 130 Rz. 52; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 100. 334 Vgl. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 829 Rz. 37. 335 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 163; BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 180 ff. 336 BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, MDR 2008, 346 = ZIP 2008, 235 ff. Schfer

341

C Rz. 97

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

öffnungsgrund entfallen war.337 Der BGH geht darüber hinaus in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass auch ein rechtswirksam für erledigt erklärter bzw. zurückgenommener Eröffnungsantrag, der nicht zu einer rechtskräftigen Insolvenzeröffnung geführt hat, selbst dann nicht als Anknüpfungspunkt für die Anfechtung in Betracht kommt, wenn der Schuldner nach der Rücknahme des ersten Antrages seine Zahlungsfähigkeit nicht wiedergewonnen hat.338 Diese Auffassung ist jedoch im Schrifttum bis heute umstritten.339 In dem vom BGH durch Urteil vom 20.11.2001340 entschiedenen Fall hatte die Beklagte ihren Insolvenzantrag am 14.10.1999 für erledigt erklärt, nachdem der Schuldner die Beitragsrückstände durch Übersendung von Schecks ausgeglichen hatte. Kurz darauf (am 9.11.1999) stellte ein anderer Gläubiger Insolvenzantrag, der zur Verfahrenseröffnung führte. Die Revision argumentierte wie folgt: Da die Beklagte ihren später für erledigt erklärten Insolvenzantrag selbst auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gestützt habe, käme es auf Feststellungen zur Frage der Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht mehr an,341 wenn trotz der Erledigung des ersten Insolvenzantrages darauf abzustellen wäre, dass von der Stellung des ersten bis zur Stellung des weiteren Insolvenzantrages durchgängig eine materielle Insolvenz des Schuldners gegeben war. Der BGH ist dieser Auffassung indes nicht gefolgt. Auch den Einwand möglicher Manipulationen ließ er nicht gelten; dem sei vielmehr auf andere Weise zu begegnen. C 98 In einem neueren Urteil vom 2.4.2009342 hat der BGH jedoch klargestellt, dass ein im Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses zulässiger und begründeter Insolvenzantrag auch dann für die Berechnung der Anfechtungsfristen maßgebend ist, wenn er nach der Verfahrenseröffnung wegen prozessualer Überholung für erledigt erklärt wurde. Der BGH habe die Bestimmung des § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO zwar auch dann (entsprechend) angewandt, wenn der fragliche Eröffnungsantrag für erledigt erklärt oder zurückgenommen worden sei. Diese Rechtsprechung dürfe jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass bei jeglicher Erledigungserklärung § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO entsprechend anzuwenden sei. In dem nunmehr entschiedenen Fall habe sich der Insolvenzantrag wegen prozessualer Überholung und nicht wegen Wegfalls der Antragsvoraussetzungen aufgrund der Befriedigung des Gläubigers erledigt. Nach der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zur Insolvenzordnung sollten solche Anträge für die Berechnung der Anfechtungsfristen maßgebend sein, die zur Verfahrenseröffnung geführt hätten, wenn sie nicht mangels Masse rechtskräftig abgewie-

337 BGH v. 14.10.1999 – IX ZR 142/98, NJW 2000, 211 (212); HK-InsO/Kreft, § 139 Rz. 12; Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 847 Rz. 75. 338 BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = ZIP 2006, 290 ff. Rz. 6; v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 ff. = MDR 2002, 416; BGH v. 14.10.1999 – IX ZR 142/98, NJW 2000, 211 (212). 339 Vgl. Biebinger, ZInsO 2008, 1188 ff.; Gundlach/Frenzel, NJW 2009, 228; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 293. 340 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 ff. = MDR 2002, 416. 341 Vgl. dazu BGH v. 14.10.1999 – IX ZR 142/98, NJW 2000, 211 (212). 342 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 145/08, MDR 2009, 890 = ZIP 2009, 921 f.

342 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 102 C

sen worden wären „oder das Verfahren nicht aufgrund eines späteren Antrags eröffnet worden wäre“.343 Danach sei somit auch ein prozessual überholter Antrag zu berücksichtigen. Zu beachten ist schließlich, dass im Falle der Einreichung eines Insolvenz- C 99 antrages mit der Bitte, das Gericht möge dessen Bearbeitung noch kurzfristig zurückstellen, der Antrag dennoch bereits mit der Einreichung wirksam gestellt ist.344 c) Anfechtungszeitraum § 130 InsO erfasst jene Rechtshandlungen, die im Zustand der materiellen Insol- C 100 venz des Schuldners vorgenommen wurden, sofern deren Wirkung innerhalb der letzten drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach eingetreten ist (vgl. § 140 InsO). Die Berechnung des Anfechtungszeitraums bestimmt sich nach § 139 InsO.345 In diesem Zeitraum muss der Anfechtungsgegner ferner Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder den zwingend für sie sprechenden Umständen erlangt haben (vgl. § 130 Abs. 2 InsO). Nach der Stellung des Insolvenzantrages muss in der Zeit bis zur Verfahrenseröffnung in subjektiver Hinsicht nur noch die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzantrages bzw. der zwingend für sie sprechenden Umstände hinzukommen. 3. Subjektive Anfechtungsvoraussetzungen Da der Anfechtungsgegner im Anwendungsbereich des § 130 InsO erhalten hat, C 101 was ihm nach der Rechtsordnung gebührte, rechtfertigt allein der Eintritt der materiellen Insolvenz noch nicht die Anfechtung. Ein Gläubiger, der eine vertraglich geschuldete Leistung erhalten hat, muss grundsätzlich darauf vertrauen können, dass er die ihm zustehende Leistung behalten darf.346 Aus Gründen des Verkehrsschutzes wird der Gläubiger der Deckungsanfechtung nach § 130 InsO erst ausgesetzt, wenn er die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder den Eröffnungsantrag im maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. § 140 InsO) kannte oder jedenfalls Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder den Eröffnungsantrag schließen ließen (§ 130 Abs. 2 InsO). a) Kenntnis des Gläubigers; Nachweiserleichterung gemäß § 130 Abs. 2 InsO Die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners muss C 102 zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung (vgl. § 140 InsO) gegeben sein. Entscheidend ist somit der Zeitpunkt, in dem die gläubiger-

343 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 163. 344 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, FamRZ 2006, 1196 = MDR 2007, 113 = BRAK 2006, 231 = NJW 2006, 2701. 345 Vgl. dazu die Ausführungen zu § 139 InsO. 346 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 130 Rz. 16. Schfer

343

C Rz. 102

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

benachteiligende Wirkung eintritt.347 Eine der Rechtshandlung nachfolgende Kenntnis schadet nicht.348 Ist der Anfechtungsgegner schon vor der Vornahme der Rechtshandlung zutreffend von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausgegangen, so wirkt diese Kenntnis grundsätzlich fort. Eine einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit wird grundsätzlich erst beseitigt, wenn die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im Allgemeinen wieder aufgenommen werden; dies hat grundsätzlich derjenige darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, der sich auf einen nachträglichen Wegfall der Zahlungsunfähigkeit beruft.349 Entsprechendes gilt für einen späteren Wegfall der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Ein Gläubiger, der nach der Kenntniserlangung von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. nach der Stellung eines Insolvenzantrages Zahlungen erhält, darf deswegen allein grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass auch die anderen Gläubiger in vergleichbarer Weise Zahlungen erhalten.350 C 103 Die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Sinne des § 130 Abs. 1 InsO erfordert „positives“, für sicher gehaltenes Wissen.351 Dieses Wissen ist gegeben, wenn der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Schuldners bei natürlicher Betrachtungsweise den zutreffenden Schluss gezogen hat, dass der Schuldner wesentliche Teile, nämlich 10 % oder mehr, seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht in einem Zeitraum von drei Wochen wird tilgen können.352 Kennt ein im Geschäftsleben nicht unerfahrener Gläubiger alle für das Vorliegen der Zahlungseinstellung wesentlichen Tatsachen, so kennt er die Zahlungseinstellung auch dann, wenn er die aus den Tatsachen zwingend abzuleitenden Schlussfolgerungen nicht zieht;353 dies gilt regelmäßig auch dann, wenn dieser Gläubiger mit mehr als einmonatiger Verzögerung nach der Stellung eines Insolvenzantrages vollständig befriedigt wird.354 Fordert eine Bank unter Fristsetzung und Androhung von Zwangsmitteln die Rückzahlung eines gekündigten Kredits von erheblicher Höhe, weil sie den Schuldner nicht mehr für kreditwürdig hält, steht die lediglich theoretische Möglichkeit, dass der Schuldner noch irgendwoher Kredit erhält, der Kenntnis der Zahlungseinstellung nicht entgegen.355 C 103a Zahlt der Schuldner auf eine relativ geringfügige Forderung erst aufgrund mehrerer Mahnungen nach über einem Jahr zwei Raten und tilgt die Forderung 347 Vgl. dazu die Ausführungen zu § 140 InsO. 348 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, MDR 2008, 822 = ZIP 2008, 930 ff. Rz. 13; v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 13 = MDR 2007, 610; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 130 Rz. 56. 349 Vgl. BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (190) = MDR 2002, 416. 350 BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 ff. = MDR 2002, 418; v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 ff. = MDR 2002, 416; vgl. dazu näher unten Rz. C108. 351 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, MDR 2008, 822 = ZIP 2008, 930 ff. Rz. 14. 352 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 30. 353 Vgl. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 17; v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (185). 354 Vgl. BGH v. 10.7.2003 – IX ZR 89/02, MDR 2003, 1376 = ZInsO 2003, 755 ff. 355 BGH v. 27.4.1995 – IX ZR 147/94, MDR 1996, 162 = ZIP 1995, 929.

344 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 106 C

nicht vollständig, kann das Tatgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Gläubiger allein hieraus nicht auf eine Zahlungseinstellung durch den Schuldner schließen musste.356 Da der Nachweis der erforderlichen Kenntnis des Gläubigers erfahrungsgemäß C 104 häufig schwierig ist, hat der Gesetzgeber in § 130 Abs. 2 InsO eine Regelung geschaffen, die den Nachweis erleichtern soll (unwiderlegliche Rechtsvermutung).357 Danach steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrages die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Im Regierungsentwurf ist zwar davon die Rede, dass die zeitliche Nähe des C 105 Erwerbs zur Verfahrenseröffnung es rechtfertige, die grob fahrlässige Unkenntnis der Krise genügen zu lassen.358 Diese ursprüngliche Vorstellung des Gesetzgebers ist jedoch nicht Gesetz geworden. Der BGH weist im Urteil vom 20.11.2001359 darauf hin, dass nach den Gesetzesmaterialien360 ein strengerer Maßstab angelegt werden solle als grob fahrlässige Unkenntnis. Im Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages heißt es zu der beschlossenen Fassung, im Interesse der Rechtssicherheit dürfe die Anfechtbarkeit von Geschäften, bei denen der Vertragspartner des Schuldners nichts anderes als die geschuldete Leistung erhalte, nicht zu weit ausgedehnt werden; zudem sei der „unscharfe Begriff“ der groben Fahrlässigkeit zu vermeiden.361 Vorausgesetzt werde demgemäß, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kenne, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folge. Dann könne er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er den an sich zwingenden Schluss von den Tatsachen auf die Rechtsfolge selbst nicht gezogen habe.362 Bloßes „Kennenmüssen“ reicht somit nicht. Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 InsO sind gegeben, wenn sich ein redlich C 106 Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig.363 Die Kenntnis einzelner Tatsachen, die für eine Zahlungsunfähigkeit sprechen, genügt deshalb nicht, wenn sie nur die ungewisse Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit befürchten lassen.364

356 357 358 359 360 361 362 363 364

BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 149/14, ZIP 2015, 1549 ff. Vgl. Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 130 Rz. 26. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158. BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (185) = MDR 2002, 416. Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7302, S. 173. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7302, S. 173. BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (185) = MDR 2002, 416. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 ff. = MDR 2009, 650 Rz. 14; HK-InsO/ Thole, § 130 Rz. 33. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08 – „Elektroinstallateur“, BGHZ 180, 63 ff. Rz. 14 = MDR 2009, 650. Schfer

345

C Rz. 107

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

aa) Indizien für Gläubigerkenntnis C 107 Nach der Rechtsprechung des BGH kann die mindestens halbjährige Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen angesichts deren Strafbewehrtheit (vgl. § 266a StGB) hinreichend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hindeuten.365 Auch wenn der Beitragsrückstand geringer ist, können zusätzliche Umstände für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sprechen, etwa das stetige Anwachsen der Rückstände oder ein vertröstendes Verhalten des Schuldners.366 C 108 Ein Gläubiger, der nach einem Insolvenzantrag mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung schließt, darf grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass die Forderungen der anderen, zurückhaltenderen Gläubiger in vergleichbarer Weise bedient werden wie seine eigenen. Vielmehr entspricht es einer allgemeinen Lebenserfahrung, dass Schuldner – um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern – unter dem Druck eines Insolvenzantrages Zahlungen bevorzugt an den antragstellenden Gläubiger leisten, um ihn zum Stillhalten zu bewegen. Dies verbietet einen Schluss des antragstellenden Gläubigers dahin, dass – nur weil er selbst Zahlungen erhalten hat – der Schuldner seine Zahlungen auch im Allgemeinen wieder aufgenommen habe.367 Bei gewerblich tätigen Schuldnern liegt vielmehr auf der Hand, dass die Verbindlichkeiten gegenüber dem befriedigten Gläubiger nicht die einzigen gewesen waren.368 C 109 Fordert der spätere Leistungsempfänger ernsthaft seine Ansprüche ein und ist der Schuldner zur Befriedigung nicht in der Lage, so kann allein schon darin die Zahlungseinstellung liegen. Dafür kann die Nichterfüllung einer einzigen Schuld genügen, wenn diese verhältnismäßig hoch ist.369 Die unterbliebene Einlösung eines Schecks über einen verhältnismäßig geringen Betrag oder mehrfache Scheckrückbelastungen können aus der Sicht des Gläubigers ebenfalls auf die Zahlungseinstellung hindeuten.370 Die Rückgabe von Lastschriften stellt ebenfalls ein erhebliches Beweisanzeichen für eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit dar.371 Kündigt der Schuldner dem Gläubiger einer in den Vormonaten deutlich angewachsenen fälligen Forderung an, im Falle des Zuflusses neuer Mittel die Verbindlichkeit nur durch eine Einmalzahlung und zwanzig folgende Monatsraten begleichen zu können, offenbart er dem Gläubiger seine Zahlungsunfähigkeit.372

365 Vgl. BGH v. 10.7.2003 – IX ZR 89/02, MDR 2003, 1376 = ZInsO 2003, 755 ff. 366 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 ff. = MDR 2002, 416; OLG Celle, 30.10.2008 – 13 U 130/08, ZInsO 2009, 386 ff. 367 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (190). 368 BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 ff. Rz. 23 = MDR 2002, 418. 369 Vgl. BGH v. 25.9.1997 – IX ZR 231/96, NJW 1998, 607 (608). 370 BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 81/99, MDR 2001, 1437 = ZInsO 2001, 1049 (1050). 371 BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, ZInsO 2010, 1598 ff. 372 BGH v. 16.6.2016 – IX ZR 23/15, ZIP 2016, 1388 ff.

346 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 112 C

bb) Spezialfall Arbeitnehmervergütung Der BGH hat in einem neueren Urteil vom 19.2.2009373 die Anforderungen kon- C 110 kretisiert, die im Fall der Zahlung rückständigen Lohnes an Arbeitnehmer hinsichtlich des subjektiven Erfordernisses auf Seiten des Anfechtungsgegners zu stellen sind. Kennt danach der Gläubiger die Zahlungseinstellung, ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO auch seine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. Denn die dort formulierte Vermutung gilt auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts. Kenntnis bedeutet im Allgemeinen ein für sicher gehaltenes Wissen. Der Gläubiger kennt die Zahlungsunfähigkeit oder die Zahlungseinstellung als komplexe Rechtsbegriffe nur, wenn er die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft bewerten kann. Da auch im Rahmen des § 130 Abs. 2 InsO grobe Fahrlässigkeit nach den Ge- C 111 setzesmotiven nicht genügt,374 reicht die Kenntnis einzelner Tatsachen, die für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit sprechen, nicht aus, wenn diese nur die ungewisse Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit befürchten lassen. Der zwingende Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit kann vielmehr nur gezogen werden, wenn sich ein redlich Denkender, der nicht vom Gedanken auf den eigenen Vorteil beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen nicht der Einsicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig.375 Mischen sich in die Vorstellungen des Gläubigers – wenngleich möglicherweise irrtümlich – Tatsachen, die bei einer Gesamtbetrachtung den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zwingend nahelegen, fehlt dem Gläubiger die entsprechende Kenntnis. Bewertet er hingegen das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild, das objektiv die Annahme der Zahlungsunfähigkeit gebietet, falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen habe.376 Der BGH stellt klar, dass die Rechtsprechung, wonach die mehrere Monate un- C 112 terbliebene Zahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen auf die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens hindeuten kann, nur für institutionelle Gläubiger oder Gläubiger mit „Insiderkenntnissen“ gilt. Demgegenüber werde der Überblick eines Arbeitnehmers, insbesondere wenn er weder in der Finanzbuchhaltung des Unternehmens eingesetzt sei noch Leitungsfunktionen im kaufmännischen Bereich wahrzunehmen habe, in aller Regel begrenzt sein und nur Schlussfolgerungen allgemeiner Art wie diejenige auf Zahlungsschwierigkeiten, Zahlungsstockungen oder eine Tendenz zum Vermögensverfall zulassen. § 130 Abs. 2 InsO verlange hingegen Kenntnisse von den konkreten Umständen, die ein eindeutiges Urteil über die Liquiditätsgesamtlage des Unternehmens ermöglichten. Weiß ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Ar373 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08 – „Elektroinstallateur“, BGHZ 180, 63 ff. = MDR 2009, 650. 374 BGHZ 180, 63 ff. Rz. 13 mit Hinweis auf BT-Drucks. 12/7302, S. 173. 375 BGHZ 180, 63 ff. Rz. 14 mit Hinweis auf Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 121; HK-InsO/ Thole, § 130 Rz. 33. 376 BGHZ 180, 63 ff. Rz. 14; vgl. dazu noch BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (185) = MDR 2002, 416. Schfer

347

C Rz. 112

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

beitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist, rechtfertigt allein diese Kenntnis nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (1. Leitsatz der Entscheidung vom 19.2.2009). C 113 Der BGH hat die Geltung dieser Rechtsgrundsätze in einem neueren Urteil vom 15.10.2009 bekräftigt.377 Er ist allerdings in dem konkret entschiedenen Fall davon ausgegangen, dass die Vorinstanz ausreichende Umstände festgestellt habe, welche die Annahme rechtfertigten, ein Bauleiter habe zum Zeitpunkt der angefochtenen Lohnzahlungen Kenntnis von der Zahlungseinstellung seines Arbeitgebers gehabt. Der Schuldner hatte erst kurz nach der Stellung des Insolvenzantrages durch einen anderen Gläubiger nach mehr als sechs Monaten vollständigen Lohnausfalls nicht einmal ein Fünftel der aufgelaufenen Lohnrückstände ausgeglichen. C 114 Nach einem weiteren Beschluss vom 4.2.2010378 befand sich der Schuldner zum maßgeblichen Zeitpunkt am 5.8.2004 mit der Zahlung von 7 bis 9 Monatslöhnen im Rückstand. Mit der angefochtenen Zahlung wurden lediglich restliche Lohnansprüche der Beklagten bis einschließlich Dezember 2003 ausgeglichen. In ähnlichem Ausmaß lagen auch bei einem Großteil der übrigen Arbeitnehmer Lohnrückstände vor. Nach Ansicht des BGH wirkte es sich bei Lohnrückständen von 7 bis 9 Monatslöhnen für den Arbeitnehmer nicht entlastend aus, dass aus seiner Sicht erhebliche Forderungen seines Arbeitgebers offen standen und die Auftragsbücher „im Grunde voll waren“. Derartige Zahlungsrückstände könnten auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ersichtlich nicht als bloße Zahlungsstockung eingeordnet werden. In derart krass gelagerten Fällen ist der Arbeitnehmer somit nicht vor einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter geschützt.379 C 114a Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings entschieden, dass nicht schon dann von der Kenntnis von Umständen auszugehen sei, die im Sinne des § 130 Abs. 2 InsO zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hätten schließen lassen, wenn dem Arbeitnehmer bekannt gewesen sei, dass gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten Lohnrückstände bestanden hätten. Nach Ansicht des Gerichts wären die Lohnzahlungen für die in den vorausgehenden 3 Monaten erbrachten Arbeitsleistungen im Übrigen als unanfechtbares Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO anzusehen.380 C 114b Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird im Schrifttum entgegengehalten, sie laufe auf ein Sonderrecht für Arbeitnehmer hinaus, obwohl es erklärtes Ziel der Insolvenzordnung sei, jegliche Sonderrechte für einzelne Gläubi377 BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08 – „Bauleiter“, MDR 2010, 235 = ZIP 2009, 2306 f.; vgl. dazu noch LAG Thüringen v. 12.5.2009 – 7 Sa 413/07, ZInsO 2010, 688: schleppende Lohnzahlungen allein rechtfertigen nicht den Schluss auf Zahlungsunfähigkeit. 378 BGH v. 4.2.2010 – IX ZR 32/09, ZInsO 2010, 714. 379 Vgl. dazu noch Bork, ZIP 2007, 2337 ff. und Huber, NJW 2009, 1928 ff. 380 BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, ZIP 2011, 2366 ff.; v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10, ZInsO 2012, 834 ff.; zu Recht kritisch M. Huber, EWiR 2011, 817 f.; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 40; Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618 ff.

348 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 114c C

gergruppen abzuschaffen.381 Zum Teil trifft diese Kritik auch die weniger weit gehende Rechtsprechung des BGH. So hat dieser die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, wonach der Arbeitnehmer die Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers nicht gekannt habe, in einem Fall unbeanstandet gelassen, in dem der Arbeitnehmer im Juli 2004 die Höhe seiner eigenen rückständigen Forderungen in Gestalt mehrerer Monatslöhne kannte und wusste, dass sich der Arbeitgeber gegenüber einem Großteil der übrigen Beschäftigten seit Herbst 2003 in Rückstand befand.382 Die Vorschrift des § 130 Abs. 2 InsO verlange Kenntnis von den konkreten Umständen, die ein eindeutiges Urteil über die Liquiditätsgesamtlage des Unternehmens ermöglichten. Insoweit befindet sich der BGH in Übereinstimmung mit dem Bundesarbeitsgericht. Dieses hat im Urteil vom 6.10.2011383 die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts gebilligt, wonach die Kenntnis des Arbeitnehmers, dass sich die Schuldnerin auch gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten im Rückstand befand, noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zugelassen habe, weil für den Arbeitnehmer nicht erkennbar gewesen sei, welchen Anteil die Lohn- und Gehaltsrückstände an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden gehabt hätten. Gegenüber anderen Gläubigern des Schuldners sind die Anfechtungsvoraus- C 114c setzungen nach der Rechtsprechung des BGH dagegen weniger streng. Denn danach kann es genügen, wenn der Insolvenzverwalter nachweist, dass der Anfechtungsgegner Indiztatsachen kannte, die auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners hindeuteten.384 Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinausgehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 % nicht.385 Nach der Rechtsprechung des BGH begründet es ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Sinne eines Erfahrungssatzes, wenn der Schuldner seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg in beträchtlichem Umfang nicht ausgleicht und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt.386 Kann der Insolvenzverwalter dem Anfechtungsgegner solche Kenntnisse nachweisen, so wird ihm de facto der Nachweis erlassen, dass der Anfechtungsgegner einen Überblick über die Liquiditätsgesamtlage des Schuldners hatte.387 Es besteht somit die Gefahr der Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer und anderer Gläubigergruppen, die nach dem Gesetzeszweck der Insolvenzordnung nicht gerechtfertigt ist.

381 382 383 384

Vgl. Klinck, DB 2014, 2455 ff. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 ff. Rz. 16. BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, ZIP 2011, 2366 ff. Rz. 34. Vgl. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 ff. Rz. 10, 17; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 13; Klinck, DB 2014, 2455 (2458/2459). 385 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 ff. Rz. 10. 386 BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZIP 2009, 2253 ff. Rz. 11; v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 ff. Rz. 24. 387 Vgl. Klinck, DB 2014, 2455 (2458). Schfer

349

C Rz. 115

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

b) Nachträglicher Wegfall der Gläubigerkenntnis C 115 Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine zunächst vorliegende Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nachträglich mit der Folge wegfallen, dass die Anfechtung ausscheidet.388 Es ist danach nicht erforderlich, dass der Anfechtungsgegner zum Zeitpunkt der Rechtshandlung überzeugt war, die Zahlungsunfähigkeit sei behoben; vielmehr genügt es, dass er von dieser Möglichkeit ausgegangen ist. Allerdings muss die Annahme des Anfechtungsgegners, der Schuldner sei nunmehr (möglicherweise) nicht mehr zahlungsunfähig, an eine ihm nachträglich bekannt gewordene Veränderung der Tatsachengrundlage anknüpfen.389 C 116 Der Wegfall der Kenntnis ist in zwei Schritten zu prüfen. Als erstes dürfen die früheren Umstände, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen, nicht mehr gegeben sein. Der Fortfall der die unwiderlegliche Vermutung nach § 130 Abs. 2 InsO begründenden Umstände allein bewirkt jedoch nicht zwingend den Verlust der Kenntnis. Vielmehr hat der Tatrichter in einem zweiten Schritt anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit bei der Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr bestand.390 Jedenfalls dann, wenn im Rahmen eines Sanierungsversuchs umfangreiche Forderungsverzichte der Gläubiger erreicht sind und ein bereits gestellter Insolvenzantrag daraufhin zurückgenommen wird, kann möglicherweise eine allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen erwartet werden.391 Eine an den Gläubiger gerichtete harte Patronatserklärung der Muttergesellschaft beseitigt jedoch weder die objektive Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft noch die darauf bezogene Kenntnis des Gläubigers.392 C 116a Eine neue Tatsachengrundlage kann auch in einer Ratenzahlungsvereinbarung zu sehen sein. Wird allerdings eine erste Ratenzahlungsvereinbarung vom Schuldner nicht eingehalten und deshalb durch eine zweite mit deutlich niedrigeren Raten ersetzt, ist von einer den eigentlichen Interessen des Gläubigers zuwiderlaufenden Absprache auszugehen. Sie deutet darauf hin, dass sich der Gläubiger mit Zahlungen zufrieden gegeben hat, welche der Schuldner gerade noch erbringen kann. Der sich in einer solchen Vereinbarung manifestierende Anschein einer erzwungenen Stundung lässt die einmal eingetretene Zahlungseinstellung unberührt.393

388 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, MDR 2008, 822 = ZIP 2008, 930 ff.; v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10 Rz. 15, AG 2011, 512. 389 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 ff. Rz. 27; v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, ZIP 2011, 1111 ff. Rz. 15. 390 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, MDR 2008, 822 = ZIP 2008, 930 ff. Rz. 17. 391 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, ZIP 2008, 930 ff. Rz. 21. 392 BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, AG 2011, 512 = ZIP 2011, 1111 ff. 393 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 34; Kayser, WM 2013, 293 (300).

350 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 119 C

c) Kenntniszurechnung bei Organ- bzw. Vertreterhandeln und zwischen Behörden Das Handeln eines Organs ist Handeln der Gesellschaft; das Wissen eines Or- C 117 ganmitglieds ist somit das Wissen der Rechtsperson.394 Dies gilt auch für ein Organmitglied, das an dem fraglichen Geschäft nicht mitgewirkt hat,395 während die Kenntnis eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters der Gesellschaft im Grundsatz nicht zuzurechnen ist.396 Handelt das Organmitglied jedoch nicht im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises, sondern ausschließlich im Eigeninteresse, ist seine Kenntnis nicht der Gesellschaft zuzurechnen. So scheidet die Zurechnung der Kenntnis des Organmitglieds einer Genossenschaft aus, wenn dieses mit der Genossenschaft einen Vertrag abgeschlossen hat, der von einem Gläubiger des Organmitglieds nach § 3 Nr. 1 AnfG a.F. angefochten worden ist.397 Die Konzernverbundenheit allein reicht dagegen für die Zurechnung fremden Wissens nicht aus.398 Im Fall der Gesamtvertretung genügt die Kenntnis eines Gesamtvertreters, der selbst nicht an dem Geschäft beteiligt war.399 Die im Urteil des BGH vom 31.1.1996400 für eine GmbH & Co. KG enthaltene Einschränkung, dass es sich um „typischerweise aktenmäßig festgehaltenes Wissen“ handeln müsse, ist nicht gerechtfertigt.401

C 118

Eine Erbengemeinschaft muss sich im Hinblick auf § 2038 BGB die Kenntnis jedes einzelnen Miterben zurechnen lassen.402

C 118a

Handelt für den Anfechtungsgegner ein Stellvertreter, findet § 166 Abs. 1 BGB C 119 entsprechende Anwendung. Leistet daher der Schuldner in anfechtbarer Weise an einen vom Gläubiger mit dem Empfang beauftragten Dritten, ist der Gläubiger zur Rückgewähr der Leistung verpflichtet.403 Schließt ein Elternteil mit seinem minderjährigen Kind einen Vertrag, ist der Elternteil Wissensvertreter des Kindes.404 Das Wissen eines Prozessbevollmächtigten ist dem Anfechtungsgegner ebenfalls zuzurechnen, soweit es innerhalb des erteilten Mandats erlangt wurde.405 Dabei schadet ihm im Fall der Zwangsvollstreckung gemäß § 166 Abs. 2 BGB auch eine eigene Kenntnis, da der Prozessbevollmächtigte nach Wei-

394 Vgl. BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 54/85, MDR 1986, 931 = ZIP 1986, 720; v. 3.3.1956 – IV ZR 314/55, BGHZ 20, 149 (153). 395 BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, MDR 1984, 934 = NJW 1984, 1953 (1954). 396 Vgl. Staub/Habersack, HGB, § 125 Rz. 26. 397 Vgl. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 125 mit Hinweis auf RG JW 1911, 778. 398 Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 126. 399 BGH v. 3.3.1956 – IV ZR 314/55, BGHZ 20, 149 (153). 400 BGH v. 31.1.1996 – VIII ZR 297/94, GmbHR 1996, 294 = MDR 1996, 699 = NJW 1996, 1205 (1206). 401 Kritisch dazu zu Recht K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 286. 402 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 50. 403 Vgl. BGH v. 12.3.2009 – IX ZR 85/06, MDR 2009, 767 = ZIP 2009, 726 f.; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 130 Rz. 68. 404 MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 47. 405 BGH v. 22.11.1990 – IX ZR 103/90, NJW 1991, 980 ff. Schfer

351

C Rz. 119

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

sung seines Auftraggebers handelt.406 Wurde das Mandat einer Anwaltssozietät erteilt, so muss sich der Gläubiger nicht die Kenntnis der übrigen Mitglieder der beauftragten Sozietät zurechnen lassen.407 Die Kenntnis des Kassierers einer Bank ist dieser auch ohne Unterrichtung ihrer Repräsentanten zuzurechnen.408 Wie die Kenntnis des Bankkassierers der Bank zugerechnet wird, sollte ferner auch die Kenntnis eines eigenen Vollstreckungsbeamten der Körperschaft zugerechnet werden.409 C 119a Nach herrschender Auffassung ist der Gerichtsvollzieher weder Stellvertreter noch Wissensvertreter des Gläubigers.410 Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Gerichtsvollzieher nicht im Namen des Gläubigers, sondern des Staates tätig werde.411 Auch wertungsmäßig steht der Gerichtsvollzieher nicht „im Lager“ des Gläubigers, da dieser ihm gegenüber weder organisationsnoch weisungsbefugt ist. Ein Notar kann bei Vollzugs-, nicht aber bei neutralen Beurkundungsgeschäften als Vertreter des Gläubigers anzusehen sein.412 C 119b Die herrschende Auffassung geht davon aus, dass die Kenntnis der Vollstreckungsstelle, welcher der Vollziehungsbeamte angehört, dem Steuergläubiger zuzurechnen ist.413 Davon ist auch das OLG München in einem Urteil vom 27.4.1992414 ausgegangen. Der BGH hat in einem Beschluss vom 29.3.2012415 nebenbei ausgesprochen, dass die Frage, ob der Einzugsstelle die Kenntnisse des Vollziehungsbeamten des ersuchten Hauptzollamts entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen seien, ohne weiteres zu verneinen sei und keiner grundsätzlichen Klärung bedürfe. Die von der Beschwerde angeführten Gegenstimmen416 beträfen den Fall der Vollstreckung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft durch eigene Vollstreckungsorgane. Diese Auffassung des BGH vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen.417 Er hat bei der Kenntniszurechnung im Falle des Zusammenwirkens mehrerer Behörden nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB, sondern auf die Rechtsfigur der „behördenübergreifenden Handlungs- und Informationseinheit“ abgestellt.418 Eine solche behördenübergreifende Handlungs- und Informationseinheit bilden auch die ersuchende Behörde und die ersuchte Vollstreckungsbehörde. Der BGH hat daher

406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418

Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 130 Rz. 99. OLG Celle v. 20.3.1981 – 8 U 109/80, ZIP 1981, 467 f. BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, MDR 1984, 934 = NJW 1984, 1953. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 139; FK-InsO/Dauernheim, § 130 Rz. 54 – a.A. K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 130 Rz. 71; MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 51. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 51 mit Hinweis (u.a.) auf RGZ 90, 193, 194 f. und RGZ 95, 152 (154). Vgl. Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Aufl., § 8 II. 1. c). MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 51. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 51; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 148; FK-InsO/Dauernheim, § 130 Rz. 54. OLG München v. 27.4.1992 – 26 U 6853/91, NJW-RR 1993, 106 f. BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 26/10, veröffentlicht bei juris. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 139; FG Rheinland-Pfalz, EFG 1986, 433 Nr. 483. Ebenso Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 148. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08 – „Behördenabgleich“, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 19, 21.

352 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 119f C

durch Beschluss vom 14.2.2013419 zu Recht entschieden, dass sich die ersuchende Behörde das Wissen des Sachbearbeiters der ersuchten Behörde zurechnen lassen muss, wenn eine Behörde oder ein Sozialversicherungsträger eine andere zuständige Behörde mit der Vollstreckung fälliger Forderungen mit der Folge beauftragt, dass diese für das Vollstreckungsverfahren als Gläubigerin der Forderung fingiert wird (vgl. etwa § 252 AO). Das Urteil des BGH vom 30.6.2011420 soll an dieser Stelle wegen seiner rechts- C 119c grundsätzlichen Bedeutung für die Kenntniszurechnung zwischen Behörden näher dargestellt werden: BGH-Urteil vom 30.6.2011 – BGHZ 190, 201 ff. Die Schuldnerin hatte im November 2002 Steuerrückstände in Höhe von ca. C 119d 1,6 Mio. Euro und nahm zur gleichen Zeit an einer vom Staatsbauamt W. des verklagten Landes durchgeführten Ausschreibung für Rohbauarbeiten teil. Als sie am 3.2.2003 den Auftrag erhielt, hatte das Staatsbauamt keine Kenntnis von der finanziellen Lage der Schuldnerin. Die Zahlungsregulierung übernahm die Staatskasse beim Finanzamt D. Diese erfragte im April 2003 bei den für die Beitreibung der Lohn- und Umsatzsteuer zuständigen Finanzämtern rückständige Steuerverbindlichkeiten der Schuldnerin und erklärte gegenüber der Werklohnforderung und den Abschlagsanforderungen die Aufrechnung in Höhe von insgesamt 1 Mio. Euro. Auf Eigenantrag vom 27.1.2004 wurde am 1.4.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser machte die Unwirksamkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO geltend. Der BGH stellt zunächst klar, dass nicht der Abschluss des Werkvertrages für C 119e die Anfechtbarkeit maßgebend ist, sondern das Werthaltigmachen der Werklohnforderung. Für die Unzulässigkeit der Aufrechnung sei entscheidend, wann das Gegenseitigkeitsverhältnis durch die Verknüpfung der beiden gegenseitigen Forderungen begründet worden sei.421 Es gelte § 140 Abs. 1 InsO, da die Werklohnforderung nicht unter einer rechtsgeschäftlichen Bedingung stehe. Allein die mit dem Abschluss eines Vertrages entstandene Aufrechnungslage bringe dem Vertragspartner des Schuldners noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen. Solange der Schuldner nichts geleistet habe, wofür der Gläubiger eine Vergütung schulde, bestehe für ihn keine Befriedigungsmöglichkeit im Wege der Aufrechnung.422 Hinsichtlich der Kenntnis des Beklagten im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO weist C 119f der BGH darauf hin, dass ab dem Moment, in dem mehrere Behörden eines Rechtsträgers bei der Aufrechnung zusammenwirken, die Kenntnis der einen Behörde auch der andern zuzurechnen ist. Dagegen könne die Kenntnis des Beklag419 420 421 422

BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 115/12, ZIP 2013, 685 f. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 12. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 297 ff. Rz. 11; v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 13. Schfer

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C Rz. 119f

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

ten nicht schon daraus gefolgert werden, dass er sich grundsätzlich das Wissen aller seiner Behörden zurechnen lassen müsse; vielmehr komme es im Grundsatz auf das Wissen des jeweils zuständigen Bediensteten der zuständigen Behörde an.423 Im rechtsgeschäftlichen Verkehr dürfe sich eine organisationsbedingte „Wissensaufspaltung“ zwar nicht zu Lasten des Geschäftspartners auswirken; dies gelte aber zunächst nur für die nach außen auftretende Organisationseinheit, also das Amt oder die Behörde.424 Zwar müsse jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen, dass die ihr zugehenden rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden könnten, und es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiteten.425 Daraus folge aber zunächst nur eine entsprechende Organisationsobliegenheit innerhalb dieser Organisation. Die Zuständigkeitsgrenzen der Behörden seien grundsätzlich zu respektieren. C 119g Der BGH stellt jedoch klar, dass eine behördenübergreifende Pflicht bestehe, sich gegenseitig über alle relevanten Umstände der Zusammenarbeit zu informieren, wenn eine Behörde im Zusammenwirken mit anderen Behörden gezielt deren Wissen bei der Abwicklung eines konkreten Vertrages nutze. Er habe institutionellen Gläubigern Beobachtungs- und Erkundigungspflichten auferlegt, die an besondere Umstände anknüpften.426 Zwar genüge grob fahrlässige Unkenntnis für § 133 Abs. 1 InsO nicht. Ein institutioneller Großgläubiger wie der Beklagte dürfe sich aber der positiven Kenntnis nicht verschließen. Würden behördenübergreifende Handlungs- und Informationseinheiten gebildet, um Aufrechnungen zu ermöglichen, liege darin ein besonderer Umstand, der eine Erkundigungsund Informationspflicht über alle bekannten Tatsachen im Zusammenhang mit der beabsichtigten Aufrechnung auslöse. Die objektive Verletzung dieser Pflicht habe zur Folge, dass sich die handelnde Körperschaft auf die Unkenntnis solcher Umstände nicht berufen dürfe, die bei einem ihrer Wissensvertreter vorhanden gewesen sei. C 119h Nach einem Urteil des OLG Nürnberg vom 9.1.2012427 sollen Kenntnisse der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerstelle eines Finanzamts über die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners einer organisatorisch, sachlich und personell getrennten Sondervollstreckungsstelle für KFZ-Steuer desselben Finanzamts nicht zuzurechnen sein. Dies beruht auf der Annahme, dass zwischen Dienststellen derselben Behörde, die organisatorisch, personell und nach ihren sachlichen Aufgaben getrennt arbeiten, aktenkundige Tatsachen nur dann zuzurechnen seien, wenn ein sachlich begründeter Anlass bestanden habe, diese Tat423 Vgl. BGH v. 4.2.1997 – VI ZR 306/95, BGHZ 134, 343 (346); v. 28.11.2006 – IX ZR 196/05, NJW 2007, 834 Rz. 5; v. 15.3.2011 – VI ZR 162/10, VersR 2011, 682 Rz. 10 ff. – jeweils zur Kenntniszurechnung nach § 852 BGB a.F. 424 BGH v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (108); v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (36). 425 BGH v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54 (62); v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85 ff. Rz. 16. 426 BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 36/99, ZIP 2001, 1641 (1642); v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 ff. Rz. 21. 427 OLG Nürnberg v. 9.1.2012 – 4 U 931/11, ZIP 2012, 1043 f.

354 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 121 C

sachen einander mitzuteilen.428 Nach der hier vertretenen Auffassung stellt die Insolvenzreife einer Rechtsperson jedoch stets eine innerhalb derselben Behörde weiterleitungspflichtige Tatsache dar. Nach dem Beschluss des BGH vom 26.6.2014429 wird das im maßgeblichen C 119i Zeitpunkt vorhandene Wissen der Finanzbehörde einer anderen Behörde desselben Rechtsträgers auch dann zugerechnet, wenn diese die Informationen erst im Laufe des Rechtsstreits zum Zwecke der Aufrechnung einholt. Die in BGHZ 190, 201 ff. angenommene aufgabenbezogene Handlungs- und Informationseinheit entsteht ab dem Zeitpunkt, ab dem eine Behörde von der Möglichkeit der Wissensbeschaffung bei anderen Behörden desselben Rechtsträgers Gebrauch macht. In diesem Fall hat sie sich das gesamte rechtserhebliche Wissen der einbezogenen Behörden hinsichtlich des abgewickelten Vorgangs zurechnen zu lassen. Handelt der Stellvertreter nach bestimmten Weisungen des Vertretenen, kann C 120 sich dieser gemäß § 166 Abs. 2 BGB in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Der Begriff des „Handelns auf Weisung“ ist weit auszulegen. Nach zutreffender Auffassung genügt es, dass der Vertretene den Vertreter veranlasst hat, mit einem anderen abzuschließen, von dessen anfechtungsrelevanter Vermögenslage er selbst oder sein Wissensvertreter Kenntnis hat.430 Dabei ist es unerheblich, ob der Vertretene auf den genauen Inhalt des Geschäfts Einfluss genommen hat.431 Das Wissen des Schuldners ist dem Gläubiger zuzurechnen, wenn der Schuldner bei einem Insichgeschäft zugleich als Vertreter des Gläubigers gehandelt hat.432 Da es für die Kenntnis im Sinne des § 130 InsO allein auf Wissenszurechnung C 121 und nicht auf rechtsgeschäftliche Wirkungen ankommt, bildet § 166 BGB keine abschließende Schranke für die Zurechnung.433 Eine Wissenszurechnung kommt vielmehr auch nach dem allgemeinen Grundsatz in Betracht, wonach eine am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen muss, dass die den eingesetzten Hilfspersonen bekannt gewordenen, erkennbar rechtserheblichen Informationen an die Entscheidungsträger weitergegeben werden.434 Ist dies nicht der Fall, liegt eine Verletzung der Organisationspflicht vor, so dass sich der Gläubiger aus diesem Grund nicht auf die fehlende Kenntnis von der Krise des Schuldners berufen kann.435

428 Vgl. K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 130 Rz. 72. 429 BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 200/12, ZIP 2014, 1497. 430 Vgl. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 146; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 129. 431 FK-InsO/Dauernheim, § 130 Rz. 51; Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 125. 432 BGH v. 27.9.1990 – IX ZR 67/90, MDR 1991, 331 = ZIP 1990, 1420 ff.; Gehrlein, WM 2009, Sonderbeilage 1, S. 29. 433 MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 46. 434 Vgl. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, ZIP 2011, 1523 ff. Rz. 17; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, MDR 2006, 951 = ZIP 2006, 138 ff.; v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54 (62); v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 (106 f.) = MDR 1992, 480. 435 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 46. Schfer

355

C Rz. 122

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

C 122 Im Fall des Vollstreckungsersuchens an ein anderes Finanzamt kann nach einem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 27.4.1992436 auf die Kenntnis des Vollstreckungssachbearbeiters sowohl der ersuchenden Behörde als auch der ersuchten Behörde abgestellt werden. Das vollstreckende Finanzamt muss sich danach die Kenntnis des Sachbearbeiters eines anderen Finanzamts zurechnen lassen, wenn es von diesem um Durchführung der Vollstreckung ersucht wurde. C 123 Das Oberlandesgericht München hat durch weiteres Urteil vom 8.9.2009437 über einen Fall entschieden, in dem die Staatsoberkasse in einer Stadt des verklagten Landes auf Veranlassung des Finanzamts einer anderen Stadt dieses Landes nach vorausgegangenen fruchtlosen Vollstreckungsmaßnahmen mit Steuerforderungen gegenüber der Werklohnforderung der Schuldnerin aufgerechnet hatte. Der klagende Insolvenzverwalter hatte geltend gemacht, die Herbeiführung der Aufrechnungslage sei teilweise anfechtbar, da die Werklohnforderung zum Teil während der Krise der Schuldnerin werthaltig gemacht worden sei. C 124 Nach Ansicht des Oberlandesgerichts München kommt es auf die vom verklagten Land problematisierte Zurechnung etwaiger Kenntnis verschiedener Behörden nicht an, da das Finanzamt als Initiator der Aufrechnung Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt habe. Dagegen könnte möglicherweise eingewandt werden, dass das Finanzamt die Aufrechnung erst zu einem Zeitpunkt veranlasst habe, als die Rechtshandlung der Schuldnerin, nämlich das Werthaltigmachen der Werklohnforderung, bereits abgeschlossen gewesen sei. Die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners müsse aber zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung gegeben sein. Letztlich sollte es darauf jedoch nicht ankommen. Nach der Rechtsprechung des BGH lässt sich zwar die Wissenszurechnung gemäß § 166 BGB nicht mit logischbegrifflicher Stringenz, sondern nur in wertender Beurteilung entscheiden. Im Grundsatz aber soll der Bürger, der mit einer Rechtsperson mit mehreren Gliedern in Rechtsbeziehung tritt, nicht schlechter gestellt werden, als wenn er es nur mit einer natürlichen Person zu tun hätte.438 Dieser Grundsatz muss zumindest im vorliegenden Sachzusammenhang der Insolvenzanfechtung gelten. Der Umstand, dass die Schuldnerin aus der Sicht des Finanzamts zahlungsunfähig war, stellte eine prinzipiell weiterleitungspflichtige Information dar. Es ist nicht einzusehen, dass es zusätzlich darauf ankommen soll, ob ein Datenaustausch zwischen den Behörden möglich war.439 C 125 Einstweilen frei. 436 OLG München v. 27.4.1992 – 26 U 6853/91, ZIP 1992, 787 ff. 437 OLG München v. 8.9.2009 – 5 U 2499/09, ZInsO 2009, 2151 ff. – die Nichtzulassungsbeschwerde des verklagten Landes wurde durch Beschluss des BGH vom 9.6.2011 (IX ZR 183/09) zurückgewiesen. 438 Vgl. BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 (36) = GmbHR 1996, 373 = AG 1996, 220 = MDR 1996, 1003; v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 (330 f.) = MDR 1990, 323. 439 A.A. OLG Frankfurt v. 5.6.2002 – 17 U 146/01, veröffentlicht bei juris: keine Zurechnung des Wissens bei einer unterschiedlichen Zuständigkeit der Finanzämter für verschiedene Steuerarten; vgl. zur „filialübergreifenden Wissenszurechnung“ in anderem Zusammenhang noch BGH v. 1.6.1989 – III ZR 277/87, MDR 1990, 30 = NJW 1989, 2881 f.

356 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 128 C

Bei einer mittelbaren Zuwendung ist die Kenntnis der Mittelsperson jedem Be- C 126 teiligten zuzurechnen, auf dessen Weisung hin die Mittelsperson tätig geworden ist.440 Unabhängig von der Frage, ob die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung bereits mit der Weggabe des Vermögensgegenstandes an die Mittelsperson vorgenommen ist,441 wird man wohl davon ausgehen müssen, dass dem Zuwendungsempfänger auch eine zwischen dem Empfang der Mittelsperson und der Weitergabe an ihn erlangte Kenntnis dem Zuwendungsempfänger schadet. Die Rechtshandlung mag zwar mit der Weggabe des Gegenstandes an die Mittelsperson bereits vorgenommen sein; vollbeendet ist sie damit aber noch nicht. 4. Darlegungs- und Beweislast; Erleichterung gegenüber nahestehenden Personen gemäß § 130 Abs. 3 InsO Im Grundsatz hat der Insolvenzverwalter alle objektiven und subjektiven Tat- C 127 bestandsvoraussetzungen des § 130 InsO darzulegen und zu beweisen. Er hat somit nachzuweisen, dass die Gläubiger des Schuldners dadurch unmittelbar oder mittelbar benachteiligt wurden, dass ein Insolvenzgläubiger in der sich ihm zwingend aufdrängenden Krise des Schuldners durch eine Rechtshandlung eine Befriedigung oder Sicherung erlangt hat oder ihm eine solche ermöglicht wurde. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Darlegungs- und Beweisanforderungen nicht zu Lasten des Insolvenzverwalters überspannt werden dürfen. Dem trägt die Rechtsprechung etwa dadurch Rechnung, dass die Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend durch eine Liquiditätsbilanz nachgewiesen werden muss. Es genügt vielmehr, wenn anderweitig festgestellt werden kann, dass der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen konnte,442 etwa aufgrund der Vorlage von Listen über die Verbindlichkeiten des Schuldners.443 Bei der Frage, welche Anforderungen an die Darlegungslast des Insolvenzverwal- C 128 ters zu stellen sind, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sich die vorgetragenen Geschehnisse im Wahrnehmungsbereich der Partei abgespielt haben und wie sich der Gegner dazu eingelassen hat. Dem Insolvenzverwalter stehen häufig zur Begründung einer Anfechtungsklage über die aufgefundenen Unterlagen hinaus nur geringe Möglichkeiten zur Verfügung. Zu hohe Anforderungen an die Substantiierungslast würden daher oft die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage von vornherein vereiteln. Beschränkt sich der Anfechtungsgegner zudem im wesentlichen darauf, die finanzielle Entwicklung des Schuldners und das Verhalten anderer Gläubiger mit Nichtwissen zu bestreiten, kann nach Ansicht des BGH unter Umständen auch ein Vortrag ausreichend sein, der zwar in bestimmten Punkten lückenhaft ist, eine Ergänzung fehlender Tatsachen aber schon auf der Grundlage allgemeiner Erfahrungen und Gebräuche im Geschäftsverkehr zulässt.444 Sofern der Anfechtungsgegner das Bestehen und die Fälligkeit bestimm440 Vgl. BGH v. 19.3.1980 – VIII ZR 195/79, MDR 1980, 751 = ZIP 1980, 346 (347 f.); MKInsO/Kayser, § 130 Rz. 41. 441 Vgl. dazu oben Rz. B43. 442 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 28. 443 Vgl. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 210/04, ZIP 2007, 1913 f. Rz. 5. 444 BGH v. 8.10.1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008 (2010). Schfer

357

C Rz. 128

§ 130 InsO – Kongruente Deckung

ter Verbindlichkeiten des Schuldners nicht bestreitet, ist in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die vom Insolvenzverwalter vorgetragenen Verbindlichkeiten bestehen und fällig sind.445 Den Beweis, dass der Schuldner nicht über ausreichende Mittel verfügte, um eine Liquiditätslücke binnen drei Wochen zu schließen, kann der Insolvenzverwalter in der Regel auch durch den Nachweis führen, dass zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bereits fällige Verbindlichkeiten in erheblichem Umfang bestanden, die der Schuldner bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr beglichen hat.446 C 129 Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die verfahrensrechtliche Möglichkeit, den Schuldner über die Tatsache der Zahlungsunfähigkeit und der entsprechenden Kenntnis des Gläubigers als Zeugen zu vernehmen. Der Anfechtungsgegner kann unter den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 445 ff. ZPO als Partei vernommen werden.447 C 130 Der Insolvenzverwalter muss nicht darlegen, dass der Schuldner keinen Kredit zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten mehr erlangen konnte. Denn der Schuldner ist grundsätzlich nicht verpflichtet, weitere Kredite aufzunehmen, um sein Unternehmen fortführen zu können. Hat daher der Schuldner die Zahlungseinstellung nicht durch die Aufnahme weiterer Kredite abgewendet, muss der Insolvenzverwalter nicht die Möglichkeit einer weiteren Kreditaufnahme ausräumen, solange nicht bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte für die Bereitschaft und die objektive Aussicht des Schuldners gegeben sind, kurzfristig einen Kredit in einer zur Abwendung der Zahlungseinstellung ausreichenden Höhe zu erlangen.448 C 131 Die Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzverwalters wird ferner durch § 130 Abs. 2 InsO erleichert. Denn danach genügt der Nachweis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen ließen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass nach der Rechtsprechung des BGH Indizien für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sprechen können.449 Die öffentliche Bekanntmachung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet jedoch keine Vermutung für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Stellung eines Insolvenzantrages.450 C 132 Die allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen nach zuvor eingetretener Zahlungsunfähigkeit hat derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich auf den nachträglichen Wegfall der Zahlungsunfähigkeit beruft.451 Den späteren Wegfall 445 Vgl. BGH v. 17.5.2001 – IX ZR 188/98, MDR 2001, 1259 = ZIP 2001, 1155 (1156). 446 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 12; v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 12; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 158a. 447 Vgl. BGH v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, MDR 2008, 711 = ZIP 2008, 706 ff. Rz. 17 f.; OLG München v. 8.9.2009 – 5 U 2499/09, ZIP 2010, 638 ff. Rz. 10; Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 130 Rz. 66; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 130 Rz. 58. 448 Vgl. BGH v. 25.9.1997 – IX ZR 231/96, NJW 1998, 607 (608); HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 130 Rz. 55. 449 Vgl. dazu oben Rz. C87 ff. 450 BGH v. 7.10.2010 – IX ZR 209/09, MDR 2011, 71 = ZIP 2010, 2307 ff. 451 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 ff. = MDR 2002, 416; v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (109) = MDR 2002, 418.

358 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 133a C

der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hat der Anfechtungsgegner zu beweisen; der Beweis ist erbracht, wenn feststeht, dass der Anfechtungsgegner infolge neuer (objektiv geeigneter) Tatsachen ernsthafte Zweifel am Fortbestand der Zahlungsunfähigkeit hatte.452 Gegenüber einer dem Schuldner nahestehenden Person im Sinne des § 138 C 133 InsO wird gemäß § 130 Abs. 1 InsO (widerleglich) vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Diese Regelung ordnet somit eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast an. Die dem Schuldner nahestehende Person muss darlegen und beweisen, dass sie bei der Vornahme der Rechtshandlung keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder von der Stellung des Insolvenzantrages hatte. Selbst wenn der nahestehenden Person der Nachweis ihrer Unkenntnis gelingt, greift nach herrschender Auffassung im Schrifttum die Beweiserleichterung des § 130 Abs. 2 InsO ein, so dass weitergehend zu vermuten ist, die nahestehende Person habe Kenntnis von den Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen ließen. Die nahestehende Person muss daher beweisen, dass sie diese Umstände nicht gekannt habe.453 Dieser Nachweis wird naturgemäß nur selten gelingen. Ist es der nahestehenden Person gelungen, die Vermutung des § 130 Abs. 2 InsO zu entkräften, so steht dem Insolvenzverwalter grundsätzlich noch immer der Beweis offen, dass sie tatsächlich die erforderliche Kenntnis hatte.454 Eine Person kann dem schuldnerischen Unternehmen auch dann im Sinne der C 133a §§ 130 Abs. 3, 138 InsO nahestehen, wenn ihr als freiberuflicher oder gewerblicher Dienstleister alle über die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsgang zufließen, so dass sie über den gleichen Wissensvorsprung verfügt, den sonst ein mit der Aufgabe befasster leitender Angestellter des Schuldnerunternehmens hätte (ausgelagerte Buchhaltung).455

452 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, MDR 2008, 822 = ZIP 2008, 930 ff.; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 130 Rz. 99. 453 HK-InsO/Thole, § 130 Rz. 42; Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 154. 454 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11 – „ausgelagerte Buchhaltung“, BGHZ 195, 358 ff. Rz. 12. 455 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, BGHZ 195, 358 ff. Schfer

359

D. § 131 InsO – Inkongruente Deckung § 131 Inkongruente Deckung (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, 1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, 2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder 3. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte. (2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte. Rz. I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.

D1

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzgläubigerstellung . . . . . . . Mehrpersonenverhältnis . . . . . . . . . Gläubigerbenachteiligung durch Inkongruenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D12 D15 D20

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inkongruente Deckungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inkongruente Befriedigung . . . . . aa) Nicht zu beanspruchende Befriedigung . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätze . . . . . . . . . . . (2) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . bb) Spezialfall Aufrechnung bzw. Verrechnung . . . . . . . . . (1) Grundsätze . . . . . . . . . . . (2) „Werthaltigmachen der Aufrechnungslage“ . . . . . (3) Aufrechnung bzw. Verrechnung im Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nicht „in der Art“ zu beanspruchende Befriedigung . . . (1) Grundsätze . . . . . . . . . . .

D29

360 Schfer

D22

D29 D37 D37 D37 D39 D45 D45 D49 D54 D59 D59

Rz. (2) Leistung unter dem Druck des Insolvenzantrages bzw. der Zwangsvollstreckung . . (3) Einzelfälle . . . . . . . . . . . dd) Nicht „zu der Zeit“ zu beanspruchende Befriedigung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inkongruente Sicherung . . . . . . aa) Nicht zu beanspruchende Sicherung . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlender Sicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . (2) Gesetzliche Sicherungsansprüche . . . . . . . . . . . (3) Sicherung durch Zwangsvollstreckung . . bb) Nicht „in der Art“ zu beanspruchende Sicherung . . cc) Nicht „zu der Zeit“ zu beanspruchende Sicherung . . 2. Sonstige Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . b) Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtungszeitraum . . . . . . . . . . 4. Darlegungs- und Beweislast; § 131 Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . .

D60 D67 D86 D96 D96 D98 D111b D112a D113 D115 D119 D119a D119b D119c D120

Rz. 4 D

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes Rz. a) Allgemeine Grundsätze . . . . . .

D120

Rz. b) Beweiserleichterungen nach § 131 Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . .

D125

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes § 131 InsO löst § 30 Nr. 2 KO ab und regelt die Anfechtbarkeit einer dem Gläu- D 1 biger nicht oder so nicht gebührenden (inkongruenten) Sicherung oder Befriedigung (Deckung). Ein Gläubiger, der eine ihm nicht zustehende Leistung erhält, erschien dem Gesetzgeber weniger schutzwürdig als ein Gläubiger, der erhält, was ihm gebührt. Er hat es daher wegen der besonderen Verdächtigkeit eines inkongruenten Erwerbs als gerechtfertigt angesehen, für einen Zeitraum von bis zu einem Monat vor dem Eröffnungsantrag auf subjektive Voraussetzungen in der Person des Anfechtungsgegners ganz zu verzichten.1 Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind daher die innerhalb des letzten Monats vor D 2 dem Eröffnungsantrag gewährten inkongruenten Deckungen ohne Rücksicht auf subjektive Voraussetzungen und den tatsächlichen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit anfechtbar; die Krise des Schuldners und die erforderliche Kenntnis des Gläubigers werden insoweit unwiderleglich vermutet.2 Dies gilt erst recht für diejenigen inkongruenten Deckungen, die nach dem Eröffnungsantrag, also nach dem offenen Eintritt der Krise erfolgt sind. Dabei wird der Verdachtszeitraum in Abweichung von § 30 Nr. 2 KO allein an den Eröffnungsantrag und nicht auch an die Zahlungseinstellung (Zahlungsunfähigkeit) geknüpft. Im Schrifttum3 wird zu Recht darauf hingewiesen, dass der Schuldner gemäß D 3 § 18 InsO schon dann einen Insolvenzantrag stellen kann, wenn die Zahlungsunfähigkeit erst droht, während die Gläubiger zu diesem Zeitpunkt noch keinen Insolvenzantrag stellen und somit ihre Gleichbehandlung noch nicht erzwingen könnten; dass der Schuldner auf diese Weise bewirken könne, dass Gegenstände, die er in unverdächtiger Zeit weggegeben habe, seinem Vermögen wieder zugeführt werden könnten, sei nicht zu rechtfertigen und vom Gesetzgeber offenbar nicht bedacht worden. Angesichts der klaren Fassung des Gesetzes wird dies aber wohl hinzunehmen sein. Bei inkongruenten Deckungen, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats D 4 vor der Insolvenzantragstellung vorgenommen wurden, erschien dem Gesetzgeber wegen des größeren zeitlichen Abstands von der Stellung des Antrages eine unwiderlegliche Vermutung der Krise nicht mehr gerechtfertigt. Nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO muss deshalb der Schuldner zur Zeit der Deckungshandlung zahlungsunfähig gewesen sein. Die subjektiven Voraussetzungen in der Person des Anfechtungsgegners werden dagegen wegen der besonderen Verdächtigkeit des inkongruenten Erwerbs unwiderleglich vermutet.4 1 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158; BGH v. 6.5.2010 – IX ZR 114/08, MDR 2010, 956 = ZIP 2010, 1188 ff. 2 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158; Graf-Schlicker/Huber, § 131 Rz. 1. 3 Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 829 Rz. 37. 4 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. Schfer

361

D Rz. 5

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

D 5 § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO verzichtet bei inkongruenten Deckungen, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden, auf die objektive Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit, verlangt dafür aber als subjektive Voraussetzung, dass dem Anfechtungsgegner die Benachteiligung der anderen Gläubiger bekannt war oder dass er zumindest Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Benachteiligung schließen ließen (vgl. § 131 Abs. 2 Satz 1 InsO). D 6 Die Gesetzesbegründung zu § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO enthält den Hinweis, es handle sich bei dieser Regelung um einen auf inkongruente Deckungen bezogenen Sonderfall der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 148 des Gesetzentwurfs (vgl. jetzt § 133 InsO).5 Daraus wird im Schrifttum zum Teil gefolgert, § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO sei gleichsam als § 133 Abs. 1 Satz 3 InsO zu lesen. Da er nicht an eine materielle Insolvenz anknüpfe, seien nur solche Deckungen als inkongruent anzusehen, die auch außerhalb der materiellen Insolvenz als inkongruent zu behandeln seien; dies betreffe vor allem Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die richtigerweise nicht nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO anfechtbar seien.6 Die herrschende Auffassung ist dieser Ansicht jedoch zu Recht nicht gefolgt.7 D 7 In den Motiven zu § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO wird ferner auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 31 KO verwiesen, die bei der Absichtsanfechtung inkongruenter Deckungen an den Nachweis der Benachteiligungsabsicht des Schuldners geringere Anforderungen als bei kongruenten Deckungen stelle. Bei inkongruenten Deckungen werde Benachteiligungsabsicht schon dann bejaht, wenn der Schuldner die Benachteiligung der anderen Gläubiger als notwendige Folge seines Handelns erkannt habe; schon die Tatsache, dass er eine inkongruente Deckung gewährt habe, werde als „wesentlicher Anhaltspunkt“ für das Vorhandensein eines solchen Bewusstseins angesehen. Bei inkongruenten Deckungen erleichtere die Rechtsprechung auch den Nachweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Benachteiligungsabsicht. Der von ihm erkannte Umstand, dass ihm eine inkongruente Deckung gewährt worden sei, werde als „starkes Beweisanzeichen“ dafür gewertet, dass ihm der Wille des Schuldners bewusst gewesen sei, seine anderen Gläubiger zu benachteiligen.8 Diese Ausführungen sind zugleich von Bedeutung für die Anfechtbarkeit einer inkongruenten Deckung im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO.9 Sie ändern allerdings nichts daran, dass in § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO keine Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung geregelt ist. Die Bestimmung setzt insbesondere keinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners voraus.10

5 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 6 Vgl. Bork/Schoppmeyer, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 8 Rz. 135 ff. und Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (187, 191). 7 HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 32; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 49; Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 75. 8 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 9 Vgl. BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff.; v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZInsO 2009, 2148 ff. 10 Henckel, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 831 Rz. 40.

362 Schfer

II. Allgemeines

Rz. 12 D

§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird ergänzt durch § 88 InsO (sogenannte „Rückschlags- D 8 perre“), wonach Sicherungen, die im gleichen Zeitraum durch Zwangsvollstreckung erlangt wurden, ipso jure unwirksam werden. Einer Anfechtung bedarf es daher in einem solchen Fall nicht. Der Rechtsgedanke des § 131 InsO beeinflusst nach der Rechtsprechung des D 9 BGH auch den Anwendungsbereich des § 142 InsO; danach scheidet die Annahme eines Bargeschäfts bei inkongruenten Deckungen aus.11 Nach seiner Auffassung wird durch die Worte „für die“ in § 142 InsO ausgedrückt, dass eine Bardeckung nur vorliegt, wenn Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft sind. Es bestehe weder rechtlich noch wirtschaftlich ein Anlass, Umsatzgeschäfte in der Krise zu privilegieren, die anders als vereinbart abgewickelt würden.12 Inkongruente Deckungen können daher keine anfechtungsfreien Bargeschäfte im Sinne des § 142 InsO sein.13 Nach § 131 Abs. 2 Satz 2 InsO wird gegenüber einer Person, die dem Schuldner D 10 zur Zeit der Rechtshandlung nahestand (§ 138 InsO), vermutet, dass sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte. § 131 InsO kann im Grundsatz mit allen anderen Anfechtungstatbeständen kon- D 11 kurrieren, ausgenommen § 132 InsO. Insoweit ist auf die Ausführungen zu § 130 InsO zu verweisen.14 § 131 InsO ist nicht subsidiär gegenüber anderen möglichen Anspruchsgrundlagen, etwa den §§ 812, 823 Abs. 2 BGB, welche ebenfalls auf Rückgewähr der erbrachten Leistung gerichtet sein können.15 Wichtig ist dies bspw. im Hinblick auf den Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB.

II. Allgemeines § 131 InsO liegt ebenso wie § 130 InsO der Gedanke zugrunde, dass der Grund- D 12 satz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger schon im Zustand der materiellen Insolvenz des Schuldners Wirkung entfalten soll.16 Auch dieser Anfechtungstatbestand beruht auf dem Gedanken, dass vom Offenbarwerden der Krise an das Vermögen des Schuldners der Allgemeinheit seiner persönlichen Gläubiger „verfangen“ ist.17 Mit ihm soll ebenfalls verhindert werden, dass sich einzelne Gläubiger noch im Zustand der materiellen Insolvenz des Schuldners eine Deckung verschaffen und dadurch gegen den Grundsatz „par condicio creditorum“ 11 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 29; v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 ff. = MDR 1994, 158; v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (130). 12 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 ff. Rz. 30 = MDR 1994, 158. 13 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 5 i.V.m. § 142 Rz. 6–8; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 7. 14 Vgl. dazu oben Rz. C6 ff. 15 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 14a. 16 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 3; BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 17 = MDR 2005, 832. 17 Vgl. BGH v. 15.3.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 ff. Schfer

363

D Rz. 12

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

verstoßen.18 Im Rahmen der besonderen Insolvenzanfechtung wird den Gläubigern die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auferlegt.19 Nach einem wenig fassbaren Grundsatz des BGH ist § 131 InsO, soweit möglich, in dem Sinne auszulegen, dass sich eine die berechtigten Interessen aller Beteiligten berücksichtigende ausgewogene anfechtungsrechtliche Gesamtlösung ergibt.20 D 12a Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 29.1.201421 erwogen, ob die §§ 129 ff. InsO verfassungskonform dahingehend auszulegen seien, dass das Existenzminimum der Insolvenzanfechtung entzogen sei. So recht verständlich war diese Erwägung jedoch nicht. Die Insolvenzanfechtung knüpft an zurückliegende Vorgänge an, so dass ein ausreichender Schutz des Arbeitnehmers durch die allgemeinen Vollstreckungsschutzbestimmungen der §§ 850 ff. ZPO gewährleistet ist. Das Bundesarbeitsgericht hat daher später zu Recht entschieden, dass eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO in Fällen der „inkongruenten Deckung einer Erfüllung erheblicher Entgeltrückstände“ unter dem Druck der Zwangsvollstreckung ausscheide. Bei solchen Entgeltrückständen könnten Arbeitnehmer die zur Absicherung des Existenzminimums vorgesehenen und geeigneten staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen.22 D 12b Eine Deckung ist nicht schon deshalb inkongruent, weil es an einer Gegenleistung fehlt oder diese hinter dem Wert der Leistung des Schuldners zurückbleibt;23 unentgeltliche bzw. geringerwertige Leistungen unterfallen vielmehr den §§ 132, 134 InsO. Auch eine vertragliche Übersicherung kann daher nicht als inkongruente Deckung angefochten werden.24 D 13 Auch § 131 InsO setzt eine anfechtbare Rechtshandlung voraus, die allerdings nicht vom Schuldner vorgenommen worden sein muss. Damit werden insbesondere Rechtshandlungen des Gläubigers im Rahmen einer Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner erfasst.25 D 14 Wie jeder Anfechtungstatbestand setzt auch § 131 InsO nach der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO eine Gläubigerbenachteiligung voraus, wobei eine mittelbare Benachteiligung genügt.26 1. Insolvenzgläubigerstellung D 15 Als Anfechtungsgegner kommt auch gemäß § 131 InsO nur ein Insolvenzgläubiger in Betracht.27 Die Stellung eines Insolvenzgläubigers hat auch ein abson18 BGH v. 7.12.2006 – IX ZR 157/05, MDR 2007, 612 = ZIP 2007, 136 f. Rz. 6; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353) = MDR 2004, 775. 19 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 17 = MDR 2005, 832. 20 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07 – „Globalzession“, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 32. 21 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 17 ff. 22 BAG v. 27.2.2014 – 6 AZR 367/13, ZIP 2014, 1396 ff. Rz. 34; bestätigt durch BAG v. 3.7.2014 – 6 AZR 296/13, ZInsO 2014, 2040 ff. Rz. 18. 23 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 27. 24 BGH v. 22.3.2001 – IX ZR 407/98, NJW 2001, 2545 (2547). 25 Vgl. BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 ff. 26 Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 129 Rz. 11; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rz. 2. 27 Vgl. dazu oben Rz. C7 und unten Rz. E6 ff.

364 Schfer

II. Allgemeines

Rz. 18 D

derungsberechtigter Gläubiger inne, der zugleich persönlicher Gläubiger des Insolvenzschuldners ist (vgl. § 52 InsO).28 Insolvenzgläubiger ist jeder, der diese Eigenschaft ohne die erlangte Deckung hätte, der also seinen vermögensrechtlichen Anspruch nur als Insolvenzforderung hätte geltend machen können.29 Dies trifft auch auf denjenigen zu, der eine Deckung ohne wirksamen Rechtsgrund erlangt hat, obwohl er nicht im eigentlichen Sinne Insolvenzgläubiger ist, da ihm kein als Insolvenzforderung anzumeldender Anspruch zusteht.30 Denn nach seinem Zweck soll § 131 InsO auch dann eingreifen, wenn es an einem Anspruch des Anfechtungsgegners fehlt.31 Insolvenzgläubiger ist schließlich auch jener Gläubiger, der zunächst eine Leistung ohne Rechtsgrund erhalten hat, wenn dieser später in der kritischen Zeit des § 131 InsO geschaffen wurde.32 Die Stellung des Zuwendungsempfängers als Insolvenzgläubiger war in einem D 16 Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 2.12.201033 streitig: Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 2.12.2010 – ZIP 2010, 2517 ff. Zwischen der Schuldnerin (GmbH) und dem Alleingesellschafter und Allein- D 17 geschäftsführer (Organträger) bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft, wobei der Organträger in der Lage war, seine Verbindlichkeiten zu bedienen. Am 14.10.2008 zog das verklagte Land im Wege der Lastschrift eine Umsatzsteuerzahlung in Höhe von ca. 60 000 Euro vom Konto der Schuldnerin ein. Grundlage dafür war eine Umsatzsteuervoranmeldung für August 2008. Steuerschuldner dieser Forderung war der Organträger, wobei jedoch die Umsatzsteuerlast bei der Schuldnerin verursacht worden war. Auf den Eigenantrag der Schuldnerin vom 19.12.2008 wurde am 1.2.2009 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter erklärte mit Schreiben vom 2.11.2009 die Insolvenzanfechtung wegen des eingezogenen Betrages. Es sei eine inkongruente Deckung gegeben, da mangels Erlasses eines Haftungsbescheides nach § 73 AO keine fällige Verbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin vorgelegen habe. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Der Bundesfinanzhof ist in einem Urteil vom 23.9.200934 in einem vergleich- D 18 baren Fall davon ausgegangen, dass das Finanzamt nicht Insolvenzgläubiger gewesen sei. Zwar hafte die Schuldnerin als Organgesellschaft gemäß § 73 AO für 28 BGH v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, UR 2007, 583 = MDR 2007, 1101 = ZIP 2007, 1126 ff. 29 Vgl. BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 44/05, MDR 2007, 300 = ZIP 2006, 1591 ff. 30 Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 12; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 131 Rz. 6; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 24 – a.A. Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 127. 31 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 6. 32 MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 131 Rz. 7; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rz. 5. 33 OLG Hamm v. 2.12.2010 – 27 U 55/10; v. 2.12.2010 – I-27 U 55/10 – „Organschaft“, GmbHR 2011, 258 = ZIP 2010, 2517 ff.; bestätigt durch BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff.; vgl. dazu noch BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 ff. 34 BFH v. 23.9.2009 – VII R 43/08, GmbHR 2010, 108 = UR 2010, 18 = ZIP 2009, 2455 ff. Schfer

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D Rz. 18

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

die Steuerschulden des Organträgers. § 73 AO gebe jedoch die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners nur unvollständig wieder; er werde vielmehr ergänzt durch § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 5 AO. Danach setze der Haftungsanspruch voraus, dass die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners bei der gebotenen Ermessensausübung überhaupt in Betracht komme. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn – wie im Streitfall – feststehe, dass der Organträger zur Zahlung in der Lage sei. Aber auch unabhängig davon sei die Anfechtung gegenüber dem Finanzamt nicht gerechtfertigt. Denn der Kläger sei – zumindest auch – zur Anfechtung gegenüber dem Organträger gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO berechtigt, da die Schuldnerin mit der Zahlung an das Finanzamt dessen Ausgleichsanspruch befriedigt habe. Auch der Rechtsprechung des BGH liege ersichtlich die Wertung zugrunde, vorrangig den Vorgang rückabzuwickeln, durch den auf die eigene Schuld des Insolvenzschuldners geleistet worden sei. D 19 Das Oberlandesgericht Hamm ist – ebenso wie zuvor schon andere Oberlandesgerichte35 – dieser Auffassung des Bundesfinanzhofes zu Recht nicht gefolgt. Der Bundesfinanzhof hat verkannt, dass das verklagte Land zur Anmeldung seines bereits vor der Insolvenzeröffnung begründeten Anspruchs gegen die Schuldnerin im Insolvenzverfahren über deren Vermögen berechtigt gewesen wäre, und zwar aufschiebend bedingt für den Ausfall.36 Die Frage, in welcher Weise das Finanzamt letztlich sein Ermessen ausgeübt hätte, kann für die insolvenzrechtliche Beurteilung nicht maßgebend sein. Auch ein Vorrang der Anfechtung gegenüber dem Organträger besteht nicht. Die Schuldnerin hat nicht nur auf ihre Schuld gegenüber dem Organträger, sondern jedenfalls auch – bei verständiger Würdigung sogar vorrangig – auf ihre Haftungsschuld gegenüber dem verklagten Land geleistet, zumal ja das Land es war, das im Wege des Lastschrifteinzuges auf das Vermögen der Schuldnerin zugegriffen hat. Letztlich entscheidend dürfte die Erwägung sein, dass der in der Krise der Schuldnerin eingezogene Betrag aus deren Vermögen stammte und somit auch dorthin zum Zwecke der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zurückgewährt werden muss.37 D 19a Der BGH hat das Urteil des OLG Hamm bestätigt.38 Eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO sei gegeben, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor der Insolvenzeröffnung abgeschlossen sei. Unerheblich sei es hingegen, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig sei. Der Haftungsbescheid habe nur deklaratorische Bedeutung. Ob der Empfänger der schuldnerischen Leistung tatsächlich am Insolvenzverfahren teilnehmen würde, spiele keine Rolle, weil davon die Gläubigerbenachteiligung durch die Rechtshandlung nicht abhänge.39 35 Vgl. OLG Nürnberg v. 11.2.2009 – 4 U 2506/08, ZIP 2009, 1435 ff.; OLG Köln v. 14.12.2005 – 2 U 89/05, ZInsO 2006, 1329 f. 36 Vgl. BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 44/05, MDR 2007, 300 = ZIP 2006, 1591 ff.; MK-InsO/ Lwowski/Bitter, 2. Aufl., § 43 Rz. 11. 37 Vgl. dazu BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345 Rz. 26 – „Cash-Pool (2)“. 38 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11 – „Organschaft“, BGHZ 192, 221 ff. 39 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 15; vgl. zur Bürgschaft BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183 ff.

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II. Allgemeines

Rz. 21 D

Zahle der Schuldner auf eine noch nicht durchsetzbare steuerrechtliche Haf- D 19b tungsverbindlichkeit, sei davon auszugehen, dass er dadurch seine Haftungsverbindlichkeit und nicht die ihr zugrunde liegende Steuerschuld des Dritten tilgen wolle. Entgegen der Auffassung des BFH40 stehe der Anfechtung gegen das verklagte Land auch nicht ein vorrangiger Anfechtungsanspruch gegen den Organträger entgegen. Zwar habe die Schuldnerin zugleich den Anspruch des Organträgers auf Befreiung von der Verbindlichkeit erfüllt, so dass dieser ebenfalls Insolvenzgläubiger sei und eine Anfechtung gegen ihn in Betracht komme. Angesichts der Doppelwirkung der schuldnerischen Zahlung sei jedoch keine mittelbare Zuwendung des Organträgers gegeben. Zum einen fehle es an der Veranlassung der Zahlung durch den Organträger; zum anderen sei für das verklagte Land nicht erkennbar gewesen, dass es sich um eine Leistung des Organträgers hätte handeln sollen. Eine mittelbare Zuwendung scheide der Sache nach aus, wenn die Zwischenperson mit ihrer Leistung an den Gläubiger auch eine eigene Verbindlichkeit als Mitschuldner zu tilgen suche.41 2. Mehrpersonenverhältnis In Mehrpersonenverhältnissen42 ist ein Zuwendungsempfänger nicht schon D 20 deshalb der Deckungsanfechtung nach § 131 InsO unterworfen, weil er keinen Anspruch gegen den Schuldner hatte. Ist Letzteres der Fall, scheitert die Anfechtung vielmehr in der Regel schon an der fehlenden Stellung des Zuwendungsempfängers als Insolvenzgläubiger im Sinne des § 131 InsO. Insbesondere Leistungen des Schuldners auf eine fremde Schuld sind gegenüber dem Zuwendungsempfänger im Grundsatz nicht nach § 131 InsO anfechtbar.43 Anders ist dies allerdings dann, wenn dem durch eine Zuwendung des Schuldners befriedigten Gläubiger eines Dritten zugleich auch ein Anspruch gegen den Schuldner (etwa aus Bürgschaft oder Gesamtschuldnerausgleich) zustand. In diesem Fall kommt auch eine Anfechtung gegenüber dem Zuwendungsempfänger nach § 131 InsO in Betracht.44 Bestehen mehrseitige Rechtsbeziehungen, richtet sich die Bestimmung des D 21 richtigen Anfechtungsgegners und damit auch der Inkongruenz der Deckungshandlung im Grundsatz nach den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs.45 Inkongruent ist die vom Schuldner durch Anweisung einer Mittelsperson bewirkte mittelbare Zahlung an einen seiner Gläubiger, wenn jener Gläubiger keinen Anspruch auf diese Art der Erfüllung hatte.46 Vereinbart der 40 BFH v. 23.9.2009 – VII R 43/08, BFHE 226, 391 (397 ff.). 41 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 49a; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 330. 42 Vgl. dazu oben Rz. B129 ff. 43 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 29; BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 (918). 44 Vgl. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, MDR 2009, 170 = ZInsO 2008, 1202 ff.; v. 20.7.2006 – IX ZR 44/05, MDR 2007, 300 = ZIP 2006, 1591 ff. 45 Vgl. BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZInsO 2004, 499 ff. mit Besprechung von Henckel, ZIP 2004, 1671 ff. 46 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06– „Subunternehmer“, BGHZ 174, 314 ff. = MDR 2008, 341; v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, MDR 2007, 1096 = ZInsO 2007, 662 ff.; Schfer

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D Rz. 21

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

Schuldner mit einer Zwischenperson, diese solle für ihn seine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten begleichen, so bewirkt allein die Mittelbarkeit der Zahlung in der Regel eine inkongruente Deckung.47 Eine inkongruente Deckung ist ferner gegeben, wenn ein Dritter aufgrund einer Schuldübernahme einen Gläubiger des Insolvenzschuldners befriedigt.48 D 21a Nimmt ein Dritter auf Weisung des Schuldners (Transportunternehmen) unter den Voraussetzungen des § 131 InsO Zahlungen auf dessen Guthabenkonto bei einer privaten Betreiberin des Systems zur Erhebung einer LKW-Maut vor, so ist dies als inkongruente Deckung gegenüber dieser privaten Betreiberin des Maut-Systems anfechtbar.49 3. Gläubigerbenachteiligung durch Inkongruenz D 22 Nach allgemeinen anfechtungsrechtlichen Grundsätzen sind auch im Rahmen des § 131 InsO hypothetische Geschehensabläufe grundsätzlich unbeachtlich.50 Gleichwohl kann der Einwand des Anfechtungsgegners beachtlich sein, dass eine bestimmte Gläubigerbenachteiligung nicht speziell auf die Inkongruenz einer Deckung zurückzuführen sei. BGH-Urteil vom 13.3.1997 – ZIP 1997, 853 ff. D 23 Im Urteil des BGH vom 13.3.199751 hatte der verklagte Gesellschafter-Geschäftsführer am 2.3.1993 die Rückzahlung restlicher 90 000 DM auf ein Darlehen veranlasst, das er der Gesellschaft gewährt hatte. Am 15.4.1993 hatte er den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt. Zwischen dem klagenden Verwalter und dem Beklagten war streitig, ob Letzterer das Darlehen vor dem 2.3.1993 gekündigt hatte. D 24 Der BGH weist darauf hin, dass der Beklagte nach der mit der Schuldnerin getroffenen Vereinbarung berechtigt gewesen sei, das Darlehen jederzeit mit einer Frist von einer Woche zum Monatsende zu kündigen. Der unmittelbare Nachteil für die Schuldnerin könne also höchstens darin liegen, dass sie die Zahlung etwa vier Wochen zu früh erbracht habe und ihr die Nutzung des Geldes in diesem Zeitraum entgangen sei. Mit der Berücksichtigung eines bloß hypothetischen Kausalverlaufs habe dies nichts zu tun. Ob die Anfechtung dann den Gesamtanspruch erfassen würde, wenn die Schuldnerin, hätte sie die Fälligkeit

47 48 49 50 51

v. 8.10.1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008 (2011); v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92 – BGHZ 123, 320 (324 f.) = MDR 1994, 158 zur Gewährung von Kundenschecks; K. Schmidt/Ganter/Weiland, § 131 Rz. 31. BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = ZInsO 2006, 94 ff.; v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, MDR 2003, 474 = ZIP 2003, 356 (358). Vgl. BGH v. 5.7.2007 – IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129 ff. Rz. 50 = GmbHR 2007, 1146 m. Anm. Blöse = MDR 2007, 1450. BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 319/12, ZIP 2013, 2210 ff. Vgl. BGH v. 7.6.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355 ff. = MDR 1988, 858. BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96 – „Kreditvorfälligkeit“, MDR 1997, 767 = ZIP 1997, 853 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 29 D

des Darlehensrückzahlungsanspruchs abgewartet, diesen nicht mehr mit Wirkung gegenüber der Masse hätte erfüllen können (etwa wegen der zwischenzeitlichen Anordnung einer Verfügungsbeschränkung), müsse nicht entschieden werden. Denn der Eröffnungsantrag sei erst im April 1993 gestellt worden. Anders gelagert war hingegen ein durch Urteil vom 9.6.200552 entschiedener D 25 Fall: BGH-Urteil vom 9.6.2005 – ZIP 2005, 1243 ff. Nach der Satzung der verklagten Krankenversicherung waren die Sozialver- D 26 sicherungsbeiträge spätestens am 15. des Folgemonats fällig. Die Schuldnerin zahlte am 5.4.2000 auf die für März 2000 geschuldeten Beiträge durch Banküberweisung ca. 200 000 DM. Die Schuldnerin stellte am 11.4.2000 Insolvenzantrag; noch am gleichen Tag wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter unter Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts bestellt. Da dem Zahlungspflichtigen – so der BGH – Säumigkeit nicht angesonnen wer- D 27 den könne, müsse eine verfrühte Zahlung als kongruent angesehen werden, wenn die Verfrühung die voraussichtliche Dauer des Zahlungsvorgangs nicht nennenswert überschreite. Einen Anhaltspunkt hierfür biete § 676a Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F. (Überweisung im Inlandsverkehr binnen dreier Bankgeschäftstage). Eine Zahlung durch Banküberweisung, die beim Gläubiger früher als fünf Bankgeschäftstage vor Fälligkeit eingehe, sei als inkongruent anzusehen. Ob die wenige Tage nach der Zahlung eingetretene Fälligkeit einer Anfechtung in voller Höhe entgegenstehe, sei keine Frage der Ursächlichkeit, sondern der Zurechenbarkeit. Im Wege wertender Betrachtung sei einzuschätzen, ob dieselbe Masseschmälerung durch eine gesetzlich nicht missbilligte Rechtshandlung der Schuldnerin hätte herbeigeführt werden können. Im konkreten Fall war nach Ansicht des BGH entscheidend, dass die Schuldnerin aufgrund des am 11.4.2000 angeordneten Zustimmungsvorbehalts nicht mehr die Möglichkeit gehabt hätte, nach Eintritt der Fälligkeit frei über ihr Vermögen zu verfügen. Wurde hingegen eine Leistung vor der Fälligkeit erbracht und ist diese zwar in D 28 der kritischen Zeit, aber noch vor der Verfahrenseröffnung kraft Gesetzes oder aufgrund einer in unkritischer Zeit getroffenen Vereinbarung eingetreten, so ist § 131 InsO nicht anwendbar.53

III. Einzelheiten 1. Inkongruente Deckungshandlungen Entscheidender Grund für die erleichterte Anfechtung nach § 131 InsO ist der Umstand, dass der Gläubiger eine Befriedigung oder Sicherung (Deckung) er52 BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03 – „Vorfälligkeit“, MDR 2005, 1312 = ZIP 2005, 1243 ff. 53 Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 5. Schfer

369

D 29

D Rz. 29

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

langt hat, die er nicht oder jedenfalls so nicht zu beanspruchen hatte.54 Eine vom Gläubiger nicht zu beanspruchende Deckung ist gegeben, wenn er gegen den Schuldner keinen Anspruch auf die konkret gewährte Leistung hatte oder wenn der Anspruch (noch) nicht durchsetzbar war, etwa weil ihm eine Einwendung oder eine Einrede entgegenstand. Wird die Übereinstimmung zwischen dem Anspruch und der gewährten Deckung erst durch eine in den kritischen Anfechtungszeiträumen des § 131 InsO getroffene Vereinbarung hergestellt, so unterliegt diese ihrerseits der Anfechtung gemäß § 131 InsO.55 Die Vereinbarung einer Zahlungsverpflichtung entfällt als kongruenzbegründender Schuldgrund für die Zahlung, wenn sie selbst der Insolvenzanfechtung unterliegt.56 D 30 Eine inkongruente Deckung ist in diesem Sinne insbesondere gegeben, wenn die konkrete Deckungshandlung vom Inhalt des (ursprünglichen) Schuldverhältnisses zwischen dem Schuldner und dem Insolvenzgläubiger abweicht.57 Dabei erfordert der Begriff der „Befriedigung oder Sicherung dieser Art“ nach der Rechtsprechung des BGH im Interesse der Insolvenzgläubiger eine enge Auslegung.58 Ein bloßer Gläubigerwechsel genügt allerdings nicht. Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen verdeutlicht ein Urteil des BGH vom 11.3.2004:59 BGH-Urteil vom 11.3.2004 – ZInsO 2004, 616 ff. D 31 Der Beklagte war an der Schuldnerin (GmbH) und diese wiederum an einer GbR beteiligt. Er gewährte der GbR ein Darlehen in Höhe von 250 000 DM und diese der Schuldnerin ein solches in Höhe von 50 000 DM. Nachdem der Beklagte der GbR später mitgeteilt hatte, dass er einer „Verlängerung“ seines Darlehens nicht zustimme, wies der Geschäftsführer der Schuldnerin die GbR darauf hin, dass eine Rückzahlung des Darlehens nicht möglich sei, da sich die Schuldnerin in einer sehr angespannten finanziellen Lage befinde. Daraufhin trafen die GbR, die Schuldnerin und der Beklagte am 21.4.1998 eine Vereinbarung, wonach die GbR ihre Darlehensforderung gegen die Schuldnerin mit Stichtag zum 1.5.1998 an den Beklagten abtrat. Zugleich wurde als Sicherheit die zukünftige Forderung der Schuldnerin gegen einen Dritten aus einem beabsichtigten Grundstücksverkauf an den Beklagten abgetreten. Die Schuldnerin verkaufte das Grundstück am 1.7.1999.

54 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158. 55 BGH v. 29.9.2005 – IX ZR 184/04, MDR 2006, 414 = ZIP 2005, 2025 f.; Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 4. 56 BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 10. 57 BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 44/05, MDR 2007, 300 = ZIP 2006, 1591 ff. Rz. 12; v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZIP 2004, 1060 (1061); HK-InsO/Kreft, § 131 Rz. 9; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 5. 58 Vgl. BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, MDR 2003, 474 = ZIP 2003, 356 (358); v. 15.11.1960 – V ZR 35/59, BGHZ 33, 389 (393). 59 BGH v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZInsO 2004, 616 ff. – Gläubigerwechsel“.

370 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 34a D

Anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO war nach der Wür- D 32 digung des BGH die am 21.4.1998 vereinbarte Besicherung der „zum 1.5.1998“ abgetretenen Darlehensforderung durch Abtretung der künftigen Kaufpreisforderung. Diese Sicherungsabtretung sei erst am 1.7.1999 wirksam geworden. Es sei zwar unklar, ob die Abtretung sogleich am 21.4.1998 oder erst am 1.5.1998 habe erfolgen sollen. Darauf komme es jedoch nicht an. Die Abtretung stelle unzweifelhaft für den Fall eine inkongruente Deckung dar, dass die Schuldnerin sogleich am 21.4.1998 die künftige Kaufpreisforderung an die GbR zur Besicherung der bis Ende April 1998 bei dieser verbleibenden Darlehensforderung abgetreten haben sollte. Die GbR hätte dadurch ein Recht zur abgesonderten Befriedigung erhalten, das ihr zuvor nicht zugestanden hätte und das später an den Beklagten weitergegeben worden wäre. Wären hingegen die Darlehensforderung der GbR und die Kaufpreisforderung D 33 der Schuldnerin zeitgleich am 1.5.1998 abgetreten worden, hätte der Beklagte die Sicherung in demselben Zeitpunkt erlangt, in dem ihm die zu sichernde Forderung übertragen worden wäre. Er wäre damit durch ein und denselben Vorgang zugleich Gläubiger und Sicherungsnehmer geworden. Diese Fallgestaltung sei bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden. Hätte die Schuldnerin am 21.4.1998 die künftige Kaufpreisforderung an die GbR zur Besicherung der bei dieser verbleibenden Darlehensforderung abgetreten, wäre diese Besicherung unzweifelhaft eine inkongruente Deckung gewesen. Die Inkongruenz könne aber nicht deshalb entfallen, weil gleichzeitig mit der Besicherung ein Gläubigerwechsel stattfinde. Denn entscheidend für die Inkongruenz sei das Abweichen der konkreten Deckungshandlung vom Inhalt des Schuldverhältnisses, das zwischen Insolvenzgläubiger und Schuldner bestehe. Dieser Inhalt werde durch den Gläubigerwechsel allein nicht verändert. Beide denkbaren Fälle entsprachen somit zumindest wertungsmäßig der nachträglichen Besicherung einer Schuld. Die Abweichung der Deckung vom Schuldinhalt ist allein nach objektiven Ge- D 34 sichtspunkten zu beurteilen; die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten sind aufgrund des Gesetzeszwecks unerheblich. § 131 InsO ist daher nicht anwendbar, wenn Schuldner und Gläubiger irrtümlich annahmen, es bestehe kein Anspruch. Umgekehrt ist die Anfechtung nach § 131 InsO nicht ausgeschlossen, wenn die Beteiligten zu Unrecht von einer kongruenten Deckung ausgingen.60 Unerheblich ist der Grund, der zu der Abweichung von der ursprünglichen Leistungspflicht geführt hat. Es kommt ferner nicht darauf an, ob die erbrachte Leistung denselben Wert hatte wie die ursprünglich vereinbarte Leistung.61 Dies kann deshalb von Bedeutung sein, weil für § 131 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt. Der entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung der Inkongruenz einer Deckung D 34a ist gemäß § 140 InsO derjenige, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten. Nachträgliche Vertragsänderungen können daher nur dann zu einer kongruenten Deckung führen, wenn sie außerhalb der Anfechtungszeit60 Vgl. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 7. 61 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 9. Schfer

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D Rz. 34a

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

räume des § 131 InsO vereinbart wurden und nicht ihrerseits (etwa nach § 133 InsO) anfechtbar sind.62 Innerhalb der Monatsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO vereinbarte Vertragsänderungen stellen stets inkongruente Deckungen dar.63 Während der Dreimonatsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO kann eine abändernde Absprache die Kongruenz nur herstellen, wenn der Schuldner bei der Nachtragsvereinbarung weder zahlungsunfähig war noch der Gläubiger die benachteiligende Wirkung kannte.64 Ein Abänderungsvertrag, mit dem die Vertragsparteien die vorzeitige Fälligkeit eines Darlehens vereinbaren, stellt keine wirksame Kongruenzvereinbarung für die spätere Zahlung dar, wenn die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Vereinbarung bereits zahlungsunfähig war und deshalb die Abänderungsvereinbarung selbst gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar war.65 D 34b In einem Urteil vom 17.7.201466 ist der BGH allerdings davon ausgegangen, dass die dortige Kongruenzvereinbarung nicht nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar sei, weil sie keine Deckungshandlung im Sinne dieser Vorschriften darstelle. Der BGH verbindet dies mit dem Hinweis, dass die Vertragsparteien den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch abändern könnten, ohne den Charakter der Bardeckung zu gefährden, wenn sie die Abänderungsvereinbarung träfen, bevor die erste Leistung eines Vertragsteils erbracht worden sei.67 Im Schrifttum wird jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass man zwar daran denken könnte, eine solche Vereinbarung sei nur nach § 132 InsO anfechtbar, doch würde dadurch der Weg zu einer Umgehung des § 131 InsO geöffnet.68 Dieser Hinweis wird auch nicht durch die Erwägung des BGH zur Abänderbarkeit der ursprünglichen Vereinbarung vor erstmaliger Leistungserbringung entkräftet. Eher hätte der BGH ein Bargeschäft auch im Fall einer inkongruenten Deckung erwägen sollen, was nach seiner bisherigen Rechtsprechung jedoch ausscheidet.69 Der BGH hat seine Rechtsprechung indes durch Urteil vom 17.12.201570 bekräftigt und konkretisiert. Danach kann eine in der kritischen Zeit geschlossene Kongruenzvereinbarung, die einen Baraustausch ermöglichen soll, als solche nicht Gegenstand der Deckungsanfechtung sein. Eine solche Kongruenzvereinbarung kann bis zu dem Zeitpunkt getroffen werden, zu dem einer der Vertragspartner nicht nur eine erste Leistungshandlung vorgenommen, sondern einen ersten Leistungserfolg herbeigeführt hat. Werden im Rahmen eines Werkvertrages Bauma62 Vgl. BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 ff. = MDR 2006, 1191 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse; BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, ZIP 2014, 233 ff. Rz. 17. 63 BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, ZIP 2014, 233 ff. Rz. 17; Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 4; Eckardt, ZIP 1999, 1417 (1418); vgl. zu § 30 Nr. 2 KO: BGH v. 25.9.1972 – VIII ZR 216/71, BGHZ 59, 230 (235). 64 Vgl. BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, ZIP 2014, 233 ff. Rz. 17; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 10; FK-InsO/Dauernheim, § 131 Rz. 4. 65 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 ff. Rz. 13. 66 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 20; vgl. dazu ausführlich oben unter Rz. C23a ff. 67 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 f. Rz. 21. 68 Vgl. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 4. 69 Vgl. BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZInsO 2010, 1929 ff. Rz. 26; v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. Rz. 15. 70 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14 – „Brückengeländer“, ZIP 2016, 279 ff.

372 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 35 D

terialien vom Auftragnehmer lediglich an die Baustelle gebracht, aber nicht eingebaut, fehlt es an einem ersten Leistungserfolg.71 Eine Vereinbarung über eine „Halteprämie“ zugunsten des Arbeitnehmers stellt D 34c keinen kongruenzbegründenden Schuldgrund dar, weil sie ihrerseits inkongruent ist. Die Parteien können nicht durch den Abschluss einer Vereinbarung, die neue Ansprüche des Arbeitnehmers begründet, die Anfechtungstatbestände der §§ 131, 133 Abs. 1 InsO umgehen.72 In dem konkret entschiedenen Fall wurde das arbeitsvertragliche Leistungsprogramm durch die Zusage der Halteprämie am 16.10.2008 zugunsten des Klägers abgeändert, ohne dass dieser darauf einen Anspruch hatte. Dies begründete nach der Entscheidung des BAG die inkongruente Deckung. Der Insolvenzantrag wurde am 23.1.2009 gestellt. Geringfügige und verkehrsübliche Abweichungen zwischen dem Anspruch des D 35 Gläubigers und der ihm gewährten Leistung sind nicht verdächtig und begründen daher keine inkongruente Deckung.73 Dies gilt etwa für die Überweisung und Zahlung mittels (eigener) Schecks sowie der Abbuchung im Lastschriftverfahren aufgrund einer Einziehungsermächtigung statt der Barzahlung.74 Zahlt der Schuldner vor dem Eintritt der Fälligkeit unter Ausnutzung einer befristet eingeräumten Skontoabzugsmöglichkeit, so ist die dadurch bewirkte Deckung in der Regel nicht inkongruent.75 Auch Teilleistungen sind trotz § 266 BGB kongruent, da der Gläubiger zur Entgegennahme von Teilleistungen berechtigt ist.76 Bei der Wahlschuld ist jede der vom Schuldner wahlweise zu erbringenden Leistungen kongruent. Stand dem Schuldner eine Ersetzungsbefugnis zu, so ist jede Leistung kongruent, durch die sich der Schuldner von seiner Pflicht befreien darf.77 Bei einer Gattungsschuld ist die Auslieferung der Sache nicht deswegen nach § 131 InsO anfechtbar, weil der Gläubiger erst innerhalb des kritischen Zeitraums einen Anspruch auf Übereignung dieser bestimmten Sache hat.78 § 131 InsO greift ferner nicht ein, wenn bei einem Anspruch auf Pfandbestellung derselbe Gegenstand zur Sicherheit übereignet oder wenn statt einer Hypothek eine Grundschuld bestellt wird.79 Eine unwesentliche Abweichung ist dagegen nicht in einer Sicherungsabtretung statt einer Grundschuldbestellung80 und in der Gewährung von Kundenschecks81 zu sehen.

71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81

BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, ZIP 2016, 279 ff. Rz. 22 ff. BAG v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, ZIP 2014, 37 ff. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 40, 41. BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, MDR 2003, 474 = ZInsO 2003, 178 ff. Rz. 27; v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 ff. = MDR 2006, 1191 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse. BGH v. 6.5.2010 – IX ZR 114/08, MDR 2010, 956 = ZIP 2010, 1188. OLG Saarbrücken v. 24.6.2008 – 4 U 324/07-108, MDR 2009, 52 = ZIP 2008, 2430 ff. Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411 Rz. 30; v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (183 f.); MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 12. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 30 = MDR 2008, 411; Piekenbrock, WM 2007, 141 (145). Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rz. 14. BGH v. 13.6.2007 – IV ZR 330/05, MDR 2007, 1070 = ZInsO 2007, 772 ff. Rz. 38. BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. = MDR 2009, 1069. Schfer

373

D Rz. 35a

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

D 35a Erteilt ein dazu nicht verpflichteter Unternehmer seiner Bank zur Begleichung unternehmensbezogener Verbindlichkeiten einen Abbuchungsauftrag zugunsten bestimmter Gläubiger, so führt diese Zahlungsweise als im unternehmerischen Geschäftsverkehr üblich zu einer Deckung, die ihrer Art nach kongruent ist.82 D 36 Die Gewährung bzw. Ermöglichung einer inkongruenten Deckung unterliegt im Grundsatz in vollem Umfang der Anfechtung, unabhängig vom Ausmaß der Inkongruenz. Eine Teilanfechtung kommt nur in Betracht, wenn das Deckungsgeschäft teilbar ist. Entscheidend ist insoweit, ob die Deckung anhand objektiver Kriterien rechtlich und tatsächlich in einen kongruenten und einen inkongruenten Teil aufgespalten werden kann.83 a) Inkongruente Befriedigung aa) Nicht zu beanspruchende Befriedigung (1) Grundsätze D 37 Eine Befriedigung ist nicht geschuldet, wenn kein durchsetzbarer Anspruch des Gläubigers gegeben war. Ist dagegen nur ein vorübergehendes Leistungshindernis gegeben, ist die Leistung im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO nur nicht „zu der Zeit“ geschuldet.84 Von einer nicht zu beanspruchenden Befriedigung ist ferner eine solche abzugrenzen, die nicht „in der Art“ zu beanspruchen war. Wird das eine Kongruenz begründende Kausalgeschäft angefochten, so ist die darauf erbrachte Leistung inkongruent.85 Die Begleichung einer überhöhten, aber rechtswirksam und insolvenzfest vereinbarten Verbindlichkeit ist dagegen stets kongruent; die Anfechtung kann sich allenfals nach § 132 InsO gegen die Vereinbarung der überhöhten Leistung richten.86 D 38 Zu den vom Gläubiger nicht zu beanspruchenden Befriedigungen gehören etwa die Erfüllung unwirksamer, insbesondere formunwirksamer (vgl. §§ 311b Abs. 1 Satz 2, 766 Satz 3 BGB) und anfechtbarer (vgl. §§ 119 ff. BGB) sowie sittenwidriger Verträge (vgl. § 138 BGB), die Erfüllung unvollkommener Verbindlichkeiten aus Spiel, Wette, Lotterie- oder Ausspielvertrag (vgl. §§ 762 f. BGB) und von Verbindlichkeiten, denen eine Einwendung oder eine dauernde Einrede entgegenstand. Denn in der Insolvenz werden nur klagbare Ansprüche berücksichtigt.87 Dazu zählt nach herrschender Auffassung auch die Erfüllung einer verjährten Forderung.88 Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es 82 BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, WM 2013, 213 ff. 83 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 21; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 46; vgl. dazu ferner Rz. B525 ff. 84 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 48. 85 Vgl. BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668 (1671); Schoppmeyer in Kübler/ Prütting/Bork, § 131 Rz. 51; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 14a. 86 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 14a. 87 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 12; Schoppmeyer in Kübler/ Prütting/Bork, § 131 Rz. 49; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 14a. 88 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 12; v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 ff. Rz. 15; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 131 Rz. 14a;

374 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 40 D

nicht gerechtfertigt wäre, einen Gläubiger, der Befriedigung für eine nicht verjährte, aber noch nicht fällige Forderung erhält, schlechter zu stellen als denjenigen, dem der Schuldner auf eine verjährte Forderung Zahlung geleistet hat.89 Inkongruent sind ferner Zahlungen des Schuldners auf Leistungen, die unentgeltlich zu erbringen waren.90 Auch im Fall der Leistung auf eine nach objektiver Rechtslage unabhängig von D 38a einer Einwendung oder Einrede von vornherein nicht bestehende Forderung ist der Zuwendungsempfänger, weil er die Deckung „nicht“ zu beanspruchen hat, als Insolvenzgläubiger anzusehen. Es wäre nicht gerechtfertigt, einen Gläubiger, der eine rechtsgrundlose Leistung erlangt, im Vergleich zu dem Gläubiger, der für einen rechtlich begründeten Anspruch lediglich eine inkongruente Deckung erhält, von der Deckungsanfechtung freizustellen.91 Etwaige Bereicherungsansprüche verdrängen nicht die Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung.92 Es kann lediglich in Einzelfällen an der stets erforderlichen Gläubigerbenachteiligung fehlen, die jedoch schon dann gegeben ist, wenn die Durchsetzung bestehender Bereicherungsansprüche erschwert ist.93 Eine Deckung ist jedoch nicht schon deshalb als inkongruent anzusehen, weil es D 38b an einer Gegenleistung fehlt oder diese hinter dem Wert der Leistung des Schuldners zurückbleibt.94 Unentgeltliche Leistungen unterfallen vielmehr § 134 InsO. (2) Einzelfälle Inkongruent ist die Erfüllung aufschiebend bedingter Ansprüche vor dem Eintritt D 39 der Bedingung. Streitig ist, ob die Deckung kongruent wird, wenn die Bedingung später, etwa nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, eintritt.95 Wird dagegen ein auflösend bedingter Anspruch erfüllt, liegt eine kongruente Deckung vor, da der Gläubiger die Leistung gemäß § 42 InsO auch in der Insolvenz zu beanspruchen hat; tritt die auflösende Bedingung später ein, kann die Leistung als rechtsgrundlos kondiziert werden.96 Überträgt ein Arbeitgeber in den kritischen Zeiträumen des § 131 Abs. 1 InsO D 40 seine Rechte aus einer Direktversicherung auf den versicherten Arbeitnehmer, so kann der Insolvenzverwalter im Wege der Anfechtung die Rückgewähr zur

89 90 91 92 93 94 95 96

HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 131 Rz. 4; Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 8 – a.A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.57. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 8. BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093 (1094). Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 12; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 7. Vgl. BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (105 f.); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 6. BGH v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. Rz. 26 ff. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 12; Schoppmeyer in Kübler/ Prütting/Bork, § 131 Rz. 27; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 6. Bejahend MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 15 und Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 50; verneinend Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 8 und Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 6. Vgl. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 8. Schfer

375

D Rz. 40

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

Insolvenzmasse verlangen, wenn dem Arbeitnehmer noch keine unverfallbare Anwartschaft im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung zustand. Die Abtretung benachteiligt die Insolvenzgläubiger, weil der Schuldner damit sein Vermögen in Höhe des Rückkaufswertes der Versicherung schmälert.97 D 41 Inkongruent ist ferner die Erbringung von Vorschusszahlungen an einen Rechtsanwalt für bereits abgeschlossene Angelegenheiten, da mit Abschluss einer Angelegenheit der Vergütungsanspruch fällig wird und der Vorschussanspruch erlischt. Ein anfechtungsrechtlich privilegiertes Bargeschäft gemäß § 142 InsO liegt insoweit nicht mehr vor, wenn ein Rechtsanwalt Vorleistungen erbracht hat, die der in der Krise befindliche Mandant mehr als 30 Tage später vergütet.98 Die Tilgung einer anwaltlichen Gebührenforderung, die – ohne schriftliche Honorarvereinbarung – den gesetzlichen Gebührenrahmen übersteigt, ist in diesem Umfang inkongruent.99 Erhält ein Gesellschafter Gewinn ausbezahlt, obwohl nur ein Scheingewinn gegeben war, ist die Auszahlung inkongruent.100 D 42 Ist eine Kündigungsabfindung bei objektiver Betrachtung zu hoch festgesetzt, soll nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf101 eine Anfechtung wegen Inkongruenz möglich sein. Dies dürfte jedoch nicht zutreffen. Die Abfindungsvereinbarung ist nicht als nachträgliche Abänderung des Dienstvertrages anzusehen. Da die überhöhte Leistung vielmehr in einem eigenständigen Vertrag vereinbart wurde, kommt nur die Anfechtung nach § 132 InsO in Betracht.102 Vergleichen sich ein Bauunternehmer, der ein nachbesserungsbedürftiges Werk abgeliefert hat, und der Auftraggeber über die Höhe des geschuldeten Werklohns in der Weise, dass dieser unter Verzicht auf eine Nachbesserung ermäßigt wird, kann allerdings in dem Verzicht auf die weiter gehende Forderung ein inkongruentes Deckungsgeschäft liegen.103 D 43 Eine Überweisung des Schuldners ist inkongruent, wenn dem Gläubiger zu dem Zeitpunkt, in dem sein Anspruch gegen das Kreditinstitut auf Gutschrift des Geldeingangs entsteht, keine durchsetzbare Forderung gegen den Schuldner zusteht.104 D 44 Die auf eine Vormerkung hin erlangte Befriedigung stellt eine inkongruente Deckung dar, wenn der zu sichernde Anspruch in den kritischen Anfechtungszeiträumen des § 131 InsO entstanden ist.105

97 BAG v. 19.11.2003 – 10 AZR 110/03, BAGE 108, 367 ff. = MDR 2004, 414. 98 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167 (190 ff.) = FamRZ 2006, 1196 = MDR 2007, 113 = BRAK 2006, 231; kritisch dazu Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 23. 99 Vgl. LG Wuppertal v. 27.12.2001 – 2 O 11/01, ZInsO 2002, 337 (338 f.); MK-InsO/ Kayser, § 131 Rz. 14. 100 Vgl. BAG v. 21.2.1984 – 3 AZR 451/81, veröffentlicht bei juris. 101 OLG Düsseldorf v. 13.4.1989 – 12 U 81/88, ZIP 1989, 1072 ff. 102 Zutr. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 52. 103 BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 128/01, MDR 2004, 1320 = ZInsO 2004, 803 ff. 104 BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, MDR 2002, 1270 = ZIP 2002, 1408 ff. 105 Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 131 Rz. 20.

376 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 44e D

Inkongruent ist die Nachforderung eines Auftragnehmers, welcher die Einrede D 44a einer vorausgegangenen Schlussrechnung gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B entgegensteht.106 Fällt auf Lieferungen des Schuldners an Abnehmer – oder umgekehrt – in der kri- D 44b tischen Zeit Umsatzsteuer an, soll wohl nach der Rechtsprechung des BFH107 den §§ 1, 16 UStG zu entnehmen sein, dass die Steuerforderung des Fiskus originär und kongruent entsteht, obwohl dieser vorher keinen Anspruch auf Abschluss des steuerpflichtigen Geschäfts hatte.108 Erlangt der Gläubiger aus einer erfüllungshalber abgetretenen Forderung Befrie- D 44c digung, handelt es sich um eine inkongruente Deckung, wenn die Abtretung ihrerseits anfechtbar ist. Dies verdeutlicht ein Urteil des BGH vom 19.12.2013:109 BGH-Urteil vom 19.12.2013 – NJW 2014, 1239 ff. Die Schuldnerin betrieb auf den vom Beklagten gepachteten Flächen eine Erd- D 44d beerplantage. Aufgrund erheblicher Zahlungsrückstände sowohl aus dem Pachtals auch aus einem Darlehensvertrag vereinbarten die Beteiligten am 4.5.2007 einen Zahlungsplan, den die Schuldnerin in der Folge nicht einhielt. Der Beklagte kündigte daraufhin am 29.1.2008 die Verträge und berief sich auf sein Verpächterpfandrecht. Am 10.3.2008 schlossen der Beklagte und die Schuldnerin einen Saisonpachtvertrag für den Zeitraum vom 11.3. bis zum 20.7.2008. Danach sollten die Erlöse aus der Erdbeerernte grundsätzlich der Schuldnerin zustehen, wobei diese sich jedoch verpflichtete, die Abnehmerin anzuhalten, an elf Abrechnungsterminen jeweils 10 900 Euro einzubehalten und direkt an den Beklagten unter vorrangiger Anrechnung auf die rückständige Darlehensschuld auszuzahlen. Am 18.6.2008 erhielt der Beklagte aus dem Verkauf der Erdbeeren ca. 23 000 Euro. Der klagende Insolvenzverwalter focht diese Zahlung (letztlich mit Erfolg) an. Der BGH weist zunächst darauf hin, dass das Verpächterpfandrecht des Beklag- D 44e ten – anders als vom Berufungsgericht angenommen – zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits erloschen gewesen sei. Die Abtretung der Ansprüche aus der Veräußerung der Erdbeeren sei erfüllungshalber geschehen (vgl. § 364 Abs. 2 BGB). In einem solchen Fall erlösche das Schuldverhältnis erst, wenn der Gläubiger sich aus dem Geleisteten befriedige.110 Zuvor könne daher auch ein Verpächterpfandrecht, das die zu befriedigende Forderung sichere, nicht abgelöst werden. Als der Beklagte am 18.6.2008 Befriedigung erlangt habe, sei das Verpächterpfandrecht erloschen gewesen, da die Erdbeeren bereits geerntet und zum Zwe-

106 Vgl. Heidland, Der Bauvertrag in der Insolvenz von Auftraggeber und Auftragnehmer, Rz. 524 f.; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 14a. 107 Vgl. BFH v. 16.11.2004 – VII R 75/03, ZIP 2005, 628 (629 f.) – a.A. Onusseit, ZInsO 2005, 638 (642); Bork, ZInsO 2003, 684 (689). 108 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 15. 109 BGH v. 19.12.2013 – IX ZR 127/11 – „Erdbeerplantage“, NJW 2014, 1239 ff. 110 BGH v. 19.12.2013 – IX ZR 127/11, NJW 2014, 1239 ff. Rz. 12 mit Hinweis auf BGH v. 20.11.1997 – IX ZR 152/96, NJW 1998, 746 ff.; MK-BGB/Fetzer, § 364 Rz. 6. Schfer

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D Rz. 44e

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

cke der Veräußerung entfernt gewesen seien. Es komme daher nicht darauf an, ob es sich bei der vorrangig gesicherten Darlehensforderung um eine Forderung „aus dem Pachtverhältnis“ im Sinne des § 592 Satz 1 BGB gehandelt habe.111 D 44f Das Berufungsurteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Vielmehr sei die Abtretung zugunsten der Beklagten nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Nach der Rechtsprechung des BGH bilde eine inkongruente Deckung in der Regel ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und für die Kenntnis des Gläubigers von diesem Vorsatz, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt einträten, als zumindest aus der Sicht des Leistungsempfängers Anlass bestanden habe, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.112 Der Beklagte habe auf die erfüllungshalber erfolgte Abtretung der Ansprüche aus der Veräußerung der Erdbeeren keinen Anspruch gehabt. Sie stelle daher eine inkongruente Deckung dar. Auch die übrigen Voraussetzungen der §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO lägen vor. Die Zahlung der Abnehmerin an den Beklagten sei am 18.6.2008 und damit im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag erfolgt. Sie sei inkongruent gewesen, weil auch die Abtretung vom 10.3.2008 anfechtbar gewesen und deshalb das Forderungsrecht des Beklagten nicht insolvenzfest begründet worden sei.113 bb) Spezialfall Aufrechnung bzw. Verrechnung (1) Grundsätze D 45 Die Frage, ob die Befriedigung durch Aufrechnung oder Verrechnung als kongruent oder als inkongruent anzusehen ist, hängt davon ab, ob der Gläubiger einen Anspruch auf die Herbeiführung der Aufrechnungs- bzw. Verrechnungslage hatte.114 Die Herstellung der Aufrechnungslage und die dadurch ermöglichte Befriedigung sind inkongruent, wenn der Aufrechnende zuvor keinen Anspruch auf die Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ.115 Die Aufrechnungslage ist inkongruent erlangt, wenn sich der Anspruch zur Aufrechnung bzw. Verrechnung nicht aus dem zuerst zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsgeschäft ergibt.116 Auch die Art und Weise der Erfüllung kann nach der Rechtsprechung des BGH inkongruent sein, etwa im Fall der Leistung erfüllungshalber oder an Erfüllungs Statt. Es überzeuge daher nicht,

111 Vgl. BGH v. 6.12.1972 – VIII ZR 179/71, BGHZ 60, 22 ff. 112 BGH v. 19.12.2013 – IX ZR 127/11, NJW 2014, 1239 ff. Rz. 17 mit Hinweis auf BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579 ff. Rz. 33. 113 BGH v. 19.12.2013 – IX ZR 127/11, NJW 2014, 1239 ff. Rz. 19 mit Hinweis auf MKInsO/Kayser, § 131 Rz. 35a; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 9; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 31. 114 Vgl. BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294; v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, MDR 2005, 51 = NJW 2004, 3118 ff.; Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 18; Uhlenbruck/Ede/ Hirte, § 131 Rz. 51; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 131 Rz. 6. 115 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, MDR 2005, 51 = NJW 2004, 3118 (3119); v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, MDR 2004, 353 = ZInsO 2003, 1101 ff.; v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (240) = MDR 2001, 1013. 116 BGH v. 12.3.2015 – IX ZR 5/13, juris Rz. 9.

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III. Einzelheiten

Rz. 47 D

die Herstellung der Aufrechnungslage schon deshalb als kongruent anzusehen, weil die Aufrechnung in ihrer Wirkung der Erfüllung gleichstehe.117 Eine inkongruente Deckung ist gegeben, wenn einem Insolvenzgläubiger durch D 46 einen Vertragsschluss in der Krise des Schuldners eine gegen den Schuldner gerichtete Forderung verschafft wird, mit der er gegenüber einer Forderung des Schuldners aufrechnen kann.118 Verkauft daher etwa der spätere Insolvenzschuldner in den Anfechtungszeiträumen des § 131 Abs. 1 InsO ohne vorherige Verpflichtung Ware an einen Gläubiger, so ist die gegenüber der daraus resultierenden Kaufpreisforderung hergestellte Aufrechnungslage inkongruent.119 Erfüllt ein Schuldner des späteren Insolvenzschuldners eine diesem gegenüber bestehende Verpflichtung nicht, um mit einer erst später fällig werdenden Forderung aufrechnen zu können, hat er diese Aufrechnungslage in inkongruenter Weise ermöglicht.120 Entscheidender Zeitpunkt für die Frage der Kongruenz der Aufrechnung bzw. D 47 Verrechnung ist der Zeitpunkt, zu dem die Aufrechnungs- bzw. Verrechnungslage eintritt.121 Gemäß § 140 Abs. 1 InsO ist entscheidend, wann das Gegenseitigkeitsverhältnis durch die Verknüpfung der gegenseitigen Forderungen begründet wurde. Dagegen ist es unerheblich, ob die Forderung des Schuldners oder die des Insolvenzgläubigers früher entstanden oder fällig geworden ist.122 Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es somit für die Anfechtbarkeit des Erwerbs der Aufrechnungslage nicht darauf an, wann die Aufrechnung (rechtlich) zulässig wurde, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die spätere Forderung entstand und damit das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet wurde. Dafür ist grundsätzlich der Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände maßgebend.123 Maßgebliche Rechtshandlung für die Möglichkeit der Aufrechnung von Mietzinsansprüchen gegen Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von Guthaben aus Nebenkostenvorauszahlungen sollte insoweit nach der früheren Rechtsprechung des BGH gemäß § 140 Abs. 3 InsO der Abschluss des Mietvertrages sein. Die Forderung der Masse auf Rückzahlung zuviel vorausgezahlter Nebenkosten sei zwar erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Auf diesen Zeitpunkt komme es jedoch anfechtungsrechtlich nicht an. Der Anspruch der Masse sei bedingt durch den Ablauf des Abrechnungszeitraums und eine tatsächlich eingetretene Überzahlung gewesen, so dass gemäß § 140 Abs. 3 InsO auf den Abschluss des Mietvertrages abzustellen sei.124 117 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, MDR 2005, 51 = NJW 2004, 3118 (3119); a.A. Häsemeyer, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 657 Rz. 35. 118 BGH v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, GmbHR 2004, 799 = MDR 2004, 963 = ZInsO 2004, 548 ff.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 8. 119 BGH v. 22.4.2004 – IX ZR 370/00, MDR 2004, 1079 = ZInsO 2004, 739 ff. 120 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 43a. 121 Vgl. dazu MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 16, 43a; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 135 ff. 122 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 12; HK-InsO/Kayser, § 96 Rz. 36. 123 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff. Rz. 13; MK-InsO/ Kayser, § 140 Rz. 50. 124 BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, MDR 2005, 596 = ZIP 2005, 181 f. Schfer

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D Rz. 48

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

D 48 Von dieser Rechtsprechung ist der BGH inzwischen jedoch zu Recht abgerückt.125 Er stellt nunmehr maßgeblich auf die im wirtschaftlichen Ergebnis einer Vollstreckung gleichkommenden Rechtsfolgen der Aufrechnung ab. Allein eine mit Abschluss eines Vertrages entstandene Aufrechnungslage bringe dem Gegner noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen. Solange der Schuldner nichts geleistet habe, wofür der Gläubiger eine Vergütung schulde, bestehe für ihn keine Befriedigungsmöglichkeit im Wege der Aufrechnung. Die Aufrechnungslage als Befriedigungsmöglichkeit entstehe vielmehr erst durch die Inanspruchnahme der Leistung des Schuldners. Es komme also darauf an, wann dessen Forderung werthaltig geworden sei. Erst dann seien die rechtlichen Wirkungen eingetreten, die für die Beurteilung der Aufrechnungslage nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO maßgebend seien.126 (2) „Werthaltigmachen der Aufrechnungslage“ D 49 Diese neuere Rechtsprechung des BGH zum „Werthaltigmachen der Aufrechnungslage“ ist die konsequente Fortführung seiner Rechtsprechung zum Werthaltigmachen vorausabgetretener Forderungen,127 die ihrerseits auf „Aufrechnungsfälle“ zurückgeht.128 Sie ist zugleich von wesentlicher Bedeutung für die Frage der Kongruenz oder Inkongruenz der Herbeiführung der Aufrechnungslage. Ob eine Befriedigung oder Sicherung kongruent oder inkongruent ist, ist auch im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO davon abhängig, ob der Insolvenzgläubiger einen Anspruch auf die Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit hatte.129 Danach ist die im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages hinsichtlich der wechselseitigen Ansprüche eingetretene bzw. herbeigeführte Aufrechnungs- bzw. Verrechnungslage im Grundsatz kongruent.130 Wird der Gläubiger, der vom Insolvenzschuldner eine Zahlung zu fordern hat, durch pflichtgemäßes Verhalten seinerseits Schuldner einer Gegenforderung des späteren Insolvenzschuldners, so ist die Aufrechnungslage dem Grunde nach kongruent hergestellt.131 Kongruent ist nach der Rechtsprechung des BGH ferner die Herbeiführung der Aufrechnungslage durch eine entgeltliche Nutzung von Gegenständen, welche der Anfechtungsgegner schon vor der kritischen Zeit vertraglich zu beanspruchen

125 Vgl. BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 13 = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 126 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08 – „Behördenabgleich“, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 11; v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290 Rz. 13; vgl. dazu noch BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, MDR 2002, 355 = ZIP 2001, 2055 (2056). 127 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411. 128 Vgl. BGH v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 (254 f.); v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98 – „Lili Marleen“, BGHZ 147, 28 (35). 129 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294 Rz. 4; HK-InsO/Kayser, § 96 Rz. 38. 130 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 137 – a.A. G. Fischer, WM 2008, 1 (6); vgl. dazu noch BGH v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274 ff. = MDR 2005, 1344: Aufrechnung mit Schadensersatzanspruch gegenüber Werklohnforderung. 131 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff. Rz. 27.

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III. Einzelheiten

Rz. 52 D

hatte.132 Hat der Gläubiger die Aufrechnungslage erst durch die Nutzung der auf der Baustelle befindlichen Sachen des in der Krise befindlichen Schuldners hergestellt, so ist nach der Rechtsprechung des BGH eine kongruente Deckung gegeben, wenn ihm schon vor der kritischen Zeit ein schuldrechtlicher Anspruch gerade auf diese Nutzung aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung zustand.133 Dagegen fällt etwa die Aufrechnung mit einer außerhalb des Kontokorrentverhältnisses begründeten Forderung unter § 131 InsO.134 An einem solchen Anspruch auf Herbeiführung der Aufrechnungslage fehlt es D 50 auch dann, wenn der Schuldner in der Krise eine Werklohnforderung werthaltig macht, gegenüber der sein Vertragspartner später mit Forderungen aus einem anderen Schuldverhältnis aufrechnet.135 Denn es genügt nicht, dass der Vertragspartner des Schuldners aufgrund des Werkvertrages Anspruch auf die Werkleistungen hatte.136 Hinzukommen müsste vielmehr das Recht, sich durch die Entgegennahme der Werkleistungen Befriedigung durch Aufrechnung für die Forderungen aus einem anderen Schuldverhältnis zu verschaffen, die ohne die Herbeiführung der Aufrechnungslage nur als Insolvenzforderungen hätten geltend gemacht werden können. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang noch die Entscheidung des BGH D 51 vom 9.2.2006.137 Dort hatte der Geschäftsführer der Beklagten am 10.9.1999 einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Schuldnerin an die Beklagte abgetreten. Am 27.9.1999 hatte die Schuldnerin aufgrund einer Bestellung vom gleichen Tage Waren an die Beklagte geliefert. Am 6.10.1999 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin rechnete die Beklagte gegenüber dem Kaufpreisanspruch mit dem abgetretenen Aufwendungsersatzanspruch auf. Ob die Begründung der Aufrechnungslage zu einer kongruenten oder einer in- D 52 kongruenten Deckung führt, richtet sich nach dem Urteil des BGH danach, ob der Aufrechnende einen Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung hatte, welche die Aufrechnungslage entstehen ließ, oder ob dies nicht der Fall war.138 § 131 InsO bezeichnet jede Rechtshandlung als inkongruent, die dem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt, auf die er keinen Anspruch hatte. Deshalb ist die Herstellung einer Aufrechnungslage inkongruent, soweit die Aufrechnungsbefugnis sich nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt. Dementsprechend gibt ein An132 BGH v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 (253 ff.) = MDR 2001, 152. 133 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05 – „ARGE (1)“, BGHZ 170, 206 ff. = MDR 2007, 740; vgl. dazu noch BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 ff. Rz. 26 = MDR 2001, 1013; kritisch dazu oben Rz. B189 ff. 134 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294. 135 Vgl. OLG München v. 8.9.2009 – 5 U 2499/09, ZInsO 2009, 2151 ff. 136 A.A. OLG Stuttgart v. 13.10.2005 – 13 U 78/05, veröffentlicht bei juris. 137 BGH v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03 – „letter of intent“, MDR 2006, 1314 = ZIP 2006, 818 ff. 138 Vgl. dazu noch BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (240) = MDR 2001, 1013; v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (395 f.) = MDR 2005, 51; v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, MDR 2004, 353 = WM 2003, 2458 (2459). Schfer

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D Rz. 52

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

waltsvertrag keinen Anspruch auf Erfüllung des Vergütungsanspruchs durch Verrechnung mit eingezogenen Mandantenforderungen, so dass eine durch Aufrechnung herbeigeführte Befriedigung ebenfalls inkongruent ist.139 D 52a Entscheidend ist somit nicht, ob der Gläubiger des Schuldners zum Abschluss eines Gegengeschäfts berechtigt war, sondern ob er ihn konkret zu beanspruchen hatte;140 eine allgemeine Verpflichtung des Schuldners, in einem bestimmten Zeitraum beim Gläubiger Einkäufe mit einem bestimmten Gegenstandswert zu tätigen, genügt nicht ohne weiteres.141 Sogar wenn die Gegenseitigkeit vertragsgerecht hergestellt wurde, ist stets zusätzlich zu prüfen, ob die Aufrechnung „zur rechten Zeit“ erfolgte.142 Erfüllt ein Schuldner des späteren Insolvenzschuldners eine diesem gegenüber bestehende Verpflichtung nicht, um mit einer erst später fällig werdenden Gegenforderung aufrechnen zu können, hat er diese Aufrechnungslage in inkongruenter Weise ermöglicht.143 D 53 Die in der Krise des Schuldners auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützte Aufrechnung ist unwirksam, da die Gegenseitigkeit erst durch die Erklärung der Aufrechnung und somit erst in der Krise hergestellt wurde.144 D 53a Die Frage der Kongruenz oder Inkongruenz der Herbeiführung einer Aufrechnungslage veranschaulicht ein Urteil des OLG München vom 8.9.2009:145 Urteil des OLG München vom 8.9.2009 – ZIP 2010, 638 ff. D 53b Aufgrund eines Insolvenzantrages vom 17.11.2004 wurde am 18.1.2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Schuldnerin hatte „deutlich vor dem 17.8.2004“ mit dem verklagten Land – vertreten durch das staatliche Bauamt F. – Bauverträge abgeschlossen. Wegen offenstehender Steuerforderungen hatte das Finanzamt in F. am 3.8.2004 gegen die Schuldnerin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlassen. Auf Veranlassung des Finanzamts F. erklärte die Staatsoberkasse des verklagten Landes die Aufrechnung mit den offenstehenden Steuerforderungen gegenüber der Werklohnforderung der Schuldnerin. Der klagende Insolvenzverwalter focht mit der Begründung an, dass ein Teil der Bauleistungen im Wert von ca. 52 000 Euro erst ab dem 17.8.2004 erbracht worden sei. D 53c

Nach Ansicht des OLG München hatte das verklagte Land die Leistungen der Schuldnerin gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO in anfechtbarer Weise erlangt. Dem Land habe bis zur Entgegennahme der Leistungen der Schuldnerin noch keine 139 Vgl. BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = BRAK 2007, 230 = ZIP 2007, 1507 ff.; vgl. dazu ferner Kirchhof, ZInsO 2005, 340 ff. 140 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 16. 141 BGH v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03, ZIP 2006, 818 ff. Rz. 15. 142 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 17 a.E. 143 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 43a; Paulus/Schröder, WM 1999, 253 (256). 144 Vgl. BGH v. 15.7.2004 – IX ZR 224/03, BGHZ 160, 107 ff. = MDR 2005, 115. 145 OLG München v. 8.9.2009 – 5 U 2499/09, ZIP 2010, 638 ff.; bestätigt durch BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 183/09, veröffentlicht bei juris.

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III. Einzelheiten

Rz. 53e D

unentziehbare Rechtsposition zugestanden, denn bis dahin habe es noch keinen Hauptanspruch gegeben, gegenüber dem das Land hätte aufrechnen können. Aufgrund der Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts habe das Land die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gekannt. Da das Finanzamt Initiator der durch die Staatsoberkasse erklärten Aufrechnung gewesen sei, komme es auf die vom verklagten Land problematisierte Kenntniszurechnung zwischen verschiedenen Behörden nicht an. Der BGH hat das Berufungsurteil nicht unter dem Gesichtspunkt der Anfecht- D 53d barkeit nach den §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO, sondern nach den §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO bestätigt. Auf Fragen der Wissenszurechnung zwischen Behörden kam es daher für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an. Wichtig ist dabei zunächst der Hinweis des BGH, eine kongruente Deckung könne nicht mit der Begründung angenommen werden, dass die Aufrechnungslage bereits mit dem Abschluss des Werkvertrages begründet worden sei. Vielmehr sei die Begründung der Aufrechnungslage nach seiner gefestigten Rechtsprechung nur dann kongruent, wenn der aufrechnende Insolvenzgläubiger einen Anspruch auf die Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit gehabt habe.146 Das verklagte Land habe zwar einen Anspruch auf Begleichung der Steuerschulden durch Zahlung, nicht aber auf Befriedigung durch Aufrechnung, gehabt.147 Durch das Senatsurteil vom 11.2.2010 sei geklärt, ob es für die Anfechtbarkeit der Herstellung einer Aufrechnungslage auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Werkvertrages oder auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung ankomme. Danach sei eine mit Abschluss eines Vertrages entstandene Forderung erst ab dem Zeitpunkt und nur insoweit zu berücksichtigen, als sie – etwa durch Erbringung der versprochenen Leistung – werthaltig geworden sei und dem Gläubiger durch die Aufrechnung eine tatsächliche Befriedigung seiner Forderung ermögliche. Diese neuere Rechtsprechung des BGH ist die konsequente Fortführung seiner D 53e Rechtsprechung zum Werthaltigmachen vorausabgetretener künftiger Forderungen, die ihrerseits auf „Aufrechnungsfälle“ zurückgeht.148 Der BGH war noch im Urteil vom 11.11.2004149 davon ausgegangen, dass die maßgebliche Rechtshandlung für die Möglichkeit der Aufrechnung von Mietzinsansprüchen gegen Ansprüche auf Auszahlung von Guthaben aus Nebenkostenvorauszahlungen der Abschluss des Mietvertrages sei. Davon ist er jedoch später zu Recht abgerückt.150 Auch eine Werklohnforderung, auf die noch keine Werkleistungen erbracht wurden, ist nicht lediglich „betagt“ im Sinne des § 163 BGB,151 also nur in ihrer Durchsetzbarkeit vom Beginn oder vom Ablauf einer bestimmten Frist abhängig.152 Sie muss vielmehr erst noch durch Leistungen des Werkunternehmers 146 Vgl. BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294 Rz. 4; v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (393 f.). 147 Vgl. dazu noch BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZInsO 2011, 283 ff. Rz. 41. 148 Vgl. BGH v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98 – „Lili Marleen“, BGHZ 147, 28 (35); v. 28.9.2000 VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 (254 f.). 149 BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03 – „Mietnebenkosten“, ZIP 2005, 181 f. 150 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 13. 151 So aber noch BGH v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336 (344). 152 Vgl. BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 20. Schfer

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D Rz. 53e

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

werthaltig gemacht werden; geschieht dies in der Krise des Schuldners zu Lasten der künftigen Insolvenzmasse, so unterliegt dies der Anfechtung. (3) Aufrechnung bzw. Verrechnung im Kontokorrent D 54 Die Frage der Kongruenz oder Inkongruenz der von einer Bank im Rahmen des Kontokorrentverhältnisses erlangten Deckung hängt davon ab, ob die Bank einen durchsetzbaren Anspruch auf Rückführung des Kontokorrentkredits hatte. Dies ist im Grundsatz erst nach einer Kündigung des Kredits der Fall.153 Eine Kontosperre der Bank beinhaltet für sich genommen noch keine Kündigung des Kreditverhältnisses. Mit ihr sichert die Bank vielmehr nur die Durchsetzung des ihr nach den AGB-Banken zustehenden Pfandrechts.154 Bei einer nur geduldeten Kontoüberziehung des Schuldners kann die Bank ohne vorausgegangene Kündigung Befriedigung verlangen.155 Es ist jedoch stets zu prüfen, ob in der Duldung der Kontoüberziehung eine stillschweigende Erweiterung der Kreditlinie zu sehen ist.156 Die Erklärung der Bank, sie werde einzelne Verfügungen des Schuldners zulassen, beinhaltet im Grundsatz nicht die Zurücknahme einer zuvor ausgesprochenen Kündigung.157 Andererseits soll nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur eine geduldete Kontoüberziehung, sondern eine Kreditgewährung gegeben sein, wenn die Bank den Schuldner einschränkungslos über vorläufig erteilte Gutschriften verfügen lässt.158 D 55 Auch der BGH geht inzwischen zu Recht davon aus, dass die mittelbare Zuwendung des Schuldners an seinen Gläubiger im Falle der geduldeten Kontoüberziehung nur „infolge und nach Einräumung“ des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt werden kann. Die mehrfache Duldung einer Überziehung genüge indes nicht, um von einer konkludenten Erweiterung der Kreditlinie ausgehen zu können.159 D 56 Beruht die Fälligkeit eines Kredits auf einer Kündigung durch den Gläubiger, so liegt in der Befriedigung seiner Forderung grundsätzlich eine kongruente Deckung, wenn der Kündigung ein wirksamer Kündigungsgrund zugrunde liegt. Dies gilt nach herrschender Meinung auch dann, wenn die Kündigung innerhalb des kritischen Zeitraums erfolgte.160 Der BGH hat im Urteil vom 14.5.2009161 offen gelassen, ob auch dann von einer kongruenten Deckung auszugehen ist, 153 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 4/11, ZIP 2012, 537 ff. Rz. 8; v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZIP 2004, 620 ff. 154 Vgl. dazu noch BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 9/03, MDR 2004, 649 = ZIP 2004, 324 ff. 155 BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10 Rz. 13 AG 2011, 512; v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 9 = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. 156 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, MDR 2004, 1381 = ZIP 2004, 1464 f. Rz. 15; v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, MDR 2005, 834 = ZIP 2005, 585 ff. 157 BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, MDR 2001, 761 = NJW 2001, 1650 (1651). 158 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 210/07, MDR 2008, 821 = NJW 2008, 1535. 159 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05 – „Kontoüberziehung“, BGHZ 182, 317 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. 160 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 13; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 41a; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 69 f. 161 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 13 = MDR 2009, 1069.

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III. Einzelheiten

Rz. 57 D

wenn die Kündigung der Bank innerhalb des kritischen Zeitraums ausgesprochen wurde.162 Die Kündigung selbst kann allerdings unter Umständen als eine die Befriedigung ermöglichende Rechtshandlung angefochten werden. Entscheidend ist insoweit, ob der Kündigungsgrund in anfechtbarer – im Rahmen des § 131 InsO in inkongruenter – Weise herbeigeführt wurde. Dies ist nicht der Fall, wenn sich der Kündigungsgrund schon aus dem Gesetz oder aus dem Vertrag ergibt, bspw. wenn die Kündigung auf einer Pflichtverletzung des Schuldners beruht.163 Kongruent ist daher – in den Grenzen des § 119 InsO – regelmäßig die durch Kündigung nach Nr. 19 AGB-Banken bzw. Nr. 26 AGB-Sparkassen herbeigeführte Fälligkeit des Kredits.164 Setzt die Bank das Kontokorrentverhältnis in der Krise des Schuldners ohne Kün- D 57 digung absprachegemäß fort, sind die von ihr vorgenommenen Verrechnungen kongruent, sofern sie den Debetsaldo nicht zu ihren Gunsten verringert.165 Eine durch die Verrechnung bewirkte, inkongruente Deckung liegt insoweit vor, als die Summe der verrechneten Eingänge die der Ausgänge übersteigt.166 Es ist darauf abzustellen, ob der Sollstand zu Beginn des Anfechtungszeitraums höher war als an dessen Ende. Auf den höchsten Sollstand im Anfechtungszeitraum kommt es nicht an.167 Die Verrechnung im Rahmen der fortgesetzten Giroabrede ist nur so lange kongruent, wie sie der fremdnützigen Erfüllung von Vertragspflichten gegenüber sachlich betroffenen Auftraggebern (Funktion als Zahlstelle) und nicht der Deckung wegen eigener Forderungen der Bank dient.168 Eine Verrechnung, die mittelbar auch der Bank zugutekommt, etwa weil sie sich für die Verbindlichkeit des Schuldners verbürgt hat, stellt eine inkongruente Deckung dar.169 Auch die Aufrechnung mit einer außerhalb des Kontokorrentverhältnisses begründeten Forderung fällt unter § 131 InsO.170 Die Frage der Inkongruenz von Verrechnungen im debitorischen Bankenkontokorrent kann bei der Anfechtung von Rechtshandlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor der Stellung des Insolvenzantrages für den gesamten Anfechtungszeitraum nur einheitlich beantwortet werden, weil ein späteres Verhalten des Gläubigers die Inkongruenz dadurch beseitigen kann, dass er weitere Verfügungen des Schuldners zu Lasten des Kontos zulässt. Wird das Kontokorrent nicht vorher gekündigt, läuft der Anfechtungszeitraum bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.171 Für den Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist demgegenüber geklärt, dass allein auf den letzten Monat vor Antragstellung und die Zeit danach 162 Vgl. dazu MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 41a; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 69 f. 163 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 69 f. 164 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 41a. 165 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff.; v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, NotBZ 2009, 458 = MDR 2009, 1005 = ZIP 2009, 1124 f. 166 BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, MDR 2008, 346 = ZIP 2008, 235 ff. Rz. 15. 167 BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. Rz. 17; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 131 Rz. 49. 168 Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff. 169 Vgl. BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, MDR 2008, 348 = ZInsO 2008, 163 f. 170 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294. 171 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 f.; v. 15.3.2012 – IX ZR 36/10, juris Rz. 2. Schfer

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D Rz. 57

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

abzustellen ist. Der Kontoverlauf ist demgegenüber unbeachtlich, weil er für die verschärfte Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ohne Bedeutung ist. Die Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO erweitert zwar unter strengeren Voraussetzungen die Anfechtbarkeit inkongruenter Deckungshandlungen auf die beiden vorangehenden Monate, kann aber nicht umgekehrt die erleichterte Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO einschränken.172 D 58 Werte, die einer Bank mit einer besonderen Zweckbestimmung überlassen wurden, unterliegen im Falle der Ablehnung des Auftrages nicht dem Pfandrecht nach Nr. 19 AGB-Banken und können nicht (kongruent) mit einem bestehenden Debetsaldo verrechnet werden.173 Verrechnet eine Bank die für den Kunden eingehenden Zahlungen mit ihrem noch nicht fälligen Anspruch auf Darlehensrückzahlung, ist die dadurch erlangte Befriedigung indes nicht inkongruent, wenn die Verrechnung mit dem Kunden vereinbart war.174 D 58a Im Rahmen eines „Cash-Pools“ wird die Bank in der Regel nur als Leistungsmittlerin tätig.175 Durch die auf dem Konto der späteren Insolvenzschuldnerin erfolgten Gutschriften wird die Bank zwar zu deren Schuldnerin. Sie erlangt aber durch die Gutschriften und die Weiterleitung der Zahlungseingänge auf das Zielkonto weder eine Sicherung noch eine Befriedigung auf eine Insolvenzforderung. Sollte an einem Tag durch Belastungsbuchungen auf dem am Tagesanfang auf null stehenden Konto ein Debet angewachsen sein, hatte die Bank einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen gemäß § 670 BGB, der durch Abbuchung vom Zielkonto ausgeglichen wurde. Diese Deckung war kongruent, weil sie der „Cash-Pool“-Vereinbarung entsprach, und als Bargeschäft gemäß § 142 InsO nicht anfechtbar. War der Schuldnerin auf ihrem Konto kein Kontokorrentkredit eingeräumt, kann die Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit von Gutschriften im ungekündigten Kontokorrentkredit keine Anwendung finden.176 cc) Nicht „in der Art“ zu beanspruchende Befriedigung (1) Grundsätze D 59 Eine „nicht in der Art“ zu beanspruchende Befriedigung ist gegeben, wenn die tatsächlich erbrachte Leistung von der nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses geschuldeten Leistung abweicht.177 Dies ist etwa der Fall, wenn der Schuldner anstelle der Erfüllung einer fälligen Verbindlichkeit dem Gläubiger eine Sicherheit zum Zwecke der Befriedigung zur Verfügung stellt.178 Leistungen an Erfüllungs Statt und erfüllungshalber stellen daher keine Befriedigungen dar, 172 173 174 175 176 177

BGH v. 15.3.2012 – IX ZR 36/10, juris Rz. 2. BGH v. 4.4.1979 – VIII ZR 96/78, BGHZ 74, 129 ff. BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 42/08, MDR 2010, 717 = ZIP 2010, 588. Vgl. BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff. Rz. 18. BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff. Rz. 19 f. BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 44/05, MDR 2007, 300 = ZIP 2006, 1591 ff. Rz. 12; v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZIP 2004, 1060 (1061); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 10. 178 BGH v. 8.10.1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008 ff. Rz. 29.

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III. Einzelheiten

Rz. 59b D

die der Gläubiger in der geschehenen Art zu beanspruchen hat.179 Wer die Abtretung einer Forderung zur Sicherheit verlangen kann, hat damit noch keinen Anspruch auf Abtretung zum Zwecke der Befriedigung seiner Geldforderung.180 Eine in den kritischen Zeiträumen des § 131 InsO getroffene Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, wonach Letzterer eine andere als die eigentlich geschuldete Leistung erbringen soll, ist ebenfalls inkongruent.181 Da nach der Rechtsprechung des BGH die mit einer inkongruenten Deckung ver- D 59a bundene Indizwirkung durch die Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht verdrängt wird, folgt daraus nach seiner Ansicht für § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO, dass der Inkongruenz dann ein gemäß § 286 ZPO zu berücksichtigendes Beweisanzeichen für eine Kenntnis des Anfechtungsgegners zu entnehmen sein kann, wenn er wusste, dass sich der Schuldner in einer finanziell beengten Lage befand. Wollte man die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung im Rahmen des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO gänzlich vernachlässigen, führte dies dazu, dass eine innerhalb von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag erfolgte inkongruente Deckung nach § 133 Abs. 1 InsO leichter anfechtbar wäre als nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Ein derartiger Wille kann dem Gesetzgeber nach Ansicht des BGH nicht unterstellt werden.182 Erfüllt ein Dritter auf Anweisung des Schuldners dessen Verbindlichkeit, ohne dass eine entsprechende insolvenzfeste Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner vorgelegen hat, ist die Befriedigung inkongruent.183 Derartige Direktzahlungen sind deswegen besonders verdächtig, weil sie in der Regel an einen Zahlungsverzug des Anweisenden und damit typischerweise an dessen Liquiditätsschwierigkeiten anknüpfen.184 Vereinbart daher ein Schuldner mit einer Mittelsperson, diese solle für ihn seine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten begleichen, so bewirkt allein schon die Mittelbarkeit dieser Zahlung in der Regel eine inkongruente Deckung.185 Der BGH folgt nicht dem Argument, im Fall der Direktzahlung eines Dritten liege keine inkongruente Deckung vor, weil der Dritte als bloße Zahlstelle handle.186 Geringfügige Abweichungen von der vereinbarten Leistung, die der Verkehrs- D 59b sitte oder Handelsbräuchen entsprechen und somit nicht verdächtig erscheinen, führen nicht zur Inkongruenz der Leistung.187 Erteilt etwa ein dazu nicht verpflichteter Unternehmer seiner Bank zur Begleichung unternehmensbezogener Verbindlichkeiten einen Abbuchungsauftrag zugunsten bestimmter Gläubi179 Vgl. BGH v. 18.11.2004 – IX ZR 299/00, ZIP 2005, 769 ff. Rz. 14; Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 9; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 29. 180 Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 10. 181 BGH v. 29.9.2005 – IX ZR 184/04, MDR 2006, 414 = ZInsO 2005, 1160 ff. 182 BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff. Rz. 29; HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 35. 183 Vgl. Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 14. 184 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, ZIP 2008, 2324 ff. Rz. 13; v. 6.6.2002 – IX ZR 425/99, ZInsO 2002, 766. 185 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, ZIP 2008, 2324 ff.; v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 ff.; v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356 ff. 186 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 ff. Rz. 31; anders BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 ff. zum Zahlungsdienstleister nach § 675o BGB. 187 Vgl. BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243 ff. Rz. 12. Schfer

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D Rz. 59b

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

ger, so führt diese Zahlungsweise als im unternehmerischen Geschäftsverkehr üblich zu einer Deckung, die ihrer Art nach kongruent ist.188 D 59c

Den Ausnahmetatbestand der geringfügigen Abweichung hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in einem Urteil vom 29.7.2013189 überdehnt. Es ging dabei um die Frage der Inkongruenz der Deckung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO bei der Zahlung von Arbeitsentgelt über das Konto der Ehefrau des in der Krise befindlichen Arbeitgebers. Nach Ansicht des Gerichts konnte offen bleiben, ob der Arbeitgeber zahlungsunfähig war, denn die Anfechtbarkeit wegen Inkongruenz sei ausgeschlossen, wenn die Abweichung nur geringfügig oder verkehrsüblich sei. Der am 27.3.2008 auf das Konto der Ehefrau gezahlte Betrag in Höhe von 100 000 Euro habe fast genau den Lohnkosten für März 2008 entsprochen und sei unverzüglich und bestimmungsgemäß an die Gläubiger, darunter die Beklagte, in jeweils korrekter Höhe weitergeleitet worden. Der klagende Insolvenzverwalter hatte geltend gemacht, dass ein Bargeschäft nach § 142 InsO bei einer inkongruenten Deckung ausscheide. Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen zu Recht aufgehoben.190 (2) Leistung unter dem Druck des Insolvenzantrages bzw. der Zwangsvollstreckung

D 60 Leistet der Schuldner aufgrund eines angedrohten oder gestellten und später zurückgenommenen oder für erledigt erklärten Insolvenzantrages, so ist die erlangte Befriedigung stets inkongruent, und zwar unabhängig davon, ob diese Befriedigung innerhalb der Zeiträume des § 131 InsO vorgenommen wurde.191 Denn es ist rechtsmissbräuchlich, einen Insolvenzantrag, welcher der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger dient, zum Zwecke der Durchsetzung der Einzelbefriedigung einzusetzen. Eine die Inkongruenz begründende Drohung mit einem Insolvenzantrag kann auch dann vorliegen, wenn die Möglichkeit eines solchen Vorgehens im Mahnschreiben nur „zwischen den Zeilen“ deutlich gemacht, aber dem Schuldner das damit verbundene Risiko klar vor Augen geführt wird.192 Der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen der Androhung des Insolvenzantrages und der angefochtenen Deckungshandlung ist gegeben, wenn zum Zeitpunkt der Zahlung aus objektivierter Sicht die Wirkungen der Drohung noch angedauert haben.193 D 61 Inkongruent ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine während der kritischen Zeiträume des § 131 InsO unter dem Druck der unmittelbar drohen188 189 190 191

BGH v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, ZIP 2013, 324 f. LAG Niedersachsen v. 29.7.2013 – 10 Sa 1105/12, ZIP 2014, 743 f. BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 871/13, veröffentlicht bei juris. BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 216/12, ZIP 2013, 838 ff. m. teilw. krit. Anm. v. Schönfelder, WuB VI A. § 131 InsO 1.13: Könne der Gläubiger nicht abschätzen, ob sein Schuldner zahlungsunfähig sei, müsse es auch legitim sein, darauf hinzuweisen, dass im Fall der Nichtzahlung die Zahlungsunfähigkeit vermutet werde und damit ein Insolvenzantrag vorbehalten bleibe; BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff. = MDR 2004, 650; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 18. 192 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 216/12, ZIP 2013, 838 ff. 193 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 216/12, ZIP 2013, 838 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 61a D

den bzw. im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung.194 Denn das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip wird schon in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen Forderungen zu verschaffen, hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück.195 Einer Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung steht es wertungsmäßig gleich, wenn der Schuldner eine bereits in Gang befindliche Zwangsvollstreckung – etwa im Fall der Kontopfändung – durch Überweisung des geschuldeten Betrages an den Gläubiger erledigt. Entscheidend ist, dass der Schuldner über den an den Pfandgläubiger überwiesenen Betrag auch anderweitig hätte verfügen können.196 An einer anfechtbaren Rechtshandlung des Schuldners fehlt es in diesen Fällen nur dann, wenn der Schuldner keine Möglichkeit mehr hatte, sich der Pfändung zu entziehen.197 Erbringt der Arbeitgeber in den Anfechtungszeiträumen des § 131 InsO eine Zahlung aufgrund einer Vorpfändung des Arbeitnehmers, so ist eine inkongruente Deckung gegeben.198 Die Annahme, dass eine in den kritischen Anfechtungszeiträumen des § 131 D 61a InsO im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung als inkongruent anzusehen ist, entsprach bereits der Meinung der Kommission für Insolvenzrecht, wie sich aus der Begründung des LS 5.2.2 zu inkongruenten Deckungen ergibt.199 Dagegen wurde in Rechtsprechung und Schrifttum zum Teil vorgebracht, eine Deckungshandlung, die bei freiwilliger Leistung durch den Schuldner kongruent wäre, könne durch die bloße Leistung im Rahmen einer – staatlich legitimierten – Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht inkongruent werden.200 Die herrschende Meinung lässt sich jedoch auch wertungsmäßig vor dem Hintergrund der Regelung über die „Rückschlagsperre“ in § 88 InsO rechtfertigen. Diese zeigt, dass ein Vollstreckungszugriff unmittelbar vor der Stellung des Insolvenzantrages verdächtig erscheint und zur erleichterten Anfechtung führen soll.201 Leistet der Schuldner nicht freiwillig, muss ihn vielmehr der Gläubiger zur Leistung zwingen, so liegt der Verdacht nahe, dass der Schuldner nicht zahlen kann.202 194 BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 96/11, NZI 2012, 561 f.; v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 ff.; v. 11.4.2002 – IX ZR 211/01, ZIP 2002, 1159 ff.; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 131 Rz. 35 f. 195 BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 ff. Rz. 9; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353); v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 (311 ff.). 196 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 213/06, MDR 2008, 770 = ZInsO 2008, 374 f. 197 Vgl. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, MDR 2009, 712 = ZInsO 2009, 717 f.; vgl. dazu oben Rz. B17 ff. 198 BAG v. 3.7.2014 – 6 AZR 953/12, ZInsO 2014, 2286 ff. Rz. 15; vgl, dazu noch LAG Rheinland-Pfalz v. 17.7.2009 – 6 Sa 146/09, ZInsO 2009, 2067 ff. 199 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 26a; HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 12. 200 Vgl. LG Köln v. 21.7.2010 – 13 S 89/10, ZInsO 2010, 2238 ff.; Berner, ZInsO 2015, 2457, 2458. 201 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 26a; HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 12. 202 Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 53. Schfer

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D Rz. 62

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

D 62 Der für eine Inkongruenz notwendige zeitliche Zusammenhang zwischen der Drohung mit einem Insolvenzantrag bzw. mit einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung und der Leistung des Schuldners endet je nach Lage des Einzelfalles nicht mit Ablauf der vom Gläubiger mit der Androhung gesetzten Zahlungsfrist. Rückt der Gläubiger von der Drohung nicht ab und verlangt er vom Schuldner fortlaufend Zahlung, kann der Leistungsdruck über mehrere Monate fortbestehen.203 D 63 Die Zustellung eines Vollstreckungsbescheids stellt indes noch keine Maßnahme im Rahmen einer unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung, sondern eine die Zwangsvollstreckung erst vorbereitende Maßnahme dar.204 Auch sogenannte „Rückstandsanzeigen“ genügen nicht.205 Fordert der Gläubiger jedoch den Schuldner unter Ankündigung der Zwangsvollstreckung zur umgehenden Leistung auf, ohne eine letzte konkrete Frist zu setzen, so kann die Leistung des Schuldners als inkongruente Deckung anfechtbar sein.206 Nach einem weitergehenden Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.1.2008207 soll es für die Annahme einer inkongruenten Deckung ausreichen, wenn nach dem Inhalt einer Ratenzahlungsvereinbarung die Zwangsvollstreckung im Fall des Ausbleibens einer Rate ungehindert betrieben werden kann. In einem Beschluss vom 23.4.2009208 hat der BGH klargestellt, dass ein auf den Schuldner ausgeübter anderweitiger Druck, der nicht durch Drohung mit der Zwangsvollstreckung oder durch die Androhung eines Insolvenzantrages erfolge, grundsätzlich nicht zur Inkongruenz einer daraufhin vorgenommenen Zahlung des Schuldners führe. Die Drohung mit einem Strafantrag hat daher nach wohl überwiegender Auffassung nicht die Inkongruenz einer dadurch erlangten Deckung zur Folge.209 D 64 Selbst wenn eine Vorpfändung in unkritischer Zeit ausgebracht wurde, ist eine inkongruente Deckung gegeben, wenn die Hauptpfändung erst in den kritischen Zeiträumen des § 131 Abs. 1 InsO bewirkt wurde.210 D 65 Der Auffassung, dass die im Rahmen einer laufenden Zwangsvollstreckung erbrachten Zahlungen des Schuldners nicht als anfechtbare (inkongruente) Deckungen anzusehen seien, ist der BGH nicht gefolgt.211 Hat der Schuldner den Gläubiger allerdings außerhalb der Anfechtungszeiträume des § 131 InsO befriedigt, so stellt seine Leistung nicht schon deshalb eine inkongruente Deckung dar, weil sie zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgte.212 203 204 205 206 207 208 209

BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff. = MDR 2004, 650. BGH v. 7.12.2006 – IX ZR 157/05, MDR 2007, 612 = ZInsO 2007, 99. BGH v. 17.6.2010 – IX ZR 134/09, ZInsO 2010, 1324 f. Rz. 8. BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, ZIP 2011, 385 ff. OLG Düsseldorf v. 17.1.2008 – I 12 K 216/06, ZInsO 2008, 566 f. Vgl. BGH v. 23.4.2009 – IX ZR 82/06, veröffentlicht bei juris. Vgl. Kirchhof, ZInsO 2004, 1168 (1171); Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 133 – a.A. Homan, EWiR 2003, 1041 (1042). 210 BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 ff. = MDR 2006, 1129. 211 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, MDR 2009, 712 = ZIP 2009, 728 f. 212 BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, MDR 2004, 174 = NJW 2003, 3560 (3561); v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 ff. = MDR 2003, 1256.

390 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 68 D

Gegen diese Rechtsprechung wird im Schrifttum eingewandt, eine Rechtshand- D 66 lung, die außerhalb der Anfechtungszeiträume des § 131 Abs. 1 InsO als kongruente Deckung anzusehen wäre, könne nicht allein deshalb in eine inkongruente Deckung „umgewidmet“ werden, weil sie innerhalb der Anfechtungszeiträume des § 131 Abs. 1 InsO vorgenommen worden sei.213 Diese Erwägung lässt jedoch außer Acht, dass mit dem Beginn der Anfechtungszeiträume des § 131 Abs. 1 InsO der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung Geltung beansprucht. In diesen Zeiträumen soll eine Ungleichbehandlung der Gläubiger nicht mehr durch staatliche Machtmittel erzwungen werden.214 Der unterschiedliche Gesetzeszweck rechtfertigt somit die unterschiedliche Einordnung. Diese Zurücksetzung seiner Sicherungs- bzw. Befriedigungsinteressen muss der Gläubiger aber nur innerhalb der Anfechtungszeiträume des § 131 Abs. 1 InsO hinnehmen.215 Zu beachten ist, dass das Pfandrecht an (künftigen) Mietansprüchen nach § 140 D 66a Abs. 1 InsO erst zum Anfangstermin des jeweiligen Nutzungszeitraums entsteht, da der Vermieter zuvor noch keine gesicherte Rechtsposition erlangt hat.216 Entsprechendes gilt für die Pfändung von Ansprüchen auf Vergütung für geleistete Dienste, die nicht vor der Erbringung der Dienstleistung entstehen.217 (3) Einzelfälle Tritt der Schuldner anstelle der Erfüllung dem Gläubiger eine Forderung gegen D 67 einen Dritten ab, so ist dies inkongruent.218 Stellt der Schuldner im Wege der Abtretung eine Sicherheit mit der Absicht zur Verfügung, dass der Gläubiger sich daraus befriedige, anstatt einen fälligen Anspruch zu erfüllen, gewährt er damit eine inkongruente Deckung.219 Wird hingegen ein Anspruch auf Sicherung in demselben Vertrag eingeräumt, durch den der gesicherte Anspruch selbst entsteht, liegt in der späteren Gewährung der Sicherheit keine inkongruente Deckung, da von Anfang an ein Anspruch auf die Sicherheit bestand.220 Gibt der Schuldner, anstatt den Kaufpreis zu zahlen, die gekaufte Ware zurück, D 68 die bereits in sein Eigentum übergegangen war, erhält der Verkäufer damit eine inkongruente Deckung. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Rückgabe aufgrund eines vereinbarten oder gesetzlichen Rücktrittsrechts erfolgt, denn dann hatte der Verkäufer die Rückgabe nach § 346 Abs. 1 BGB zu beanspruchen.221

213 Vgl. Sander, ZIP 2003, 613, 615 (616). 214 BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 (313); v. 20.11.2001 – IX ZR 159/00, ZIP 2002, 228 (229). 215 Vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 133 Rz. 36. 216 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 8. 217 Vgl. BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. Rz. 7. 218 BGH v. 3.4.1968 – VIII ZR 23/66, WM 1968, 683 ff. 219 BGH v. 8.10.1998 – IX ZR 337/97, ZInsO 1998, 395 ff.; v. 18.11.2004 – IX ZR 299/00, MDR 2005, 956 = ZInsO 2005, 439 ff. 220 BGH v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 ff. Rz. 17; HK-InsO/Kreft, § 131 Rz. 12. 221 Vgl. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 12. Schfer

391

D Rz. 69

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

D 69 Die ursprünglich nicht vereinbarte Hingabe eines Wechsels ist inkongruent. War allerdings der Schuldner dem Aussteller des Wechsels bereits aus anderem Rechtsgrund verpflichtet, führt die Wechselbegebung nur zu einer Stundung der ursprünglichen Schuld, die als solche nicht gläubigerbenachteiligend ist.222 Hatte sich die Bank des Schuldners verpflichtet, Kundenwechsel in Zahlung zu nehmen, so stand jenem eine Ersetzungsbefugnis zu, welche die Kongruenz begründet.223 D 70 Die Gewährung von Kundenschecks bildet im nicht bankmäßigen Geschäftsverkehr im Gegensatz zur Zahlung mit eigenen Schecks regelmäßig eine inkongruente Deckung, da der Gläubiger auf diese Art der Erfüllung keinen Anspruch hat.224 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schuldner die Kausalforderung in nicht anfechtbarer Weise an den Gläubiger abgetreten und die unverzügliche Weitergabe von Kundenschecks zugesagt hatte.225 D 71 Dieselben Grundsätze gelten auch im bankmäßigen Geschäftsverkehr. Reicht der Schuldner bei seiner Bank zwecks Darlehensrückführung ihm von einem Dritten zur Erfüllung einer Forderung überlassene Kundenschecks ein, erlangt die Bank in der Regel eine inkongruente Deckung, wenn ihr die den Schecks zugrunde liegenden Kausalforderungen nicht abgetreten waren.226 Ob der Fall, dass die Kausalforderung erst mit der Einreichung der Kundenschecks abgetreten wird – wie dies in Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 25 Abs. 2 AGB-Sparkassen vorgesehen ist – der früheren Abtretung gleichzustellen ist, erscheint dem BGH zweifelhaft.227 Nach einer Auffassung im Schrifttum macht die Bank im Falle der Einlösung eines Kundenschecks nicht von ihrem Sicherungsrecht Gebrauch, sondern löst den Scheck für den Kunden ein, weshalb eine kongruente Deckung gegeben sei, wenn die Bank einen Anspruch auf Rückführung des Saldos habe.228 D 72 Diese Frage bedurfte im Urteil vom 14.5.2009229 keiner Vertiefung, da dort die Kausalforderung zuvor an eine andere Bank abgetreten worden war und ein gutgläubiger Erwerb von Forderungen nicht möglich ist. Sie war dagegen in einem früheren Urteil des BGH vom 8.3.2007230 von Bedeutung:

222 BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 ff. = MDR 2006, 1191 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 35. 223 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 35. 224 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (324 f.) = MDR 1994, 158. 225 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 11 = MDR 2009, 1069; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 61 Rz. 68. 226 Vgl. BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 ff. = MDR 1992, 766. 227 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 11. 228 Vgl. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 16; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 61. 229 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 11. 230 BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05 – „Scheckrückbelastung“, ZIP 2007, 924 ff.

392 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 76 D

BGH-Urteil vom 8.3.2007 – ZIP 2007, 924 ff. Die Schuldnerin reichte am 15.4.2003 einen Scheck der Fa. M. über ca. 60 000 Eu- D 73 ro zur Gutschrift auf einem bei der klagenden Bank auf Guthabenbasis geführten Konto ein. Aufgrund dieser Scheckeinreichung führte die Klägerin am 16.4.2003 einen Überweisungsauftrag der Schuldnerin über ca. 51 000 Euro aus. Am 17.4.2003 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag, worauf noch am selben Tag der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter unter Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts bestellt wurde. Am 29.4.2003 wurde der Scheck von der bezogenen Bank wegen eines Formfehlers nicht eingelöst. Es erfolgte eine Rückbelastung auf dem Konto der Schuldnerin, das sich danach wegen der durchgeführten Überweisung mit ca. 51 000 Euro im Soll befand. In der Folgezeit übersandte die Fa. M. der Schuldnerin einen neuen Scheck, der jedoch auf Anweisung des Beklagten über ein Anderkonto eingezogen wurde. Der BGH folgt dem Berufungsgericht zunächst darin, dass die Klägerin nach D 74 Nr. 15 AGB-Banken das Sicherungseigentum am Scheck und auch die zugrunde liegende Forderung erworben habe. Durch die Zahlung mittels erneutem Scheck sei die abgetretene Forderung nach § 407 Abs. 1 BGB auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin erloschen, da der Fa. M die Sicherungsabtretung der Forderung gem. Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken nicht bekannt gewesen sei. Zugleich sei das Entstehen eines (künftigen) Absonderungsrechts der Klägerin verhindert worden.231 Ein Ersatzabsonderungsrecht der Klägerin sei dadurch jedoch nicht entstanden. Dies hätte vorausgesetzt, dass der Beklagte die Einziehung unberechtigt vorgenommen hatte232 und die Sicherungsabtretung nicht wirksam angefochten worden war. Der Beklagte habe die Sicherungsabtretung jedoch nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO D 75 wirksam angefochten. Schon aus diesem Grund liege ein Ersatzabsonderungsrecht nicht vor. Die mit der Einreichung des ersten Schecks verbundene Sicherungsabtretung der zugrunde liegenden Forderung stelle eine inkongruente Deckung dar. Der schuldrechtliche Anspruch der Bank auf Pfandrechtsbestellung nach Nr. 14 AGB-Banken werde erst in dem Moment auf einen bestimmten Pfandgegenstand konkretisiert, in dem die verpfändete Forderung entstehe.233 Nichts anderes gelte für Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken. Bei der Vorausabtretung einer Forderung trete die Wirkung der Abtretung nach § 140 Abs. 1 InsO frühestens mit dem Entstehen der Forderung ein.234 Da die Abtretung in dem zu entscheidenden Fall erst zum Zeitpunkt der Scheckeinreichung erfolgt sei, sei dieser Zeitpunkt maßgebend. Bei der Einreichung des Schecks sei von der Schuldnerin keine (neue) schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung der dem Scheck zugrunde liegenden Forderung begründet worden. Anzumerken ist, dass der BGH in dieser Entscheidung offen gelassen hat, ob D 76 die Befugnis des Schuldners zur Forderungseinziehung auch nach der Stellung 231 232 233 234

BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, MDR 2003, 352 = ZIP 2002, 2182 (2183). Vgl. BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, BGHZ 144, 192 (198) = MDR 2000, 848. Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff. BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372. Schfer

393

D Rz. 76

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

eines Insolvenzantrages fortbesteht.235 Im früheren Urteil vom 6.4.2000236 hat er den Fortbestand der Einzugsermächtigung insbesondere deshalb für erforderlich gehalten, weil sonst die im Gesetz vorausgesetzte Fortführung eines Unternehmens durch den vorläufigen Insolvenzverwalter kaum möglich wäre. In seinem neueren Urteil vom 21.1.2010237 führt der BGH aus, dass im Hinblick auf die mit Wirkung vom 1.7.2007 eingeführte Bestimmung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO, nach der das Insolvenzgericht anordnen könne, dass abgetretene Forderungen nicht vom Gläubiger, sondern vom vorläufigen Insolvenzverwalter eingezogen würden, an eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung gedacht werden könne. D 77 Die Entscheidung des BGH bestätigt die Schwäche der Sicherungsrechte nach Nr. 15 AGB-Banken. Ist die Sicherungsabtretung – wie im Regelfall – nicht offengelegt, erlischt die abgetretene Forderung mit der Zahlung des Schuldners. Auch ein Ersatzabsonderungsrecht entsteht in diesem Fall nicht. Selbst wenn die Bank in der kritischen Zeit die Einzugsermächtigung gegenüber der Schuldnerin widerrufen und nach deren unberechtigtem Forderungseinzug ein Ersatzabsonderungsrecht erworben hätte, unterläge dieses ebenfalls der Anfechtung.238 D 78 Im Mehrpersonenverhältnis bewirkt allein schon die Mittelbarkeit einer Zahlung in der Regel wegen ihrer Verdächtigkeit eine inkongruente Deckung, etwa wenn der Schuldner mit einer Zwischenperson vereinbart, diese solle für ihn seine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten begleichen.239 Dies gilt entsprechend, wenn der Insolvenzschuldner mit seinem Gläubiger vereinbart, dieser solle sich seine Forderung von einem Schuldner des Insolvenzschuldners begleichen lassen.240 Eine inkongruente Deckung ist ferner gegeben, wenn ein Dritter aufgrund einer Schuldübernahme einen Gläubiger des Insolvenzschuldners befriedigt.241 Die Anfechtung nach § 131 InsO kann schließlich begründet sein, wenn ein privater Krankenversicherer nicht an seinen Versicherungsnehmer (Insolvenzschuldner), der eine Arztrechnung bei ihm eingereicht hatte, sondern auf dessen Weisung hin die Versicherungsleistung direkt an den Gläubiger (Arzt) auszahlt.242 D 78a Auch wenn verbundene Unternehmen „alles aus einem Topf bestreiten“ („CashPool“), liegt eine inkongruente Deckung vor, wenn ein Schwesterunternehmen an einen Arbeitnehmer des anderen Schwesterunternehmens zahlt. Der Einwand, die Zahlung sei in einem solchen Fall nicht verdächtig erschienen, greift 235 236 237 238 239

BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, MDR 2007, 1042 = ZIP 2007, 924 ff. Rz. 13. BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, BGHZ 144, 192 (198 ff.) = MDR 2000, 848. BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, MDR 2010, 1085 = ZIP 2010, 739 ff. Rz. 20. Vgl. Nassall, jurisPR-BGHZivilR 21/2007 Anm. 1. BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = ZInsO 2006, 94 ff.; v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, MDR 2003, 474 = ZIP 2003, 356 (358); BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 869/13, ZP 2015, 533 ff. 240 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 33 = MDR 2008, 341– „Subunternehmer“. 241 BGH v. 5.7.2007 – IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129 ff. Rz. 50 = GmbHR 2007, 1146 m. Anm. Blöse = MDR 2007, 1450. 242 OLG Karlsruhe v. 10.9.2004 – 1 U 72/04, ZInsO 2004, 1367 f.

394 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 80 D

nicht durch, denn das Insolvenzverfahren ist rechtsträgerbezogen ausgestaltet.243 Insoweit ist jedoch die mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG“ in Kraft getretene Neuregelung des § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO zu beachten. Danach steht der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 BGB gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat. Erfolgt die Entgeltzahlung nicht über das Konto des späteren Insolvenzschuldners, über das üblicherweise die Gehaltszahlungen erfolgen, sondern über das Konto einer dritten Person, der die dafür erforderlichen Mittel zuvor vom Schuldner zur Verfügung gestellt wurden, liegt in der Regel eine inkongruente Deckung vor.244 § 648a BGB a.F. war in der bis zum Inkrafttreten des Forderungssicherungsgeset- D 79 zes am 1.1.2009 geltenden Fassung nicht geeignet, einen Anspruch des Subunternehmers auf Direktzahlung des Bauherrn nach entsprechender Zahlungsanweisung des Schuldners zu begründen, da § 648a BGB a.F. keinen Anspruch, sondern nur ein Leistungsverweigerungsrecht gewährte.245 § 648a BGB n.F. gewährt nunmehr einen gesetzlichen Anspruch auf Sicherheitsleistung, so dass diese kongruent ist.246 Dies gibt dem Subunternehmer jedoch keinen Anspruch auf Direktzahlung gegen den Bauherrn. Aufgrund einer dreiseitigen Vereinbarung, die keine Vermögensnachteile für den Schuldner zur Folge hat, kann jedoch auch im Anwendungsbereich des § 648a BGB a.F. unter dem Gesichtspunkt des Bargeschäfts von einer kongruenten Deckung auszugehen sein.247 Auch § 222 Satz 2 AO gewährt dem Finanzamt noch nicht unmittelbar einen An- D 79a spruch auf Sicherheitsleistung. Erst die entsprechende Verpflichtung des Steuerschuldners und die Annahme durch die Finanzbehörde begründen den Anspruch auf die Sicherheitsleistung; fällt auch nur der letzte Teil einer solchen Absprache in die kritische Zeit des § 131 InsO, so ist die Sicherheitsleistung inkongruent.248 Die Tilgung einer fremden Schuld durch den Insolvenzschuldner, die aus der D 80 Sicht des Zuwendungsempfängers eine mittelbare Zuwendung darstellt, unterliegt im Grundsatz nicht der Anfechtung nach § 131 InsO, da der Empfänger in der Regel nicht Insolvenzgläubiger ist.249 Anders ist dies jedoch, wenn dem Zuwendungsempfänger auch gegen den Insolvenzschuldner ein Anspruch (etwa

243 BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, ZIP 2014, 233 ff. 244 BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 869/13, ZIP 2015, 533 ff.; vgl. zu einem Ausnahmefall BAG v. 22.10.2015 – 6 AZR 538/14, ZIP 2016, 33 ff. 245 BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 74/09, ZInsO 2011, 1979 f. 246 Vgl. BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, MDR 2009, 227 = ZIP 2008, 2324 ff.; Gottwald/ Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 47 Rz. 53. 247 Vgl. BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, MDR 2007, 1096 = ZInsO 2007, 662 ff. 248 BGH v. 29.9.2005 – IX ZR 184/04, ZIP 2005, 2025 f.; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 23. 249 Vgl. BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 ff.; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 131 Rz. 32. Schfer

395

D Rz. 80

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

aufgrund Bürgschaft250 oder Gesamtschuldnerausgleich) zusteht. Dies zeigt ein Urteil des BGH vom 20.7.2006:251 BGH-Urteil vom 20.7.2006 – ZIP 2006, 1591 ff. D 81 Die Schuldnerin (GmbH) stand mit der Beklagten (Lieferantin) in ständiger Geschäftsbeziehung. Diese gewährte ihr im Jahr 1998 ein Darlehen i.H.v. 600 000 DM und im Jahr 2001 ein weiteres i.H.v. 100 000 DM, nachdem die Schuldnerin zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war und keine Bankkredite mehr erhielt. Seit Anfang 2001 wickelte die Schuldnerin ihren Zahlungsverkehr aufgrund einer Absprache mit der Beklagten über zwei Geschäftskonten bei der C.- Bank ab. Ein Konto wurde als Guthabenkonto bei der Bankfiliale D geführt, auf dem die Verkaufserlöse eingingen, während von einem anderen Konto bei der Filiale A Verbindlichkeiten beglichen wurden. Auf dieses Konto wurden in unterschiedlichen Abständen Beträge von dem Konto bei der Filiale D überwiesen. Zudem konnte eine der Beklagten eingeräumte Kreditlinie i.H.v. 3 Mio. DM in Anspruch genommen werden. Die Beklagte hatte insoweit die gesamtschuldnerische Haftung übernommen, wobei die Schuldnerin im Innenverhältnis allein die Darlehensschuld tragen sollte. Der Insolvenzverwalter focht die Zahlungen an, die in der kritischen Zeit vom Konto D auf das Konto A überwiesen wurden. D 82 Nach Auffassung des BGH kann die vorzeitige Befriedigung eines sich aus § 426 BGB ergebenden Freistellungsanspruchs eine inkongruente Rechtshandlung im Sinne des § 131 InsO darstellen. Die Beklagte sei Insolvenzgläubiger im Sinne dieser Bestimmung. Ob der Empfänger der Leistung tatsächlich am Insolvenzverfahren teilnehmen würde, spiele keine Rolle, weil davon die Gläubigerbenachteiligung durch die Rechtshandlung des Schuldners nicht abhänge.252 Ein Anfechtungsanspruch gegen den Gesamtschuldner komme daher auch dann in Betracht, wenn er seinen Ausgleichsanspruch nach § 44 InsO nicht geltend machen könne. Der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB entstehe nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers, sondern zugleich mit der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses.253 Der mithaftende Gesamtschuldner könne daher schon vor seiner eigenen Leistung an den Gläubiger die Mitwirkung der anderen Gesamtschuldner an dessen Befriedigung verlangen. D 83 Die Zahlung der Schuldnerin sei inkongruent gewesen, wenn der Beklagten seinerzeit noch kein fälliger Anspruch zugestanden habe. Die sofortige Fälligkeit des Freistellungsanspruchs könne nicht aus einer rechtsähnlichen Anwendung der §§ 257 Satz 2, 738 Abs. 1 Satz 3, 775 Abs. 2 BGB hergeleitet werden. Maßgebend sei die unterschiedliche Interessenlage der Beteiligten, sodass entspre-

250 Vgl. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, MDR 2009, 170 = ZInsO 2008, 1202 ff. 251 BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 44/05 – „Schwimmbadtechnik“, MDR 2007, 300 = ZIP 2006, 1591 ff. 252 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 17. 253 Vgl. hierzu ferner BGH v. 7.11.1985 – III ZR 142/84, MDR 1986, 385 = NJW 1986, 978 (979).

396 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 85a D

chende Parteiabreden oder die Umstände des Falls für die Lösung der Fälligkeitsfrage vorrangig seien.254 Für eine entsprechende Fälligkeitsvereinbarung bestand nach den tatrichterlichen Feststellungen in dem zu entscheidenden Fall kein Anhaltspunkt. Direktzahlungen des Auftraggebers an einen Nachunternehmer gemäß § 16 D 84 Nr. 6 VOB/B gewähren diesem eine inkongruente Deckung, entsprechend dem Grundsatz, dass eine inkongruente Befriedigung gegeben ist, wenn ein Dritter auf Anweisung des Schuldners dessen Verbindlichkeit begleicht, ohne dass eine insolvenzfeste Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner vorgelegen hat.255 Solche Direktzahlungen sind deswegen besonders verdächtig, weil sie an einen Zahlungsverzug des Auftragnehmers und damit typischerweise an dessen Liquiditätsschwierigkeiten anknüpfen.256 § 648a BGB a.F. gibt dem Unternehmer nach der Rechtsprechung des BGH zwar ein Leistungsverweigerungsrecht, jedoch keinen durchsetzbaren Anspruch auf Gewährung einer Sicherheit oder gar auf Zahlung durch den Auftraggeber. § 648a BGB a.F. begründe nicht einmal die Kongruenz einer nachträglichen Vereinbarung über die Abtretung einer Werklohnforderung des Hauptunternehmers gegen den Bauherrn an den Subunternehmer; für Direktzahlungen des Bauherrn an den Subunternehmer gelte dies erst recht.257 Auch die auf Anweisung des zahlungsunfähigen Zwischenmieters erfolgte Di- D 85 rektzahlung des Endmieters an den Vermieter gewährt diesem eine inkongruente Deckung, welche die Gläubiger des Zwischenmieters objektiv benachteiligt. Denn eine Verkürzung der künftigen Insolvenzmasse kann insbesondere dann eintreten, wenn eine dem Schuldner zustehende Forderung durch Zahlung an einen Dritten getilgt wird, weil der Schuldner für die Befriedigung des Zahlungsempfängers einen Vermögensgegenstand aufgibt, der andernfalls den Gläubigern insgesamt zur Verfügung gestanden hätte.258 Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.10.2015259 kann eine Ent- D 85a geltzahlung über ein Konto des Sohnes des Schuldners ausnahmsweise kongruent und nicht nach § 131 InsO anfechtbar sein, wenn es sich bei diesem Konto um das Geschäftskonto des Arbeitgebers handelt und das Entgelt während des gesamten Arbeitsverhältnisses über dieses Konto gezahlt wurde. In dem entschiedenen Fall bestand die Besonderheit, dass der Schuldner vom Beginn seiner Geschäftstätigkeit an seinen gesamten geschäftlichen Zahlungsverkehr über ein 254 BGH v. 11.4.1984 – VIII ZR 302/82, BGHZ 91, 73 (79) = MDR 1984, 1018. 255 BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, MDR 2007, 1096 = ZInsO 2007, 662 ff.; v. 8.10.1998 – IX ZR 37/97, BRAK 1998, 71 m. Anm. Jungk = FamRZ 1998, 362 = MDR 1998, 245 = ZIP 1998, 2008 ff.; vgl. dazu ferner OLG Braunschweig v. 10.11.2011 – 8 U 199/10, BauR 2012, 1951 ff. 256 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, MDR 2009, 227 = ZInsO 2008, 1322 f. Rz. 13; v. 6.6.2002 – IX ZR 425/99, ZInsO 2002, 766 f. 257 BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, MDR 2007, 1096 = ZInsO 2007, 662 ff.; v. 18.11.2004 – IX ZR 299/00, MDR 2005, 956 = ZInsO 2005, 439 ff. 258 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, MDR 2011, 452 = ZInsO 2011, 421 ff.; v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, MDR 2007, 1096 = ZIP 2007, 1162 ff. Rz. 9. 259 BAG v. 22.10.2015 – 6 AZR 538/14, ZIP 2016, 33 ff. Schfer

397

D Rz. 85a

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

Konto abwickelte, das von seinem Sohn eröffnet worden war und das dieser selbst nicht nutzte. Dem Arbeitnehmer war zudem bekannt, dass es sich dabei um ein Konto des Sohnes handelte. In einem solchen Fall fehlt es in der Tat an der Verdächtigkeit der „Drittzahlung“. dd) Nicht „zu der Zeit“ zu beanspruchende Befriedigung D 86 Der Gläubiger hat eine Befriedigung nicht „zu der Zeit“ zu beanspruchen, wenn die Forderung noch nicht fällig, betagt bzw. aufschiebend bedingt ist oder ihr eine vorübergehende (dilatorische) Einrede entgegensteht.260 Insoweit ist es nach dem Gesetzeszweck des § 131 InsO nicht entscheidend, ob der Schuldner die Leistung bewirken, sondern ob der Gläubiger sie auch bereits verlangen durfte (vgl. § 271 Abs. 2 BGB). Gerade das Recht des Gläubigers, die Leistung einzufordern, unterscheidet kongruente von inkongruenten Rechtshandlungen.261 Wird eine Forderung kraft Gesetzes oder aufgrund einer unanfechtbaren Vereinbarung allerdings noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig, so kommt eine Anfechtung nur hinsichtlich der Zwischenzinsen in Betracht.262 D 87 Da dem Zahlungspflichtigen Säumigkeit nicht angesonnen werden kann, ist eine verfrühte Zahlung als kongruent anzusehen, wenn die voraussichtliche Dauer des Zahlungsvorgangs nicht nennenswert überschritten wird. Einen Anhaltspunkt dafür bietet § 676a Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F. (Überweisung im Inlandsverkehr binnen dreier Bankgeschäftstage). Eine Zahlung durch Banküberweisung, die beim Gläubiger früher als fünf Bankgeschäftstage vor Fälligkeit eingeht, ist daher inkongruent.263 Zahlt der Schuldner vor Fälligkeit unter Ausnutzung einer befristet eingeräumten Möglichkeit zum Skontoabzug, ist die dadurch bewirkte Deckung regelmäßig nicht inkongruent.264 D 88 Eine verfrühte Leistung unterliegt im Grundsatz als Ganzes – und nicht etwa nur hinsichtlich eines Zwischenzinses – der Anfechtung.265 Die durch die vorzeitige Rückgewähr eines Kredits bewirkte unmittelbare Gläubigerbenachteiligung bildet allerdings dann keine Grundlage für die anfechtungsrechtliche Rückforderung der Hauptschuld selbst, wenn der Schuldner die Forderung bei Eintritt der Fälligkeit ebenfalls rechtlich wirksam hätte erfüllen können.266 D 89 Die vorzeitige Befriedigung des Freistellungsanspruchs eines mithaftenden Gesamtschuldners ist inkongruent, wobei die sofortige Fälligkeit des Freistellungsanspruchs nicht aus einer rechtsähnlichen Anwendung der §§ 257 Satz 2, 738 Abs. 1 Satz 3, 775 Abs. 2 BGB hergeleitet werden kann. Maßgebend ist vielmehr die unterschiedliche Interessenlage der Beteiligten, so dass entsprechende Partei260 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rz. 8; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 62. 261 Vgl. BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, MDR 2005, 1312 = ZIP 2005, 1243 ff. Rz. 11. 262 Vgl. BGH v. 6.4.1995 – IX ZR 61/94, BGHZ 129, 236 (242); HambKomm-InsO/Rogge/ Leptien, § 131 Rz. 18. 263 BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, MDR 2005, 1312 = ZIP 2005, 1243 ff. 264 BGH v. 6.5.2010 – IX ZR 114/08, MDR 2010, 956 = ZIP 2010, 1188. 265 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 42. 266 BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96, MDR 1997, 767 = ZIP 1997, 853 ff.

398 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 93 D

abreden oder die Umstände des konkreten Falles für die Lösung der Fälligkeitsfrage vorrangig sind.267 Steht dem Schuldner eine vorübergehende Einrede zu, ist die dennoch von ihm D 90 erbrachte Leistung inkongruent.268 Eine vorübergehende Einreden in diesem Sinne vermitteln insbesondere Zurückbehaltungsrechte (vgl. §§ 273, 320 BGB) und die Stundung. Eine inkongruente Deckung ist daher beispielsweise gegeben, wenn der Schuldner eine Werklohnforderung erfüllt, obwohl ihr die Mängeleinrede entgegensteht. Vorschusszahlungen sind inkongruent, wenn sie nicht vereinbart oder wenn die D 91 Voraussetzungen der Vereinbarung nicht gegeben waren.269 Inkongruent ist nach der Rechtsprechung des BGH ferner eine Vorschusszahlung an einen Rechtsanwalt, wenn die Angelegenheit bereits abgeschlossen und somit der Vergütungsanspruch entstanden war.270 Eine Befriedigung, die sich ein Gläubiger, etwa eine Bank, ohne Einhaltung eines D 92 gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungserfordernisses in den kritischen Anfechtungszeiträumen verschafft, stellt eine inkongruente Deckung dar.271 Das Fehlen einer festen Laufzeit führt nicht zur jederzeitigen Fälligkeit eines Kredits ohne vorherige Kündigung.272 Im Falle einer nur geduldeten Kontoüberziehung kann die Bank jedoch ohne vorausgegangene Kündigung vom Schuldner die sofortige Befriedigung verlangen.273 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine vertraglich vereinbarte Überziehung auch konkludent zustande kommen kann und somit auch in diesem Fall einer Verrechnung der Bank eine Kündigung vorausgehen muss.274 Verrechnet die Bank für den Kunden eingehende Zahlungen mit ihrem noch nicht fälligen Anspruch auf Darlehensrückzahlung, ist die dadurch erlangte Befriedigung dann nicht inkongruent, wenn die Verrechnung mit dem Kunden vereinbart war.275 Beruht die Fälligkeit eines Kredits auf einer Kündigung durch den Gläubiger, so D 93 liegt in der Befriedigung seiner Forderung grundsätzlich eine kongruente Deckung, wenn der Kündigung ein wirksamer Kündigungsgrund zugrunde liegt 267 268 269 270 271 272 273 274 275

BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 44/05, MDR 2007, 300 = ZIP 2006, 1591 ff. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 40. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 64. BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff. = FamRZ 2006, 1196 = MDR 2007, 113 = BRAK 2006, 231; kritisch dazu Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 23. Vgl. BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZInsO 2004, 342 ff.; v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff.; v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = NJW 1999, 3780 (3781); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 43. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 44; BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = NJW 1999, 3780 (3781); OLG Düsseldorf v. 13.11.2003 – I-12 U 43/03, ZIP 2004, 1008 (1010). BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, MDR 2004, 1381 = ZInsO 2004, 854 ff.; v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10 Rz. 13, AG 2011, 512 = ZIP 2011, 1111 ff.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 25. BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, MDR 2005, 834 = ZIP 2005, 585 ff.; v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = NJW 1999, 3780 (3781). BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 42/08, MDR 2010, 717 = ZIP 2010, 588. Schfer

399

D Rz. 93

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

und – so ist zu ergänzen – das Kündigungsrecht anfechtungsfest begründet wurde.276 Die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn die Kündigung innerhalb des kritischen Zeitraums erfolgte, hat der BGH offen gelassen. Dies ist mit der wohl herrschenden Auffassung im Schrifttum für den Fall zu bejahen, dass der Kündigungsgrund nicht in anfechtbarer Weise herbeigeführt wurde, sondern etwa auf einer Pflichtverletzung des Schuldners beruht.277 D 94 Im Urteil des BGH vom 14.5.2009278 hatte der Schuldner selbst die Fälligkeit des Darlehens dadurch herbeigeführt, dass er der Bank mitgeteilt hatte, er benötige die Kreditlinie nicht mehr. Wird die Fälligkeit des Darlehens innerhalb der kritischen Zeit durch eine solche Rechtshandlung des Schuldners herbeigeführt, so liegt eine inkongruente Deckung vor. Die Kündigung selbst bildet eine anfechtbare, die Befriedigung erst ermöglichende Rechtshandlung. In dieser Gestaltung räumt der Schuldner durch seine auf einer persönlichen Entschließung fußende Rechtshandlung dem Gläubiger mehr Rechte ein, als diesem kraft seiner eigenen Rechtsstellung gebühren.279 D 95 Wenn die Bank den Giroverkehr in der Krise des Schuldners nicht kündigt, sondern absprachegemäß – und damit kongruent – fortsetzt, ist eine inkongruente Verrechnung gegeben, soweit die Summe der Eingänge im Anfechtungszeitraum die der Ausgänge überstiegen und die Bank die Eingänge zur Befriedigung ihrer Forderungen gegen den Schuldner verwendet hat.280 Die Kongruenz der Kredittilgung folgt nicht schon aus der fortbestehenden Verrechnungsbefugnis der Bank. Die Saldierungsvereinbarung deckt nicht die endgültige Rückführung des eingeräumten Kredits, sondern nur das Offenhalten der Kreditlinie für weitere Verfügungen des Kunden.281 Eine bloße Kontosperre ist noch keine inkongruente Verwertungsmaßnahme, sondern dient nur der Sicherstellung der späteren Verwertung. Sie ist nur dann inkongruent, wenn auch die Befriedigung inkongruent wäre, etwa weil das Pfandrecht der Bank noch nicht entstanden ist.282 D 95a Ein Land erlangt als Steuergläubiger eine inkongruente Deckung, wenn im Falle einer steuerrechtlichen Organschaft der ihm gegen die Organgesellschaft zustehende Haftungsanspruch nach § 73 AO aufgrund der Zahlungsfähigkeit des Organträgers als Steuerschuldner gemäß § 219 Satz 1 AO „nicht zu der Zeit“ begründet war.283

276 Vgl. BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 13 = MDR 2009, 1069. 277 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 41a; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 69 f.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rz. 9. 278 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. 279 BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. Rz. 14; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 41b. 280 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, NotBZ 2009, 458 = MDR 2009, 1005 = ZInsO 2009, 1054 ff.; v. 11.7.2007 – IX ZR 195/04, MDR 2008, 348 = ZInsO 2008, 163 f. 281 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, NotBZ 2009, 458 = MDR 2009, 1005 = ZInsO 2009, 1054 ff. 282 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZInsO 2004, 342 ff. 283 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 13.

400 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 98 D

Ein Bauunternehmer hat auf Abschlagszahlungen des Auftraggebers nur An- D 95b spruch, wenn die Leistungen durch eine prüffähige Aufstellung nachgewiesen werden; die Abschlagszahlungen sind dann binnen 18 Werktagen nach Zugang dieser Aufstellung zu leisten. Bei einer bargeldlosen Überweisung des Gläubigers ist die Befriedigungshandlung in einem solchen Fall inkongruent, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch des Unternehmens gegen das Kreditinstitut auf Gutschrift des für ihn bestimmten Geldeingangs bestand, diese Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Der Anspruch auf Gutschrift entsteht, sobald die Empfängerbank den Betrag erhalten hat, bei einer innerbetrieblichen Überweisung bereits mit der Belastungsbuchung auf dem Konto des Auftraggebers.284 b) Inkongruente Sicherung aa) Nicht zu beanspruchende Sicherung Der Begriff der Sicherung ist weit zu verstehen. Er umfasst insbesondere Per- D 96 sonal-, Real-, akzessorische, abstrakte oder fiduziarische Sicherheiten, seien sie durch Vertrag begründet oder unmittelbar durch das Gesetz, wie etwa das Pfandrecht des Vermieters (§ 562 BGB), des Werkunternehmers (§ 647 BGB), des Kommissionärs (§ 397 HGB) und des Frachtführers (§ 441 HGB).285 Der BGH hat durch Beschluss vom 15.11.2011286 über einen Fall entschieden, D 97 in dem die Gesellschaft mit den Gesellschaftern zunächst unbefristete Rangrücktrittsvereinbarungen getroffen hatte. Diese wurden später in befristete Rangrücktritte umgewandelt.287 Darin lag die Gewährung einer Sicherung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, die im Zeitraum von zehn Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages anfechtbar war. (1) Fehlender Sicherungsanspruch Ein (kongruenter) Anspruch auf Sicherung setzt voraus, dass nach Vertrag oder D 98 Gesetz ein hinreichend konkretisierter Anspruch auf Sicherstellung besteht. Ein Anspruch auf Befriedigung gibt keinen Anspruch auf Sicherung. Die Sicherung stellt im Verhältnis zur Befriedigung kein minus, sondern ein aliud dar.288 Wer durch eine unerlaubte Handlung des Schuldners geschädigt wurde, hat daher nicht schon deshalb einen Anspruch auf Sicherung.289 Aus demselben Grund

284 Vgl. BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408 ff.; HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 18. 285 Vgl. HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 20. 286 BGH v. 15.11.2011 – IX ZR 6/11, ZIP 2012, 86 ff. 287 Vgl. Urteil der Vorinstanz OLG München v. 22.12.2010 – 7 U 4960/07, ZIP 2011, 225 ff. Rz. 50. 288 Vgl. BGH v. 21.12.1960 – VIII ZR 204/59, BGHZ 34, 254 (258); Ganter, WM 2006, 1081 (1084). 289 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff.; v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (106 f.) = MDR 2002, 418. Schfer

401

D Rz. 98

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

kann die Erwirkung einer Arresthypothek oder einer Sicherungshypothek und die Pfändung überhaupt der Anfechtung unterliegen.290 D 99 Wird ein Anspruch auf Sicherung in demselben Vertrag eingeräumt, durch den der gesicherte Anspruch selbst entsteht, liegt in der späteren Gewährung der Sicherheit keine inkongruente Deckung, weil von Anfang an ein Anspruch auf die Sicherung bestand.291 Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass der vertragliche Sicherungsanspruch bereits hinreichend konkretisiert ist. Absprachen, die es dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen, welche konkrete Sicherheit erfasst wird, sind nicht geeignet, die Besserstellung einzelner Gläubiger in der Insolvenz zu rechtfertigen.292 D 100 Wird hingegen eine bereits bestehende Verbindlichkeit nachträglich besichert, kann darin eine inkongruente Rechtshandlung zu sehen sein.293 So lag es in einem vom BGH durch Urteil vom 25.9.1972294 entschiedenen Fall. Die ursprünglich ungesicherten Forderungen wurden in der kritischen Zeit dadurch nachträglich besichert, dass sie an die verklagte Bank abgetreten wurden und damit in den Deckungsbereich einer in anfechtungsfreier Zeit bestellten Grundschuld fielen. Für die Anfechtung ist es gleichgültig, ob ein Gläubiger sich vom Schuldner erst in der kritischen Phase Deckung für seine Forderung geben lässt oder ob die Deckung dadurch erlangt wird, dass ein Gläubiger, der über keine Sicherheit verfügt, seine Forderung an einen anderen Gläubiger abtritt, der überschüssige Sicherheiten hat. D 100a Schließt eine Kapitalanlagegesellschaft mit einzelnen Anlegern einen Vergleich und verpflichtet sie sich darin zur Bestellung einer Sicherheit, so stellt dies eine inkongruente Deckung dar, da die Anleger keinen Anspruch auf die Sicherung ihrer Schadensersatzforderungen hatten.295 D 101 Die nachträgliche Besicherung wird auch nicht dadurch kongruent, dass der Anspruch an einen Dritten abgetreten und die Sicherung zeitgleich mit der Abtretung unmittelbar zugunsten des Dritten vereinbart wird. Denn es handelt sich dabei nur um einen Gläubigerwechsel, der an dem Inhalt des Schuldverhältnisses nichts zu ändern vermag.296

290 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rz. 13, 61. 291 Vgl. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 21; v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1563); v. 11.3.204 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZIP 2004, 1060 ff. Rz. 19; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 RZ. 58. 292 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 15 = MDR 2008, 411; v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZIP 2005, 1651 ff.; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 81, 117. 293 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 21; v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZInsO 2004, 616 ff. Rz. 19; v. 30.10.1974 – VIII ZR 81/73, WM 1974, 1218 f. 294 BGH v. 25.9.1972 – VIII ZR 216/71, BGHZ 59, 230 ff. 295 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 22. 296 Vgl. BGH v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZIP 2004, 1060 ff. Rz. 23; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rz. 26.

402 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 104a D

Eine inkongruente Deckung ist indes nicht gegeben, wenn eine vor dem Ein- D 102 tritt der Krise zugunsten eines Gläubigers bestellte Sicherheit aufgrund einer in unkritischer Zeit getroffenen Sicherungsabrede auch das Darlehen eines Dritten sichern soll und die (durchgängig fortbestehende) Sicherheit in den kritischen Zeiträumen des § 131 InsO an diesen Dritten abgetreten wird.297 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ergibt sich aus den AGB-Banken D 103 und den AGB-Sparkassen kein hinreichend konkretisierter Sicherungsanspruch. Selbst wenn man diese Bestimmungen dahingehend auslegt, dass die Bank und der Kunde sich nicht nur über die Pfandrechtsbestellung dinglich einig sind, sondern zugleich einen schuldrechtlichen Anspruch darauf begründen, wird dieser erst in demjenigen Zeitpunkt auf einen bestimmten Pfandgegenstand konkretisiert, in dem dieser entsteht. Absprachen, die es dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen, welche konkrete Sicherheit erfasst wird, rechtfertigen nicht die Besserstellung einzelner Gläubiger unter Durchbrechung des insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Das in diesen allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelte Pfandrecht führt daher in den kritischen Zeiträumen des § 131 InsO nur zu einer inkongruenten Deckung.298 Die durch eine Globalzession erlangte Sicherung ist hingegen nach der Recht- D 104 sprechung des BGH kongruent, wenn bereits beim Abschluss des Globalzessionsvertrages das dingliche Geschäft vollzogen und zugleich die schuldrechtliche Seite in dem vertragsrechtlich möglichen Maße derart konkretisiert wird, dass die abgetretenen Forderungen zumindest bestimmbar sind. Dafür genügt die Abtretung „sämtlicher bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen Kunden mit den Anfangsbuchstaben A–Z“. Diese Grundsätze gelten entsprechend für Raumsicherungsverträge.299 Ist daher die Auswahl der dem Sicherungsgut zuzuführenden Gegenstände dem freien Belieben des Schuldners entzogen, so ist die Sicherung kongruent.300 Auch das Werthaltigmachen der durch Globalzession im Voraus abgetretenen Forderungen in den kritischen Anfechtungszeiträumen ist auf der Grundlage einer solchen Sicherungsabsprache kongruent.301 Bei einem Raumsicherungsvertrag wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass D 104a eine inkongruente Sicherung gegeben sei, wenn es dem freien Belieben des Schuldners als Sicherungsgeber überlassen sei, welche Gegenstände er in den Sicherungsraum einbringe.302 Eas dürfte jedoch im Grundsatz von einer kongruenten Deckung auszugehen sein.303 297 BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 255/06 – „Bausparkasse“, MDR 2008, 646 = ZInsO 2008, 317 ff.; vgl. dazu oben Rz. B312 ff. 298 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZInsO 2005, 932 ff. Rz. 12 f.; v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (126); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 37. 299 Vgl. BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 ff. 300 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 73; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 98. 301 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411. 302 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 98. 303 HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 23; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 73. Schfer

403

D Rz. 105

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

D 105 Reicht der Schuldner Kundenschecks bei seiner Bank ein, erlangt die Bank mit dem Sicherungseigentum am Scheck gemäß Nr. 15 AGB-Banken eine kongruente Sicherung, wenn ihr die Kausalforderung schon zuvor abgetreten war. Ob der Fall, dass die Kausalforderung erst mit der Einreichung der Kundenschecks abgetreten wird – wie es in Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken und in Nr. 25 Abs. 2 AGB-Sparkassen vorgesehen ist – gleich behandelt werden kann, hat der BGH im Urteil vom 14.5.2009304 als zweifelhaft bezeichnet, im Ergebnis aber mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen.305 D 106 Eine auf das Pfandrecht der Bank gestützte Kontosperre ist inkongruent, wenn die Befriedigung aus dem Pfandrecht inkongruent wäre. Die fehlende Pfandreife begründet noch keine Inkongruenz, da die Kontosperre noch keine Verwertungsmaßnahme darstellt, sondern nur der Sicherstellung der Verwertung dienen soll. Lässt die Bank es zu, dass der Kunde über sein Kontoguthaben verfügt, gibt sie insoweit ihr Pfandrecht frei. Erhöht sich anschließend im letzten Monat vor der Stellung des Insolvenzantrages durch Gutschriften der Kontostand, ist das in entsprechender Höhe neu entstehende Pfandrecht nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar.306 D 107 Soll das Pfandrecht dagegen nur künftige Ansprüche sichern, ist eine frühere Ausübung inkongruent.307 Eine Kontosperre ist daher inkongruent, wenn das Pfandrecht der Bank etwaige Ansprüche aus übernommenen Bürgschaften erst ab deren Fälligkeit sichern sollte. Dies führt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nur dann zur Anfechtbarkeit späterer Zahlungen von dem gesperrten Konto an die Bank, wenn das Guthaben auf dem gesperrten Konto ohne die Kontosperre anderweitig verwendet worden wäre.308 D 108 Die Übertragung einer Sicherheit nur für den Fall der Insolvenz des Sicherungsgebers ist als inkongruente Deckung anfechtbar.309 Wird für einen Kredit eine Sicherung gegeben, die das ausbezahlte Darlehen und zugleich auch sogenannte „Altverbindlichkeiten“ des Schuldners gegenüber dem Gläubiger abdecken soll, handelt es sich um ein insgesamt inkongruentes, in vollem Umfang anfechtbares Deckungsgeschäft, wenn nicht festgestellt werden kann, ob und in welchem Umfang sich die Sicherungen auf bestimmte Ansprüche beziehen.310 Eine Anfechtung scheidet jedoch aus, wenn die Sicherheit in erster Linie den neu gewährten Kredit sichern soll und wertmäßig nur diesen abdeckt.311

304 Vgl. BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. = MDR 2009, 1069. 305 Vgl. dazu MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 18; Bork, Zahlungsverkehr in der Insolvenz, 2002, Rz. 366, 467. 306 BGH v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, NJW 2004, 1660 ff. 307 BGH v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, ZIP 1999, 79 f.; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 40. 308 Vgl. BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 9/03, MDR 2004, 649 = ZIP 2004, 324 (325). 309 BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 57/08, NZI 2012, 81 f.; v. 18.2.1993 – IX ZR 129/92, MDR 1993, 437 = ZIP 1993, 521 f. 310 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, MDR 1993, 528 = ZIP 1993, 276 ff.; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 131 RZ. 59. 311 Vgl. BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 (273 f.).

404 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 111b D

Eine zur Abwendung des Kündigungsrechts des Darlehensgebers nach § 490 D 109 Abs. 1 BGB gewährte Sicherung ist inkongruent, weil das Gesetz dem Darlehensgeber nur ein Kündigungsrecht einräumt.312 Ein erst während des Dreimonatszeitraums vor dem Eröffnungsantrag wirksam D 110 gewordenes Pfandrecht begründet in der Insolvenz des Schuldners kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht gemäß § 50 Abs. 1 InsO, wenn der Schuldner zur Zeit der Rechtshandlung zahlungsunfähig war (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Sofern das Pfandrecht dagegen vorher entstanden und auch aus sonstigen Gründen nicht anfechtbar ist, kann die anschließende Befriedigung durch Zahlung nicht angefochten werden, weil sie die Gläubiger nicht benachteiligt.313 Die Entstehung des Pfandrechts bestimmt sich nach § 140 InsO. Gemäß § 140 Abs. 1 InsO kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem die rechtlichen Wirkungen der Handlung eintreten. Diese Bestimmung bringt den Rechtsgedanken zum Ausdruck, dass der Zeitpunkt entscheiden soll, in dem durch die Handlung eine Rechtsposition begründet wurde, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste.314 Eine Forderungspfändung ist grundsätzlich in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt wird, weil damit ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (vgl. §§ 829 Abs. 3 ZPO, 309 Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit sich die Pfändung jedoch auf eine künftige Forderung bezieht, wird ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung „begründet“, so dass auch anfechtungsrechtlich auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist.315 Eine Übersicherung allein begründet hingegen noch keine inkongruente Sicherung, solange die zugrunde liegende schuldrechtliche Verpflichtung nicht mit Erfolg angefochten wurde.316

D 111

Eine Sicherung nach § 8a AltTZG ist nicht inkongruent, wenn sich die Sicherung im Rahmen des § 8a Abs. 4 AltTZG hält, weil darin dem Arbeitnehmer ein (inhaltlich eingeschränkter) klagbarer Anspruch eingeräumt wird.317

D 111a

(2) Gesetzliche Sicherungsansprüche Einen gesetzlichen Sicherungsanspruch gewährt insbesondere § 648 BGB, wäh- D 111b rend § 648a BGB a.F. nur ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der vom Werkunternehmer zu erbringenden Vorleistungen vorsieht, solange die geforder312 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 109b. 313 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353) = MDR 2004, 775; v. 21.3.2000 – IX ZR 138/99, MDR 2000, 783 = ZIP 2000, 898; v. 11.7.1991 – IX ZR 20/90, MDR 1991, 962 = ZIP 1991, 1014 (1017). 314 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353); vgl. dazu noch Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166. 315 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353); BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = WM 2003, 896 (897); v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = ZIP 1998, 793 (798); v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 (2082). 316 BGH v. 22.3.2001 – IX ZR 407/98, MDR 2001, 956 = ZIP 2001, 893 (897). 317 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 109b. Schfer

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D Rz. 111b

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

te Sicherheit nicht geleistet wurde.318 Der Anspruch nach § 648a BGB a.F. ist somit nicht hinreichend bestimmt und führt zu einer inkongruenten Sicherung. Hinsichtlich der Bestimmung des § 648a BGB n.F., die einen gesetzlichen Anspruch des Unternehmers auf Sicherheitsbestellung vorsieht, ist streitig, ob weiterhin von einer inkongruenten Deckung auszugehen ist. Dies wird zum Teil wegen der mangelnden Bestimmtheit des Sicherungsanspruchs angenommen.319 Bei gesetzlichen Sicherungsansprüchen dürfte indes – anders als bei Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken und Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen – dem Bestimmtheitserfordernis hinsichtlich der Frage der Inkongruenz keine Bedeutung beizumessen sein.320 Die bankrechtlichen Vertragsklauseln gewähren der Bank gerade keinen Anspruch auf Verschaffung des Pfandgegenstandes.321 Weitere gesetzliche Sicherungsansprüche begründen die §§ 775 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, 1039 Abs. 1 Satz 2, 1051, 1067 Abs. 2, 2128 BGB.322 D 111c

§ 222 Satz 2 AO gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf eine bestimmte Sicherung, sondern macht ihn von einer Vereinbarung zwischen dem Finanzamt und dem Steuerschuldner abhängig, die nur dann eine kongruente Deckung begründet, wenn sie vor der Krise getroffen wurde.323

D 112 Ein Frachtführerpfandrecht begründet auch hinsichtlich sogenannter „inkonnexer“ Forderungen aus früheren Frachtaufträgen eine kongruente Sicherung. Dies gilt selbst dann, wenn der Frachtführer den neuen Transportauftrag auch wegen der ihm bewussten Gefahr übernommen hat, der Absender könnte zahlungsunfähig werden, für diesen Fall ein zusätzliches Sicherungsmittel für seine Altforderungen erwerben wollte und den Weitertransport von einer Regelung über die Begleichung der Altforderungen abhängig gemacht hat.324 (3) Sicherung durch Zwangsvollstreckung D 112a Eine Sicherung, die in den kritischen Anfechtungszeiträumen des § 131 InsO im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt wird, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH inkongruent.325 Dies beruht auf der Erwägung, dass nach dem Eintritt der materiellen Insolvenz eine Ungleichbehandlung der Gläubiger

318 Vgl. dazu Rz. D79. 319 Vgl. HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 24; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 75 – a.A. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 39; FK-InsO/Dauernheim, § 131 Rz. 24. 320 Offenbar auf das Erfordernis einer Willensentschließung des Bestellers abstellend MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 23. 321 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 17: weil es bei Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken und Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen völlig dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen bleibt, ob und in welchem Umfang die Gläubigerrechte entstehen. 322 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 23. 323 BGH v. 29.9.2005 – IX ZR 184/04, ZIP 2005, 2025 f.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rz. 40. 324 BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 24/04, ZIP 2005, 992 ff. 325 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353); v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 (311 ff.).

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III. Einzelheiten

Rz. 113 D

nicht mehr durch den Einsatz staatlicher Zwangsmittel soll anfechtungsfest erzwungen werden können.326 Streitig ist, ob eine im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß § 885 BGB D 112b erwirkte Vormerkung als inkongruente Deckung anzusehen ist.327 Zum Teil wird es als entscheidend angesehen, ob die Notwendigkeit, eine Vormerkung im Zwangswege zu erwirken, einen hinreichenden Verdacht begründet. Dies sei bei der Durchsetzung einer Auflassungsvormerkung zu verneinen. Der Schuldner verweigere deren Bewilligung regelmäßig nicht, weil er das Grundstück seinen Gläubigern erhalten wolle. Die Verweigerung der Vormerkungsbewilligung begründe nicht den Verdacht, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger nicht mehr befriedigen könne.328 Nachdem der BGH inzwischen darauf abstellt, dass in der materiellen Insolvenz des Schuldners eine Ungleichbehandlung nicht mehr durch den Einsatz staatlicher Zwangsmittel durchsetzbar sein soll,329 dürfte von einer inkongruenten Deckung auszugehen sein. Bei einer durch Zwangsvollstreckung erwirkten Sicherung bedarf es allerdings D 112c gemäß § 88 InsO („Rückschlagsperre“) keiner Anfechtung, wenn diese im letzten Monat vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach erlangt wurde. Denn eine solche Sicherung wird mit der Insolvenzeröffnung unwirksam. Eine Anfechtung wird dadurch jedoch nicht ausgeschlossen.330 Sie kann insbesondere dann geboten sein, wenn die Sicherung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwertet wurde.331 bb) Nicht „in der Art“ zu beanspruchende Sicherung Eine nicht „in der Art“ zu beanspruchende Sicherung liegt in Abgrenzung zu ei- D 113 ner nicht zu beanspruchenden Sicherung nur vor, wenn die dem Gläubiger gewährte Sicherheit von der nach der ursprünglichen Vereinbarung hinreichend bestimmt geschuldeten Sicherheit abweicht.332 Wegen des Sachzusammenhangs mit den (von vornherein) nicht zu beanspruchenden Sicherungen sind die in Betracht kommenden Fallgestaltungen im vorigen Abschnitt abgehandelt. Gewährt der Schuldner dem Gläubiger eine in diesem Sinne „andere“ Sicherheit in den kritischen Zeiträumen des § 131 Abs. 1 InsO, ist diese Deckung in der Regel inkongruent, und zwar unabhängig davon, welchen Wert die ersatzweise gestellte Sicherheit für den Gläubiger oder für den Schuldner hat.333 326 BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 ff. Rz. 9; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353). 327 Bejahend MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 29; Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, Rz. 418 f.; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 83; a.A. OLG Stuttgart v. 8.4.1994 – 2 U 267/93, ZIP 1994, 722 (723); Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 65 ff. 328 Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 67 f. 329 Vgl. BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353); v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 (311 ff.). 330 Vgl. OLG Stuttgart v. 8.4.1994 – 2 U 267/93, ZIP 1994, 722 (724). 331 HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 27. 332 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 81; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 113. 333 MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 38. Schfer

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D Rz. 114

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

D 114 Geringfügige Abweichungen sind allerdings auch in diesem Zusammenhang unerheblich, sofern sie unverdächtig sind. So ist in der Regel die Bestellung einer Grundschuld statt einer Hypothek für die Gläubiger nicht nachteiliger. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Schuldner statt einer Verpfändung eine Sicherungsabtretung vornimmt oder dem Gläubiger eine Sache zur Sicherheit übereignet, denn auch diese Rechte begründen in der Insolvenz des Sicherungsgebers nur ein Absonderungsrecht. Die Verpfändung oder Sicherungsabtretung eines Teils des Versteigerungserlöses kann einen kongruenten Ersatz für die Bestellung eines Grundpfandrechts darstellen.334 Streitig ist, ob eine von der ursprünglich vereinbarten Sicherungsabtretung von Forderungen abweichende Sicherungsabtretung anderer Forderungen als inkongruent anzusehen ist.335 cc) Nicht „zu der Zeit“ zu beanspruchende Sicherung D 115 Eine Sicherung ist nicht „zu der Zeit“ zu beanspruchen, wenn sie noch nicht verlangt werden kann, etwa weil der Anspruch auf ihre Bestellung noch nicht fällig oder aufschiebend bedingt oder befristet ist.336 Insoweit gelten die Grundsätze zu einer nicht „zu der Zeit“ zu beanspruchenden Befriedigung entsprechend.337 Insbesondere die Kontosperre einer Bank ist inkongruent, wenn ihr Pfandrecht nur künftige Ansprüche sichert.338 Fehlt es zunächst an einem hinreichend bestimmten Anspruch auf Sicherung und wird dieser erst nachträglich konkretisiert, besteht die Inkongruenz der Sicherung nicht darin, dass sie nicht „zu der Zeit“, sondern dass sie „überhaupt nicht“ zu beanspruchen war.339 D 116 Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob der Inhaber einer Sicherheit diese erst dann beanspruchen kann, wenn ihr auch eine zu sichernde Forderung zugrundeliegt, ob also etwa eine bereits bestellte Grundschuld eine „nicht zu der Zeit“ zu beanspruchende Sicherung darstellt, wenn die zu sichernde Schuld fehlt.340 Genau genommen geht es auch insoweit um eine unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanspruchende Sicherung. Im Urteil vom 19.3.1998341 ist der BGH davon ausgegangen, dass das unanfechtbar entstandene Pfandrecht auch noch durch Forderungen aus dem kritischen Zeitraum habe unterlegt werden können. Der BGH hat aber jedenfalls durch Urteil vom 25.6.1975342 entschieden, dass eine inkongruente Deckung gegeben ist, wenn eine Sicherheit in der Krise durch Forderungsabtretung valutiert wird.

334 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 37. 335 Bejahend Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 115 a.A. MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 37. 336 Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 48; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 40. 337 Vgl. dazu oben Rz. D86 ff. 338 Vgl. dazu oben Rz. D106. 339 Zutr. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 116. 340 Zu Recht bejahend MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 43; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/ Bork, § 131 Rz. 117. 341 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 ff. = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342. 342 Vgl. BGH v. 25.6.1975 – VIII ZR 71/74, WM 1975, 947 (948).

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III. Einzelheiten

Rz. 119a D

In seinem Urteil vom 14.12.2006343 weist der BGH darauf hin, dass nach der D 117 bisherigen Rechtsprechung bei rechtsgeschäftlichen Pfandrechten an bereits bestehenden Sachen und Rechten anfechtungsrechtlich der Zeitpunkt ihrer Bestellung maßgebend sei, auch soweit sie der Sicherung künftiger Forderungen dienten. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, auf die er in jüngerer Zeit verstärkt abgestellt habe, bewirke die Begründung eines Pfandrechts an Vermögensgegenständen des Schuldners zur Sicherung künftiger Forderungen indes erst im Entstehungszeitpunkt der gesicherten Forderung die Schmälerung des Schuldnervermögens und somit die Gläubigerbenachteiligung. Ebenso wie eine noch nicht fällige Werklohnforderung des Schuldners einen Vermögenswert erst nach der Ausführung der geschuldeten Werkleistung darstelle,344 werde auch ein Pfandrecht zur Sicherung einer künftigen Forderung erst mit deren Entstehung für den Gläubiger werthaltig. Ob an der früheren Rechtsprechung noch festzuhalten oder ob bei rechtsgeschäft- D 118 lichen und gesetzlichen Pfandrechten allgemein auf den Zeitpunkt der Entstehung der gesicherten Forderung abzustellen sei, könne in dem zu entscheidenden Fall offen bleiben. Für das Vermieterpfandrecht ergebe sich jedenfalls aus dem Rechtsgedanken des § 140 Abs. 3 InsO, dass anfechtungsrechtlich auf den Zeitpunkt der Pfandrechtsentstehung abzustellen sei. Nach dieser Bestimmung bleibe bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung der Eintritt der Bedingung oder der Befristung außer Betracht. Maßgebend sei dann der Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände. Bei Mietzinsforderungen, die als aufschiebend befristete Ansprüche unter diese Bestimmung fielen, sei dies der Abschluss des Mietvertrages.345 2. Sonstige Tatbestandsvoraussetzungen § 131 Abs. 1 InsO stimmt hinsichtlich der sonstigen tatbestandlichen Voraus- D 119 setzungen im Wesentlichen mit § 130 InsO überein, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann. Es sind daher nur einige ergänzende Ausführungen veranlasst. a) Zahlungsunfähigkeit Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet dies auch im Rah- D 119a men des § 131 InsO gemäß § 17 Abs. 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.346 Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer, darauf hindeutender Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es nicht einer darüber hinausgehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der ge343 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03 – „Vermieterpfandrecht“, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610. 344 Vgl. dazu BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411. 345 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 18; vgl. zur Kritik Rz. M60 ff. 346 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 8; v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, ZInsO 2012, 976 ff. Schfer

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D Rz. 119a

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

gen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 %. Es ist vielmehr eine Gesamtabwägung erforderlich, ob eine Zahlungseinstellung gegeben ist.347 Wichtig ist ferner der Hinweis des BGH, wonach bereits der Umstand, dass beträchtliche Zahlungsrückstände bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr beglichen wurden, in der Regel ein Indiz für eine Zahlungseinstellung bildet.348 Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund konkreter Umstände, die sich nachträglich geändert haben, damals angenommen werden konnte, der Schuldner werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen.349 b) Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen D 119b Hinsichtlich der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 131 InsO kann auf die Ausführungen zu § 130 InsO verwiesen werden. Zu § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist nochmals anzumerken, dass zwar in der Gesetzesbegründung der Hinweis enthalten ist, es handle sich dabei um einen Sonderfall der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung im Sinne des § 144 des Gesetzentwurfs (vgl. jetzt § 133 InsO);350 insoweit ist jedoch zu beachten, dass in § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO kein Fall der Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung geregelt ist. Neben der Kenntnis des Insolvenzgläubigers von der Benachteiligung der übrigen Gläubiger ist daher kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners erforderlich.351 Die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Benachteiligung der Gläubiger schließen lassen (§ 131 Abs. 2 Satz 1 InsO), erfordert ein für sicher gehaltenes Wissen; grobe Fahrlässigkeit genügt nicht.352 Vom Vorliegen dieser Kenntnis ist – ähnlich wie bei § 130 Abs. 2 InsO – auszugehen, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen nicht der Einsicht verschließen konnte, der Schuldner werde in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein, seine sämtlichen Gläubiger zu befriedigen.353 Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 31.5.2016354 ersetzt die Kenntnis von gescheiterten Zwangsvollstreckungsversuchen nicht die notwendige Feststellung, dass der Schuldner zahlungsunfähig und dem Gläubiger die Gläubigerbenachteiligung bekannt war.

347 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 ff. Rz. 17; v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, ZInsO 2012, 976 ff. Rz. 11; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 10 ff. 348 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 ff. Rz. 18; v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, ZInsO 2012, 976 ff. Rz. 15; v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 28. 349 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 ff. Rz. 28. 350 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 351 Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 831 Rz. 40. 352 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (185); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rz. 98. 353 Vgl. BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (250); HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 35. 354 BSG v. 31.5.2016 – B 1 KR 38/15 R, ZInsO 2016, 1853 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 121 D

3. Anfechtungszeitraum Für Rechtshandlungen innerhalb des letzten Monats vor der Stellung des Insol- D 119c venzantrages oder danach sieht § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO keine weiteren Anfechtungsvorausetzungen vor. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO setzt wegen des größeren zeitlichen Abstands für Rechtshandlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor der Antragstellung als weitere objektive Tatbestandsvoraussetzung (nur) die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraus. Die Kenntnis des Insolvenzgläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wird unwiderleglich vermutet.355 § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO verzichtet für die Zeit des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag auf die objektive Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit und verlangt stattdessen die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Benachteiligung der übrigen Gläubiger.356 Dieser Kenntnis steht nach § 131 Abs. 2 Satz 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Geht es um die Inkongruenz von Verrechnungen im debitorischen Bankenkon- D 119d tokorrent, so ist zu beachten, dass diese Frage für den gesamten Anfechtungszeitraum nur einheitlich beantwortet werden kann.357 Denn eine drohende Inkongruenz von Verrechnungen kann durch die Weiterentwicklung des Kontokorrents im letzten Monat vor der Antragstellung oder danach noch behoben werden.358 4. Darlegungs- und Beweislast; § 131 Abs. 2 InsO a) Allgemeine Grundsätze Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich sämtlicher tatbestandlicher Vo- D 120 raussetzungen des § 131 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 InsO obliegt nach allgemeinen Grundsätzen dem Insolvenzverwalter.359 Dies gilt insbesondere für die nach § 131 InsO ausreichende mittelbare Gläubigerbenachteiligung und die Kausalität zwischen Rechtshandlung, Inkongruenz und Gläubigerbenachteiligung.360 Im Rahmen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat der Insolvenzverwalter darzulegen D 121 und gegebenenfalls zu beweisen, dass im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder danach eine inkongruente Deckungshandlung vorgenommen wurde. Dabei können ihm Darlegungserleichterungen zugute kommen, sofern er zur Frage der Inkongruenz nichts aus eigener Kenntnis vortragen kann. Ist dies der Fall, so obliegt es zunächst dem Anfechtungsgegner, im Rahmen der sogenannten „sekundären Darlegungslast“ einen Anspruch auf Sicherung oder Befriedigung vorzutragen. Es ist sodann Sache des Insolvenzverwalters, den behaupteten

355 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 158. 356 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 357 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 f.; v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. Rz. 17. 358 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576 f. Rz. 8. 359 Vgl. HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 34; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 57. 360 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 156. Schfer

411

D Rz. 121

§ 131 InsO – Inkongruente Deckung

Anspruch zu widerlegen.361 Ist eine Leistung nach dem ursprünglichen Schuldverhältnis inkongruent, obliegt dem Anfechtungsgegner die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich einer behaupteten nachträglichen Änderungsvereinbarung.362 D 122 Im Rahmen des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO muss der Insolvenzverwalter zusätzlich darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Schuldner bei der Vornahme der Rechtshandlung zahlungsunfähig war.363 D 123 Nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO obliegt dem Insolvenzverwalter auch die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Benachteiligung der Gläubiger.364 Dabei kommt ihm jedoch die Beweiserleichterung in § 131 Abs. 2 Satz 1 InsO zugute, wonach es genügt, wenn er Umstände darlegt und beweist, die zwingend auf die Benachteiligung der Gläubiger schließen ließen. Die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung kann allerdings nicht schon aufgrund der Inkongruenz der Deckungshandlung bejaht werden. Da die Inkongruenz bereits tatbestandsmäßige Voraussetzung der Bestimmung ist, kann sie nicht zugleich als selbständige, zusätzliche Beweislastregel innerhalb dieser Norm dienen. Dies zeigt auch der Umkehrschluss aus § 131 Abs. 2 Satz 2 InsO.365 Dennoch kann es ein Beweisanzeichen dafür begründen, dass der Gläubiger Kenntnis von der Benachteiligung der übrigen Gläubiger hatte, wenn er sich im Bewusstsein einer kritischen wirtschaftlichen Situation des Schuldners eine inkongruente Deckung gewähren ließ.366 D 124 Die Kenntnis des Gläubigers von der Gläubigerbenachteiligung ist – als innere Tatsache – praktisch nur anhand objektiver Tatsachen nachzuweisen. Je mehr Einblick der Gläubiger daher in die finanziellen Verhältnisse des Schuldners hat, desto eher wird sich diese Kenntnis nachweisen lassen.367 Eine weitere Beweiserleichterung folgt insoweit aus der ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach eine inkongruente Deckung in der Regel ein starkes Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die entsprechende Kenntnis des Gläubigers bildet.368 Voraussetzung ist allerdings, dass die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.369 Ist das Ausmaß der Inkongruenz indes gering, so 361 362 363 364 365 366 367 368 369

Vgl. Jaeger/Henckel, § 131 Rz. 78. Vgl. BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (330) = MDR 1994, 158. Vgl. dazu oben Rz. C77 ff. Begründung zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159; MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 62. BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (250) = MDR 2004, 650. Vgl. BGH v. 3.12.1998 – IX ZR 313/97, ZIP 1999, 76 (77); v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, NJW 2004, 1385 (1387) = BGHZ 157, 242 ff. Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 158. BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (250 ff.); v. 18.6.2009 – IX ZR 7/07, ZIP 2009, 1434 f. Rz. 5; v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = ZIP 2006, 290 ff. Rz. 21. BGH v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, ZIP 2004, 1060 ff. Rz. 24; v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (250 ff.); v. 21.1.1999 – IX ZR 329/97, MDR 1999, 503 = ZIP 1999, 406 (407).

412 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 126 D

verliert sie in der Regel als Beweisanzeichen für die Gläubigerbenachteiligung an Bedeutung.370 Bei Verrechnungen der Bank im Kontokorrent hat der Insolvenzverwalter im D 124a Grundsatz darzulegen und zu beweisen, dass die Summe der verrechneten Eingänge im gesamten Anfechtungszeitraum die der Ausgänge übersteigt.371 Will der Insolvenzverwalter für die Berechnung des anfechtbar zurückgeführten Sollstandes einen späteren (höheren) Sollstand als den des Dreimonatszeitraums zugrunde legen, muss er beweisen, dass die Zahlungsunfähigkeit erst zu diesem späteren Zeitpunkt eingetreten ist.372 b) Beweiserleichterungen nach § 131 Abs. 2 InsO Um dem Insolvenzverwalter bei dem schwierigen Nachweis der Kenntnis des D 125 Anfechtungsgegners von der Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger im Sinne des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegenzukommen, sieht § 131 Abs. 2 Satz 1 InsO eine Beweiserleichterung vor. Danach steht für die Anwendung des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Es genügt insoweit der Nachweis der Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich bei zutreffender rechtlicher Beurteilung zweifelsfrei ergibt, dass der Schuldner infolge seiner Liquiditäts- und Vermögenslage in absehbarer Zeit seine Zahlungspflichten nicht mehr in vollem Umfang erfüllen kann und dass dann Insolvenzgläubiger wenigstens teilweise leer ausgehen.373 Die Kenntnis solcher Umstände ist zu bejahen, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen konnte, der Schuldner werde in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein, seine sämtlichen Gläubiger zu befriedigen.374 § 131 Abs. 2 Satz 2 InsO kehrt die Darlegungs- und Beweislast um, wenn sich D 126 die Anfechtung gegen eine nahestehende Person im Sinne des § 138 InsO richtet. Nach dieser Bestimmung wird gegenüber einer nahstehenden Person vermutet, dass sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte. Da auch gegenüber einer nahestehenden Person § 131 Abs. 2 Satz 1 InsO anwendbar ist, obliegt ihr auch der – praktisch schwer zu führende – Beweis, sie habe keine Umstände gekannt, die zwingend auf die Benachteiligung der Gläubiger schließen ließen.375

370 BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96, MDR 1997, 767 = ZIP 1997, 853 (855); v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276 ff. 371 Vgl. BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. Rz. 15. 372 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 131 Rz. 76a. 373 BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (250 ff.) = MDR 2004, 650 (250). 374 HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 33. 375 Vgl. HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 36; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 131 Rz. 45. Schfer

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E. § 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen § 132 Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (1) Anfechtbar ist ein Rechtsgeschäft des Schuldners, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt, 1. wenn es in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit des Rechtsgeschäfts der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der andere Teil zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder 2. wenn es nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der andere Teil zur Zeit des Rechtsgeschäfts die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. (2) Einem Rechtsgeschäft, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt, steht eine andere Rechtshandlung des Schuldners gleich, durch die der Schuldner ein Recht verliert oder nicht mehr geltend machen kann oder durch die ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen ihn erhalten oder durchsetzbar wird. (3) § 130 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend. Rz. I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . .

E1

Rz. 2.

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E13 III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbar nachteilige Rechtsgeschäfte – § 132 Abs. 1 InsO . . . . . . a) Rechtsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . b) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch gegenseitige Verträge . . . . . . . . . . . . bb) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch sonstige, insbesondere einseitige Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . .

E20 3. E20 E24 E32 E37

4. 5.

c) Teilanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . Gleichgestellte Rechtshandlungen gemäß § 132 Abs. 2 InsO. . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtshandlung des Schuldners . Sonstige Anfechtungsvoraussetzungen; Verweis in § 132 Abs. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weitere objektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektive Anfechtungsvoraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtungszeitraum . . . . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . .

E49 E50 E50 E53 E56 E56 E57 E58 E59

E47

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes E 1 Nach § 132 Abs. 1 InsO sind Rechtsgeschäfte anfechtbar, die in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden, wenn der Schuldner bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts zahlungsunfähig war und wenn der andere Teil zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte (Nr. 1), bzw. Rechtsgeschäfte, die nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden, sofern der andere Teil bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte (Nr. 2). Dabei ist zu beachten, dass nach § 132 Abs. 3 InsO die Regelungen in § 130 Abs. 2 und 3 InsO 414 Schfer

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 5 E

entsprechend gelten. Auch hier reicht daher die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen ließen. § 132 Abs. 1 InsO erfasst in Anlehnung an § 30 Nr. 1 Fall 1 KO Rechtsgeschäfte E 2 des Schuldners, durch deren Vornahme die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Da im Unterschied zur Vorgängerregelung nicht mehr von einem „eingegangenen“, sondern von einem „vorgenommenen“ Rechtsgeschäft die Rede ist, werden nunmehr auch einseitige Rechtsgeschäfte wie die Kündigung erfasst.1 Im Gegensatz zu den §§ 130, 131 InsO ist § 132 Abs. 1 InsO nur im Falle einer un- E 3 mittelbaren Gläubigerbenachteiligung anwendbar. Nach der Gesetzesbegründung genügt es für § 132 Abs. 1 InsO nicht, dass zwischen der Vornahme des Rechtsgeschäfts und der Gläubigerbenachteiligung irgendein ursächlicher Zusammenhang besteht; die Benachteiligung muss vielmehr unmittelbar durch die Vornahme des Rechtsgeschäfts eingetreten sein.2 Dies dient der erforderlichen Begrenzung des Tatbestandes und soll es dem Schuldner ermöglichen, auch in der Krise über den engen Bereich des Bargeschäfts im Sinne des § 142 InsO hinaus am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen. Wäre jedes während der materiellen Insolvenz vorgenommene Rechtsgeschäft uneingeschränkt anfechtbar, würde jede Krise notwendig mit der Insolvenzeröffnung enden, weil kein Gläubiger mehr bereit wäre, Geschäfte mit dem Schuldner abzuschließen.3 Es ist daher anfechtungsrechtlich unschädlich, wenn eine beim Abschluss eines gegenseitigen Vertrages gleichwertige Gegenleistung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht mehr im Schuldnervermögen vorhanden ist oder an Wert verloren hat.4 § 132 InsO dient ebenso wie die §§ 130 und 131 InsO der Verwirklichung des E 4 Grundsatzes der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger.5 Der das Insolvenzverfahren bestimmende Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung („par condicio creditorum“) wird auf einen Zeitpunkt vor der formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorverlegt. Derjenige Gläubiger, der in diesem Stadium zu Lasten der übrigen Gläubiger begünstigt wird, soll das Erlangte nicht behalten dürfen. Nicht zu den Rechtsgeschäften im Sinne des § 132 InsO gehören nach der Ge- E 5 setzesbegründung Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen; für sie gelten die besonderen Vorschriften der §§ 130, 131 InsO.6 Damit ist klargestellt, dass die §§ 130, 131 InsO als lex specialis § 132 InsO vorgehen, soweit einem Insolvenzgläubi1 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 2 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 3 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 3 mit Hinweis auf die Materialien zur KO. 4 Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 10. 5 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 1; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rz. 21.66; a.A. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 423 ff. 6 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. Schfer

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E Rz. 5

§ 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

ger eine Deckung gewährt oder ermöglicht wurde.7 § 132 InsO ist dagegen anwendbar, wenn die Anfechtung eine Rechtshandlung betrifft, durch die eine Insolvenzforderung erst begründet wurde. Wird daher eine im Anfechtungszeitraum des § 132 InsO begründete oder verstärkte Verbindlichkeit später noch vor der Insolvenzeröffnung erfüllt, liegen zwei getrennte Rechtshandlungen vor, die jeweils selbständig – die schuldrechtliche Verbindlichkeit nach § 132 InsO, die Deckungshandlung nach § 130 oder nach 131 InsO – anfechtbar sein können.8 E 6 Die §§ 130, 131 InsO erfassen indes nur Rechtshandlungen, die gegenüber einem Insolvenzgläubiger vorgenommen wurden.9 Umstritten ist daher die Frage, ob § 132 InsO anwendbar ist, wenn der Empfänger einer Verfügung kein Insolvenzgläubiger ist und die §§ 130, 131 InsO somit nicht anwendbar sind.10 Von praktischer Bedeutung ist dies im Fall der Zahlung auf fremde Schuld. Eine unmittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kommt insoweit in Betracht, wenn der Zahlende zugleich eine gegen ihn gerichtete, nicht vollwertige Forderung des Schuldners des Zahlungsempfängers tilgt oder gegen den Letzteren einen nicht vollwertigen Rückgriffsanspruch erwirbt, ansonsten fehlt es in der Regel an der erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. E 7 Im Kern geht es insoweit um die Frage, ob es in diesen Fällen gerechtfertigt ist, den Zahlungsempfänger dem der besonderen Insolvenzanfechtung zugrundeliegenden Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger zu unterwerfen, obwohl er kein Insolvenzgläubiger ist.11 Dies dürfte zu verneinen sein. Der insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zwingt jene, die mit dem Schuldner durch ein Rechtsverhältnis verbunden sind, in eine „Schicksalsgemeinschaft“.12 An einem solchen Rechtsverhältnis fehlt es aber bei der Zahlung auf fremde Schuld im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Zahlungsempfänger, der nicht Insolvenzgläubiger ist. Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Zahlungsempfänger, der in keiner Rechtsbeziehung zum Schuldner gestanden hat, dem insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu unterwerfen.13 Der Zahlungsempfänger wäre einem doppelten Anfechtungsrisiko (in der Insolvenz des Zahlenden und in jener seines Schuldners) ausgesetzt, nur weil er die ihm gebührende Leistung nicht von seinem Schuldner, sondern von einem Dritten erhalten hat.14

7 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 288 ff. = MDR 1999, 1463; MK-InsO/ Kayser, § 132 Rz. 5; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 4; HambKommInsO/Rogge/Leptien, § 132 Rz. 1; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.67. 8 MK-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 132 Rz. 5. 9 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 (316) = MDR 2008, 341. 10 Bejahend FK-InsO/Dauernheim, § 132 Rz. 2; a.A. Henckel, ZIP 2004, 1671 (1673); Bork/ Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 95; MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 5 – offen lassend für die Tilgung fremder Schuld BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, MDR 1980, 930 = NJW 1980, 1961 (1962). 11 Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 95. 12 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 2.26. 13 Zutr. Henckel, ZIP 2004, 1671 (1673). 14 Vgl. Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 95.

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I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 12 E

Der BGH hat diese Frage im Urteil vom 5.2.200415 offen gelassen. Sie wäre E 8 nach seiner Auffassung – sofern überhaupt das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts im Sinne des § 30 Nr. 1 Fall 1 KO anzunehmen wäre – wie bei § 30 Nr. 2 KO aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden. Entrichtet der Schuldner als Arbeitgeber Beiträge für freiwillig in der gesetzli- E 9 chen Rentenversicherung versicherte Arbeitnehmer, sind diese Zahlungen im sogenannten „Dreipersonenverhältnis“ nicht nach § 132 InsO anfechtbar. Da Beitragsschuldner nur der freiwillig Versicherte ist, sind die Sozialversicherungsträger hinsichtlich ihrer Ansprüche zwar keine Insolvenzgläubiger; der Schuldner erfüllt aber nur vereinbarungsgemäß seine Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern, so dass allenfalls eine Deckungsanfechtung gegenüber den Arbeitnehmern in Betracht käme.16 Nach § 132 Abs. 2 InsO steht einem Rechtsgeschäft, das die Insolvenzgläubiger E 10 unmittelbar benachteiligt, eine andere Rechtshandlung des Schuldners gleich, durch die dieser ein Recht verliert oder nicht mehr geltend machen kann oder durch die ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen ihn erhalten oder durchsetzbar wird. § 132 Abs. 2 InsO stellt einen Auffangtatbestand für bestimmte Rechtshandlungen dar, die für die Gläubiger nachteilig sind, ohne dass sie von der Deckungsanfechtung oder der Anfechtung unmittelbar nachteiliger Rechtsgeschäfte gemäß § 132 Abs. 1 InsO erfasst werden. Mit § 132 Abs. 2 InsO soll erreicht werden, dass solche Rechtshandlungen nicht E 11 nur wegen vorsätzlicher Benachteiligung unter den strengen Voraussetzungen des § 133 InsO anfechtbar sind, soweit nicht eine erleichterte (objektivierte) Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht kommt. Damit soll die Bestimmung vor allem Regelungslücken schließen, die nach früherem Konkursrecht bei der Anfechtung von Unterlassungen bestanden.17 Als Beispiele nennt die Gesetzesbegründung die Fälle, dass der Schuldner einen Protest nach Wechselrecht oder die Unterbrechung der Ersitzung unterlässt bzw. davon absieht, Rechtsbehelfe einzulegen, die Irrtumsanfechtung zu erklären oder die Einrede der Verjährung zu erheben.18 Zu beachten ist, dass das nach der Gesetzesbegründung von § 132 Abs. 2 InsO E 12 miterfasste Unterlassen des Schuldners ein bewusstes Unterlassen sein muss, das unmittelbar zu einem Rechtsverlust geführt hat. Es reicht daher nicht, dass der Vermieter aufgrund eines Zahlungsverzuges des Schuldners den Mietvertrag fristlos gekündigt hat. Die Folgen einer solchen Kündigung können nicht durch Anfechtung beseitigt werden.19 Das bloße Unterlassen der Stellung eines Insolvenzantrages genügt ebenfalls nicht.20 15 BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 (919). 16 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 8 – a.A. OLG Hamburg v. 19.10.2007 – 1 U 136/06, ZIP 2008, 88 (90); offen gelassen in BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 26/10, juris Rz. 3. 17 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 18 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 19 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 22. 20 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832. Schfer

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E Rz. 13

§ 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

II. Allgemeines E 13 § 132 InsO erfasst im Gegensatz zur Deckungsanfechtung in seinem Absatz 1 nur Rechtsgeschäfte des Schuldners und in Absatz 2 nur bestimmte, den Rechtsgeschäften gleichgestellte Rechtshandlungen des Schuldners oder eines für ihn handelnden Vertreters.21 Bargeschäfte im Sinne des § 142 InsO unterfallen nicht § 132 InsO.22 Eine unter dem Gesichtspunkt der Gläubigerbefriedigung gleichwertige Gegenleistung schließt die Anfechtung des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts nach § 132 InsO aus, wobei – anders als bei einem Bargeschäft nach § 142 InsO – ein enger zeitlicher Zusammenhang des Leistungsaustauschs im Rahmen des § 132 InsO nicht gefordert wird.23 Rechtshandlungen, die einem Gläubiger durch Verfügung eine Befriedigung oder Sicherung verschaffen, werden nur von den §§ 130, 131 InsO erfasst. E 14 Nach der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO erfordert auch § 132 InsO eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger. Dabei ist § 132 Abs. 1 InsO nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nur bei einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung erfüllt. Dies setzt voraus, dass die unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger bereits durch die Vornahme des Rechtsgeschäfts und nicht erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände verursacht wurde.24 Es muss somit gerade zwischen dem Rechtsgeschäft und der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung ein Kausalzusammenhang bestehen.25 Dagegen genügt es nicht, dass eine ursprünglich gleichwertige Gegenleistung später nicht mehr vorhanden ist oder an Wert verloren hat.26 E 15 Nach herrschender Auffassung genügt dagegen für § 132 Abs. 2 InsO trotz der anderslautenden Gesetzesüberschrift eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung.27 So kann etwa der Verlust eines wegen der Vermögenslosigkeit des Schuldners wertlosen Anspruchs die Gläubiger benachteiligen, wenn dieser später Vermögen erwirbt.28 In der Begründung zum Regierungsentwurf wird dazu nur ausgeführt, das Erfordernis der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung werde in den Fällen des Absatzes 2 unterstellt.29 In der Kommissionsbegründung zu LS 5.2.5 Abs. 3, der § 132 Abs. 2 InsO entspricht, wurde indes ausdrücklich betont, das Erfordernis der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung gelte nicht, weil „diese in der Regel nicht unmittelbar aufgrund der Unterlassung, sondern erst durch später hinzutretende Umstände eintritt“.30 21 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 11. 22 Vgl. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 834 Rz. 47; HK-InsO/Thole, § 132 Rz. 6. 23 Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 9; MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 11. 24 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 16. 25 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 13. 26 BGH v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 ff.; Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 10. 27 Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 37; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 14; Graf-Schlicker/Huber, § 132 Rz. 11; a.A. Braun/de Bra, § 132 Rz. 20; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.72. 28 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 17. 29 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 30 Vgl. HK-InsO/Thole, § 132 Rz. 10.

418 Schfer

II. Allgemeines

Rz. 19 E

Da § 132 Abs. 1 InsO eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch das E 16 Rechtsgeschäft selbst voraussetzt, genügt es im Grundsatz nicht, dass ein Vertrag mit einem Sanierungsberater dem Schuldner im Endeffekt keinen Nutzen gebracht hat.31 § 132 Abs. 1 InsO kann allerdings dann anwendbar sein, wenn die Sanierungsbemühungen bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar aussichtslos waren und deshalb die Leistungen des Sanierungsberaters keine gleichwertige Gegenleistung darstellten.32 Ist der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Rechtsgeschäft und E 17 der unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger gegeben, so ist nach herrschender Auffassung das ganze Rechtsgeschäft nach § 132 Abs. 1 InsO anfechtbar und die Anfechtungswirkung nicht etwa auf den Wertunterschied zwischen Leistung und Gegenleistung beschränkt; eine Saldierung findet nicht statt.33 Der Anfechtungsgegner hat die empfangene Leistung insgesamt herauszugeben und kann seine Gegenleistung nur nach Maßgabe des § 144 InsO geltend machen. Der BGH hat den Grundsatz der Unteilbarkeit der Anfechtungswirkung jedoch E 18 nicht strikt durchgehalten. In einem Urteil vom 11.6.198034 ist er von der Teilbarkeit eines unangemessen hohen Sanierungshonorars ausgegangen. In einem weiteren Urteil vom 15.12.1994 führt er noch allgemeiner aus, dass in dem Umfang, in welchem dem Beklagten ein angemessenes Honorar gewährt worden sei, die Konkursgläubiger nicht benachteiligt worden seien; dass ein Pauschalhonorar vereinbart und gezahlt worden sei, erschwere zwar die tatrichterliche Überprüfung dieser Frage, habe ansonsten jedoch keine rechtliche Bedeutung.35 Dies wird im Schrifttum zu Recht kritisiert.36 Lehnt man eine Teilbarkeit im sonstigen Anwendungsbereich der besonderen Insolvenzanfechtung ab, so kann man sie konsequenterweise auch nicht im Rahmen des § 132 InsO zulassen. Eine Beschränkung auf die Leistungsdifferenz ist auch nicht geboten, weil die erforderliche Kenntnis der wirtschaftlichen Krise des Schuldners hinreichend vor unausgewogenen Rechtsgeschäften mit diesem warnt.37 Ein angemessener Ausgleich wird vielmehr über § 144 Abs. 2 InsO durchgeführt. Die Fortführung des schuldnerischen Geschäftsbetriebs in der Krise wird im Übrigen über die Rechtsfigur des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO ermöglicht. Eine Ausnahme von der Unteilbarkeit ist nur dann anzunehmen, wenn die E 19 Gläubiger durch eine vertragliche Regelung benachteiligt werden, die sich von dem übrigen Vertragswerk abtrennen lässt.38 Teilbar ist etwa ein ansonsten 31 Graf/Wunsch in Runkel, Insolvenzrecht, § 10 Rz. 155. 32 Vgl. BGH v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 (253, 255) = MDR 1980, 843. 33 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 13; MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 29; a.A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.71. 34 BGH v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 ff. = MDR 1980, 843. 35 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, MDR 1995, 919 = NJW 1995, 1093 (1094). 36 Vgl. Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 23; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 248; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 14. 37 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 29; a.A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.71. 38 BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92 – „Breitbandverteilanlage“, BGHZ 124, 76 ff. = MDR 1994, 468; v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06 – „Heimfallanspruch“, MDR 2007, 1099 = ZIP 2007, 1120 ff.; vgl. dazu noch MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 18. Schfer

419

E Rz. 19

§ 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

ausgewogener Vertrag, der den Schuldner bzw. dessen Gläubiger in abtrennbaren Einzelpunkten gezielt für den Fall der Insolvenz benachteiligt. In diesem Fall entfällt für die Rückabwicklung allein die benachteiligende Klausel.39

III. Einzelheiten 1. Unmittelbar nachteilige Rechtsgeschäfte – § 132 Abs. 1 InsO E 20 Gemäß § 132 Abs. 1 InsO muss das Rechtsgeschäft als solches die künftigen Insolvenzgläubiger (unmittelbar) benachteiligen. An der von § 132 Abs. 1 InsO vorausgesetzten unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung fehlt es nicht nur dann, wenn die Gegenleistung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch mit ihrem vollen Wert in der Insolvenzmasse vorhanden ist, sondern auch dann, wenn die ursprünglich gleichwertige Gegenleistung zur Zeit der Verfahrenseröffnung nicht mehr vorhanden ist oder an Wert verloren hat.40 § 132 Abs. 1 InsO richtet sich vor allem gegen die Eingehung von Verbindlichkeiten durch den in der Krise befindlichen Schuldner, für die ihm kein ausgleichender Gegenwert zufließen soll (sogenannte „Verschleuderungsgeschäfte“).41 Bedeutsam ist dies etwa in den Fällen, in denen der Schuldner im Zustand der materiellen Insolvenz Vermögensgegenstände unter Wert veräußert, um möglichst rasch zu Geld zu kommen. E 21 Praktische Bedeutung kommt § 132 Abs. 1 InsO ferner bei Rechtsgeschäften des Schuldners oder des vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO) mit Gläubigern zu, mit denen im Rahmen eines Austauschgeschäftes die Verpflichtung zur Begleichung von Altverbindlichkeiten gegenüber dem Gläubiger übernommen wird, die ansonsten nur als Insolvenzforderungen zu bedienen gewesen wären. Solche Rechtsgeschäfte können im Grundsatz selbst bei Personenidentität zwischen vorläufigem und endgültigem Insolvenzverwalter angefochten werden, sofern nicht beim Anfechtungsgegner ein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich der Beständigkeit seines Erwerbs begründet wurde.42 E 22 Bei nicht erfüllten Verträgen und allgemein bei der Begründung von Ansprüchen durch ein Rechtsgeschäft des Schuldners dient die Anfechtung in erster Linie dazu, durch einen darauf gestützten Widerspruch des Insolvenzverwalters eine Feststellung der aus dem Rechtsgeschäft resultierenden Gläubigerforderungen zur Tabelle (vgl. § 178 Abs. 1 InsO) zu verhindern.43 Im Falle eines gegenseitigen, zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch von keiner Seite vollständig erfüllten Vertrages, kann der Insolvenzverwalter auch gemäß § 103 InsO die Erfüllung

39 40 41 42

BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 (84). Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 10. Vgl. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 1. Vgl. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 161/11, ZIP 2013, 528 ff.; v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 ff.; v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. 43 HK-InsO/Thole, § 132 Rz. 6; Gehrlein, WM 2009, Sonderbeilage 1, S. 38.

420 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 25 E

ablehnen.44 Jedoch wird dadurch die Anfechtung nicht stets überflüssig. Denn etwaigen Schadensersatzansprüchen des Vertragspartners des Schuldners muss der Insolvenzverwalter mit dem Einwand der Anfechtbarkeit begegnen.45 Hat der Insolvenzverwalter bereits die Erfüllung gewählt, kann er den Vertrag allerdings nicht mehr anfechten, da dies einem unzulässigen Widerruf der Erfüllungswahl gleichkäme.46 Eine Anfechtung nach § 132 InsO dürfte dagegen auch dann möglich sein, wenn der Schuldner den gegenseitigen Vertrag bereits voll erfüllt hat. Die Erfüllung des Vertrages unterliegt zwar der Deckungsanfechtung, doch kommt daneben auch die Anfechtung des schuldrechtlichen Vertrages mit der Folge in Betracht, dass die gewährte Deckung als inkongruent anzusehen ist.47

E 23

a) Rechtsgeschäft § 132 InsO meint Rechtgeschäfte im Sinne des Zivilrechts und setzt somit im E 24 Grundsatz mindestens eine Willenserklärung, etwa eine Kündigung,48 voraus, die – gegebenenfalls im Zusammenwirken mit weiteren Umständen – auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist.49 Der Begriff des Rechtsgeschäfts ist auch in diesem Zusammenhang weit auszulegen.50 Die Bestimmung erfasst zum einen schuldrechtliche Verträge jeglicher Art, wie etwa die Hingabe oder Aufnahme von Darlehen zu ungünstigen Bedingungen, die Einräumung langfristiger Rechte, etwa durch Miet- oder Pachtvertrag, die Übernahme von Bürgschaften, den Abschluss von Tausch- und Schenkungsverträgen und von Verträgen zugunsten Dritter.51 § 132 Abs. 1 InsO unterfallen ferner Vertragsänderungen, Vergleiche, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, güterrechtliche Auseinandersetzungsverträge und Betriebsvereinbarungen gemäß § 88 BetrVG.52 Für Sozialpläne enthält § 124 InsO eine Sonderregelung. Danach kann ein Sozial- E 25 plan, der nicht früher als drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages aufgestellt wurde, widerrufen werden. Eine Anfechtung erübrigt sich somit, wenn die Arbeitnehmer noch keine Leistungen erhalten haben. Zahlungen auf Sozialpläne können gemäß §§ 130, 131 InsO anfechtbar sein; dass nach § 124 Abs. 3 Satz 1 InsO Leistungen, die ein Arbeitnehmer vor der Eröffnung des Verfahrens auf seine Forderung aus dem widerrufenen Sozialplan erhalten hat, nicht wegen des Widerrufs zurückgefordert werden können, steht der Anfehtbarkeit nicht entgegen.53 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53

Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 47 Rz. 69. Vgl. Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 18. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 12. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 20. Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 19; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 132 Rz. 12. Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 132 Rz. 3. Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 2. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 7. Vgl. dazu Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 155; HK-InsO/Thole, § 129 Rz. 18. Schfer

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E Rz. 26

§ 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

E 26 Verfügungsgeschäfte werden von § 132 Abs. 1 InsO ebenfalls erfasst, sofern sie nicht einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewähren und deshalb der vorrangigen Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO unterliegen. In Betracht kommen insbesondere Abtretungen, die Bestellung überhöhter Sicherheiten gegen gleichzeitige Kreditgewährung und Erlassverträge gemäß § 397 Abs. 1 BGB.54 E 27 Auch Erfüllungshandlungen unterfallen im Grundsatz § 132 InsO, wobei letztlich offen bleiben kann, ob Absatz 1 oder Absatz 2 der Bestimmung einschlägig ist. Die Anfechtung von Erfüllungshandlungen kommt in Betracht, wenn es sich nicht um Leistungen auf eine Insolvenzforderung handelt oder wenn der Schuldner auf eine Nichtschuld leistet.55 Im Schrifttum56 wird etwa die Zahlung des Schuldners zum Zwecke der Ablösung eines Pfandes (vgl. § 1223 Abs. 2 BGB) erwähnt. Erfolge die Zahlung nicht auch auf die gesicherte Forderung, fehle es an der für die Anfechtung nach den §§ 130, 131 InsO erforderlichen Befriedigung eines Insolvenzgläubigers. Allerdings werde durch eine solche Zahlung das Absonderungsrecht des Pfandgläubigers beseitigt, so dass es in der Regel am Erfordernis der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung fehle; die Kostenbeiträge nach den §§ 170 Abs. 1, 171 Abs. 1 InsO dienten nicht der Masseanreicherung, weshalb ihr Entfallen keine Masseschmälerung bewirke.57 Es bleibt indes die Frage, ob es gerechtfertigt ist, den Zahlungsempfänger, der kein Insolvenzgläubiger ist, dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu unterwerfen, welcher den Tatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung zugrunde liegt.58 E 27a Die Tilgung einer fremden Schuld ist nicht nach § 132 Abs. 1 InsO anfechtbar, wenn der Schuldner damit zugleich eine Verbindlichkeit eines Insolvenzgläubigers tilgt oder aus anderen Gründen zur Tilgung der fremden Schuld verpflichtet war. Nur dann, wenn der Schuldner niemandem zur Leistung verpflichtet war, kommt eine Anfechtung nach dieser Bestimmung in Betracht.59 E 27b Der BGH hat es im Urteil vom 5.6.200860 dahingestellt sein lassen, ob die Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 2 StPO als Rechtsgeschäft des Schuldners im Sinne des § 132 Abs. 1 InsO aufgefasst werden kann, weil sie von seiner Zustimmung abhängt. Jedenfalls seien die Insolvenzgläubiger dadurch noch nicht unmittelbar benachteiligt worden, da das Vermögen des Schuldners erst durch die ihm auferlegten Zahlungen an die Staatskasse beeinträchtigt worden sei. E 28 Den Willen zur Einbeziehung einseitiger Rechtsgeschäfte in § 132 Abs. 1 InsO hat der Gesetzgeber durch die Formulierung „vorgenommenes“ statt „einge-

54 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 8. 55 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 4; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 24. 56 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 3. 57 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 3. 58 Vgl. dazu Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 7 Rz. 95. 59 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 24. 60 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 ff. Rz. 9.

422 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 30 E

gangenes“ (so noch § 30 Nr. 1 Fall 1 KO) verdeutlicht.61 Tatbestandlich erfasst ist daher insbesondere die Ausübung von Gestaltungsrechten, etwa die Kündigung eines für den Schuldner günstigen Vertrages ohne ausgleichende Gegenleistung.62 Ein einseitiges Rechtsgeschäft in diesem Sinne stellt ferner das prozessuale Anerkenntnis einer nicht bestehenden Forderung dar.63 Auch die Einverständniserklärung des Schuldners zur Verwertung von Sicherungsgut, welches er dem Gläubiger zur Sicherheit überlassen hat, kann der Anfechtung nach § 132 Abs. 1 InsO unterliegen, wenn die Verwertung unter Wert vorgenommen wurde. Der Anfechtungsgegner muss sich in diesem Fall so behandeln lassen, als wäre die Zustimmung nicht erteilt worden.64 Aufrechnungserklärungen fallen dagegen nicht unter § 132 Abs. 1 InsO, da die Aufrechnungserklärung selbst für die Anfechtung ohne Bedeutung ist und § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO für die insoweit maßgebliche Herstellung der Aufrechnungslage eine Sonderregelung enthält.65 Auch im Rahmen des § 132 InsO ist zu beachten, dass Rechtshandlungen des un- E 29 ter Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts bestellten „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO) als Rechtshandlungen des Schuldners anzusehen sind.66 Damit ist es etwa möglich, die Genehmigung eines Lastschrifteinzuges anzufechten, die im Eröffnungsverfahren (ausdrücklich oder konkludent) erteilt wurde, sofern beim Empfänger kein schutzwürdiges Vertrauen geschaffen wurde, den empfangenen Betrag behalten zu dürfen.67 Soweit ausnahmsweise an das bloße Schweigen rechtsgeschäftliche Folgen ge- E 30 knüpft werden, genügt auch dies für § 132 Abs. 1 InsO.68 Praktisch bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Regelung in Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken bzw. Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen über die Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kann jedenfalls im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen, wie etwa aus Dauerschuldverhältnissen, ständigen Geschäftsbeziehungen oder wiederkehrenden Steuervorauszahlungen, eine konkludente Genehmigung anzunehmen sein, wenn der Lastschriftschuldner dem Einzug in Kenntnis der Belastung nicht innerhalb einer angemessenen Prüffrist widerspricht und bereits zuvor einen früheren Einzug genehmigt hatte.69 In einer solchen Situation sind

61 62 63 64 65 66 67

Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 9. Vgl. BGH v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, ZIP 1997, 367 ff. zu einer vertraglichen Abrede. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 9. BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 (194). Vgl. BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 (194); v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 ff. = MDR 2005, 712. 68 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 19; MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 6; a.A. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 13: Fall des § 132 Abs. 2 InsO. 69 Vgl. dazu BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff. = MDR 2010, 1199; v. 26.10.2010 – XI ZR 562/07, MDR 2011, 57 = ZIP 2010, 2407 ff. Schfer

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E Rz. 30

§ 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

nach der neueren Rechtsprechung des BGH an eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten keine zu hohen Anforderungen zu stellen.70 E 31 Einer entsprechenden Anwendung des § 132 Abs. 1 InsO auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen (bspw. Mahnungen), Realakte und Unterlassungen bedarf es nicht, da diese dem Auffangtatbestand des § 132 Abs. 2 InsO unterfallen.71 b) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung E 32 Der Eintritt der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung ist im Rahmen des § 132 Abs. 1 InsO ausschließlich mit Bezug auf das Wertverhältnis zwischen den konkret ausgetauschten Leistungen zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind lediglich solche Folgen, die an die anzufechtende Rechtshandlung selbst anknüpfen. Erhält der Schuldner für das, was er aus seinem Vermögen weggibt, unmittelbar eine vollwertige Gegenleistung, liegt keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vor.72 Entferntere Vorteile sind dagegen in der Regel selbst dann unbeachtlich, wenn sie adäquat kausal verursacht wurden.73 E 33 An einer unmittelbaren Benachteiligung der Insolvenzgläubiger fehlt es nach der Rechtsprechung des BGH jedoch nicht nur dann, wenn der Schuldner eine vollwertige Gegenleistung erhält. Erhält er etwas, das zwar keine Gegenleistung darstellt, sich aber in anderer Weise als – zumindest gleichwertiger – Vorteil erweist, kommt es darauf an, ob der Vorteil unmittelbar mit dem Vermögensopfer zusammenhängt. Dies ist indes nicht schon dann der Fall, wenn das Vermögensopfer gezielt eingesetzt wird, um den Vorteil zu erreichen. Vielmehr muss sich der Vorteil unmittelbar in einer – den anderweitigen Nachteil zumindest ausgleichenden – Mehrung des Schuldnervermögens niederschlagen.74 E 34 Ist daher der Betrieb des Schuldners nur mit Zustimmung eines Lieferanten günstig zu verwerten und macht dieser seine Einwilligung davon abhängig, dass der Schuldner noch offen stehende Verbindlichkeiten begleicht, benachteiligt diese Schuldtilgung die anderen Insolvenzgläubiger nicht, wenn der Betrieb ohne die „erkaufte“ Einwilligung weniger wert gewesen wäre als der tatsächlich erzielte Kaufpreis abzüglich der Tilgungsleistung.75 E 35 Ist die ursprünglich vollwertige Gegenleistung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht mehr vorhanden oder in ihrem Wert gemindert, so fehlt es an der nach § 132 Abs. 1 InsO erforderlichen unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung. Die Insolvenzgläubiger tragen somit die Gefahr des Untergangs und der

70 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff. Rz. 48 = MDR 2010, 1199; v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 ff. Rz. 20 = MDR 2008, 166. 71 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 9. 72 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02 – „Saudi-Arabien“, BGHZ 154, 190 ff. 73 Vgl. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZInsO 2007, 1107 ff. Rz. 11. 74 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. Rz. 15. 75 BGH v. 24.11.1959 – VIII ZR 220/57, WM 1960, 377 (379); zu Recht kritisch gegenüber dieser Begründung Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 11.

424 Schfer

Rz. 39 E

III. Einzelheiten

Verschlechterung der Gegenleistung.76 Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ist auch dann nicht gegeben, wenn der Insolvenzverwalter die ursprünglich vollwertigen Waren oder Rohstoffe, soweit sie sich noch in der Masse befinden, nicht mehr zum Einkaufspreis verwerten kann.77 Weicht ein Kreditinstitut eigenmächtig von einem Überweisungsvertrag ab, in- E 36 dem es den zu überweisenden Geldbetrag nicht unmittelbar auf dem vereinbarten Empfängerkonto, sondern zunächst auf einem Konto des späteren Insolvenzschuldners gutschreibt, so beruht die anschließende Umbuchung auf das Empfängerkonto weder auf einer nach § 132 InsO anfechtbaren Rechtshandlung des Schuldners noch führt sie zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger gemäß § 129 Abs. 1 InsO.78 aa) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch gegenseitige Verträge Der hauptsächliche Anwendungsbereich des § 132 Abs. 1 InsO sind gegenseiti- E 37 ge Kausalverträge. Wurden diese vor der Insolvenzeröffnung noch nicht erfüllt, dient die Anfechtung nach § 132 Abs. 1 InsO in erster Linie dazu, eine Feststellung der aus dem Vertrag resultierenden Forderung des Gläubigers zur Tabelle zu verhindern.79 Bei gegenseitigen Verträgen ist im Grundsatz der objektiv zu ermittelnde Markt- E 38 preis entscheidend für die Frage, ob die Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden.80 An einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn der Schuldner nach dem Eintritt der Krise Waren oder Rohstoffe zu angemessenen Preisen kauft und sogleich bezahlt.81 In solchen Fällen sind in der Regel die Voraussetzungen eines unanfechtbaren Bargeschäfts im Sinne des § 142 InsO gegeben. Eine unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger ist gegeben, wenn der Schuld- E 39 ner Waren oder Rohstoffe unter dem Marktwert verkauft oder über dem Marktwert ankauft.82 Lässt sich ein objektiver Marktwert nicht zweifelsfrei ermitteln, ist den Vertragsparteien ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen.83 Der vereinbarte Preis ist noch marktüblich und somit nicht unangemessen, wenn der Schuldner Waren als „Sonderangebot“ verkauft. Ein Verkauf zu „Sonderpreisen wegen Geschäftsaufgabe“ ist hingegen anfechtbar, da durch § 132 Abs. 1 InsO krisenbedingte „Verschleuderungsgeschäfte“ gerade verhindert werden sollen.84 Im Rahmen des § 134 InsO geht allerdings die wohl herrschende Auffassung im

76 77 78 79 80 81 82 83 84

Vgl. Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 10. Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 13. OLG Karlsruhe v. 19.5.2009 – 17 U 467/08, ZInsO 2009, 1594 ff. Vgl. HK-InsO/Thole, § 132 Rz. 6. Vgl. BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 56/02, ZIP 2003, 855 f.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 9; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 132 Rz. 26. Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 13. HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 132 Rz. 10. Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 29. Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 13. Schfer

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E Rz. 39

§ 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

Schrifttum dahin, einen Notverkauf unter dem Verkehrswert im Grundsatz noch als entgeltlich anzusehen.85 E 40 Die Gläubiger werden ferner unmittelbar benachteiligt, wenn der Schuldner ein Darlehen zu einem überhöhten Zinssatz aufnimmt oder einem Dritten ein Darlehen zu einem niedrigeren als dem marktüblichen Zinssatz gewährt.86 Auch bei Sanierungskrediten ist allein die Angemessenheit der Kreditbedingungen entscheidend, wobei das besondere Risiko berücksichtigt werden kann.87 E 41 Vergütungsansprüche für Dienstleistungen und Geschäftsbesorgungen, die dem Schuldner im Rahmen von Sanierungsbemühungen in angemessener Weise erbracht werden, benachteiligen dessen Insolvenzgläubiger nicht schon deswegen unmittelbar, weil die Insolvenz letztlich nicht abgewendet werden konnte; dies wäre allenfalls eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung. Anders verhält es sich hingegen dann, wenn die zu vergütenden Dienste dem Schuldner von vornherein keinen gleichwertigen Nutzen bringen konnten, etwa weil die Sanierungsbemühungen von Beginn an erkennbar aussichtslos waren.88 E 42 Eine Vereinbarung über die Bestellung überhöhter Sicherheiten gegen gleichzeitige Kreditgewährung kann gemäß § 132 Abs. 1 InsO anfechtbar sein.89 Auch dabei ist den Vertragsparteien ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen, da der Marktwert des Sicherungsguts vielfach nicht sicher einzuschätzen ist.90 Der Anfechtung nach § 132 Abs. 1 InsO kann ferner eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Sicherungsnehmer über die Verwertung von Sicherungsgut unterliegen, wenn der Sicherungsnehmer damit von der vertraglichen Verpflichtung befreit wird, sich um die Erzielung eines möglichst hohen Erlöses zu bemühen und durch die Verwertung auch tatsächlich ein unter dem Verkehrswert liegender Erlös erzielt wird.91 E 43 Kaufverträge mit ausgewogenen Leistungsverpflichtungen, die dem Käufer die Aufrechnung mit einer Insolvenzforderung ermöglichen, können zwar zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger führen; diese Benachteiligung wird jedoch nicht unmittelbar durch den Vertragsschluss, sondern erst durch die Herbeiführung der Aufrechnungslage verursacht. Die Herbeiführung der Aufrechnungslage kann gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufgrund der Anfechtbarkeit nach den §§ 130, 131 InsO insolvenzrechtlich unbeachtlich sein. Die Begründung einer nicht einklagbaren Verbindlichkeit benachteiligt die Insolvenzgläubiger ebenfalls noch nicht unmittelbar; ihre Erfüllung kann allerdings die Anfechtbarkeit gemäß § 131 InsO zur Folge haben.92 Risikoverträge wie Versicherungs85 Dafür FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rz. 13; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 134 Rz. 17; MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 40 ff. 86 BGH v. 21.4.1988 – IX ZR 71/87, MDR 1988, 858 = ZIP 1988, 725 ff. 87 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 31. 88 Vgl. BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 (251); MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 14. 89 MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 132 Rz. 8. 90 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 (251). 91 BGH v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, MDR 1997, 470 = ZIP 1997, 367 ff. 92 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 13.

426 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 46 E

oder Leibrentenverträge benachteiligen die Insolvenzgläubiger, wenn der Umfang der Leistungspflichten nicht bereits festgelegt ist, nur dann unmittelbar, wenn die Ungleichheit der beiderseitigen Leistungen zu Lasten des Schuldners schon bei Vertragsschluss vorliegt.93 Kreditverträge stellen keine Risikoverträge in diesem Sinne dar. Es kommt daher im Rahmen der §§ 130–132 InsO in der Regel nicht darauf an, ob schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Kreditaufnahme als aussichtslos erkennbar war.94 Ein anschauliches Beispiel zur Aufrechnung stellt der zu § 30 Nr. 1 KO – der Vorgängerbestimmung des § 132 InsO – ergangene „Panzerbrückenfall“95 dar:

E 44

BGH-Urteil vom 14.12.1983 – BGHZ 89, 189 ff. Der klagende Insolvenzverwalter hatte gegen die Beklagte eine restliche Werk- E 45 lohnforderung für die Herstellung und Lieferung von 7 Panzerbrücken geltend gemacht, die in der Krise der Gemeinschuldnerin ausgeliefert worden waren. Gegen diese Forderung hatte die Beklagte mit einer Forderung auf Rückzahlung einer Überzahlung auf frühere Lieferungen von Panzerbrücken aufgerechnet. Der BGH geht zu Unrecht davon aus, dass die vor der kritischen Zeit begründete E 46 Aufrechnungslage nicht der Anfechtung nach § 30 Nr. 1 Halbsatz 2 KO unterliege. Er stellt stattdessen auf die Lieferung der Panzerbrücken ab und meint, diese sei anfechtbar, da mit ihr der Beklagten die Befriedigung (durch Aufrechnung) gewährt worden sei. Dies wird jedoch im Schrifttum zu Recht kritisiert. Die Benachteiligung der Gläubiger sei nicht durch die Lieferung der Panzerbrücken eingetreten, sondern durch die Aufrechnung.96 Richtigerweise ist vielmehr darauf abzustellen, dass die Aufrechnungslage für den Anfechtungsgegner erst durch die Lieferung der Panzerbrücken werthaltig wurde, die den Anspruch der Gemeinschuldnerin einredefrei machte. Allein die mit Abschluss eines Vertrages entstandene Aufrechnungslage bringt dem Anfechtungsgegner noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen. Solange der Schuldner nichts geleistet hat, wofür der Gläubiger eine Vergütung schuldet, besteht für ihn keine Befriedigungsmöglichkeit im Wege der Aufrechnung. Die Aufrechnungslage als Befriedigungsmöglichkeit entsteht vielmehr erst durch die Inanspruchnahme der Leistung des Schuldners. Es kommt also darauf an, wann dessen Forderung werthaltig wurde.97 Im „Panzerbrückenfall“ wurde daher bei verständiger Würdigung das „Werthaltigmachen“ der Aufrechnungslage durch Lieferung der Panzerbrücken angefochten.98

93 Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 14; MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 13. 94 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 31. 95 BGH v. 14.12.1983 – VIII ZR 352/82 – „Panzerbrücken“, BGHZ 89, 189 ff. = MDR 1984, 574 m. krit. Anm. von Baur, JZ 1984, 422 f. 96 Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 20. 97 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 13 = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 98 Vgl. Jaeger/Henckel, § 132 Rz. 20. Schfer

427

E Rz. 47

§ 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

bb) Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung durch sonstige, insbesondere einseitige Rechtsgeschäfte E 47 Von § 132 Abs. 1 InsO werden darüber hinaus etwa die Übernahme einer Bürgschaft, einer Wechselverbindlichkeit,99 die Abgabe eines negativen Schuldanerkenntnisses gemäß § 397 Abs. 2 BGB oder die Verleihung einer Sache (vgl. §§ 598 ff. BGB) erfasst, die gegen Entgelt hätte vermietet werden können. Eine Kündigung des Schuldners kann der Anfechtung unterliegen, wenn sie einen für die Masse günstigen Vertrag betrifft.100 Auch Verträge zugunsten Dritter (vgl. §§ 328 ff. BGB) führen in der Regel zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung, da der Schuldner für seine Leistung keine Gegenleistung erhält, die dem Zugriff der Gläubiger unterliegt.101 E 48 Die Abtretung einer Forderung des Schuldners gegen einen Dritten an einen Insolvenzgläubiger, den der Schuldner zum Zeitpunkt der Abtretung nicht durch Zahlung befriedigen kann, unterfällt ebenfalls § 132 Abs. 1 InsO.102 Das Erlöschen des Anspruchs des Insolvenzgläubigers stellt schon deshalb keinen Ausgleich dar, weil die gegen den in der Krise befindlichen Schuldner gerichtete Forderung des Insolvenzgläubigers nicht mehr vollwertig war. E 48a Veranlasst der künftige Insolvenzschuldner die Umwandlung einer Lebensversicherung in eine Altersrentenversicherung, kommt der Anfechtungstatbestand des § 132 Abs. 1 InsO in Betracht, weil den (künftigen) Insolvenzgläubigern durch die Umwandlung der Lebensversicherung in eine Altersrentenversicherung (§ 851c ZPO) deren Rückkaufswert entzogen worden ist.103 c) Teilanfechtung E 49 Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 InsO erfüllt, so ist das Rechtsgeschäft im Grundsatz insgesamt anfechtbar und nicht etwa nur in dem Umfang, in dem die übrigen Gläubiger bei wirtschaftlicher Betrachtung benachteiligt wurden.104 Dies folgt insbesondere aus § 144 Abs. 2 InsO, der den Anspruch des Anfechtungsgegners auf Rückgewähr der von ihm erbrachten Leistung regelt. Diese Bestimmung ergäbe keinen Sinn, wenn sich die Anfechtung darauf beschränkte, den Vertrag so anzupassen, dass die Gläubigerbenachteiligung entfällt.105 Der BGH hat diesen Grundsatz jedoch nicht strikt durchgehalten. Er ist wiederholt davon ausgegangen, dass der Anfechtungsgegner nur den nicht angemessenen Teil einer Vergütung zurückgewähren müsse, wenn die vereinbarte Vergütung nur teilweise überhöht sei.106 99 100 101 102 103 104 105 106

MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 7. FK-InsO/Dauernheim, § 132 Rz. 6. Vgl. Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 36. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZIP 2007, 2084 ff. BGH v. 13.10.2011 – IX ZR 80/11, NZI 2011, 937. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 29; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 132 Rz. 13. Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 247. BGH v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 ff. = MDR 1980, 843; v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, MDR 1995, 919 = NJW 1995, 1093 (1094) – kritisch dazu zu Recht Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 14; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 23.

428 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 52 E

2. Gleichgestellte Rechtshandlungen gemäß § 132 Abs. 2 InsO a) Allgemeines Nach § 132 Abs. 2 InsO steht einem Rechtsgeschäft, das die Insolvenzgläubiger E 50 unmittelbar benachteiligt, eine andere Rechtshandlung des Schuldners gleich, durch die dieser ein Recht verliert oder nicht mehr geltend machen kann oder durch die ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen ihn erhalten oder durchsetzbar wird. Die Rechtshandlung des Schuldners muss somit entweder zu einer Verringerung der Aktivmasse oder aber zu einer Vermehrung der Schuldenmasse geführt haben. Dabei ist die Aufzählung in § 132 Abs. 2 InsO nach den in der Gesetzesbegründung aufgeführten Anwendungsbeispielen als abschließend anzusehen, um einer uferlosen Ausweitung des Anfechtungsrechts vorzubeugen. Es genügt daher nicht, dass etwa der Vermieter aufgrund eines Zahlungsverzuges des Schuldners den Mietvertrag gekündigt hat.107 Nach der Gesetzesbegründung stellt § 132 Abs. 2 InsO einen Auffangtatbestand E 51 für bestimmte Rechtshandlungen dar, die für die Gläubiger nachteilig sind, ohne dass sie von der Deckungsanfechtung oder der Anfechtung unmittelbar nachteiliger Rechtshandlungen gemäß § 132 Abs. 1 InsO erfasst werden. Die Bestimmung soll vor allem Lücken schließen, die nach der Konkursordnung bei der Anfechtung von Unterlassungen bestanden.108 Den in der Gesetzesbegründung aufgeführten Beispielen ist allerdings zu entnehmen, dass nicht jedes Unterlassen des Schuldners genügt, das eine Schmälerung des schuldnerischen Vermögens zur Folge hatte; das Unterlassen des Schuldners muss vielmehr unmittelbar ohne das Eingreifen anderer Personen zu einem Rechtsverlust geführt haben. Es reicht daher nicht, dass der Vermieter aufgrund eines Zahlungsverzuges des Schuldners den Mietvertrag fristlos gekündigt hat. Die Folgen einer solchen Kündigung können nicht durch Anfechtung beseitigt werden.109 Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass § 132 Abs. 2 InsO im E 52 Grunde genommen einen selbständigen Anfechtungstatbestand darstellt, da er einen anderen Regelungsgegenstand als § 132 Abs. 1 InsO hat und in den Voraussetzungen nur teilweise mit ihm übereinstimmt.110 So entspricht es der ganz herrschenden Auffassung und auch der Intention des Gesetzgebers,111 dass für § 132 Abs. 2 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt.112 Die Überschrift des § 132 InsO ist daher – bezogen auf § 132 Abs. 2 InsO – irreführend und stimmt nicht mit dessen Inhalt überein.

107 108 109 110

Vgl. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 22. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. Vgl. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 22. Jaeger/Henckel, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 833 Rz. 45; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 12. 111 Vgl. Kommissionsbegründung zu LS 5.2.5 Abs. 3 und Begr. zum Reg.-Entw., BTDrucks. 12/2443, S. 159. 112 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 132 Rz. 9; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 132 Rz. 27; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 132 Rz. 14; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 14. Schfer

429

E Rz. 53

§ 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

b) Rechtshandlung des Schuldners E 53 § 132 Abs. 2 InsO betrifft nur Rechtshandlungen des Schuldners bzw. des für ihn handelnden Vertreters.113 Erfasst werden zum einen Rechtshandlungen, durch die der Schuldner ein Recht verliert. Als Beispiele erwähnt die Gesetzesbegründung das Unterlassen eines Protests nach Wechselrecht und das Unterlassen der Unterbrechung einer Eigentumsersitzung.114 Lässt der Schuldner als Gesellschafter ein von ihm gewährtes Gesellschafterdarlehen in der Krise der Gesellschaft stehen, so dass dieses in haftendes Eigenkapital umqualifiziert wird, so kann dies nach § 132 Abs. 2 InsO anfechtbar sein.115 E 54 Die bewusste Überlassung des Besitzes an Absonderungsgut im Sinne des § 166 InsO an den Sicherungsnehmer führt zum Verlust der Ansprüche aus § 171 InsO und schmälert somit im Grundsatz die künftige Insolvenzmasse. Allerdings erfasst § 132 Abs. 2 InsO nur die Herausgabe des Sicherungsgutes durch den Schuldner bzw. dessen bewusstes Dulden der Wegnahme durch den Sicherungsnehmer, nicht aber dessen eigenmächtige Besitzergreifung.116 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass es keine insolvenzrechtliche – insbesondere keine anfechtungsrechtliche – Norm gibt, die den Sicherungsnehmer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens an der Ausübung seiner Rechte hindert.117 Deshalb sind insoweit Ansprüche der Masse auf eine Feststellungsoder Verwertungspauschale zu verneinen.118 Diese Ausgestaltung der Rechte des Sicherungsnehmers in der Insolvenz des Sicherungsgebers schließt es aus, vor der Eröffnung des Verfahrens Forderungseinziehungen, die auch aus insolvenzrechtlicher Betrachtung rechtmäßig vorgenommen wurden, mit Blick auf die nur für die Verwertung nach der Verfahrenseröffnung geltenden Regelungen der §§ 170, 171 InsO den Anfechtungsregeln der §§ 129 ff. InsO zu unterwerfen. Darüber hinaus hat der BGH die Anwendung der Anfechtungsregeln auch deshalb abgelehnt, weil der Umstand, dass der Masse etwa durch die Einziehung der Forderung im Eröffnungsverfahren der Anspruch auf die Verwertungspauschale entgeht, keine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO darstellt. Dies folgt aus dem Kostenerstattungsprinzip119 und gilt auch dann, wenn der Gläubiger vom Schuldner die Herausgabe sicherungsübereigneter Gegenstände verlangen kann und diese vor der Insolvenzeröffnung verwertet.120 E 55 Die Bestimmung erfasst zum anderen Rechtshandlungen, die zur Folge haben, dass der Schuldner ein Recht nicht mehr geltend machen kann, indem er es etwa unterlässt, Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfe einzulegen oder die Verjährung zu 113 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 21. 114 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 115 Vgl. Bork in Festschrift für Uhlenbruck, S. 279, 294; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 47. 116 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 23 i.V.m. Rz. 21 – a.A. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 820 Rz. 17; vgl. dazu noch BGH v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, MDR 2004, 353 = ZInsO 2003, 1101 ff. 117 BGH v. 23.9.2004 – IX ZR 25/03, MDR 2005, 478 = ZIP 2005, 40 f. 118 Vgl. BGH v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, BGHZ 154, 72 ff. 119 Vgl. BGH v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, MDR 2004, 353 = ZIP 2003, 2370 (2372). 120 BGH v. 23.9.2004 – IX ZR 25/03, MDR 2005, 478 = ZIP 2005, 40 f. Rz. 12.

430 Schfer

Rz. 58 E

III. Einzelheiten

unterbrechen.121 Als Beispiel für die Erhaltung eines gegen den Schuldner gerichteten Anspruchs ist in der Gesetzesbegründung das Unterlassen der rechtzeitigen Irrtumsanfechtung gemäß §§ 119 ff. BGB aufgeführt; als Beispiel für ein Unterlassen, durch das ein Anspruch durchsetzbar wird, wird die unterbliebene Erhebung der Verjährungseinrede in einem Passivprozess genannt.122 Darunter fallen ferner die unterlassene Kündigung eines ungünstigen Vertrages durch den Schuldner und die Herbeiführung bzw. Vereitelung des Eintritts einer sich nachteilig bzw. vorteilhaft auf die Vermögenslage des Schuldners auswirkenden Bedingung im Sinne des § 158 BGB.123 Es ist dagegen nicht möglich, die unterbliebene rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrages durch den Schuldner anzufechten, um dadurch den Anfechtungszeitraum nach vorne zu verschieben.124 Eine Gehaltszahlung an ein Vorstandsmitglied oder an einen Geschäftsführer E 55a ist nicht deshalb inkongruent, weil das Gehalt gemäß § 87 Abs. 2 AktG (analog) hätte herabgesetzt werden können; es kommt jedoch eine Anfechtung nach § 132 Abs. 2 InsO in Betracht.125 3. Sonstige Anfechtungsvoraussetzungen; Verweis in § 132 Abs. 3 InsO a) Weitere objektive Voraussetzungen Ebenso wie § 130 Abs. 1 InsO stellt auch § 132 Abs. 1 InsO auf die Zahlungs- E 56 unfähigkeit des Schuldners und den Eröffnungsantrag ab. Insoweit kann wegen der näheren Einzelheiten auf die Ausführungen zu § 130 Abs. 1 InsO verwiesen werden. b) Subjektive Anfechtungsvoraussetzungen In subjektiver Hinsicht entsprechen die Anfechtungsvoraussetzungen jenen des E 57 § 130 Abs. 1 InsO, so dass ebenfalls auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann. Aufgrund des Verweises in § 132 Abs. 3 InsO gilt auch hier § 130 Abs. 2 InsO entsprechend, wonach der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrages die Kenntnis von Umständen gleichsteht, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen ließen. Zu beachten ist ferner, dass dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner die Unausgewogenheit des Rechtsgeschäfts nicht bewusst gewesen sein muss.126 4. Anfechtungszeitraum § 132 InsO erfasst den Zeitraum der letzten drei Monate vor der Stellung des In- E 58 solvenzantrages sowie die Zeit danach bis zur Insolvenzeröffnung; er stimmt

121 122 123 124

Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 13. Vgl. BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff.; Schoppmeyer in Kübler/ Prütting/Bork, § 132 Rz. 49. 125 Vgl. HK-InsO/Thole, § 131 Rz. 8. 126 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 18. Schfer

431

E Rz. 58

§ 132 InsO – Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen

daher hinsichtlich des Anfechtungszeitraums mit § 130 InsO überein. Seine nähere Bestimmung richtet sich nach § 139 InsO.127 5. Darlegungs- und Beweislast E 59 Im Grundsatz obliegt dem Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich sämtlicher tatbestandlicher Voraussetzungen des § 132 InsO. Dazu gehört im Rahmen des § 132 Abs. 1 InsO insbesondere die Vornahme eines Rechtsgeschäfts des Schuldners und die hierdurch verursachte unmittelbare Gläubigerbenachteiligung und bei § 132 Abs. 2 InsO die Verringerung der Aktivmassse bzw. die Erhöhung der Passiva durch eine Rechtshandlung des Schuldners.128 Dem Insolvenzverwalter obliegt ferner bei gegenseitigen Verträgen der Nachweis, dass der Leistung des Schuldners keine gleichwertige Gegenleistung des Anfechtungsgegners gegenübersteht.129 Dabei ist jedoch der den Vertragsparteien zukommende Beurteilungsspielraum zu beachten. E 60 Bei § 132 Abs. 2 InsO hat der Insolvenzverwalter nachzuweisen, dass die für die künftige Insolvenzmasse nachteilige Wirkung eine unmittelbare Folge der schuldnerischen Rechtshandlung ohne Hinzutreten des Verhaltens anderer Personen war,130 wobei jedoch die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung in den Fällen des § 132 Abs. 2 InsO unterstellt wird.131 Insoweit wird aus den Gesetzesmaterialien gefolgert, dass für § 132 Abs. 2 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt.132 E 61 Sowohl nach Absatz 1 als auch nach Absatz 2 des § 132 InsO hat der Insolvenzverwalter ferner die Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung innerhalb der kritischen Zeit als auch die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der Vollendung der Rechtshandlung (vgl. § 140 InsO) zu beweisen. Darüber hinaus obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. vom Eröffnungsantrag, wobei es gemäß §§ 132 Abs. 3, 130 Abs. 2 InsO auch hier genügt, wenn der Insolvenzverwalter Umstände darlegt und gegebenenfalls beweist, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag hindeuteten.133

127 Vgl. dazu die Ausführungen zu § 139 InsO. 128 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 30; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 132 Rz. 52, 53. 129 BGH v. 11.6.1980 – VIII ZR 62/79, BGHZ 77, 250 (254). 130 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 22; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 14. 131 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 159. 132 Vgl. HK-InsO/Thole, § 132 Rz. 10; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 132 Rz. 14. 133 MK-InsO/Kayser, § 132 Rz. 31.

432 Schfer

F. § 133 InsO – Vorsatzanfechtung § 133 Vorsätzliche Benachteiligung (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. (2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.1 (3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. (4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war. Rz. I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . .

F1

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F12 III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 133 Abs. 1 InsO – Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektive Anfechtungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtshandlung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtshandlung . . . . . . . . (2) Handlung des Schuldners. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

F15 F15 F15 F16 F16 F16a

Rz. (3) Erstreckung auf Rechtshandlung des Gläubigers und verspätete Antragstellung? . . . . . . . . . . . . . . F16e bb) Gläubigerbenachteiligung . . . F17 (1) Zahlungsunfähigkeit . . . . F17a (2) Mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreichend; Spezialfall Kontoüberziehung . . . . . . F18 cc) Anfechtungszeitraum . . . . . . F20 b) Subjektive Anfechtungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . F21 aa) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners . . . . . . F22

1 Abs. 2 und Abs. 3 neu eingefügt durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz v. 5.4.2017, BGBl. I, S. 654. Die Neuregelungen gelten für alle seit dem 5.4.2017 eröffneten Verfahren. Schfer

433

F

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

bb)

cc) dd) ee)

Rz.

Rz.

(1) Bedeutung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit; Interimsrechtsprechung des BGH bis zum Urteil vom 13.8.2009 . . . . . . . . . . F27 (2) Eigener Standpunkt: einschränkende Auslegung anhand des Normzwecks . F31 (3) Einschränkung der BGHRechtsprechung durch Urteil vom 13.8.2009 . . . . F32 (4) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts . . . F33e (5) Kongruente Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . F34 (6) Sanierungsbemühungen. . F39 (7) Weitere Einzelfälle . . . . . . F46 (8) Inkongruente Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . F49 Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Handeln des Schuldners mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. . . . . F61a (1) Kenntnisanforderungen bzgl. Schuldnerhandlung . F61a (2) Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. . F62 Kenntnisvermutung gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO . . . . . F65 Kenntnis bei Ratenzahlungsvereinbarungen und Sanierungsbemühungen . . . . . . . . . F69a Nachträglicher Wegfall der Kenntnis des Anfechtungsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F70

ff) Kenntniszurechnung bei Vertretung und beim Handeln mehrerer Behörden . . . . . . . . F71 gg) Maßgebender Zeitpunkt für das Vorliegen der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen F74 c) Bedeutung von Indizien für die Vorsatzanfechtung . . . . . . . . . . . F75 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . F75 bb) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . F76 d) Mehrpersonenverhältnisse. . . . . F92 aa) Angewiesener als Anfechtungsgegner . . . . . . . . . . . . . . F92 bb) Wirtschaftlicher Vorteil des Angewiesenen als Voraussetzung?. . . . . . . . . . . . . . . . . F100a e) Darlegungs- und Beweislast . . . . F101 2. § 133 Abs. 2 InsO – Verkürzter Anfechtungszeitraum bei Deckungshandlungen . . . . . . . . . . . F103c 3. § 133 Abs. 3 InsO – Eingeschränkte Anfechtbarkeit bei kongruenten Deckungshandlungen und Zahlungserleichterungen . . . . . . . . F103e a) Gesetzeszweck . . . . . . . . . . . . . . F103e b) Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . F103h aa) § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO. . . . F103h bb) § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO. . . . F103i 4. § 133 Abs. 4 InsO – Entgeltliche Verträge mit nahestehenden Personen im Sinne des § 138 InsO. . . . F104 a) Entgeltlicher Vertrag. . . . . . . . . . F107 b) Unmittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger . . . . . . . . F112 c) Anfechtungszeitraum . . . . . . . . . F113 d) Darlegungs- und Beweislast . . . . F114

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes F 1 Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung des Schuldners anfechtbar, die dieser in den letzten zehn Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen hat, wenn der andere Teil zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte. Dieser Anfechtungstatbestand hat sich aus der actio pauliana des römischen Rechts entwickelt, die fraudulöses Handeln sanktionierte.2 Von diesen Ursprüngen hat sich der Gesetzeszweck des § 133 InsO jedoch im Lauf der Zeit gelöst. Ein unlauteres Zusammenwirken zwischen Schuldner und Gläubiger wird durch die Bestimmung nicht vorausgesetzt.3 2 Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 133 Rz. 2. 3 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, MDR 2008, 1064 = ZIP 2008, 1291 ff. Rz. 20; v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799 ff.; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 1; vgl. dazu Rz. F22 f.

434 Schfer

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 3a F

§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO entspricht im Grundsatz § 31 KO, dem früheren Tat- F 2 bestand der „Absichtsanfechtung“. Der Umstand, dass der nach Ansicht des Gesetzgebers irreführende Ausdruck der „Absicht“ in § 31 KO durch den Begriff „Vorsatz“ ersetzt wurde, bedeutet keine Veränderung gegenüber der früheren Rechtslage.4 Es entsprach schon unter der Geltung der Konkursordnung der ganz herrschenden Auffassung, dass der Begriff der „Absicht“ weit ausgelegt werden musste.5 Die Gläubigerbenachteiligung musste nicht Beweggrund oder überwiegender Zweck der Handlung des Schuldners sein. Entscheidend war vielmehr das Bewusstsein und der Wille, die Gläubiger zu benachteiligen; eine dem bedingten Vorsatz des Strafrechts entsprechende „bedingte Benachteiligungsabsicht“ wurde dabei als ausreichend erachtet.6 Die Rechtsprechung des BGH zu § 31 KO kann daher auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO herangezogen werden.7 Verkürzt wurde der ursprüngliche Anfechtungszeitraum von 30 Jahren ab der F 3 Vornahme der Rechtshandlung bis zur gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsrechts auf 10 Jahre ab der Vornahme der Rechtshandlung bis zur Stellung des Insolvenzantrages. Eine längere Frist hat der Gesetzgeber als nicht mehr zeitgemäß angesehen.8 Wegen der gleichwohl noch weiten zeitlichen Erstreckung der Anfechtbarkeit erschien es ihm zugleich geboten, die engen materiellen Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 KO und die damit verbundene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast beizubehalten. § 133 Abs. 1 InsO belässt es daher insbesondere dabei, dass der Insolvenzverwalter den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu beweisen hat. Die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Benachteiligungsvorsatz wird jedoch gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte, also die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigte. Gelingt dem Insolvenzverwalter der Beweis dieser die Vermutung rechtfertigenden Tatsachen, so hat der Anfechtungsgegner, um diese Vermutung zu widerlegen, den Beweis des Gegenteils zu führen.9 Durch das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen F 3a nach der InsO und nach dem AnfG“ wurde der Anfechtungszeitraum in § 133 Abs. 2 InsO bei (kongruenten und inkongruenten) Deckungshandlungen auf vier Jahre verkürzt. Dabei wird in der Gesetzesbegründung betont, dass die bisherige Grundstruktur der Vorsatzanfechtung unberührt bleibe. Für die paradigmatischen Fälle der Vorsatzanfechtung – wie z.B. die Rückgängigmachung von Bankrotthandlungen und Vermögensverschiebungen – ergäben sich keine Änderungen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage. Insbesondere verbleibe es für

4 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160; BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, MDR 2009, 404 = ZInsO 2009, 87 ff. Rz. 45. 5 BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 (81 f.) = MDR 1994, 468; v. 23.5.1985 – IX ZR 124/84, ZIP 1985, 1008 ff.; Kilger/K. Schmidt, 17. Aufl., § 31 KO Anm. 4. 6 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 7 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 22; Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 1. 8 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 9 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160; BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512 ff. Rz. 18. Schfer

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F Rz. 3a

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

diese Fälle bei dem bisherigen zehnjährigen Anfechtungszeitraum und dabei, dass die gesetzliche Vermutung der Kenntnis des Anfechtungsgegners von dem schuldnerischen Benachteiligungsvorsatz an die drohende Zahlungsunfähigkeit anknüpfe.10 F 3b Wichtig ist ferner die bei § 142 InsO näher zu erläuternde Neuregelung in § 142 Abs. 1 InsO mit ihrer „Rückwirkung“ auf den Anwendungsbereich des § 133 InsO. Danach ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur dann anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. Nach der Neuregelung soll es nicht mehr darauf ankommen, ob die in das Vermögen des Schuldners gelangende Gegenleistung den Gläubigern konkreten Nutzen verspricht. Stattdessen sollen „bargeschäftliche Austausche“ grundsätzlich vom Bargeschäftsprivileg erfasst werden.11 Ein unlauteres Verhalten des Schuldners setzt nach der Gesetzesbegründung mehr voraus als die Vornahme der Rechtshandlung in dem Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können.12 F 4 § 133 Abs. 1 InsO ist trotz seines prägenden Tatbestandselements der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung kein Deliktstatbestand13 und damit insbesondere kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, auf den Schadensersatzansprüche gestützt werden können. Die Geltendmachung von Schadensersatz setzt vielmehr voraus, dass über den Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO hinaus besondere erschwerende Umstände gegeben sind, die etwa den Vorwurf der Sittenwidrigkeit gemäß §§ 138, 826 BGB rechtfertigen.14 F 5 Dem Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 InsO liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass die Geltung des Prioritätsprinzips bei der Befriedigung der Gläubiger des Schuldners nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn der Schuldner vorsätzlich einen einzelnen Gläubiger unter Benachteiligung der übrigen Gläubiger bevorzugt und dies dem begünstigten Gläubiger bekannt war. § 133 Abs. 1 InsO schützt die Interessen der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt.15 F 6 Ob § 133 InsO darüber hinaus auch – wie die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung (§§ 130–132 InsO) – Ausprägung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung im Sinne der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung („par condicio creditorum“) ist, ist streitig.16 Nach einer vermittelnden Auffassung 10 11 12 13 14 15

Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 13. Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 19. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 19. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 3. Vgl. dazu BGH v. 9.5.1996 – IX ZR 50/95, NJW 1996, 2231 ff. sowie oben Rz. A38 ff. Vgl. MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 1a; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 2; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602). 16 Bejahend Ganter, WM 2009, 1441 (1443); Jacoby, KTS 2009, 3, 11, 20 f. – a.A. Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602); Foerste, Festschrift für Picker (2010), S. 227 ff.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 3.

436 Schfer

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 7 F

liegt § 133 InsO nur in einem weiteren Sinne der Gedanke der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger zugrunde. Eine Vorzugsstellung, die jemand durch eine Rechtshandlung des Schuldners erhalten hat, soll ihm genommen werden, wenn sie um der Benachteiligung der anderen Gläubiger willen oder wenigstens unter billigender Inkaufnahme des Nachteils für die anderen gewährt worden ist.17 Der Begriff der Gläubigergleichbehandlung bedarf jedoch einer genaueren Diffe- F 6a renzierung. Es ist zu unterscheiden zwischen der Gleichbehandlung im Sinne gleichmäßiger Befriedigung, worum es im Bereich der Deckungsanfechtung geht, und der Gleichbehandlung im Sinne der Wahrung gleicher Befriedigungschancen. Nach zutreffender Auffassung kann die Anwendung des § 133 InsO nicht mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung begründet werden. Letztere ist vielmehr nur Folge der anhand des Normzwecks zu begründenden Anwendbarkeit.18 Die These, § 133 InsO diene der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, steht auf schwachen Füßen, da der Anfechtungsgegner kein Insolvenzgläubiger sein muss.19 Nach der Rechtsprechung des BGH beruht § 133 Abs. 1 InsO auf einem vom F 7 Schutzzweck der §§ 130 bis 132 InsO ganz verschiedenen Ansatzpunkt. Danach steht er nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbilligt bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Die Bestimmung ist Ausdruck des Rechtsgedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist, vorsätzlich einen Gläubiger gegenüber anderen zu bevorzugen, soweit die ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen gleichrangig sind.20 § 133 Abs. 1 InsO schützt danach also das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt. Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen.21 Der Grundsatz, dass das Befriedigungsinteresse des Gläubigers hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurücktritt, gilt danach nur für den von den §§ 130 bis 132 InsO erfassten Zeitraum.22 Die Geltung des Prioritätsprinzips wird daher durch § 133 InsO im Grundsatz nicht eingeschränkt.23 Die Ausgrenzung einseitiger Gläubigerhandlungen aus dem Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO ist nach Ansicht des BGH geeignet, Zwangsvollstreckung und Gesamtvollstreckung in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen. Sie führe zu zwei klar abgegrenzten

17 18 19 20 21

Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 4; einschränkend Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 3. Vgl. Bork, ZIP 2014, 797 (807); Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 ff. Bork, ZIP 2014, 797 (803). BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 20 = MDR 2005, 832. BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 20 = MDR 2005, 832; vgl. dazu noch Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160; MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 12 ff. 22 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 19 = MDR 2005, 832; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (80). 23 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 23 = MDR 2005, 832. Schfer

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F Rz. 7

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

zeitlichen Bereichen, von denen einer durch den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz, der andere dagegen durch das Prioritätsprinzip geprägt sei.24 F 7a Der BGH hat allerdings bislang aus den Erkenntnissen in BGHZ 162, 143 ff. noch keine Folgerungen im Hinblick auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners gezogen.25 Er geht weiterhin davon aus, dass ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in aller Regel mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt.26 Nach BGHZ 162, 143 ff. hat jeder Gläubiger, der in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vollstreckt, Benachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO,27 wobei die Bestimmung freilich keinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Gläubigers voraussetzt.28 Selbst die nur drohende Zahlungsunfähigkeit stellt nach der Rechtsprechung des BGH ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn sie ihm bei der Vornahme der Rechtshandlung bekannt war.29 In diesen Fällen handelt der Schuldner dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände – etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können – mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es danach konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann.30 F 7b Die Erkenntnis, dass außerhalb des Anwendungsbereichs der Deckungsanfechtung im Grundsatz das Prioritätsprinzip gilt, dürfte jedoch auch Auswirkungen auf den Pflichtenkreis des Schuldners und damit auf dessen „billigendes Inkaufnehmen“ einer Benachteiligung seiner übrigen Gläubiger haben. Auch ihn trifft im Grundsatz außerhalb der Tatbestände der Deckungsanfechtung nicht die Verpflichtung zur gleichmäßigen Befriedigung seiner Gläubiger. § 133 Abs. 1 InsO soll vielmehr im Bereich der kongruenten Deckungen lediglich Chancengleichheit zwischen den Gläubigern gewährleisten.31 Geht daher ein Gläubiger „schlicht“ im Wege des gesetzlich vorgesehenen Zwangsvollstreckungsverfahrens gegen den Schuldner vor, ohne dass der Schuldner zum Nachteil der übrigen Gläubiger korrigierend in das Geschehen eingreift, so wird man ein „billigendes Inkaufnehmen“ einer Benachteiligung der übrigen Gläubiger seitens des Schuldners verneinen müssen. Nach dieser Auffassung bleibt es dennoch möglich, jenen Gläubiger der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO zu unterwerfen, dem der Schuldner eine Leistung zur Abwendung der angedrohten Zwangs24 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 23. 25 Für eine teilweise Weiterentwicklung der Rechtsprechung: Ganter, WM 2014, 49 ff. 26 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 17; BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 19. 27 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 26. 28 Vgl. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 28. 29 BGH v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZIP 2014, 275 ff. Rz. 9; v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, WM 2013, 180 ff. Rz. 14. 30 BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 ff. Rz. 16; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 ff. Rz. 16; v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZIP 2014, 275 ff. Rz. 9; v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79 ff. Rz. 7. 31 Vgl. Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602); Foerste in Festschrift für Picker (2010), S. 227 (241 f.); Kirchhof in Festschrift für Ganter (2010), S. 237 (245).

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I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 8 F

vollstreckung erbringt und den er damit außerhalb des gesetzlich geregelten Verfahrens gegenüber den sonstigen Gläubigern bevorzugt.32 Die Auffassung des BGH hat dagegen die wertungsmäßig kaum überzeugende F 7c Konsequenz, dass eine Zwangsvollstreckung, an welcher der Schuldner auch nur ganz untergeordnet mitwirkt (vgl. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO: „Rechtshandlung des Schuldners“), im Grundsatz bereits dann nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sein kann, wenn der Schuldner und der Anfechtungsgegner Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners haben, nicht jedoch dann, wenn der Gläubiger gegen den Schuldner ohne dessen Mitwirkung und in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit im Wege der Zwangsvollstreckung vorgeht. Der BGH ist insoweit zu subtilen Erwägungen gezwungen, unter welchen Voraussetzungen noch von einem selbstbestimmten Handeln des Schuldners auszugehen ist.33 Nicht die untergeordnete Beteiligung des Schuldners an dem justizförmig ablaufenden Zwangsvollstreckungsverfahren, sondern die Beeinträchtigung der prinzipiell gleichen Befriedigungschancen der Gläubiger ist jedoch der maßgebende Rechtsgedanke des § 133 Abs. 1 InsO. Die Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO steht der oben dargelegten F 7d Auffassung nicht entgegen. Im Schrifttum wird vielmehr zu Recht darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber die Vermutung bewusst auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners beschränkt und nicht auf den Gläubigerbenachteiligungvorsatz des Schuldners erstreckt hat.34 Wer lediglich duldet, dass der andere Teil von dem ihm durch das Gesetz zur Verfügung gestellten Zwangsvollstreckungsverfahren Gebrauch macht, nimmt die Benachteiligung seiner übrigen Gläubiger nicht billigend in Kauf. Die Kenntnis des anderen Teils von der „Gläubigerbenachteiligung“ gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist somit vor dem Hintergrund des oben beschriebenen Gesetzeszwecks des § 133 Abs. 1 InsO zu lesen. „Gläubigerbenachteiligung“ meint nicht die Beeinträchtigung der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, die außerhalb der Anfechtungszeiträume der Deckungsanfechtung noch nicht gilt, sondern die Beeinträchtigung der prinzipiell gleichen Befriedigungschancen der Gläubiger. An einer solchen fehlt es im Rahmen eines justizförmig ablaufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens selbst dann, wenn der Schuldner daran in untergeordneter Weise mitwirkt, ohne jedoch korrigierend in das Geschehen einzugreifen. Es ist daher insbesondere unerheblich, ob der Schuldner dem Gerichtsvollzieher Geld übergeben oder ob dieser es sich selbst genommen hat. Bei einem solchen Gesetzesverständnis versteht es sich auch von selbst, dass in einer Vermögensauskunft des Schuldners gemäß § 802c ZPO nicht die nach § 133 Abs. 1 InsO erforderliche „Rechtshandlung des Schuldners“ gesehen werden kann. Die Erkenntnis, dass § 133 Abs. 1 InsO nicht in gleicher Weise wie die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung (§§ 130 bis 132 InsO) der Verwirklichung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung dient, ist somit zu32 Vgl. dazu BGH v. 26.1.2012 – IX ZR 33/09, juris Rz. 5. 33 Vgl. dazu insbesondere BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 ff. sowie unten Rz. F16a ff. 34 Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 53 mit Hinweis auf Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. Schfer

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F8

F Rz. 8

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

gleich von Bedeutung für das Konkurrenzverhältnis der Anfechtungstatbestände. § 133 Abs. 1 InsO konkurriert im Grundsatz uneingeschränkt mit den übrigen Anfechtungstatbeständen. Im Hinblick auf den erweiterten Anwendungsbereich der Bestimmung infolge der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist jedoch zu beachten, dass § 133 Abs. 1 InsO tatbestandlich mehr voraussetzt als die Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO, da ansonsten die Deckungsanfechtung über § 133 Abs. 1 InsO eine Ausdehnung über die relativ kurzen Anfechtungszeiträume des § 130 InsO hinaus erführe.35 So kann etwa die Kenntnis des Gläubigers von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners für den einen Zeitraum von zehn Jahren umfassenden Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO nicht ausreichen, wenn § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO im wesentlich kürzeren Anfechtungszeitraum der Deckungsanfechtung den Nachweis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners verlangt.36 Man sollte den Gläubiger nicht dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung unterwerfen, wenn er – im Fall der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners – gar keine Möglichkeit hätte, die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung durch Stellung eines Insolvenzantrages herbeizuführen. F 9 Auch der BGH hat dem Problem der Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Deckungsanfechtung und Vorsatzanfechtung inzwischen Rechnung getragen. Er ist zu Recht von seiner zwischenzeitlichen Rechtsprechung wieder abgerückt,37 wonach bei einem Gläubiger, der Umstände kannte, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hindeuteten, widerleglich zu vermuten sein sollte, dass er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Benachteiligung der Gläubiger kannte.38 Vielmehr begründen die Tatsachen, aus denen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Vorsatzanfechtung gefolgert werden können, keine Vermutung, sondern stellen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen dar, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen.39 F 9a Der Versuch des BGH, die gebotene Einschränkung des § 133 InsO allein im Rahmen der subjektiven Tatbestandsmerkmale und der Anweisung an den Tatrichter, eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, zu bewerkstelligen, erscheint im Hinblick auf die erforderliche Rechtssicherheit als unzureichend.40 Auch der BGH betont in einem neueren Urteil vom 16.1.2014,41 § 133 Abs. 1 InsO 35 Vgl. dazu Schoppmeyer, ZIP 2009, 603 (604); Foerste in Festschrift für Picker (2010), S. 227 (241 ff.); Schönfelder, WuB VI. A. § 133 InsO 1.09; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 59 ff. 36 Vgl. Schönfelder, WuB VI. A. § 133 InsO 1.09; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 52. 37 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff.; v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZInsO 2009, 2148 ff. 38 Vgl. BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, MDR 2004, 1318 = ZInsO 2004, 859 ff.; v. 17.2.2004 – IX ZR 318/01, ZInsO 2004, 385 (386); HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 133 Rz. 21, 28; vgl. dazu näher unten Rz. F32 ff. 39 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 8; BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 18; MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 27. 40 Dem BGH grundsätzlich folgend jedoch Thole, ZIP 2013, 2081 ff. 41 BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 ff.

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I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 10 F

solle zwar das Interesse der Gläubiger daran schützen, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtige.42 Daraus folge jedoch keine Garantenpflicht des Schuldners, die es gebieten könnte, schon vor dem Eintritt der Krise sämtliche ihm möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu gewährleisten. Der insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz werde nach dem System der Anfechtungsregeln bewusst auf die Zeit der Krise beschränkt und verdränge gemäß §§ 130, 131 InsO erst in der „kritischen“ Zeit das die Einzelvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip. Außerhalb der Krise sei der Schuldner jedenfalls anfechtungsrechtlich nicht dazu verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz einer gleichen Befriedigungsmöglichkeit aller Gläubiger einzuleiten.43 Unterlässt es daher der Schuldner, dessen Konten durch seinen Gläubiger gepfändet sind, ein weiteres Konto zu eröffnen und Zahlungen seiner Schuldner auf dieses freie Konto zu leiten, so steht diese Unterlassung einer Rechtshandlung nicht gleich.44 Auch mit dem Tatbestand des § 134 InsO kann § 133 Abs. 1 InsO im Grundsatz F 10 uneingeschränkt konkurrieren.45 Im Schrifttum46 wird es zwar als problematisch bezeichnet, wenn die Unentgeltlichkeit der Schuldnerleistung gemäß § 134 InsO als Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz angesehen werde,47 da dies in der Regel auch zur Anwendbarkeit des § 133 Abs. 1 InsO führen müsste; damit würde aber die Vierjahresfrist des § 134 InsO unterlaufen. Dagegen wird jedoch vom BGH48 und im Schrifttum zu Recht eingewandt, dass für die Anfechtung nach § 134 InsO die Vermögenslage des Schuldners keine Rolle spiele, während § 133 Abs. 1 InsO an die zusätzliche Voraussetzung einer „unsicheren Liquiditätslage“ des Schuldners anknüpfe.49 Es wäre nach Ansicht des BGH nicht gerechtfertigt, einen Gläubiger, der eine rechtsgrundlose Leistung erlangt, von der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO freizustellen, nicht aber einen Gläubiger, der für einen rechtlich begründeten Anspruch lediglich eine inkongruente Deckung erhält.50 Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung oder einer unentgeltlichen Verfügung für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG entfallen, wenn der Schuldner beim Wirksamwerden der Rechtshandlung zweifelsfrei liquide war, oder er beim Wirksamwerden der Rechtshandlung davon ausging, dass er mit Sicherheit sämtliche Gläubiger befriedigen könne.51 Nach

42 BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 ff. Rz. 17 mit Hinweis auf BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 (150). 43 BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 ff. Rz. 17. 44 BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 ff. Rz. 11; vgl. dazu jedoch OLG Naumburg v. 9.12.2015 – 5 U 144/15, ZInsO 2016, 455 ff. zum bewussten Unterlassen. 45 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 93. 46 Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 133 Rz. 49. 47 Vgl. BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 217/02, NZI 2005, 678 Rz. 3. 48 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 47; vgl. dazu ferner OLG Celle v. 28.7.2016 – 16 U 26/16, ZInsO 2016, 1697 f. 49 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 93. 50 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 47; v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 12; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 102. 51 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 217/02, NZI 2005, 678. Schfer

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F Rz. 10

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung, unentgeltliche Zuwendungen oder Verschleuderungsverträge Beweisanzeichen von geringerer Bedeutung.52 F 10a Die Frage der Abgrenzung der Vorsatzanfechtung gegenüber § 132 InsO behandelt ein Urteil des BGH vom 4.12.1997.53 Danach begründet der Umstand, dass der Schuldner ein objektiv die Gläubiger unmittelbar benachteiligendes Sicherungsgeschäft abgeschlossen hat, kein zwingendes Indiz für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Im konkreten Fall hatten die übereigneten Maschinen einen verhältnismäßig hohen Marktwert, der erfahrungsgemäß kaum sicher vorauszuschätzen war. F 11 Nach herrschender Auffassung enthält § 133 Abs. 4 InsO keinen besonderen Anfechtungstatbestand, der etwa § 133 Abs. 1 InsO verdrängen könnte, sondern eine Erweiterung gegenüber der Grundnorm des § 133 Abs. 1 InsO. Seine Bedeutung liegt allein in der Umkehr der Beweislast für die in § 133 Abs. 2 InsO vorausgesetzten, besonders verdächtigen Rechtshandlungen. Deshalb bleibt die Anfechtung von Verträgen, die früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag abgeschlossen wurden, nach § 133 Abs. 1 InsO möglich.54 § 133 Abs. 1 InsO ist danach im Verhältnis zu § 133 Abs. 2 InsO Auffangtatbestand, wenn die erleichterten Anfechtungsvoraussetzungen der letzteren Bestimmung nicht voll festgestellt werden können.55 Beweist daher der Anfechtungsgegner nur, dass der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen wurde, bleibt im Grundsatz eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO möglich. Der Anfechtung unterliegt deshalb grundsätzlich auch ein entgeltlicher Vertrag zwischen dem Schuldner und einer nahestehenden Person, durch den die Insolvenzgläubiger nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar benachteiligt werden.56

II. Allgemeines F 12 Der Tatbestand der Vorsatzanfechtung setzt – anders als die §§ 130, 131 InsO – nicht voraus, dass der Anfechtungsgegner Insolvenzgläubiger bzw. Vertragspartner des Schuldners ist; vielmehr richtet sich die Vorsatzanfechtung gegen jeden Leistungsempfänger,57 der nicht Vertragspartner des Schuldners sein muss.58 Anfechtungsgegner kann daher auch der vom Schuldner zur Zahlung an einen Dritten angewiesene Leistungsmittler sein, selbst wenn er im Falle der Insolvenz des Zahlungsempfängers Gefahr läuft, zweimal zahlen zu müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Leistungsmittler durch die anfechtbare Rechtshand-

52 53 54 55 56

BAG v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, BAGE 146, 64 ff. Rz. 57. BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1563). Vgl. MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 39; HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 34. MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 5. Vgl. HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 34; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 133 Rz. 48 a.E. 57 BGH v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 ff. Rz. 11; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 133 Rz. 29. 58 Vgl. BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 142/11, NZI 2012, 713 Rz. 2.

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II. Allgemeines

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lung Befreiung von einer eigenen Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner und damit einen eigenen Vorteil erlangt hat.59 Aber selbst ein eigener wirtschaftlicher Vorteil des Leistungsmittlers ist nicht F 13 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 133 Abs. 1 InsO. So unterliegt etwa auch ein uneigennütziger Treuhänder der Vorsatzanfechtung, wenn er nach Kenntniserlangung von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet.60 Es genügt, dass die Gläubiger des Schuldners das Treuhandguthaben nicht wie dessen Bankguthaben aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen den Schuldner pfänden können, so dass ein Zugriffshindernis entstanden ist.61 Sind die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben, so kann gemäß § 142 F 14 InsO auch ein Rechtsgeschäft anfechtbar sein, durch das der Schuldner vereinbarungsgemäß eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat.62 Nach der durch das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG“ geschaffenen Neufassung des § 142 Abs. 1 InsO gilt dies jedoch nur noch dann, wenn der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass schon nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH der subjektive Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO entfallen kann, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der Rechtshandlung des Schuldners eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Leistung des Schuldners unter den Voraussetzungen eines Bargeschäfts erbracht wurde.63 So handelt der Schuldner trotz bestehender Zahlungsunfähigkeit in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringt, welche zur Fortführung seines Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern im Allgemeinen nützt.64 Nach der Rechtsprechung des BGH kann dem Schuldner im Fall einer barge- F 14a schäftsähnlichen Lage infolge des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eintretende mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden sein. Darum handle ein Schuldner in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines eigenen Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht habe, die den Gläubigern im Allgemeinen nütze.65 Selbst wenn eine sol59 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06 – „Subunternehmer“, BGHZ 174, 314 ff. 60 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff.; vgl. dazu Rz. F98a ff. 61 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 12; BGH v. 9.12.1993 – IX ZR 100/93, BGHZ 124, 298 (301). 62 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 ff. = MDR 1994, 158; HK-InsO/ Kreft, § 142 Rz. 2. 63 Vgl. BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 29; v. 24.9.2007 – IX ZR 178/07, veröffentlicht bei juris; BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, ZInsO 2010, 87. 64 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 29; v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 ff.; v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, ZInsO 2010, 87. 65 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 29; v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 ff. Rz. 44. Schfer

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che bargeschäftsähnliche Situation vorliege, werde sich der Schuldner allerdings der eintretenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung bewusst werden, wenn er wisse, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeite und deshalb bei der Fortführung seines Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäufe, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter minderten, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich bestehe.66 Die Unklarheiten, die durch diese Rechtsprechung entstanden sind, sollen durch die Neufassung des § 142 Abs. 1 InsO beseitigt werden. Solange der Schuldner Geschäfte führt, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind, fehlt es danach auch dann an der erforderlichen Unlauterkeit, wenn der Schuldner erkennt, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig ist.67 F 14b Vertragliche Lösungsklauseln bzw. Verfallsklauseln, die dem Schuldner für den Fall seiner Insolvenz Vermögensnachteile auferlegen, können nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sein, wenn die Nachteile über die gesetzlichen Folgen hinausgehen und nicht zur Erreichung des Vertragszwecks geboten sind.68

III. Einzelheiten 1. § 133 Abs. 1 InsO – Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung a) Objektive Anfechtungsvoraussetzungen F 15 Der objektive Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO setzt eine Rechtshandlung des Schuldners in den letzten zehn Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach voraus, durch welche die Gläubiger zumindest mittelbar benachteiligt wurden. Hingegen ist es nicht erforderlich, dass es sich bei dem durch die Rechtshandlung Begünstigten um einen Insolvenzgläubiger handelt. aa) Rechtshandlung des Schuldners (1) Rechtshandlung F 16 Zum Begriff der Rechtshandlung kann auf die Ausführungen im Rahmen des § 129 Abs. 1 InsO verwiesen werden. Für § 133 Abs. 1 InsO ergeben sich insoweit keine Abweichungen. Für den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung gilt § 140 InsO. Im Schrifttum wird zu Recht auf den „Anschein einer gewissen Diskrepanz“ zwischen der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats und des II. Zivil66 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 25; vgl. zur Kritik unten Rz. F38k. 67 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 68 BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92 – „Breitbandverteilanlage“, BGHZ 124, 76, 82 f.; v. 12.6.2008 – IX ZB 220/07, WM 2008, 1414 (1415): Heimfall des Erbbaurechts; vgl. ferner BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 529/04, ZIP 2006, 1366 ff. zum vertraglich vorgesehenen Wegfall einer zu Sanierungszwecken vereinbarten Lohnkürzung und BAG v. 21.1.2010 – 6 AZR 593/07, ZInsO 2010, 569 ff. zur Verrechnung der gegenseitigen Ansprüche im Rahmen einer Mitarbeiterbeteiligung.

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III. Einzelheiten

Rz. 16a F

senats des BGH hingewiesen, weil im Fall der Duldung von Überweisungen auf ein Konto der GmbH eine Rechtshandlung des Geschäftsführers im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO verneint, dagegen in Anwendung von § 64 GmbHG befürwortet werde.69 Bei näherem Hinsehen seien die Nuancen jedoch als gering zu veranschlagen. Der IX. Zivilsenat lasse gemäß § 129 Abs. 2 InsO auch eine bewusste Unterlassung genügen. Deshalb habe er im Urteil vom 16.1.201470 ausdrücklich eine Rechtshandlung für den Fall erwogen, dass der Geschäftsführer als Möglichkeit der Vermeidung einer Befriedigung des Pfandgläubigers die Eröffnung eines weiteren Kontos zwecks Einzugs der Gesellschaftsforderungen bedenke, davon aber bewusst keinen Gebrauch mache. Lege man einen pflichtgemäßen Kenntnisstand des Geschäftsführers zugrunde, könnte danach im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO aufgrund bedingten Vorsatzes des Geschäftsführers, dem ein „Fehlverhalten“ anzulasten sei, vielfach von einer Rechtshandlung durch Unterlassen auszugehen sein.71 (2) Handlung des Schuldners Der Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 InsO setzt nach seinem Wortlaut ei- F 16a ne Rechtshandlung des Schuldners voraus. Hierfür genügt es, dass der Schuldner an der Rechtshandlung einer anderen Person mitgewirkt72 bzw. durch sein Verhalten zu einer gläubigerbenachteiligenden Vermögensverlagerung beigetragen hat.73 Eine Rechtshandlung des Schuldners ist auch dann gegeben, wenn eine andere Person die Handlung im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Schuldner vornimmt.74 Diese Voraussetzung ist etwa gegeben, wenn ein Schuldner des späteren Insolvenzschuldners auf dessen Weisung eine Zahlung an dessen Gläubiger erbringt.75 Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt selbst im Fall der fingierten Genehmigung des Lastschrifteinzuges durch einen Gläubiger im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens vor.76 Rechtshandlungen des vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters sind stets auch Rechtshandlungen des Schuldners, da dieser nur zusammen mit dem Schuldner rechtsverbindlich handeln kann.77 Zu beachten ist ferner, dass auch im Fall der Forderungspfändung durch einen Gläubiger eine anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners gegeben sein kann, und zwar dann, wenn sich der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf künftige Forderungen bezieht und diese erst nach der Pfändung durch den Schuldner werthaltig gemacht werden,78 etwa indem der Schuldner 69 Vgl. Gehrlein, ZInsO 2015, 477 (479); BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, DB 2015, 55 ff. mit Anm. Strohn. 70 BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 31/12, ZIP 2014, 275 ff. Rz. 11 ff. 71 Vgl. Gehrlein, ZInsO 2015, 477 (479). 72 BGH v. 18.6.2009 – IX ZR 7/07, ZIP 2009, 1434 f.; MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 7, 9a ff. 73 BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, ZIP 2013, 2113 ff. Rz. 9. 74 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 43; v. 5.7.2007 – IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129 ff. Rz. 50. 75 Vgl. BGH v. 5.7.2007 – IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129 ff. = GmbHR 2007, 1146 m. Anm. Blöse = MDR 2007, 1450 Rz. 50. 76 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 23. 77 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff. Rz. 11; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 44 ff. 78 Vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 21.8.2013 – 19 U 80/13, ZInsO 2013, 1852 f. Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

einen ihm eröffneten Kontokorrentkredit abruft.79 Der BGH hat dies ferner in einem Fall bestätigt, in dem der Schuldner eine Pfändung durch eine Einzahlung auf ein debitorisches Konto werthaltig machte.80 F 16b Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH auch dann vor, wenn dieser im Rahmen einer laufenden oder unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung einen Gläubiger befriedigt („Druckzahlung“).81 Dies gilt auch in dem Fall, dass der Schuldner der anwesenden Vollziehungsperson zur Vermeidung eines – mangels pfändbarer Gegenstände voraussichtlich erfolglosen – Pfändungsversuchs einen Scheck über den geforderten Betrag übergibt.82 Aber selbst dann, wenn der Vollziehungsbeamte ohne die Ausstellung des Schecks erfolgreich in das sonstige Vermögen des Schuldners vollstreckt hätte, liegt nach der Rechtsprechung eine anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners vor, wenn dieser dem Vollziehungsbeamten einen Scheck übergibt. Denn der Schuldner ermöglicht dem Gläubiger mit der Scheckübergabe einen Zahlungsweg, den der anwesende Vollziehungsbeamte nicht zwangsweise hätte durchsetzen können.83 Eine Rechtshandlung des Schuldners ist schließlich auch dann gegeben, wenn er in Erwartung des Vollstreckungsversuchs des Gläubigers den Kassenbestand gezielt aufgefüllt hat, um eine Befriedigung des Gläubigers zu ermöglichen.84 F 16c

An einer Rechtshandlung des Schuldners fehlt es nur dann, wenn nach Lage des Falles jede Möglichkeit eines selbstbestimmten Handelns des Schuldners ausgeschlossen war, dieser also keine Möglichkeit hatte, der Zwangsvollstreckung zu entgehen.85 Hat der Schuldner allein die Wahl, den Gläubiger über gepfändetes Guthaben nach § 836 Abs. 1 ZPO selbst verfügen zu lassen oder die geleisteten Beträge an ihn zu überweisen, fehlt es an einer Rechtshandlung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO.86 Anders verhält es sich jedoch dann, wenn der Schuldner über den Überweisungsbetrag auch noch anderweitig hätte verfügen können, durch den Druck der andauernden Pfändung aber zur Überweisung an den Gläubiger bewegt wurde.87 Übergibt ein Schuldner dem vollstreckungsbereit anwesenden Gerichtsvollzieher Bargeld, auf das dieser andernfalls sogleich zugreifen könnte, liegt kein freier Willensentschluss zur Leistung mehr vor; vielmehr kommt der Schuldner in einer solchen Situation nur dem sonst unabwendbaren Zugriff des Gerichtsvollziehers zuvor. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dessen 79 BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124. 80 BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, ZIP 2013, 2113 ff. Rz. 10; vgl. dazu ferner BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZIP 2012, 1422 ff. Rz. 22. 81 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, MDR 2009, 712 = ZIP 2009, 728 f.; v. 25.10.2007 – IX ZR 157/06, MDR 2008, 347 = ZIP 2008, 131 f.; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (79 f.) = MDR 2003, 1256. 82 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, MDR 2009, 712 = ZIP 2009, 728 f. 83 BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZIP 2012, 1422 ff. Rz. 10 – in diesem Fall zu Recht am Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zweifelnd Ganter, WM 2014, 49 (53); BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, ZIP 2009, 728 f. 84 BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = ZIP 2011, 531. 85 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832. 86 BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = ZIP 2006, 290 ff. Rz. 27. 87 BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 ff. Rz. 27.

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III. Einzelheiten

Rz. 16e F

Zugriff mit einiger Wahrscheinlichkeit tatsächliche Hindernisse – etwa die Verwahrung in einer „schwarzen Kasse“ oder in einem Versteck – entgegengestanden hätten. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich derartiger Besonderheiten obliegt dem Insolvenzverwalter, da er als Kläger die anspruchsbegründenden Voraussetzungen und somit auch die Rechtshandlung des Schuldners darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat.88 Eine vom Schuldner veranlasste Banküberweisung ist eine Rechtshandlung, auch wenn zuvor zugunsten des Zahlungsempfängers der Anspruch auf Auszahlung des Bankguthabens gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurde. Ein Pfändungspfandrecht kann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner die Entstehung des Pfandrechts zielgerichtet gefördert hat. Ein aktives Mitwirken des Schuldners an der Pfandrechtsentstehung reicht insoweit aus,89 wie es etwa beim Abrufen eines dem Schuldner eröffneten Kontokorrentkredits der Fall ist.90 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des F 16d BGH eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners nur dann nicht vorliegt, wenn dieser dem Vollstreckungszugriff durch Leistung derjenigen Vermögenswerte zuvorkommt, auf welche sich die Zwangsvollstreckung (ohnehin) erstreckt hätte. Eine Leistung, die der Schuldner im bargeldlosen Zahlungsverkehr erbringt, stellt demgegenüber auch dann eine Rechtshandlung des Schuldners dar, wenn dadurch erfolgversprechende Pfändungsmaßnahmen durch eine bereits anwesende Vollziehungsperson abgewendet werden.91 Derart subtile Unterscheidungen wären freilich überflüssig, wenn man davon ausginge, dass es im Fall der „schlichten“ Zwangsvollstreckung im Rahmen des justizförmig ablaufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens durch den Gläubiger am Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners fehlt.92 (3) Erstreckung auf Rechtshandlung des Gläubigers und verspätete Antragstellung? Im Schrifttum wurde zu Recht geltend gemacht, dass es wertungsmäßig nicht F 16e einzusehen sei, dass der Gläubiger, der ohne Handlungsalternative des Schuldners im Wege der Zwangsvollstreckung auf dessen Vermögen zugreife und somit mangels einer Rechtshandlung des Schuldners nicht der Anfechtung nach § 133 InsO unterliege, anfechtungsrechtlich besser gestellt sei als jener Gläubiger, der weniger rigoros vorgehe und den der Schuldner freiwillig befriedige. Es wurde daher erwogen, im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO im Wege teleologischer Reduktion auf das Erfordernis einer Rechtshandlung des Schuldners zu verzichten und auch eine solche des Gläubigers genügen zu lassen.93 Der BGH ist dieser Auffassung jedoch nicht gefolgt. Nach dessen Urteil vom 10.2.200594 sind Zwangsvollstreckungshandlungen eines Gläubigers ohne eine vorsätzliche Rechtshandlung 88 89 90 91 92 93 94

BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, MDR 2010, 522 = ZIP 2010, 191 ff. Rz. 28. BGH v. 21.11.2013 – IX ZR 128/13, ZIP 2014, 35 ff. Vgl. BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124. BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZIP 2012, 1422 ff. Rz. 8 f. Vgl. dazu Rz. F7b. Vgl. Kreft, KTS 2004, 205 (218); Marotzke, DZWIR 2007, 265 (274 ff.). BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832. Schfer

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F Rz. 16e

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

oder eine ihr gleichstehende Unterlassung des Schuldners nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Der Grundsatz, dass die Befugnis des Gläubigers, sich im Wege hoheitlichen Zwangs eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung für eine Forderung zu verschaffen, hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurücktrete, gelte nach dem System der Anfechtungsregeln nur für den von den §§ 130 bis 132 InsO erfassten Zeitraum. Mit dieser Entscheidung wird somit bestätigt, dass die Geltung des Prioritätsprinzips durch § 133 InsO – anders als nach den Tatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung (§§ 130–132 InsO) – im Grundsatz nicht eingeschränkt wird. F 16f Die Anfechtung nach § 133 InsO kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der Schuldner den Insolvenzantrag vorsätzlich verspätet gestellt und dadurch bewirkt hat, dass die Rechtshandlung des Gläubigers nicht in den von den §§ 130 bis 132 InsO geschützten zeitlichen Bereich fällt. Denn das Unterlassen des Insolvenzantrages bewirkt keine gläubigerbenachteiligende Vermögensvermehrung im Sinne des § 143 InsO auf Seiten des begünstigten Gläubigers.95 Veranlasst der Gläubiger den Schuldner, den Insolvenzantrag bewusst hinauszuzögern, um eine Anfechtung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme nach § 131 InsO zu verhindern, kommt allerdings eine Haftung gegenüber der Masse nach den §§ 826, 823 Abs. 2 BGB in Betracht.96 Nach einem Urteil des Kammergerichts vom 4.11.201597 soll der Vorwurf sittenwidrigen Handelns begründet sein können, wenn eine Bank aus eigensüchtigen Beweggründen die Insolvenz eines Unternehmens hinausschiebt und für sie abzusehen ist, dass die ergriffenen Stützungsmaßnahmen den Zusammenbruch allenfalls verzögern, aber nicht auf Dauer verhindern können. bb) Gläubigerbenachteiligung F 17 Wie jeder Anfechtungstatbestand setzt auch § 133 Abs. 1 InsO nach der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO eine Gläubigerbenachteiligung voraus. Dies ist der Fall, wenn die Insolvenzmasse durch die anfechtbare Rechtshandlung verkürzt wurde, so dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. Davon ist bei einer Verkürzung der Aktivmasse oder einer Vermehrung der Schuldenmasse auszugehen, die den Gläubigerzugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert.98 Für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung ist es nicht erforderlich, dass sich der anfechtbar weggegebene Gegenstand zuvor im Vermögen des Schuldners befunden hat.99 Die Benachteiligung der Gläubiger muss objektiv eingetreten sein; die darauf gerichtete Absicht allein reicht nicht aus, wenn sie nicht zu

95 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 24. 96 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832. 97 KG v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, ZInsO 2016, 37 ff.; beim BGH unter dem Az. XI ZR 571/15 anhängig. 98 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, MDR 2010, 1487 = ZIP 2010, 2009 ff. Rz. 19; v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, MDR 2009, 1306 = ZIP 2009, 1674 ff. Rz. 25. 99 BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZIP 2015, 2328 ff. Rz. 20.

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III. Einzelheiten

Rz. 17a F

diesem Erfolg geführt hat.100 Nicht erforderlich ist es hingegen, dass sich die tatsächlich eingetretene Benachteiligung mit der vom Vorsatz des Schuldners umfassten Benachteiligung deckt.101 (1) Zahlungsunfähigkeit Zur Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kann zunächst auf die Ausführungen F 17a bei § 130 InsO verwiesen werden. Ist der Schuldner zahlungsunfähig, so steht fest, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen.102 Insoweit ist zu beachten, dass eine Gläubigerforderung nicht schon deshalb bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners außer Betracht bleiben kann, weil er und der Gläubiger ihre Begleichung durch Ratenzahlung vereinbart haben. Vielmehr kann sich gerade im Bedürfnis des Schuldners nach Ratenzahlung dessen Zahlungsunfähigkeit ausdrücken.103 Ist dies der Fall, so stellt sich allein die Frage, ob die vor dem Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung eingetretene Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Ratenzahlungsvereinbarung und ihrer absprachegemäßen Durchführung wieder entfallen ist.104 Hatte der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, muss der Anfechtungsgegner daher darlegen und beweisen, dass der Schuldner die Zahlungen im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung allgemein wieder aufgenommen hatte. Allein die Tatsache, dass über die Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Anfechtungsgegner eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde und der Schuldner die vereinbarten Raten zahlte, genügt hierfür in der Regel selbst dann nicht, wenn die Zahlungseinstellung maßgeblich aus der Nichtbedienung dieser Verbindlichkeit abgeleitet wurde.105 Es ist jedoch zu beachten, dass die Bitte des Schuldners um Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung als solche nach der neueren Rechtsprechung des BGH kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder eine Zahlungsunfähigkeit darstellt, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält.106 Wird ein befristetes Darlehen durch Zeitablauf fällig, ist die Verpflichtung des Schuldners zur Tilgung bei der Prüfung seiner Zahlungsunfähigkeit regelmäßig zu berücksichtigen, auch wenn der Darlehensgeber zur Rückzahlung nicht konkret aufgefordert hat. Dem Schuldner kann die Zahlungsunfähigkeit trotz gewährter Prolongation des Darlehens drohen, wenn die in dieser Zeit geführten Umschuldungsverhandlungen keine sichere Erfolgsaussicht bieten.107 Zahlungsunfähigkeit ist auch dann gegeben, wenn der Schuldner durch den Verkauf von Vermögens100 Vgl. Nerlich in Nerlich/Römermann, § 133 Rz. 15. 101 MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 11. 102 Vgl. BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 15; v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 ff. Rz. 14; Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 813 (831) Rz. 40. 103 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 22 ff.; v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 ff. Rz. 21; vgl. dazu ferner OLG Karlsruhe v. 7.11.2013 – 9 U 119/11, ZInsO 2014, 152 ff.: kein zwingender Schluss auf Zahlungsunfähigkeit allein aufgrund Ratenzahlungsvergleichs. 104 Vgl. BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 30. 105 BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 242/13, ZIP 2016, 874 ff. 106 BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 149/14, ZIP 2015, 1549 ff. 107 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79 ff. Schfer

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F Rz. 17a

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

gegenständen die erforderliche Liquidität schaffen könnte, hierzu aber nicht bereit ist.108 Die Insolvenzgläubiger können durch Zahlungen des Schuldners auch dann benachteiligt werden, wenn der zum Zeitpunkt der Zahlungen zahlungsunfähige Schuldner vor dem Eintritt der zur Verfahrenseröffnung führenden Insolvenz vorübergehend seine Zahlungsfähigkeit wiedererlangt. Denn für § 133 Abs. 1 InsO genügt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung; dies setzt nicht durchgängig die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraus.109 F 17b Die Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO (Zahlungseinstellung) gilt auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO.110 Sie kann nicht durch den Nachweis der Zahlungsunwilligkeit des Schuldners widerlegt werden; erforderlich ist vielmehr der Nachweis der Zahlungsfähigkeit.111 Haben in dem für die Anfechtung maßgebenden Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten in erheblichem Umfang bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen wurden, ist nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig von der Zahlungseinstellung auszugehen.112 Dies gilt jedoch nicht, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit nicht erkannte, da in diesem Fall nicht von dem erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ausgegangen werden kann.113 Ausreichend für den Schluss auf die Zahlungseinstellung kann schon ein mehrmonatiger Zahlungsrückstand sein.114 Hinsichtlich der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Zahlungseinstellung kann im Übrigen auf die Ausführungen zu § 130 InsO verwiesen werden. F 17c

In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit vorzunehmen ist, sind auch Zahlungspflichten einzubeziehen, deren Fälligkeit im Prognosezeitraum nicht sicher, aber überwiegend wahrscheinlich ist. Verbindlichkeiten aus einem Darlehen können deshalb auch dann eine drohende Zahlungsunfähigkeit begründen, wenn aufgrund gegebener Umstände überwiegend wahrscheinlich ist, dass eine Fälligstellung im Prognosezeitraum erfolgt.115 Gestundete und nicht ernsthaft eingeforderte Forderungen sind bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Setzt die Finanzbehörde die Vollziehung eines Steuerbescheides wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aus, fodert sie den festgesetzten Betrag für die Dauer der Aussetzung nicht mehr ein.116 Hat das Finanzamt eine Stundung zunächst abgelehnt, führt eine spätere Bewilligung derselben mit Wirkung „ab Fälligkeit“ allerdings nicht 108 BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124 Rz. 5. 109 BGH v. 20.10.2016 – IX ZR 305/14, ZInsO 2016, 2393 ff. Rz. 13. 110 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, Rz. 8; v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 ff. Rz. 13. 111 BGH v. 15.3.2012 – IX ZR 239/09, ZIP 2012, 735 ff. 112 BGH 8.1.2015 – IX ZR 203/12, ZIP 2015, 437 ff. Rz. 15; v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, WM 2013, 180 ff. Rz. 16; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 12. 113 BGH v. 23.10.2008 – IX ZR 115/07, juris Rz. 2; Kirchhof in WM 2013, Sonderbeilage 2, S. 42. 114 BGH v. 5.2.2015 – IX ZR 79/13, juris Rz. 2; v. 7.11.2013 – IX ZR 49/13, ZIP 2013, 2318 ff. Rz. 13; v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (187). 115 BGH v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZIP 2014, 183 ff. Rz. 10 mit Hinweis auf die Begründung zu § 22 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 115. 116 BGH v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289 ff. Rz. 29.

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III. Einzelheiten

Rz. 19 F

dazu, dass der Schuldner rückwirkend als zahlungsfähig anzusehen ist.117 Ist eine unstreitige Forderung für begrenzte Zeit gestundet oder nicht ernsthaft eingefordert, kann sie bei der Prognose, ob drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt, gleichwohl zu berücksichtigen sein.118 Wichtig ist ein Urteil des BGH vom 26.3.2015119 für jene Fälle, in denen es um F 17d die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit geht. Stützt sich der Insolvenzverwalter zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf ein oder mehrere Beweisanzeichen und auf die im Fall einer Zahlungseinstellung bestehende gesetzliche Vermutung, ist im Rahmen des Prozessrechts auf Antrag des Anfechtungsgegners zur Entkräftung der Beweisanzeichen und zur Wiederlegung der Vermutung durch einen Sachverständigen eine Liquiditätsbilanz erstellen zu lassen. (2) Mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreichend; Spezialfall Kontoüberziehung Für § 133 Abs. 1 InsO genügt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung, bei F 18 welcher der Nachteil erst nach dem Abschluss der Rechtshandlung durch das Hinzutreten weiterer Umstände eintritt.120 Es ist daher nicht erforderlich, dass schon zum Zeitpunkt der Rechtshandlung des Schuldners Gläubiger vorhanden waren, die durch diese benachteiligt wurden.121 Da für § 133 Abs. 1 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt, reicht es aus, wenn eine Forderung, die eine bloße Insolvenzforderung gewesen wäre, durch die angefochtene Rechtshandlung im eröffneten Insolvenzverfahren zu einer Masseverbindlichkeit aufgewertet wird. Dies hat der BGH zur anfechtbaren Übernahme eines Mietvertrages entschieden.122 § 133 Abs. 4 InsO, der die Anfechtbarkeit des Abschlusses eines entgeltlichen Vertrages mit einer nahestehenden Person im Sinne des § 138 InsO regelt, setzt hingegen eine unmittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger voraus. Aufgrund der praktischen Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ferner zu F 19 erwähnen, dass der BGH inzwischen unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung davon ausgeht, dass bei einer Zahlung im Wege der geduldeten Kontoüberziehung die erforderliche Gläubigerbenachteiligung gegeben ist. Er erkennt nunmehr an, dass die mittelbare Zuwendung des Schuldners, die dieser mittels seiner Bank an seinen Gläubiger bewirke, nur „infolge und nach Einräumung“ des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt werden könne.123 Zuvor hatte er bereits entschieden, dass eine Verkürzung der 117 Vgl. OLG Brandenburg v. 6.3.2013 – 7 U 23/11, ZIP 2013, 941 ff. 118 BGH v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289 ff. Rz. 33 in Fortführung von BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZInsO 2013, 76 ff. 119 BGH v. 26.3.2015 – IX ZR 134/13, ZIP 2015, 1077 ff. 120 Vgl. BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, MDR 2007, 1099 = NJW 2007, 2325 ff. Rz. 15. 121 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 5; v. 7.5.1987 – IX ZR 51/86, WM 1987, 881 (882). 122 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. 123 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05 – „Kontoüberziehung“, BGHZ 182, 317 ff. = MDR 2009, 1357 = NotBZ 2010, 95 m. Anm. Suppliet. Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

künftigen Masse grundsätzlich auch in den Fällen zu bejahen ist, in denen der Schuldner mit den Mitteln eines ihm zuvor zur Disposition gestellten Kredits einen Gläubiger befriedigt hat.124 cc) Anfechtungszeitraum F 20 Nach § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung des Schuldners anfechtbar, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach vorgenommen wurde. Zu welchem Zeitpunkt die Rechtshandlung als vorgenommen anzusehen ist, bestimmt sich nach § 140 InsO und damit im Grundsatz danach, wann die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eingetreten sind.125 Zur genaueren Fristberechnung wird auf die Ausführungen zu § 130 InsO126 und zu § 139 InsO verwiesen. Nach dem durch das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG“ neugefassten § 133 Abs. 2 InsO beträgt der Anfechtungszeitraum nur vier Jahre, wenn die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat. b) Subjektive Anfechtungsvoraussetzungen F 21 Das Schwergewicht der Fallprüfung bei der Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO liegt auf dessen subjektivem Tatbestand, der zum Teil schwierige Fragen aufwirft. Unstreitig ist, dass – anders als nach dem Wortlaut der Vorgängerbestimmung des § 31 KO – im Grundsatz der Vorsatz des Schuldners zur Gläubigerbenachteiligung – und zwar auch in der Form des bedingten Vorsatzes (dolus eventualis) – ausreicht.127 Dabei handelt nach der Rechtsprechung des BGH derjenige mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, der bei der Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der anderen Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt (Wissenselement) und billigt (Wollenselement).128 Dies liegt in dem Fall nahe, dass der Schuldner die Rechtshandlung in Kenntnis seiner Überschuldung und einer drohenden Insolvenz oder gar in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit vorgenommen hat. Dementsprechend handelt nach der Rechtsprechung des BGH ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in aller Regel mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.129 F 21a Auf der anderen Seite aber soll nach der Rechtsprechung des BGH ein Schuldner, der Kenntnis von seiner Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit hat, dem es 124 BGH v. 10.1.2008 – IX ZR 33/07, MDR 2008, 589 = ZIP 2008, 467 ff. Rz. 12; v. 11.1.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 (280). 125 Vgl. dazu die Ausführungen zu § 140 InsO. 126 Siehe oben Rz. C95 ff. 127 BGH v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, MDR 2009, 952 = ZIP 2009, 922 ff. Rz. 10; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 35; Graf-Schlicker/Huber, § 133 Rz. 12. 128 BGH v. 18.2.1993 – IX ZR 129/92, MDR 1993, 437 = WM 1993, 738 (739); v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, MDR 1991, 622 = ZIP 1991, 807 (808); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 33 ff. 129 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 17; v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 19.

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aber mehr auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als auf die Schädigung der übrigen Gläubiger ankommt, nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handeln.130 Nach einer anderen Formulierung sollen erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes zu stellen sein, wenn der Schuldner dem Gläubiger nur das gewährt, worauf dieser einen Anspruch hat.131 Bisweilen geht der BGH sogar von einer „Regelvermutung“ aus, wonach ein Schuldner in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringt, welche zur Fortführung seines Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern im Allgemeinen nützt.132 Damit sind die Abgrenzungsprobleme im Zusammenhang mit dem subjektiven Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO bereits angedeutet, auf die später noch im Einzelnen zurückzukommen ist. aa) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz setzt kein unlauteres Zusammenwirken F 22 zwischen Gläubiger und Schuldner voraus.133 Für den erforderlichen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners genügt vielmehr nach der Gesetzesbegründung134 – wie schon für § 31 KO – eine dem bedingten Vorsatz des Strafrechts entsprechende „bedingte Benachteiligungsabsicht“, so dass insoweit die Kommentierungen zu § 276 BGB herangezogen werden können. Dem Schuldner muss somit bei der Vornahme der Rechtshandlung bewusst sein, dass diese die übrigen Gläubiger benachteiligt. Dieses Bewusstsein reicht aber allein nicht aus. Der Schuldner muss zudem die Benachteiligung der übrigen Gläubiger billigend in Kauf genommen haben,135 sei es auch als unvermeidliche Folge eines an sich erstrebten anderen Vorteils.136 Der Schuldner handelt mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteili- F 23 gung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt.137 Davon ist etwa auszugehen, wenn der Schuldner eine die Gläubiger benachteiligende Vereinbarung gezielt für den Fall seiner Insol130 Vgl. BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, MDR 1997, 958 = NJW 1997, 3028 (3029); v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = ZInsO 1998, 89 ff. Rz. 58; v. 14.7.1969 – VIII ZR 109/67, NJW 1969, 1719 zur Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens. 131 BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZInsO 2004, 859 ff. Rz. 14; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (83 f.). 132 BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, ZInsO 2010, 87 Rz. 2; v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, ZIP 1997, 1551 (1553). 133 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, ZIP 2008, 1291 ff. Rz. 20; BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, MDR 2004, 174 = ZIP 2003, 1799 ff.; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 133 Rz. 13. 134 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 135 BGH v. 23.5.1985 – IX ZR 124/84, ZIP 1985, 1008 ff.; v. 18.12.2008 – IX ZR 79/07 – „Großküchenbetrieb“ NotBZ 2009, 455 m. Anm. Suppliet = MDR 2009, 713 = ZIP 2009, 573 ff. Rz. 13. 136 BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, MDR 2009, 404 = ZIP 2009, 91 ff. Rz. 45; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 496. 137 BGH v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, MDR 2009, 952 = ZIP 2009, 922 ff. Rz. 10; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (84) = MDR 2003, 1256. Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

venz abschließt.138 Der Benachteiligungswille wird daher auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es dem Schuldner allein darauf angekommen sein mag, mit der Erfüllung einer Einstellungsauflage gemäß § 153a StPO einer Bestrafung zu entgehen.139 F 24 Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners muss zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung gegeben sein. Dies bestimmt sich nach § 140 InsO. Handelt der Schuldner zum Zeitpunkt der Eingehung einer Verpflichtung mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, so stellt dies allerdings ein wesentliches Beweisanzeichen dafür dar, dass der Vorsatz auch zum Zeitpunkt der Erfüllung noch fortbesteht. So erstreckt sich etwa der aus der Inkongruenz der Wechselbegebung folgende Benachteiligungsvorsatz auf die Erfüllung der ihr zugrundeliegenden Verbindlichkeit, wenn beide Vorgänge in einem engen rechtlichen Zusammenhang stehen.140 F 25 Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO ist gegeben, wenn das Vermögen des Schuldners infolge der angefochtenen Rechtshandlung nicht mehr ausreicht, um auch die übrigen Gläubiger befriedigen zu können. Im Rahmen des subjektiven Tatbestandes des § 133 Abs. 1 InsO muss der Schuldner daher wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann, oder sich diese Folge zumindest als möglich vorstellen, aber in Kauf nehmen, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen.141 Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz muss sich aber nicht auf die konkrete Benachteiligung beziehen, die tatsächlich eingetreten ist.142 Hatte der Schuldner bei der Vornahme der Rechtshandlung noch keine Gläubiger, wird es in der Regel am Gläubigerbenachteiligungsvorsatz fehlen. Gleichwohl kann in einem solchen Fall der Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gegeben sein, wenn der Schuldner bei der Vornahme der Rechtshandlung die Absicht hatte, seine künftigen Gläubiger zu benachteiligen.143 F 26 Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie etwa die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis zudem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden.144 Der BGH hat daher im Laufe der Zeit Beweiserleichterungen zuge138 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, MDR 2007, 1099 = ZIP 2007, 1120 ff. Rz. 27; v. 26.4.2012 – IX ZR 73/11, WM 2012, 1079 (1080). 139 Vgl. BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, MDR 2008, 1064 = ZInsO 2008, 738 ff. Rz. 19; Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 23. 140 Vgl. BGH v. 10.1.2008 – IX ZR 33/07, MDR 2008, 589 = ZIP 2008, 467 ff. 141 BGH v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, MDR 2009, 952 = ZIP 2009, 922 ff. Rz. 10; v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, MDR 2007, 1221 = ZIP 2007, 1511 ff. Rz. 8. 142 BGH v. 10.1.2008 – IX ZR 33/07, MDR 2008, 589 = ZInsO 2008, 271 ff.; MK-InsO/ Kayser, § 133 Rz. 11, 16; kritisch dazu Windel, ZIP 2014, 1823 ff. 143 BGH v. 23.5.1985 – IX ZR 124/84, ZIP 1985, 1008 ff.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 38. 144 Vgl. BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 8.

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III. Einzelheiten

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lassen, um dem Insolvenzverwalter den Nachweis des Benachteiligungsvorsatzes zu erleichtern.145 Hat etwa der Schuldner dem Gläubiger eine inkongruente Deckung gewährt, so ist darin in der Regel ein starkes bzw. erhebliches Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu sehen, das der Anfechtungsgegner entkräften muss.146 Im Schrifttum wird zutreffend darauf hingewiesen, dass schon dies eine Verschärfung gegenüber der früheren Rechtsprechung war, wonach die Umstände, die eine Inkongruenz begründeten, auf eine Benachteiligungsabsicht hindeuteten.147 (1) Bedeutung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit; Interimsrechtsprechung des BGH bis zum Urteil vom 13.8.2009 Der BGH ist zumindest bis zu den grundlegenden, eine Einschränkung der frü- F 27 heren Rechtsprechung vollziehenden Urteilen vom 13.8.2009148 und vom 8.10.2009149 davon ausgegangen, dass ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kenne, in aller Regel mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handle; dessen Vorliegen sei darüber hinaus schon dann zu vermuten, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kenne.150 Er hat dies aus § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO gefolgert. Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet werde, wenn er gewusst habe, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, könnten für den Schuldner selbst keine strengeren Anforderungen gelten.151 Der BGH hat diese Rechtsprechung u.a. durch Urteile vom 30.6.2011152 und vom 6.1.2015153 bekräftigt. Die weite Auslegung des § 133 Abs. 1 InsO durch den BGH wird im Schrifttum F 28 zu Recht kritisiert.154 § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO bezieht sich nur auf die Kennt145 Vgl. BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, MDR 2004, 174 = ZIP 2003, 1799 ff. Rz. 10; vgl. dazu ferner M. Huber, ZInsO 2012, 53 ff. 146 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 19; v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZInsO 2004, 616 ff.; v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, MDR 2002, 1270 = ZIP 2002, 1408 ff. Rz. 32; HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 20; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 133 Rz. 15. 147 Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 38. 148 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. 149 BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZInsO 2009, 2148 ff. 150 Vgl. BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, MDR 2008, 590 = ZIP 2008, 420 ff. Rz. 19; v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 32 = MDR 2008, 341; v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff. Rz. 14 = FamRZ 2006, 1196 = MDR 2007, 113 = BRAK 2006, 231; v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 (153) = MDR 2005, 832; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (83 f.) = MDR 2003, 1256. 151 Vgl. BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff. Rz. 14 = FamRZ 2006, 1196 = MDR 2007, 113 = BRAK 2006, 231; v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 32 = MDR 2008, 341; HK-InsO/Kreft, § 133 Rz. 10 – kritisch dazu zu Recht schon Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 22 f. 152 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. 153 BGH v. 6.1.2015 – IX ZR 203/12, ZIP 2015, 437 ff. Rz. 12. 154 Vgl. Bork, ZIP 2008, 1041 ff.; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 ff.; Foerste, Festschrift für Picker (2010), S. 227 (241 ff.); Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 53; sehr kritisch Nobbe, Festschrift für Kübler (2015), S. 459 ff. Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

nis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, nicht aber auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz selbst als Anfechtungsvoraussetzung auf Seiten des Schuldners.155 Da der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners „positiv“ festzustellen ist, kann bei der Frage der entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners nicht auf die Feststellung entsprechender Umstände verzichtet werden.156 Selbst das Bewusstsein schon vorhandener Zahlungsunfähigkeit oder Vermögensunzulänglichkeit genügt daher nach zutreffender Auffassung nicht; es kann allenfalls ein Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sein. Schon gar nicht lässt sich aus der objektiven Gläubigerbenachteiligung auf den Benachteiligungswillen des Schuldners schließen.157 F 29 Mit seiner zwischenzeitlichen Rechtsprechung lief der BGH Gefahr, für die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO letztlich nicht mehr zu fordern als im Rahmen der Deckungsanfechtung nach § 130 InsO, die nur den Zeitraum der letzten drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages erfasst, während die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO bis zu zehn Jahre zurückreicht. Die Deckungsanfechtung drohte daher zum Unterfall der Vorsatzanfechtung zu werden.158 In den Gesetzesmotiven ist jedoch ausdrücklich festgehalten, dass eine gesetzliche Vermutung auch noch für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners die Gefahr eines Ungleichgewichts zu Lasten der Rechtssicherheit mit sich brächte. Es solle nach wie vor der gerichtlichen Praxis überlassen bleiben, im Einzelfall, gegebenenfalls anhand von Indizien, festzustellen, ob ein Benachteiligungsvorsatz des Schuldners vorgelegen habe.159 F 30 In der Gesetzesbegründung ist allerdings auch davon die Rede, dass die Gläubigerbenachteiligung nicht Beweggrund oder überwiegender Zweck der Handlung des Schuldners sein müsse. Entscheidend seien das Bewusstsein und der Wille, die Gläubiger zu benachteiligen; eine dem bedingten Vorsatz des Strafrechts entsprechende „bedingte Benachteiligungsabsicht“ werde dabei als ausreichend erachtet.160 Der Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt und gleichwohl noch Rechtshandlungen zugunsten einzelner Gläubiger vornimmt, dürfte demnach in der Regel mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handeln.161 Man kann auch nicht ohne weiteres auf eine überwiegende Intention der Gläubigerbefriedigung auf Seiten des Schuldners abstellen, ohne damit in Widerspruch zur Dogmatik des Vorsatzbegriffs zu geraten. Denn danach kommt es auf das Überwiegen eines Motivs gegenüber einem anderen im Grundsatz nicht an.162

155 156 157 158 159

Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 53. Vgl. Schönfelder, WuB VI A. § 133 InsO 1.09. Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 22; BGH v. 6.12.1984 – IX ZR 119/83, WM 1985, 295. Vgl. Schoppmeyer, ZIP 2009, 603 (604). Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 265, 266. 160 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 161 Vgl. dazu Ganter, WM 2009, 1441 (1443); Foerste, Festschrift für Picker (2010), S. 227 (234 f.); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 496. 162 Vgl. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 495; Thole in ZIP 2013, 2081 (2085); Foerste, Festschrift für Picker (2010), S. 227 (234 f.).

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III. Einzelheiten

Rz. 31a F

Nach Ansicht von Kayser163 hängt die Prüfung, ob der Schuldner bei einer kon- F 30a gruenten Deckungshandlung die Gläubigerbenachteiligung wenigstens „billigend“ in Kauf genommen hat, regelmäßig von der Feststellung ab, dass es ihm im Einzelfall weniger auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als entweder auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten164 oder – viel naheliegender – auf die Begünstigung des Leistungsempfängers ankam.165 Ein solcher überwiegender Beweggrund gehöre zwar nicht zum Vorsatzbegriff, sei aber ein tatsächlicher Anhaltspunkt bei der Würdigung im Rahmen des § 286 ZPO.166 (2) Eigener Standpunkt: einschränkende Auslegung anhand des Normzwecks Man wird sich daher wohl um eine gewisse Objektivierung des Anfechtungs- F 31 tatbestandes der Vorsatzanfechtung bemühen und dabei berücksichtigen müssen, dass außerhalb der Anfechtungszeiträume der Deckungsanfechtung im Grundsatz das Prioritätsprinzip gilt.167 Nach der tatbestandlichen Fassung des § 133 Abs. 1 InsO kann dies im Rahmen des Merkmals des „billigenden Inkaufnehmens“ der Benachteiligung der übrigen Gläubiger – vielleicht sogar im Rahmen des Begriffs der „Rechtshandlung des Schuldners“ – geschehen. Leistet der Schuldner etwa nur an den im Moment vorrangig durch Zwangsvollstreckung Befriedigung suchenden Gläubiger, ohne selbst korrigierend in das Geschehen einzugreifen, erscheint die Bejahung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes als zweifelhaft.168 Der Schuldner vertraut in diesem Fall im Zweifel (zu Recht) auf die Geltung des gesetzlichen Prioritätsprinzips (vgl. § 804 Abs. 3 ZPO). Für § 3 AnfG versteht es sich von selbst, dass eine Geldzahlung, die der Schuldner dem drängendsten Gläubiger erbringt, für Gläubiger, deren spätere Zwangsvollstreckung deshalb fruchtlos bleibt, nicht aus diesem Grunde anfechtbar sein kann.169 Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass § 133 Abs. 1 InsO zwar F 31a Chancengleichheit zwischen den Gläubigern in der Krise des Schuldners bezwecke, nicht aber wie die Deckungsanfechtung die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger;170 der Schuldner dürfe allerdings nicht zwischen seinen Gläubigern

163 MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 33a. 164 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 33a mit Nachweisen aus der Rspr. 165 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 33a; OLG Dresden v. 20.3.2003 – 13 U 2316/02, ZIP 2003, 1052 ff. Rz. 19. 166 MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 33a; diesen rein prozessualen Zusammenhang verkenne Jacoby in KTS 2005, 371 (397 f.). 167 Ablehnend gegenüber einer „Einschränkung auf objektiver Seite“ K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 7. 168 Zutr. Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (608); G. Fischer, NZI 2008, 588 (593); zweifelnd für den Fall der schlichten Leistung zur Abwendung einer drohenden Zwangsvollstreckung auch Ganter, WM 2009, 1441 (1443 f.). 169 M. Huber, AnfG, 10. Aufl., § 3 Rz. 36; Foerste, Festschrift für Picker (2010), S. 227 (247). 170 Vgl. Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602); Kirchhof, Festschrift für Ganter (2010), S. 237 (244 f.). Schfer

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F Rz. 31a

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

„selektieren“.171 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang ferner ein Beschluss des BGH vom 23.4.2009,172 wonach ein auf den Schuldner ausgeübter Druck, der nicht durch Drohung mit einer Zwangsvollstreckung oder durch Androhung der Stellung eines Insolvenzantrages erfolgte, eine daraufhin vorgenommene Zahlung des Schuldners grundsätzlich nicht inkongruent macht. Konsequenterweise wird man daher auch einen Gläubiger, der außerhalb der Anfechtungszeiträume der Deckungsanfechtung gegen den in der Krise befindlichen Schuldner „schlicht“ im Wege der Zwangsvollstreckung vorgeht, nicht der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO aussetzen dürfen. Trotz der Kenntnis des Schuldners von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit kann schließlich nicht ohne weiteres auf den (bedingten) Benachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden, wenn es sich (objektiv) um ein Bargeschäft handelt.173 Gerade hier führt die Rechtsprechung des BGH zu Problemen, da es nach ihr im Grundsatz für die Bejahung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ausreicht, dass der Schuldner Kenntnis von seiner (drohenden) Zahlungsunfähigkeit hatte. F 31b

Bork sieht die Rechtsprechung des BGH für den Fall, dass der Schuldner die eingetretene (also nicht nur drohende) Zahlungsunfähigkeit erkannt hat, mit der Begründung als gerechtfertigt an, dass eine zahlungsunfähige juristische Person gemäß § 15a InsO spätestens nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist einen Insolvenzantrag stellen müsse und nicht etwa unverändert weiterwirtschaften dürfe. Dementsprechend sei auch das Weiterwirtschaften natürlicher Personen und typischer Personengesellschaften sozialinadäquat, auch wenn für sie keine entsprechende Norm existiere.174 Auch Bork vermag jedoch letztlich nicht hinreichend zu begründen, dass sich die Regelung in § 15a InsO über § 133 Abs. 1 InsO auch an jenen Gläubiger wendet, der schlicht im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner vorgeht.175 (3) Einschränkung der BGH-Rechtsprechung durch Urteil vom 13.8.2009

F 32 Mit seinem Urteil vom 13.8.2009176 hat der BGH der Kritik im Schrifttum Rechnung getragen und seine Interimsrechtsprechung wieder eingeschränkt. Diese Einschränkung betrifft zwar nicht unmittelbar die Rechtsprechung zur Ermittlung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes, sondern zur Kenntnis des Anfechtungsgegners. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie sich auch darauf auswirken wird. Fraglich ist etwa, ob ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners schon dann anzunehmen ist, wenn der Schuldner die Schä-

171 Kirchhof, Festschrift für G. Fischer (2008), S. 285 (292). 172 BGH v. 23.4.2009 – IX ZR 82/06, veröffentlicht bei juris; vgl. dazu ferner OLG Köln v. 30.11.2006 – 2 U 86/06, ZIP 2007, 137 f.: Abwendung einer Versorgungssperre. 173 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 12; Ganter, WM 2009, 1441 (1444). 174 Bork, ZIP 2014, 797 (807/808). 175 Vgl. dazu BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 78; Windel, ZIP 2014, 1823 (1825); Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 ff. 176 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff.; bestätigt durch Urteile v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZInsO 2009, 2148 ff. und v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff.

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III. Einzelheiten

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digung anderer Gläubiger als notwendige Folge der einem Gläubiger gewährten Befriedigung oder Sicherung vorausgesehen hat.177 Der BGH hat allerdings in seinen Urteilen vom 10.1.2013178 und vom F 32a 25.4.2013179 bekräftigt, dass auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden könne, wenn er seine Zahlungsunfähigkeit kenne. Auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit stelle ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn sie ihm bei der Vornahme der Rechtshandlung bekannt gewesen sei.180 Der BGH hat aber jedenfalls zur erforderlichen Kenntnis des Anfechtungsgegners F 33 klargestellt, dass es zwar genüge, wenn der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kenne, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folge; dabei dürfe aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen, die für die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sprächen, nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellten, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machten und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürften. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung habe der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen. Soweit frühere Entscheidungen anders verstanden werden könnten, werde daran nicht festgehalten.181 In einem neueren Urteil vom 8.1.2015182 weist der BGH indes erneut darauf hin, dass auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz darstelle, wenn sie dem Schuldner bei der Vornahme der Rechtshandlung bekannt gewesen sei. In diesen Fällen handle der Schuldner nur dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände, etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können, mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen könne. Drohe die Zahlungsunfähigkeit, bedürfe es konkreter Umstände, die nahe legten, dass die Krise noch abgewendet werden könne. Diese Grundsätze gälten nach seiner gefestigten Rechtsprechung auch dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten werde.183 Die Verunsicherung ist somit groß. Sie hat

177 Vgl. BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, MDR 2009, 404 = ZInsO 2009, 87 ff. Rz. 45; a.A. noch BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, AG 1984, 181 = GmbHR 1984, 343 = MDR 1984, 736 = NJW 1984, 1893 (1898). 178 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, WM 2013, 180 ff. 179 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 ff. Rz. 24. 180 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 ff. Rz. 24; v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, WM 2013, 180 ff. Rz. 14; v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 ff. Rz. 10; v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff. Rz. 14. 181 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 8; vgl. dazu noch BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff. Rz. 18. 182 BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 198/13, ZIP 2015, 279 ff. 183 BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 198/13, ZIP 2015, 279 ff. Rz. 9 mit Hinweis auf BGH v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, NZI 2014, 259 Rz. 9 und BGH v. 6.2.2014 – IX ZR 221/11, ZInsO 2014, 496 Rz. 3. Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

zu der Erwägung im Schrifttum184 geführt, dass trotz der Rechtsprechung des BGH, wonach Indizien und Beweisanzeichen in der Regel keine (widerlegliche) Vermutung (mehr) begründeten, bei einer Kenntnis des Schuldners von seiner (drohenden) Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Regelung in § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wohl weiterhin von einer widerleglichen Vermutung des Benachteiligungsvorsatzes auszugehen sei. F 33a Die neuere Rechtsprechung des BGH zur Bedeutung der Beweisanzeichen für die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung verdeutlicht ein Urteil vom 7.11.2013:185 BGH-Urteil vom 7.11.2013 – ZIP 2013, 2368 ff. F 33b

Die Schuldnerin hatte ihrem Gesellschafter und Geschäftsführer (Kläger) zur Sicherung einer früheren Pensionszusage durch Nachtrag im Jahr 1996 Lebensversicherungen verpfändet. Am 21.1.2008 übertrug der Kläger seine Geschäftsanteile an der Schuldnerin auf seinen Sohn und einen weiteren Erwerber. Im Rahmen der Anteilsübertragung bestellte die Schuldnerin dem Kläger nach Ablauf der verpfändeten Versicherungen zur Absicherung seiner Rentenansprüche eine Grundschuld in Höhe von 500 000 Euro an ihrem Grundbesitz, die am 9.4.2008 eingetragen wurde. Am 1.12.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger begehrte ihm gegenüber die Feststellung, dass ihm hinsichtlich der Grundschuld ein Absonderungsrecht zustehe. Das Landgericht gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte Erfolg. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückweisung der Berufung des Beklagten.

F 33c

Der BGH bekräftigt zunächst seine neuere Rechtsprechung, wonach der Tatrichter die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen habe.186 Im Streitfall kämen insoweit die Beweisanzeichen der Inkongruenz einer Deckung187 sowie der gezielten Gewährung eines Sondervorteils für den Insolvenzfall188 in Betracht. Das die Schlussfolgerung auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gestattende Beweisanzeichen der Inkongruenz sei nicht verwirklicht. Der Kläger habe zwar durch die Bestellung der Grundschuld eine inkongruente Deckung erlangt, da ihm aus der ursprünglichen Pensionszusage kein Anspruch auf eine Sicherung zugestanden habe. Inkongruent sei

184 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 85 mit Hinweis auf MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 26. 185 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 ff. 186 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 ff. Rz. 7; v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 Rz. 9; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 8. 187 Vgl. BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZInsO 2012, 171 ff. Rz. 18. 188 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, ZIP 2007, 1120 ff. Rz. 27.

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III. Einzelheiten

Rz. 33e F

eine nach dem Entstehen einer Verbindlichkeit gewährte (nachträgliche) Sicherung.189 Das Beweisanzeichen der Inkongruenz greife jedoch nicht durch, weil zum Zeitpunkt der Grundschuldgewährung keine Zweifel an der Liquidität der Schuldnerin bestanden hätten. Der auslösende Umstand für die von einer inkongruenten Deckung vermittelte Indizwirkung liege in einer ernsthaften Besorgnis bevorstehender Zahlungskürzungen oder -stockungen des Schuldners, weil sich damit die Gefährdung der anderen, nicht in gleicher Weise begünstigten Gläubiger aufdränge. Im Streitfall habe der Kläger aber das Unternehmen schuldenfrei an seinen Sohn und dessen Miterwerber übergeben. Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz könne auch nicht aus der gezielten Ge- F 33d währung eines Sondervorteils für den Insolvenzfall hergeleitet werden, da die eingeräumte Sicherung unabhängig von einer Insolvenzeröffnung Bestand gehabt und die Vereinbarung nicht erst Nachteile für das Schuldnervermögen im Insolvenzfall begründet habe.190 Eine Fallgestaltung im letzteren Sinne sei im Streitfall nicht gegeben, da dem Kläger eine sofort gültige und nicht erst im Insolvenzfall wirksame Sicherung gewährt worden sei. In einem solchen Fall könnten ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und dessen Kenntnis seitens des Gläubigers nur angenommen werden, wenn die Beteiligten den Eintritt der Insolvenz während der Dauer des Sicherungsgeschäfts konkret für wahrscheinlich gehalten hätten.191 Fehle es an Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz, könnten Sicherungsgeschäfte nicht für die Dauer von zehn Jahren der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO unterstellt werden, nur weil sie regelmäßig erst in der Krise bedeutsam würden. (4) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Das Bundesarbeitsgericht erwog zunächst im Urteil vom 29.1.2014,192 in Fällen F 33e kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Arbeitsentgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen. Wenn der Arbeitgeber das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahle, habe der Arbeitnehmer keine adäquaten Handlungsmöglichkeiten, um dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Bei pünktlichen Gehaltszahlungen könne der Arbeitnehmer auch keinen Insolvenzantrag stellen.193 Das Bundesarbeitsgericht bekräftigte ferner seine Rechtsprechung, wonach ein Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen zahlt, die der Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbracht hat.194

189 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12 Rz. 10; v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 16. 190 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12, ZIP 2013, 2368 ff. Rz. 15; v. 26.4.2012 – IX ZR 73/11, ZInsO 2012, 971 ff. Rz. 8. 191 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 248/12 Rz. 17; v. 10.7.1997 – IX ZR 161/96, ZIP 1997, 1596 (1600), insoweit in BGHZ 136, 220 ff. nicht abgedruckt; MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 28. 192 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. 193 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 38, 41. 194 Vgl. BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 ff. Rz. 17. Schfer

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F Rz. 33e

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

Die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts genüge (aber) allein noch nicht, um eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auszuschließen.195 F 33f Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit werde weder dem Wesen des Rückschlusses auf die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung aus Indizien noch dem Normzweck des § 133 InsO gerecht, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfülle. Eine solche schematische Anwendung des Indizes der Zahlungsunfähigkeit verbiete sich. Vielmehr habe das Tatsachengericht eine einzelfallbezogene Gewichtung der Beweisanzeichen im Wege der Gesamtbetrachtung vorzunehmen.196 Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit begründe daher keine gesetzliche Vermutung im Sinne des § 292 ZPO für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, sondern sei nur ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Benachteiligungsvorsatzes, das allerdings besondere Bedeutung habe. Auch aus der Rechtsprechung des BGH ergebe sich insoweit nichts anderes. F 33g

Aus der Verpflichtung der Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person zur Stellung eines Insolvenzantrages nach den §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, 15a Abs. 1 Satz 1 InsO folge nicht, dass bei Zahlungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets ein Benachteiligungsvorsatz gegeben sei. Verletzungen dieser Vorschriften seien allein straf- und gesellschaftsrechtlich sanktioniert; anfechtungsrechtlich seien diese Vorschriften dagegen ohne Bedeutung.197

F 33h Der Schutzzweck des § 133 Abs. 1 InsO unterscheide sich grundlegend von dem der §§ 130 bis 132 InsO. § 133 InsO stehe nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz, sondern missbillige bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Er schütze das Interesse der Gläubiger daran, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtige. § 133 InsO solle deshalb nicht dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung auch für die Zeit vor Beginn des Drei-Monats-Zeitraums Geltung verschaffen, sondern ein die gleichen Zugriffschancen der Gläubiger beeinträchtigendes Verhalten des Schuldners sanktionieren.198 Eine Auslegung, die dazu führte, dass die Vorsatzanfechtung schon unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO durchgreifen würde, stünde in unvereinbarem Widerspruch zu dem eindeutig zeitlich begrenzten Anwendungsbereich des § 130 InsO.199 Beim Vorliegen einer bargeschäftsähnlichen Lage sei die Erschütterung des Beweisanzeichens der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf seiten des Anfech195 196 197 198

BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 59. BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 75. BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 78. BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 82 mit Hinweis auf Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 5 Rz. 2; MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 1a; Lütcke, ZInsO 2013, 1984 (1986). 199 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 83 mit Hinweis auf BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. unter II. 2. d).

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tungsgegners naheliegend. Bejahte man gleichwohl bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil des Arbeitnehmers rückgängig gemacht, sondern von ihm, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet sei, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt.200 Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat im Schrifttum überwie- F 33i gend Zustimmung gefunden.201 Es wird jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit der Zahlung des Arbeitsentgelts nicht auf ein Sonderrecht für Arbeitnehmer hinauslaufen dürfe, da mit der Insolvenzordnung jegliche Sonderrechte für einzelne Gläubigergruppen hätten abgeschafft werden sollen.202 Es kann daher konsequenterweise auch gegenüber sonstigen Gläubigern des Schuldners nicht ohne weiteres für die Annahme der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners genügen, wenn der Schuldner seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen hat und für diesen offensichtlich war, dass die Verbindlichkeiten des gewerblich tätigen Schuldners ihm gegenüber nicht annähernd die einzigen waren.203 (5) Kongruente Rechtshandlungen Auch im Falle einer kongruenten Rechtshandlung genügt im Grundsatz be- F 34 dingter Vorsatz für den erforderlichen Benachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO.204 Dabei ist jedoch die Rechtsprechung des BGH zu beachten, wonach ein Schuldner, dem es mehr auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als auf die Schädigung der übrigen Gläubiger ankommt, nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt.205 Außerhalb der Anfechtungstatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung (§§ 130 bis 132 InsO) trifft den Schuldner keine Pflicht zu einer nur noch anteilsmäßigen Befriedigung seiner Gläubiger.206 Der Wille des Schuldners darf sich daher nicht in der Erfüllung seiner Verbindlichkeit erschöpfen, vielmehr muss für die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes mehr dazukommen. Andernfalls wäre jede Vertragserfüllung eines an sich redlichen Schuldners über die Vorsatzanfechtung rück200 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628 ff. Rz. 97 f. 201 G. Fischer, NZI 2008, 588 (593 f.); Bork, ZIP 2014, 797 (807); Kayser, NJW 2014, 422 (427); Huber, EWiR 2014, 291 (292) – a.A. Klinck, DB 2014, 2455 (2462). 202 Vgl. Klinck, DB 2014, 2455 ff. 203 Vgl. BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (85 f.); v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (111). 204 Vgl. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 14 f.; v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, MDR 2004, 174 = ZIP 2003, 1799 ff. Rz. 12; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 ff. = MDR 2003, 1256; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 49. 205 BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, NJW 2003, 3560 (3561); v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, MDR 1997, 958 = NJW 1997, 3028 (3029); v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = ZInsO 1998, 89 ff.; zweifelnd hinsichtlich der Tauglichkeit dieses Kriteriums K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 48. 206 MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 33; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602 f.). Schfer

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gängig zu machen. Das wäre für den Gläubiger unzumutbar.207 Der BGH spricht daher in ständiger Rechtsprechung davon, dass im Falle einer kongruenten Deckung, bei welcher der Schuldner dem Gläubiger nur das gewähre, worauf dieser einen Anspruch habe, erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes zu stellen seien.208 Im Schrifttum wird zum Teil angenommen, dass die Kongruenz der Deckungshandlung regelmäßig ein Beweisanzeichen gegen die bewusste Inkaufnahme der Gläubigerbenachteiligung darstelle.209 F 34a Kayser210 meint zu dem Kriterium, ob es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als entweder auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten oder auf die Begünstigung des Leistungsempfängers ankomme, dass ein solcher überwiegender Beweggrund zwar nicht zum Vorsatzbegriff gehöre; er sei aber ein tatsächlicher Anhaltspunkt bei der Würdigung im Rahmen des § 286 ZPO.211 Auf ihn könne auch ein Gegenbeweis im Fall des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO gestützt werden,212 der jedoch mit zunehmender Nähe der angefochtenen Leistung zum Eröffnungsantrag erschwert werde. F 35 Wusste der Schuldner zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung, dass er zahlungsunfähig war oder dass seine Zahlungsunfähigkeit drohte, so liegt zwar der Schluss nahe, er habe ernsthaft mit der Benachteiligung seiner übrigen Gläubiger gerechnet und diese billigend in Kauf genommen. Diese pauschale Schlussfolgerung geht aber zumindest im Fall einer kongruenten Deckung zu weit.213 Die Kenntnis von der eigenen Krise kann bei einer kongruenten Deckung allein für die Annahme des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners nicht ausreichen, vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Schuldners nicht als bloße Erfüllung seiner Vertragspflichten erscheinen lassen. Andernfalls träte ein Wertungswiderspruch zu § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ein.214 Wären kongruente Deckungen gemäß § 133 Abs. 1 InsO bereits dann anfechtbar, wenn der Gläubiger und der Schuldner Kenntnis von der Krise des Letzteren hatten, so würden die zeitlichen Schranken des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterlaufen.215

207 Vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 133 Rz. 25: „darüber hinausgehende Motivation des Schuldners“. 208 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, MDR 2007, 1221 = ZIP 2007, 1511 f. Rz. 19; v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, MDR 2004, 1318 = ZIP 2004, 1512 ff. Rz. 14. 209 Kirchhof in Festschrift für G. Fischer (2008), S. 285 (295); HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 19. 210 MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 33a. 211 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 33a m. Fn. 12: diesen rein prozessualen Zusammenhang verkenne Jacoby in KTS 2005, 371 (397 f.). 212 Vgl. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, NJW 2002, 3252 ff. 213 Vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 133 Rz. 46. 214 Vgl. Jacoby, KTS 2009, 3 ff.; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 ff.; Foerste, Festschrift für Picker (2010), S. 227 (241 f.) und nochmals zusammenfassend in ZInsO 2013, 897 ff. 215 Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 133 Rz. 46; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (603 f.).

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Eine Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO kommt nach der Rechtsprechung des F 36 BGH bei kongruenten Rechtshandlungen dann in Betracht, wenn es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Pflichten als vielmehr auf die Vereitelung der Ansprüche anderer Gläubiger oder die Bevorzugung einzelner Gläubiger ankommt.216 Einem Schuldner, der weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen billigend in Kauf.217 Als anschauliches Beispiel wird im Schrifttum218 ferner der Fall angeführt, dass der Schuldner in der Krise seine Gläubiger in solche eingeteilt hat, die für die Fortführung des Unternehmens besonders wichtig waren, und solche, die als weniger wichtig auf sogenannte „Schiebelisten“ gesetzt wurden.219 In diesen Fällen handelt es sich um selektive Gläubigerbefriedigungen, zu denen der Schuldner im Zustand der materiellen Insolvenz gemäß § 133 Abs. 1 InsO nicht befugt ist.220 Es stellt daher eine vorsätzliche Benachteiligung nach § 133 Abs. 1 InsO dar, wenn der bereits zahlungsunfähige Schuldner einen Rechtsanwalt mit der Einziehung von Außenständen beauftragt und ihn anweist, eingehende Beträge direkt vom Rechtsanwaltsanderkonto an ausgewählte Gläubiger auszuzahlen. Ein Rechtsanwalt, der den Forderungseinzug übernommen hat, stellt nicht lediglich eine Zahlstelle im Sinne von BGHZ 193, 129 ff.221 dar.222 Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kann bei kongruenten F 37 Deckungen ferner gegeben sein, wenn dieser mit der Befriedigung gerade dieses Gläubigers Vorteile für sich erlangen oder Nachteile von sich abwenden will. Dies kann zum Beispiel bei massiver Druckausübung durch den Gläubiger – etwa im Rahmen von Sanierungsbemühungen – der Fall sein.223 Verlangt eine Bank in Kenntnis der Krise des Schuldners nicht nur Sicherheiten für einen neu gewährten Kredit, sondern auch für die bestehenden Altverbindlichkeiten, so kann dies für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sprechen, denn hinsichtlich der Altverbindlichkeiten liegt eine inkongruente De216 BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 341/95, BGHZ 137, 267 (284); v. 14.7.1969 – VIII ZR 109/67, WM 1969, 1079 (1080); MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 133 Rz. 33a; kritisch HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 19. 217 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 ff. = MDR 2003, 1256; v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 ff. 218 Kirchhof, Festschrift für G. Fischer (2008), S. 285 (292). 219 BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, MDR 2003, 652 = ZInsO 2003, 324 ff.; vgl. dazu ferner OLG Karlsruhe v. 12.3.1980 – 6 U 186/79, ZIP 1980, 260 (262): Bevorzugung eines mit dem Schuldner „wirtschaftlich identischen“ Unternehmens. 220 Vgl. dazu noch OLG Koblenz v. 7.10.2013 – 3 U 829/12, ZInsO 2013, 2116 ff. 221 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. 222 OLG München v. 26.3.2015 – 24 U 3722/14, ZInsO 2015, 1226 ff. 223 BGH v. 28.9.2004 – IX ZR 155/03, MDR 2005, 235 = ZIP 2004, 2194 (2197) = BGHZ 160, 259 ff.; v. 28.9.2004 – IX ZR 158/03, juris Rz. 11 zur Druckausübung im Rahmen von Sanierungsbemühungen; v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, MDR 2004, 174 = ZIP 2003, 1799 ff. Rz. 15. Schfer

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ckung vor.224 Gläubigerbenachteiligungsvorsatz kann ferner anzunehmen sein, wenn es dem Schuldner nicht so sehr auf die Erfüllung seiner Pflichten als vielmehr darauf ankam, seinen übrigen Gläubigern Zugriffsobjekte zugunsten eines bestimmten Gläubigers zu entziehen.225 F 38 Ein Schuldner handelt dagegen in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringt, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern im Allgemeinen nützt. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Schuldner und der Anfechtungsgegner Vorkasse für die von diesem erbrachten Leistungen vereinbart haben.226 Befriedigt der Schuldner den Gläubiger früher als drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages, so stellt dies auch dann eine kongruente Rechtshandlung dar, wenn sie unter dem Druck der Zwangsvollstreckung vorgenommen wurde.227 Dennoch kann bei solchen „Druckzahlungen“ im Einzelfall ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gegeben sein.228 F 38a Geht der Schuldner irrig davon aus, eine wirksame Verpflichtung zu erfüllen, so ist dies mit der Vornahme einer kongruenten Rechtshandlung vergleichbar. Denn ein solcher Schuldner unterscheidet sich in seiner subjektiven Haltung prinzipiell nicht von demjenigen, der eine kongruente Rechtshandlung vornimmt.229 F 38b Es ist jedoch zu beachten, dass der BGH in seinem Urteil vom 10.1.2013230 bekräftigt hat, dass die von ihm aufgestellten Grundsätze auch dann Anwendung fänden, wenn eine kongruente Leistung angefochten werde. Einem Schuldner, der wisse, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen könne, und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfülle, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, komme es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nehme er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen in Kauf.231 Aber auch dann, wenn nicht festgestellt werden könne, dass der Schuldner einen einzelnen Gläubiger befriedige, um ihn von der Vollstreckung oder der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, handle er mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er nur wisse,

224 Vgl. BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 ff. 225 Vgl. BGH v. 20.6.1996 – IX ZR 314/95, ZIP 1996, 1475 f.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 133 Rz. 25. 226 BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, ZInsO 2010, 87; v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, MDR 1997, 958 = ZIP 1997, 1551 (1553). 227 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 ff. = MDR 2003, 1256. 228 Vgl. BGH v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, MDR 2004, 174 = ZIP 2003, 1799 ff. Rz. 15. 229 BGH v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144 (2145); HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 19; Kuhn, WM 1969, 226 (238). 230 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, WM 2013, 180 ff. 231 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, WM 2013, 180 ff. Rz. 15; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (83 f.); v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, NJW 2003, 3560 (3561).

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III. Einzelheiten

Rz. 38e F

dass er zur Zeit der Wirksamkeit der Rechtshandlung zahlungsunfähig gewesen sei.232 Zu beachten ist ferner ein neueres Urteil des BGH vom 10.7.2014233 zur Vor- F 38c satzanfechtung gegenüber einem Arbeitnehmer. Danach können die einen Benachteiligungsvorsatz und seine Kenntnis nahelegenden Beweisanzeichen zurücktreten, wenn der Schuldner eine kongruente Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines eigenen Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nützt. Zu den für die Unternehmensfortführung unverzichtbaren Gegenleistungen gehört auch die Tätigkeit der Arbeitnehmer. Der BGH führt in diesem Urteil aus, es könne dem Schuldner im Falle einer bargeschäftsähnlichen Lage infolge des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden sein.234 Von erheblicher praktischer Bedeutung ist schließlich ein Urteil des BGH vom F 38d 12.2.2015235 zur Vorsatzanfechtung gegenüber einem Hauptlieferanten des Schuldners, der durch verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt gesichert war: BGH-Urteil vom 12.2.2015 – ZIP 2015, 585 ff. Die Schuldnerin stellte Backwaren her, wobei sie Zutaten, insbesondere Mehl, F 38e von der Beklagten bezog. Vereinbart war ein verlängerter und erweiterter Eigentumsvorbehalt in Form eines sogenannten Kontokorrentvorbehaltes, so dass die im Voraus abgetretenen Forderungen aus der Weiterveräußerung sämtliche offenen Forderungen aus der bestehenden Geschäftsverbindung sicherten. Die Schuldnerin sollte zum Forderungseinzug berechtigt sein, solange sie alle Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß erfüllte. Im Fall der Verarbeitung der Vorbehaltsware sollte die Beklagte als Herstellerin anzusehen sein und Eigentum an der neuen Sache erwerben. Auf ihrem Hauptgeschäftskonto, von dem die Hauptlieferanten ihre jeweils fälligen Forderungen einziehen konnten, war ein Kontokorrentkredit in Höhe von 100 000 Euro eingeräumt, dessen Tagessaldo sich jedoch ab dem 1.7.2006 arbeitstäglich über dem eingeräumten Kreditlimit bewegte. Ab dem 3.7.2006 kam es zu einer Vielzahl von Rücklastschriften, von denen auch die Beklagte betroffen war. Allerdings glich die Schuldnerin nach dem Eingang von Erlösen ausgewählte Forderungen durch erneute Vorlage der Lastschriftermächtigung oder durch Scheckzahlung aus. Auf diese Weise erbrachte sie vom 5.9.2006 bis zur Stellung des Insolvenzantrages am 10.4.2007 an die Beklagte Zahlungen in Höhe von insgesamt ca. 156 000 Euro. Der klagende Insolvenzverwalter focht diese letztlich mit Erfolg an.

232 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, WM 2013, 180 ff. Rz. 15; v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 ff. Rz. 19; v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 ff. Rz. 18 f. 233 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, ZIP 2014, 1491 ff. 234 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, ZIP 2014, 1491 ff. Rz. 44 mit Hinweis auf Kayser, WM 2013, 293 (298) und NJW 2014, 422 (427). 235 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12 – „Backlieferant“, ZIP 2015, 585 ff. Schfer

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F Rz. 38f

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

F 38f Der BGH stellt zunächst klar, dass die Schuldnerin mit ihren Zahlungen kein Absonderungsrecht der Beklagten abgelöst habe.236 Die Beklagte habe ein etwaiges Absonderungsrecht verloren, ohne dass ein Ersatzabsonderungsrecht oder ein sonstiges Absonderungsrecht am Erlös entstanden wäre. Nur die unbefugte Einziehung einer mit einem Absonderungsrecht belasteten Forderung hätte ein Ersatzabsonderungsrecht nach § 48 InsO auslösen können.237 Davon könne selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn die Schuldnerin zur weiteren Einziehung nicht mehr berechtigt gewesen sein sollte, weil sie nicht alle Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten erfüllt habe. Denn die Beklagte habe der Fortsetzung des Forderungseinzugs zumindest schlüssig zugestimmt. F 38g Zutreffend sei der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach eine tatsächliche Vermutung dafür spreche, dass die Schuldnerin mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kenne, handle in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. Eine Zahlungseinstellung, die aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender Beweisanzeichen gefolgert werden könne, begründe gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.238 Die Schuldnerin habe spätestens ab Mitte des Jahres 2006 infolge der ständig verspäteten Begleichung ihrer Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben und demzufolge ersichtlich am finanziellen Abgrund operiert (wird näher ausgeführt). Die somit für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bestehende Vermutung könne nicht mit der Begründung entkräftet werden, dass die Zahlungen kongruente Leistungen gewesen seien, die Zug um Zug gegen eine zur Fortführung des Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht worden seien, welche den Gläubigern im Allgemeinen nutze. Denn die Voraussetzungen für das gegenläufige Indiz einer berücksichtigungsfähigen bargeschäftsähnlichen Lage lägen nicht vor. F 38h Mit Blick auf den verlängerten und erweiterten Eignetumsvorbehalt fehle es am erforderlichen unmittelbaren Austausch zwischen Leistung und Gegenleistung. Da der Schuldner Eigentum erst bei Begleichung aller oder bestimmter anderer Ansprüche aus der Geschäftsverbindung habe erwerben sollen, fehle es zudem an der Gleichwertigkeit der erbrachten Gegenleistung.239 Selbst wenn eine bargeschäftsähnliche Situation vorliege, werde sich der Schuldner der eintretenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung gleichwohl bewusst werden, wenn er wisse, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeite und weitere Verluste anhäufe. F 38i Die Beklagte habe zumindest gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt. Diese sei in der Regel anzu236 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 6; vgl dazu ferner BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509 (1511); v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 ff., Rz. 21. 237 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 13; v. 24.6.2003 – IX ZR 120/02, ZIP 2003, 1404 (1406); HK-InsO/Lohmann, § 48 Rz. 17 ff. 238 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 18; v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 ff. Rz. 10. 239 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 24.

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III. Einzelheiten

Rz. 38k F

nehmen, wenn die Verbindlichkeiten des gewerblich tätigen Schuldners beim Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen würden und diesem den Umständen nach bewusst sei, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gebe.240 Ein weiteres Beweisanzeichen sei der Umstand, dass die Lastschriften der Beklagten zurückgegeben worden seien, wobei es auf den Grund nicht ankomme. Das Urteil des BGH ist für Lieferanten des Schuldners von erheblicher Bedeu- F 38j tung, da es der Fortsetzung einer langandauernden Lieferbeziehung in der Krise des Schuldners anfechtungsrechtliche Grenzen setzt. Die Lieferanten können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie darauf vertraut hätten, der Schuldner verwende die Erlöse aus der Weiterveräußerung der Vorbehaltsware vorrangig zur Ablösung der Vorbehaltsrechte des Lieferanten. Der BGH führt insoweit aus, es habe der zwischen der Schuldnerin und der Lieferantin bestehenden Vereinbarung entsprochen, dass die Schuldnerin zum Einzug der vorzedierten Forderungen aus Warenverkäufen ermächtigt gewesen sei, auch um diese zur Befriedigung der Forderungen der Lieferantin einsetzen zu können.241 Es ist zu beachten, dass sich die Argumentation des BGH im Rahmen der sogenannten „bargeschäftsähnlichen Lage“ hält. Beim Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO könnte es dagegen nicht darauf ankommen, ob der Leistungsaustausch im Hinblick auf die weitere Fortführung des schuldnerischen Unternehmens sinnvoll war.242 Kayser243 gibt zu bedenken, es sei gut vorstellbar, dass der Gläubiger auch bei ei- F 38k ner kongruenten Deckung erkenne, dass die fortgeführte Belieferung des Schuldners für diesen den Preis nicht wert sei und das Unternehmen trotz der fortgesetzten Belieferung zunehmend ausblute. Für einen unwirtschaftlich arbeitenden Schuldner verkörpere eine zum üblichen Preis gelieferte Ware oder bezogene Dienstleistung einen entsprechenden Gegenwert gerade nicht. Diese Überlegung ändert indes nichts daran, dass im Rahmen des konketen Leistungsaustauschs gleichwertige Leistungen ausgetauscht wurden, so dass die Gläubiger jedenfalls durch diesen Vorgang nicht benachteiligt wurden. Eben dies zeichnet aber das Bargeschäft nach § 142 InsO aus. So soll ja nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ausscheiden, wenn durch Gehaltszahlungen im Zuge eines Baraustauschs die für die Betriebsfortführung unerlässliche Gegenleistung der Arbeitstätigkeit entgolten wird,244 ohne dass darauf abgestellt wird, ob sich die Betriebsfortführung letztlich rentiert hat. Die Auffassung von Kayser hat erhebliche Auswirkungen auf Sanierungsbemühungen in der Krise des Schuldners. 240 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 29; v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 ff. Rz. 24; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 10. 241 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 14. 242 Vgl. dazu Foerste, ZInsO 2015, 832 f. u. Begr. zum Reg.-Entw. eines „Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG, BT-Drucks. 18/7054, S. 19 zu § 142 Abs. 1 InsO n.F. 243 Kayser, NJW 2014, 422 (423). 244 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 ff. Rz. 44. Schfer

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F Rz. 39

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

(6) Sanierungsbemühungen F 39 Besondere Sorgfalt bei der Prüfung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ist im Falle von Sanierungsbemühungen zur Rettung des schuldnerischen Unternehmens angezeigt.245 Beauftragt etwa der Schuldner in Kenntnis der drohenden Insolvenz einen Dritten mit der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Stellung eines Insolvenzantrages gegeben sind, so ist die Anfechtbarkeit von Honorarzahlungen an den Dritten unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung nicht schon dann zu bejahen, wenn der Schuldner ernsthaft mit der Insolvenzreife gerechnet hat. Verschärft wird die Problematik ferner dadurch, dass für § 133 Abs. 1 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreicht. Gewisse Abhilfe schafft insoweit die Neuregelung in § 142 Abs. 1 InsO, wonach eine Leistung, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt, nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. F 40 Entsprechendes gilt für Deckungshandlungen, die zugunsten eines zur Teilnahme an Sanierungsmaßnahmen bereiten Gläubigers oder Dritten vorgenommen werden. Das Anfechtungsrecht soll aussichtsreiche Sanierungsversuche, die vor den kritischen Zeiträumen der §§ 130, 131 InsO vorgenommen werden, nicht mit einem unkalkulierbaren Anfechtungsrisiko belasten und damit von vornherein unmöglich machen.246 Realistische Sanierungsbemühungen lassen vielmehr den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz entfallen.247 Die Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung werden jedoch durch den Einwand eines Sanierungsversuchs nicht entkräftet, wenn es an jeder Darlegung zu den Inhalten und Grundlagen des Sanierungskonzepts fehlt. Ein erfolgversprechender, den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ausschließender Sanierungsversuch kann allerdings auch dann vorliegen, wenn Regelungen mit einzelnen Gläubigern dem Schuldner neue Liquidität verschaffen sollen, mittels derer er seine übrigen Gläubiger befriedigen kann.248 F 41 Nach der Rechtsprechung des BGH249 kann selbst der Schluss von der Gewährung einer inkongruenten Deckung – und damit erst recht bei einer kongruenten Deckung – darauf, dass der Schuldner eine Benachteiligung seiner Gläubiger billigend in Kauf genommen hat, ausgeschlossen sein, wenn die Gewährung der inkongruenten Deckung den Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs bildete. Die Hoffnung des Schuldners, auf diese Weise sein Unternehmen retten zu können, genügt allerdings grundsätzlich nicht, wenn die dazu erforderlichen Bemühungen über die Entwicklung von 245 Vgl. Gehrlein, WM 2011, 577 ff.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 128 ff.; Ganter, WM 2014, 49 (52). 246 Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 29. 247 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 ff. Rz. 18; Gehrlein in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, § 133 Rz. 20. 248 BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff.; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 46. 249 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, MDR 1993, 528 = ZIP 1993, 276 ff. Rz. 30; v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 ff. Rz. 28.

470 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 44 F

Plänen und die Erörterung von Hilfsmöglichkeiten nicht hinausgekommen sind. Zu fordern ist vielmehr ein in sich schlüssiges Konzept, das jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist und infolgedessen auf der Seite des Schuldners bei der Vornahme der Rechtshandlung ernsthafte und begründete Aussichten auf Erfolg rechtfertigt.250 Ein solches Sanierungskonzept muss von den erkannten und erkennbaren tat- F 42 sächlichen Gegebenheiten ausgehen und darf nicht offensichtlich undurchführbar sein. Sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten –, branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen. Eine solche Prüfung muss ferner die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen.251 Die bloße Aussicht, der Finanzbedarf des Schuldners werde im Rahmen eines Cash-Managements gedeckt, rechtfertigt jedenfalls dann nicht die Annahme, die drohende Zahlungsunfähigkeit abwenden und alle Gläubiger befriedigen zu können, wenn die dem Cash-Management zugrunde liegende Vereinbarung kurzfristig kündbar ist.252 Zu beachten ist jedoch, dass nach der Rechtsprechung des BGH der Gläubiger- F 43 benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht nur im Falle eines solchen schlüssigen Sanierungskonzepts ausgeschlossen sein kann. Am Benachteiligungsvorsatz des Schuldners – und der entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners – kann es vielmehr auch dann fehlen, wenn lediglich ein Überbrückungskredit gewährt wurde, der nicht die Qualität eines Sanierungsversuchs erreicht hat.253 Die subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO dürfen nicht schon deshalb bejaht werden, weil ein Sanierungsversuch objektiv nicht hinreichend fachgerecht vorbereitet wurde. Denn Fahrlässigkeit genügt nicht für die Anwendung der Bestimmung. Beteiligte, die ernsthaft und mit aus ihrer Sicht tauglichen Mitteln die Sanierung anstreben, handeln subjektiv redlich. Sie wollen typischerweise den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung gerade vermeiden, nehmen sie also durchweg nicht in Kauf.254 Selbst wenn der Schuldner eine gläubigerbenachteiligende Wirkung der Sa- F 44 nierungsmaßnahme erkannt und sogar billigend in Kauf genommen hat, kann der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz dennoch ausgeschlossen sein, wenn der Schuldner aufgrund konkreter Vorstellungen davon überzeugt war, in abseh250 Vgl. BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 ff. Rz. 17; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 ff. Rz. 33; v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZInsO 2013, 780 ff. Rz. 11; v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, WM 2013, 180 ff. Rz. 17; v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 11; v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, AG 1984, 181 = GmbHR 1984, 343 = MDR 1984, 736 = ZIP 1984, 572 (580). 251 Vgl. BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, MDR 1995, 919 = ZIP 1995, 297 (299); v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1564). 252 Vgl. BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZInsO 2013, 780 ff. Rz. 13. 253 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1564). 254 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1564). Schfer

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F Rz. 44

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

barer Zeit alle seine Gläubiger befriedigen zu können.255 Die Vorstellung des Schuldners muss sich allerdings nach der neueren Rechtsprechung des BGH auf konkrete Tatsachen gründen. Die bloße Hoffnung des Schuldners, er werde in absehbarer Zeit von seinem in wirtschaftliche Nöte geratenen Hauptauftraggeber noch ausstehende Zahlungen oder sonstige Zuwendungen von dritter Seite erhalten, schließt den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht aus.256 Von einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept kann nicht ausgegangen werden, wenn die Durchführbarkeit der Sanierung von Nachzahlungen der Gesellschafter abhängig ist, mit denen im Hinblick auf die strukturelle Unwirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells ohne staatliche Subventionen nicht gerechnet werden kann.257 F 44a Festzuhalten ist somit, dass der BGH zwar immer wieder hervorhebt, zur Vermeidung der Vorsatzanfechtung sei im Grundsatz ein plausibles Sanierungskonzept erforderlich, das die Befriedigung so vieler Gläubiger ermögliche, dass von einer allgemeinen Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ausgegangen werden könne. Diese objektivierende Betrachtung lässt sich jedoch angesichts der ganz überwiegend auf subjektive Merkmale abstellenden Tatbestandsfassung des § 133 Abs. 1 InsO nicht strikt durchhalten. Dies hat zugleich erhebliche Unsicherheiten bei der Beurteilung der Frage zur Folge, inwieweit Sanierungsmaßnahmen der späteren Vorsatzanfechtung unterliegen können.258 Insbesondere das Erfordernis, dass das Sanierungskonzept zumindest in Anfängen bereits in die Tat umgesetzt worden sein muss,259 sollte aufgegeben werden.260 Denn die Beteiligten können auch schon im Vorfeld der Umsetzung eines Sanierungskonzepts ohne Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bzw. ohne Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners handeln.261 F 44b Nach einem zweifelhaften Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 7.5.2015262 soll einem anwaltlichen Sanierungskonzept, dessen Umsetzung von rechtlichen und tatsächlichen Unwägbarkeiten abhängt, die notwendige Erfolgsaussicht fehlen können, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auszuschließen, und zwar beim Vorliegen eines abweichenden erstinstanzlichen Urteils selbst dann, wenn sich der BGH später der Auffassung der Rechtsberater anschließt.

255 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1564); vgl. dazu noch BGH v. 12.7.1990 – IX ZR 245/89, MDR 1990, 1109 = NJW 1990, 2626 (2627); v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, AG 1984, 181 = GmbHR 1984, 343 = MDR 1984, 736 = NJW 1984, 1893 (1898) – a.A. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 31: allenfalls Beweisanzeichen gegen Benachteiligungsvorsatz. 256 Vgl. BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 ff. Rz. 22 = MDR 2003, 1256; v. 21.1.1999 – IX ZR 329/97, MDR 1999, 503 = ZIP 1999, 406 (408). 257 BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 ff. Rz. 18. 258 Vgl. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 509 f. 259 Vgl. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 28/12, NZI 2013, 253 ff. Rz. 19; v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 11. 260 Zutr. Thole, ZIP 2013, 2081 (2087). 261 Vgl. BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561 (1564). 262 LG Frankfurt a.M. v. 7.5.2015 – 2-32 O 102/13 – „Q-Cells“, ZIP 2015, 1358 ff.; zu Recht kritisch dazu Ganter, ZIP 2015, 1413 ff.

472 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 47 F

An einem schlüssigen Sanierungskonzept fehlt es nach einem Urteil des BGH vom 3.4.2014,263 wenn erst das Planungsstadium einer Sanierung erreicht ist und erst noch das Einverständnis der Gläubiger zu dem erbetenen Zahlungsaufschub eingeholt werden muss.264

F 44c

Die in der Rechtsprechung des BGH für die anfechtungsrechtliche Beurteilung F 45 von Sanierungskrediten entwickelten Grundsätze sind nach dessen Urteil vom 5.3.2009265 auf die Anschubfinanzierung im Rahmen einer Unternehmensneugründung nicht übertragbar. Überträgt der Gründer eines Unternehmens der finanzierenden Bank zur Sicherung ihrer Kredite nahezu das gesamte Unternehmensvermögen, so handelt er selbst dann nicht mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn seine Hoffnung, die Gründung werde erfolgreich sein, objektiv unberechtigt ist. Die diesem Urteil vorausgegangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 29.3.2007266 beruhte auf einer unzutreffenden Abgrenzung zwischen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Ein Unternehmensgründer, der in beträchtlichem Umfang Eigenkapital in das neu gegründete Unternehmen einbringt, vertraut in der Regel – wenngleich eventuell grob fahrlässig – darauf, dass schon alles gut gehen werde und nimmt das Scheitern des Vorhabens nicht billigend in Kauf. (7) Weitere Einzelfälle Der Schuldner handelt mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er als Mit- F 46 glied einer Bau-Arbeitsgemeinschaft dem Bauherrn noch kurz vor der Stellung des Insolvenzantrages speziell angefertigte Baufertigteile liefert.267 Auch wenn der Schuldner Gegenstände seines Vermögens zu angemessenem Preis verkauft, kann ein Handeln mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorliegen, wenn er den Veräußerungserlös seinen Gläubigern entziehen will.268 Soll eine Gesellschaft ohne ordnungsgemäße Liquidation durch Sitzverlegung ins Ausland „bestattet“ werden, ist vom Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes auszugehen.269 Wird eine gläubigerbenachteiligende Vereinbarung gezielt für den Insolvenzfall F 47 abgeschlossen, so wird damit dem Vertragspartner des Schuldners einseitig ein Sondervorteil eingeräumt, der zwangsläufig die Rechte anderer Gläubiger schmälern muss. Dies trägt nach allgemeiner Erfahrung den Schluss auf einen entsprechenden Willen, solange keine erheblichen gegenteiligen Umstände dargetan sind.270 Ist ein Sicherungsgeschäft aufschiebend bedingt für den Fall des Eintritts 263 264 265 266 267 268 269

BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 41. BGH v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, MDR 2009, 952 = NJW 2009, 1601 ff. OLG Dresden v. 29.3.2007 – 13 U 1132/06, ZInsO 2007, 497 ff. BGH v. 23.9.1981 – VIII ZR 245/80, ZIP 1981, 1229 (1231). Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 26. BGH v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02 – „Unternehmensbestattung“, BGHZ 165, 343 ff. = MDR 2006, 950 = GmbHR 2006, 316 m. Anm. Blöse. 270 Vgl. BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, MDR 2007, 1099 = NJW 2007, 2325 ff. Rz. 27; v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92 – „Breitbandverteilanlage“, BGHZ 124, 76 (82) = MDR 1994, 468. Schfer

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F Rz. 47

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Schuldners vereinbart, so ist unabhängig von der Kongruenz oder der Inkongruenz der Vereinbarung von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners auszugehen.271 F 48 Ein Beweisanzeichen für das Vorliegen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ist nach der Rechtsprechung des BGH ferner gegeben, wenn der Schuldner die Befriedigung seiner Gläubiger davon abhängig macht, welcher Gläubiger ihm am gefährlichsten ist („ich habe immer dort bezahlt, wo es am dringendsten war“).272 F 48a Trifft ein zahlungsunfähiger Schuldner mit seinem Auftraggeber (Bauherrn) und seinem Lieferanten vor der Fälligkeit der nächsten Werklohnrate die Vereinbarung, dass der Kaufpreis für die von dem Lieferanten zu liefernden Bauteile vom Auftraggeber vor der Lieferung direkt gezahlt werde, kann in der vom Schuldner veranlassten Direktzahlung eine kongruente Deckung liegen und der Schuldner trotz erkannter Zahlungsunfähigkeit ohne Benachteiligungsvorsatz handeln.273 Ein Abänderungsvertrag stellt allerdings dann keine wirksame Kongruenzvereinbarung für spätere Drittzahlungen dar, wenn er seinerseits anfechtbar ist. Die Kongruenzvereinbarung selbst war in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar, weil sie nach dessen Ansicht keine Deckungshandlung im Sinne dieser Bestimmungen darstellte.274 Am subjektiven Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO kann es fehlen, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit den potentiell anfechtbaren Rechtshandlungen eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfindet.275 F 48b Die unentgeltlich erfolgte Weggabe eines wertvollen Vermögensgegenstandes stellt nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig in nicht geringerem Maße als eine inkongruente Deckung ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners dar.276 F 48c

Wird eine (mittelbare) Gläubigerbenachteiligung nur durch § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bewirkt, kann nach einem Urteil des OLG Karlsruhe vom 29.2.2016277 ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz beim Schuldner nur vorhanden sein, wenn er bei Vornahme des Rechtsgeschäfts (Mietvertragsübernahme) um eine solche Wirkung weiß und sie billigend in seine Überlegungen einbezieht.

F 48d

Bei nahezu pünktlichen Ratenzahlungen einer Schuldnerin auf einen um 5 Monate verlängerten Kredit ihrer Hausbank kann es nach einem Urteil des Kam-

271 BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, ZIP 1998, 830 (835). 272 Vgl. BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (84) = MDR 2003, 1256; Ganter, WM 2009, 1441 (1443). 273 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff.; vgl. dazu ferner BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 ff. – „Brückengeländer“. 274 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 19 f. 275 Vgl. BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 ff. Rz. 29; Gehrlein in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, § 133 Rz. 28; HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 16, 19. 276 BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 68/14, ZIP 2015, 1447 ff. Rz. 21. 277 OLG Karlsruhe v. 29.2.2016 – 8 U 135/10 – „Arcandor“, ZInsO 2016, 742 ff.

474 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 50a F

mergerichts vom 15.12.2015278 an einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin fehlen. (8) Inkongruente Rechtshandlungen Der BGH ging in ständiger Rechtsprechung zu § 31 Nr. 1 KO davon aus, dass eine F 49 inkongruente Deckung in der Regel ein starkes Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bilde.279 Dem lag die Erwägung zugrunde, dass Schuldner nach allgemeiner Erfahrung im Geschäftsverkehr regelmäßig nicht bereit sind, anderes oder gar mehr zu leisten als sie schulden. Tun sie dies dennoch, so müssen dafür im Allgemeinen besondere Beweggründe vorliegen.280 Dies weiß in der Regel auch der Leistungsempfänger; eine solche Begünstigung muss in ihm einen entsprechenden Verdacht wecken. Zugleich lag es nach Ansicht des BGH auf der Hand, dass wegen der Bevorzugung einzelner Gläubiger über das Maß des ihnen von Rechts wegen Zustehenden hinaus für andere Gläubiger entsprechend weniger übrig blieb. Von einer Liquiditätskrise des Schuldners sollte diese Beweiserleichterung nicht abhängen.281 Der BGH geht im Grundsatz von der Fortgeltung dieser Rechtsgrundsätze im An- F 50 wendungsbereich des § 133 Abs. 1 InsO aus. Danach bildet etwa die durch die Androhung eines Insolvenzantrages bewirkte inkongruente Deckung auch bei Anfechtungen nach § 133 Abs. 1 InsO in der Regel ein starkes Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und eine Kenntnis des Gläubigers hiervon.282 Das Eingreifen dieses Beweisanzeichens setzt allerdings voraus, dass die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Leistungsempfängers Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.283 In der Rechtsprechung des BGH ist jedoch ein Wandel festzustellen. Nach des- F 50a sen früheren Entscheidungen war bei inkongruenten Deckungen in der Regel von einem starken Beweisanzeichen hinsichtlich des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners und der entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners auszugehen. In späteren Entscheidungen wurde „starkes“ in Klam-

278 KG v. 15.12.2015 – 14 U 79/14, ZInsO 2016, 1437 f. 279 BGH v. 26.6.1997 – IX ZR 203/96, MDR 1997, 959 = ZIP 1997, 1509 (1510); v. 11.5.1995 – IX ZR 170/94, MDR 1996, 135 = WM 1995, 1394 (1397); v. 30.3.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (326). 280 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 41. 281 Vgl. BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 (515); v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, ZIP 1998, 830 (835); v. 2.12.1999 – IX ZR 412/98, MDR 2000, 354 = NJW 2000, 957 (958). 282 BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, ZIP 2013, 2113 ff. Rz. 16; v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff. = MDR 2004, 650; v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 (137) = MDR 2006, 1191 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse. 283 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841; v. 2.2.2006 – IX ZR 82/02, ZInsO 2006, 371 ff. Rz. 31; v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff. Rz. 37 = MDR 2004, 650; HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 29. Schfer

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F Rz. 50a

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

mern gesetzt oder nur von einem „erheblichen“ Beweisanzeichen ausgegangen.284 Im Urteil vom 18.3.2010285 ist nur von einem „(mehr oder weniger gewichtigen) Beweisanzeichen“ die Rede, das eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich mache und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfe.286 F 51 Die Berücksichtigung der mit einer inkongruenten Deckung verbundenen Indizwirkung wird durch die Vermutungsregel des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht verdrängt. Es ist vielmehr ein wesentliches Anliegen der Insolvenzordnung, das Anfechtungsrecht gegenüber den Anfechtungstatbeständen der Konkursordnung zu verschärfen. Für die Annahme, der Gesetzgeber hätte als Ausgleich für die weiter gefassten Anfechtungstatbestände zu Lasten der Masse in das System des zivilprozessualen Beweisrechts eingreifen wollen, liefert die Entstehungsgeschichte nach Ansicht des BGH keinen Anhalt.287 Zu beachten ist ferner, dass die Vereinbarung einer Zahlungsverpflichtung als kongruenzbegründender Schuldgrund für eine angefochtene Zahlung entfällt, wenn sie selbst der Insolvenzanfechtung unterliegt.288 F 51a Recht elegant ließ sich die Anfechtung in einem Urteil des BGH vom 16.1.2008289 begründen, welches zu § 3 Abs. 1 AnfG ergangen ist. Nach einem von den Beklagten vorgelegten Vertrag mit dem Datum 15.2.2000 hatte die Beklagte zu 1) dem Beklagten zu 2) ein Darlehen in Höhe von 400 000 DM gewährt. Dafür wurde ihr als dingliche Absicherung am 24.9.2001 ein grundbuchrechtlich eingetragenes Wohnrecht bestellt. Die monatliche Miete mit allen Nebenkosten sollte mit dem Darlehen verrechnet werden und die Beklagte zu 1) somit zehn Jahre mietfrei wohnen. Die Beklagte zu 1) hatte indes keinen Anspruch darauf, dass ihre (behauptete) Darlehensforderung mit der monatlichen Miete für den Zeitraum von zehn Jahren verrechnet wurde. Es lag somit eine inkongruente Deckung vor, welche ein Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die erforderliche Kenntnis der Beklagten zu 1) war. F 52 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zu § 131 InsO ist auch eine während der kritischen Zeiträume des § 131 Abs. 1 InsO unter dem Druck der unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung bzw. im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Deckung als inkongruent anzusehen.290 Denn das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip wird durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit der

284 Vgl. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 19; v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 10; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 15. 285 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 18. 286 Vgl. dazu noch BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, ZIP 2011, 2366 ff. Rz. 37. 287 BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 (251 f.) = MDR 2004, 650 mit Hinweis auf die Begr. zum Reg.-Entw. 288 BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. 289 BGH v. 16.1.2008 – VIII ZR 254/06, WM 2008, 464 ff. 290 BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 ff.; v. 20.11.2001 – IX ZR 159/00, ZIP 2002, 228 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 54a F

Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen fälligen Forderungen zu verschaffen, hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück. § 131 InsO verdrängt in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag und in der Zeit danach bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Prioritätsgrundsatz zugunsten der Gleichbehandlung der Gläubiger.291 Außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs der Deckungsanfechtung gilt F 53 diese Rechtsprechung jedoch nicht. Hat der Schuldner den Gläubiger schon früher als drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages befriedigt, so stellt seine Leistung nicht schon deshalb eine inkongruente Deckung dar, weil sie zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgte.292 Auch außerhalb des Dreimonatszeitraums vor der Stellung des Insolvenzantra- F 54 ges kann allerdings die Indizwirkung der Inkongruenz eingreifen, wenn der Pfändungsdruck von der Androhung der Stellung eines Insolvenzantrages überlagert wird.293 Die durch die Androhung eines Insolvenzantrages erlangte Befriedigung ist stets inkongruent, denn es ist rechtsmissbräuchlich, einen Insolvenzantrag, welcher der Herbeiführung der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung dient, zum Zwecke der Durchsetzung der Einzelbefriedigung einzusetzen.294 Dabei endet der für eine Inkongruenz notwendige zeitliche Zusammenhang zwischen der Drohung mit einem Insolvenzantrag und der Leistung des Schuldners nicht ohne weiteres mit Ablauf der vom Gläubiger mit der Androhung gesetzten Zahlungsfrist. Rückt der Gläubiger von der Drohung mit dem Insolvenzantrag nicht ab und verlangt er vom Schuldner fortlaufend Zahlung, kann der Leistungsdruck über mehrere Monate fortbestehen.295 Erlangt ein Gläubiger mehrere Monate nach der Stellung eines Insolvenzantrages Befriedigung durch den Schuldner und nimmt er anschließend den Antrag zurück, kann die Vorsatzanfechtung unter dem Gesichtspunkt der inkongruenten Deckung durchgreifen.296 Eine Vereinbarung über eine „Halteprämie“ zugunsten eines Arbeitnehmers F 54a stellt keinen kongruenzbegründenden Schuldgrund dar, weil sie ihrerseits inkongruent ist.297 Die Parteien des Arbeitsvertrages können nicht durch den Abschluss einer Vereinbarung, die neue Ansprüche des Arbeitnehmers begründet, die Anfechtungstatbestände der §§ 131, 133 Abs. 1 InsO umgehen. In

291 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, MDR 2008, 1239 = ZIP 2008, 1488 ff. Rz. 8; v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 ff. Rz. 9 = MDR 2006, 1129. 292 Vgl. BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 ff. = MDR 2003, 1256; v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = ZIP 2006, 290 ff. Rz. 27. 293 BGH v. 18.6.2009 – IX ZR 7/07, ZIP 2009, 1434 f.; vgl. zum umgekehrten Fall BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff. Rz. 40 = MDR 2004, 650. 294 Vgl. BGH v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 ff. Rz. 10; Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 41. 295 BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff., 2. Leitsatz = MDR 2004, 650. 296 BGH v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 ff. 297 BAG v. 12.9.2013 – 6 AZR 980/11, ZIP 2014, 37 ff. Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

dem vom BAG entschiedenen Fall wurde das arbeitsvertragliche Leistungsprogramm durch die Zusage einer Halteprämie zugunsten des Klägers abgeändert, ohne dass dieser darauf einen Anspruch hatte. Dies begründete nach dem Urteil des BAG die inkongruente Deckung. F 55 Zu beachten ist jedoch, dass aus der Inkongruenz einer Deckung nicht unbesehen auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden darf.298 Die Bedeutung der Inkongruenz als Beweisanzeichen hängt vielmehr von deren Art und Ausmaß ab.299 Die Indizwirkung nimmt ab, je größer der zeitliche Abstand zur Krise wird.300 Das Beweisanzeichen ist in seiner Bedeutung ferner wesentlich herabgesetzt, wenn die Inkongruenz nur gering ist. Es ist entkräftet, wenn Umstände feststehen, welche den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners in Frage stellen,301 etwa wenn die angefochtene Rechtshandlung in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Sanierungskonzept stand, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt war und eine ernsthafte Aussicht auf Erfolg begründete.302 Der Schluss von der Inkongruenz auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kann ungerechtfertigt sein, wenn die Gewährung der inkongruenten Deckung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich allerdings fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist.303 F 56 Das in der Inkongruenz einer gewährten Deckung zu sehende Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kann schließlich entkräftet sein, wenn der Schuldner aufgrund konkreter Anhaltspunkte davon ausging, mit Sicherheit alle seine Gläubiger befriedigen zu können.304 Die bloße Hoffnung des Schuldners, seine Verbindlichkeiten alsbald begleichen zu können, vermag den Benachteiligungsvorsatz jedoch nicht auszuschließen.305 F 57 Vergleichen sich ein Bauunternehmer, der ein nachbesserungsbedürftiges Werk abgeliefert hat, und der Auftraggeber über die Höhe des geschuldeten Werklohns in der Weise, dass dieser unter Verzicht auf eine Nachbesserung ermäßigt wird, kann anfechtungsrechtlich in dem Verzicht auf die weitergehende Forde298 Vgl. BGH v. 26.2.1969 – VIII ZR 41/67, WM 1969, 374 (375); HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 23. 299 BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff. Rz. 30 = MDR 2004, 650; MKInsO/Kayser, § 133 Rz. 30. 300 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 48 Rz. 20; FK-InsO/Dauernheim, § 133 Rz. 13. 301 BGH v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 ff. Rz. 17 = MDR 2009, 952; v. 18.11.2004 – IX ZR 299/00, MDR 2005, 956 = ZIP 2005, 769 (771). 302 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 ff. Rz. 33; v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, MDR 2009, 404 = ZIP 2009, 91 ff. Rz. 52; v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, MDR 1993, 528 = ZIP 1993, 276 (279); v. 4.12.1997 IX ZR 47/97, WM 1998, 248 (250). 303 BGH v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 ff. Rz. 17 = MDR 2009, 952; v. 1.4.2004 – IX ZR 205/00, ZIP 2004, 957 (959); v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = ZIP 2007, 1469 ff. Rz. 18. 304 Vgl. BGH v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, ZIP 2004, 957 ff.; v. 2.12.1999 – IX ZR 412/98, MDR 2000, 354 = NJW 2000, 957 (958); Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 13. Aufl., Rz. 541, 569. 305 BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = ZIP 2006, 290 ff. Rz. 26; v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 11.

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III. Einzelheiten

Rz. 59 F

rung ein inkongruentes Deckungsgeschäft liegen. Die Inkongruenz des Geschäfts kann jedoch ihre indizielle Wirkung für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Verzichtenden verlieren, wenn der objektiv erforderliche Nachbesserungsaufwand in etwa dem Betrag entspricht, auf den der Unternehmer gegenüber dem Auftraggeber verzichtet. Die Kenntnis des Auftraggebers von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Verzichtenden ist regelmäßig ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber die vorhandenen Mängel als derart gravierend einschätzt, dass aus seiner Sicht die mangelhafte Werkleistung durch die vereinbarte Zahlung in etwa angemessen entlohnt ist.306 Die Inkongruenz eines Abfindungsvergleichs kann ihre indizielle Wirkung für F 57a den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners verlieren, wenn der Betrag, auf den der Schuldner gegenüber seinem Vertragspartner verzichtet, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Wesentlichen durch die Verringerung der von ihm selbst zu erbringenden Leistung abgegolten wird. Ebenso kann bei einem Vergleichsschluss ein Benachteiligungsvorsatz ausscheiden, wenn ein vom Schuldner gewährter Forderungsnachlass wegen der unklaren Rechtslage durch die rechtlichen Risiken der Durchsetzung der Gesamtforderung aufgewogen wird.307 Das OLG Düsseldorf weist in einem Urteil vom 28.1.2016308 darauf hin, dass F 57b das ein erhebliches Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners darstellende Merkmal der Inkongruenz nicht verwirklicht sei, wenn die gewährte Sicherheit in dem Darlehensvertrag selbst vereinbart sei. Dies soll auch dann gelten, wenn das Darlehen der Umschuldung dient und mit der Vereinbarung die bisherigen Kredite, die auf der teils genehmigten, teils ungenehmigten, nur geduldeten Überziehung der Konten beruhen, auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt werden. Auch die weitere Voraussetzung, dass aus der Sicht des Gläubigers Anlass bestehen müsse, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln, liege nicht vor, wenn dem Schuldner durch die Umschuldung neue Liquidität verschafft werde. Die praktische Bedeutung der Abschwächung des Beweisanzeichens einer inkon- F 58 gruenten Deckung verdeutlicht ferner ein Urteil des BGH vom 18.11.2004:309 BGH-Urteil vom 18.11.2004 – ZIP 2005, 769 ff. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Beklagte als Subunternehmer F 59 der Schuldnerin im Rahmen einer Gebäudemodernisierung Elektroarbeiten für die AOK erbracht. Die in finanziellen Schwierigkeiten befindliche Schuldnerin trat einen Teil ihrer Werklohnforderung gegen die AOK erfüllungshalber an den Beklagten ab. Die AOK stimmte der Abtretung zu und überwies einen entspre-

306 307 308 309

Vgl. BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 128/01, MDR 2004, 1320 = ZIP 2004, 1370 ff. BGH v. 8.3.2012 – IX ZR 51/11, ZIP 2012, 984 ff. Rz. 41. OLG Düsseldorf v. 28.1.2016 – 12 U 30/15, ZIP 2016, 381 ff. BGH v. 18.11.2004 – IX ZR 299/00 – „Gebäudemodernisierung“, MDR 2005, 956 = ZIP 2005, 769 ff. Schfer

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chenden Betrag an den Beklagten. Der klagende Insolvenzverwalter focht die Abtretungsvereinbarung an. F 60 Das Berufungsgericht war von einer kongruenten Deckung ausgegangen, da der Beklagte aufgrund seiner Absprachen mit der Schuldnerin einen Anspruch auf die angefochtene Abtretung gehabt habe. Diese Betrachtung war jedoch zu ungenau, da die angeblich geschuldete Abtretung dem Beklagten erst im Sicherungsfall ein Befriedigungsrecht gewährt hätte. Der Sicherungsfall war jedoch erst mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens eingetreten. Die danach allenfalls in Frage kommende Inkongruenz der Abtretung war aber so schwach, dass daraus – anders als in den Regelfällen der Inkongruenz – kein starkes Beweisanzeichen für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin abgeleitet werden konnte.310 Die Erfahrung, dass ein Schuldner im Geschäftsverkehr regelmäßig nicht bereit ist, etwas anderes oder mehr zu gewähren als das, wozu er verpflichtet ist, traf nicht zu, wenn die Schuldnerin den Beklagten ohnehin durch die fragliche Abtretung sichern musste. F 61 Nach Ansicht des BGH konnte ferner dahingestellt bleiben, ob ein inkongruentes Deckungsgeschäft deshalb vorlag, weil die Vereinbarung über die künftige Abtretung eines Teils der Werklohnforderung erst im Zusammenhang mit Nachtragsaufträgen zustande gekommen war und auch den Stammwerklohn sichern sollte. Wenn der Bauhauptunternehmer dem Sicherungsverlangen eines Subunternehmers nach § 648a BGB a.F. nachkommt, indem er sich gegenüber Letzterem zur Abtretung eines Teils der Werklohnforderung verpflichtet, ist die Inkongruenz der Sicherungsvereinbarung ebenfalls so schwach, dass daraus kein starkes Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners abgeleitet werden kann. § 648a BGB a.F. konnte zwar mangels hinreichend konkretisierter Sicherungspflicht noch nicht bewirken, dass eine anlässlich von Nachtragsaufträgen zustande gekommene und von der Schuldnerin später erfüllte Abtretungsvereinbarung als kongruente Sicherungshandlung erschien. Die Schuldnerin hatte aber nur die Wahl des Sicherungsmittels gehabt. Diese schwache Inkongruenz genügte nach der Würdigung des BGH nicht, um von der Sicherheitenbestellung auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu schließen. bb) Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Handeln des Schuldners mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz (1) Kenntnisanforderungen bzgl. Schuldnerhandlung F 61a Die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung als solche muss der Anfechtungsgegner nach der Rechtsprechung des BGH nicht in allen Einzelheiten kennen;311 eine „allgemeine Kenntnis von der Schuldnerhandlung“ soll vielmehr

310 Vgl. zu dieser Abhängigkeit BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (327) = MDR 1994, 158; v. 11.12.1997 – IX ZR 341/95, BGHZ 137, 267 (284). 311 Vgl. BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, ZIP 2013, 2113 ff. Rz. 19; BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 32/14, ZIP 2016, 481 ff. Rz. 24.

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III. Einzelheiten

Rz. 61d F

ausreichen.312 Er muss insbesondere nicht wissen, dass die Gläubigerbenachteiligung auf eine Rechtshandlung des Schuldners zurückzuführen ist; vielmehr reicht es aus, wenn eine solche objektiv gegeben ist. Es genügt nach Ansicht des BGH, wenn die Rechtshandlung aus der Sicht des Anfechtungsgegners nach den äußerlich zutage getretenen Gegebenheiten nach allgemeiner Erfahrung auf den Schuldner zurückgehen kann. Der BGH hat diese Voraussetzung in einem Fall als gegeben angesehen, in dem der Schuldner durch Einzahlung auf ein debitorisches Konto die von einem Gläubiger ausgebrachte Pfändung werthaltig gemacht hatte und keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass ein Dritter eine Zahlung zugunsten des Schuldners vorgenommen hatte.313 In diesen Zusammenhang gehört auch ein weiteres Urteil des BGH vom F 61b 24.10.2013.314 Danach kann sich ein Gläubiger als Anfechtungsgegner nicht der Möglichkeit verschließen, dass eine Zahlung auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruht und die Gläubigergesamtheit benachteiligt, wenn der Schuldner eine Überweisung bewirkt, indem er eigene Mittel über das Konto seines Vaters einem Gläubiger zuwendet. Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt in der jeweils an den Vater gerichteten Anweisung, zugunsten des Gläubigers die einzelnen Überweisungen auszuführen.315 Im konkret entschiedenen Fall war dem Finanzamt die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt und zudem das Beweisanzeichen der Inkongruenz gegeben.316 Für eine echte Drittzahlung im Sinne des § 267 BGB bestanden aus der Sicht des Finanzamts keine Anhaltspunkte. Im Schrifttum wird gegen dieses Urteil des BGH vom 24.10.2013 eingewandt, F 61c dass derjenige, der überhaupt nicht wisse, dass eine Handlung seines Schuldners vorgelegen habe, im Regelfall auch keine Kenntnis von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners haben werde. Der Anfechtungsgegner sollte doch zumindest wissen, dass der Schuldner überhaupt gehandelt habe. Aus der Sicht des Fiskus habe eine – durchaus nicht fernliegende – schuldbefreiende Leistung eines Dritten vorgelegen. Der BGH gehe zu Recht davon aus, dass keine Gläubigerbenachteiligung gegeben wäre, wenn im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Dritten eine Anweisung auf Kredit vorgelegen hätte. In einer solchen Konstellation könne beim Empfänger keine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz unterstellt werden.317 Die Kritik am Urteil des BGH ist nicht berechtigt.318 Dieser hat zutreffend er- F 61d kannt, dass sich die Kenntnis des Anfechtungsgegners nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 133 Abs. 1 InsO nicht auf das Vorliegen einer Schuldner312 BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 32/14, ZIP 2016, 481 ff. Rz. 24; v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13, ZIP 2013, 2262 ff. Rz. 12 ff. 313 BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, ZIP 2013, 2113 ff. Rz. 10, 26 m. Anm. Stöber, WuB VI A. § 133 InsO 3.14. 314 BGH v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13, ZIP 2013, 2262 ff. 315 BGH v. 24.10.2013 – IX ZR 104/13, ZIP 2013, 2262 ff. Rz. 8. 316 Vgl. BGH v. 14.10.2010 – IX ZR 16/10, ZIP 2010, 2358 ff. Rz. 8. 317 Schönfelder, WuB VI A. § 133 InsO 1.14. 318 Vgl. dazu Häger/Harig, ZInsO 2013, 1677 (1679/1680): Keine Kenntnis des Anfechtungsgegners erforderlich, dass eine Rechtshandlung des Schuldners vorlag. Schfer

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F Rz. 61d

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

handlung beziehen muss, sofern eine solche objektiv gegeben ist und auch aus der Sicht des Anfechtungsgegners keine Anhaltspunkte für eine „echte“ Drittzahlung im Sinne des § 267 BGB vorlagen.319 F 61e Der Anfechtungsgegner kann sich nicht darauf berufen, er habe von einer Zahlung des Schuldners aus seinem pfändungsfreien Vermögen ausgehen können, weil dieser zeitweise Sozialhilfe bezogen habe. Er muss vielmehr wegen der naheliegenden Möglichkeit einer Zahlung aus dem Entgelt einer zwischenzeitlich aufgenommenen Arbeitstätigkeit oder aus angesparten Sozialleistungen nach allgemeiner Erfahrung eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners zugrunde legen.320 (2) Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz F 62 § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO erfordert ferner die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Diese Kenntnis setzt im Allgemeinen ein für sicher gehaltenes „positives“ Wissen voraus.321 Der Anfechtungsgegner kennt die Zahlungsunfähigkeit oder die Zahlungseinstellung als komplexe Rechtsbegriffe im Grundsatz nur, wenn er die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft bewerten kann.322 Der BGH hat es allerdings in einem Beschluss vom 19.1.2012323 als für sich genommen bedenklichen Obersatz bezeichnet, dass § 133 Abs. 1 InsO nur gegenüber Gläubigern durchgreife, die Einsicht in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners hätten. Kennt der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Denn anders, als dass die anderen Gläubiger keine volle Deckung für ihre Forderung erhalten, ist ihre Benachteiligung nicht zu denken.324 Mithin ist ein solcher Gläubiger nach der Rechtsprechung des BGH zugleich regelmäßig über den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners im Bilde.325 Dies gilt insbesondere, wenn der Schuldner gewerblich tätig ist, weil der Gläubiger in diesem Fall mit weiteren Gläubigern des Schuldners mit ungedeckten Ansprüchen rechnen muss.326 Die erforderliche Kenntnis muss bei der Vornahme der Rechtshandlung gegeben sein, somit gemäß § 140 Abs. 1 InsO zu dem Zeitpunkt, zu dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.

319 320 321 322 323 324 325 326

Vgl. dazu ferner BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 25. Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 ff. Rz. 29. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, WM 2013, 180 ff. Rz. 34. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 ff. Rz. 13; v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, ZIP 2008, 930 ff. Rz. 14. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 226/09, veröffentlicht bei juris. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 813 (831) Rz. 40. Vgl. BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 15; v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 ff. Rz. 15. BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 15; v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 ff. Rz. 30; v. 15.3.2012 – IX ZR 239/09, ZIP 2012, 735 ff. Rz. 12.

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III. Einzelheiten

Rz. 63 F

Da auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners in der Regel nur aus äußeren Um- F 62a ständen gefolgert werden kann, erleichtert § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO den Nachweis. Danach wird die Kenntnis des „anderen Teils“ vermutet, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Bei einer Rechtshandlung, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche er in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt allerdings nach § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO n.F. an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners die eingetretene Zahlungsunfähigkeit. Es genügt, wenn eine Zahlungseinstellung des Schuldners aufgrund der unterbliebenen Begleichung nur einer – nicht unwesentlichen – Forderung gegenüber einer einzigen Person erkennbar geworden ist. Für eine erfolgreiche Anfechtung muss diese Person dann allerdings gerade der Anfechtungsgegner sein.327 Es ist nicht erforderlich, dass der Anfechtungsgegner selbst mit Schädigungs- F 62b bzw. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat, da es sich bei § 133 Abs. 1 InsO nicht um einen Deliktstatbestand handelt.328 Vielmehr genügt es, wenn er im Allgemeinen um den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gewusst hat; alle Einzelheiten braucht er nicht zu kennen.329 Es reicht andererseits nicht, dass der Anfechtungsgegner die Benachteiligung anderer Gläubiger gewollt bzw. gekannt hat; vielmehr muss der Schuldner selbst die Benachteiligung der übrigen Gläubiger billigend in Kauf genommen haben.330 Hinsichtlich der Kenntniszurechnung bei Organ- bzw. Vertreterhandeln kann F 62c auf die Ausführungen zu § 130 InsO verwiesen werden.331 Zu § 133 Abs. 1 InsO hat der BGH ergänzend entschieden, dass das im maßgeblichen Zeitpunkt vorhandene Wissen der Finanzbehörde einer anderen Behörde desselben Rechtsträgers auch dann zugerechnet wird, wenn diese die Informationen erst im Laufe des Rechtsstreits zum Zwecke der Aufrechnung einholt.332 Die Kenntnis des Anfechtungsgegners ist nach der Rechtsprechung des BGH und F 63 nach der herrschenden Auffassung im Schrifttum spiegelbildlich zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu beurteilen.333 Spiegelbildlich muss der Anfechtungsgegner zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung des Schuldners (vgl. § 140 InsO) erkannt haben, dass die Rechtshandlung die Gläubi-

327 BGH v. 27.9.2012 – IX ZR 24/12, ZInsO 2012, 2048 Rz. 4; v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 39. 328 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 28; v. 23.5.1985 – IX ZR 124/84, ZIP 1985, 1008 ff. 329 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, MDR 2008, 341 = ZIP 2008, 190 ff. Rz. 34. 330 Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 47. 331 Siehe dazu Rz. C117 ff. 332 BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 200/12, ZIP 2014, 1497. 333 BGH v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, Rz. 18; v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 16; v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 (253); v. 29.4.1999 – IX ZR 163/98, MDR 1999, 1021 = NJW 1999, 3046 (3047); HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 25; Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 13. Aufl., Rz. 626; zweifelnd neuerdings Ganter, WM 2014, 49 (50). Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

ger des Schuldners benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte. Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und seine Kenntnis beim Anfechtungsgegner sind mithin auf die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners bezogen.334 Es gelten daher dieselben Beweiserleichterungen, wie sie im Hinblick auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners entwickelt wurden. Sind dem Gläubiger die Beweisanzeichen bewusst, die einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners begründen, so kann von seiner Kenntnis ausgegangen werden.335 So ist etwa die Kenntnis der Inkongruenz ein wesentliches Beweisanzeichen auch dafür, dass der Anfechtungsgegner den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners gekannt hat.336 Die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung kann allerdings entfallen, wenn sie bereits zu einer Zeit vereinbart wurde, in welcher der Schuldner zweifelsfrei liquide war oder – aus der Sicht des Gläubigers – zu sein schien. Verdächtig wird die Inkongruenz aber schon, sobald erste ernsthafte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auftreten.337 Das Beweisanzeichen der Inkongruenz kann ferner entkräftet sein, wenn der Anfechtungsgegner rechtsirrig annahm, die Deckung beanspruchen zu dürfen.338 F 63a Nach einem Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.3.2013339 soll der Beweiswert des Wissens von der Zahlungsunfähigkeit – bezogen auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners – im Allgemeinen nicht geringer sein als derjenige einer inkongruenten Leistung. Angaben des von einem Gläubiger des Schuldners beauftragten Rechtsanwalts auf seiner Internetseite zur Liquiditätslage des Schuldners können nach der Rechtsprechung des BGH ein Beweisanzeichen für die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners darstellen.340 F 63b Fraglich war das Vorliegen der Kenntnis des Anfechtungsgegners gemäß § 133 Abs. 1 InsO in einem Fall verdeckter Gewinnausschüttungen zugunsten des Alleingesellschafters einer GmbH, über den das OLG Hamm durch Urteil vom 7.2.2013341 entschieden hat:

334 BGH v. 6.2.2014 – IX ZR 148/13, ZInsO 2014, 495 f. Rz. 2; v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, WM 2013, 2074 ff. Rz. 18. 335 Vgl. Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 13. Aufl., Rz. 638. 336 Vgl. BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 10; v. 2.12.1999 – IX ZR 412/98, MDR 2000, 354 = NJW 2000, 957 (958). 337 BGH v. 25.5.2007 – IX ZR 125/04, veröffentlicht bei juris; v. 11.3.2004 – IX ZR 160/02, MDR 2004, 964 = ZIP 2004, 1060 ff. Rz. 24; v. 21.1.1999 – IX ZR 329/97, MDR 1999, 503 = ZIP 1999, 406 (407). 338 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 ff. Rz. 35; v. 12.7.1990 – IX ZR 245/89, ZIP 1990, 1088 (1090). 339 OLG Düsseldorf v. 14.3.2013 – 12 U 52/12, ZInsO 2013, 935 ff. mit Bezugnahme auf G. Fischer, NZI 2008, 588 (592). 340 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, WM 2013, 180 ff. 341 OLG Hamm v. 7.2.2013 – I-27 U 19/12 – unveröffentlicht.

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Rz. 63f F

III. Einzelheiten

Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 7.2.2013 – unveröffentlicht Zwischen der Schuldnerin (GmbH) und ihrem Alleingesellschafter und Ge- F 63c schäftsführer bestand eine Organschaft. Die Schuldnerin war Organgesellschaft; der Alleingesellschafter war Organträger. Nach einer Betriebsprüfung schloss das Finanzamt mit der Schuldnerin am 21.2.2006 eine „tatsächliche Verständigung“. Für den Zeitraum 1994 bis 2002 wurden verdeckte Gewinnausschüttungen zugunsten des Alleingesellschafters in beträchtlicher Höhe festgestellt. Die Schuldnerin zahlte daraufhin am 3.3.2006 und am 27.3.2006 insgesamt ca. 142 000 Euro auf Steuerverbindlichkeiten des Alleingesellschafters an das verklagte Land. Auf Antrag vom 25.8.2006 eröffnete das Insolvenzgericht durch Beschluss vom 6.7.2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser verlangte vom verklagten Land die Rückgewähr der gezahlten 142 000 Euro unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung. Das Landgericht wies die Klage ab. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Schuld- F 63d nerin mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO gehandelt habe, da der darlegungs- und beweisbelastete Kläger keine Tatsachen vorgetragen habe, aus denen sich die Kenntnis des verklagten Landes im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO ergebe. Die Inkongruenz der Zahlungen reiche insoweit nicht aus; vielmehr müsse der Anfechtungsgegner bei der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung Anlass gehabt haben, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln, woran es im Streitfall fehle. Die hiergegen gerichtete Berufung des Insolvenzverwalters blieb ohne Erfolg. Die Entscheidung des OLG Hamm unterliegt Bedenken, wobei freilich anzu- F 63e merken ist, dass genaue Feststellungen zu den verdeckten Gewinnausschüttungen fehlten. Die vom OLG Hamm angenommene Inkongruenz der Deckung stellt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.342 Diese Einschränkung dient der Ausgrenzung jener Fälle einer inkongruenten Deckung aus dem Anwendungsbereich des § 133 Abs. 1 InsO, in denen die inkongruente Deckung in größerem zeitlichen Abstand zur Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen wurde und deshalb der Schluss auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht ohne weiteres gerechtfertigt ist.343 Es stellt sich indes die Frage, ob es auf dieses einschränkende Erfordernis dann F 63f nicht ankommt, wenn die anfechtungsrechtliche Relevanz der inkongruenten Deckung aus der Sicht des Anfechtungsgegners durch anderweitige Umstände 342 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 37; v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZInsO 2012, 2244 ff. Rz. 13. 343 Vgl. BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242 ff. Rz. 26; v. 21.1.1999 – IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406 ff. Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

bestätigt wird. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und ihrem Alleingesellschafter eine unentgeltliche Zuwendung gegeben war, da dieser keinen Anspruch darauf hatte, dass die Schuldnerin die zu seinen Gunsten vorgenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen gegenüber dem verklagten Land ausglich. Dies war auch dem verklagten Land aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung bewusst. Es hatte keinen Anspruch darauf, dass die zugunsten des Alleingesellschafters vorgenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen durch eine Direktzahlung der Schuldnerin an das verklagte Land ausgeglichen wurden, durch die das Vermögen der Schuldnerin zum Nachteil der übrigen Gläubiger ohne ausgleichende Gegenleistung geschmälert wurde. Es steht insoweit der Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen, dass der Schuldnerin im Grundsatz ein Ausgleichsanspruch gegen den Alleingesellschafter zustand. Denn mit der Zahlung der Schuldnerin an das Land war zumindest ein Zugriffshindernis zu Lasten der übrigen Gläubiger entstanden. Dies genügt für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung.344 Eine Kompensation findet im Insolvenzanfechtungsrecht nicht statt.345 F 63g Geht der Anfechtungsgegner von einer umfassenden insolvenzfesten Sicherung seiner Forderungen aus, scheidet eine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners aus.346 Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 10.7.2012347 handelt der Anfechtungsgegner nicht im Bewusstsein der Gläubigerbenachteiligung, wenn der Schuldner plausibel darlegen kann, dass in überschaubarer Zeit mit der Wiederherstellung der uneingeschränkten Liquidität gerechnet werden kann. Hierbei könne es im Einzelfall genügen, wenn der Schuldner auf ausstehende Vergütungsansprüche eines bereits aufgenommenen Großauftrages verweise. F 64 Bei Rechtshandlungen im Rahmen von Sanierungen ist auch beim Anfechtungsgegner im Grundsatz nur dann die erforderliche Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu verneinen, wenn sie aus damaliger Sicht erfolgversprechend waren.348 Eine Vergleichsvereinbarung im Rahmen von Sanierungsbemühungen entfällt allerdings als kongruenzbegründender Schuldgrund für eine geleistete Zahlung, wenn sie ihrerseits anfechtbar ist.349 Die Indizwirkung der Inkongruenz für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners – und die entsprechende Kenntnis des Gläubigers – kann allerdings durch die Umstände des Einzelfalles ausgeschlossen sein, wenn diese ergeben, dass die anfechtbare Rechtshandlung von einem anderen, anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet war und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer infolgedessen in den Hintergrund getreten ist. Das kommt insbesondere 344 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 12; v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343 ff. 345 BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 (195 ff.); v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZInsO 2009, 1585 ff. 346 BGH v. 9.2.2012 – IX ZR 48/11, ZInsO 2012, 1264 f. Rz. 5. 347 OLG Saarbrücken v. 10.7.2012 – 4 U 212/11, ZIP 2012, 1973 ff. 348 Vgl. BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 ff. Rz. 16 ff.; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 ff. Rz. 30 ff.; v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276 (279); Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 132. 349 BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 10.

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III. Einzelheiten

Rz. 65a F

dann in Betracht, wenn die Gewährung einer inkongruenten Befriedigung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs war.350 Ein solches erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt nicht in jedem Fall eine Einbeziehung sämtlicher Gläubiger voraus. Ein den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ausschließender Sanierungsversuch kann vielmehr auch dann gegeben sein, wenn Regelungen mit einzelnen Gläubigern dem Schuldner neue Liquidität verschaffen sollen, mittels derer er seine übrigen Gläubiger (vollständig) befriedigen kann.351 An einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept fehlt es, wenn völlig offen ist, ob es zu der in dem Konzept vorausgesetzten Kapitalzufuhr durch Nachzahlungen der Gesellschafter kommen wird.352 Dass die Gesellschafter einer insolvenzreifen GmbH eine namhafte Kapitalerhöhung durchführen, ohne damit die Insolvenz abwenden zu wollen, ist derart ungewöhnlich, dass damit im Allgemeinen nicht zu rechnen ist.353 cc) Kenntnisvermutung gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Um dem Insolvenzverwalter die schwierige Beweisführung und damit die prak- F 65 tische Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs zu erleichtern, wird die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte, also die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigte. Erst wenn davon auszugehen ist, dass der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Benachteiligung der Gläubigergesamtheit kennt, greift die Beweisregel des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ein. Gelingt dem Insolvenzverwalter der Beweis der die Vermutung rechtfertigenden Tatsachen, so hat der Anfechtungsgegner den Beweis des Gegenteils zu führen, um diese Vermutung zu widerlegen.354 Für kongruente Deckungshandlungen enthält die durch das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG“ geschaffene Neufassung des § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO eine Sonderregelung. Danach tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners die eingetretene Zahlungsunfähigkeit, wenn die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte. § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO n.F. enthält eine „Gegenvermutung“ für den Fall der Zahlungsvereinbarung bzw. Zahlungserleichterung. Bei genauer Betrachtung ist § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO unglücklich formuliert.355 F 65a Die dort genannte Kenntnis des anderen Teils kann sich nur auf den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung beziehen und nicht auf erst künftig eintre350 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 ff. Rz. 33; v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 11; v. 16.10.2008 – IX ZR 183/06, ZIP 2009, 91 ff. Rz. 52; v. 5.3.2009 – IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 ff. Rz. 17. 351 BGH v. 8.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 ff. Rz. 13. 352 BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 ff. Rz. 16. 353 BGH v. 17.6.1999 – IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = NJW 1999, 3780 (3782). 354 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 355 Vgl. dazu näher B. Schäfer, ZInsO 2016, 2467 ff. Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

tende Umstände (für § 133 Abs. 1 InsO genügt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung). Wenn aber die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aus der Sicht des Anfechtungsgegners nur drohte, so kann er nicht gewusst haben, dass die Rechtshandlung die übrigen Gläubiger benachteiligte, denn bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit ist der Schuldner zum fraglichen Zeitpunkt noch in der Lage, alle seine Gläubiger zu befriedigen. Darüber hilft auch nicht die Erwägung hinweg, dass für § 133 Abs. 1 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genüge. Denn der Anfechtungsgegner kann keine sichere bzw. „positive“ Kenntnis von einer Gläubigerbenachteiligung haben,356 die erst noch vom Eintritt künftiger Umstände abhängt.357 § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO dürfte vielmehr auf der Erwägung des Gesetzgebers beruhen, dass dem Anfechtungsgegner die Kenntnis einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners häufig nicht nachzuweisen sein wird. Deshalb sollte auf seiner Seite die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit genügen. In der Gesetzesbegründung zu § 133 Abs. 1 InsO ist jedoch ausdrücklich festgehalten, dass die – weiterhin erforderliche – Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners jedoch vermutet werde, wenn dieser gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gedroht habe.358 § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO bezieht sich somit lediglich auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners. Es ist nicht zulässig, die Vermutung auch auf die subjektiven Voraussetzungen anzuwenden, die das Gesetz beim Schuldner für die Anfechtung voraussetzt.359 Nach der tatbestandlichen Fassung der Bestimmung ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, auf der Seite des Schuldners die Kenntnis der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu fordern, auf der Seite des Anfechtungsgegners dagegen die Kenntnis einer zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit genügen zu lassen. F 65b Der BGH ist indes auch weiterhin anderer Auffassung. Er hält an seiner Argumentation fest, wonach gemäß § 133 Abs. 1 InsO ein Handeln des Schudners mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz schon dann zu vermuten sei, wenn er seine drohende Zahlungsunfähigkeit kenne und dass sich dies mittelbar aus § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ergebe, da hinsichtlich des Vorsatzes des Schuldners keine strengeren Anforderungen gelten könnten, als für den anderen Teil.360 Nach dem Leitsatz seines Urteils vom 21.1.2016361 können die subjektiven Vorausetzungen der Vorsatzanfechtung auch dann unter dem Gesichtspunkt der erkannten drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu bejahen sein, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Handlung noch uneingeschränkt zahlungsfähig ist, aber bereits feststeht, dass Fördermittel, von denen

356 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 34. 357 Vgl. BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 322 f.; v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76, 79. 358 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 359 Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 53. 360 BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, ZIP 2015, 437 ff. Rz. 12; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 8. 361 BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 67 F

eine kostendeckende Geschäftstätigkeit abhängt, alsbald nicht mehr gewährt werden. Danach genügt es, dass der Anfechtungsgegner „im Blick auf die unternehmerische Tätigkeit der Schuldnerin wusste, dass die Schuldnerin zumindest in der Zukunft weitere Gläubiger haben würde, die durch die Lastschrifteinzüge benachteiligt wurden“.362 Damit setzt er sich jedoch erneut dem Einwand aus, dass er im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners genügen lasse, während nach § 130 InsO die Kenntnis von Umständen erforderlich ist, die zwingend auf die (eingetretene) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen.363 Unerheblich ist es nach Ansicht des BGH ferner, dass der Anfechtungsgegner noch nicht durch die Stellung eines Insolvenzantrages auf die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung hinwirken könnte. Der BGH hat dem Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO eine wei- F 66 tere Beweiserleichterung hinzugefügt. Nach seiner inzwischen bereits gefestigten Rechtsprechung steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen.364 Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zweifelsfrei folgt.365 Im Schrifttum wird in diesem Zusammenhang jedoch zu Recht zu bedenken gegeben, dass die Kenntnis des Gläubigers von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners für den einen Zeitraum von zehn Jahren erfassenden Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO nicht ausreichen könne, wenn § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO den Nachweis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit fordere.366 Es ist ferner zu beachten, dass nach der neuesten Rechtsprechung des BGH sol- F 67 che Tatsachen, die auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hindeuten, nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen.367 Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 ZPO unter Würdigung aller maßgebenden Umstände

362 BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 ff. Rz. 18. 363 Vgl. dazu Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 ff.; Schönfelder, WuB VI. A. § 133 InsO 1.09; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 60. 364 BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZIP 2009, 2253 ff. Rz. 10; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZInsO 2009, 1909 ff. Rz. 8; v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, MDR 2007, 1221 = ZIP 2007, 1511 ff. Rz. 25; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 133 Rz. 76. 365 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 8. 366 M. Schönfelder, WuB VI. A. § 133 InsO 1.09. 367 BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 f. Rz. 9; v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff. Rz. 18; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 8. Schfer

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F Rz. 67

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen.368 F 67a Da der Anfechtungsgegner im Allgemeinen keinen Einblick in die fälligen Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners hat, muss – soweit es um seine Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geht – darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende oder ganz ausbleibende Tilgung seiner Forderung bei einer Gesamtbetrachtung der für den Anfechtungsgegner ersichtlichen Umstände, insbesondere der Person des Schuldners und dem Zuschnitt seines Geschäftsbetriebes, als ausreichendes Indiz für eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit darstellt.369 Der Umstand, dass ein Schuldner auf einen rechtskräftigen Titel nicht sofort gezahlt, sondern die Forderung in drei Raten an den Gerichtsvollzieher beglichen hat, genügt nach einem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.5.2012370 für sich genommen nicht den Vorausetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, weil es keinen Erfahrungssatz gebe, dass einem Schuldner, der eine Forderung in drei Raten an den Gerichtsvollzieher zahle, die Zahlungsunfähigkeit drohe. F 67b Tilgt der Schuldner Sozialversicherungsbeiträge über einen Zeitraum von zehn Monaten jeweils mit einer Verspätung von drei bis vier Wochen, kann das Tatgericht zu der Würdigung gelangen, dass der Sozialversicherungsträger allein aus diesem Umstand nicht auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen musste. In Fällen einer verspäteten Zahlung wird angenommen, dass erst eine mehrmonatige Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Zahlungseinstellung umfassend glaubhaft macht. Im konkreten Fall kam hinzu, dass die Zahlungsrückstände im Hinblick auf den Umfang des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin relativ geringfügig waren.371 F 67c

Zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es, wenn konkrete Umstände dargelegt werden, die es nahe liegend erscheinen lassen, dass dem Anfechtungsgegner der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war. Um einen solchen Umstand kann es sich bei einem ernsthaften Sanierungsversuch handeln, und zwar auch dann, wenn nicht alle Gläubiger zugestimmt haben.372

F 68 Bei Kenntnis der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt des Erhalts der schuldnerischen Leistung – so der BGH – kann von einer Kenntnis des Gläubigers von der Gläubigerbenachteiligung nur ausgegangen werden, wenn er Kenntnis von weiteren ungedeckten Verbindlichkeiten des Schuldners hatte oder wenn er mit dem Entstehen solcher Verbindlichkeiten rechnete. Von der Begründung solcher Verbindlichkeiten kann regelmäßig nur bei einem unternehmerisch tätigen Schuldner ausgegangen 368 BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, WM 2010, 1756 f. Rz. 9; v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZInsO 2009, 2148 ff.; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 8. 369 BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, ZInsO 2010, 1598 ff. 370 LG Stuttgart v. 30.5.2012 – 13 S 200/11, ZInsO 2012, 1173 ff. 371 BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 49/13, ZIP 2013, 2318 ff. Rz. 13 f. 372 BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 176/08, veröffentlicht bei juris.

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III. Einzelheiten

Rz. 69a F

werden.373 Für die Zahlung rückständigen Arbeitslohns an Arbeitnehmer gilt dies nach der Rechtsprechung des BGH jedoch nicht.374 Weiß ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldet, rechtfertigt allein diese Kenntnis nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Arbeitgebers.375 Redaktionelle Presseberichte, die keine amtlichen Verlautbarungen enthalten, F 69 können nach der Rechtsprechung des BGH Umstände sein, die den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit begründen und für einen Großgläubiger wie das Finanzamt oder die Sozialkasse eine Beobachtungs- und Erkundigungspflicht auslösen können.376 dd) Kenntnis bei Ratenzahlungsvereinbarungen und Sanierungsbemühungen Ratenzahlungsvereinbarungen kommen in der Krise des Schuldners häufig vor. F 69a Aufgrund der weiten Auslegung des § 133 Abs. 1 InsO durch den BGH sind sie für die Gläubiger unter anfechtungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht ungefährlich. § 802b ZPO sieht in der Einzelzwangsvollstreckung vor, dass der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die Möglichkeit der Ratenzahlung einräumt. Es ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt, inwieweit dies im „Dunstkreis“ des § 133 InsO für den Gläubiger gefahrlos möglich ist. Auch hier sollte der BGH dem Rechtsverkehr verlässliche Maßstäbe an die Hand geben und nicht nur auf das Erfordernis einer Gesamtwürdigung der Tatumstände verweisen. Der Vorsitzende des IX. Zivilsenats des BGH hat die Rechtsprechung des Senats jüngst in einem Aufsatz zusammengefasst.377 Danach könne die Indizwirkung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO auch dann eintreten, wenn der Schuldner die Offenlegung seiner Zahlungseinstellung mit der Bitte um Stundung verbinde. Die Bitte des Schuldners um Stundung könne jedoch nur dann ein Indiz für die Zahlungseinstellung sein, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden sei, seine fälligen Verbindlichkeiten anders nicht begleichen zu können.378 Es ist indes fraglich, ob damit der Weg zu einer angemessenen Lösung der Problematik der Anfechtbarkeit von Ratenzahlungen in der Krise des Schuldners aufgezeigt ist. Die Frage, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, hängt zumindest aus der Sicht seines Gläubigers in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte davon ab, wie er auf dessen Ratenzahlungsbitte reagiert.379

373 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff. Rz. 21; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 14; MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 24d. 374 Vgl. dazu und zur Kritik an dieser Rechtsprechung Rz. C110 ff. 375 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 ff. = MDR 2009, 650. 376 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 ff. Rz. 21 = MDR 2009, 650; v. 19.7.2001 – IX ZR 36/99, MDR 2002, 172 = ZIP 2001, 1641 ff. 377 Kayser, ZInsO 2016, 2134 ff. 378 Kayser, ZInsO 2016, 2134 (2135) mit Hinweis auf BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, ZInsO2015, 898 ff. Rz. 4. 379 Vgl. dazu näher B. Schäfer, ZInsO 2016, 2467 (2468 ff.). Schfer

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F Rz. 69b

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

F 69b Nach dem Leitsatz eines Urteils des BGH vom 10.12.2009380 sind Teilzahlungen des Schuldners, die dieser nach fruchtloser Zwangsvollstreckung im Rahmen einer vom Gerichtsvollzieher herbeigeführten Ratenzahlungsvereinbarung erbringt, wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung anfechtbar. Bei genauerer Betrachtung der Entscheidungsgründe zeigt sich jedoch, dass es dem BGH zumindest in erster Linie um die Klarstellung ging, Leistungen des Schuldners aufgrund einer Ratenzahlungsvereinbarung gemäß § 806b ZPO a.F. seien nicht von vornherein als nicht selbstbestimmte Rechtshandlungen des Schuldners von der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ausgenommen. Der BGH führt allerdings auch aus, dass es im zweiten Absatz des künftigen § 802b ZPO, der die bisherige Regelung des § 806b ZPO ersetzen werde, heiße, die Vollstreckung sei „aufgeschoben“, soweit der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die Ratenzahlung gestattet habe. Die Ratenzahlungen sollten mithin außerhalb einer der Vorsatzanfechtung entzogenen Vollstreckungshandlung erfolgen.381 Dies dürfte jedoch eine allzu formale Betrachtungsweise darstellen. F 69c

Nach meiner Auffassung gehört eine vom Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner außerhalb des Dreimonatszeitraums des § 130 InsO getroffene Ratenzahlungsvereinbarung im Grundsatz zum justizförmigen Verfahren der Zwangsvollstreckung im Rahmen des prinzipiell fortgeltenden Prioritätsprinzips, so dass bei ordnungsgemäßer Einhaltung der Ratenzahlungsvereinbarung in Ermangelung weiterer Anhaltspunkte nicht von der Kenntnis des Gläubigers von der Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO ausgegangen werden kann. Der Gläubiger erlangt insoweit eine kongruente Deckung, so dass es dem Schuldner aus seiner Sicht im Zweifel mehr auf die Erfüllung seiner vertraglichen bzw. gesetzlichen Pflichten als auf die Benachteiligung der übrigen Gläubiger ankommt.382 Etwas anderes gilt freilich dann, wenn die Ratenzahlungsvereinbarung nicht eingehalten wird oder die Beteiligten aus dem justizförmigen Zwangsvollstreckungsverfahren „ausscheren“. In diesem Sinne hat etwa das Landgericht Stuttgart durch Urteil vom 30.5.2012383 entschieden, der Umstand, dass ein später insolvent gewordener Schuldner auf einen rechtskräftigen Titel nicht sofort gezahlt, sondern die Forderung in drei Raten an den Gerichtsvollzieher beglichen habe, genüge für sich genommen in der Regel nicht den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. Nach einem Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13.7.2012384 lässt allein der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung der Berufsgenossenschaft mit dem Schuldner bei erstmaligem Rückstand mit einer Beitragsschuld ohne Kenntnis der gesamten Vermögenslage des Schuldners und das Hinzutreten weiterer objektiver Umstände nicht den Schluss auf die Kenntnis der Berufsgenossenschaft von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1.10.2015385 lässt die einjährige Anordnung von Kurz380 BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, ZIP 2010, 191 ff. 381 BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, ZIP 2010, 191 ff. Rz. 19. 382 Vgl. dazu BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028 (3029); v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZInsO 1998, 89 ff. 383 LG Stuttgart v. 30.5.2012 – 13 S 200/11, ZInsO 2012, 1173 ff. 384 LG Mannheim v. 13.7.2012 – 11 O 42/12, NZI 2012, 848 f. 385 OLG Koblenz v. 1.10.2015 – 2 U 864/14, ZInsO 2016, 1156 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 69d F

arbeit keine Rückschlüsse auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit zu. Insbesondere bei Saisonunternehmen lässt danach ein Ersuchen um Ratenzahlungen zur gleichmäßigen Verteilung von Zahlungsspitzen nicht ohne weiteres den Rückschluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit zu; vielmehr kann es sich um eine den üblichen Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs entsprechende Liquiditätsüberbrückung handeln. Außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens lassen zwei Leitsätze eines Ur- F 69d teils des BGH vom 6.12.2012386 aufhorchen. Danach hat der Gläubiger zu beweisen, dass die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch eine mit ihm getroffene Ratenzahlungsvereinbarung nachträglich entfallen ist (1. Leitsatz). Die Kenntnis des Gläubigers von einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit entfällt nicht durch den Abschluss einer vom Schuldner vereinbarungsgemäß bedienten Ratenzahlungsvereinbarung, wenn bei dem gewerblich tätigen Schuldner mit weiteren Gläubigern zu rechnen ist, die keinen vergleichbaren Druck zur Eintreibung ihrer Forderungen ausüben (2. Leitsatz). Werden die Verbindlichkeiten des Schuldners beim späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen und ist diesem den Umständen nach bewusst, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt, begründet dies nach der Rechtsprechung des BGH ein Beweisanzeichen im Sinne eines Erfahrungssatzes hinsichtlich der Kenntnis des Gläubigers.387 Nach früheren Entscheidungen soll es sogar genügen, wenn es für den Anfechtungsgegner auf der Hand lag, dass die ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten nicht annähernd die einzigen des gewerblich tätigen Schuldners waren.388 Damit wird dem Insolvenzverwalter praktisch der Nachweis erlassen, dass der Anfechtungsgegner einen Überblick über die Liquiditätslage des Schuldners in ihrer Gesamtheit hatte.389 Der BGH hat allerdings durch Beschluss vom 16.4.2015390 klargestellt, dass das Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Zahlungseinstellung nicht an die Ratenzahlungsvereinbarung als solche, sondern an die Offenbarung der eigenen Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner geknüpft worden sei. Erklärt der Schuldner seinem Gläubiger, eine fällige Zahlung nicht in einem Zuge erbringen und nur Ratenzahlungen leisten zu können, muss dieser nach einem Urteil des BGH vom 14.7.2016391 allein aus diesem Umstand nicht zwingend darauf schließen, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Die Mitteilung des Schuldners, nicht voll zahlen zu können, habe zwar auf einen Liquiditätsengpass hingedeutet, aber nicht zweifelsfrei unüberwindbare Zahlungsschwierigkeiten zum Ausdruck gebracht, weil die vollständige ratenweise Tilgung der Forderungen in Aussicht gestellt worden sei. Das auf einen Liquiditätsengpass hindeutende Indiz erscheine auch 386 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. 387 Vgl. BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZIP 2009, 2253 ff. Rz. 11; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZInsO 2009, 1909 ff. Rz. 10; v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 ff. Rz. 24. 388 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (85 f.); v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (111). 389 Vgl. Klinck, DB 2014, 2455 (2458). 390 BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, ZIP 2015, 937 Rz. 4; vgl. dazu ferner Kayser/Heidenfelder, ZIP 2016, 447 (448). 391 BGH v. 14.7.2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 ff. Schfer

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§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

deshalb in einem milderen Licht, weil der Schuldner die Erklärung nicht auf ein Zahlungsverlangen des Anfechtungsgegners, sondern von sich aus abgegeben habe.392 Da der Anfechtungsgegner seine Forderungen nicht tituliert gehabt und gegenüber dem Schuldner keinen Vollstreckungsdruck entfaltet habe, habe er nicht davon ausgehen müssen, durch den Erhalt der Teilzahlungen besser als die sonstigen Gläubiger gestellt zu werden.393 Mit diesem Urteil vom 14.7.2016 hat der BGH erfreulicherweise (nochmals) klargestellt, dass eine Ratenzahlungsvereinbarung als solche kein zwingendes Beweisanzeichen für eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners darstellt. In einem weiteren Urteil vom 17.11.2016394 ist allerdings wiederum davon die Rede, dass das an die Erklärung, wegen knapper Mittel nicht vollständig zahlen zu können, geknüpfte Ersuchen um die Vereinbarung abweichender Zahlungsmodalitäten Ausdruck mangelnder Zahlungsmittel gewesen sei. Das Ersuchen sei der Erklärung gleichgekommen, zur vollständigen Bezahlung der laufenden Verbindlichkeiten nicht (mehr) in der Lage zu sein und habe ein wesentliches, auf eine Zahlungseinstellung hindeutendes Indiz dargestellt.395 F 69e Der BGH stellt strengere Anforderungen an die Anfechtbarkeit, wenn es um die Kenntnis von Arbeitnehmern geht. Er betont in diesem Zusammenhang, dass Kenntnis im Allgemeinen ein für sicher gehaltenes Wissen bedeute. Der Gläubiger kenne die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung als komplexe Rechtsbegriffe nur, wenn er die Liquidität oder das Zahlungsverhalten des Schuldners wenigstens laienhaft bewerten könne.396 Da es insoweit aber keine „Zweiklassenjustiz“ hinsichtlich der Gläubigergruppen geben kann, wird der BGH in diesem Zusammenhang „nachjustieren“ müssen,397 auch wenn er neuerdings betont, dass stets eine Gesamtwürdigung der auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hindeutenden Tatsachen erforderlich sei.398 Auch der BGH äußert sich in dieser Frage inzwischen zurückhaltender. Danach kann das Wissen um eine drohende Zahlungsunfähigkeit nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass Beitragsrückstände angewachsen waren, wenn keine Maßnahmen der Forderungseinziehung getroffen wurden, deren Erfolglosigkeit den Rückschluss auf eine ungünstige Vermögenslage der Schuldnerin gestattete.399 Eine Ratenzahlungsbitte des Schuldners ist als solche kein Indiz für die Zahlungseinstellung bzw. Zahlungsunfähigkeit, sofern sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten (anders) nicht begleichen zu kön-

392 393 394 395 396 397 398 399

Vgl. BGH v. 14.7.2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 ff. Rz. 17. BGH v. 14.7.2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 ff. Rz. 25. Vgl. BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, ZIP 2016, 2423 ff. BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, ZIP 2016, 2423 ff. Rz. 23; vgl. dazu ferner BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZInsO 2016, 214 ff. Rz. 20. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 ff. Rz. 13; MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 24a. Vgl. Klinck, DB 2014, 2455 (2462). BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 8. BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 223/13, ZInsO 2014, 1057 f. Rz. 6.

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III. Einzelheiten

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nen.400 Die Bitte des Schuldners um Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung entspricht allerdings dann nicht den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, wenn sie nach mehrmaligen fruchtlosen Mahnungen und nicht eingehaltenen Zahlungszusagen gegenüber einem von dem Gläubiger mit dem Forderungseinzug betrauten Inkassounternehmen geäußert wird.401 Zahlt der Schuldner auf eine relativ geringfügige Forderung erst aufgrund mehrerer Mahnungen nach über einem Jahr zwei Raten und tilgt die Forderung nicht vollständig, kann das Tatgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Gläubiger allein hieraus nicht auf eine Zahlungseinstellung durch den Schuldner schließen musste.402 Lässt ein gewerblich tätiger Schuldner hingegen monatelang einen Rückstand F 69f von erheblicher Höhe mit betriebsnotwendigen fortlaufenden Verbindlichkeiten- insbesondere Steuern und Sozialabgaben, aber auch Löhne und Mieten – aufkommen und zahlt er danach unregelmäßig einzelne Raten, ohne jedoch die Gesamtschuld verringern zu können, so deuten diese Tatsachen auf eine Zahlungsunfähigkeit hin.403 Schweigt der Schuldner einer erheblichen Forderung (konkret: ca. 16 000 Euro) während eines monatelangen Zeitraums auf Rechnungen und Mahnungen und bietet er nach Einschaltung eines Inkassounternehmens und Erwirken eines Mahnbescheids in dem auf seinen Widerspruch eingeleiteten gerichtlichen Verfahren die ratenweise Zahlung der Gesamtforderung einschließlich der Zinsen und der angefallenen Kosten an, hat der Gläubiger nach einem Urteil des BGH vom 25.2.2016404 die Zahlungseinstellung des Schuldnes, dessen Zahlungsverzug nicht mit einer fortdauernden Anspruchsprüfung erklärt werden kann, erkannt. Der BGH spricht von einer „recht hohen Forderung von mehr als 16 000 Euro“.405 Über den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin (GmbH) wurde nichts Näheres mitgeteilt; die angefochtenen Zahlungen betrafen einen Materialtransport von Eschweiler nach Antwerpen im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung.406 Der BGH hat die Anforderungen, die aus der Sicht des Anfechtungsgegners ge- F 69g geben sein müssen, um bei Sanierungsbemühungen der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO zu entgehen, in einem für die amtliche Sammlung bestimmten Urteil vom 12.5.2016407 zusammengefasst. Danach obliegt dem Gläubiger, der die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Benachteiligung der Gläubiger kennt, zunächst einmal die Darlegungs- und Beweislast, dass er spätere Zahlungen auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts er-

400 BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, ZIP 2015, 937 Rz. 3 f.; v. 30.4.2015 – IX ZR 149/14, ZInsO 2015, 1441 ff. Rz. 10; OLG Hamm v. 29.8.2014 – 27 W 94/14, ZInsO 2014, 2437 f. 401 BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 308/14, ZIP 2015, 2486 f. 402 BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 149/14, ZInsO 2015, 1441 ff. 403 Vgl. BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 149/14, ZInsO 2015, 1441 ff. Rz. 9. 404 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 ff. 405 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 ff. Rz. 18. 406 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 ff. Rz. 2. 407 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1251 ff. Schfer

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F Rz. 69g

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

langt hat.408 Der Gläubiger kann nur dann von einem schlüssigen Sanierungskonzept des Schuldners ausgehen, wenn er in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzeptes informiert ist; dazu gehören die Ursachen der Insolvenz, die Maßnahmen zu deren Beseitigung und eine positive Fortführungsprognose. Ein Auskunftsanspruch gegen den Schuldner steht dem Gläubiger allerdings nicht zu.409 F 69h Der Gläubiger, der im Rahmen eines Sanierungsvergleichs quotal auf seine Forderungen verzichtet in der Annahme, andere Gläubiger verzichteten in ähnlicher Weise, kann von einer Sanierung des Schuldnerunternehmens allein durch diese Maßnahme nur ausgehen, wenn nach seiner Kenntnis die Krise allein auf Finanzierungsproblemen beruht, etwa dem Ausfall berechtigter Forderungen des Schuldners. Dass der Sanierungserfolg mit einem reinen Quotenvergleich herbeigeführt werden kann, ist nach Ansicht des BGH ungewöhnlich. Hiervon kann der Gläubiger eines zahlungsunfähigen Schuldners nur ausgehen, wenn ihm besondere Umstände schlüssig dargelegt wurden.410 Der Gläubiger ist jedoch nicht verpflichtet, das Sanierungskonzept des Schuldners fachmännisch zu prüfen oder prüfen zu lassen; er darf sich auf die Angaben des Schuldners oder dessen Beraters zu den Erfolgsaussichten des Konzepts verlassen, solange er keine Anhaltspunkte dafür hat, dass er getäuscht werden soll oder dass der Plan keine Chancen auf dauerhaften Erfolg bietet.411 Der Sanierungsplan muss nicht den formalen Erfordernissen entsprechen, wie sie das Insitut für Wirtschaftsprüfer e.V. in dem IDW Standard S 6 (IDWS6) oder das Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) als Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) aufgestellt haben.412 ee) Nachträglicher Wegfall der Kenntnis des Anfechtungsgegners F 70 Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung wirkt grundsätzlich fort; sie kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass der Schuldner seine Zahlungen allgemein wieder aufnimmt. Dies hat derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich auf den nachträglichen Wegfall einer zuvor eingetretenen Zahlungseinstellung beruft.413 Der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung und die nachfolgende ratenweise Tilgung der eigenen Forderung lassen nach der Rechtsprechung des BGH die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit nicht entfallen. Allein dieser Umstand legt nicht nahe, dass der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit zurückgewonnen und seine Zahlungen im Wesentlichen vollständig wieder aufgenom-

408 Vgl. BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1251 ff. Rz. 23; v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 40. 409 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1251 ff. Rz. 26. 410 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1251 ff. Rz. 33. 411 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1251 ff. Rz. 27. 412 Vgl. BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1251 ff. Rz. 19. 413 Vgl. BGH v. 14.7.2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 ff. Rz. 18; v. 25.2.2016 – IX ZR 109/15 WM 2016, 560 ff. Rz. 24; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 ff.; v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, MDR 2008, 590 = ZIP 2008, 420 ff. Rz. 36; v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (188) = MDR 2002, 416.

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III. Einzelheiten

Rz. 72 F

men hatte.414 Ebenso wie eine der Rechtshandlung nachfolgende Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist eine zuvor gegebene Kenntnis des Anfechtungsgegners unschädlich, wenn er im Zeitpunkt der Rechtshandlung nicht mehr bösgläubig ist. Jedoch muss die Schlussfolgerung des Anfechtungsgegners, wonach die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht mehr gegeben ist, von einer ihm nachträglich bekannt gewordenen Veränderung der Tatsachengrundlage getragen sein.415 Als erstes dürfen die Umstände, welche die Kenntnis des Anfechtungsgegners begründet haben, nicht mehr gegeben sein. Jedoch bewirkt der Fortfall dieser Umstände allein nicht zwingend den Verlust der Kenntnis. Vielmehr hat der Tatrichter als zweiten Schritt aufgrund aller von den Parteien vorgetragenen Umstände des Einzelfalles zu würdigen, ob eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei der Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr bestanden hat.416 ff) Kenntniszurechnung bei Vertretung und beim Handeln mehrerer Behörden Ist die benachteiligende Rechtshandlung von einem Vertreter des Erwerbers F 71 vorgenommen worden, so kommt es für die Kenntnis auf die Person des Vertreters an.417 Das ergibt sich unmittelbar aus § 166 Abs. 1 BGB, soweit der Vertreter rechtsgeschäftliche Willenserklärungen abgegeben hat, die zum Abschluss des angefochtenen Rechtsgeschäfts notwendig waren.418 Auf andere Erwerbsvorgänge, beispielsweise durch Zwangsvollstreckung, ist § 166 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden;419 Das Wissen des Prozessbevollmächtigten ist daher dem Auftraggeber insolvenzanfechtungsrechtlich jedenfalls insoweit zuzurechnen, als es der Prozessbevollmächtigte im Rahmen des ihm erteilten Auftrages erlangt hat.420 Ein vom Gläubiger mit der Durchsetzung einer Forderung gegen den späteren Insolvenzschuldner beauftragter Rechtsanwalt ist Wissensvertreter des Gläubigers, soweit er sein Wissen aus allgemein zugänglichen Quellen erlangt oder es über seine Internetseite selbst verbreitet hat.421 Die Kenntnis des Gerichtsvollziehers wird dagegen nicht zugerechnet,422 da F 72 dieser nicht im Namen des Gläubigers, sondern als Organ der staatlichen Rechtspflege tätig wird.423 Bedient sich die für die Einziehung der Versiche414 BGH v. 14.7.2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 ff. Rz. 18; v. 24.3.2016 – IX ZR 242/13, WM 2016, 797 ff. Rz. 14. 415 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, MDR 2008, 822 = ZIP 2008, 930 ff. Rz. 15; v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, ZIP 2011, 1111 Rz. 15, AG 2011, 512. 416 BGH v. 25.2.2016 – IX ZR 109/15 Rz. 28; v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, ZIP 2011, 1111 ff. = AG 2011, 512. 417 Vgl. dazu näher oben Rz. C117 ff. sowie Bork, Wissenszurechnung im Insolvenz(anfechtungs)recht, DB 2012, 33 ff. 418 BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 34/83, MDR 1984, 934 = NJW 1984, 1953 (1954); Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 56. 419 Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 49; vgl. dazu näher oben Rz. C121 ff. 420 Vgl. BGH v. 22.11.1999 – IX ZR 103/90, NJW 1991, 980 ff. 421 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12 – „Göttinger Gruppe“, WM 2013, 180 ff. 422 MK-InsO/Kayser, § 130 Rz. 51; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 130 Rz. 71. 423 Vgl. dazu noch Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Aufl., § 8 II. 1. c). Schfer

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F Rz. 72

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

rungsbeiträge von freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zuständige Einzugsstelle des Vollziehungsbeamten des ersuchten Hauptzollamts, so sollten ihr dessen Kenntnisse nach einem Beschluss des BGH vom 29.3.2012424 nicht entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen sein. Inzwischen hat der BGH aber durch Urteil vom 14.2.2013425 zu Recht entschieden, dass sich die ersuchende Behörde das Wissen des Sachbearbeiters der ersuchten Behörde zurechnen lassen muss, wenn eine Behörde oder ein Sozialversicherungsträger eine andere zuständige Stelle mit der Vollstreckung fälliger Forderungen mit der Folge beauftragt, dass diese für das Vollstreckungsverfahren als Gläubigerin der Forderung fingiert wird (vgl. etwa § 252 AO). In einem Urteil vom 7.5.2015426 hat der BGH bekräftigt, dass dem Sozialversicherungsträger die Kenntnisse des Hauptzollamts, dessen er sich bei der Vollstreckung ihrer Bescheide bedient, auch insoweit entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen sind, als sie die von weiteren Einzugstellen wegen Beitragsrückständen gegen den Schuldner betriebenen Vollstreckungsverfahren betreffen. F 73 Im Falle der Leistung des Schuldners an einen vom Gläubiger mit dem Empfang beauftragten Dritten, ist der Gläubiger zur Rückgewähr der Leistung verpflichtet.427 Handelt der Stellvertreter nach bestimmten Weisungen des Vertretenen, kann sich dieser gemäß § 166 Abs. 2 BGB in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. F 73a Mit der Frage der Kenntniszurechnung beim Zusammenwirken mehrerer Behörden befasst sich ein rechtsgrundsätzliches Urteil des BGH vom 30.6.2011:428 BGH-Urteil vom 30.6.2011 – BGHZ 190, 201 ff. F 73b

Die Schuldnerin befand sich im November 2002 mit steuerlichen Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 1,6 Mio. Euro im Rückstand. Sie nahm zur gleichen Zeit an einer vom Staatsbauamt W. des verklagten Landes durchgeführten Ausschreibung für Rohbauarbeiten teil und erhielt am 3.2.2003 den Zuschlag. Das Staatsbauamt hatte zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von der finanziellen Lage der Schuldnerin. Die Zahlungsregulierung erfolgte über die Staatskasse beim Finanzamt D. Dieses erfragte im April 2003 bei den für die Beitreibung der Lohn- und Umsatzsteuer zuständigen Finanzämtern rückständige Steuerverbindlichkeiten der Schuldnerin und erklärte gegenüber der Werklohnforderung der Schuldnerin die Aufrechnung. Entsprechend verfuhr sie bei weiteren Abschlagsrechnungen und erklärte die Aufrechnung in Höhe von insgesamt 1 Mio. Euro. Das Landgericht wies die auf die §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 133 Abs. 1 InsO gestützte Klage des Insolvenzverwalters ab. Dessen Berufung blieb ebenfalls ohne Erfolg. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache. 424 BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 26/10, veröffentlicht bei juris – a.A. zu Recht Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 148. 425 BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 115/12, ZIP 2013, 685 ff. 426 BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, ZIP 2015, 1234 ff. Rz. 23. 427 Vgl. BGH v. 12.3.2009 – IX ZR 85/06, MDR 2009, 767 = ZIP 2009, 726 f. 428 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08 – „Behördenabgleich“, BGHZ 190, 201 ff.

498 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 73f F

Der BGH stellt klar, dass ab dem Zeitpunkt, in dem mehrere Behörden eines F 73c Rechtsträgers bei der Aufrechnung zusammenwirken, die Kenntnis der einen Behörde auch der anderen zuzurechnen ist. Dagegen kann die Kenntnis des Rechtsträgers nicht schon daraus gefolgert werden, dass er sich das Wissen aller seiner Behörden zurechnen lassen muss; vielmehr kommt es im Grundsatz auf das Wissen des jeweils zuständigen Bediensteten der zuständigen Behörde an.429 Zwar muss nach der ständigen Rechtsprechung des BGH jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen, dass die ihr zugehenden rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können, und es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten.430 Daraus folgt nach Ansicht des BGH aber zunächst nur eine entsprechende Organisationsobliegenheit innerhalb dieser Organisation; die Zuständigkeitsgrenzen der Behörden sind danach grundsätzlich zu respektieren. Nutzt dagegen eine Behörde in Zusammenarbeit mit einer anderen gezielt deren F 73d Wissen bei der Abwicklung eines konkreten Vertrages, so besteht eine behördenübergreifende Pflicht, sich gegenseitig über alle dafür relevanten Umstände zu informieren. Werden „behördenübergreifende Handlungs- und Informationseinheiten“ gebildet, um Aufrechnungen zu ermöglichen, liegt darin ein besonderer Umstand, der eine Erkundigungs- und Informationspflicht über alle bekannten Tatsachen im Zusammenhang mit der beabsichtigten Aufrechnung auslöst. Die objektive Verletzung dieser Pflicht hat zur Folge, dass sich die handelnde Körperschaft auf die Unkenntnis solcher Umstände nicht berufen darf, die bei einem ihrer Wissensvertreter vorhanden war.431 Nach einem Urteil des OLG Nürnberg vom 9.1.2012432 sind die Kenntnisse der F 73e Umsatzsteuer- und Einkommensteuerstelle eines Finanzamts über die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners der organisatorisch, sachlich und personell getrennten Sondervollstreckungsstelle für KFZ-Steuer desselben Finanzamts nicht zuzurechnen. Der BGH hat ferner in einem Beschluss vom 29.3.2012433 nebenbei ausgespro- F 73f chen, dass die Frage, ob der Einzugsstelle eines Sozialversicherungsträgers die Kenntnisse des Vollziehungsbeamten des Hauptzollamts entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen seien, ohne weiteres zu verneinen sei und keiner grundsätzlichen Klärung bedürfe. Die von der Beschwerde angeführten Gegenstimmen434 beträfen den Fall der Vollstreckung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft durch eigene Vollstreckungsorgane; er könne mit dem Fall einer Vollstreckung durch das ersuchte Hauptzollamt nicht gleichgesetzt werden. 429 Vgl. BGH v. 4.2.1997 – VI ZR 306/95, BGHZ 134, 343 (346); BGH v. 28.11.2006 – VI ZR 196/05, NJW 2007, 834 Rz. 5; BGH v. 15.3.2011 – VI ZR 162/10, VersR 2011, 682 Rz. 10 ff.; jeweils zur Kenntniszurechnung nach § 852 BGB a.F. 430 BGH v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54 (62); BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85 ff. Rz. 16. 431 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 21. 432 OLG Nürnberg v. 9.1.2012 – 4 U 931/11, WM 2012, 1922 f. 433 BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 26/10, veröffentlicht bei juris. 434 Vgl. Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 139; FG Rheinland-Pfalz, EFG 1986, 433 Nr. 483. Schfer

499

F Rz. 73f

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

Die Auffassung des BGH vermag jedoch nicht zu überzeugen.435 Er ist von ihr zu Recht im Urteil vom 14.2.2013436 abgerückt. gg) Maßgebender Zeitpunkt für das Vorliegen der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen F 74 Sowohl der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners müssen zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung gegeben sein. Nach § 140 Abs. 1 InsO ist dies im Grundsatz der Zeitpunkt, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten. Bei Grundstückgeschäften kommt es darauf an, wann der Erwerber eine insolvenzrechtlich gesicherte Rechtsposition erlangt hatte (vgl. § 140 Abs. 2 InsO).437 Bei bedingten oder befristeten Rechtshandlungen bleibt gemäß § 140 Abs. 3 InsO der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht. c) Bedeutung von Indizien für die Vorsatzanfechtung aa) Grundsätzliches F 75 Indizien sind zum einen im Bereich des objektiven Tatbestandes des § 133 Abs. 1 InsO, vor allem aber auch für die Feststellung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen von erheblicher Bedeutung.438 So kann insbesondere die Feststellung der Zahlungseinstellung durch den Schuldner mit Hilfe von Indiztatsachen getroffen werden.439 Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es nicht einer Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der Verbindlichkeiten des Schuldners oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 %.440 Es ist daher nicht zwingend Sachvortrag zu den sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners erforderlich, um eine Zahlungseinstellung darzulegen. Auch unabhängig von solchem Vortrag hat der Tatrichter vielmehr eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, sofern Indizien für eine Zahlungseinstellung vorgetragen wurden.441 Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten in erheblichem Umfang bestanden, die bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr beglichen wurden, ist in der Regel von der Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen.442

435 436 437 438 439 440 441 442

Ebenso Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, § 130 Rz. 148. BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 115/12, ZIP 2013, 685 ff. Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 50. Vgl. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10 – „Gebäudereinigung“, ZIP 2011, 1416 ff.; v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, ZInsO 2010, 1598 ff.; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 ff. sowie Kayser, WM 2013, 293 ff. und M. Huber, ZInsO 2012, 53 ff. Vgl. zur Feststellung der Zahlungseinstellung auf der Grundlage von Indizien BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 32/14, WM 2016, 422 ff. Rz. 12 ff.; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 ff. Rz. 18 ff.; v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, ZIP 2013, 2015 ff. BGH 21.1.2016 – IX ZR 32/14, ZIP 2016, 481 ff. Rz. 12; v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 ff. Rz. 10; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, ZInsO 2015, 396 ff.; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 13. BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 ff. Rz. 18; v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 16.

500 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 76a F

Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz oft- F 75a mals nicht erforderlich, weil im eröffneten Verfahren auch auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht begleichen konnte.443 Einer Liquiditätsbilanz bedarf es dann nicht, wenn es sonstige Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit gibt, wie etwa durchgehend unbezahlte Forderungen in relevanter Höhe bis zur Insolvenzeröffnung. Solche Anzeichen können die vorausgegangene Einstellung der öffentlichen Förderung und die Versagung der Anschlussförderung sein, wenn aufgrund dieser Tatsachen keine überwiegende Aussicht auf finanzielle Rettung mehr bestand.444 bb) Einzelfälle Von der erforderlichen Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz F 76 des Schuldners kann beispielsweise auszugehen sein, wenn der Schuldner über einen längeren Zeitraum hinweg Verbindlichkeiten in beträchtlichem Umfang nicht beglichen, sondern etwa nur Teilleistungen erbracht hat, und wenn der Gläubiger den Umständen nach damit rechnen musste, dass weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen vorhanden waren.445 Die Rückgabe von Lastschriften stellt ein erhebliches Beweisanzeichen für drohende Zahlungsunfähigkeit dar.446 Entsprechendes gilt für Scheckrückbelastungen.447 Zahlt der Schuldner auf Steuerforderungen nur noch unter Vollstreckungsdruck und weiß der Steuergläubiger, dass die Hausbank des Schuldners eine Ausweitung seines ausgeschöpften Kreditlimits ablehnt und Zahlungen nur noch aus einer geduldeten Kontoüberziehung erfolgen, kann daraus auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners und einen Benachteiligungsvorsatz sowie dessen Kenntnis geschlossen werden.448 Begleicht der Schuldner im Wissen um seine Zahlungsunfähigkeit eine Geld- F 76a strafe, kann die Vorsatzanfechtung durchgreifen, wenn die Strafvollstreckungsbehörde über die ungünstige Vermögenslage des Schuldners unterrichtet ist. Der Gläubigerbenachteiligungswille des Schuldners wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass es ihm allein darauf angekommen sein mag, mit der Zahlung der Volstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zu entgehen.449

443 BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 203/12, ZIP 2015, 437 ff. Rz. 13; v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 ff. Rz. 7. 444 BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 32/14, WM 2016, 422 ff.; KG v. 4.3.2014 – 14 U 98/12, ZInsO 2014, 2113 ff. 445 Vgl. BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 188/07 – „Pizzeria“, MDR 2009, 352 = ZInsO 2009, 145 ff. Rz. 10; v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, MDR 2008, 590 = ZIP 2008, 420 ff. Rz. 36; v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, MDR 2007, 1221 = ZInsO 2007, 819 ff. Rz. 24. 446 BGH 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 ff. Rz. 29; v. 25.10.2011 – XI ZR 368/09, ZIP 2011, 2398 ff. Rz. 18; v. 1.7.2010 – IX ZR 70/08, ZInsO 2010, 1598 ff. Rz. 10; OLG Schleswig v. 4.6.2014 – 9 U 148/13, ZInsO 2014, 1619 ff. 447 Vgl. BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 81/99, MDR 2001, 1437 = ZIP 2001, 2097 (2098). 448 BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 32/14, WM 2016, 422 ff. 449 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 ff. Schfer

501

F Rz. 76b

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

F 76b Weiß der Gläubiger bei Durchsetzung eines Anspruchs auf Rückzahlung einer Kapitalanlage, dass der Schuldner ein Schneeballsystem betreibt, liegt darin nach einem Urteil des BGH vom 8.1.2015450 ein wesentliches Beweisanzeichen für seine Kenntnis von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit stelle nach seiner Rechtsprechung ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz dar, wenn sie dem Schuldner bei der Vornahme der Rechtshandlung bekannt gewesen sei. In diesen Fällen handle der Schuldner nur dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände, etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können, mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen könne.451 F 77 Nimmt eine Bank Ratenzahlungen des Schuldners entgegen, die sie mit diesem in einem Stillhalteabkommen vereinbart hat, so ist zu vermuten, dass sie die Absicht des Schuldners kennt, die Gläubiger zu benachteiligen, wenn sie weiß, dass der Schuldner noch weitere Gläubiger hat, die erfolglos zu vollstrecken versucht haben, und die Raten auch nur unregelmäßig gezahlt werden.452 Die in einem Darlehensvertrag enthaltene Bestimmung, wonach die an den späteren Insolvenzschuldner ausgereichte Darlehensvaluta mittelbar an den Darlehensgeber zurückfließen soll, kann den Schluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz rechtfertigen.453 F 78 Ein Gläubiger, der nach einem Insolvenzantrag mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung abschließt, darf grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass die Forderungen der anderen, zurückhaltenderen Gläubiger in vergleichbarer Weise bedient werden wie seine eigenen. Vielmehr entspricht es einer allgemeinen Lebenserfahrung, dass Schuldner – um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern – unter dem Druck eines Insolvenzantrages Zahlungen bevorzugt an den antragstellenden Gläubiger leisten, um ihn zum Stillhalten zu bewegen.454 Wiederholte Bitten um Ratenzahlungsvereinbarungen, die unter dem Druck von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und nicht eingehaltenen Zahlungszusagen gegenüber dem Gläubiger geäußert werden, können nicht als solche angesehen werden, die sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs halten und deshalb als solche kein Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bilden.455 Im Fall von Ratenzahlungsvereinbarungen ist jedoch die mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach den AnfG“ in Kraft getretene Neufassung des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO zu beachten. Hatte danach der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, so wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

450 451 452 453 454 455

BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 198/13, ZIP 2015, 279 ff. BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 198/13, ZIP 2015, 279 ff. Rz. 9. BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 ff. BGH v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706 ff. BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (190). BGH v. 21.1.2016 – IX ZR 32/14, WM 2016, 422 ff. Rz. 18.

502 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 80a F

Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom F 78a 27.9.2012456 sollte die auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO ausreichende Kenntnis des Gläubigers (Arbeitnehmer) von Umständen, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen, nicht stets schon dann anzunehmen sein, wenn der Gläubiger im Zuge der Zwangsvollstreckung einen Antrag auf Insolvenzeröffnung gegen den Schuldner stellt. Auch in diesem Fall sei vielmehr eine Gesamtabwägung vorzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht ist dieser Auffassung jedoch durch Urteil vom 27.3.2014457 entgegengetreten. Danach sind die durch den Druck eines Insolvenzantrages bewirkten Leistungen auch außerhalb der gesetzlichen Krise stets inkongruent, weil sie weder dem Inhalt des Schuldverhältnisses entsprechen noch mit Zwangsmitteln erlangt worden sind, die dem einzelnen Gläubiger zur Durchsetzung seiner Ansprüche vom Gesetz zur Verfügung gestellt werden. Die Kenntnis der Überschuldung einer juristischen Person oder einer ihr gleich- F 79 gestellten Gesellschaft gemäß § 19 InsO genügt zwar für sich genommen nicht, legt aber als deren Folge oft zugleich die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit nahe.458 Nach einer Mindermeinung im Schrifttum könnte der Umstand, dass die Organe juristischer Personen gemäß § 15a InsO im Fall einer Überschuldung spätestens binnen dreier Wochen Insolvenzantrag zu stellen haben, die Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO bei einer Darlehensrückzahlung in beiderseitiger Kenntnis der Überschuldung des Unternehmens rechtfertigen.459 In einem vom BGH durch Urteil vom 13.8.2009460 entschiedenen Fall sprachen F 80 verschiedene Umstände für die Kenntnis der verklagten Berufsgenossenschaft von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Deren Zahlungen waren zunehmend nur unter dem Druck der bevorstehenden und später auch eingeleiteten Zwangsvollstreckung erfolgt. Auf beträchtliche Rückstände hatte die Schuldnerin nur kleinere und unregelmäßige Teilzahlungen geleistet. Da die Beklagte trotz der Titulierung ihrer Forderungen und der Entfaltung erheblichen Vollstreckungsdrucks nur schleppend geringe Teilzahlungen auf ihre Gesamtforderungen erhalten hatte, lag es nach Ansicht des BGH aus deren Sicht fern, dass andere Gläubiger, die keinen Titel hatten, pünktlich und vollständig befriedigt wurden. Werden Sozialversicherungsbeiträge mehrere Monate verspätet abgeführt, kann F 80a daraus auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners und einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden.461 In dem durch Urteil vom 7.5.2015 entschiedenen Fall waren mehrere Beweisanzeichen gegeben, die auf eine Zahlungs-

456 LAG Baden-Württemberg v. 27.9.2012 – 11 Sa 100/12, veröffentlicht bei juris. 457 BAG v. 27.3.2014 – 6 AZR 989/12, ZInsO 2014, 1386 ff. 458 Vgl. BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, NZI 2005, 692 (693); MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 24c. 459 Gehrlein in Gehrlein/Ekkenga/Simon, vor § 64 GmbHG Rz. 149. 460 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 11. 461 BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, ZIP 2015, 1234 ff.; v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457 ff. Rz. 6; v. 13.4.2006 – IX ZB 118/04, ZIP 2006, 1056 ff. Rz. 14. Schfer

503

F Rz. 80a

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

einstellung hindeuteten.462 Tilgt der Schuldner Sozialversicherungsbeiträge über einen Zeitraum von zehn Monaten jeweils mit einer Verspätung von drei bis vier Wochen, kann der Tatrichter zu der Würdigung gelangen, dass der Sozialversicherungsträger allein aus diesem Umstand nicht auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen musste.463 F 80b In einem Beschluss vom 6.2.2014464 weist der BGH darauf hin, dass vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und dessen Kenntnis beim Gläubiger ausgegangen werden könne, wenn beide Teile über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterrichtet seien. Dieser Grundsatz gelte auch bei kongruenter Leistung. Der Sonderfall, dass eine kongruente Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung des schuldnerischen Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht werde, liege im Hinblick auf die im Streitfall in Rede stehende Beratungsleistung nicht vor. Da der Beklagte die gegen § 64 GmbHG verstoßenden Zahlungen nicht unterbunden habe, könne von einer den Gläubigern nützlichen Tätigkeit nicht ausgegangen werden. F 80c

Nach einem Urteil des Landgerichts Fulda vom 28.8.2014465 reicht allein der Umstand, dass fällige Schulden längere Zeit nicht beglichen wurden, nicht als Indiz für die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aus, wenn dieser seine Verbindlichkeiten im anfechtungsrelevanten Zeitraum immer wieder auf Null zurückführen konnte und es sich dabei um zeitnahe kongruente Zahlungen für empfangene Leistungen handelte, die zur Fortführung seines Unternehmens notwendig waren und damit auch seinen sonstigen Gläubigern nutzten. Auch Vorauszahlungsverlangen und eine Kündigungsdrohung ließen nach Ansicht des Gerichts keinen Schluss auf die erforderliche Kenntnis des Gläubigers zu, weil beides vertraglich vorgesehene und bei einem Kontrahierungszwang – konkret: Netzbetreiber gegen Energiehändler – zudem naheliegende Reaktionsmöglichkeiten auf die Nichtzahlung fälliger Schulden seien. Das OLG Frankfurt a.M. hat die Berufung des Insolvenzverwalters zurückgewiesen.466 Selbst die Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Presseberichterstattung, wonach es ungerecht sei, das unternehmerische Risiko von zahlungsunfähigen Stromlieferanten auf die Grundversorger abzuwälzen, soll danach offenbar nicht für die Annahme der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausreichen, sofern offenstehende Forderungen letztendlich immer wieder vollständig beglichen wurden.467 Das OLG Oldenburg dürfte insoweit zu Recht anders entschieden haben.468

462 463 464 465 466

Vgl. BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, ZIP 2015, 1234 ff. Rz. 14 ff. BGH v. 7.11.2013 – IX ZR 49/13, ZIP 2013, 2318 ff. BGH v. 6.2.2014 – IX ZR 221/11, ZInsO 2014, 496. LG Fulda v. 28.8.2014 – 2 O 701/13 – „TelDaFax“, ZIP 2014, 2205 ff. OLG Frankfurt a.M. v. 14.7.2015 – 14 U 154/14, veröffentlicht bei juris; die Nichtzulassungsbeschwerde des Insolvenzverwalters hatte keinen Erfolg; vgl. BGH v. 15.9.2016 – IX ZR 152/15, veröffentlicht bei juris. 467 OLG Frankfurt a.M. v. 14.7.2015 – 14 U 154/14, juris Rz. 52, 55. 468 Vgl. OLG Oldenburg v. 23.7.2015 – 1 U 94/14, ZIP 2015, 1988 ff.; beim BGH unter dem Az. IX ZR 178/15 anhängig.

504 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 83b F

Nach einem Urteil des BGH vom 17.2.2004469 hatte die Schuldnerin schon seit F 81 geraumer Zeit erhebliche Steuerrückstände, als sie die Leistung an das Finanzamt erbrachte. Höhe und Dauer der Rückstände hatten dieses veranlasst, gegen zwei Drittschuldner gerichtete Pfändungs- und Einziehungsverfügungen zu erlassen, von denen es nur Teilzahlungen erhielt. Die Zahlungen der Schuldnerin tilgten die fälligen Steuerforderungen ebenfalls nur teilweise. Darüber hinaus hatte das Finanzamt eine umfangreiche Betriebsprüfung abgeschlossen, die ihm zusätzliche Einblicke in das Unternehmen der Schuldnerin verschafft hatte. Damit kannte das Finanzamt nach Ansicht des BGH eine Reihe von Tatsachen, die in ihrer Gesamtheit zumindest die Schlussfolgerung geboten, der Schuldnerin drohe die Zahlungsunfähigkeit. Leistet der Schuldner, der mit seinen laufenden steuerlichen Verbindlichkeiten F 82 seit mehreren Monaten zunehmend in Rückstand geraten ist, lediglich eine Teilzahlung und bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er in Zukunft die fälligen Forderungen alsbald erfüllt, so kennt die Finanzverwaltung in der Regel Umstände, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen.470 Die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz F 83 des Schuldners kann ferner anzunehmen sein, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegen Stundung der Gläubigerforderung eine erst später fällig werdende Forderung gegen einen Dritten erfüllungshalber abtritt, nachdem er zuvor zu verstehen gegeben hat, die Forderung des Gläubigers nicht erfüllen zu können.471 Die Rechtsprechung des BGH zur Bedeutung von Indizien bei Ratenzahlungsvereinbarungen zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner verdeutlicht sehr gut ein Urteil vom 6.12.2012:472

F 83a

BGH-Urteil vom 6.12.2012 – ZIP 2013, 228 ff. Die Schuldnerin stand mit der Beklagten (Hauptlieferantin) in laufender Ge- F 83b schäftsverbindung und hatte bei ihr per 31.12.2003 Zahlungsrückstände in Höhe von ca. 270 000 Euro. Nach der Kündigung einer Kreditversicherung richtete die Beklagte zwei Konten für laufende Verbindlichkeiten und für Altverbindlichkeiten der Schuldnerin ein. Bei einem Stand des letzteren von ca. 370 000 Euro per 29.2.2004 vereinbarten die Schuldnerin und die Beklagte neun Ratenzahlungen, die bis zum 6.5.2004 zu erbringen waren. Die Schuldnerin zahlte bis zum 22.4.2004 insgesamt 270 000 Euro. Die Lastschrift über die am 29.4.2004 fällige Rate wurde nicht eingelöst; die am 6.5.2004 fällige Schlussrate wurde nicht erbracht.

469 BGH v. 17.2.2004 – IX ZR 318/01, ZIP 2004, 669 f. Rz. 23. 470 BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 175/02, MDR 2003, 473 = ZIP 2003, 410 ff. 471 Vgl. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 235/03, MDR 2008, 46 = ZIP 2007, 2084 f. – „Maklerprovision“. 472 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Schfer

505

F Rz. 83c F 83c

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

Die Schuldnerin und die Beklagte einigten sich am 14.5.2004 dahingehend, dass die verbliebenen Altverbindlichkeiten durch monatliche Zahlungen von jeweils 6000 Euro zurückzuführen waren. Anfang Oktober 2004 betrug der Restsaldo ca. 57 000 Euro, der bis zum 15.12.2004 auf ca. 39 000 Euro reduziert wurde. Die Schuldnerin leistete ferner Zahlungen auf die laufenden Verbindlichkeiten, die insbesondere auf Einzelabsprachen beruhten. Am 20.10.2004 wurde eine Lastschrift über 10 000 Euro nicht eingelöst. In der Zeit von April bis November 2004 ergingen ferner Pfändungs- und Einziehungsverfügungen des Finanzamts. Ab November 2004 sollte die Schuldnerin wöchentliche Ratenzahlungen in Höhe von 12 500 Euro erbringen. Am 22. und 30.12.2004 wurden Lastschriften über diese Beträge zurückgegeben. Auch danach gab es weitere Rücklastschriften. Am 6.7. und am 26.10.2004 beglich die Schuldnerin zwei Verbindlichkeiten zweier Schwesterunternehmen in Höhe von 20 000 Euro und 10 000 Euro. Außerdem zahlte sie in der Zeit vom 6.1. bis zum 19.4.2005 durch elf Zahlungen insgesamt ca. 107 000 Euro auf eigene Verbindlichkeiten an die Beklagte.

F 83d Auf Antrag vom 25.7.2005 wurde am 13.9.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die auf § 133 Abs. 1 InsO gestützte Klage in Höhe von ca. 137 000 Euro hatte in den Tatsacheninstanzen nur in Höhe von ca. 25 000 Euro Erfolg. Die Revision des Klägers führte zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten. F 83e Der BGH bekräftigt zunächst seine Rechtsprechung, wonach ein Schuldner, der zahlungsunfähig sei und seine Zahlungsunfähigkeit kenne, in aller Regel mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handle.473 Kenne der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so wisse er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereitelten oder zumindest erschwerten und verzögerten. Mithin sei ein solcher Gläubiger zugleich regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde. Dies gelte insbesondere, wenn der Schuldner gewerblich tätig sei, da der Gläubiger in diesem Fall mit weiteren Gläubigern mit ungedeckten Ansprüchen rechnen müsse.474 F 83f Die Schuldnerin sei seit Beginn des Jahres 2004 zahlungsunfähig gewesen. Eine Zahlungseinstellung begründe auch für die Insolvenzanfechtung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.475 Deren Vorliegen könne aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer, darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden.476 Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, deuteten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen seien. Gleiches gelte, wenn der Schuldner infolge der ständigen verspäteten Begleichung seiner

473 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 15; v. 29.9.2011 – IX ZR 202/10, ZInsO 2012, 138 ff. Rz. 14. 474 BGH v. 25.10.2012 – IX ZR 117/11, ZIP 2012, 2355 ff. Rz. 30. 475 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 20; v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 10; v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (184 f.). 476 BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 13; v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, ZInsO 2012, 976 ff. Rz. 11.

506 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 83i F

Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben und demzufolge ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operiert habe.477 Die Schuldnerin habe Anfang des Jahres 2004 ganz erhebliche, stetig anwach- F 83g sende Verbindlichkeiten über einen längeren Zeitraum vor sich hergeschoben, was schon für sich genommen die Annahme einer Zahlungseinstellung begründet habe.478 Diese folge ferner aus der eigenen Erklärung der Schuldnerin vom 5.3.2004, wonach nur im Wege der vorgeschlagenen Ratenzahlung „eine realisierbare Regulierung der bestehenden alten Verbindlichkeiten möglich“ sei. Die Zahlungseinstellung sei der Schuldnerin und der Beklagten bekannt gewesen. Dies werde unterstrichen durch das Bestreben der Beklagten, die Forderung nach Auslaufen der Kreditversicherung baldmöglichst einzuziehen. Die Gesamtforderung in Höhe von ca. 370 000 Euro sei weder rechtlich noch tatsächlich gestundet gewesen. Die Zahlungseinstellung sei allenfalls vorübergehend im Zeitraum von März bis Ende April 2004 beseitigt worden. Habe der Gläubiger das Stillhalten an die Erbringung gewisser Leistungen, insbesondere Ratenzahlungen, geknüpft, werde der Schuldner von Neuem zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage sei, diese Leistungen zu erbringen.479 Davon sei im Streitfall auszugehen, da eine Lastschrift am 29.4.2004 zurückgegeben und die Schlussrate nicht gezahlt worden sei. Bei einem Schuldner, der trotz erheblicher Liquiditätsvorteile die aufgelaufenen Rückstände nicht einmal ratenweise abtragen könne, verbiete sich die Annahme der Zahlungsfähigkeit.480 Die somit ab Ende April 204 bestehende Zahlungseinstellung sei wegen weiter F 83h offener Abgabenrückstände nicht durch die ab Mai 2004 vereinbarungsgemäß erbrachten Ratenzahlungen von monatlich 6000 Euro beseitigt worden. Ein Gläubiger, der von der einmal eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gewusst habe, habe darzulegen und zu beweisen, warum er später davon ausgegangen sei, der Schuldner habe seine Zahlungen möglicherweise allgemein wieder aufgenommen.481 Die dem eigentlichen Interesse der Beklagten auf rasche Befriedigung ihrer Forderung zuwiderlaufende deutliche Herabsetzung der Ratenhöhe deute indes darauf hin, dass sich die Beklagte mit Zahlungen zufrieden gegeben habe, welche die Schuldnerin gerade noch habe erübrigen können. Diesen Anschein einer erzwungenen Stundung, der die Zahlungseinstellung der Schuldnerin unberührt lasse,482 habe die Beklagte nicht entkräftet. Schließlich falle maßgeblich ins Gewicht, dass weitere erhebliche Verbindlichkeiten (gegenüber dem Finanzamt) bestanden hätten. Die demnach fortbestehende Zahlungsunfähigkeit sei auch der Beklagten bekannt gewesen. Die Schlussfolgerung des Anfechtungsgegners, die Zahlungs477 Vgl. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 16. 478 Vgl. BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. Rz. 16. 479 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 29; v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 ff. Rz. 26. 480 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 31; v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZIP 2009, 2253 ff. Rz. 13. 481 Vgl. BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, ZIP 2008, 930 ff. Rz. 23. 482 BGH v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZInsO 2008, 378 ff. Rz. 22 f. Schfer

507

F 83i

F Rz. 83i

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

unfähigkeit des Schuldners sei behoben, müsse von einer ihm nachträglich bekannt gewordenen Veränderung der Tatsachengrundlage getragen sein. Als erstes dürften die kenntnisbegründenden Umstände nicht mehr gegeben sein. Alsdann seien sämtliche Umstände dahingehend zu würdigen, ob bei der Vornahme der Rechtshandlung keine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit mehr bestanden habe.483 Allein die Tilgung der eigenen Forderungen der Beklagten habe auch dann keinen Wegfall der Kenntnis bewirkt, wenn ihre Vertreter nur über diese Forderungen „positiv“ unterrichtet gewesen seien. Da die Schuldnerin ein gewerbliches Unternehmen betrieben habe, sei es offensichtlich gewesen, dass noch weitere Gläubiger vorhanden gewesen seien. Die Beklagte habe nicht davon ausgehen dürfen, dass die Forderungen der anderen Gläubiger in vergleichbarer Weise bedient würden wie ihre eigenen. Sie habe sich nicht der Erkenntnis verschließen können, dass andere Gläubiger davon abgesehen hätten, in gleicher Weise wie sie durch den Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen Druck auf die Schuldnerin auszuüben. Vielmehr habe sie damit rechnen müssen, dass andere Gläubiger die schleppende Zahlungsweise der Schuldnerin hinnehmen würden. F 84 Wird eine Sicherheit aus dem Schuldnervermögen unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Insolvenz bestellt, handeln die Vertragsschließenden mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Der Insolvenzfall ist keine zulässige Bedingung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO. Insolvenzbezogene vertragliche Lösungsklauseln sollen hingegen nach einer Auffassung im Schrifttum keine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO begründen.484 Der BGH hat aber in einem neueren Urteil vom 15.11.2012485 entschieden, dass Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie, die an den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung anknüpfen, unwirksam sind. F 85 Das Nachbesicherungsverlangen eines Kreditinstituts wegen Vermögensverschlechterung (vgl. Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 22 Abs. 1 AGB- Sparkassen) deutet wegen seiner geringeren Voraussetzungen für sich genommen noch nicht hinreichend auf die Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hin.486 Der Umstand allein, dass die Verpfändung als Sicherheit vor allem bei Zahlungsschwierigkeiten des Verpfänders wirtschaftlich bedeutsam wird, begründet noch nicht ohne weiteres die Vermutung, dass Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgelegen und der Gläubiger dies gewusst habe.487 F 86 Der unter Beweis gestellte Sachvortrag des Anfechtungsgegners, wonach der Schuldner ihm erklärt habe, sowohl sein Anwalt als auch sein Steuerberater hätten ihm geraten, sämtliche anderen Gläubiger vor ihm zu befriedigen, da er als Vermieter mindestens ein Jahr benötige, um eine Räumung durchzusetzen, kann

483 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 98/07, ZIP 2008, 930 ff. Rz. 10 ff.; v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, ZIP 2011, 1111 ff. Rz. 15. 484 MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 28 f.; vgl. dazu Rz. B588 ff. 485 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348 ff. 486 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 24a. 487 BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 161/96, GmbHR 1997, 936 = ZIP 1997, 1596 (1600) = BGHZ 136, 220 ff.

508 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 90 F

im Hinblick auf die erforderliche Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erheblich sein.488 Fragen des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners und der Kenntnis des an- F 87 deren Teils bei Teilzahlungen auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge verdeutlicht beispielhaft ein Urteil des BGH vom 27.5.2003:489 BGH-Urteil vom 27.5.2003 – „Teilzahlungen“ (BGHZ 155, 75 ff.) Wegen der aufgelaufenen Beitragsrückstände des Schuldners bei der verklagten F 88 Krankenkasse erteilte diese am 12.8.1999 einen ersten Vollstreckungsauftrag über ca. 28 000 DM. Nachdem ein vom Schuldner begebener Scheck über 12 000 DM wegen fehlender Deckung nicht eingelöst worden war, forderte die Beklagte den Schuldner mit Schreiben vom 15. und vom 24.9.1999 erneut zur Begleichung der sich mittlerweile auf ca. 31 000 DM belaufenden Beitragsrückstände auf. Am 8.10.1999 leistete der Schuldner 12 600 DM in bar an den Gerichtsvollzieher, um Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abzuwenden. Von dieser Zahlung wurden ca. 9800 DM an die Beklagte abgeführt, der Rest ging an einen anderen Sozialversicherungsträger. Am 26.10.1999 erbrachte der Schuldner eine weitere Barzahlung i.H.v. 10 000 DM an den Gerichtsvollzieher. Mit Schreiben v. 22.11.1999 forderte die Beklagte die Rückführung der zwischen- F 89 zeitlich aufgelaufenen Rückstände in Höhe von erneut ca. 31 000 DM. Am 23.11.1999 zahlte der Schuldner wiederum 9000 DM an den Gerichtsvollzieher, von denen ca. 2300 DM der Beklagten am 28.12.1999 gutgeschrieben wurden. Laut Mahnschreiben der Beklagten vom 17.12.1999 standen ca. 35 000 DM offen. Am 24.1.2000 leistete der Schuldner eine weitere Zahlung in Höhe von ca. 15 000 DM an den Gerichtsvollzieher, die der Beklagten am 27.1.2000 gutgeschrieben wurde. Am 18.4.2000 beantragte die Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagten mit Erfolg die Rückgewähr der gezahlten ca. 37 100 DM unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung. Der BGH weist zunächst darauf hin, dass keine inkongruenten Deckungen vor- F 90 lägen, da die Zahlungen außerhalb des Dreimonatszeitraums des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO erbracht worden seien. Aber auch ohne das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung sei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners auszugehen, da diesem bewusst gewesen sei, dass sein Vermögen nicht ausgereicht habe, um über Teilzahlungen hinaus alle Gläubiger befriedigen zu können. Nach seinen Angaben habe er in dem fraglichen Zeitraum von Oktober bis Dezember 1999 „immer dort bezahlt …, wo es am dringendsten war“. Einem Schuldner, der Forderungen eines Gläubigers vorwiegend deshalb zumindest teilweise erfülle, um diesen dadurch von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, komme es

488 BGH v. 20.11.2008 – IX ZR 188/07, MDR 2009, 352 = ZIP 2009, 189 f. Rz. 13 f. 489 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 ff. Schfer

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F Rz. 90

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an. Damit nehme er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen in Kauf. Für den Benachteiligungsvorsatz reiche auch bei kongruenten Deckungsgeschäften die Feststellung aus, dass der Schuldner sich eine Benachteiligung nur als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen habe, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen.490 Die bloße Hoffnung des Schuldners, er werde von seinem in wirtschaftliche Nöte geratenen Hauptauftraggeber die in erheblichem Umfang noch ausstehenden Zahlungen erhalten, schließe den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht aus. F 91 Die Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Bereits aus der Scheckrücklastschrift und den schleppenden Teilzahlungen des Schuldners nach dem ersten Besuch des Gerichtsvollziehers habe die Beklagte entnehmen können, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gedroht habe. Es sei offensichtlich gewesen, dass die Verbindlichkeiten des gewerblich tätigen Schuldners gegenüber der Beklagten und anderen Sozialversicherungsträgern nicht annähernd die einzigen gewesen seien. Angesichts der partiellen Strafbewehrtheit seiner Forderungen nach § 266a StGB müsse sich gerade einem Sozialversicherungsträger die allgemeine Erfahrung aufdrängen, dass seine Ansprüche oft vorrangig vor anderen befriedigt würden, deren Nichterfüllung für den insolvenzreifen Schuldner weniger gefährlich sei. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO bestehe somit eine Vermutung für die Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Die Hoffnung des Schuldners, er werde demnächst die Außenstände gegenüber seinem Hauptauftraggeber realisieren und dann die Beitragsrückstände begleichen können, schließe seinen Benachteiligungsvorsatz nicht aus. d) Mehrpersonenverhältnisse aa) Angewiesener als Anfechtungsgegner F 92 Der BGH hat sich erstmals in einem grundlegenden Urteil vom 29.11.2007491 mit der Frage befasst, ob bei einer mittelbaren Zuwendung der Angewiesene als Anfechtungsgegner einer Vorsatzanfechtung in Betracht kommt. Nach dem vorausgegangenen Urteil vom 16.9.1999492 konnte der Eindruck entstehen, dies sei nur dann der Fall, wenn der Angewiesene über die Schuldbefreiung gegenüber dem Anweisenden hinaus einen eigenen Vorteil erlangt hat. Denn er führt in diesem Urteil aus, die dem Angewiesenen durch die Verrechnungsabrede zugewachsene Befugnis habe in einer im Wesentlichen formalen Rechtsposition bestanden, die ihm keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil gebracht habe. Im Urteil vom 29.11.2007 bejaht der BGH jedoch die Möglichkeit der Vorsatzanfechtung gegenüber dem Angewiesenen, die zu der ebenfalls möglichen 490 Vgl. dazu noch BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, ZIP 1998, 830 (835). 491 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06 – „Subunternehmer“, BGHZ 174, 314 ff. = MDR 2008, 341. 492 BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98 – „Computeranlage“, BGHZ 142, 284 ff. = MDR 1999, 1463.

510 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 96 F

Vorsatzanfechtung gegenüber dem Zuwendungsempfänger im Verhältnis der Gesamtschuld steht: BGH-Urteil vom 29.11.2007 – BGHZ 174, 314 ff. Die Beklagte schuldete dem Schuldner eine Vergütung für Bewachungsleistun- F 93 gen. Der Schuldner bevollmächtigte seinen Subunternehmer – dem er seinerseits einen bestimmten Betrag für Bewachungsleistungen schuldete – zur Entgegennahme des von der Beklagten zu zahlenden Betrages, da er aufgrund einer nach der Stellung eines Insolvenzantrages erlassenen Verfügungsbeschränkung nicht mehr über sein Bankkonto verfügen konnte. Die Beklagte, die Rechnungen normalerweise über eine Muttergesellschaft beglich, zahlte daraufhin den offenstehenden Betrag in bar an den Subunternehmer. Auf die Revision des Klägers verwies der BGH den Rechtsstreit zurück an das Berufungsgericht. Nach der Grundsatzentscheidung des BGH kann auch der Angewiesene An- F 94 fechtungsgegner im Rahmen einer Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO sein. Die nach § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Rechtshandlung des Schuldners war gegeben, obwohl nicht der Schuldner, sondern dessen Schuldner an den Gläubiger des Schuldners gezahlt hatte. Es lag jedoch eine mittelbare Zuwendung vor, bei welcher der Wille des Schuldners darauf gerichtet ist, den Leistungsgegenstand dem Zuwendungsempfänger auf dem Umweg über eine Mittelsperson zukommen zu lassen.493 Die Rechtshandlung des Schuldners lag nach Ansicht des BGH im konkreten Fall in der mit der Bevollmächtigung des Subunternehmers zur Entgegennahme der ihm gebührenden Zahlung einhergehenden Verrechnungsabrede; diese habe zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Insolvenzgläubiger geführt.494 Die zwischen dem Schuldner und seinem Subunternehmer vereinbarte Mittelbarkeit der Zahlung begründete daher eine inkongruente Deckung mit dem ihr innewohnenden erheblichen Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners.495 Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ist in solchen Fällen im F 95 Deckungsverhältnis (Schuldner – Beklagte) und im Valutaverhältnis (Schuldner – Subunternehmer) einheitlich zu bestimmen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die vom Schuldner bewirkte Vermögensverschiebung auf einem einheitlichen Vorgang beruht; der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bezieht sich auf die spätere Masse, deren Schmälerung sich aus der Perspektive des Valutaverhältnisses nicht anders darstellt als aus der des Deckungsverhältnisses.496 Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Kenntnis des Anfechtungsgeg- F 96 ners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Dessen Kenntnis von der Inkongruenz der Deckung (im Valutaverhältnis) kommt in diesem Zu493 Vgl. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 25 = MDR 2008, 345. 494 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 28 = MDR 2008, 345; vgl. dazu noch BGH v. 16.9.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287). 495 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 33 = MDR 2008, 345; v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, MDR 2002, 1270 = ZIP 2002, 1408 (1412). 496 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 33 = MDR 2008, 345. Schfer

511

F Rz. 96

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

sammenhang nach Ansicht des BGH nicht die ihr sonst innewohnende Indizwirkung zu. Diese Beweiswirkung ist vielmehr im Deckungs- und Valutaverhältnis gesondert zu beurteilen. Wenn sich der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners – wie in dem entschiedenen Fall – aus einer Inkongruenz im Valutaverhältnis ergibt, reicht es nicht aus, dass der Angewiesene von den sie begründenden Umständen weiß; die an die Inkongruenz anknüpfenden Beweiswirkungen muss er sich nicht anrechnen lassen.497 Wenn der spätere Insolvenzschuldner – so der BGH – seine Bank anweise, an einen Dritten zu zahlen, kenne die Bank den Grund dieser Anweisung, das Valutaverhältnis, regelmäßig nicht. Solche Anweisungsfälle seien aus der Sicht des Angewiesenen übliche Geschäftsvorgänge, denen für sich genommen ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht zu entnehmen sei.498 F 97 Im Verhältnis des Schuldners zum Subunternehmer als Zuwendungsempfänger ließen sich die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung leichter dartun, wie sich an einem weiteren Urteil des BGH vom 8.12.2005499 zeigen lässt: BGH-Urteil vom 8.12.2005 – „Zahlungsanweisungsfall“, NJW 2006, 1348 ff. F 98 Der verklagte Sozialversicherungsträger hatte bereits am 6.4.1999 einen ersten Insolvenzantrag gestellt und diesen nach einer Zahlung der Schuldnerin vom 21.4.1999 in Höhe von 70 000 DM auf die bestehenden Rückstände und der Zusage von Ratenzahlungen zurückgenommen. Im Juni 1999 blieben Zahlungen auf die Beitragsschuld aus, weshalb die Beklagte am 9.7.1999 ein Bankkonto der Schuldnerin pfändete. Die Pfändung wurde nach einer Scheckzahlung vom 12.7.1999 in Höhe von 38 000 DM wieder aufgehoben, doch hatte die Bank am Tag der Pfändung die Kreditlinie per 16.8.1999 fällig gestellt. Nach erneuter Pfändung der Beklagten überwies die Schuldnerin dieser am 20.8.1999 weitere 1500 DM. Eine weitere Kontopfändung vom 28.9.1999 blieb aufrechterhalten. Am 14.10.1999 und 30.11.1999 überwies eine Auftraggeberin auf Anweisung der Schuldnerin an die Beklagte letztmalig ca. 30 000 DM und 6000 DM. Auf den Insolvenzantrag eines Dritten hin wurde am 16.12.1999 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. F 99 Der BGH hat die innerhalb des Dreimonatszeitraums der §§ 130, 131 InsO vorgenommenen Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte vom 14.10. und 30.11.1999 als inkongruente Deckungen angesehen. Er verweist auf seine Rechtsprechung, wonach in dem Fall, dass der Schuldner mit einer Zwischenperson vereinbart, diese solle für ihn fällige Beiträge an einen Sozialversicherungsträger entrichten, allein die Mittelbarkeit dieser Zahlung in der Regel eine inkongruente Deckung bewirkt.500

497 498 499 500

BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 35 = MDR 2008, 345. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 37 = MDR 2008, 345. BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, MDR 2006, 953 = NJW 2006, 1348 ff. BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, MDR 2003, 474 = ZIP 2003, 356 (358); vgl. dazu ferner BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. Rz. 23.

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III. Einzelheiten

Rz. 100c F

Hinsichtlich des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners bestätigt F 100 der BGH seine frühere Rechtsprechung501 auch für den Anwendungsbereich der Insolvenzordnung. Danach stellt die Gewährung einer inkongruenten Deckung in der Regel ein starkes Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners dar.502 Die Kenntnis der Beklagten von der Inkongruenz der Zahlungen war ferner ein wesentliches Beweisanzeichen dafür, dass diese die Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin gekannt hatte. bb) Wirtschaftlicher Vorteil des Angewiesenen als Voraussetzung? Während im „Subunternehmerfall“503 der Anfechtungsgegner zumindest noch F 100a den Vorteil der Befreiung von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner erlangt hatte, hat der BGH in einem neueren Urteil vom 26.4.2012504 klargestellt, dass ein eigener (wirtschaftlicher) Vorteil des Leistungsmittlers nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 133 Abs. 1 InsO ist: BGH-Urteil vom 26.4.2012 – BGHZ 193, 129 ff. Die vom Insolvenzverwalter verklagte Steuerberatersozietät hatte für die im Be- F 100b reich der Lagerlogistik tätige Schuldnerin allgemeine wirtschaftliche und steuerrechtliche Beratungsleistungen erbracht. Am 23.12.2003 hatte die Schuldnerin zwei Überweisungen über insgesamt 33 000 Euro an die Beklagte veranlasst, die damit weisungsgemäß offene Beitragsrückstände der Schuldnerin bei verschiedenen Krankenkassen und Lohnforderungen von Arbeitnehmern der Schuldnerin beglich. Kurz zuvor (15.12.2003) war ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt worden. Das Verfahren wurde am 2.3.2004 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser verlangte von der Beklagten (u.a.) die Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten 33 000 Euro. Das Landgericht wies die Klage (insoweit) ab. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Seine Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Anders als das Berufungsgericht hat der BGH die Anwendbarkeit des § 133 Abs. 1 F 100c InsO nicht deshalb verneint, weil die Beklagte nur als Zahlstelle fungiert und – anders als im „Subunternehmerfall“505 – keine Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangt habe. Es genüge vielmehr, dass die Gläubiger des Schuldners das Treuhandguthaben nicht wie dessen Bankguthaben aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen den Schuldner hätten pfänden können, so dass ein Zugriffshindernis entstanden sei.506 Eine gläubigerbenachteiligende Wirkung sei daher 501 Vgl. etwa BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 (308) = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342. 502 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (326) = MDR 1994, 158. 503 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. 504 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff. 505 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. 506 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 12; BGH v. 9.12.1993 – IX ZR 100/93, BGHZ 124, 298 (301). Schfer

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F Rz. 100c

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

nicht erst durch die Weiterleitung der Gelder eingetreten. Zwar sei die Weiterleitung von Treuhandgeldern auf Weisung des Schuldners vielfach als mittelbare Zuwendung gegenüber den begünstigten Insolvenzgläubigern anfechtbar. Diese Deckungsanfechtung schließe aber grundsätzlich die Vorsatzanfechtung gegen den Leistungsmittler nicht aus. Ein uneigennütziger Treuhänder unterliege der Vorsatzanfechtung, wenn er nach Kenntniserlangung von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleite. Im Innenverhältnis schulde der gesamtschuldnerisch mithaftende Zuwendungsempfänger die Rückgewähr allerdings allein; die Regressmöglichkeit des Leistungsmittlers mildere daher dessen Haftungsrisiko in interessengerechter Weise.507 F 100d Kenne der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder sei er über einen Eröffnungsantrag unterrichtet, so wisse er auch, dass Leistungen aus dem schuldnerischen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeiten anderer Gläubiger vereitelten oder zumindest erschwerten oder verzögerten; mithin sei er zugleich regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Bilde.508 Allein aus dem Wissen um tatsächliche Umstände, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit folge, könne (allerdings) nicht in jedem Fall schon die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners abgeleitet werden.509 F 100e Sofern sich die Mitwirkung des Anfechtungsgegners nicht in der Erledigung von Zahlungsvorgängen als bloße Zahlstelle erschöpfe, sondern er über die allgemein geschuldeten Dienstleistungen hinaus im Eigen- oder Fremdinteresse aktiv an einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung des Schuldners teilnehme, könne aus dieser Mitwirkung in Verbindung mit der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes geschlossen werden.510 Bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch Banken handle es sich allerdings um alltägliche Geschäftsvorgänge, denen ein Wille des Überweisenden, seine Gläubiger zu benachteiligen, regelmäßig nicht zu entnehmen sei.511 Der Leistungsmittler erkenne jedoch den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, wenn er bei der Ausführung von Zahlungsaufträgen nicht nur über dessen Zahlungsunfähigkeit unterrichtet sei, sondern im Zuge der Verfolgung von Sonderinteressen in eine vom Schuldner angestrebte Gläubigerbenachteiligung eingebunden sei. Bereits der historische Gesetzgeber habe es als Selbstverständlichkeit betont, dass kollusive Vorgehensweisen der Vorsatzanfechtung unterlägen.512 Eine solche Konstellation ist nach dem Urteil des BGH anzunehmen, wenn es sich um ein zwischen dem Schuldner und dem Leistungsmittler 507 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 15. 508 Vgl. BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 (153); BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZInsO 2010, 807 ff. Rz. 19 ff. 509 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 20; BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZInsO 2009 ff. Rz. 8. 510 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 49a. 511 BGH, 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 24; BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff. Rz. 37. 512 Vgl. Hahn, Materialien zur Konkursordnung, S. 121 (130 f.).

514 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 100g F

mit Rücksicht auf die Zwangslage des Schuldners abgestimmtes, einzelne Gläubiger begünstigendes Zahlungsverhalten handelt („selektive Befriedigung“).513 Es ist somit aus Sicht der Bank zu beachten, dass eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO in Betracht kommt, wenn sie in Abstimmung mit dem Schuldner in dessen Krise Zahlungsaufträge selektiv ausführt oder die Überschreitung der Kreditlinie selektiv duldet, um die Bevorzugung eines bestimmten Gläubigers sicherzustellen.514 Der BGH hat ferner durch Urteil vom 24.1.2013515 nochmals klargestellt, dass F 100f die Vorsatzanfechtung gegenüber einem Leistungsmittler nicht die Anfechtbarkeit der Leistung auch gegenüber dem Leistungsempfänger voraussetzt. Die für die Vorsatzanfechtung von Zahlungen des Schuldners an Dritte gegenüber seiner kontoführenden Bank als Leistungsmittlerin erforderliche Kenntnis der Bank vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners liegt danach nicht allein deshalb vor, weil die Bank die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kennt. In einem weiteren Urteil vom 13.6.2013516 hat der BGH bekräftigt, dass auch im Fall der Kenntnis der Bank von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eine Vorsatzanfechtung gegenüber der Bank regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn sie lediglich als Zahlstelle die Erledigung von Aufträgen des Schuldners gemäß § 675o BGB zahlungstechnisch umsetzt. Das Kreditinstitut kenne den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nur dann, wenn es nicht nur über dessen Zahlungsunfähigkeit unterrichtet, sondern im Zuge der Verfolgung eigener Interessen in eine vom Schuldner angestrebte Gläubigerbenachteiligung eingebunden sei.517 Das Oberlandesgericht Stuttgart hat nach der Zurückverweisung des BGH im Verfahren IX ZR 11/12 entschieden, dass es anfechtungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn die Bank bei einem Überschreiten der Kreditlinie zunächst sämtliche Lastschriften zu Lasten des Kontos buche und im Anschluss daran am Folgetag diejenigen Lastschriften zurückbuche, die zu einer Überschreitung der Kontokorrentkreditlinie geführt hätten, oder wenn sie nicht automatisiert, sondern auf konkrete Anweisung des Schuldners einzelne Rückbuchungen vornehme.518 In einem neueren Urteil vom 25.4.2013519 hat der BGH entschieden, dass die F 100g Vorsatzanfechtung auch gegenüber einem Versicherungsmakler als zweitem Leistungsmittler begründet sein kann. Im konkreten Fall hatten die Schuldnerin und die verklagte Versicherungsmaklerin vereinbart, dass die Beklagte die Versicherungsprämien monatlich vom Konto der Schuldnerin einziehen und quartalsweise an die Versicherung weiterleiten sollte. Der BGH bekräftigt seine Rechtsprechung, wonach bereits die Weggabe des Geldes an den Leistungsmitt-

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BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 27. Vgl. K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 92. BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 ff. BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff. BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, Rz. 25; v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 ff. Rz. 32. 518 OLG Stuttgart v. 12.6.2013 – 9 U 37/13, ZIP 2013, 1779 ff. 519 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 ff. = WM 2013, 1044 ff. m. Anm. E. Wagner, WuB VI A § 133 InsO 12.13. Schfer

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F Rz. 100g

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

ler die Gläubiger benachteiligt.520 Denn es hätten sich Schwierigkeiten ergeben können, den Verbleib der Gelder aufzuklären und zur Masse zurückzuführen. Sei der Leistungsmittler allerdings in der Funktion als Zahlstelle gesetzlich verpflichtet, Zahlungsaufträge des Schuldners auszuführen, könne eine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nur unter besonderen Voraussetzungen bejaht werden.521 Im Streitfall habe die Beklagte dagegen erheblichen eigenen Handlungsspielraum in Anspruch genommen und sei dadurch selbst in die Gläubigerbenachteiligung eingebunden gewesen. F 100h Ein weiteres Urteil des BGH zur Vorsatzanfechtung in sogenannten „Mehrpersonenverhältnissen“ vom 22.11.2012522 betrifft Beitragszahlungen eines insolventen Arbeitgebers an eine Krankenkasse für die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherten Arbeitnehmer: BGH-Urteil vom 22.11.2012 – ZIP 2013, 81 ff. F 100i Die Schuldnerin entrichtete Beiträge für die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherten Arbeitnehmer zusammen mit den Beiträgen für die pflichtversicherten Beschäftigten unmittelbar an die verklagte Krankenkasse. Die Beiträge wurden von der Schuldnerin ab November 2004 nicht mehr gezahlt, weshalb die Beklagte im Dezember 2005 einen Insolvenzantrag stellte. Die Schuldnerin überwies daraufhin am 1.2.2006 die rückständigen Beiträge an die Beklagte, wovon 6519,96 Euro auf die freiwillig Versicherten entfielen. Die Beklagte erklärte daraufhin ihren Insolvenzantrag für erledigt. Auf den Antrag einer anderen gesetzlichen Krankenkasse vom 5.4.2006 wurde am 2.5.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach entsprechender Aufforderung des Insolvenzverwalters gewährte die Beklagte die am 1.2.2006 gezahlten Beiträge der pflichtversicherten Beschäftigten zurück, lehnte jedoch die Rückgewähr der Beiträge für die freiwillig Versicherten ab. Die deswegen erhobene Klage des Insolvenzverwalters hatte in allen drei Instanzen Erfolg. F 100j Das Berufungsgericht war zutreffend davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber die Beiträge freiwillig Versicherter – anders als jene der pflichtversicherten Arbeitnehmer – nach den §§ 250 Abs. 2, 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V sowie den §§ 59 Abs. 4 Satz 1, 60 Abs. 1 SGB XI nicht selbst schuldet, so dass von der Tilgung einer fremden Schuld durch die Insolvenzschuldnerin auszugehen war. Der BGH stellt ferner klar, dass keine Leistungskette gegeben war, da durch ein und dieselbe Rechtshandlung – für die Beklagte erkennbar – sowohl die Beitragsschuld ihrer freiwillig versicherten Beschäftigten als auch die Verpflichtung im Deckungsverhältnis zu den Beschäftigten erfüllt wurde.

520 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 f. Rz. 17; 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 9. 521 BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 ff. Rz. 30; v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. Rz. 22 ff.; v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 ff. Rz. 30 ff. 522 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12 – „freiwillige Krankenversicherung“, ZIP 2013, 81 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 100m F

Da keine Doppelinsolvenz vorlag, stellte sich nach Ansicht des BGH die Frage F 100k des Vor- und Nachrangs zwischen der besonderen Insolvenzanfechtung (§§ 130, 131 InsO) und der Vorsatzanfechtung nicht.523 Weder systematische Erwägungen noch die Interessenabwägung im Drei-Personen-Verhältnis führten dazu, die Vorsatzanfechtung gegen den Gläubiger durch den Insolvenzverwalter des Leistungsmittlers auszuschließen oder zu beschränken. Nach der Rückgewähr der Beiträge der freiwillig Versicherten richte sich die Beziehung zwischen der Beklagten und ihren freiwillig Versicherten nach Beitragsrecht. Dies setze voraus, dass die Beitragsansprüche der Beklagten gemäß § 144 Abs. 1 InsO wieder auflebten. Diese Bestimmung gelte auch im anfechtungsrechtlichen Drei-Personen-Verhältnis.524 Die freiwillig Versicherten trügen dadurch mittelbar ein ähnliches Insolvenz- F 100l risiko wie im Falle der Anfechtung der im Deckungsverhältnis erlangten Beitragbefreiung durch den Insolvenzverwalter des Arbeitgebers. Es könne deshalb gerechtfertigt sein, auch ihre Forderung gegen den Arbeitgeber als Insolvenzforderung entsprechend § 144 Abs. 1 InsO wieder aufleben zu lassen.525 Zu bedenken sei allerdings, dass die Leistung des Arbeitgebers im Deckungsverhältnis unanfechtbar oder nicht mehr anfechtbar sein könne, die erlangte Beitragsfreiheit der Arbeitnehmer aber gleichwohl unter dem Insolvenzrisiko ihres Leistungsmittlers stehe. Diesen wirtschaftlichen Nachteil habe das Urteil des BGH vom 24.9.1962526 bei Prüfung der besonderen Konkursanfechtung ausdrücklich als ungerechtfertigt bezeichnet. Er sei dennoch auf die hier gegebene Vorsatzanfechtung nicht übertragbar. Der freiwillig versicherte Arbeitnehmer gehe ein vermeidbares insolvenzrechtliches Risiko ein, wenn er die Abführung der von ihm geschuldeten Beiträge den Rechtshandlungen des Arbeitgebers überlasse. Auch die Beklagte sei nicht schutzwürdig; sie treffe nach dem Wiederaufleben ihrer Ansprüche gemäß § 144 Abs. 1 InsO das allgemeine Durchsetzungsrisiko gegenüber den Beitragsschuldnern, das sie nach der gesetzlichen Regelung zu tragen habe.527 Das Urteil des BGH löst erhebliches Unbehagen aus, weil es den Arbeitneh- F 100m mern in der Praxis nicht möglich sein dürfte, das Risiko der Insolvenz ihres Arbeitgebers zu vermeiden. Vor allem aber führt die Anfechtung gegenüber der Krankenkasse im Ergebnis dazu, dass die Befreiung der Beschäftigten von der Beitragsschuld entfällt, obwohl im Verhältnis zwischen ihnen und dem Arbeitgeber möglicherweise keine Anfechtbarkeit gegeben ist, etwa weil die Voraussetzungen eines Bargeschäfts gemäß § 142 InsO gegeben sind.528 Es stellt sich daher die Frage, ob eine Vorsatzanfechtung gegenüber dem Leistungsmittler einschränkungslos möglich ist oder ob es in dem vom BGH entschiedenen Fall 523 Vgl. dazu BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 38. 524 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. Rz. 12; v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (48); MK-InsO/Kayser, § 144 Rz. 7a. 525 Vgl. OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 (290); MK-InsO/Kayser, § 144 Rz. 7a. 526 BGH v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (48). 527 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. Rz. 14. 528 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, ZIP 2014, 1491 ff.; Schönfelder, WuB VI A. § 133 InsO 5.13. Schfer

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F Rz. 100m

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

an der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen „Rechtshandlung des Schuldners“ fehlt, weil die Zahlung des Arbeitgebers aufgrund der zwischen den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen als Rechtshandlung des Arbeitnehmers anzusehen und somit nicht von einer mittelbaren Zuwendung, sondern von einer Leistungskette auszugehen ist. Möglicherweise ist eine mittelbare Zuwendung zu verneinen, wenn keine „echte“ Leistung des Schuldners auf fremde Schuld im Sinne des § 267 BGB gegeben ist, weil der Schuldner zugleich auch auf eine eigene Schuld (gegenüber dem Drittschuldner) geleistet hat. Zumindest aber stellt sich die Frage, ob § 144 Abs. 1 InsO in jedem Fall auch im Mehrpersonenverhältnis anwendbar ist oder ob seine Anwendung ausscheidet, wenn andernfalls die Unanfechtbarkeit im Deckungsverhältnis (konkret: zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer) in Frage gestellt würde. e) Darlegungs- und Beweislast F 101 Der Insolvenzverwalter hat die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO nachzuweisen. Er hat somit darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Gläubiger durch eine Rechtshandlung des Schuldners, die innerhalb der letzten zehn bzw. vier Jahre vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach vorgenommen wurde (vgl. § 140 InsO), unmittelbar oder mittelbar benachteiligt wurden. Gegebenenfalls obliegt ihm auch der Nachweis der Kausalität zwischen der Rechtshandlung des Schuldners und der Benachteiligung der Gläubiger.529 Dem Insolvenzverwalter obliegt ferner die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners und der entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung. F 102 Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten kommen dem Insolvenzverwalter dabei die bereits oben erwähnten Beweiserleichterungen zugute. Diese ergeben sich insbesondere aus den in der Rechtsprechung entwickelten Beweisanzeichen, die für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners sprechen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH die Tatsachen, aus denen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Vorsatzanfechtung gefolgert werden können, keine Vermutung begründen, sondern nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung durch den Tatrichter nicht entbehrlich machen.530 F 103 Der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO hat allerdings eine Umkehr der Beweislast zur Folge. Beweist der Insolvenzverwalter, dass der andere Teil tatsächliche Umstände kannte, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinwiesen, spricht eine tatsächliche und widerlegliche Vermutung dafür, dass er auch die (drohende) Zahlungsunfähigkeit kannte. Zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO muss der Anfechtungsgegner alsdann konkrete Umstände darlegen und bewei529 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 59. 530 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 526 ff.; v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZInsO 2009, 2148 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 103a F

sen, die es naheliegend erscheinen lassen, dass ihm der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war.531 Der Anfechtungsgegner muss die für die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sprechenden Umstände indes lediglich erschüttern, um dem Insolvenzverwalter die Beweiserleichterung zu nehmen.532 Zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO genügt es daher, wenn konkrete Umstände dargelegt werden, die es nahe liegend erscheinen lassen, dass dem Anfechtungsgegner der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war. Um einen solchen Umstand kann es sich bei einem ernsthaften Sanierungsversuch handeln, und zwar auch dann, wenn nicht alle Gläubiger zugestimmt haben. Die für einen ernsthaften Sanierungsversuch erforderliche Zustimmungsquote hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.533 In dem Spezialfall, dass der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt hatte, wird nach der Neufassung des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Stützt sich der Insolvenzverwalter zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des F 103a Schuldners auf ein oder mehrere Beweisanzeichen und auf die im Fall einer Zahlungseinstellung bestehende gesetzliche Vermutung, ist im Rahmen des Prozessrechts auf Antrag des Anfechtungsgegners zur Entkräftung der Beweisanzeichen und zur Wiederlegung der Vermutung durch einen Sachverständigen eine Liquiditätsbilanz erstellen zu lassen.534 Den nachträglichen Wegfall einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit und der entsprechenden Kenntnis des Anfechtungsgegners hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft.535 Hatte der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, muss der Anfechtungsgegner darlegen und beweisen, dass der Schuldner die Zahlungen im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung allgemein wieder aufgenommen hatte. Allein die Tatsache, dass über die Verbindlichkeit des Schuldners eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde und der Schuldner die vereinbarten Raten zahlte, genügt hierfür in der Regel selbst dann nicht, wenn die Zahlungseinstellung maßgeblich aus der Nichtbedienung dieser Verbindlichkeit abgeleitet wurde.536 Den über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterrichteten Anfechtungsgegner trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, spätere Zahlungen des Schuldners auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erlangt zu haben.537

531 Vgl. BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 173/07, ZIP 2009, 2253 ff. Rz. 10; v. 24.5.2007 – IX ZR 97/06, MDR 2007, 1221 = ZIP 2007, 1511 ff.; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 76. 532 Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 47. 533 BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 176/08, veröffentlicht bei juris. 534 BGH v. 26.3.2015 – IX ZR 134/13, ZIP 2015, 1077 ff. 535 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 ff.; v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 33; v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (188); v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (109). 536 BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 242/13, ZIP 2016, 874 ff. 537 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1251 ff. Rz. 23; v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 ff. Rz. 40; v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 33; Gehrlein, WM 2011, 577 (578 f.). Schfer

519

F Rz. 103b

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

F 103b Ficht der Insolvenzverwalter Deckungshandlungen an, die der Schuldner außerhalb des Dreimonatszeitraums der Deckungsanfechtung zugunsten einer ihm nahestehenden Person (§ 138 InsO) vorgenommen hat, so muss die nahestehende Person nicht beweisen, dass ihr ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, unbekannt war. Bei Prüfung dieser Kenntnis hat der Tatrichter die Nähe zum Schuldner im Vornahmezeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung aber als Indiz zu würdigen.538 Eine Person kann einer juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtsperson auch nahestehen, wenn ihr als freiberuflicher oder gewerblicher Dienstleister (konkret: Steuerberater) alle „über“ die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsgang zufließen, so dass sie über den gleichen „Wissensvorsprung“ verfügt, den sonst ein mit der Aufgabe befasster leitender Angestellter des Schuldnerunternehmens hätte (ausgelagerte Buchhaltung).539 2. § 133 Abs. 2 InsO – Verkürzter Anfechtungszeitraum bei Deckungshandlungen F 103c

Durch das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG“ wurde der Anfechtungszeitraum bei (kongruenten und inkongruenten) Deckungshandlungen auf vier Jahre verkürzt. Deckungshandlungen sind nach der Gesetzesbegründung Erfüllungsleistungen, die nach ihrer äußeren Erscheinungsform nicht ohne weiteres den Verdacht begründen, anderen Gläubigern werde in ungebührlicher Weise die Haftungsgrundlage entzogen.540 Dabei wird in der Gesetzesbegründung betont, dass sich dadurch für die paradigmatischen Fälle der Vorsatzanfechtung – wie z.B. die Rückgängigmachung von Bankrotthandlungen und Vermögenverschiebungen – keine Änderungen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage ergäben.541 Mit den Änderungen soll die Planungssicherheit für den Wirtschaftsverkehr erhöht und die Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen maßvoll zurückgenommen werden. Für alle sonstigen Rechtshandlungen verbleibt es bei dem bisherigen zehnjährigen Anfechtungszeitraum. Damit wird nach der Gesetzesbegründung sichergestellt, dass etwa nachteilige Vereinbarungen gerade für den Insolvenzfall und Vermögenverschiebungen weit im Vorfeld der Krise nicht generell anfechtungsfest sind.542

F 103d Die Beschränkung des Anfechtungszeitraums auf vier Jahre gilt nach dem Wortlaut des § 133 Abs. 2 InsO für die Fälle, in denen „dem anderen Teil“ eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wurde. Insoweit ist aus dem systematischen Zusammenhang mit den §§ 130, 131 InsO wohl zu schließen, dass die Einschränkung nur bei Deckungen im Sinne der §§ 130, 131 InsO gilt, also nur dann, wenn ein Insolvenzgläubiger befriedigt oder besichert wurde. Dies

538 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11 – „ausgelagerte Buchhaltung“, ZIP 2012, 2449 ff., 1. Leitsatz. 539 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, ZIP 2012, 2449 ff., 2. Leitsatz. 540 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 10. 541 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 13. 542 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 18.

520 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 103g F

kann etwa bei Anweisungsfällen und bei der Anfechtung in der Insolvenz des Leistungsmittlers (der an den Gläubiger eines anderen leistet) relevant werden.543 3. § 133 Abs. 3 InsO – Eingeschränkte Anfechtbarkeit bei kongruenten Deckungshandlungen und Zahlungserleichterungen a) Gesetzeszweck In der Gesetzesbegründung ist von einer „überbordenden Komplexität“ der Vor- F 103e satzanfechtung die Rede, wobei den Boden für diese Ausweitung die höchstrichterliche Rechtsprechung bereitet habe, indem sie die Anforderungen an den Nachweis des auf Tatbestandsseite vorausgesetzten Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes herabgesetzt habe.544 Infolge dieser Entwicklung würden vermehrt auch Erfüllungsleistungen der Anfechtung unterworfen, die von ihrer äußeren Erscheinungsform her nicht ohne weiteres den Verdacht begründeten, anderen Gläubigern werde in ungebührlicher Weise die Haftungsgrundlage entzogen. Unklar seien auch die Voraussetzungen, unter denen der Austausch gleichwerti- F 103f ger Leistungen von einer Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ausgenommen sei. Nach der Rechtsprechung des BGH könne ein bargeschäftsähnlicher Austausch zwar gegen das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes sprechen, wenn die Gegenleistung, die in das Vermögen des Schuldners gelangt sei, für die Fortführung des Unternehmens notwendig sei und den Gläubigern im Allgemeinen nutze.545 Dem bargeschäftsähnlichen Austausch komme insoweit aber nur der Stellenwert eines „entkräftenden“ Beweisanzeichens zu, dessen Voraussetzungen der Anfechtungsgegner darlegen und gegebenenfalls beweisen müsse. Die Beweiskraft dieses Beweisanzeichens solle überdies entfallen, wenn der Schuldner wisse, dass mit der Fortführung des Unternehmens weitere Verluste anfielen, die für die Gläubiger auch auf längere Sicht ohne Nutzen seien.546 Da es im Vorlauf zu den meisten Verfahrenseröffnungen zur Fortschreibung von Verlusten kommen dürfte, sei unklar, ob und unter welchen Voraussetzungen der bargeschäftsähnliche Austausch unter diesen Rechtsprechungsgrundsätzen noch einer Vorsatzanfechtung entgegenstehe.547 An diesen Befund knüpfe sich die rechtspolitische Forderung, durch gesetzgebe- F 103g rische Korrekturen und Klarstellungen dafür Sorge zu tragen, dass sich der Ausgang von Anfechtungsstreitigkeiten auch auf der Ebene der Instanzgerichte und im Wege der außergerichtlichen Verhandlungen künftig wieder mit einem für praktische Bedürfnisse verträglichen Grad an Sicherheit prognostizieren lasse.548 543 Vgl. Kayser/Thole, § 133 Rz. 40. 544 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 10 mit Hinweis auf Bork, ZIP 2008, 1041 (1044 ff.) u. Fischer, NZI 2008, 588 ff. 545 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 11 mit Hinweis auf BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13 Rz. 44. 546 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 11 mit Hinweis auf BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, Rz. 25. 547 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 11. 548 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 11. Schfer

521

F Rz. 103h

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

b) Einzelheiten aa) § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO F 103h Nach der Neuregelung des § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO knüpft die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO bei kongruenten Rechtshandlungen nunmehr an die Kenntnis der eingetretenen – statt bisher der nur drohenden – Zahlungsunfähigkeit an. Die gesetzliche Vermutung soll erst eingreifen, wenn der Anfechtungsgegner bei der Vornahme der Rechtshandlung die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte.549 Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine geschuldete Leistung erbracht wird und der Schuldner vor dem Eintritt der Insolvenz grundsätzlich frei ist zu entscheiden, welche Forderungen er erfüllt.550 In diesem Fall rechtfertigt die Kenntnis der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit daher den Schluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht.551 bb) § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO F 103i § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO enthält nach der Gesetzesbegründung eine wichtige Klarstellung für die praktisch bedeutsame Fallgruppe der Zahlungserleichterung. Hatte der Anfechtungsgegner mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Damit soll die in Teilen der Wirtschaft verbreitete und bewährte Praxis, mit Schuldnern bei vorübergehenden Liquiditätsschwierigkeiten einen Zahlungsaufschub oder Ratenzahlungen zu vereinbaren und diesen damit eine Art Überbrückungsfinanzierung zu gewähren, auf rechtssicheren Boden gestellt werden. Darüber hinaus werde denjenigen Gläubigern Rechtssicherheit verschafft, die im Rahmen der Durchsetzung ihrer Forderung auf eine gütliche Erledigung bedacht seien und auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen (vgl. etwa § 802b ZPO, §§ 222, 258 AO, § 76 SGB IV, § 42 StGB, § 459a StPO) mit dem Schuldner Zahlungsvereinbarungen träfen oder diesem in anderer Weise Zahlungserleichterungen gewährten.552 F 103j Hinter der Neuregelung steht der – fragwürdige – Gedanke, dass die mit einer Stundungs- oder Ratenzahlungsbitte dem Gläubiger offenbar werdende Liquiditätslücke mit Gewährung der Stundung respektive Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung beseitigt sein werde. Bei der Feststellung der Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit seien Forderungen, die rechtlich oder tatsächlich gestundet seien, nicht zu berücksichtigen.553 Ein Gläubiger, der einer Stundungs- oder Ratenzahlungsbitte seines Schuldners entspreche, habe daher grundsätzlich keinen Anlass, von der Insuffizienz des schuldnerischen Vermögens

549 550 551 552 553

Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 18. Vgl. dazu BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. Rz. 23. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 18. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 18. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 18 mit Hinweis auf BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. Rz. 29.

522 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 103l F

auszugehen. Nur in letzterer Hinsicht – also bezogen auf die Sicht des Anfechtungsgegners – kann der Gesetzesbegründung im Grundsatz zugestimmt werden.554 Zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO muss der Insol- F 103k venzverwalter konkrete Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen, die darauf schließen lassen, dass dem Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung doch bekannt war. Die Vermutung hat vor diesem Hintergrund die Wirkung, dass der Insolvenzverwalter den ihm ohnehin obliegenden Beweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die dieser Gewährung typischerweise zugrunde liegende Bitte des Schuldners stützen kann. In der Gesetzesbegründung werden ferner bestimmte Umstände genannt, die trotz der Vermutung des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO für die Kenntnis des Anfechtungsgegners sprechen können. Als Beispiele werden etwa das Nichteinhalten einer Ratenzahlungsvereinbarung, anwachsende Zahlungsrückstände, die Kenntnis weiterer Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern und die Erklärung des Schuldners, einen erheblichen Teil seiner fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllen zu können, genannt. Von Bedeutung kann es nach der Gesetzesbegründung auch sein, ob der Anfechtungsgegner Grund zur Annahme hat, der Schuldner werde bis zuletzt nur seine Forderung (und nicht die anderer Gläubiger) bedienen (bspw. bei Näheverhältnis, Großgläubigerstellung).555 Die Vermutung, dass derjenige, der eine Zahlungserleichterung gewährt, die F 103l Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kennt, geht an der Wirklichkeit vorbei und vermag daher nicht zu überzeugen.556 Denn die Bitte des Schuldners um Zahlungserleichterung ist vielfach gerade ein Anzeichen dafür, dass der Gläubiger von Zahlungschwierigkeiten seitens des Schuldners ausgeht. Die mit der Neuregelung eingeführte Vermutung dürfte daher recht leicht zu widerlegen sein. Die Neuregelung stellt für einen Teil der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO (… der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte …“) eine Art „Gegenvermutung“ auf. Dies fügt sich nicht in die Gesetzessystematik ein.557 Für eine Verlagerung der Beweislast auf den Insolvenzverwalter besteht weder Anlass noch Raum.558 Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates klargestellt, was mit der Neuregelung eigentlich gewollt ist: Die Vermutung soll lediglich bewirken, dass der Verwalter den ihm obliegenden Beweis weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die dieser Gewährung typischerweise zugrunde liegende Bitte des Schuldners stützen kann.559 Es wäre daher eine Regelung vorzuziehen gewesen, wonach die Kenntnis des anderen Teils von der Zahlungsunfähigkeit des

554 555 556 557 558 559

Vgl. dazu B. Schäfer, ZInsO 2016, 2467 (2468). Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 18/7054, S. 18. Zutr. Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001; Ganter, WM 2015, 2117 (2119 f.). Zutr. Stellungnahme des Bundesrates v. 27.11.2015, ZInsO 2015, 2525 (2526). Vgl. Klinck, DB 2016, 634 (639). BT-Drucks. 18/7054, S. 32. Schfer

523

F Rz. 103l

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

Schuldners nicht schon dann zu vermuten ist, wenn er mit dem Schuldner eine Zahlungserleichterung vereinbart hat.560 F 103m Es ist zu beachten, dass die Vermutung des § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht nur den Zeitpunkt des Abschlusses der Zahlungsvereinbarung bzw. der Gewährung der Zahlungserleichterung, sondern auch den Zeitraum bis zur Vornahme der Rechtshandlung erfasst. In diesem Zeitraum können aber selbstverständlich weitere Umstände eintreten, die den Schluss auf die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nahelegen. F 103n Hätte man den Wortlaut des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ernst genug genommen, so hätte es einer Vermutung im Sinne des neuen § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht bedurft. Die dort geregelte Kenntnisvermutung setzt nach dem Gesetzeswortlaut nicht nur die Kenntnis des Anfechtungsgegners voraus, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte; erforderlich ist nach dem Gesetzeswortlaut zudem dessen Wissen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung („wusste“), dass die Handlung die Gläubiger „benachteiligte“ (nicht: „künftig benachteiligen werde“). Die nach dem Wortlaut des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO neben der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderliche Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung kann aber genau genommen nicht vorliegen, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nur drohte.561 Denn in diesem Fall ist der Schuldner zu dem für die Kenntnis maßgebenden Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung noch in der Lage, alle seine Gläubiger zu befriedigen. Daran ändert es nichts, dass für § 133 Abs. 1 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt. Man kann keine sichere bzw. „positive“ Kenntnis562 von einer Gläubigerbenachteiligung haben, die erst noch von dem Eintritt künftiger Umstände abhängt.563 Auch der nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist im Grundsatz nicht gegeben, wenn er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung noch in der Lage ist, alle seine Gläubiger zu befriedigen. In der Gesetzesbegründung zu § 133 Abs. 1 InsO ist ausdrücklich festgehalten, dass die – weiterhin erforderliche – Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners jedoch vermutet werde, wenn dieser gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gedroht habe.564 § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO bezieht sich somit lediglich auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners. Die Vermutung auch auf die subjektiven Voraussetzungen anzuwenden, die das Gesetz beim Schuldner für die Anfechtung voraussetzt, ist nicht zulässig.565

560 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2015, 2104 (2105); in diesem Sinne auch die Stellungnahme des Bundesrates v. 27.11.2015, ZInsO 2015, 2525 (2526). 561 Vgl. dazu B. Schäfer, ZInsO 2016, 2467 (2469). 562 Vgl. BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 28/12, NZI 2013, 253 ff. 563 So BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (322 ff.) u. BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 (79) zur mittelbaren Gläubigerbenachteiligung. 564 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 565 Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 53.

524 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 105 F

Die Argumentation des BGH, wonach gemäß § 133 Abs. 1 InsO ein Handeln des F 103o Schuldners mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz schon dann zu vermuten sei, wenn er seine drohende Zahlungsunfähigkeit kenne und dass sich dies mittelbar aus § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ergebe, da hinsichtlich des Vorsatzes des Schuldners keine strengeren Anforderungen gelten könnten, als für den anderen Teil,566 ist somit auf einen in sich unstimmigen Gesetzestext gestützt. Sie sollte daher aus den oben genannten Gründen aufgegeben werden. Derjenige, der gegenüber einem bestimmten Gläubiger erklärt, seine fälligen Verbindlichkeiten ohne die Gewährung von Ratenzahlungen nicht begleichen zu können, räumt zwar ein, ohne das Entgegenkommen des Gläubigers zahlungsunfähig zu sein. Zu der Frage, was gilt, wenn der Anfechtungsgegner seinem Wunsch nachkommt, sagt er mit der Äußerung, seine Verbindlichkeiten anders nicht begleichen zu können, nichts. Beim Fehlen jeglicher sonstiger Anhaltspunkte wird der Anfechtungsgegner somit zu Recht annehmen, der Schuldner werde zur Begleichung seiner fälligen Verbindlichkeiten in der Lage sein, wenn er ihm wunschgemäß die Möglichkeit gibt, die bestehenden Verbindlichkeiten durch konkret angebotene monatliche Teilzahlungen zu begleichen.567 4. § 133 Abs. 4 InsO – Entgeltliche Verträge mit nahestehenden Personen im Sinne des § 138 InsO § 133 Abs. 2 InsO sieht für die – früher in § 31 Nr. 2 KO geregelte – Anfechtbar- F 104 keit entgeltlicher, die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligender Verträge des Schuldners mit nahestehenden Personen im Sinne des § 138 InsO weitere Verschärfungen vor. Die Beweislast wird nicht nur hinsichtlich der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern auch hinsichtlich des Zeitpunkts umgekehrt, zu dem der Vertrag abgeschlossen wurde; dadurch soll der Gefahr betrügerischer Rückdatierungen begegnet werden.568 Wegen der besonderen Verdächtigkeit der von § 133 Abs. 2 InsO erfassten Verträge erschien es dem Gesetzgeber ferner gerechtfertigt, den ebenfalls vom Zeitpunkt des Eröffnungsantrags an zurückzurechnenden Anfechtungszeitraum auf zwei Jahre auszudehnen.569 Der Kreis der beweisbelasteten Personen wurde gegenüber dem Konkursrecht er- F 105 heblich erweitert. Denn der Verdacht, dass der Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt und der Vertragspartner davon Kenntnis gehabt hat, besteht nicht nur gegenüber nahen Angehörigen im Sinne des § 31 Nr. 2 KO, sondern gegenüber all denjenigen Personen, die dem Schuldner aus den in § 138 InsO genannten – persönlichen, gesellschaftsrechtlichen oder sonstigen – Gründen zur Zeit des Vertragsabschlusses nahestanden.570

566 BGH v. 6.1.2015 – IX ZR 203/12, ZIP 2015, 437 ff. Rz. 12; v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff. Rz. 14. 567 Vgl. dazu näher B. Schäfer, ZInsO 2016, 2467 (2468). 568 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160; Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 55. 569 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 570 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. Schfer

525

F Rz. 106

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

F 106 § 133 Abs. 2 InsO enthält nach herrschender Auffassung keinen selbständigen Anfechtungstatbestand, sondern eine Erweiterung des § 133 Abs. 1 InsO.571 Entgeltliche Verträge mit nahestehenden Personen können daher auch nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sein. Eine nur mittelbare Gläubigerbenachteiligung reicht im Rahmen des § 133 Abs. 2 InsO nicht aus.572 Mit der Umkehr der Beweislast erleichtert die Bestimmung den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners und der Kenntnis des Anfechtungsgegners. Die Beweislastumkehr bezieht sich nicht nur auf die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes, sondern auch auf diesen selbst.573 a) Entgeltlicher Vertrag F 107 § 133 Abs. 2 InsO setzt den Abschluss eines entgeltlichen Vertrages zwischen dem Schuldner und der ihm nahestehenden Person im Sinne des § 138 InsO voraus; die Erfüllung einer bereits bestehenden Verbindlichkeit ist kein solcher Vertrag.574 Ist ein unentgeltlicher Vertrag gegeben, kommt die Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht. F 108 Der Vertragsbegriff im Sinne des § 133 Abs. 2 InsO ist – ebenso wie jener im Sinne des § 31 Nr. 2 KO – weit auszulegen.575 Es genügt auch ein nicht rechtsgeschäftlicher, auf wechselseitiger Willensübereinstimmung beruhender Erwerbsvorgang. Die Bestimmung erfasst daher bei einverständlichem Zusammenwirken zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.576 F 109 Entgeltlich im Sinne des § 133 Abs. 2 InsO sind Verträge, bei denen der Leistung des Schuldners eine ausgleichende Zuwendung der ihm nahestehenden Person gegenübersteht und beide rechtlich voneinander abhängen. Auch reine Erfüllungsgeschäfte werden nach herrschender Auffassung zu den entgeltlichen Verträgen gerechnet, sofern ihnen ein entgeltlicher Vertrag zugrunde liegt. Bei ihnen besteht das „Entgelt“ in der Befreiung von der Schuld.577 F 110 Von Entgeltlichkeit ist immer dann auszugehen, wenn der Schuldner irgendeine Gegenleistung im weiteren Sinne erhält, wofür eine Zahlungserleichterung, Stundung, Kreditgewährung, Herabsetzung des Zinsfußes oder der Verzicht auf die Rechte aus einer Kündigung genügt. Als Gegenleistung kommt im Grundsatz jeder wirtschaftliche Vorteil in Betracht.578 571 Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 55; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 183; MK-InsO/ Kayser, § 133 Rz. 39. 572 Uhlenbruck/Hirte, § 133 Rz. 192; HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 31. 573 Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 55; HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 33. 574 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, ZIP 2012, 2449 ff. Rz. 7. 575 BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, ZIP 2010, 1702 ff. Rz. 9; MK-InsO/Kayser, § 133 Rz. 40: K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 84. 576 Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 55; HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 31. 577 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, ZIP 2014, 1491 ff. Rz. 47; v. 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374 ff. Rz. 26; OLG Frankfurt a.M. v. 14.7.2010 – 17 U 239/09, ZIP 2011, 392 ff. Rz. 34 ff. 578 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 Rz. 85 – a.A. Uhlenbruck/Hirte, § 133 Rz. 35.

526 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 113 F

Die nachträgliche Bestellung einer Sicherheit für eine eigene, entgeltlich be- F 111 gründete Verbindlichkeit ist ebenfalls entgeltlich; gleiches gilt für die Verstärkung des Anspruchs durch Schuldanerkenntnis.579 Die Besicherung einer fremden Schuld ist nach einem neueren Urteil des BGH vom 1.6.2006580 hingegen nicht schon deswegen entgeltlich, weil der Sicherungsgeber mit der Gewährung der Sicherheit ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt. Im früheren Urteil vom 19.3.1998581 hatte er noch angenommen, dass die Sicherstellung einer fremden Schuld auch dann entgeltlich sei, wenn dem Sicherungsgeber für seine Leistung die Kreditgewährung an den Dritten versprochen werde, an der er ein wirtschaftliches Interesse habe. Er meint dazu im Urteil vom 1.6.2006, dass er in späteren Entscheidungen auf dieses Merkmal verzichtet habe.582 Es komme nur darauf an, ob der Sicherungsnehmer zugunsten des Sicherungsgebers oder eines Dritten ein Vermögensopfer erbringe.583 b) Unmittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger Die Insolvenzgläubiger des Schuldners müssen durch den Abschluss des ent- F 112 geltlichen Vertrages benachteiligt worden sein, und zwar – anders als bei § 133 Abs. 1 InsO – unmittelbar. Erst später eingetretene Umstände bleiben daher unberücksichtigt. Bei gegenseitigen schuldrechtlichen Verträgen ist daher eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung nur gegeben, wenn der Schuldner eine höherwertige Leistung versprochen hat als sein Vertragspartner.584 Die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger muss objektiv auch tatsächlich eingetreten sein; es reicht nicht, dass sie von den Beteiligten nur gewollt war. Eine im Zusammenhang mit der Aufhebung der Zugewinngemeinschaft vereinbarte Regelung der Vermögensauseinandersetzung und deren dinglicher Vollzug lösen eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung aus.585 c) Anfechtungszeitraum Die Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO kommt nach dessen Satz 2 nur in Be- F 113 tracht, wenn der entgeltliche Vertrag innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach abgeschlossen wurde. Bei Deckungshandlungen, die Sicherung oder Befriedigung gewähren, ist stets darauf zu achten, ob der Anfechtungsgegner bereits außerhalb des Anfechtungszeitraums eine insolvenzfeste Rechtsposition erlangt hatte. Wurde etwa zur Sicherung eines

579 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZInsO 2010, 807 ff.; v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NotBZ 2004, 388 = MDR 2005, 172 = ZInsO 2004, 967 ff.; Jaeger/ Henckel, § 134 Rz. 4. 580 BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. 581 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = NJW 1998, 2592 (2599). 582 Vgl. etwa BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99) = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262. 583 BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. Rz. 14. 584 Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 65. 585 BGH v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, ZIP 2010, 1702 ff. Rz. 9; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 133 Rz. 42. Schfer

527

F Rz. 113

§ 133 InsO – Vorsatzanfechtung

Anspruchs auf Grundstücksübertragung eine Vormerkung eingetragen, so ist keine Anfechtbarkeit gegeben, wenn die Voraussetzungen des analog anwendbaren § 878 BGB schon vor der Zeitspanne des § 133 Abs. 2 Satz 2 InsO vorlagen (§ 140 Abs. 2 Satz 2 InsO).586 d) Darlegungs- und Beweislast F 114 Hat der Insolvenzverwalter den Abschluss eines entgeltlichen Vertrages mit einer nahestehenden Person sowie die dadurch verursachte unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger dargelegt und bewiesen, so werden sowohl der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon gemäß § 133 Abs. 2 InsO gesetzlich vermutet.587 Die nahestehende Person hat daher die Ausnahmetatbestände des § 133 Abs. 2 Satz 2 InsO darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Es trifft sie die volle Darlegungs- und Beweislast sowohl für die Behauptung, der Schuldner habe nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt, als auch für die von ihr behauptete fehlende Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners.588 F 115 Der Insolvenzverwalter muss nicht darlegen und beweisen, dass der entgeltliche Vertrag mit der dem Schuldner nahestehenden Person innerhalb des Zeitraums von zwei Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages abgeschlossen wurde. Dies ergibt sich nach neuem Recht ebenso wie für den Nachweis der fehlenden Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes seitens des anderen Teils aus der Formulierung des § 133 Abs. 2 Satz 2 InsO.589 Es obliegt somit dem Anfechtungsgegner, etwa durch Zeugenbeweis den Nachweis zu erbringen, dass der Vertrag früher als zwei vor der Stellung des Insolvenzantrages abgeschlossen wurde. F 116 Gelingt dem Anfechtungsgegner nur der Beweis, dass der Vertrag früher als zwei Jahre vor der Stellung des Insolvenzantrages abgeschlossen wurde, so bleibt trotz des nicht ganz eindeutigen Wortlauts des § 133 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO möglich. Es kann daher auch ein früher abgeschlossener Vertrag mit einer nahestehenden Person, durch den die Insolvenzgläubiger mittelbar benachteiligt werden, der Anfechtung unterliegen.590

586 Vgl. Jaeger/Henckel, § 133 Rz. 63. 587 BGH v. 20.10.2005 – IX ZR 276/02, NotBZ 2006, 173 = MDR 2006, 594 = ZIP 2006, 387 ff. 588 BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374 ff. Rz. 30; v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, ZIP 2010, 1702 Rz. 11; Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 133 Rz. 60. 589 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 133 Rz. 197. 590 HK-InsO/Thole, § 133 Rz. 34; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 134 Rz. 48.

528 Schfer

G. § 134 InsO – Unentgeltliche Leistung § 134 Unentgeltliche Leistung (1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. (2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar. Rz. I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . .

G1

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

G11

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G19 1. Leistung des Schuldners . . . . . . . . . G19 2. Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . G27 a) Objektive Betrachtungsweise des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G28 b) Zwei-Personen-Verhältnis . . . . . G32 aa) Schenkung. . . . . . . . . . . . . . . G38a bb) Gemischte und verdeckte Schenkung; Teilbarkeit . . . . G39 cc) Irrtumsfälle . . . . . . . . . . . . . . G42a dd) Auszahlung von Scheingewinnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . G43 ee) Weitere Einzelfälle . . . . . . . . G46 c) Mehrpersonenverhältnis . . . . . . G55 aa) Grundsätze der BGHRechtsprechung . . . . . . . . . . G55 bb) Weitere Einzelfälle . . . . . . . . G66 cc) Kritik in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . G70 dd) Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . G83 d) Sicherheitenbestellung . . . . . . . . G84

Rz.

3.

4. 5.

6.

aa) Sicherheit für eigene Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . G85 bb) Sicherheit für fremde Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . G90 cc) Kritische Würdigung der Rechtsprechung zur Nachbesicherung . . . . . . . . G98 Leistungsempfänger; Besonderheiten beim Zuwendungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G104 a) Mittelbare Zuwendung über Mittelsperson . . . . . . . . . . . . . . G105 b) Vertrag zugunsten Dritter, insbesondere Lebensversicherung G107 aa) Unwiderrufliches Bezugsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . G109 bb) Widerrufliches Bezugsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . G113 cc) Bezugsrechtsänderung . . . . G116a Anfechtungszeitraum . . . . . . . . . . G117 Ausnahmetatbestand des § 134 Abs. 2 InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . G120 a) Gesetzeszweck . . . . . . . . . . . . . G121 b) Gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk von geringem Wert . . G122 Darlegungs- und Beweislast . . . . . G124

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes § 134 InsO befasst sich mit der früher in § 32 KO geregelten sogenannten „Schen- G 1 kungsanfechtung“, wobei jedoch in der Überschrift zu § 134 InsO zu Recht von der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen die Rede ist. Auf den Begriff „Schenkungsanfechtung“ hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet, weil der Begriff „unentgeltliche Leistung“ weiter zu verstehen ist als jener der „Schenkung“ im Sinne des § 516 BGB.1 Gleichwohl entspricht § 134 InsO inhaltlich § 32 Nr. 1 KO in der Auslegung durch den BGH,2 so dass die frühere Rechtsprechung auch im Rahmen des § 134 InsO herangezogen werden kann. 1 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160 f. 2 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 2. Schfer

529

G Rz. 2

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

G 2 § 134 InsO bezweckt nicht die Durchsetzung des Prinzips der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger, sondern ist Ausdruck der im bürgerlichen Recht an verschiedenen Stellen zum Ausdruck kommenden Schwäche der Rechtsstellung des Erwerbers einer unentgeltlichen Leistung (vgl. §§ 528, 816 Abs. 1 Satz 2, 822, 988, 2287, 2325, 2329 BGB).3 Die Insolvenzordnung betont in noch stärkerem Maße als die Konkursordnung die geringe Bestandskraft des unentgeltlichen Erwerbs. In den Gesetzesmaterialien wird dieser Umstand als Grund für die Erweiterung des Anfechtungszeitraums auf vier Jahre und die in § 134 Abs. 1 InsO zum Ausdruck kommende Umkehr der Beweislast („es sei denn, …“) für den Zeitpunkt des Rechtserwerbs genannt.4 Die Beweislast für den Zeitpunkt des Rechtserwerbs wurde umgekehrt, um betrügerische Rückdatierungen unschädlich zu machen.5 G 3 Der Gebrauch der Worte „unentgeltliche Leistung“ statt „unentgeltliche Verfügungen“ (vgl. § 32 Nr. 1 und Nr. 2 KO) soll nach der Gesetzesbegründung in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtsauffassung deutlich machen, dass der Tatbestand nicht nur rechtsgeschäftliche Verfügungen im engen materiellrechtlichen Sinne erfasst. Unter § 134 InsO fällt daher auch der Abschluss von Schenkungs- und sonstigen unentgeltlichen Verträgen.6 Insoweit ist jedoch zu beachten, dass Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO im Insolvenzverfahren nur nachrangig geltend gemacht werden können und es somit an der erforderlichen Gläubigerbenachteiligung fehlen kann. Es können insbesondere auch unentgeltlich übernommene Bürgschaften und abstrakte Schuldanerkenntnisse nicht bestehender Verbindlichkeiten derAnfechtung nach § 134 InsO unterliegen.7 Das Anerkenntnis einer entgeltlichen Verbindlichkeit ist dagegen seinerseits entgeltlich.8 Als unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO kommt schließlich auch die Überlassung von Personal durch den Schuldner in Betracht.9 G 4 Im Schrifttum wird auch die neue Begriffsbildung zu Recht als wenig glücklich bezeichnet. Denn die Anfechtbarkeit nach § 134 InsO hängt nicht davon ab, dass ein Schuldverhältnis über die Zuwendung zwischen dem Schuldner und dem Zuwendungsempfänger begründet wurde. Andererseits kann auch die unentgeltliche Begründung eines Schuldverhältnisses selbst der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegen, obwohl dort nur von einer unentgeltlichen Leistung die Rede ist.10

3 Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 49 Rz. 2. 4 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161; BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. Rz. 16 = MDR 2009, 350. 5 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161. 6 HK-InsO/Thole, § 134 Rz. 6; MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 6; HambKomm-InsO/Rogge/ Leptien, § 134 Rz. 3 – a.A. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 37–39. 7 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 6; Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 78. 8 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 10; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 4. 9 Vgl. BGH v. 11.12.2003 – IX ZR 336/01, MDR 2004, 650 = ZIP 2004, 671 ff. 10 Vgl. Henckel, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 840 Rz. 55; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.89.

530 Schfer

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 7 G

Nach der Rechtsprechung des BGH zur Konkursordnung erfasst § 32 KO so- G 5 wohl das Grund- als auch das Erfüllungsgeschäft; Schenkungsversprechen und Vollzug der Schenkung bilden danach zusammen die unentgeltliche Verfügung, so dass es ausreicht, wenn der Vollzug der Schenkung innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgt.11 Im Schrifttum ist streitig, ob auch im Rahmen des § 134 InsO von der Fortgeltung dieser Rechtsprechung auszugehen ist.12 Nach der diese Frage bejahenden Auffassung muss nur ein Schenkungsversprechen, dessen Erfüllung (durch Zwangsvollstreckung) erzwungen wurde, selbst innerhalb der Vierjahresfrist erteilt worden sein, während es ansonsten genügt, dass die Erfüllungshandlung innerhalb des Vierjahreszeitraums vorgenommen wurde.13 § 134 InsO kann mit allen sonstigen Anfechtungstatbeständen konkurrieren, G 6 mit Ausnahme des § 133 Abs. 2 InsO, der einen entgeltlichen Vertrag voraussetzt. Dabei kann die Anfechtung nach den anderen Anfechtungstatbeständen für den Insolvenzverwalter günstiger sein, da sich der Anfechtungsgegner gegenüber dem Anspruch aus § 134 InsO auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO berufen kann, sofern er nicht wusste oder den Umständen nach wissen musste, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligte.14 Insbesondere die Erfüllung einer unentgeltlich begründeten Verpflichtung kann sowohl nach den §§ 130 ff. InsO als auch nach § 134 InsO angefochten werden. Dies ergibt sich bereits aus den unterschiedlichen Gesetzeszwecken, die mit der Deckungsanfechtung und der Anfechtung nach § 134 InsO verfolgt werden.15 Der BGH ist allerdings in einem Urteil vom 15.3.197216 für den Fall der Gewäh- G 7 rung einer Sicherheit innerhalb der Anfechtungszeiträume der Deckungsanfechtung von deren Vorrang gegenüber § 32 KO (Schenkungsanfechtung) ausgegangen. Das Schrifttum ist jedoch zu Recht überwiegend anderer Auffassung.17 Nach dieser Ansicht kann die Gewährung einer unentgeltlichen Sicherung auch dann nach § 134 InsO anfechtbar sein, wenn der Anfechtungsgegner hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO entlastet ist.18 Es ist kaum anzunehmen, dass der BGH auch unter der Geltung der Insolvenzordnung an seiner früheren Rechtsprechung festhalten wird.19

11 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (103) = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262. 12 Dafür etwa Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 49 Rz. 16; OLG Karlsruhe v. 17.9.2003 – 1 U 167/02, ZInsO 2003, 999 (1000) – a.A. MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 7; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 134 Rz. 36; vgl. dazu noch Rz. G118. 13 Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 49 Rz. 16. 14 Vgl. BGH v. 17.12.2009 – IX ZR 16/09, ZIP 2010, 531 ff.; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 5; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 134 Rz. 3. 15 Vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 13; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 7. 16 BGH v. 15.3.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 ff.; offenlassend BGH v. 12.7.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 136 (139) = MDR 1990, 1109. 17 MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 134 Rz. 3; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3; Uhlenbruck/ Ede/Hirte, § 134 Rz. 7. 18 Vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 11. 19 Vgl. dazu Bork, Insolvenzrechts-Handbuch, Kap. 6 Rz. 12 f. Schfer

531

G Rz. 8

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

G 8 Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist auch bei unentgeltlichen Leistungen möglich, die nicht innerhalb des Vierjahreszeitraums des § 134 Abs. 1 InsO erfolgt sind.20 Neben der Anfechtung gemäß § 136 InsO ist auch die Anfechtung nach § 134 InsO möglich. Die Anfechtung des in den letzten vier Jahren vor dem Eröffnungsantrag unentgeltlich gewährten Erlasses des auf den stillen Gesellschafter entfallenden Verlustanteils ist daher nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Eröffnungsgrund erst nach der Vereinbarung eingetreten ist (vgl. § 136 Abs. 2 InsO).21 G 9 Im Mehrpersonenverhältnis ist hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses zwischen § 134 InsO und den Tatbeständen der Deckungsanfechtung gemäß §§ 130, 131 InsO zu beachten, dass die auf eine mittelbare Zuwendung gestützte Deckungsanfechtung des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Schuldners, der die Zuwendung veranlasst hat, eine „Schenkungsanfechtung“ durch den Insolvenzverwalter des Leistungsmittlers ausschließt (Stichwort „Doppelinsolvenz“). Der Anfechtungsbeklagte der „Schenkungsanfechtung“, der unter Hinweis auf den konkurrierenden Anfechtungsanspruch aus Deckungsanfechtung die Sachbefugnis des Anfechtungsklägers bestreitet, hat allerdings die Voraussetzungen des konkurrierenden Anfechtungsanspruchs darzulegen und zu beweisen.22 G 10 Die in § 32 KO vorgesehene Ausnahme für gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke wurde von der Rechtsprechung zum Teil sehr weit ausgelegt. Um dem für die Zukunft vorzubeugen, hat der Gesetzgeber diese Ausnahme in § 132 Abs. 2 InsO ausdrücklich auf Gegenstände „geringen Werts“ beschränkt.23

II. Allgemeines G 11 Alleinige tatbestandliche Voraussetzung für die Anfechtung nach § 134 InsO ist – neben der ungeschriebenen, bei allen Anfechtungstatbeständen erforderlichen Gläubigerbenachteiligung (vgl. § 129 Abs. 1 InsO) – eine unentgeltliche Leistung des Schuldners im Zeitraum von vier Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach. Zusätzlicher subjektiver Tatbestandsvoraussetzungen beim Schuldner oder beim Anfechtungsgegner bedarf es wegen der geringen Schutzwürdigkeit eines unentgeltlichen Erwerbs nicht. Zu beachten ist, dass § 134 InsO eine Leistung gerade des Schuldners erfordert und somit eine Gläubigerhandlung oder die Handlung eines Dritten nicht genügt. G 12 Zwischen dem BGH und einem Teil des Schrifttums sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung bestehen Meinungsverschiedenheiten über das Grundverständnis von § 134 InsO, die von wesentlicher Bedeutung für dessen Anwendungsbereich sind. Der BGH stellt im Mehrpersonenverhältnis bei der Frage, ob eine unentgeltliche Leistung des Schuldners gegeben ist, nicht auf die zwischen 20 Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 10. 21 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 10. 22 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04 – „Cash-Pool (2)“, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345. 23 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161.

532 Schfer

II. Allgemeines

Rz. 14 G

den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen, sondern auf die Wirkung der Leistung ab24 So soll die Gegenleistung des Empfängers, dessen gegen einen Dritten gerichtete Forderung beglichen wird, in der Regel darin bestehen, dass er mit der Leistung des Schuldners seine (werthaltige) Forderung gegen den Dritten verliert. Ist die Forderung des Empfängers gegen den Dritten zum Zeitpunkt der Leistung des Schuldners nicht mehr werthaltig, ist nach Ansicht des BGH eine unentgeltliche Leistung gegeben.25 Eine gewisse Brisanz liegt darin, dass der BGH diesen Grundsatz (wohl unbe- G 13 wusst) auch auf das Zwei-Personen-Verhältnis ausgedehnt hat. Denn er ging in einem Urteil vom 2.4.2009 davon aus, dass auch der durch die Überlassung eigenkapitalersetzender Mittel seitens des Gesellschafters bewirkte Rangrücktritt des Rückzahlungsanspruchs (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F.), der in der Insolvenz der Gesellschaft in aller Regel dessen wirtschaftliche Wertlosigkeit zur Folge hat, ohne ausgleichende Gegenleistung der Gesellschaft gewährt wird und deshalb eine unentgeltliche Leistung des Gesellschafters gegeben ist.26 Dieser Rangrücktritt tritt aber kraft gesetzlicher Anordnung ein. Dieser Umstand ändert nichts daran, dass die Überlassung der Darlehensmittel durch den Gesellschafter auf einem gegenseitigen entgeltlichen Vertrag (Darlehensvertrag) mit der Gesellschaft beruht, der in der Regel auch keineswegs nichtig ist, so dass es insoweit nicht um die Problematik der Gleichstellung des rechtsgrundlosen Erwerbs mit dem unentgeltlichen Erwerb geht. Die vom BGH angestellte, von den Kausalbeziehungen losgelöste wirtschaftliche Betrachtung hätte letztlich zur Folge, dass auch die Leistung des auf einen gegenseitigen entgeltlichen Vertrag vorleistenden Vertragspartners des Schuldners als unentgeltliche Leistung anzusehen wäre, wenn dessen Anspruch gegen den Schuldner wegen dessen zum Leistungszeitpunkt bestehenden Insolvenzreife „wertlos“ war.27 Auch der BGH geht aber davon aus, dass eine Leistung nicht schon deshalb unentgeltlich ist, weil die vereinbarte Gegenleistung ausgeblieben ist.28 Der BGH hat daher inzwischen zu Recht entschieden, dass die Auszahlung eines Gesellschafterdarlehens an die Gesellschaft in der Insolvenz des Gesellschafters nicht als unentgeltliche Leistung des Gesellschafters angefochten werden kann.29 Problematisch ist die weite Auslegung des Tatbestandes vor allem wegen der G 14 Rechtsprechung des BGH zur Unentgeltlichkeit der Leistung bei einer mittelbaren Zuwendung (Mehrpersonenverhältnis). Denn auch in dem Fall, dass der Schuldner einem Dritten, der nicht mit ihm durch eine Leistungsbeziehung verbunden ist, über eine Mittelsperson etwas zuwendet, kann eine Leistung

24 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3. 25 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 13, 17 = MDR 2005, 953; v. 27.4.2010 – IX ZR 122/09, ZInsO 2010, 1091 ff. 26 Vgl. BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, GmbHR 2009, 763 m. Anm. Blöse = NotBZ 2009, 272 m. Anm. Heckschen = MDR 2009, 1008 = ZIP 2009, 1080 ff. Rz. 16. 27 Vgl. dazu BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, MDR 2010, 290 = NotBZ 2010, 48 m. Anm. Suppliet = ZIP 2009, 2303 ff. 28 BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033 ff.; vgl. dazu noch unten Rz. G30 f. 29 BGH v. 13.10.2016 – IX ZR 184/14, ZIP 2016, 2483 ff. Schfer

533

G Rz. 14

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

des Schuldners an den Dritten im Sinne des § 134 InsO vorliegen.30 So ist eine Leistung, die der spätere Insolvenzschuldner zur Tilgung einer Forderung des Leistungsempfängers gegen einen Dritten erbringt, nach der Rechtsprechung des BGH unentgeltlich, wenn der Empfänger keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat, etwa weil die Forderung gegen seinen Schuldner „wertlos“ war.31 Dazu wird auf die Ausführungen bei Rz. G55 ff. verwiesen. G 15 Im Schrifttum und zum Teil auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung wird gegen diese Rechtsprechung des BGH eingewandt, eine Leistung als solche sei weder entgeltlich noch unentgeltlich. Es könne daher nicht darauf abgestellt werden, ob die Leistung selbst eine unentgeltliche Rechtshandlung sei, sondern ob sie auf ein unentgeltliches Kausalverhältnis bezogen werden könne.32 Diese Auffassung erscheint zutreffend; auf sie ist später noch näher einzugehen.33 G 16 Nach dem anfechtungsrechtlichen Grundtatbestand des § 129 Abs. 1 InsO setzt auch § 134 InsO eine Gläubigerbenachteiligung durch die unentgeltliche Leistung des Schuldners voraus, wobei eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt.34 Es ist daher unerheblich, ob der Schuldner schon zum Zeitpunkt der Zuwendung Gläubiger hatte, die benachteiligt wurden, oder ob die Mittel seinerzeit zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger ausreichten.35 Die Gläubigerbenachteiligung entfällt ferner nicht schon dann, wenn zugleich ein Widerruf der Schenkung gemäß §§ 528, 530 BGB möglich ist.36 G 17 Die Benachteiligung der übrigen Gläubiger folgt in der Regel schon aus der Unentgeltlichkeit, sofern die Verfügung des Schuldners das den Gläubigern haftende Vermögen betrifft.37 Hinsichtlich des schuldrechtlichen Versprechens einer unentgeltlichen Leistung ist allerdings zu beachten, dass dieses gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO im Insolvenzverfahren nur eine nachrangige Insolvenzforderung vermittelt, weshalb es an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt, wenn es keine weiteren nachrangigen Insolvenzgläubiger gibt oder wenn die Insolvenzmasse schon nicht zur Befriedigung der vorrangigen Insolvenzgläubiger ausreicht.38 G 18 Für die Berechnung des Vierjahreszeitraums des § 134 InsO, der ebenfalls von der Stellung des Insolvenzantrages an zurückzurechnen ist, gilt § 139 Abs. 1 30 Vgl. dazu unten Rz. G55 ff. 31 Vgl. BGH v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. 32 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3; Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 47; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.90 ff.; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, S. 205; OLG Koblenz v. 13.5.2004 – 5 U 1539/03, ZInsO 2004, 552 ff. 33 Vgl. dazu unten Rz. G70 ff. 34 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff. Rz. 14; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, MDR 2009, 1359 = NotBZ 2009, 493 = WM 2009, 1943 Rz. 5; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 2. 35 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 24; v. 13.8.2009 – IX ZR 159/06, ZIP 2009, 1966 ff. Rz. 5; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 6. 36 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 43. 37 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 43. 38 Vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 17.

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III. Einzelheiten

Rz. 19a G

InsO. Nach § 140 InsO bestimmt sich, ob die Rechtshandlung innerhalb des Vierjahreszeitraums vorgenommen wurde. Bei mehreren Insolvenzanträgen ist gemäß § 139 Abs. 2 InsO auf den ersten zulässigen und begründeten Antrag abzustellen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu § 139 InsO verwiesen. Die Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung findet gegenüber Religionsge- G 18a sellschaften in der Rechtsform von Körperschaften des öffentlichen Rechts wegen freiwilliger Spenden auch dann statt, wenn die Religionsgesellschaft an sich befugt wäre, gleich hohe Beträge als Kirchensteuer einzuziehen; das kirchliche Selbstbestimmungsrecht wird dadurch nicht in verfassungswidriger Weise verletzt.39

III. Einzelheiten 1. Leistung des Schuldners Das Tatbestandsmerkmal der „Leistung“ ist an die Stelle des Begriffs der „Ver- G 19 fügung“ in § 32 KO getreten. Damit soll nach der Gesetzesbegründung deutlich gemacht werden, dass der Tatbestand nicht nur rechtsgeschäftliche Verfügungen im engen materiell-rechtlichen Sinne erfasst.40 Der Begriff der „Leistung“ ist nach der Rechtsprechung des BGH aber auch nicht im Sinne des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs, sondern weit zu verstehen.41 Er unterscheidet sich letztlich nicht vom Begriff der „Rechtshandlung“ im Sinne des § 129 InsO.42 Es ist insbesondere keine Einigung über die Erbringung einer (unentgeltlichen) Leistung erforderlich, vielmehr genügt es, wenn der Empfänger – auch ohne zugrundeliegendes (wirksames) Rechtsgeschäft – tatsächlich in die Lage versetzt wurde, den empfangenen Vermögensgegenstand zu nutzen oder weiter zu übertragen.43 Selbst der Beschluss einer Gesellschafterversammlung, mit dem der Geschäftsführung Entlastung erteilt wird, kann eine unentgeltliche Leistung darstellen.44 Ebenso wie § 133 Abs. 1 InsO setzt auch § 134 InsO eine Leistung des Schuld- G 19a ners voraus, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.45 Es reicht aus, wenn der Schuldner in irgendeiner Weise durch ein selbstbestimmtes Verhalten – und sei es auch nur mittelbar – an dem vermögensmindernden Vorgang mitgewirkt hat.46 Maßnahmen der Zwangsvollstreckung unterfallen

39 BGH v. 4.2.2016 – IX ZR 77/15, ZIP 2016, 583 ff. 40 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160. 41 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 37; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00 – „Cash-Pool (1)“, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 14 = MDR 2005, 953; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 18. 42 Vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 15. 43 BGH v. 22.3.2001 – IX ZR 373/98 – „Bundesligalizenz“, ZIP 2001, 889 ff. Rz. 22. 44 Vgl. RGZ 76, 244 (249). 45 Vgl. oben Rz. F10 ff. 46 BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 ff. Rz. 8; Bork in Kübler/Prütting/ Bork, § 134 Rz. 33. Schfer

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G Rz. 19a

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

daher nicht § 134 InsO, sofern es an einer Mitwirkungshandlung des Schuldners fehlt.47 G 20 Auch nicht geschuldete Leistungen, die der Schuldner in Kenntnis der Nichtschuld erbracht hat, sind als unentgeltliche Leistungen im Sinne des § 134 InsO anfechtbar. Der Leistende, der gewusst hat, dass die Verbindlichkeit nicht besteht, hat nicht den Erfolg der Schuldtilgung gewollt, sondern etwas anderes, nämlich schenkungshalber, zur Erfüllung einer Anstandspflicht oder um einer verdeckten Gegenleistung willen zu leisten.48 G 21 § 134 InsO erfasst somit auch jegliche einseitige Vermögensentäußerung, und zwar auch durch bewusstes Unterlassen, wie etwa den Verzicht auf ein Pfandrecht, den Verzicht auf die Geltendmachung einer Forderung, auf die Einlegung eines Rechtsmittels, auf die Erhebung der Verjährungseinrede sowie die Überlassung von Personal.49 Auch der vom Schuldner veranlasste gesetzliche Eigentumserwerb gemäß §§ 946 ff. BGB kommt als Leistung im Sinne des § 134 InsO in Betracht.50 G 22 Eine Begünstigung des Zuwendungsempfängers ist nicht Voraussetzung des Leistungsbegriffs. Vielmehr genügt nach dem Gesetzeszweck des § 134 InsO, wonach vermögensmindernde Zuwendungen im Interesse der Insolvenzgläubiger verhindert werden sollen, schon die vermögensschmälernde Rechtshandlung des Schuldners.51 G 23 Leistungen im Sinne des § 134 InsO sind vor allem Erfüllungshandlungen zur Tilgung unentgeltlicher Verbindlichkeiten des Schuldners einschließlich der Leistungen an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber.52 Aber auch das Versprechen einer unentgeltlichen Leistung kann eine nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners darstellen, auch wenn dies im Wortlaut des Tatbestandes nur unzureichend zum Ausdruck kommt.53 Da Ansprüche auf eine unentgeltliche Leistung allerdings gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO nachrangige Insolvenzforderungen sind, ist eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO nur gegeben, wenn weitere nachrangige Gläubiger vorhanden sind.54 G 24 Selbst Maßnahmen der Zwangsvollstreckung können § 134 InsO unterfallen, wenn der Schuldner in irgendeiner Weise daran mitgewirkt hat.55 Streitig ist, ob § 134 InsO auch dann eingreift, wenn der Schuldner mehr als vier Jahre vor 47 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 7; Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 34. 48 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 13. 49 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 14; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 134 Rz. 3, 4; BGH v. 11.12.2003 – IX ZR 336/01, MDR 2004, 650 = ZIP 2004, 671 ff. 50 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 9. 51 Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 18. 52 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 7. 53 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 38; Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 840 Rz. 55; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 8. 54 Vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 17. 55 Vgl. BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832; MK-InsO/ Kirchhof, 2. Aufl., § 134 Rz. 7; HK-InsO/Thole, § 134 Rz. 6.

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III. Einzelheiten

Rz. 26 G

der Stellung des Insolvenzantrages eine Schenkung versprochen hat und diese innerhalb des Vierjahreszeitraums ohne seine Mitwirkung zwangsweise durchgesetzt wurde.56 Dies wird zum Teil mit der Erwägung bejaht, dass kein Grund ersichtlich sei, warum der Gläubiger eines Schenkungsversprechens, der dieses zwangsweise durchgesetzt habe, besser behandelt werden solle als jener, dessen Anspruch der Schuldner ohne Vollstreckung erfüllt habe; nicht das Schenkungsversprechen benachteilige die Gläubiger, sondern erst dessen Vollzug.57 Bei der ähnlichen Fragestellung im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO ist der BGH dieser Argumentation allerdings nicht gefolgt.58 Auch wenn die Leistung des Schuldners auf einem nichtigen Rechtsgeschäft be- G 25 ruht, ist die Anfechtung nach § 134 InsO nicht ohne weiteres ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann anstelle oder neben der Nichtigkeit auch die Anfechtung geltend gemacht werden.59 Allerdings benachteiligt eine unwirksame Rechtshandlung des Schuldners die Gläubigergesamtheit nicht, wenn deshalb gegen den Empfänger ein Rückforderungsanspruch ohne weiteres begründet und durchsetzbar ist. Erscheint die Realisierbarkeit dieses Anspruchs dagegen nicht unerheblich erschwert oder hat die Leistung eine formale Rechtsstellung begründet, die den zur Masse gehörenden Anspruch im Hinblick auf Rechte gutgläubiger Dritter gefährden kann, ist bereits darin eine objektive Gläubigerbenachteiligung zu sehen.60 Auch Unterlassungen im Sinne der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des G 26 § 129 Abs. 2 InsO kommen als Leistung des Schuldners im Sinne des § 134 InsO in Betracht. Die Unterlassung steht einer aktiven Leistung insofern gleich, als sie die Geltendmachung eines zum haftenden Vermögen des Schuldners gehörenden Rechts ausschließt oder dieses Vermögen einer nicht mehr abzuwehrenden Haftung aussetzt.61 Das Unterlassen des Schuldners muss allerdings auf einer Willensbetätigung beruhen, also bewusst und gewollt erfolgen.62 Sieht der Schuldner etwa davon ab, das erzielbare Entgelt für die Dienste eines Arbeitnehmers zu verlangen, den er einem Dritten überlassen hat, vermindert er dadurch in anfechtungsrelevanter Weise die Haftungsmasse, aus der die Gläubigergesamtheit befriedigt werden soll.63 Er hat insoweit nicht nur einen möglichen Erwerb unterlassen, sondern einen Vermögenswert weggegeben. Das Stehenlassen eines kündbaren Darlehens stellt keine unentgeltliche Leistung (des Gesellschafters) dar.64

56 Dafür Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 38; HK-InsO/Kreft, § 134 Rz. 6; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 210 a.E. – dagegen MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 11. 57 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 38 – a.A. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 34. 58 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 ff. = MDR 2005, 832. 59 BGH v. 11.7.1996 – IX ZR 226/94, MDR 1997, 52 = ZIP 1996, 1516 (1518); v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (106) = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262. 60 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (106) = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262. 61 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 41. 62 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 ff. 63 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 79/05, ZIP 2007, 1118 ff. – „letter of intent“. 64 BGH v. 13.10.2016 – IX ZR 184/14, ZIP 2016, 2483 ff. Schfer

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G Rz. 27

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

2. Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners G 27 Der Begriff der „unentgeltlichen Leistung“ im Sinne des § 134 InsO ist nicht gleichbedeutend mit dem Begriff der „Schenkung“ im Sinne des § 516 BGB. Dies galt schon unter der Konkursordnung und wurde vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 134 InsO nochmals ausdrücklich klargestellt.65 Der anfechtungsrechtliche Begriff der „unentgeltlichen Leistung“ ist wegen der Belange des Gläubigerschutzes weit auszulegen.66 Er setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH weder eine Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung noch eine Bereicherung des anderen Teils voraus.67 Es können daher etwa auch sogenannte „unbenannte Zuwendungen“ unter Ehegatten selbst dann, wenn sie nicht als Schenkungen im Sinne des § 516 BGB anzusehen sind, der Anfechtung gemäß § 134 InsO unterliegen, wenn ihnen keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht.68 a) Objektive Betrachtungsweise des BGH G 28 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zu den §§ 32 KO, 134 InsO ist eine Leistung dann als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung des Empfängers gegenübersteht, die dem aufgegebenen Vermögenswert entspricht; hierüber entscheidet grundsätzlich das objektive Verhältnis der ausgetauschten Werte.69 Einseitige Vorstellungen des Schuldners über mögliche wirtschaftliche Vorteile, die nicht in rechtlicher Abhängigkeit zu seiner Zuwendung stehen, können deren Entgeltlichkeit nicht begründen.70 Vereinbart daher der Schuldner mit seinem Vertragspartner, dass eine von diesem verdiente Belohnung zur Hälfte an dessen Ehegatten gezahlt wird, um insoweit den Schenkungsfreibetrag auszunutzen, so ist die Zahlung an den Ehegatten auch dann unentgeltlich, wenn der beabsichtigte steuerliche Erfolg aus Rechtsgründen nicht eintritt.71 G 29 Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 InsO ist nach einer anderen Formulierung des BGH gegeben, wenn der Anfechtungsgegner als Empfänger der Leis65 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 160/161. 66 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 37; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); v. 21.1.1999 – IX ZR 429/97, ZIP 1999, 316 (317); Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 37. 67 BGH v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 ff.; v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (103) = MDR 1991, 431; v. 24.6.1993 – IX ZR 96/92, MDR 1993, 1119 = ZIP 1993, 1170 ff.; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 14 = MDR 2005, 953. 68 Vgl. OLG Oldenburg v. 27.11.2007 – 9 U 43/07, FamRZ 2008, 1852 = ZInsO 2008, 460 ff.; BGH v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, NJW 1978, 1326 f.; Gehrlein in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 6. 69 BGH v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, MDR 2010, 288 = ZIP 2010, 36 ff. Rz. 8; v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, MDR 2008, 1064 = ZIP 2008, 1292 ff. Rz. 11; v. 9.11.2006 – IX ZR 285/03, MDR 2007, 546 = ZIP 2006, 2391 ff. Rz. 15; v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2008, 331 ff.; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff.; v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (102 f.) = MDR 1991, 431. 70 BGH v. 24.6.1993 – IX ZR 96/92, MDR 1993, 1119 = ZIP 1993, 1170 (1173). 71 Vgl. BGH v. 20.7.2006 – IX ZR 226/03, MDR 2007, 240 = FamRZ 2006, 1441 = ZIP 2006, 1639 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 31 G

tung für sie vereinbarungsgemäß keine ausgleichende Gegenleistung – sei es an den Schuldner, sei es an einen Dritten – zu erbringen hat.72 Dabei muss die Leistung des Empfängers der Zuwendung des Schuldners allerdings keine echte Gegenleistung im Sinne der §§ 320 ff. BGB sein, vielmehr genügt jeder gleichwertige Vermögensvorteil, den der Schuldner oder ein Dritter aufgrund der Rechtshandlung erlangt, beispielsweise in Gestalt einer Stundung.73 Es ist für die Anfechtbarkeit somit nicht entscheidend, ob im Gegenzug für die Schuldnerleistung etwas in das Schuldnervermögen fließen soll, sondern ob der Leistungsempfänger ein korrespondierendes Vermögensopfer erbringt oder erbringen soll.74 Auf den Leistungsempfänger stellt der BGH deshalb ab, weil der Empfänger einer freigiebigen Zuwendung nach § 134 InsO weniger schutzwürdig ist als derjenige, der für die erhaltene Leistung oder durch diese eine eigene Rechtsposition aufgibt.75 Mit den Formulierungen „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts“ und „verein- G 30 barungsgemäß“ scheint der BGH zumindest im Zwei-Personen-Verhältnis bei der Beurteilung der Unentgeltlichkeit einer Leistung an die bestehenden Kausalbeziehungen anzuknüpfen. Nach seiner früheren Rechtsprechung sollten jedoch auch im Zwei-Personen-Verhältnis offenbar nicht stets die zwischen den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen das entscheidende Kriterium für die Frage der Unentgeltlichkeit sein. So sollte aus seiner Sicht der durch die Überlassung eigenkapitalersetzender Mittel seitens des Gesellschafters bewirkte Rangrücktritt des Anspruchs auf Rückzahlung (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F.), der in der Insolvenz der Gesellschaft in aller Regel dessen wirtschaftliche Wertlosigkeit zur Folge hat, ohne ausgleichende Gegenleistung der Gesellschaft gewährt worden sein. Nach seiner früheren Auffassung sollte bei einer Leistung, die der Gesellschafter an die Gesellschaft erbringt und die sofort nach dem Eingang bei der Gesellschaft eigenkapitalersetzend wird, die Anfechtbarkeit nach § 134 InsO nicht zweifelhaft sein können.76 Für den BGH war somit entscheidend, dass der Anspruch des Schuldners ge- G 31 gen die in der Krise befindliche Gesellschaft wegen des gesetzlich angeordneten Rangrücktritts wirtschaftlich wertlos ist, selbst wenn er auf einem entgeltlichen Vertrag mit der Gesellschaft beruht und keine Einigkeit zwischen der Gesellschaft und dem Schuldner über die Unentgeltlichkeit der Leistung festzustellen ist. Es stellte sich jedoch die Frage, ob dies nicht in letzter Konsequenz dazu führen müsste, dass bei jedem Leistungsaustausch auf der Grundlage eines gegensei-

72 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, GmbHR 2009, 763 m. Anm. Blöse = NotBZ 2009, 272 m. Anm. Heckschen = MDR 2009, 1008 = ZIP 2009, 1080 ff. Rz. 16; v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, MDR 2008, 1064 = ZIP 2008, 1291 ff. Rz. 11. 73 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, MDR 2008, 1064 = ZIP 2008, 1291 ff. Rz. 14; MK-InsO/ Kayser, § 134 Rz. 17a. 74 Vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 39; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 19. 75 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 39; v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, ZIP 2008, 1291 ff. Rz. 13. 76 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, GmbHR 2009, 763 m. Anm. Blöse = NotBZ 2009, 272 m. Anm. Heckschen = MDR 2009, 1008 = ZIP 2009, 1080 ff. Rz. 16. Schfer

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G Rz. 31

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

tigen Vertrages von einer unentgeltlichen Leistung auszugehen wäre, wenn der Anspruch des vorleistenden Teils wegen der bereits eingetretenen Insolvenz seines Vertragspartners nicht mehr (voll) durchsetzbar und somit nach Ansicht des BGH objektiv wertlos ist.77 Auch in diesem Fall beruht die Undurchsetzbarkeit auf gesetzlicher Anordnung. Der Umstand, dass der Anspruch des Gesellschafters kraft Gesetzes wegen der Umqualifizierung der Gesellschafterleistung in haftendes Eigenkapital nicht mehr durchgesetzt werden kann, ändert indes nichts daran, dass er auf einem entgeltlichen Vertrag beruht. Auch die Problematik, ob der rechtsgrundlose Erwerb einem unentgeltlichen Erwerb gleichgesetzt werden kann, spielt insoweit keine Rolle. Es ist im Übrigen daran zu erinnern, dass der Darlehensanspruch des Gesellschafters bei einer finanziellen Erholung der Gesellschaft auch nach den früheren Eigenkapitalersatzregeln wieder „entsperrt“ werden konnte.78 Auch dies steht der Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung entgegen. Der BGH hat daher inzwischen zu Recht entschieden, dass die Auszahlung eines Gesellschafterdarlehens an die Gesellschaft in der Insolvenz des Gesellschafters nicht als unentgeltliche Leistung des Gesellschafters angefochten werden kann.79 G 31a Maßgebender Zeitpunkt für die Frage, ob der Leistung des Schuldners eine werthaltige Gegenleistung des Leistungsempfängers gegenübersteht, ist der Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs, bei gegenseitigen Verpflichtungen also der Zeitpunkt der Begründung der vertraglichen Verpflichtungen.80 Die Entgeltlichkeit kann nicht nachträglich dadurch begründet werden, dass bisher nicht miteinander in Beziehung stehende Leistungen nach dem Leistungsaustausch durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft werden.81 b) Zwei-Personen-Verhältnis G 32 Im Zwei-Personen-Verhältnis ist nach der Rechtsprechung des BGH eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO gegeben, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht82 oder – nach einer anderen Formulierung – wenn ein Vermögenswert des Leistenden zugunsten des anderen Teils aufgegeben wird, ohne dass dem Leistenden ein entsprechender Gegenwert zufließen soll.83 Die Frage der Unentgeltlichkeit der Leistung bestimmt sich nach Ansicht des BGH in erster Linie nach objektiven Kriterien und nicht etwa (vorrangig) nach der subjektiven Vorstellung des Schuldners

77 Vgl. BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, MDR 2010, 290 = NotBZ 2010, 48 m. Anm. Suppliet = ZIP 2009, 2303 ff. 78 Vgl. BGH v. 30.1.2006 – II ZR 357/03, MDR 2006, 936 = NotBZ 2006, 131 = GmbHR 2006, 421 m. Anm. Blöse = ZIP 2006, 466 f. Rz. 7. 79 BGH v. 13.10.2016 – IX ZR 184/14, ZIP 2016, 2483 ff. 80 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 43. 81 Vgl. BFH v. 10.2.1987 – VII R 122/84, BFHE 149, 204 (209 f.); Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 37; Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 41. 82 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 40; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 13 = MDR 2005, 953. 83 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 79/05, MDR 2007, 1099 = ZIP 2007, 1118 ff. Rz. 16; v. 9.11.2006 – IX ZR 285/03, MDR 2007, 546 = ZIP 2006, 2391 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 33 G

oder der übrigen, an dem Zuwendungsvorgang beteiligten Personen.84 Maßgebend ist in erster Linie der objektive Sachverhalt, also ob sich Leistung und Gegenleistung in ihrem jeweils objektiv zu ermittelnden Wert entsprechen.85 Erhält der Zuwendungsempfänger objektiv eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, so steht es der Anfechtung nach § 134 InsO nicht entgegen, dass der Empfänger irrtümlich annahm, eine entgeltliche Leistung erlangt zu haben; sein guter Glaube wird allein im Rahmen des § 143 Abs. 2 InsO geschützt. Eine übereinstimmende Leistungsbestimmung ist nicht mehr nachträglich abzuändern.86 Der insolvenzrechtliche Begriff der unentgeltlichen Leistung setzt nach der G 32a Rechtsprechung des BGH keine Einigung über die Unentgeltlichkeit als solche voraus. Maßgebend ist vielmehr in erster Linie der objektive Sachverhalt. Erst wenn feststeht, dass der Zuwendungsempfänger einen Gegenwert für „seine“ Zuwendung erbracht hat, ist zu prüfen, ob gleichwohl Hauptzweck des Geschäfts Freigebigkeit gewesen ist.87 Danach kann etwa der Insolvenzverwalter die Auszahlung der in Schneeballsystemen erzielten Scheingewinne als unentgeltliche Leistung anfechten, weil einseitigen Vorstellungen des Leistungsempfängers über eine Entgeltlichkeit der Leistung selbst dann keine Bedeutung zukommt, wenn der Irrtum durch den Schuldner hervorgerufen wurde.88 Im Zwei-Personen-Verhältnis hängt die Entgeltlichkeit einer Leistung nicht da- G 33 von ab, ob die Gegenleistung dem Vermögen des Leistenden zufließt, wenn sie ihm in anderer Weise zugute kommt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Schuldner Geld aufwendet, um sich eigene Rechtsgüter zu erhalten, etwa in der Absicht, die Verurteilung zu einer Freiheits- oder Geldstrafe durch die Zahlung einer Geldauflage als Voraussetzung für die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StGB abzuwenden.89 Der Staat verzichtet in diesem Fall auf die Durchsetzung seines Strafanspruchs. Hierbei handelt es sich zwar nicht um einen rechtsgeschäftlich vereinbarten Leistungsaustausch, sondern um eine Rechtsfolge des gerichtlichen Einstellungsbeschlusses. Leistung und Gegenleistung müssen aber, um die Anwendung des § 134 InsO auszuschalten, nicht durch ein vertragliches Synallagma verknüpft sein.90 Es genügt für die Entgeltlichkeit auch eine freiwillige Leistung, die „aufschiebende Rechtsbedingung“ einer Gegenleistung, etwa der endgültigen Einstellung des Strafverfahrens, ist. Denn nur der Empfänger einer freigebigen Zuwendung ist nach § 134 84 Vgl. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. = MDR 2005, 953; v. 9.11.2006 – IX ZR 285/03, MDR 2007, 546 = ZIP 2006, 2391 ff. Rz. 15; v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (102 f.) = MDR 1991, 431. 85 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 9; v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, MDR 2008, 1064 = ZIP 2008, 1291 ff. Rz. 11. 86 BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484 f. Rz. 10; v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (140) = MDR 2009, 350; MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 17. 87 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 14; v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484 f. Rz. 10. 88 BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484 f. Rz. 10. 89 Vgl. BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, MDR 2008, 1064 = ZIP 2008, 1291 ff. Rz. 14; HKInsO/Thole, § 134 Rz. 7. 90 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 17a. Schfer

541

G Rz. 33

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

InsO weniger schutzwürdig als derjenige, der für die erhaltene Leistung oder durch diese eine eigene Rechtsposition aufgibt.91 G 33a Das ausgleichende Entgelt für die angefochtene Leistung muss nicht eine Gegenleistung im Sinne der §§ 320 ff. BGB sein. Da § 134 InsO nach seinem Schutzzweck jeglichem unentgeltlichen Erwerb geringere anfechtungsrechtliche Bestandskraft beimisst, ist es ohne Bedeutung, ob die Entgeltlichkeit der Leistung auf vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtung beruht. Darum ist auch die Erfüllung von Ansprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen nicht unentgeltlicher Natur.92 Die Erfüllung einer eigenen rechtsbeständigen Schuld schließt nach der Rechtsprechung des BGH als Gegenleistung die dadurch bewirkte Schuldbefreiung mit ein.93 G 34 Da der BGH die Frage der Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 InsO nicht in erster Linie nach den zwischen den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen, sondern vorrangig nach objektiven Kriterien bestimmt, verneint er die Unentgeltlichkeit der Zuwendung des Schuldners unabhängig von den bestehenden Kausalbeziehungen schon dann, wenn der Zuwendungsempfänger aufgrund der Zuwendung des Schuldners einen vermögenswerten Gegenstand weggibt. Im Verzicht des Staates auf die Durchsetzung des Strafanspruchs ist aber jedenfalls nicht stets der Verzicht auf einen vermögenswerten Gegenstand zu sehen, etwa wenn es nur um eine Freiheitsstrafe geht. G 35 Auch in anderer Hinsicht kann der BGH seine von den Kausalbeziehungen losgelöste objektive Betrachtungsweise nicht konsequent durchhalten. Denn selbstverständlich kann eine unentgeltliche Leistung des Schuldners nicht schon dann angenommen werden, wenn die Gegenleistung seines Vertragspartners ausgeblieben ist. Davon geht auch der BGH zu Recht aus.94 Schon dies zeigt, dass die Frage der Unentgeltlichkeit nur mit Blick auf die zwischen dem Schuldner und dem Zuwendungsempfänger bestehende Rechtsbeziehung beantwortet werden kann.95 Eine Leistung kann aus sich heraus weder entgeltlich noch unentgeltlich sein.96 G 36 Auch wenn der BGH bei der Prüfung der Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners im Grundsatz eine objektive Betrachtung anstellt, bedeutet dies nicht, dass die subjektiven Vorstellungen der Parteien für § 134 InsO keine Rolle spielen.97 In früheren Entscheidungen des BGH ist davon die Rede, dass eine unentgeltliche Verfügung im Sinne des § 32 KO nicht vorliege, wenn der (späte-

91 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, MDR 2008, 1064 = ZIP 2008, 1291 ff. Rz. 13. 92 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 9; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3. 93 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 9; MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 17a. 94 BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 429/97, MDR 1999, 430 = NJW 1999, 1033 ff. 95 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3; Bork in Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 6 Rz. 47. 96 Bork in Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 6 Rz. 47; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3. 97 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 29; Gerhardt, ZIP 1991, 273 (280).

542 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 38a G

re) Gemeinschuldner etwas erhalte, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung sei oder jedenfalls nach dem Willen der Beteiligten subjektiv sein solle.98 Sind Leistung und Gegenleistung objektiv nicht gleichwertig, so kann dennoch G 37 im Hinblick auf die Vorstellungen der Beteiligten eine entgeltliche Leistung anzunehmen sein, wenn die Beteiligten von einem entgeltlichen Leistungsaustausch ausgegangen sind. Bei dieser Einschätzung steht den Beteiligten ein Bewertungsspielraum zu. Eine teilweise unentgeltliche Leistung unterliegt der Anfechtung insoweit, als deren Wert den der Gegenleistung übersteigt und die Vertragsparteien den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum überschritten haben.99 Nach der wohl herrschenden Auffassung im Schrifttum soll den Vertragsparteien auch bei Notverkäufen ein erweiterter Beurteilungsspielraum zustehen.100 Hat der Schuldner einen Vergleich abgeschlossen, so lässt dies vermuten, dass G 38 die vereinbarte Regelung die beiderseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt hat. Das vergleichsweise Nachgeben kann erst dann als unentgeltliche Leistung gewertet werden, wenn der Vergleichsinhalt den Bereich verlässt, der bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft sein kann. Findet sich jedoch der Schuldner ohne Ungewissheit der Sach- und Rechtslage aufgrund eines Liquiditätsengpasses oder aus sonstigem Grund bereit, vergleichsweise einen Teil seiner Forderung(en) aufzugeben, so ist ein solcher Vergleich in der Regel nach § 134 InsO anfechtbar, sofern seine Vorteile das Nachgeben des Schuldners nicht aufwiegen.101 aa) Schenkung Schenkungen im Sinne des § 516 BGB bilden den unproblematischen Anwen- G 38a dungsbereich des § 134 InsO. Auch Schenkungen unter Auflagen (vgl. §§ 525, 527 BGB) werden von § 134 InsO erfasst, auch wenn ihr Hauptzweck nicht eine Bereicherung des Empfängers ist. Für die Anfechtbarkeit genügt es, wenn nach dem Parteiwillen dem Empfänger ein – wenngleich geringfügiger – Vorteil verbleiben soll; allerdings wird der Umfang der Rückgewährpflicht durch § 143 Abs. 2 InsO begrenzt.102 Hat der Schuldner ein Grundstück schenkweise übertragen und sich darüber hinaus verpflichtet, den Erwerber von den auf dem

98 Vgl. BGH v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (101 f.); v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (66). 99 BGH v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, GmbHR 2004, 799 = MDR 2004, 963 = ZIP 2004, 957 ff. Rz. 39; v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, ZIP 1998, 830 (836) zur Sicherungsübertragung; v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 = MDR 1991, 431 (102); v. 24.6.1993 – IX ZR 96/92, MDR 1993, 1119 = ZIP 1993, 1170 (1173); v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, ZIP 1998, 830 (836). 100 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 41 i.V.m. Rz. 23; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rz. 13; Braun/de Bra, § 134 Rz. 13; Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 40. 101 BGH v. 8.3.2012 – IX ZR 51/11, ZIP 2012, 984 ff. Rz. 35; v. 9.11.2006 – IX ZR 285/03, MDR 2007, 546 = ZIP 2006, 2391 ff. Rz. 16 ff.; v. 24.6.1993 – IX ZR 96/92, MDR 1993, 1119 = ZIP 1993, 1170 ff.; vgl. dazu noch BGH v. 24.10.1990 – IV ZR 296/89, MDR 1991, 419 = FamRZ 1991, 188 = NJW 1991, 842 f. 102 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 12. Schfer

543

G Rz. 38a

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

Grundstück ruhenden Lasten zu befreien, so wird die Schenkung insoweit erst mit der Befriedigung der dinglichen Gläubiger vollzogen. Eine unentgeltliche Leistung ist in der Freistellung einer mithaftenden Person zu sehen, auch wenn der Schuldner dadurch von einer eigenen Verbindlichkeit frei wird.103 G 38b Streitig ist, ob der Beschenkte als Gläubiger einer nachrangigen Insolvenzforderung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO am Insolvenzverfahren teilnimmt, wenn nur die Erfüllung innerhalb des Vierjahreszeitraums des § 134 Abs. 1 InsO vorgenommen, das Schenkungsversprechen jedoch außerhalb des Vierjahreszeitraums abgegeben wurde. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 32 KO bildeten das Schenkungsversprechen und dessen Vollzug zusammen die unentgeltliche Verfügung, so dass beide der Anfechtung unterlagen, selbst wenn nur die Erfüllung in den Anfechtungszeitraum fiel.104 Im Schrifttum wird jedoch die Fortgeltung dieser Rechtsprechung im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung zum Teil bezweifelt.105 Es wird geltend gemacht, man könne wohl kaum den Gläubiger eines Schenkungsvertrages, der im Anfechtungszeitraum des § 134 Abs. 1 InsO Befriedigung erlangt habe, schlechter stellen als jenen Gläubiger, der vor der Insolvenzeröffnung nicht mehr befriedigt worden sei. Letzterem stehe aber nach § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO eine unanfechtbare Forderung als nachrangigem Insolvenzgläubiger zu. Diese Argumentation wird nicht dadurch entkräftet, dass der BGH auch in seiner neueren Rechtsprechung betont, dass das Schenkungsversprechen und der Schenkungsvollzug zusammen die unentgeltliche Leistung des Schuldners bildeten.106 Der BGH bezieht sich in einem neueren Urteil vom 13.2.2014107 auf seine frühere Rechtsprechung und führt aus, es reiche nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH aus, dass der Vollzug der Schenkung innerhalb der Anfechtungsfrist des § 134 InsO erfolgt sei.108 In dem konkret entschiedenen Fall bildeten die Begründung des Anspruchs auf lastenfreie Übertragung der Wohnung und der letzte Schritt des Vollzuges der Schenkung durch Ablösung des Grundpfandrechts zusammen die unentgeltliche Leistung. Hat sich der spätere Insolvenzschuldner zur unentgeltlichen lastenfreien Übertragung eines Grundstücks verpflichtet, ist die innerhalb von vier Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgte Ablösung eines bei der Übertragung bestehen gebliebenen Grundpfandrechts selbständig als unentgeltliche Leistung anfechtbar. bb) Gemischte und verdeckte Schenkung; Teilbarkeit G 39 Es ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen von einer gemischten Schenkung und damit von einer zumindest teilweise unentgeltlichen Leistung auszugehen ist. Eine gemischte Schen-

103 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 ff. 104 Vgl. BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (103); v. 24.3.1988 – IX ZR 118/87, ZIP 1988, 585 (586). 105 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 7; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 134 Rz. 36; a.A. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 49 Rz. 16. 106 BGH v. 13.2.2014 – IX ZR 133/13, ZIP 2014, 528 ff. Rz. 17. 107 BGH v. 13.2.2014 – IX ZR 133/13, ZIP 2014, 528 ff. 108 BGH v. 13.2.2014 – IX ZR 133/13, ZIP 2014, 528 ff. Rz. 17 mit Hinweis auf BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (103).

544 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 42 G

kung ist nach einem früheren Urteil des BGH vom 20.10.1971109 gegeben, wenn der Hauptzweck des Rechtsgeschäfts auf Freigebigkeit gerichtet ist, insbesondere Leistung und Gegenleistung in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen. Dabei sei die Frage der Gleichwertigkeit nicht allein nach objektiven Bewertungsmaßstäben, sondern vor allem vom Standpunkt der Beteiligten zu beurteilen. Nur wenn die ausgetauschten Leistungen in einem groben Missverhältnis zueinander stünden und die Vertragsparteien den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum missbräuchlich überschritten hätten, sei für die Annahme einer insgesamt unentgeltlichen und damit anfechtbaren Zuwendung Raum.110 Nach einem Urteil vom 1.4.2004111 soll eine teilweise unentgeltliche Leistung insoweit der Anfechtung unterliegen, als deren Wert den der Gegenleistung übersteigt und die Vertragsparteien den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum überschritten haben. Nach einem Beschluss des XII. Zivilsenats des BGH vom 6.11.2013112 besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer gemischten Schenkung, wenn bei einem Zuwendungsgeschäft zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektives, über ein geringes Maß deutlich hinausgehendes Missverhältnis gegeben ist. Nach herrschender Meinung ist auch bei einem Notverkauf unter dem Ver- G 40 kehrswert noch von einer entgeltlichen Leistung auszugehen.113 Geht man von der Teilbarkeit der Leistungen aus, so dürfte unverkennbar eine Neigung bestehen, eine unentgeltliche Leistung nur insoweit anzunehmen, als die Gegenleistung des Vertragspartners des Schuldners deutlich hinter dem Verkehrswert der Leistung des Schuldners zurückbleibt.114 Im Schrifttum wird zu Recht geltend gemacht, dass die uneingeschränkte An- G 41 wendung des § 134 InsO nicht immer zu angemessenen Ergebnissen führe. Es wird daher vorgeschlagen, dem anderen Teil auch bei einer unteilbaren Leistung des Schuldners das Recht einzuräumen, durch Zahlung des Differenzbetrages den Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters abzuwenden. Denn die Rückgewähr des ganzen Gegenstandes könne den Insolvenzverwalter in Verlegenheit bringen, da er dann gezwungen sei, die Gegenleistung Zug um Zug zurückzugewähren.115 Eine verschleierte bzw. verdeckte Schenkung erweckt dagegen nur den Anschein G 42 der Entgeltlichkeit, um die tatsächlich gewollte Freigebigkeit zu verdecken. Sie ist daher uneingeschränkt gemäß § 134 InsO anfechtbar, während das nur vorgespiegelte entgeltliche Geschäft nach § 117 Abs. 2 BGB nichtig ist.116 109 BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 ff. 110 BGH v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 (127). 111 BGH v. 1.4.2004 – IX ZR 305/00, GmbHR 2004, 799 = MDR 2004, 963 = ZIP 2004, 957 (960). 112 BGH v. 6.11.2013 – XII ZB 434/12, NJW 2014, 294 ff. 113 Dafür FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rz. 13; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 134 Rz. 41; MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 41; Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 40. 114 Vgl. dazu ferner BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, ZIP 1998, 830 ff. Rz. 52 zur Sicherungsübertragung. 115 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 29; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 34. 116 MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 134 Rz. 41a. Schfer

545

G Rz. 42a

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

cc) Irrtumsfälle G 42a Obwohl der BGH im Rahmen des § 134 InsO in erster Linie eine objektive Betrachtung anstellt,117 spricht er andererseits aber auch davon, dass eine Verfügung entgeltlich sei, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten habe, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung gewesen sei oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten habe sein sollen.118 Es stellt sich daher die Frage, inwieweit Irrtümer der Beteiligten für die Anfechtung nach § 134 InsO von Bedeutung sind. Ob ein Irrtum beider Teile über die tatsächlichen Voraussetzungen der Werthaltigkeit einer Gegenleistung der Anwendung der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 AnfG entgegenstünde, hat der BGH in einem Urteil vom 28.2.1991119 dahingestellt sein lassen. Er hat inzwischen durch Urteil vom 15.9.2016120 wie folgt entschieden: Entrichtet der Schuldner den vereinbarten Kaufpreis für einen nach den tatsächlichen Gegebenheiten objektiv wertlosen Geschäftsanteil an den Verkäufer, scheidet eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung gemäß § 134 InsO aus, wenn beide Teile nach den objektiven Umständen von einem Austausch-Marktgeschäft ausgegangen und in gutem Glauben von der Werthaltigkeit des Kaufgegenstandes überzeugt sind. Ein Irrtum des Leistungsempfängers über die (objektive) Unentgeltlichkeit wird vom BGH und von der herrschenden Auffassung im Schrifttum als unbeachtlich angesehen, so dass § 134 InsO anwendbar ist.121 Entgeltlich ist dagegen nach der herrschenden Meinung im Schrifttum die Erfüllung eines entgeltlich begründeten, unerkannt unwirksamen Vertrages durch den Schuldner.122 Wer auf eine nicht bestehende, aber als entgeltlich gewollte Schuld zahlt, leistet nicht schon deshalb unentgeltlich, weil die Schuld nicht besteht.123 Nimmt daher der Schuldner irrig an, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein, liegt nach der herrschenden Meinung keine unentgeltliche Leistung vor.124 Da § 131 InsO mit seiner Tatbestandsalternative „nicht zu beanspruchen“ strengere Voraussetzungen aufstellt als § 134 InsO, erscheint es in der Tat als geboten, rechtsgrundlose Leistungen nicht schlechthin als unentgeltliche Leistungen anzusehen.125

117 Vgl. BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484 f. Rz. 13; v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. Rz. 6. 118 BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 225/09, ZIP 2010, 1455 ff. Rz. 10; v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZInsO 2010, 807 f. Rz. 9. 119 BGH v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 ff. Rz. 11. 120 BGH v. 15.9.2016 – IX ZR 250/15, ZIP 2016, 2329 ff. 121 Vgl. BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484 f. Rz. 10 zu Scheingewinnen; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 456 f.; Bork in Kübler/Prütting/ Bork, § 134 Rz. 45 – einschränkend Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 20. 122 Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 220; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 134 Rz. 22; Gerhardt, ZIP 1991, 273 (280). 123 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 12; vgl. ferner OLG Koblenz v. 11.3.1999 – 5 U 1160/98, NZI 2000, 84 f. 124 BGH v. 9.10.2014 – IX ZR 294/13, juris Rz. 3: Leistung auf angenommene Umsatzsteuerschuld; v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (102); v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (66); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 457 f.; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 12; a.A. MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 22. 125 Vgl. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 458.

546 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 44 G

dd) Auszahlung von Scheingewinnen Auf der Grundlage der von ihm vertretenen Auffassung geht der BGH ohne wei- G 43 teres davon aus, dass der Insolvenzverwalter die Auszahlung der im Rahmen eines „Schneeballsystems“ erzielten Scheingewinne durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten könne.126 Er stellt darauf ab, dass eine Leistung, die der Schuldner in Kenntnis aller Umstände ohne Gegenleistung erbracht habe, auch dann als unentgeltliche Leistung anzusehen sei, wenn der Leistungsempfänger sie aufgrund eines vom Schuldner hervorgerufenen Irrtums für entgeltlich gehalten habe.127 Im Schrifttum wird es als entscheidend angesehen, dass der Leistende, der gewusst habe, dass die Verbindlichkeit nicht bestehe, in Wahrheit nicht den Erfolg der Schuldtilgung gewollt habe, sondern etwas anderes, nämlich eine unentgeltliche Zuwendung.128 Der Empfänger erscheint jedenfalls in den Scheingewinnfällen als nicht schutzwürdig, da die Kapitalüberlassung allein noch keinen Anspruch auf Gewinn gibt.129 Nach einem weiteren Urteil des BGH vom 22.4.2010130 findet eine Saldierung des aus der Anfechtung der Auszahlung von Scheingewinnen resultierenden Rückgewähranspruchs des Insolvenzverwalters mit den Einlageleistungen des Anlegers nicht statt. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einem Urteil vom 11.3.2010131 offen ge- G 44 lassen, ob eine Rechtsgrundlosigkeit nach Bereicherungsrecht in jedem Fall einer Unentgeltlichkeit nach Anfechtungsrecht gleichsteht. Der Schuldner, der eine Nichtschuld in Kenntnis ihres Nichtbestehens erfülle, leiste unentgeltlich. Die Zahlung einer Vermittlungsprovision sei als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit sie auf Scheingewinnen beruhe, die den vermittelten Anlegern gutgeschrieben worden seien. Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt im Ergebnis bestätigt.132 Danach unterliegen Provisionszahlungen für den Vertrieb eines Anlagemodells als objektiv unentgeltliche Leistung der Anfechtung nach § 134 InsO, wenn der Betrag der an den Anleger ausgezahlten Scheingewinne ihre Berechnungsgrundlage bildet. Da die Auszahlung der Scheingewinne der Anfechtung nach § 134 InsO unterliege, könnten diese Gewinne auch nicht bei der Berechnung der Folgeprovisionen berücksichtigt werden. Bei der Zahlung auf eine Nichtschuld fehle es, selbst wenn einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch § 814 BGB entgegenstehe, an der Entgeltlichkeit der Leistung.133

126 BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. = MDR 2009, 350; v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, MDR 2010, 956 = ZIP 2010, 1253 ff. 127 Vgl. BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. Rz. 6 = MDR 2009, 350; v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 ff. = MDR 1991, 431; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.90. 128 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 13. 129 Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 134 Rz. 22. 130 BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, MDR 2010, 956 = ZIP 2010, 1253 ff. 131 OLG Frankfurt v. 11.3.2010 – 16 U 129/09, ZIP 2010, 938 ff.; vgl. ferner Smid/Zeuner, § 134 Rz. 19. 132 BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, MDR 2011, 570 = ZIP 2011, 484 f. 133 BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, MDR 2011, 570 = ZIP 2011, 484 f. Rz. 12. Schfer

547

G Rz. 45

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

G 45 In diesem Zusammenhang ist ferner zu beachten, dass sich der aus der Anfechtung von Ausschüttungen im Rahmen eines Schneeballsystems resultierende Rückgewähranspruch mangels Unentgeltlichkeit nicht auf Auszahlungen erstreckt, mit denen – etwa nach einer Kündigung der Mitgliedschaft in der Anlegergemeinschaft – vom Anleger erbrachte Einlagen zurückgewährt wurden.134 Die Rückzahlung der Einlage ist grundsätzlich nur insoweit entgeltlich, als der Schuldner nach den vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet war, die Einlage an den Anleger zurückzuzahlen.135 Ausschüttungen im Rahmen eines solchen Schneeballsystems erfolgen allerdings in der Regel zunächst auf ausgewiesene Scheingewinne und erst danach auf die geleistete Einlage. Ein Auszahlungsauftrag ist in der Regel dahingehend auszulegen, dass in erster Linie eine Auszahlung der erzielten Gewinne erfolgen sollte und nur dann eine Auszahlung eines Teils oder des Gesamtbetrages der Einlage, wenn das aus den Gewinnen resultierende Guthaben für die beantragte Auszahlung nicht ausreichte.136 G 45a Bei der Bestimmung der unentgeltlich ausgezahlten Scheingewinne ist die ursprüngliche Einzahlung in voller Höhe von den Auszahlungen abzuziehen und nicht etwa nur der nach Ansicht des Insolvenzverwalters – nach Abzug von Verlusten und Verwaltungsgebühren – noch vorhandene Teil der Einlage.137 Eine Verrechnung der anteiligen Verluste aus den in geringem Umfang noch getätigten Anlagegeschäften und der Verwaltungsgebühr mit der Einzahlung des Anlegers kann nach den gegebenen Umständen gegen § 242 BGB verstoßen.138 G 45b Die Fälle, in denen Kapitalanleger eine Kapitaleinlage in das Gesellschaftsvermögen geleistet haben, sind jedoch von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen sie eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung erworben haben.139 Im letzteren Fall steht dem Gesellschafter im Grundsatz nur ein Anspruch auf Abfindung in Höhe des Wertes seiner Beteiligung zu, nicht aber auf Rückerstattung seiner Einlage. Dabei findet auf Anlagegesellschaften, welche ein Schneeballsystem betrieben haben, in der Regel das Recht der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung.140 Der Insolvenzverwalter kann daher die Auszahlung eines gesellschaftsrechtlichen Scheinauseinandersetzungsguthabens als unentgeltliche Leistung gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechten, wenn tatsächlich keine Erträge erwirtschaftet wurden, sondern die Auszahlung aus einer im Schneeballsystem gewonnenen Einlage ermöglicht wurde; dies gilt auch für eine Gewinnvorauszahlung. Denn die bewusste Erfüllung einer nicht bestehenden Forderung ist unentgeltlich, auch wenn der Leistungsempfänger irrtümlich vom Bestehen der Forderung ausgegangen ist.141

134 135 136 137 138 139 140 141

BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 225/09, MDR 2010, 1153 = ZIP 2010, 1455 ff. BGH v. 9.12.2010 – IX ZR 60/10, ZIP 2011, 390 ff. Rz. 10. BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 18/10, MDR 2011, 634 = ZIP 2011, 674 ff. BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 18/10, MDR 2011, 634 = ZIP 2011, 674 ff. Rz. 14; v. 9.12.2010 – IX ZR 60/10, ZIP 2011, 390 ff. BGH v. 9.12.2010 – IX ZR 60/10, ZIP 2011, 390 ff. Rz. 12 ff. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 198/10, ZIP 2013, 1533 ff. Rz. 10. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 198/10, ZIP 2013, 1533 ff. Rz. 12 ff. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 198/10, ZIP 2013, 1533 ff. Rz. 21; v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. Rz. 6.

548 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 48 G

Die bloße Umbuchung der in einem Schneeballsystem erzielten Scheingewin- G 45c ne auf ein anderes Anlagekonto desselben Anlegers begründet keinen anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch, da darin keine Schuldumschaffung zu sehen ist.142 ee) Weitere Einzelfälle Die Leistung auf eine aufschiebend bedingte Verpflichtung ist unentgeltlich, G 46 solange die Bedingung noch nicht eingetreten ist, da die Schuld noch nicht besteht.143 Die Leistung kann in diesem Fall auch nach Bereicherungsrecht kondiziert werden.144 Die Möglichkeit, die Leistung nach § 812 Abs. 1 BGB zurückzufordern, schließt die Gläubigerbenachteiligung im Grundsatz nicht aus.145 Entgeltlich ist dagegen die Leistung auf eine entgeltlich begründete, auflösend bedingte Verbindlichkeit.146 Eine trotz eines qualifizierten Rangrücktritts im Stadium der Insolvenzreife be- G 46a wirkte Zahlung kann nach der Rechtsprechung des BGH als unentgeltliche Leistung des Schuldners im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO angefochten bzw. mangels Rechtsgrundes kondiziert werden.147 Eine solche qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung kann als Vertrag zugunsten Dritter, der zum Vorteil aller Gläubiger des Schuldners Rechte begründet, nicht durch eine Abrede des Schuldners mit dem Forderungsgläubiger aufgehoben werden, es sei denn, eine Insolvenzreife des Schuldners liegt nicht vor oder ist beseitigt.148 Einem Bereicherungsanspruch der Gesellschaft kann zwar bei Kenntnis vom Verstoß gegen das Zahlungsverbot § 814 BGB entgegenstehen. Die Anfechtbarkeit nach § 134 Abs. 1 InsO hindert § 814 BGB dagegen nicht, denn diese Bestimmung ist auf das anfechtungrechtliche Rückgewährverhältnis des § 143 Abs. 1 InsO nicht anzuwenden.149 Der Verzicht auf den Pflichtteil ist in aller Regel keine Gegenleistung, welche G 47 die Verfügung des Schuldners zu einer entgeltlichen macht, denn der Pflichtteilsverzicht eröffnet den Gläubigern des Schuldners keine Zugriffsmöglichkeiten.150 Ein dem Schuldner eingeräumtes unübertragbares Nutzungsrecht ist nicht als G 48 Gegenleistung zu berücksichtigen, da ein solches Recht gemäß §§ 851, 857 142 BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 207/10, ZIP 2012, 931 ff. 143 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 26; HambKomm/Rogge/Leptien, § 134 Rz. 22; a.A. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 46, da die Erfüllung einer (entgeltlich begründeten) aufschiebend bedingten Verbindlichkeit in aller Regel nicht aus Freigebigkeit erfolge, so dass nur von einer inkongruenten Deckung auszugehen sei. 144 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 11. 145 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 24. 146 BGH v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 133, 393 (397 f.); MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 26. 147 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. 148 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. Rz. 42. 149 Vgl. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14 Rz. 46; v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. Rz. 15; v. 16.7.2009 – IX ZR 53/08, NZI 2010, 320 Rz. 3. 150 BGH v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, MDR 1991, 645 = FamRZ 1991, 695 = NJW 1991, 1610 f.; MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 24. Schfer

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G Rz. 48

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

ZPO nicht der Pfändung unterliegt.151 Im Falle einer Grundstücksschenkung stellt daher die Einräumung eines Nießbrauchs zugunsten des Schenkers keine ausgleichende Gegenleistung dar.152 G 49 Wird der Grundstückseigentümer vom Schuldner aus der Grundschuldhaftung entlassen, obwohl die zu sichernde Forderung fortbesteht, kann der Insolvenzverwalter die Freistellung gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechten.153 G 50 Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, inwieweit der Ausschluss oder die Beschränkung des Abfindungsanspruchs eines Gesellschafters der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegen kann.154 Die wohl herrschende Auffassung sieht im Ausschluss des Abfindunganspruchs – sofern überhaupt wirksam – eine unentgeltliche Zuwendung an die übrigen Gesellschafter.155 Bei der Beschränkung der Abfindung auf den Buchwert wird eine unentgeltliche Zuwendung zum Teil mit der Erwägung verneint, dass prinzipiell jeder Gesellschafter in den Genuss einer Wertsteigerung des Gesellschaftsvermögens beim Ausscheiden eines anderen Gesellschafters kommen könne.156 Die Auszahlung eines Gesellschafterdarlehens an die Gesellschaft kann in der Insolvenz des Gesellschafters nicht als unentgeltliche Leistung des Gesellschafters angefochten werden.157 Der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Gesellschafters, welcher der Gesellschaft ein Darlehen gewährt hat, kann dem Nachrangeinwand des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Gesellschaft nicht den Gegeneinwand entgegenhalten, die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens sei als unentgeltliche Leistung anfechtbar.158 G 50a Nach der Rechtsprechung des BGH sind Auszahlungen auf die Einlage eines Anlegers nicht als unentgeltliche Leistung anzusehen, da der Anleger durch die Auszahlung seinen Anspruch auf Rückzahlung der (noch vorhandenen) Einlage verliere; darin liege seine Gegenleistung.159 G 50b Auch bei einem wirksamen Arbeitsverhältnis können Lohnzahlungen unentgeltliche Leistungen darstellen, wenn der Schuldner die hierfür geschuldete Arbeitsleistung trotz vorhandener Arbeitsmenge nicht oder nicht vollständig in Anspruch nimmt. Gleiches gilt im Fall der Vergütungsleistung trotz vertragswidriger Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers.160 Entgeltlich sind Zahlun151 BGH v. 18.12.2008 – IX ZR 79/07 – „Großküchenbetrieb“, NotBZ 2009, 455 m. Anm. Suppliet = MDR 2009, 713 = ZIP 2009, 573 ff. Rz. 11. 152 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262 = ZIP 1999, 628 (630). 153 OLG Hamburg v. 12.6.1987 – 1 U 64/80, ZIP 1989, 777 ff.; vgl. dazu noch OLG Hamburg v. 8.1.1987 – 6 U 49/86, KTS 1987, 727 (730). 154 Vgl. BGH v. 12.6.1975 – II ZB 12/73, NJW 1975, 1835 ff.; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 134 Rz. 39. 155 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 39; Habersack, ZIP 1990, 625 (627). 156 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 50 IV. 2. c), S. 1484; HambKomm-InsO/ Rogge/Leptien, § 134 Rz. 30. 157 BGH v. 13.10.2016 – IX ZR 184/14, ZIP 2016, 2483 ff., 1. Leitsatz. 158 BGH v. 13.10.2016 – IX ZR 184/14, ZIP 2016, 2483 ff., 2. Leitsatz. 159 BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 225/09, ZIP 2010, 1455 ff. Rz. 12. 160 BAG v. 18.9.2014 – 6 AZR 145/13 – „Scheinarbeitsverhältnis“, ZIP 2014, 2519 ff.

550 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 54 G

gen, die aufgrund gesetzlicher oder tariflicher Bestimmungen erfolgen, die unter Durchbrechung des Grundsatzes „kein Entgelt ohne Arbeit“ eine Entgeltzahlungspflicht ohne Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vorsehen. Eine Zahlung in Erfüllung einer vergleichsweise vereinbarten Freistellung ist in der Regel ebenfalls entgeltlich und nicht nach § 134 InsO anfechtbar.161 Schenkungscharakter hat jedoch eine Freistellung des Ehegatten, die auf familienrechtlichen Gründen (Trennung) beruht.162 Leistungen, die lediglich in Erwartung einer Gegenleistung erbracht werden, G 51 ohne dass die Verpflichtung zu einer solchen begründet wird, sind ebenfalls unentgeltliche Zuwendungen. Überlässt daher der Schuldner ohne ausdrückliche Vereinbarung seinem Ehegatten Vermögenswerte ohne Gegenleistung, handelt es sich um unbenannte Zuwendungen, die aus Gründen des Gläubigerschutzes der Anfechtung unterliegen.163 Entgeltlich soll die Erfüllung eines verjährten Anspruchs aus einem entgeltli- G 52 chen Vertrag sein, da in diesem Fall eine Verbindlichkeit bestanden habe.164 Entsprechendes gilt für die Erfüllung eines nicht einklagbaren Anspruchs und eines Anspruchs aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis.165 Bei der vorzeitigen Erfüllung einer Schuld kann eine unentgeltliche Leistung hinsichtlich des Zwischenzinses gegeben sein.166

G 53

Unterwirft sich der Verletzer eines Markenrechts dem Anspruch des Verletzten G 53a durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, stellt weder die für den Fall einer Zuwiderhandlung übernommene Verpflichtung zu einer Vertragsstrafe noch deren Zahlung eine unentgeltliche Leistung des Verletzers dar.167 Der aus der Unterwerfungserklärung Berechtigte erlangt zwar durch das Vertragstrafeversprechen einen Anspruch, der nicht bereits von Gesetzes wegen oder aufgrund einer gegebenen vertraglichen Verpflichtung des Schuldners bestand. Er verliert aber zugleich das Recht, seinen Anspruch auf Unterlassung (§ 14 Abs. 5 MarkenG) auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg durchzusetzen.168 Auch Prozesshandlungen können nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar sein, wenn sie eine verfügungsähnliche Wirkung zu Lasten des schuldnerischen Vermögens herbeiführen, wie zum Beispiel der Klageverzicht oder ein Anerkenntnis des Schuldners hinsichtlich eines nicht bestehenden Rechts.169

161 162 163 164 165 166 167 168 169

BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 186/14, ZIP 2016, 377 ff. BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 186/14, ZIP 2016, 377 ff. Rz. 8. Vgl. OLG Celle v. 17.10.1989 – 20 U 25/89, NJW 1980, 720 f. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 81; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 12; MK-InsO/ Kirchhof, 2. Aufl., § 134 Rz. 24 mit Hinweis auf § 222 Abs. 2 BGB a.F. – offen gelassen bei MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 24. Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 81; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 12. Vgl. BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 93/96, MDR 1997, 767 = ZIP 1997, 853 ff. BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 180/13, ZIP 2015, 1306 f. BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 180/13, ZIP 2015, 1306 f. Rz. 4. Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 40. Schfer

551

G 54

G Rz. 54a

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

G 54a Unterliegt die Wirksamkeit eines Vertrages, der einem Dienstleister eine erfolgsunabhängige Vergütung gewährt, wegen eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung Wirksamkeitsbedenken, so kann eine „Schenkungsanfechtung“ ausscheiden, wenn der Dienstleister im Rahmen eines Vergleich auf seine Forderung teilweise verzichtet.170 G 54b Zahlungen eines willkürlich, ohne konkreten Bezug zur Tätigkeit festgesetzten Honorars für Beratungsleistungen im Rahmen einer Restrukturierung können nach einem Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24.7.2015171 der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegen. c) Mehrpersonenverhältnis aa) Grundsätze der BGH-Rechtsprechung G 55 Die Rechtsgrundsätze zur Unentgeltlichkeit einer Leistung im Zwei-PersonenVerhältnis erweisen sich nach Ansicht des BGH dort als zu eng, wo eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet wird.172 In solchen Fällen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Schuldner selbst für die von ihm erbrachte Leistung einen Ausgleich erhalten hat. Maßgebend ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Denn es entspricht der Wertung des § 134 InsO, dass der Empfänger einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat.173 Es ist für die Frage der Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners an den Zuwendungsempfänger ferner nicht entscheidend, ob der Schuldner gegenüber einem Dritten zur Leistung verpflichtet war oder mit der Leistung eigene wirtschaftliche Interessen verfolgte oder Vorteile erzielte.174 G 55a Die Frage, ob ein Zwei-Personen-Verhältnis oder ein Mehrpersonenverhältnis gegeben ist, ist nicht immer leicht zu beantworten, weil sie durch rechtliche Bewertungen beeinflusst wird. Handelt für einen der Beteiligten ein Stellvertreter bzw. ein Erfüllungsgehilfe, so liegt nur ein Zwei-Personen-Verhältnis vor. Typisches Beispiel ist das Handeln der Bank als reine Zahlstelle für einen der Beteiligten.175 Wird das Guthaben bei einem Finanzdienstleister auf Weisung des Schuldners als Kontoinhaber auf das Konto eines Dritten bei demselben In-

170 BGH v. 8.3.2012 – IX ZR 51/11, ZIP 2012, 984 ff. 171 LG Dessau-Roßlau v. 24.7.2015 – 2 O 480/14 – „Q-Sells“, ZIP 2015, 2034 f. 172 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99 f.) = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262; v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, MDR 2010, 288 = ZIP 2010, 36 ff. Rz. 8; v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 11. 173 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 99 f. = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 13 = MDR 2005, 953; v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, MDR 2008, 1124 = ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 11; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 134 Rz. 24. 174 BGH v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. Rz. 14; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 11 = MDR 2008, 345; HK-InsO/Thole, § 134 Rz. 8, 13. 175 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 ff.

552 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 58 G

stitut umgebucht, so liegt ein Zwei-Personen-Verhältnis zwischen Schuldner und Leistungsempfänger vor.176 Im Schrifttum wird die weitergehende Auffassung vertreten, dass auch bei sogenannten Anweisungslagen ein „unechtes“ Mehrpersonenverhältnis gegeben sein könne.177 Diese Fälle werden jedoch von der herrschenden Meinung zu Recht unter dem Stichwort „Mehrpersonenverhältnis“ abgehandelt.178 Lässt man mit dem BGH in Drei-Personen-Verhältnissen in der Insolvenz des G 56 Zuwendenden die Anfechtung nach § 134 InsO auch im Verhältnis zu einem Zuwendungsempfänger zu, der nicht durch eine kausale Rechtsbeziehung mit dem Schuldner verbunden ist, kann selbstverständlich auf eine Vereinbarung, aus der sich die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit ergeben kann, von vornherein nicht abgestellt werden. Im Zwei-Personen-Verhältnis soll daher die „vereinbarte Unentgeltlichkeit“, im Drei-Personen-Verhältnis hingegen das „ausbleibende Vermögensopfer“ maßgebend sein.179 Begleicht der Verfügende die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zu- G 57 wendungsempfängers (Tilgung fremder Schuld), liegt dessen Gegenleistung nach Ansicht des BGH darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur bei einem Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen diesen verliert. In diesem Fall ist nicht der Leistungsempfänger, sondern dessen Schuldner der richtige Beklagte für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Zuwendung.180 Ist hingegen die Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos, verliert dieser G 58 nach Ansicht des BGH wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. In solchen Fällen ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar. Der Zuwendungsempfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern des Verfügenden (Zuwendenden) nicht schutzwürdig; denn er hätte ohne diese Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht mehr durchsetzen können.181 Die Werthaltigkeit der beglichenen Forderung kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass es dem insolvenzreifen Drittschuldner gelungen ist, für einen Ausgleich des gegen ihn gerichteten Anspruchs zu sorgen.182 Entsprechendes soll gelten, wenn der Schuldner auf eine unwirksame Forderung des Zuwendungsempfän-

176 BGH v. 29.3.2012 – IX ZR 207/10, ZIP 2012, 931 ff. Rz. 12; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 25. 177 Vgl. Wiester/Kranz, NZI 2012, 541 ff.; kritisch dazu K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 26. 178 Vgl. dazu Rz. B129. 179 Vgl. Kayser, WM 2007, 1 (4). 180 Vgl. BGH v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, MDR 2010, 288 = ZIP 2010, 36 ff. Rz. 8; v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. Rz. 10; v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, MDR 2004, 904 = ZIP 2004, 917 (918). 181 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, MDR 2008, 1124 = ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 13; v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. Rz. 11; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 51. 182 Vgl. BGH v. 27.4.2010 – IX ZR 122/09, ZInsO 2010, 1091 ff. Rz. 6. Schfer

553

G Rz. 58

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

gers gegen einen Dritten leistet.183 Die Leistung des Schuldners ist auch nicht deshalb entgeltlich, weil er sich gegenüber dem Drittschuldner zu deren Tilgung verpflichtet hat. Maßgebend ist allein das Rechtsverhältnis zwischen dem verfügenden Schuldner und dem Zuwendungsempfänger.184 Auch eine Cash-PoolAbrede zwischen dem Schuldner und dem Drittschuldner vermag daher keine Entgeltlichkeit im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Zuwendungsempfänger zu begründen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen Anspruch auf Erfüllung hatte, etwa aufgrund Schuldübernahme oder Schuldbeitritts.185 Dafür genügt eine zwischen dem Schuldner und dem Drittschuldner vereinbarte Erfüllungsübernahme nicht, denn diese verschafft dem Gläubiger kein Forderungsrecht (vgl. § 329 BGB).186 G 59 Soweit in früheren Entscheidungen des BGH davon die Rede ist, dass die Sicherstellung einer fremden Schuld auch dann entgeltlich ist, wenn dem Sicherungsgeber dafür die Kreditgewährung an den Dritten versprochen wird, an der er ein eigenes wirtschaftliches Interesse hat, und dass ein derartiges Interesse im Verhältnis zwischen Tochter- und Muttergesellschaft regelmäßig vorhanden sei,187 ist der BGH davon später abgerückt. Die Besicherung einer fremden Forderung ist nicht deswegen entgeltlich, weil der Sicherungsgeber mit der Gewährung der Sicherheit ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt.188 Selbst wenn der Schuldner gegenüber einem Dritten zur Leistung verpflichtet war oder mit der Leistung eigene wirtschaftliche Interessen verfolgte oder Vorteile erzielte, macht dies den Zuwendungsempfänger nach Ansicht des BGH gegenüber den Insolvenzgläubigern des Schuldners nicht schutzwürdig und lässt die Unentgeltlichkeit der Leistung im Verhältnis zum Empfänger nicht entfallen.189 G 59a Diese Rechtsprechung darf indes nicht dahingehend verallgemeinert werden, dass für die Annahme der Entgeltlichkeit der Besicherung einer Forderung gegen einen Dritten stets eine rechtliche Verpflichtung des Sicherungsnehmers auch gegenüber dem Sicherungsgeber gegeben sein müsse. Die Besicherung einer fremden Schuld ist vielmehr auch dann entgeltlich, wenn der Sicherungsnehmer für die Zuwendung vereinbarungsgemäß eine ausgleichende Leistung an einen Dritten erbracht hat, ohne dazu gegenüber dem Sicherungsgeber verpflichtet gewesen zu sein.190 Dies hat der BGH durch Urteil vom 20.12.2012191 klargestellt:

183 184 185 186 187 188 189 190 191

Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 13. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00 – „Cash-Pool (1)“, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 18. Vgl. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 20 = MDR 2005, 953. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 19 = MDR 2005, 953. Vgl. BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = NJW 1998, 2592 (2599). BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. BGH v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. Rz. 14; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 19 = MDR 2005, 953. Vgl. OLG Düsseldorf v. 7.11.2013 – 12 U 114/12, ZIP 2014, 837 f. BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223 ff.

554 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 59d G

BGH-Urteil vom 20.12.2012 – ZIP 2013, 223 ff. Der Erblasser war Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH, über deren G 59b Vermögen am 2.4.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die GmbH hatte der verklagten Bank gemäß Kreditzusage vom 12./15.6.1998 unter anderem Sicherheit durch Abtretung der Ansprüche des Erblassers aus einer Kapitallebensversicherung zu leisten. Dieser trat am 14.12.1998 seine Versicherungsansprüche an die Beklagte ab. In der Zeit nach dem 1.4.2005 zahlte der Erblasser bis zu seinem Tode Versicherungsprämien in Höhe von ca. 22 000 Euro. Auf Antrag vom 23.3.2009 wurde am 25.8.2009 das Nachlassinsolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Der klagende Nachlassverwalter verlangte mit seiner Klage von der Beklagten die Rückerstattung der seit dem 1.4.2005 gezahlten Versicherungsprämien unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung gemäß § 134 InsO. Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Ihre Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der BGH bestätigt zunächst seine Rechtsprechung, wonach die Abtretung der G 59c Ansprüche aus einer Lebensversicherung dem Anfechtungsgegner eine gesicherte Rechtsposition verschaffe, die nur angefochten werden könne, wenn sie im Vierjahreszeitraum des § 134 InsO vereinbart worden sei. Jedoch könnten die in dieser Zeit gezahlten Versicherungsprämien der Anfechtung unterliegen, sofern dadurch der Rückkaufswert und die beitragsfreie Versicherungssumme erhöht sowie der Wert des sich im Todesfall ergebenden Anspruchs, der andernfalls gesunken wäre, erhalten werde.192 In den Prämienzahlungen liege neben der Leistung an die Versicherung eine mittelbare Zuwendung des Erblassers an die Beklagte. Die Zahlung des Sicherungsgebers habe insoweit eine Doppelwirkung, und der Verwalter habe die Möglichkeit, die Leistungsempfänger wahlweise in Anspruch zu nehmen, sofern die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen jeweils vorlägen. Ob die Prämienzahlungen als unentgeltliche Leistungen anzusehen seien, lasse G 59d sich jedoch anhand der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht feststellen. Der Sicherungsnehmer sei auch dann von der „Schenkungsanfechtung“ freigestellt, wenn er für die Zuwendung des Schuldners eine ausgleichende Gegenleistung an diesen oder einen Dritten erbringe.193 Für die Entgeltlichkeit genüge es, dass der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß eine Leistung an einen Dritten erbringe,194 ohne dass hierzu eine vertragliche Verpflichtung des Sicherungsnehmers gegenüber dem Sicherungsgeber bestehen müsse. Ob der Schuldner (hier: Erblasser) gegenüber dem Drittschuldner (hier: GmbH) zu

192 BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223 ff. Rz. 15; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 95; Braun/de Bra, § 134 Rz. 23. 193 BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223 ff. Rz. 25; v. 3.5.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279 ff.); v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, ZIP 2006, 1362 ff. Rz. 10; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 8. 194 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 11 ff., 15 f.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl., Rz. 6.123. Schfer

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G Rz. 59d

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

der Leistung verpflichtet gewesen sei oder ein eigenes Interesse an der Leistungserbringung gehabt habe, sei unerheblich.195 G 59e Entscheidend sei deshalb, ob das Darlehen Zug-um-Zug gegen Hereinnahme der vom Erblasser gestellten Sicherheit oder danach ausgereicht worden sei oder ob umgekehrt die Drittsicherheit nachträglich bestellt worden sei. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Unentgeltlichkeit sei der Zeitpunkt des Rechtserwerbs des Anfechtungsgegners, hier also das Wirksamwerden der Abtretung. Das Darlehen komme daher nicht mehr als ausgleichende Gegenleistung in Betracht, wenn es beim Wirksamwerden der Abtretung bereits ausgereicht gewesen sei. Sei der Abtretungsvertrag nicht spätestens Zug-um-Zug mit der Darlehensauszahlung zustande gekommen, sondern erst später, liege eine unentgeltliche Nachbesicherung vor. Das Stehenlassen eines sonst durchsetzbaren Rückforderungsanspruchs gegen einen Dritten (hier: GmbH) stelle keine ausreichende Gegenleistung dar, weil das bloße Unterlassen der Rückforderung keine Zuführung neuen Vermögens bedeute.196 Sei die Drittsicherheit dagegen vor oder spätestens Zug-um-Zug mit der Darlehensauszahlung bestellt worden, sei sie entgeltlich. Auch die Prämienzahlungen seien in diesem Fall entgeltlich erfolgt, da der Erblasser diese Pflicht schon vor der Darlehensauszahlung übernommen habe. In der anschließenden Darlehensauszahlung sei die ausgleichende Gegenleistung zu sehen. G 59f

Das Urteil des BGH ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass er sowohl die ursprüngliche und nachträgliche Besicherung einer eigenen entgeltlichen Verbindlichkeit als auch die ursprüngliche Besicherung einer entgeltlichen Fremdverbindlichkeit als entgeltlich ansieht, nicht aber die nachträgliche Besicherung einer Fremdverbindlichkeit. Daher kommt es für ihn bei der Frage der Anwendbarkeit des § 134 InsO entscheidend auf die unter Umständen durch Zufälligkeiten geprägte Frage an, ob die Sicherheit vor bzw. bei der Kreditgewährung gestellt wurde oder danach. Dieses Problem stellt sich nicht für jene Auffassung, die auch die nachträgliche Besicherung einer entgeltlichen Fremdverbindlichkeit als entgeltlich ansieht.197

G 60 Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob im Sinne der Rechtsprechung des BGH Unentgeltlichkeit vorliegt, ist somit der Zeitpunkt des Rechtserwerbs des Anfechtungsgegners infolge der Leistung des Schuldners, also zum Beispiel der Erhalt der Zahlung.198 Entscheidend ist grundsätzlich das objektive Verhältnis der ausgetauschten Werte.199 Hat der Leistungsempfänger bereits zu einem früheren Zeitpunkt seinem Schuldner eine Leistung erbracht, 195 Vgl. BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 ff. Rz. 6. 196 BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223 ff. Rz. 31; v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 41; v. 26.4.2012 – IX ZR 149/11, ZIP 2012, 1254 ff. Rz. 21. 197 Vgl. dazu unten Rz. G98 ff. 198 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, MDR 2008, 1124 = ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 12; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (281) = MDR 2005, 953; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 134 Rz. 33. 199 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, MDR 2008, 1124 = ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 12; v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (102 f.) = MDR 1991, 431.

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III. Einzelheiten

Rz. 63 G

kann deshalb nicht auf ihren damaligen objektiven Wert abgestellt werden. In diesem Fall kann die Unentgeltlichkeit nur nach dem Wert der Forderung bemessen werden, die dem Zuwendungsempfänger im Zeitpunkt des Rechtserwerbs gegen seinen Schuldner zusteht. Ob der Leistungsempfänger Kenntnis von der Wertlosigkeit seiner Forderung gegen den Drittschuldner hatte, ist nach der Rechtsprechung des BGH unerheblich.200 Der BGH hatte zunächst noch offen gelassen, ob auch dann von einer wertlosen G 61 Forderung im Sinne dieser Rechtsprechung auszugehen ist, wenn der Zuwendungsempfänger in der Insolvenz seines Schuldners eine Quote zu erwarten hat.201 Er hat jedoch später durch Urteil vom 22.10.2009202 entschieden, dass eine Drittzahlung unentgeltlich ist, wenn der Schuldner des Leistungsempfängers zum Zeitpunkt der Bewirkung der Leistung insolvenzreif war. Im Fall der Insolvenzreife des Drittschuldners könne die Forderung nicht mehr durchgesetzt werden, weil nunmehr eine gemeinschaftliche Befriedigung aller (Insolvenz-)Gläubiger in dem dafür vorgesehenen Verfahren stattzufinden habe. Die Wertlosigkeit und fehlende Durchsetzbarkeit der Forderung im Zeitpunkt ihrer Tilgung werde durch das spätere Ergebnis einer Gesamtbefriedigung und eine etwaige, auf den Gläubiger entfallende Quote nicht berührt. Könne der Gläubiger seine durch die Insolvenzreife entwertete Forderung nicht mehr isoliert durchsetzen, könne ihr auch im Falle einer Dritteistung kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert beigemessen werden. Dem Gläubiger bleibe nach der Anfechtung der von dem Dritten erbrachten Leistung nur die Möglichkeit, den Restwert seiner Forderung durch Anmeldung im Insolvenzverfahren seines Schuldners zu realisieren.203 Zu beachten ist jedoch, dass im Falle der Tilgung einer fremden Schuld durch G 62 den künftigen Insolvenzschuldner trotz der Wertlosigkeit der getilgten Forderung des Gläubigers gegen den Drittschuldner keine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO vorliegt, wenn dem Drittschuldner ein auf die Tilgung der Verbindlichkeit gerichteter werthaltiger Regressanspruch gegen den Schuldner zustand, auf den der Anfechtungsgegner hätte zugreifen können:204 BGH-Urteil vom 19.11.2009 – ZIP 2010, 36 ff. Die Beklagte gewährte dem Ehemann der Schuldnerin am 18.10.2004 ein Darle- G 63 hen in Höhe von 50 000 Euro. Diesen Betrag leitete der Ehemann an das Finanzamt weiter, das die Zahlung mit Steuerforderungen gegen die Schuldnerin verrechnete. Anschließend entrichtete die Schuldnerin in der Zeit von November 200 BGH v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. Rz. 12; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. Rz. 14. 201 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, MDR 2008, 1124 = ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 14. 202 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, MDR 2010, 290 = NotBZ 2010, 48 m. Anm. Suppliet = ZIP 2009, 2303 ff. 203 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, MDR 2010, 290 = NotBZ 2010, 48 m. Anm. Suppliet = ZIP 2009, 2303 ff. Rz. 9. 204 BGH v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08 – „Ehegattenregress“, MDR 2010, 288 = ZIP 2010, 36 ff.; v. 17.6.2010 – IX ZR 186/08, ZIP 2010, 1402 f.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, § 134 Rz. 11. Schfer

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G Rz. 63

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

2004 bis Oktober 2005 ratenweise Zahlungen in Höhe von ca. 41 000 Euro an die Beklagte. Der Ehemann der Schuldnerin war während des gesamten Zahlungszeitraums zahlungsunfähig. Auf den Eigenantrag der Schuldnerin vom 30.11.2005 wurde am 23.1.2006 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagten die Rückgewähr der empfangenen Ratenzahlungen. G 64 Der BGH führt zunächst aus, dass die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte wegen der Wertlosigkeit der Darlehensforderung der Beklagten gegen den Ehemann grundsätzlich der Anfechtung gemäß § 134 Abs. 1 InsO unterlägen. Allerdings sei die Besonderheit zu berücksichtigen, dass der Ehemann die von der Beklagten erhaltenen Darlehensmittel zur Begleichung von Abgabenforderungen verwendet habe, die gegen die Schuldnerin gerichtet gewesen seien. Dadurch könne er gegen die Schuldnerin einen Regressanspruch unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag oder nach Bereicherungsrecht erworben haben. Den Rückgriffsanspruch habe die Schuldnerin entsprechend der Weisung ihres Ehemannes durch Zahlung auf die gegen ihn gerichtete Forderung der Beklagten erfüllen können. Die Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO wäre daher unbegründet gewesen, wenn der Rückgriffsanspruch des Ehemannes gegen die Schuldnerin werthaltig gewesen wäre und somit folgerichtig wegen der Möglichkeit seiner insolvenzbeständigen vollstreckungsweisen Realisierbarkeit nicht von der Wertlosigkeit der gegen ihn bestehenden Darlehensforderung der Beklagten auszugehen gewesen wäre. Die Werthaltigkeit der gegen die Schuldnerin gerichteten Rückgriffsforderung bestimme sich indes ebenfalls danach, ob die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Leistungserbringung insolvenzreif gewesen sei. Die Werthaltigkeit der Forderung folge nicht schon aus ihrer tatsächlichen Begleichung, da Schuldner in der Krise erfahrungsgemäß aus verschiedensten Gründen noch einzelne Gläubiger bevorzugt befriedigten.205 G 65 Auch werthaltige Außenstände des Drittschuldners stehen der Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO gegenüber dem Gläubiger nur dann entgegen, wenn dieser auf die Außenstände trotz der materiellen Insolvenz des Drittschuldners insolvenzbeständig hätte zugreifen können; die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Anfechtungsgegner.206 Begleicht der Schuldner eine gegen einen Dritten gerichtete wertlose Forderung (des Zuwendungsempfängers), scheidet eine „Schenkungsanfechtung“ aus, wenn eine weitere Person für die Forderung eine werthaltige Sicherheit gestellt hatte, die der durch die Zahlung befriedigte Gläubiger verliert.207 G 65a Eine Wertlosigkeit der Forderung des Zuwendungsempfängers gegen den Drittschuldner ist nicht gegeben, wenn der Zuwendungsempfänger gegenüber einer Hauptforderung des Drittschuldners hätte aufrechnen können. Dementspre-

205 Vgl. BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (84) = MDR 2003, 1256. 206 BGH v. 17.6.2010 – IX ZR 186/08, MDR 2010, 1152 = ZIP 2010, 1402 f.; v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, MDR 2010, 288 = ZIP 2010, 36 ff. Rz. 11, 14; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 11. 207 BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 236/13, ZIP 2014, 977 f.

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III. Einzelheiten

Rz. 65c G

chend hat der BGH durch Urteil vom 18.4.2013208 entschieden, dass im Fall der Begleichung der gegen einen Dritten gerichteten Forderung des Anfechtungsgegners durch den Schuldner dessen Leistung entgeltlich sein kann, wenn sich der Zuwendungsempfänger gegenüber seinem Schuldner durch Aufrechnung hätte Befriedigung verschaffen können. Das Entstehen der Aufrechnungslage muss allerdings „im Kern“ bereits angelegt gewesen sein, als die angefochtene Zahlung erfolgte.209 Der BGH hat diese Voraussetzung im konkreten Fall hinsichtlich der Ansprüche des Drittschuldners auf Erstattung von Steuervorauszahlungen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH210 als gegeben angesehen. Ansprüche auf Erstattung von Steuervorauszahlungen entstünden bereits im Zeitpunkt der Entrichtung der Vorauszahlung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer sei als die Vorauszahlung.211 Trifft den Zahlenden gegenüber dem Zahlungsempfänger eine eigene Verbind- G 65b lichkeit, dann tilgt er mit der fremden Schuld zugleich eine eigene. In dem Freiwerden von der eigenen Schuld liegt nach Ansicht des BGH der Ausgleich, der die Anwendung des § 134 Abs. 1 InsO ausschließt.212 Ist der zahlende Schuldner dagegen dem Zuwendungsempfänger nicht zur Zahlung verpflichtet, steht es nach der Rechtsprechung des BGH der Anfechtung nach § 134 InsO nicht entgegen, dass der Schuldner gegenüber einem Dritten (insbesondere dem Schuldner des Zuwendungsempfängers = Drittschuldner) zur Zahlung an den Zuwendungsempfänger verpflichtet ist.213 Es wird jedoch zu erwägen sein, ob auch in den Fällen, in denen der Schuldner aufgrund einer entgeltlichen Kausalbeziehung zum Drittschuldner an den Zuwendungsempfänger leistet, eine „Schenkungsanfechtung“ gegenüber dem Zuwendungsempfänger ausscheidet.214 Denn in der Regel wird in solchen Fällen auch eine entgeltliche Kausalbeziehung zwischen dem Drittschuldner und dem Zuwendungsempfänger bestehen. Aus der Sicht des Zuwendungsempfängers kann aber ein und dieselbe Zuwendung nicht zugleich entgeltlich und unentgeltlich sein.215 Es spricht daher in der Tat einiges dafür, die als mittelbare Zuwendungen einzustufenden Anweisungsfälle von der Anfechtung nach § 134 InsO auszunehmen.216 Die Rechtsprechung des BGH kann insbesondere für Arbeitnehmer nachteilige G 65c Folgen haben, wie ein neueres Urteil des BGH vom 17.10.2013 zeigt:217

208 209 210 211 212 213 214 215 216 217

BGH v. 18.4.2013 – IX ZR 90/10, ZIP 2013, 1131 ff. BGH v. 18.4.2013 – IX ZR 90/10, ZIP 2013, 1131 ff. Rz. 10. BFH v. 23.2.2011 – I R 20/10, BFHE 233, 114 ff. Rz. 12 f. BGH v. 18.4.2013 – IX ZR 90/10, ZIP 2013, 1131 ff. Rz. 10. Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 35; v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 13; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 54. Vgl. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 11; v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. So Thole, KTS 2011, 219 (232); Wiester/Kranz, NZI 2012, 541 ff. – a.A. K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 134 Rz. 26; MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 31. Vgl. Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 101. Vgl. Thole, KTS 2011, 219 (232); B. Schäfer, ZInsO 2014, 1965 (1972 f.). BGH v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 ff. Schfer

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G Rz. 65d

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

BGH-Urteil vom 17.10.2013 – ZIP 2013, 2208 ff. G 65d Der Beklagte war als Arbeitnehmer bei einer Schwestergesellschaft der Schuldnerin – der WW. GmbH – beschäftigt. Im Anstellungsvertrag hatte er sein Einverständnis damit erklärt, zeitlich befristet auch in Partnerfirmen der Arbeitgeberin eingesetzt zu werden. Im Februar und März 2007 erbrachte der Beklagte Arbeitsleistungen für die Schuldnerin. Diese zahlte ihm am 23.2.2007 und am 27.3.2007 jeweils ca. 2300 Euro und gab dabei als Verwendungszweck „Gehalt 02 2007 WW.“ und „Gehalt 03 2007 WW.“ an. Auf einen Eigenantrag der Schuldnerin vom 6.9.2007 wurde am 1.11.2007 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte vom Beklagten – in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg – die Rückzahlung der empfangenen Gehälter. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. G 65e Der BGH führt unter Berufung auf seine Rechtsprechung zur „Schenkungsanfechtung“ im Mehrpersonenverhältnis aus, die Entgeltlichkeit der Zahlungen der Schuldnerin könne nicht damit begründet werden, dass der Beklagte der Schuldnerin Arbeitsleistungen erbracht habe, die mit den in Rede stehenden Zahlungen hätten vergütet werden sollen. Die Frage der Entgeltlichkeit sei im Zuwendungsverhältnis zwischen dem verfügenden Insolvenzschuldner und dem Leistungsempfänger zu beurteilen. In diesem Verhältnis habe keine Verpflichtung der Schuldnerin zur Leistung an den Beklagten bestanden, welche jene als entgeltlich qualifizieren würde, und auch keine sonstige Vereinbarung, nach der die Arbeitsleistungen des Beklagten ein Ausgleich – nicht notwendig eine Gegenleistung im Sinne der §§ 320 ff. BGB – für die Leistungen der Schuldnerin gewesen seien oder jedenfalls hätten sein sollen.218 G 65f Allein der Umstand, dass der Beklagte vor den Zahlungen zugunsten der Schuldnerin Arbeitsleistungen erbracht habe, sei für die Frage der Entgeltlichkeit dieser Zahlungen ohne Bedeutung. Dies habe der BGH für Leistungen des Zahlungsempfängers an seinen Schuldner schon mehrfach entschieden.219 Für Leistungen an den zahlenden Dritten und späteren Insolvenzschuldner gelte nichts anderes.220 Das Berufungsgericht habe allerdings nach der Zurückverweisung zu beachten, dass die Leistungen des Beklagten ungeachtet der Frage der Werthaltigkeit der Forderungen des Beklagten gegen die WW. GmbH insoweit entgeltlich gewesen seien, als der Beklagte nach dem Erhalt der Zahlungen im jeweiligen Monat noch Arbeitsleistungen erbracht habe, die mit der Zahlung hätten vergütet werden sollen.221 In diesem Zusammenhang ist jedoch die Neufassung des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO zu beachten. Danach steht der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen

218 BGH v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 ff. Rz. 9; v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 9. 219 Vgl. etwa BGH v. 18.4.2013 – IX ZR 90/10, ZIP 2013, 1131 ff. Rz. 9; v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 ff. Rz. 6. 220 BGH v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 ff. Rz. 11. 221 BGH v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 ff. Rz. 12; vgl. dazu noch BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 15.

560 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 65h G

Dritten nach § 267 BGB gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat. Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung des G 65g BGH insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen222 zu unangemessenen Ergebnissen führe.223 So sei etwa ein Vermieter aufgrund der Zahlung eines Dritten, der er gemäß § 267 Abs. 2 BGB gar nicht widersprechen könne, vertraglich verpflichtet, dem Mieter die Mietsache weiter zu überlassen. Oftmals merke der Zuwendungsempfänger aber gar nicht, dass ein Dritter gezahlt habe. Es könne sich daher ein erhebliches Volumen von potentiell anfechtbaren Drittzahlungen aufbauen.224 Zahle ein Dritter mit erfüllender Wirkung den Arbeitslohn,225 stehe dem Arbeitnehmer kein Zurückbehaltungsrecht zu. Er sei faktisch gezwungen, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen. Könnten ihm rückwirkend alle Einzelzahlungen des Dritten wieder entzogen werden, würde ihm durch die Pflicht zur Vertragsfortsetzung ein Sonderopfer abverlangt. Nicht er hätte dann etwas unentgeltlich erworben; vielmehr hätte er fortlaufend und buchstäblich unentgeltlich die Masse des zahlenden Dritten angereichert.226 Es liege zudem bei Dauerschuldverhältnissen ein Vergleich mit einem Kontokorrentkredit nicht fern.227 Auch beim Dauerschuldverhältnis hätte der „Hauptschuldner“ ohne die Drittzahlungen keine weiteren Lieferungen des Vertragspartners mehr erhalten.228 Die im Schrifttum vorgebrachten Einwände sind von Gewicht. Nach der hier G 65h vertretenen Auffassung dürfte die Anfechtung nach § 134 InsO in dem vom BGH durch Urteil vom 17.10.2013229 entschiedenen Fall nicht durchgreifen. Denn zwischen den Konzernunternehmen dürfte eine entgeltliche Kausalbeziehung hinsichtlich der Zahlungen des Schwesterunternehmens an den Arbeitnehmer vorgelegen haben. Das Schwesterunternehmen hätte somit auf eine eigene Schuld gegenüber einem Dritten geleistet, so dass eine Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber dem Arbeitnehmer ausschiede. Es ist unzutreffend, den Arbeitnehmer als Leistungsempfänger der Zuwendung der Insolvenzschuldnerin zu bezeichnen. Denn diese verfolgt mit ihrer Zuwendung keinen Leistungszweck gegenüber dem fremden Arbeitnehmer. Sie leistet vielmehr auf ein bestehendes oder angestrebtes Kausalverhältnis zur Schwestergesellschaft. Auch der Arbeitnehmer sieht es zu Recht so an, als habe die Insolvenzschuldnerin an die Schwestergesellschaft und diese, die allein sein Arbeitgeber ist, an ihn geleistet. Ein und dieselbe Zuwendung kann jedoch aus der Sicht des Zuwendungsempfängers nicht zugleich unentgeltlich (im Verhältnis zur Insolvenzschuldnerin) und entgeltlich (im Verhältnis zur Schwestergesellschaft) sein. Der BGH lässt zu Unrecht die zwischen den Beteiligten bestehenden Kausalbeziehungen außer Acht, welche die Frage der Anfechtbarkeit nach § 134 InsO beeinflussen. 222 Vgl. zum Bereich der Stromversorgung LG Frankfurt a.M. v. 17.1.2014 – 2/08 O 93/13, ZInsO 2014, 965 ff.; LG Stuttgart v. 5.11.2013 – 16 O 556/12, ZInsO 2014, 406 ff. 223 Lütcke, ZIP 2014, 1769 ff. 224 Lütcke, ZIP 2014, 1770. 225 Vgl. dazu BGH v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 ff. 226 Lütcke, ZIP 2014, 1771. 227 Vgl. BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. 228 Lütcke, ZIP 2014, 1777. 229 BGH v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 ff. Schfer

561

G Rz. 66

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

bb) Weitere Einzelfälle G 66 Erfüllt eine GmbH & Co. KG die Gehaltsansprüche des Geschäftsführers ihrer Komplementär-GmbH aus einem mit der GmbH abgeschlossenen Anstellungsvertrag, liegt darin keine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO, wenn die im Übrigen vermögenslose GmbH einen vollwertigen Erstattungsanspruch gegen die Kommanditgesellschaft hat.230 G 67 Für die Unentgeltlichkeit der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen kann es sprechen, dass für Anteile an ein und derselben Gesellschaft, deren Wert nur gleichmäßig gestiegen oder gefallen sein kann, unterschiedlich hohe Preise vereinbart wurden.231 G 68 Eine unentgeltliche Leistung ist ferner gegeben, wenn der spätere Insolvenzschuldner die durch eine Grundschuld gesicherte Forderung tilgt und den dinglich haftenden Dritten vom Regress freistellt.232 Verkauft der Schuldner ein Grundstück an einen Dritten und übernimmt dieser ihm gegenüber die Erfüllung der persönlichen Schuld gegenüber einem Hypothekengläubiger gemäß § 329 BGB, so leistet der Schuldner auf eine eigene Schuld gegenüber dem Hypothekengläubiger, wenn er gleichwohl weiterhin Zahlungen an diesen leistet. Eine anfechtbare unentgeltliche Leistung des Schuldners an den Schuldübernehmer ist darin nicht zu sehen, sofern der Schuldner gemäß § 1164 BGB die Hypothek erwirbt. Auch gegenüber dem Hypothekengläubiger ist eine Anfechtung nach § 134 InsO nicht möglich, da der Schuldner eine eigene Schuld getilgt hat, die nicht unentgeltlich begründet wurde. Verzichtet der Schuldner auf die Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs gegenüber dem Schuldübernehmer, so stellt dies eine unentgeltliche Leistung dar.233 G 69 Erbringt der Schuldner aufgrund eines „letter of intent“ einem Auftraggeber Werkleistungen, überlässt er den Auftrag jedoch einem Dritten, der den vollen Werklohn erhält, können die vom Schuldner erbrachten Werkleistungen im Verhältnis zum Dritten als unentgeltliche Leistung anfechtbar sein.234 G 69a Eine Vertragsübernahme ist nicht schon deshalb unentgeltlich, weil für sie selbst keine gesonderte Gegenleistung erbracht wurde;235 die Frage der Unentgeltlichkeit ist vielmehr grundsätzlich nach dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung in dem übernommenen Vertrag zu beurteilen.236 Übernimmt der Schuldner einen bestehenden Mietvertrag mit der Verpflichtung, bereits in der Vergangenheit entstandene Ansprüche des Vermieters gegen einen Dritten zu erfüllen, so liegt gleichwohl keine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO vor, wenn der Schuldner schon zuvor aufgrund eines Mietver230 OLG Hamm v. 25.8.2010 – I-8 U 129/09, ZIP 2010, 2058 ff. 231 Vgl. BGH v. 24.6.1993 – IX ZR 96/92, MDR 1993, 1119 = ZIP 1993, 1170 ff. 232 BGH v. 3.5.2007 – IX ZR 16/06, MDR 2007, 1222 = NotBZ 2008, 75 = ZIP 2007, 1326 ff.; Graf-Schlicker/Huber, § 134 Rz. 13. 233 Vgl. BGH v. 14.11.1979 – VIII ZR 333/78, ZIP 1980, 21 f.; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 25 a.E. 234 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 79/05, MDR 2007, 1099 = ZIP 2007, 1118 ff. 235 Vgl. K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 49. 236 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 40.

562 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 69d G

schaffungs- und Einstandspflichtvertrages zur Begleichung dieser Ansprüche verpflichtet war.237 Für die Frage der wirtschaftlichen Werthaltigkeit der Gegenleistung des Vertragspartners des Schuldners ist allein auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs abzustellen. Eine sich erst später in einem Insolvenzverfahren für den Anfechtungsgegner ergebende günstigere Situation (konkret: Aufwertung einer Insolvenzforderung zur Masseverbindlichkeit nach § 108 Abs. 1 InsO) hat bei der Beurteilung der Unentgeltlichkeit nach § 134 InsO unberücksichtigt zu bleiben.238 Ungeachtet der Entstehung betagter Forderungen mit Abschluss eines Finan- G 69b zierungsleasingvertrages kommt es für die Beurteilung, ob eine unentgeltliche Leistung gegeben ist, wenn der Schuldner Leasingraten für einen Dritten begleicht, auf den Zeitpunkt an, zu dem die einzelnen Raten fällig werden. Hat der Leasinggeber anschließend noch seine Gegenleistung zu erbringen und den Gebrauch des Leasingobjekts weiter zu überlassen, erfolgt die Tilgung der Forderung des Leasinggebers nicht unentgeltlich.239 Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 16.9.2014240 sollen G 69c Zahlungen einer Schuldnerin, die diese zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil gegen die Muttergesellschaft nach Sicherheitsleistung des Gläubigers erbracht hat, keine unentgeltlichen Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO darstellen. Denn Zahlungen aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils seien in der Regel dahingehend zu verstehen, dass sie nur eine vorläufige Leistung darstellen sollten und unter der aufschiebenden Bedingung der rechtskräftigen Bestätigung der zugrunde liegenden Verbindlichkeit erfolgten. Der BGH hat diese Entscheidung durch Urteil vom 10.9.2015241 aufgehoben. Erbringe der spätere Insolvenzschuldner als Dritter zur Abwendung der Zwangsvollstreckung des Gläubigers gegen seinen Forderungsschuldner aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil die von jenem geschuldete Leistung, stelle der Verlust des Rechts, eine (zur Ermöglichung der vorläufigen Vollstreckung) geleistete Sicherheit zurückzuverlangen, kein die Entgeltlichkeit der empfangenen Leistung begründendes Vermögensopfer des Gläubigers dar. Ein die Entgeltlichkeit begründendes Vermögensopfer kann jedoch darin zu sehen sein, dass der Gläubiger das Recht zur Fortsetzung der Vollstreckung verloren hat oder dass die Zahlungen des Schuldners die titulierte Forderung doch noch zum Erlöschen brachten, als die Drittschuldnerin ihre Berufung zurücknahm. Dies setzt jedoch voraus, dass die Forderung des Gläubigers gegen die Drittschuldnerin werthaltig war.242 Solange die zu Lasten der Schuldnerin ergangenen Umsatzsteuerbescheide be- G 69d stehen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch ihre an das Finanzamt bewirkten Zahlungen gegen einen Dritten gerichtete Umsatzsteuerver-

237 238 239 240 241 242

BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 42 f. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 ff. Rz. 43. Vgl. BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 41/12, ZInsO 2013, 549. OLG München v. 16.9.2014 – 5 U 582/14, ZIP 2014, 2354 f. BGH v. 10.9.2015 – IX ZR 220/14, ZIP 2015, 2135 ff. Vgl. BGH v. 10.9.2015 – IX ZR 220/14, ZIP 2015, 2135 ff. Rz. 15 f. Schfer

563

G Rz. 69d

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

bindlichkeiten beglichen wurden. Eine unentgeltliche Leistung des Schuldners scheidet aus, wenn er angenommen hat, durch seine Zahlungen eigene Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu befriedigen. Eine Leistung ist nicht unentgeltlich, wenn der Schuldner zu der Leistung verpflichtet war oder zumindest eine solche Verpflichtung angenommen hat.243 G 69e Die Zahlung eines Schuldners auf ein debitorisch geführtes Girokonto seines Gläubigers ist in der Insolvenz des Schuldners nur dann als – mittelbare – unentgeltliche Leistung gegenüber der Bank anfechtbar, wenn der Wille des Schuldners erkennbar darauf gerichtet ist, die Zahlung im Endergebnis der Bank zuzuwenden. Dass der Schuldner in Kenntnis der Kontoüberziehung zahlt, genügt hierfür nicht.244 G 69f Hat sich der spätere Insolvenzschuldner zur unentgeltlichen lastenfreien Übertragung eines Grundstücks verpflichtet, ist die innerhalb von vier Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgte Ablösung eines bei der Übertragung bestehen gebliebenen Grundpfandrechts selbständig als unentgeltliche Leistung anfechtbar.245 Die Leistung des Schuldners beruhte auf dem Übergabevertrag, der keine Gegenleistung des Anfechtungsgegners vorsah.246 G 69g Befriedigt ein persönlich haftender Gesellschafter die Forderung eines Gläubigers gegen die Gesellschaft und erlischt dadurch die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters, ist seine Leistung im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar.247 Zahlt der persönlich haftende Gesellschafter auf seine eigene Haftungsverbindlichkeit, erlischt diese. Die Zahlung stellt sich dann als eine entgeltliche Leistung im Zwei-Personen-Verhältnis dar.248 cc) Kritik in Rechtsprechung und Schrifttum G 70 Der BGH stellt im Mehrpersonenverhältnis nicht auf die zwischen den Beteiligten bestehenden schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen ab und verneint die Anfechtbarkeit nach § 134 Abs. 1 InsO daher nicht schon dann, wenn der Zuwendungsempfänger mit dem Schuldner der getilgten Forderung (Drittschuldner) durch eine entgeltliche Rechtsbeziehung verbunden ist. Praktisch gesehen bedeutet dies, dass der Empfänger einer Drittzahlung, der diese Zahlung gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur dann zurückweisen kann, wenn der Drittschuldner widerspricht, noch lange Zeit nach der Zahlung einer Anfechtung nach § 134 InsO ausgesetzt sein kann. Dies gilt sogar in den Fällen, in denen die Zahlung von einem nicht persönlich haftenden Gesellschafter oder einem verbundenen Unternehmen des Schuldners kommt und der Empfänger somit kaum Anlass hat, hinsichtlich des Behaltendürfens Zweifel zu hegen.

243 244 245 246 247 248

BGH v. 9.10.2014 – IX ZR 294/13, juris Rz. 2. BGH v. 9.7.2015 – IX ZR 207/13, ZIP 2015, 1545 ff. BGH v. 13.2.2014 – IX ZR 133/13, ZIP 2014, 528 ff. Vgl. BGH v. 13.2.2014 – IX ZR 133/13, ZIP 2014, 528 ff. Rz. 15. BGH v. 29.10.2015 – IX ZR 123/13, ZIP 2015, 2484 ff. BGH v. 29.10.2015 – IX ZR 123/13, ZIP 2015, 2484 ff. Rz. 8.

564 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 72 G

Die Rechtsprechung des BGH wird im Schrifttum und zum Teil auch in der ober- G 71 gerichtlichen Rechtsprechung zu Recht kritisiert.249 Es ist nicht möglich, die Frage der Unentgeltlichkeit einer Leistung nach deren Wirkung zu bestimmen, indem etwa das „Entgelt“ des Zuwendungsempfängers im Erlöschen seiner (werthaltigen) Forderung gegen den Drittschuldner gesehen wird.250 Auch die Erfüllung eines Schenkungsversprechens, die ja gerade von § 134 InsO erfasst werden soll, bringt die Forderung des Empfängers zum Erlöschen. Die Erfüllung des Schenkungsversprechens wäre demnach keine unentgeltliche Leistung.251 Man versucht, diesem Einwand durch die Einschränkung auf Fälle zu begegnen, in denen die Forderung nicht durch unentgeltlichen Vertrag begründet wurde.252 Damit wird aber letztlich eingeräumt, dass die Frage der Entgeltlichkeit nicht allein davon abhängig sein kann, ob eine Verbindlichkeit erfüllt wird.253 Die Frage der Unentgeltlichkeit einer Leistung kann im Grundsatz nur anhand G 72 der zwischen den Beteiligten bestehenden Leistungsbeziehungen beurteilt werden.254 Eine unentgeltliche Leistung setzt nach üblichem Verständnis Einigkeit über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung voraus, an der es in den fraglichen Fällen im Verhältnis zwischen Zuwendendem und Zuwendungsempfänger in der Regel fehlt.255 Von § 134 InsO wird nach dessen Gläubigerschutzzweck allerdings auch noch der Fall erfasst, dass der Schuldner eine rechtsgrundlose Leistung in Kenntnis der Nichtschuld erbringt, und zwar unabhängig davon, ob der Zuwendungsempfänger dies erkennt.256 Denn auch in diesem Fall fehlt es an einer Leistungsbeziehung, welche die Zuwendung zu einer entgeltlichen machen könnte. Unanwendbar ist § 134 InsO dagegen nach zutreffender Auffassung im Fall der bloß „fahrlässigen“ Tilgung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit durch den Schuldner bei gemeinsamem Irrtum der Beteiligten über die Entgeltlichkeit. Es erscheint nicht gerechtfertigt, rechtsgrundlose Leistungen im Rahmen des § 134 InsO stets auch als unentgeltliche Leistungen anzusehen, zumal dadurch Abgrenzungsschwierigkeiten zur Deckungsanfechtung nach § 131 InsO entstünden. Vielmehr ist auf den Freigebigkeitswillen des Schuldners abzustellen, so dass nur bei einer bewussten Leistung des Schuldners auf eine Nichtschuld von der Anfechtbarkeit nach § 134 InsO auszugehen ist.257 Der BGH geht 249 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3 ff., 25; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.92; Wittig, NZI 2005, 606 ff.; M. Huber, NZI 2008, 149 ff.; Gundlach/Frenzel, NZI 2006, 400 f.; Schulz/Schröder, DZWIR 2008, 419 f.; OLG Koblenz v. 13.5.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 ff.; zum Teil kritisch auch Thole, KTS 2011, 219 ff. 250 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.90; Berger, ZIP 2010, 2078. 251 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3; Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 47. 252 Vgl. Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl., § 32 Rz. 6; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rz. 220. 253 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 3. 254 Vgl. Jaeger/Henckel, ZIP 2004, 1671 (1674); OLG Koblenz v. 13.5.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 ff. 255 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 25. 256 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 13. 257 Vgl. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 457 f.; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 14 – a.A. Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 6; Uhlenbruck/ Ede/Hirte, § 134 Rz. 48 – offen gelassen von BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 198/10, ZIP 2013, 1504 ff. Rz. 21. Schfer

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G Rz. 72

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

allerdings auch im Rahmen des § 134 InsO davon aus, dass eine rechtsgrundlose Leistung eine unentgeltliche Leistung darstelle.258 G 72a Nach der Rechtsprechung des BGH muss weder dem Schuldner noch dem Zuwendungsempfänger die Wertlosigkeit der Forderung des Zuwendungsempfängers gegen den Drittschuldner bewusst gewesen sein.259 Gerade wenn man aber mit dem BGH eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anstellt,260 kann aus der bloßen Insolvenzreife des Drittschuldners nicht die Wertlosigkeit der gegen ihn gerichteten Forderung des Gläubigers gefolgert werden.261 Nach der Rechtsprechung des BGH ist Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO bereits gegeben, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr beträgt und er nicht in der Lage ist, innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten benötigten Mittel zu beschaffen.262 Der Gläubiger hat daher unter Umständen in der Insolvenz des Drittschuldners eine durchaus beträchtliche Quote zu erwarten. Er kann seine Forderung aber nicht im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Drittschuldners anmelden, da er durch die Zahlung des Schuldners befriedigt ist. Es kann daher ohne weiteres sein, dass ihm im Falle einer späteren Anfechtung der Drittzuwendung nach § 134 InsO die ansonsten zu erwartende Quote entgeht. Dies ist ein Eingriff in die zwischen dem Zuwendungsempfänger und dessen Schuldner bestehende Leistungsbeziehung, die auch bei Berücksichtigung des Zwecks des § 134 InsO nicht gerechtfertigt erscheint. Dies veranschaulicht das Urteil des BGH vom 5.6.2008:263 BGH-Urteil vom 5.6.2008 – ZIP 2008, 1385 ff. G 73 Die Schuldnerin überwies am 5.3.2004 als Dritte im Sinne des § 267 BGB ca. 1600 Euro und ca. 1500 Euro als Kraftfahrzeugversicherungsbeitrag für das Jahr 2004 an die verklagte Versicherung. Vertragspartner der Beklagten war die S. GmbH & Co. KG, die zum Zeitpunkt der Zahlungen bereits kurz vor der Insolvenzeröffnung stand. Der Insolvenzantrag wurde am 11.3.2004 gestellt und am 27.5.2004 mangels Masse abgewiesen. Auf Antrag der Schuldnerin vom 21.4.2004 wurde am 1.10.2004 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Die Fahrzeuge wurden am 29.6.2004 und am 12.7.2004 abgemeldet. Die Beklagte erstattete der klagenden Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Schuldnerin die Prämienanteile für die Zeit von der Abmeldung bis zum Jahresende und zahlte auch die anteiligen Prämien für den Zeitraum vom 1.1.2004 bis zum Zahlungszeitpunkt am 5.3.2004 zurück. Die auf Rückzahlung der Prämienanteile für die Zeit vom 6.3.2004 bis zum jeweiligen Abmeldedatum gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. 258 Vgl. BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484 f. Rz. 12. 259 BGH v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. Rz. 12. 260 BGH v. 17.6.2010 – IX ZR 186/08, MDR 2010, 1152 = ZIP 2010, 1402 f. Rz. 7; v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, MDR 2010, 290 = NotBZ 2010, 48 m. Anm. Suppliet = ZIP 2009, 2303 ff. Rz. 8. 261 Vgl. dazu Thole, KTS 2011, 219 (230 f.). 262 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, MDR 2007, 488 = ZIP 2006, 2222 ff. 263 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07 – „Kraftfahrzeugversicherung“, ZIP 2008, 1385 ff.

566 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 75 G

Der BGH bekräftigt seine Rechtsprechung, wonach es für die Anwendbarkeit G 73a des § 134 InsO bei der Einschaltung einer dritten Person in den Zuwendungsvorgang nicht entscheidend darauf ankomme, ob der Verfügende selbst einen Ausgleich erhalten habe; maßgebend sei vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen habe. Entscheidend sei insoweit der Zeitpunkt des (angefochtenen) Rechtserwerbs des Zuwendungsempfängers. Habe der Zuwendungsempfänger seinem Schuldner bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Leistung erbracht, könne daher nicht auf ihren damaligen objektiven Wert abgestellt werden. In diesem Fall könne die Unentgeltlichkeit nur nach dem Wert der Forderung bemessen werden, die dem Zuwendungsempfänger zum Zeitpunkt des Rechtserwerbs gegen seinen Schuldner zustehe. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hatte die verklagte Versicherung dem Kläger die Prämien für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum Zahlungszeitpunkt am 5.3.2004 zurückerstattet. Eine Leistung, die der spätere Insolvenzschuldner zur Tilgung der Forderung des Leistungsempfängers gegen einen Dritten erbringt, ist danach nicht unentgeltlich, soweit der Empfänger anschließend die von ihm geschuldete Gegenleistung an den Dritten erbringt. Die Ausführungen des BGH vermögen nicht zu überzeugen. Die verklagte Ver- G 74 sicherung hat in dem entschiedenen Fall durchgängig nichts anderes getan, als der S. GmbH & Co. KG die vertraglich geschuldete entgeltliche Leistung zu erbringen. Diese Leistungserbringung spaltet der BGH anfechtungsrechtlich auf in eine teilweise unentgeltliche (1.1.2004 bis 5.3.2004) und eine teilweise entgeltliche (6.3.2004 bis 29.6.2004 bzw. 12.7.2004) Leistung, obwohl die Beklagte die Leistung der Schuldnerin nicht zurückweisen kann und sie die Leistungsbzw. Rechtsbeziehungen zwischen der Schuldnerin und der S. GmbH & Co. KG nicht kennt. Dies ist ein Eingriff in die zwischen der Schuldnerin und der verklagten Versicherung bestehende Kausalbeziehung, die auch bei Berücksichtigung des Gesetzeszwecks des § 134 InsO nicht gerechtfertigt ist. Die Beklagte hat mit ihrer vor der anfechtbaren Zahlung vorgenommenen Leistung an die Schuldnerin ein Vermögensopfer erbracht. Darüber kann man nicht mit dem „konstruktiven Trick“264 hinweggehen, dass allein der Verlust der noch offenen Forderung die bei der Frage nach der Unentgeltlichkeit zu berücksichtigende Gegenleistung sei. Seltsam ist ferner die Erwägung im Schrifttum, die Unentgeltlichkeit werde nicht dadurch „beseitigt“, dass an den Schuldner in der Vergangenheit eine Gegenleistung erbracht worden sei.265 Nicht zu folgen ist schließlich auch der weiteren Überlegung im Schrifttum,266 wonach sich die Rechtsprechung des BGH damit rechtfertigen lasse, dass der Zuwendungsempfänger mit seiner Leistung an den Dritten vorgeleistet habe. Die Fragen der Unentgeltlichkeit und des Vorleistungsrisikos haben nichts miteinander zu tun. Die Bedenken gegenüber der Rechtsprechung des BGH werden schließlich an einem weiteren Urteil vom 16.11.2007267 deutlich: 264 265 266 267

So Thole, KTS 2011, 219 (230). Vgl. Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 7. Vgl. Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 6 Rz. 63. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04 – „Cash-Pool (2)“, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345. Schfer

567

G 75

G Rz. 76

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

BGH-Urteil vom 16.11.2007 – BGHZ 174, 228 ff. G 76 Die Schuldnerin war eine Tochtergesellschaft im Konzern der V-GmbH, dem auch die H-GmbH und die I-GmbH angehörten. Nachdem bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Vermögen der V-GmbH und der H-GmbH beantragt worden war, hatte die Schuldnerin von ihrem Geschäftskonto ca. 81 000 Euro zur Begleichung fälliger Sozialversicherungsbeiträge, welche die V-GmbH, die H-GmbH und die I-GmbH der Beklagten schuldeten, für diese an die Beklagte überwiesen. Nach der Behauptung der Beklagten stammten die dafür erforderlichen Mittel ursprünglich aus dem Vermögen der V-GmbH und der H-GmbH. Die Revision des klagenden Insolvenzverwalters über das Vermögen der Schuldnerin gegen das überwiegend klageabweisende Berufungsurteil führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. G 77 Der BGH bekräftigt zunächst seine Rechtsprechung,268 wonach bei Zuwendungen im Mehrpersonenverhältnis für die Frage der Unentgeltlichkeit maßgebend sei, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen habe. Dies sei nicht der Fall, wenn seine Forderung gegen den Drittschuldner wertlos sei. In dem zu entscheidenden Fall seien die Beitragsforderungen der Beklagten gegen die V-GmbH und die H-GmbH wirtschaftlich wertlos gewesen, da bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen beantragt gewesen sei. G 78 Der BGH konnte gleichwohl nicht „durcherkennen“. Denn auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten kam nach seiner Ansicht auch eine Deckungsanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO durch den Insolvenzverwalter über die Vermögen der V-GmbH und der H-GmbH (Streithelfer) gegenüber der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Zuwendung in Betracht. Dieser Deckungsanfechtung gebühre der Vorrang gegenüber der „Schenkungsanfechtung“ des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Schuldnerin. Die Beklagte, die unter Hinweis auf den konkurrierenden Anfechtungsanspruch des Streithelfers die Sachbefugnis des Klägers bestreite, habe darzulegen und zu beweisen, dass der konkurrierende, vorrangige Anfechtungsanspruch erhoben sei und dass seine Voraussetzungen erfüllt seien. G 79 Die Entscheidung des BGH zeigt, dass die von den zwischen den Beteiligten bestehenden Leistungsbeziehungen losgelöste Bestimmung der Unentgeltlichkeit einer Zuwendung erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Es ist schon im Ansatz zweifelhaft, von einer unentgeltlichen Zuwendung der Schuldnerin an die Beklagte auszugehen, wenn die Schuldnerin nach ihren Absprachen mit der V-GmbH und der H-GmbH einen Anspruch auf Entgelt hatte. Im Schrifttum wird ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass etwa im „Cash-Pool-Fall (1)“269 die Zahlung in der Insolvenz des Zahlenden als unentgeltliche Zuwendung an

268 Vgl. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00 – „Cash-Pool (1)“, BGHZ 162, 276 ff. = MDR 2005, 953. 269 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff. = MDR 2005, 953.

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III. Einzelheiten

Rz. 81 G

den Empfänger anzusehen sein soll, während es sich in der Insolvenz des Schuldners des Zuwendungsempfängers um eine entgeltliche Leistung an Letzteren handle, obwohl es doch für die Bestimmung der Entgeltlichkeit stets auf die Perspektive des Zahlungsempfängers ankommen solle270 und – so ist zu ergänzen – der Charakter einer Zuwendung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers nur einheitlich beurteilt werden kann. Der BGH ist im Urteil vom 16.11.2007 denn auch gezwungen, die „Schen- G 80 kungsanfechtung“ des Klägers gegenüber einer möglichen Deckungsanfechtung des Streithelfers der Beklagten zurücktreten zu lassen. Dies ist jedoch nicht ohne Schwierigkeiten möglich. Hat der Streithelfer noch nicht gegenüber der Beklagten angefochten, kann auch der klagende Insolvenzverwalter über das Vermögen des Zuwendenden nicht verlässlich anfechten. Ob etwa die Beklagte zum Zeitpunkt der Zuwendung die Zahlungsunfähigkeit der V-GmbH kannte, weiß der Kläger in der Regel nicht. Die Beklagte muss auf die Schenkungsanfechtung des Klägers hin an diesen zahlen, obwohl sie nicht weiß, ob sie auch vom Streithelfer noch im Wege der vorrangigen Deckungsanfechtung in Anspruch genommen wird. Die Erwägung des BGH, wonach die Beklagte darzulegen und zu beweisen habe, dass der konkurrierende, vorrangige Anfechtungsanspruch des Streithelfers erhoben sei und dass dessen Voraussetzungen erfüllt seien, löst die durch seine Rechtsprechung aufgeworfenen Probleme nicht. Darüber hinaus gilt es Folgendes zu bedenken: Auch der BGH hält im Urteil G 81 vom 16.11.2007 noch einen weiteren Anfechtungsanspruch für denkbar, nämlich einen solchen des Insolvenzverwalters der V-GmbH und der H-GmbH als Anweisenden gegenüber der Schuldnerin als Angewiesener.271 Ein solcher Anfechtungsanspruch kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn in der Person der Schuldnerin als Angewiesener die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO gegeben waren.272 Diesem Anfechtungsanspruch des Verwalters der verbundenen Unternehmen kommt in der Insolvenz der Schuldnerin Aussonderungskraft zu.273 Aufgrund dieser Anfechtbarkeit sind die – unterstellt – von der V-GmbH und der H-GmbH überlassenen Mittel haftungsrechtlich gerade nicht als Vermögen der Schuldnerin anzusehen, obwohl sie mangels treuhänderischer Bindung zunächst in das Vermögen der Schuldnerin übergegangen waren.274 Dies könnte anfechtungsrechtlich dazu zwingen, die Möglichkeit der „Schenkungsanfechtung“ im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten mangels Gläubigerbenachteiligung zu verneinen, da die von der V-GmbH und der H-GmbH überlassenen Mittel zu keinem Zeitpunkt haftungsrechtlich dem Vermögen der Schuldnerin zugeordnet waren.275 270 Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 101. 271 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 44 = MDR 2008, 345. 272 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06 – „Subunternehmer“, BGHZ 174, 314 ff. = MDR 2008, 341. 273 Vgl. BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01 – „Witweninsolvenz“, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596. 274 BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 21 = MDR 2008, 345. 275 Vgl. dazu ferner Brinkmann in Kübler/Prütting/Bork, Anh. I zu § 145 InsO: „anfechtungsrechtliche Rückabwicklung über das Dreieck“. Schfer

569

G Rz. 81a

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

G 81a Im Schrifttum wird ferner auf die prozessualen Unzuträglichkeiten der BGHRechtsprechung hingewiesen.276 Es kann durchaus sein, dass insolvente Konzernunternehmen denselben Insolvenzverwalter haben. Dieser kann es sich letztlich aussuchen, welchen der nach der Rechtsprechung des BGH in Betracht kommenden Anfechtungsansprüche er letztlich geltend macht. Er wird sich im Zweifel für die „Schenkungsanfechtung“ entscheiden, deren Voraussetzungen vielfach leichter nachzuweisen sind.277 G 82 Im Urteil des BGH vom 16.11.2007 ist offen geblieben, ob die zur Befriedigung der Beklagten erforderlichen Mittel der Schuldnerin zuvor von den verbundenen Unternehmen überlassen worden waren. Traf dies zu, so dürfte es sich um den Fall einer Leistungskette gehandelt haben,278 bei der sich das vom BGH erörterte Konkurrenzproblem nicht stellt.279 In einem solchen Fall richtet sich die anfechtungsrechtliche Beurteilung vielmehr nach den Kriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs. dd) Ausblick G 83 Es stellt sich daher die Frage, ob nicht für die Rechtssicherheit und letztlich auch für alle als Anfechtungsberechtigte und Anfechtungsgegner in Betracht kommenden Beteiligten mehr gewonnen wäre, wenn die Anfechtungsmöglichkeiten in solchen Fällen nicht vervielfältigt, sondern den Insolvenzverwaltern überschaubare Richtlinien vorgegeben würden, wer (allein) bei einer solchen Zuwendung, wie sie dem Urteil des BGH vom 16.11.2007 zugrunde lag, zur Anfechtung berechtigt ist. Solche Richtlinien stellen in Ermangelung einer sonstigen Regelung die Rechtsgrundsätze zum bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff und ein weniger extensives Verständnis vom Begriff der „unentgeltlichen Leistung“ im Sinne des § 134 InsO dar. G 83a Im Schrifttum wird zu Recht zu bedenken gegeben, ob nicht die sogenannten „Anweisungsfälle“ insgesamt aus dem Anwendungsbereich der „Schenkungsanfechtung“ auszuklammern und nur solche Fälle als von § 134 InsO erfasst anzusehen sind, in denen der Insolvenzschuldner nicht aufgrund einer Kausalbeziehung zum Schuldner des Zuwendungsempfängers (Drittschuldners) zur Zahlung an den Zuwendungsempfänger verpflichtet ist.280 Damit erübrigten sich in der Mehrzahl der Fälle die bislang ungelösten Konkurrenzprobleme. Ohnehin stellt sich die Frage, ob eine „echte“ Leistung auf fremde Schuld gegeben ist, wenn der Zuwendende aufgrund einer Kausalbeziehung zu einem Dritten zur Leistung verpflichtet ist. G 83b

Über einen Fall, in dem nach der Würdigung des BGH der Schuldner weder gegenüber dem Drittschuldner noch gegenüber dem Zuwendungsempfänger zur Leistung verpflichtet war, hat der BGH durch ein frühes (zweifelhaftes) Urteil 276 Thole, KTS 2011, 219 (232); Lütcke, ZIP 2014, 1769 (1777). 277 Vgl. Lütcke, ZIP 2014, 1769 (1777). 278 Vgl. BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 ff. = MDR 2009, 1069; v. 19.2.2009 – IX ZR 16/08, MDR 2009, 769 = ZIP 2009, 769 f. Rz. 8. 279 Vgl. Blum, WuB VI A. § 134 InsO 2.08; vgl. dazu ferner Rz. B132 ff. 280 Vgl. Thole, KTS 2011, 219 (232).

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III. Einzelheiten

Rz. 83f G

vom 15.4.1964281 entschieden, das für das Verständnis der BGH-Rechtsprechung von grundlegender Bedeutung ist: BGH-Urteil vom 15.4.1964 – BGHZ 41, 298 ff. Die Beklagte hatte gegen die Fa. L-Eiscreme GmbH KG (künftig: L-Eiscreme) ei- G 83c ne Forderung in Höhe von ca. 32 000 DM, die durch Akzepte der Schuldnerin und durch die Bürgschaft des Dr. I gesichert war. Dieser war Hauptgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der L-Eiscreme GmbH, der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin. In gleicher Weise war Dr. I an der B & Co. KG beteiligt. Anfang Juli 1960 gingen zwei der von der L-Eiscreme an die Beklagte gegebenen Wechsel zu Protest. Daraufhin schlossen die Beklagte und die beiden Firmen des Dr. I am 11.7.1960 einen Vertrag, in dem die B & Co. KG die Schulden bzw. Wechselverpflichtungen der L-Eiscreme selbstschuldnerisch übernahm. Die B & Co. KG verkaufte ferner 30 Kühltruhen zum Preis von insgesamt ca. 32 000 DM an die Beklagte. Die Tilgung des Kaufpreises sollte im Wege der Aufrechnung der gegenseitigen Forderungen erfolgen. Über das Vermögen der beiden Firmen des Dr. I wurde am 18.7.1960 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger focht als Konkursverwalter der B & Co. KG den Vertrag an. Das Berufungsgericht sah die Klage unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung als begründet an. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der BGH weist darauf hin, dass eine unentgeltliche Zuwendung nicht vorliege, G 83d wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalte, was ein Ausgleich für seine Leistung sei oder jedenfalls nach dem Willen der Beteiligten sein solle. Deshalb leiste der Schuldner nicht unentgeltlich, wenn er dazu (dem Schuldner, dem Gläubiger oder einem anderen gegenüber) verpflichtet sei. Denn dann tilge er mit der fremden Schuld zugleich eine eigene. Im Freiwerden von der eigenen Schuld liege der Ausgleich, den er für die Tilgung der fremden Schuld erhalte. Hier sei dieser Fall nicht gegeben, da die B & Co. KG weder der Beklagten noch der L-Eiscreme gegenüber verpflichtet gewesen sei, deren Schuld bei jener zu tilgen. Nach der Sachlage könne davon ausgegangen werden, dass im Verhältnis zwi- G 83e schen der B & Co. KG und der L-Eiscreme Letztere allein zur Befriedigung ihres Gläubigers habe verpflichtet sein sollen. In diesem Fall sei zwar gemäß § 426 Abs. 2 BGB die Forderung der Beklagten gegen die L-Eiscreme auf die B & Co. KG übergegangen. Diese Forderung sei aber nichts wert gewesen, so dass sie kein Ausgleich für die Leistung der B & Co. KG gewesen sei. Gemäß §§ 412, 401 BGB habe die B & Co. KG zwar auch die Forderung gegen den Bürgen Dr. I erworben; nach dem Vertrag sei jedoch der Bürge insoweit von der Bürgschaft befreit, als die Beklagte durch die B & Co. KG befriedigt werde. Damit stehe aber noch nicht fest, dass die B & Co. KG ihre Leistung unentgelt- G 83f lich zu Gunsten der Beklagten erbracht habe. Für den Leistungsempfänger liege 281 BGH v. 15.4.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 ff. Schfer

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G Rz. 83f

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

ein unentgeltlicher Erwerb nicht schon dann vor, wenn der Schuldner für seine Leistung keinen Ausgleich erhalten habe, sondern nur dann, wenn der Leistungsempfänger seinerseits für die Leistung des Gemeinschuldners keine Gegenleistung habe erbringen müssen. Bestehe die Leistung des Schuldners in der Tilgung einer fremden Schuld, so liege die Gegenleistung des Gläubigers in der Regel schon darin, dass er seine Forderung gegen seinen Schuldner verliere. Anders sei es jedoch, wenn die Forderung des Gläubigers wirtschaftlich nichts wert gewesen sei. Im konkreten Fall sei aber die Forderung der Beklagten gegen die unmittelbar vor dem Zusammenbruch stehende L-Eiscreme wertlos gewesen, so dass in der Zahlung der B & Co. KG eine unentgeltliche Leistung liegen könne. Allerdings sei zu beachten, dass die Beklagte mit ihrer Forderung gegen die L-Eiscreme die Bürgschaft gegen Dr. I und das Vorbehaltseigentum an der bei der L-Eiscreme noch vorhandenen Ware aufgegeben habe. Über den Wert dieser Sicherheiten sei nichts festgestellt. G 83g Nach dieser frühen Entscheidung des BGH zur „Schenkungsanfechtung“ in Mehrpersonenverhältnissen wäre die Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger somit auf den Fall beschränkt, dass der Schuldner vor der anfechtbaren Rechtshandlung weder gegenüber dem Drittschuldner noch gegenüber dem Zuwendungsempfänger zur Leistung verpflichtet war. G 83h Ein Urteil des OLG Rostock vom 24.11.2003282 betrifft die in einem wesentlichen Punkt anders gelagerte Frage, ob im Fall der Zahlung einer Komplementärgesellschaft – die dem Gläubiger gemäß § 128 HGB persönlich haftet – an einen Gläubiger der GmbH & Co. KG eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO gegeben ist. Es zeigt, dass eine Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger ausscheidet, wenn der Schuldner ihm gegenüber zur Leistung verpflichtet war, und zwar auch dann, wenn die Forderung des Zuwendungsempfängers gegen den Drittschuldner wertlos war: Urteil des OLG Rostock vom 24.11.2003 – ZInsO 2004, 555 f. G 83i Die Schuldnerin war Komplementärin der Fliesen-KG. Diese beschäftigte Arbeitnehmer, die sie bei der Beklagten angemeldet hatte. Sie erkannte am 3.2.1999 eine Beitragsschuld in Höhe von ca. 29 000 DM an. Am 11.2.1999 beantragte sie wegen Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die Gesellschafter der Schuldnerin stellten am 26.2.1999 fest, dass diese infolge der Insolvenz der Fliesen-KG ebenfalls überschuldet und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen war. Die Schuldnerin stellte den Antrag am 3.3.1999. Zur Tilgung der von der Fliesen-KG anerkannten Beitragsrückstände überwies die Schuldnerin am 19.3.1999 ca. 29 000 DM an die Beklagte. Am 28.4.1999 wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagten mit Erfolg die Rückzahlung der empfangenen ca. 29 000 DM unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung.

282 OLG Rostock v. 24.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 f.

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III. Einzelheiten

Rz. 83l G

Nach Ansicht des OLG Rostock ist die Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO be- G 83j gründet. Es geht von der Anwendbarkeit der Rechtsgrundsätze der BGH-Rechtsprechung zur „Schenkungsanfechtung“ in Mehrpersonenverhältnissen aus. Die Tilgung einer fremden Schuld sei eine unentgeltliche Leistung sowohl an den Zuwendungsempfänger als auch an den von der Verbindlichkeit befreiten Schuldner, wenn die Regressforderung des Leistenden gegen ihn wirtschaftlich wertlos sei. Dies sei im konkreten Fall anzunehmen, denn der aus § 110 HGB folgende Rückgriff der Schuldnerin gegen die Fliesen-KG sei wegen deren Insolvenz von vornherein wertlos gewesen. Aufgrund der Vorwirkung des § 93 InsO schon während des vorläufigen Insol- G 83k venzverfahrens über das Vermögen der Fliesen-KG sei der wirtschaftliche Wert des aus den §§ 128, 161 HGB folgenden unmittelbaren Anspruchs der Beklagten gering gewesen, wenn nicht gar entfallen. Zudem habe die Beklagte die Schuldnerin nicht zur Zahlung aufgefordert; aus ihrer Sicht, die nach der Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fliesen-KG keine Tilgung ihrer Beitragsrückstände habe erwarten können, habe ein Dritter gezahlt. Auch habe die Schuldnerin, die nicht von der Beklagten zur Zahlung aufgefordert worden sei, keinen Grund gehabt, an sie zu zahlen. Das Interesse ihrer Gesellschafter, der persönlichen Inanspruchnahme zu entgehen, sei kein anerkennenswerter Grund. Sie hätten dem Vermögen der Schuldnerin den überwiesenen Betrag entzogen, ohne dass diese eine wirtschaftliche Gegenleistung erlangt habe. Umgekehrt habe die Beklagte nach der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Fliesen-KG keine Aussicht auf Erfüllung der von dieser anerkannten Beitragsschuld gehabt. In subjektiver Hinsicht habe die Schuldnerin nicht die Befreiung von ihrer Komplementärhaftung bezweckt; umgekehrt habe die Beklagte die unmittelbare Inanspruchnahme der Schuldnerin, mit der sie bislang nichts zu tun gehabt habe, nicht in Betracht gezogen. Letztlich habe die Beklagte den überwiesenen Betrag ohne Gegenleistung wie ein „Geschenk“ erhalten. An dieser Entscheidung wird die Berechtigung der Kritik am rechtlichen Ansatz G 83l des BGH bei der Frage der Anwendbarkeit des § 134 InsO in Mehrpersonenverhältnissen ebenfalls deutlich. Das Gesetz gibt dem Gesellschaftsgläubiger mit § 128 HGB einen Anspruch gegen den Gesellschafter gerade auch deshalb, um ihn im Fall einer etwaigen Insolvenz der Gesellschaft zu schützen. Dennoch soll er ein unverdientes, nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbares „Geschenk“ erhalten, wenn der Gesellschafter ihn im Vorfeld der Insolvenz der Gesellschaft befriedigt. Dies soll ungeachtet des Umstands gelten, dass der Gläubiger im Rahmen des § 134 InsO keinerlei Rücksichtnahmepflichten im Hinblick auf die übrigen Gläubiger des Schuldners unterliegt, wie im Rahmen der Deckungsanfechtung, sondern nur freigiebige Leistungen des Schuldners nicht soll behalten dürfen. Der BGH hat daher zu Recht die Einschränkung vorgenommen, dass § 134 Abs. 1 InsO unanwendbar sei, wenn den zahlenden Dritten gegenüber dem Zahlungsempfänger eine eigene Verbindlichkeit treffe.283 283 BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 ff. Rz. 35; v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 13; vgl. dazu noch BGH v. 23.11.1981 – VIII ZR 190/80, ZIP 1982, 76 ff. Rz. 16: keine unentgeltliche Leistung des (weiterhaftenden) Schuldners Schfer

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G Rz. 83m

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

G 83m Noch nicht hinreichend gelöste Probleme werfen jene Fälle auf, in denen der Schuldner nicht gegenüber dem Zuwendungsempfänger, wohl aber gegenüber dessen Schuldner (Drittschuldner) zur Leistung an den Zuwendungsempfänger verpflichtet ist. Dies hindert nach der Rechtsprechung des BGH nicht die Anfechtbarkeit nach § 134 InsO gegenüber dem Leistungsempfänger.284 Selbst eine unternehmensvertragliche Verpflichtung, Verbindlichkeiten eines Tochterunternehmens zu begleichen, genügt nach der Rechtsprechung des BGH nicht, um die Entgeltlichkeit zu begründen.285 Die (übergeordnete) Problematik soll anhand eines gedachten Falles, in leichter Abwandlung des vom BGH durch Urteil vom 22.11.2012286 entschiedenen Sachverhalts, verdeutlicht werden: Gedachter Fall in Anlehnung an BGH-Urteil vom 22.11.2012 – ZInsO 2013, 73 ff. G 83n

Der Drittschuldner ist Arbeitnehmer der Schuldnerin (offene Handelsgesellschaft) und zugleich deren (Minderheits-)Gesellschafter. Er hat aufgrund des mit der Schuldnerin abgeschlossenen entgeltlichen Vertrages, auf den er vorgeleistet hat (Arbeitsleistung), einen Anspruch gegen die Schuldnerin, dass diese die Beiträge für seine freiwillige Krankenversicherung an die Krankenkasse abführt. Aufgrund seiner persönlichen Haftung für die Gesellschaftsschulden wird er gleichzeitig mit der Schuldnerin insolvent. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin verlangt von der Krankenversicherung die Rückgewähr der für den Drittschuldner abgeführten Beiträge unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung nach § 134 InsO.

G 83o Nach der Rechtsprechung des BGH kommt im Verhältnis zwischen der Schuldnerin und der Krankenkasse als Zuwendungsempfänger eine Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht, da die Forderung des Zuwendungsempfängers gegen den Drittschuldner wegen dessen Insolvenzreife „wertlos“ war und die Schuldnerin nicht auf eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Zuwendungsempfänger geleistet hat. Denn der Arbeitgeber ist nicht Schuldner der Beiträge der freiwillig krankenversicherten Arbeitnehmer.287 Infolge der Anfechtung des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Schuldnerin nach § 134 Abs. 1 InsO gegenüber dem Zuwendungsempfänger lebt nach der Rechtsprechung des BGH gemäß § 144 Abs. 1 InsO dessen Forderung gegen den Drittschuldner wieder auf,288 so dass sich die Frage stellt, ob auch die Forderung des Drittschuldners gegen die

284 285 286 287 288

an den Grundstückserwerber, wenn der Schuldner weiterhin Zins- und Tilgungsleistungen an die Bank erbringt, obwohl der Erwerber die Schulden übernommen hat. Vgl. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff.; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. Rz. 11; Bork in Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rz. 61, 63. Vgl. BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 ff. Rz. 16; Uhlenbruck/Ede/ Hirte, § 134 Rz. 126. BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12 – „freiwillig Krankenversicherte“, ZIP 2013, 81 ff. Vgl. BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. Rz. 4. BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. Rz. 12; v. 24.9.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (48); MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 7a; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 144 Rz. 4.

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III. Einzelheiten

Rz. 83q G

Schuldnerin wieder auflebt. Der BGH führt dazu im Urteil vom 22.11.2012289 aus, die freiwillig versicherten Beschäftigten trügen im Fall des Wiederauflebens der Forderung des Zuwendungsempfängers ein ähnliches Insolvenzrisiko wie in dem Fall, dass ihnen gegenüber die im Deckungsverhältnis erlangte Beitragsbefreiung vom Insolvenzverwalter des Arbeitgebers angefochten worden sei; es könne deshalb gerechtfertigt sein, auch die Forderung des Drittschuldners gegen den Schuldner als Insolvenzforderung entsprechend § 144 Abs. 1 InsO wieder aufleben zu lassen. Diese Forderung des Drittschuldners gegen den Schuldner ist jedoch wegen dessen Insolvenz „wertlos“. Den Drittschuldner treffen somit im Ergebnis die Folgen der Anfechtung im Ver- G 83p hältnis zwischen Schuldnerin und Zuwendungsempfänger, selbst wenn in seiner Person kein Anfechtungstatbestand erfüllt ist. Dies weckt Zweifel an der Rechtsprechung des BGH.290 Es wird vielmehr zu erwägen sein, ob auch in den Fällen, in denen der Schuldner aufgrund einer entgeltlichen Kausalbeziehung zum Drittschuldner an den Zuwendungsempfänger leistet, eine „Schenkungsanfechtung“ gegenüber dem Zuwendungsempfänger ausscheidet.291 Denn in der Regel wird in solchen Fällen auch zwischen dem Zuwendungsempfänger und dem Drittschuldner eine entgeltliche Kausalbeziehung bestehen. Aus der Sicht des Zuwendungsempfängers kann aber ein und dieselbe Zuwendung nicht zugleich entgeltlich und unentgeltlich sein.292 In dem oben genannten Beispielsfall dürfte es indes schon an der nach § 134 Abs. 1 InsO erforderlichen Leistung des Schuldners fehlen. Denn gerade weil der Arbeitgeber nicht Schuldner der von den freiwillig krankenversicherten Arbeitnehmern abzuführenden Beiträge ist, erschöpft sich seine Funktion – für die Krankenkasse ohne weiteres erkennbar – in einer Art „Zahlstelle“ für die Arbeitnehmer. Die Überweisung der Beiträge durch ihn stellt sich somit bei Berücksichtigung der zugrundeliegenden entgeltlichen Kausalbeziehungen als Leistung der Arbeitnehmer an die Krankenversicherung dar. Es spricht daher in der Tat einiges dafür, die vom BGH als mittelbare Zuwendun- G 83q gen angesehenen Anweisungsfälle von der Anfechtbarkeit nach § 134 InsO auszunehmen. Dies würde auch die Problematik der „Schenkungsanfechtung“ beim Bestehen eines „Cash-Pools“ zwischen verbundenen Konzernunternehmen entschärfen. Denn das eingegliederte Unternehmen verfügt häufig über keine eigenen liquiden Mittel, so dass die Uneinbringlichkeit der Forderung gegen dieses Unternehmen zur Bejahung der Unentgeltlichkeit führen kann.293 Führt etwa Tochterunternehmen 1 eingegangene Gelder an die Muttergesellschaft ab und stellt diese in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang damit absprachegemäß dem Tochterunternehmen 2 entsprechende Gelder zur Verfügung, so kommt eine Anfechtung des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Toch-

289 BGH v. 22.11.2012 – IX ZR 22/12, ZIP 2013, 81 ff. Rz. 13 mit Hinweis auf OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 (290). 290 Vgl. Schönfelder, WuB VI A. § 133 InsO 5.13. 291 Vgl. Thole, KTS 2011, 219 (232); Wiester/Kranz, NZI 2012, 541 ff.; a.A. K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 134 Rz. 26. 292 Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 101. 293 Vgl. Brinkmann in Kübler/Prütting/Bork, Anh. I § 135 zu Cash-Pool. Schfer

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G Rz. 83q

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

terunternehmens 1 gegenüber der Muttergesellschaft nach § 134 InsO in Betracht, wenn deren Forderung gegen das Tochterunternehmen 2 wertlos war. Mit einer unentgeltlichen Leistung im Sinne des § 134 InsO hat ein solcher Vorgang jedoch nichts zu tun. d) Sicherheitenbestellung G 84 Bei der Bestellung einer Sicherheit durch den Schuldner ist nach der Rechtsprechung des BGH danach zu differenzieren, ob die Sicherheit für eine eigene Verbindlichkeit des Schuldners oder für eine fremde Verbindlichkeit gewährt wird. aa) Sicherheit für eigene Verbindlichkeit G 85 Nach der Rechtsprechung des BGH ist sowohl die ursprüngliche als auch die nachträgliche Bestellung einer Sicherheit für eine durch einen entgeltlichen Vertrag begründete294 eigene Verbindlichkeit als entgeltliche Leistung anzusehen und somit nicht nach § 134 InsO anfechtbar.295 Dies hat der BGH durch Urteil vom 12.7.1990296 rechtsgrundsätzlich entschieden: BGH-Urteil vom 12.7.1990 – BGHZ 112, 136 ff. G 86 Der Vater der Beklagten betrieb eine Gärtnerei unter Inanspruchnahme von Bankkrediten. Durch Vertrag vom 28.7.1987 trat er die spätestens 1996 fälligen Ansprüche aus einer Kapitalversicherung über eine Summe von 135 000 DM zur Sicherung von Darlehensansprüchen der Beklagten anteilig an die Beklagten ab. Nachdem im September 1987 ein Sachverständiger der Bank den Betrieb des Vaters als überaltert und verhältnismäßig geringwertig eingeschätzt hatte, stellte die Bank die Finanzierung ein. Am 7.10.1987 wurde über das Vermögen des Vaters das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt. Dieser focht die Abtretung der Versicherungsansprüche (letztlich ohne Erfolg) an. G 87 Der BGH führt unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zur Konkursordnung aus, dass die Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit begrifflich stets entgeltlich sei, weil sie nur die Befriedigung vorbereite. Es bestehe Einigkeit darin, dass die Erfüllung einer eigenen rechtsbeständigen, infolge einer entgeltlichen Gegenleistung begründeten Verbindlichkeit eine entgeltliche Verfügung im Sinne des § 32 KO darstelle, weil der Schuldner damit von der getilgten Schuld frei werde. Die

294 Die Sicherung einer unentgeltlich begründeten Verpflichtung ist ihrerseits unentgeltlich; vgl. dazu Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 20. 295 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 105/12, ZInsO 2013, 73; v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NotBZ 2004, 388 = MDR 2005, 172 = ZIP 2004, 1819 ff.; v. 17.9.2009 – IX ZR 222/07, veröffentlicht bei juris; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 18. 296 BGH v. 12.7.1990 – IX ZR 245/89 – „Gärtnerei“, BGHZ 112, 136 ff. = MDR 1990, 1109, bestätigt unter der Geltung der InsO durch BGH v. 22.7.2004 – IX ZR 183/03, NotBZ 2004, 388 = MDR 2005, 172 = ZIP 2004, 1819 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 89 G

bloße Sicherung einer bestehenden Forderung könne nicht in weitergehendem Umfang gemäß § 32 KO angefochten werden als die Erfüllung selbst. Die Schenkungsanfechtung bezwecke nämlich nicht die verselbständigte Rückabwicklung bloßer Hilfsgeschäfte wie Zahlung, Anerkennung oder Sicherstellung, die nur der Verstärkung oder Abwicklung anderweitiger Rechtsverhältnisse dienten. Als unentgeltlich anfechtbar könnten solche Hilfsgeschäfte allenfalls zusammen mit Hauptgeschäften sein, die ihrerseits den Rechtsgrund für eine Übertragung von Vermögensgütern bildeten. Deren Rechtsnatur bestimme zugleich die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Hilfsgeschäfte mit. Das Argument, die Sicherstellung sei ein bloßes Hilfsgeschäft, hat der BGH allerdings später selbst aufgegeben.297 Im Schrifttum298 wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass eine unent- G 88 geltliche Leistung gegeben sei, wenn ein ungekündigter Kredit nachträglich besichert werde, ohne dass dem eine vereinbarte Gegenleistung des Sicherungsnehmers gegenüberstehe. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Sicherungsnehmer doch Anspruch auf Erfüllung habe, also mehr als nur Sicherstellung verlangen könne. Denn der Anspruch auf Besicherung sei gegenüber dem Anspruch auf Leistung kein minus, sondern ein aliud.299 Die Erfüllung einer eigenen Schuld sei entgeltlich, weil der Gläubiger seine Forderung verliere; darin liege seine „Gegenleistung“; Demgegenüber verliere der Gläubiger (Sicherungsnehmer) bei der nachträglichen Besicherung nichts, er gewinne nur.300 Der Auffassung des BGH ist dennoch im Ergebnis zuzustimmen. Die nachträgliche Bestellung der Sicherheit kann nicht völlig losgelöst von den zwischen dem Sicherungsgeber und dem Sicherungsnehmer bestehenden Kausalbeziehungen gesehen werden. Dies ist der Bereich der besonderen und nicht der allgemeinen Insolvenzanfechtung. Mit der Anwendung des § 134 InsO würde letztlich der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger entgegen der Gesetzessystematik des Insolvenzanfechtungsrechts auf den Zeitraum von vier Jahren ausgedehnt. Die Gleichbehandlung der Gläubiger soll jedoch nur auf die kritische Zeit der materiellen Insolvenz im Sinne der §§ 130, 131 und 132 InsO vorgezogen werden. Nur in diesem Zeitraum wird im Rahmen der besonderen Insolvenzanfechtung den Gläubigern die Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme auferlegt.301 Die nachträgliche Bestellung einer Sicherheit durch den Schuldner für eine Ver- G 89 bindlichkeit aus einer von ihm begangenen unerlaubten Handlung stellt eine entgeltliche Leistung dar; gleiches gilt für die Verstärkung des Anspruchs durch Schuldanerkenntnis.302

297 BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04 – „Internet-Domain“, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. Rz. 9. 298 Vgl. Ganter, WM 2006, 1081 ff. und WM 2011, 245 ff. 299 Vgl. dazu BGH v. 18.10.2010 – IX ZR 57/09, ZIP 2010, 841 ff. Rz. 16. 300 Ganter, WM 2006, 1084. 301 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 4; ebenso BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff. Rz. 10. 302 BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 57/09, MDR 2010, 1019 = ZIP 2010, 841 ff. Schfer

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G Rz. 90

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

bb) Sicherheit für fremde Verbindlichkeit G 90 Der BGH hatte noch in einem Urteil vom 19.3.1998 entschieden, dass die Sicherstellung einer fremden Schuld entgeltlich sei, wenn dem Sicherungsgeber dafür die Kreditgewährung an einen Dritten versprochen werde, an der er ein eigenes wirtschaftliches Interesse habe; ein derartiges Interesse sei im Verhältnis zwischen Tochter- und Muttergesellschaft regelmäßig vorhanden.303 Nach dem Leitsatz seines späteren Urteils vom 1.6.2006304 ist jedoch die Besicherung einer fremden Forderung nicht deshalb als entgeltlich anzusehen, weil der Sicherungsgeber mit der Gewährung der Sicherheit ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt. Die Besicherung einer fremden Schuld sei grundsätzlich unentgeltlich, wenn der Sicherungsgeber nicht aufgrund einer entgeltlich begründeten Verpflichtung zur Bestellung der Sicherheit gehalten gewesen sei.305 Es komme nur darauf an, ob der Sicherungsnehmer zugunsten des Sicherungsgebers oder eines Dritten ein Vermögensopfer erbringe. Maßgebend sei dabei in erster Linie der objektive Sachverhalt.306 Das eigene wirtschaftliche Interesse des Schuldners an der Zuwendung für den Dritten könne deshalb allenfalls ein Indiz für die Entgeltlichkeit sein, etwa dann, wenn der Schuldner gerade durch die von ihm gewährte Sicherheit den Sicherungsnehmer dazu veranlassen wolle, an den Dritten eine Gegenleistung zu erbringen. Voraussetzung sei jedoch auch hier, dass es sich um eine werthaltige Gegenleistung handle.307 G 90a In einem Beschluss vom 6.12.2012308 hat der BGH klargestellt, dass bei der nachträglichen Besicherung einer Drittschuld eine die Unentgeltlichkeit ausschließende Gegenleistung gegeben ist, wenn der Sicherungsgeber zur Bestellung der Sicherheit aufgrund einer entgeltlich begründeten Verpflichtung gehalten war. Die Besicherung beruht auf einer entgeltlichen Vereinbarung, wenn dem Sicherungsgeber für seine Leistung die Kreditgewährung an einen Dritten versprochen wird. Denn eine die Unentgeltlichkeit ausgleichende Gegenleistung kann auch an einen Dritten bewirkt werden. G 90b

Entgeltlich ist die Sicherung einer fremden Verbindlichkeit mit Mitteln des Schuldners, wenn dieser und der Gläubiger die Sicherung vor oder bei der Begründung der Verbindlichkeit vereinbart haben, weil der Schuldner damit von einer entsprechenden entgeltlich begründeten Verpflichtung befreit wird.309

G 91 Im Urteil vom 1.6.2006310 hatte der BGH über die nachträgliche Besicherung einer fremden Schuld im Konzernverbund zu entscheiden. Er führt aus, dass 303 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 ff. = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342. 304 BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. – „Internet-Domain“. 305 BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. Rz. 7. 306 Vgl. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (281) = MDR 2005, 953. 307 BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. Rz. 14. 308 BGH v. 6.12.2012 – IX ZR 105/12, ZInsO 2013, 73 Rz. 4. 309 Vgl. BGH v. 25.6.1992 – IX ZR 4/91, ZIP 1992, 1089 (1092); HK-InsO/Thole, § 134 Rz. 15. 310 BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. – „Internet-Domain“.

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III. Einzelheiten

Rz. 95 G

von der „Schenkungsanfechtung“ ein Empfänger freigestellt sei, der für die Zuwendung des Schuldners eine ausgleichende Gegenleistung an diesen oder einen Dritten erbringe. In Rechtsprechung und Schrifttum werde die Ansicht vertreten, dass das Stehenlassen einer gekündigten oder kündbaren Forderung ein ausgleichender Gegenwert für die Besicherung sein könne, wenn der Gläubiger zu dieser Zeit noch die Rückzahlung hätte verlangen können.311 Diese Frage könne in dem zu entscheidenden Fall dahingestellt bleiben, da das Berufungsgericht festgestellt habe, dass der Darlehensanspruch nicht ohne weiteres hätte durchgesetzt werden können, wenn er mangels Besicherung fällig gestellt worden wäre. Sei aber der Darlehensrückzahlungsanspruch im Zeitpunkt der Besicherung nicht durchsetzbar, also wirtschaftlich wertlos gewesen, habe die Klägerin mit dem Stehenlassen des Darlehens kein Vermögensopfer erbracht. In einem weiteren Urteil vom 7.5.2009312 stand hingegen nicht fest, dass die G 92 stehengelassene Forderung des Gläubiges nicht (mehr) durchsetzbar war, so dass der BGH seine Rechtsprechung fortentwickeln musste: BGH-Urteil vom 7.5.2009 – ZIP 2009, 1122 ff. Die Schuldnerin (GmbH) vertrieb vornehmlich Produkte eines bestimmten Ein- G 93 zelunternehmens, das diese Produkte zuvor selbst vertrieben hatte. Dieses Einzelunternehmen und die Schuldnerin unterhielten bei der verklagten Sparkasse Girokonten. Im Januar 2003 wies das Konto der Schuldnerin ein Guthaben aus, während die Konten des Einzelunternehmens debitorisch geführt wurden. Die Beklagte sah die dem Einzelunternehmen gewährten Kredite zunehmend als gefährdet an, da die unter anderem als Sicherheit vereinbarte Globalzession durch die Zwischenschaltung der Schuldnerin entwertet war und ein Kontenausgleich zugunsten des Einzelunternehmens ausblieb. Die Schuldnerin verpfändete daher der Beklagten am 14.2.2003 ihr derzeitiges und künftiges Guthaben auf dem Geschäftskonto zur Sicherung der bankmäßigen Ansprüche der Beklagten gegen das Einzelunternehmen. Am 15.9.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldne- G 94 rin eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter focht die Verpfändung als unentgeltliche Leistung an und verlangte (mit Erfolg) die Auszahlung des Guthabens der Schuldnerin bei der Beklagten. Der BGH bekräftigt seine ständige Rechtsprechung, wonach es bei der Einschal- G 95 tung einer dritten Person in einen Zuwendungsvorgang nicht darauf ankommt, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat, sondern darauf, ob der Zuwendungsempfänger ein Vermögensopfer erbracht hat.313 Nach dem Vorbringen der Beklagten habe sich die Sicherheitenlage in Bezug auf das

311 Vgl. Ganter, WM 1998, 2081 (2084); Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 4. 312 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08 – „Gartenbaubetrieb“, MDR 2009, 1006 = ZIP 2009, 1122 ff. 313 Vgl. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345 Rz. 8; v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, WM 2006, 1156 (1157). Schfer

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G Rz. 95

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

Einzelunternehmen durch die Gründung der Schuldnerin deutlich verschlechtert. Da dieses selbst keine Sicherheiten habe erbringen können, habe der Beklagten das Recht zur Kündigung der Kredite zugestanden, wobei eine Kreditkündigung auch für die GmbH das Ende bedeutet hätte. Es sei daher davon auszugehen, dass der mögliche Anspruch der Beklagten gegen das Einzelunternehmen auf Nachbesicherung nicht werthaltig gewesen sei. Die Beklagte habe deshalb dadurch, dass der Nachbesicherungsanspruch durch Verpfändung erloschen sei, wirtschaftlich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung der Schuldnerin angesehen werden könnte. G 96 Der Senat habe allerdings in seinem ebenfalls eine Nachbesicherung betreffenden Urteil vom 1.6.2006314 noch offen gelassen, wie das Stehenlassen einer durchsetzbaren Forderung zu bewerten sei, wenn ein Dritter dafür eine Sicherheit stelle, da in dem seinerzeit entschiedenen Fall der Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Drittschuldner nicht mehr durchsetzbar und somit wirtschaftlich wertlos gewesen sei. Dies liege zwar auch in dem jetzigen Fall nahe, doch komme es darauf für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an. Denn nach der neueren Rechtsprechung des Senats zu § 142 InsO enthalte das Stehenlassen einer Darlehensforderung keine ausgleichende Gegenleistung, weil allein damit dem Schuldner kein neuer Vermögenswert zugeführt werde. Der Schuldner habe ihn vielmehr bereits durch die Darlehensgewährung erhalten; das bloße Unterlassen der Rückforderung bedeute keine Zuführung eines neuen Vermögenswertes.315 Diese Rechtsprechung finde im Anwendungsbereich des § 134 Abs. 1 InsO ebenfalls Anwendung, wenn ein ungekündigter Kredit eines Drittschuldners nachträglich besichert werde, ohne dass dem eine vereinbarte Gegenleistung des Sicherungsnehmers gegenüberstehe. In diesem Fall sei das Sicherungsgeschäft unentgeltlich, und zwar unabhängig davon, ob die Rückführung des stehengelassenen Kredits des Drittschuldners hätte durchgesetzt werden können oder nicht.316 G 97 Nach der Rechtsprechung des BGH ist somit die nachträgliche Besicherung einer fremden Verbindlichkeit ohne entsprechende entgeltliche Verpflichtung stets als unentgeltliche Leistung nach § 134 InsO anfechtbar, unabhängig davon, ob die besicherte Forderung werthaltig war oder nicht.317 cc) Kritische Würdigung der Rechtsprechung zur Nachbesicherung G 98 Es mag sein, dass der BGH von einem Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO nur dann ausgeht, wenn für die Leistung des Schuldners vereinbarungsgemäß eine gleichwertige Gegenleistung in dessen Vermögen gelangt. Im Rahmen des § 134 Abs. 1 InsO stellt der BGH jedoch in ständiger Rechtsprechung nur darauf ab,

314 BGH v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04 – „Internet-Domain“, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. 315 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 Rz. 41 ff. = MDR 2008, 411; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13c; Mitlehner, ZIP 2007, 1925 (1930). 316 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 33; Ganter, WM 2006, 1081 (1084). 317 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, MDR 2009, 1006 = ZIP 2009, 1122 ff. Rz. 12 a.E.; Berger, ZIP 2010, 2081.

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III. Einzelheiten

Rz. 101 G

ob der Zuwendungsempfänger ein Vermögensopfer erbracht hat, und nicht etwa darauf, ob der Schuldner etwas erlangt hat.318 Gerade auf der Grundlage der Auffassung des BGH, wonach die Frage der Unent- G 99 geltlichkeit nach dem objektiven Wert der „Leistung“ des Zuwendungsempfängers zu bestimmen sein soll, ist es dem Gläubiger, der für seine Forderung gegen den Drittschuldner eine Nachbesicherung durch den Schuldner erhält, schwer zu vermitteln, dass dies eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO sein soll.319 Ohne die Nachbesicherung durch den Dritten würde der Kreditgeber möglicherweise den dem Dritten gewährten Kredit kündigen und alsbald Insolvenzantrag stellen. Aufgrund der Nachbesicherung hält er indes still und verschlechtert in dem Fall, dass der Schuldner trotz der Nachbesicherung später dennoch insolvent wird, erfahrungsgemäß seine Aussicht auf zumindest quotale Befriedigung. Dem Sicherungsnehmer ist die Möglichkeit eines solchen wirtschaftlichen G 100 Nachteils in der Regel durchaus bewusst. Er nimmt diese Möglichkeit jedoch im Interesse einer Fortsetzung der entgeltlichen Geschäftsbeziehung mit seinem Schuldner in Kauf, was in der Regel auch im Interesse des Schuldners liegt. Tritt der Nachteil letztlich ein, kann keine Rede davon sein, dass der Gläubiger durch die Nachbesicherung vom Schuldner etwas unentgeltlich erhalten habe. Die Verschlechterung seiner im Insolvenzverfahren zu erwartenden Quote geht häufig sogar über den Wert der nachträglichen Sicherheitsleistung hinaus. Dass die Inkaufnahme des möglichen Nachteils gegen Nachbesicherung nicht auf einer Vereinbarung mit dem Schuldner beruht, kann nicht entscheidend sein, da der BGH in ständiger Rechtsprechung betont, dass bei der Entscheidung der Frage, ob eine Anfechtung durchgreift und welchen Inhalt der auf ihr beruhende Rückgewähranspruch hat, die zugrundeliegenden Vorgänge mehr unter wirtschaftlichen als formalrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sind.320 Weshalb dieser Grundsatz nicht auch zugunsten des Gläubigers gelten soll, ist nicht ersichtlich. Der Grund für die Nachbesicherung ist das zwischen dem Schuldner der gesi- G 101 cherten Forderung (Drittschuldner) und dem Sicherungsnehmer bestehende Kausalverhältnis, und dieses ist in der Regel entgeltlich. Den Rechtsgrund für die Nachbesicherung bildet in aller Regel eine – zumeist ebenfalls entgeltliche – Kausalbeziehung zwischen dem Drittschuldner und dem die Sicherheit gewährenden Schuldner, die nach den Rechtsgrundsätzen des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs eine „Schenkungsanfechtung“ im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Sicherungsnehmer ausschließt. Im Schrifttum wird ferner zu Recht geltend gemacht, dass selbst dann keine unentgeltliche Leistung zugunsten des Sicherungsnehmers angenommen werden dürfe, wenn die

318 Zu Recht kritisch gegenüber den Erwägungen des BGH zum Bargeschäft Berger, ZIP 2009, 2081. 319 Kritisch zu Recht auch Kirchhof, AnfG, § 4 Rz. 46; Fischer, ZInsO 2011, 1042 (1044 ff.); Herrlich/Merkel, WM 2010, 2343 (2345). 320 Vgl. BGH v. 28.3.1985 – IX ZR 115/84, MDR 1985, 759 = ZIP 1985, 816 (817 f.); v. 23.9.1981 – VIII ZR 245/80, ZIP 1981, 1229 (1230 f.). Schfer

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G Rz. 101

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

Bestellung der Sicherheit dem Schuldner der gesicherten Forderung als unentgeltliche Zuwendung versprochen worden sei. Denn eine unentgeltliche Zuwendung an den Schuldner der gesicherten Forderung könne nicht zugleich eine unentgeltliche Leistung zugunsten des Sicherungsnehmers sein.321 G 102 Die Beteiligten gehen daher in der Regel zu Recht davon aus, dass die Nachbesicherung keine unentgeltliche Zuwendung darstelle. Dies wäre allenfalls dann anders, wenn sich Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer bewusst wären, dass die gesicherte Forderung (völlig) wertlos ist.322 Es ist wertungsmäßig nicht einzusehen, weshalb die nachträgliche Besicherung durch den Schuldner selbst zwar entgeltlich sein soll, nicht dagegen jene durch den Dritten. Auch in letzterem Fall stellt aus der Sicht des Sicherungsnehmers nicht Freigebigkeit den Grund für die Sicherheitenbestellung dar, sondern dessen entgeltliche Kausalbeziehung zu dem Dritten, eventuell in Verbindung mit einer solchen zwischen dem Schuldner und dem Dritten, die er in aller Regel nicht kennt und um die er sich auch nicht kümmern muss. G 103 Die Entgeltlichkeit der Nachbesicherung kann sich aber auch nach der Rechtsprechung des BGH daraus ergeben, dass der Sicherungsnehmer einen entgeltlich begründeten und werthaltigen Nachbesicherungsanspruch gegen den Sicherungsgeber oder einen Dritten hatte.323 Im Schrifttum wird ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der nachträglichen Besicherung einer wertlosen Forderung des Gläubigers gegen einen Drittschuldner häufig eine Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO in Betracht kommen dürfte.324 3. Leistungsempfänger; Besonderheiten beim Zuwendungsgegenstand G 104 Die Anfechtung nach § 134 InsO richtet sich gegen denjenigen, der eine unentgeltliche Leistung aus dem Vermögen des Schuldners empfangen hat. § 134 Abs. 1 InsO gestattet die Anfechtung nur gegenüber dem Zuwendungsempfänger und nicht gegenüber einem mittelbar Begünstigten.325 Dies bereitet bei direkten Zuwendungen des Schuldners keine Schwierigkeiten. Zu beachten ist jedoch, dass eine unentgeltliche Leistung des Schuldners auch im Wege der Zuwendung über eine dritte Person erbracht werden kann. a) Mittelbare Zuwendung über Mittelsperson G 105 Wie im Bereich der Deckungsanfechtung ist auch im Rahmen des § 134 Abs. 1 InsO zu beachten, dass der Schuldner einem Dritten eine Zuwendung unter Einschaltung einer Mittelsperson erbracht haben kann. Als Rechtshandlungen

321 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 26. 322 Vgl. Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 26. 323 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, MDR 2009, 1006 = ZIP 2009, 1122 ff. Rz. 9; v. 1.6.2006 – IX ZR 159/04, MDR 2007, 109 = ZIP 2006, 1362 ff. Rz. 7; Bork in Kübler/ Prütting/Bork, § 147 Anh. I Rz. 45. 324 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.92; Bork/Brinkmann, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 17 Rz. 121. 325 BGH v. 23.1.2014 – IX ZR 15/13, juris Rz. 6.

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III. Einzelheiten

Rz. 108 G

des Schuldners sind auch mittelbare Zuwendungen anfechtbar, bei denen der Schuldner Bestandteile seines Vermögens mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger „verschiebt“, ohne mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten. Für den Dritten muss dabei allerdings erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine Leistung des Schuldners gehandelt hat.326 Solche mittelbaren Zuwendungen sind anfechtungsrechtlich im Allgemeinen so zu behandeln, als habe der Zuwendungsempfänger die Leistung unmittelbar vom Schuldner erhalten, der den Leistungsmittler zur Leistung angewiesen hat.327 Die mittelbare Leistung steht insoweit der unmittelbaren gleich.328 Hat der Zuwendungsempfänger für die Leistung keine ausgleichende Gegen- G 106 leistung – sei es an den Schuldner oder einen Dritten – erbracht, so greift § 134 InsO gegen ihn ein, auch wenn die Zuwendung nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammt. An einer ausgleichenden Gegenleistung des Zuwendungsempfängers fehlt es nach der Rechtsprechung des BGH auch dann, wenn die vom Schuldner getilgte Forderung des Gläubigers gegen den Drittschuldner wegen dessen Insolvenzreife wertlos war.329 b) Vertrag zugunsten Dritter, insbesondere Lebensversicherung Die mittelbare Zuwendung des Versprechensempfängers an den Dritten beim G 107 Vertrag zugunsten Dritter wird anfechtungsrechtlich genauso behandelt wie die mittelbare Zuwendung des Anweisenden an den Empfänger.330 Ein praktisch wichtiges Beispiel ist der Lebensversicherungsvertrag. Dieser Vertrag ist im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer (Deckungsverhältnis) stets entgeltlich. Unentgeltlichkeit kommt jedoch nach allgemeinen Grundsätzen im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und einem im Versicherungsvertrag benannten Bezugsberechtigten (Valutaverhältnis) in Betracht, wenn Letzterer für die Einräumung des Bezugsrechts (vgl. § 159 VVG) keine Gegenleistung zu erbringen hat. Bei einer Direktversicherung, die von einem Arbeitgeber zugunsten eines Arbeit- G 108 nehmers abgeschlossen wird, ist keine Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO gegeben, da die Leistungen des Arbeitgebers als Teil des Arbeitsentgelts anzusehen sind.331 Es kommt daher in der Regel nur eine Anfechtung nach § 130 InsO in Betracht. Insoweit geht das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Urteil vom 18.1.2007332 davon aus, dass bei einer durch Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG finanzierten Direktversicherung die in der Krise des Arbeitgebers geleisteten Prämienzahlungen gemäß § 130 InsO angefochten 326 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 16/08, MDR 2009, 769 = ZIP 2009, 769 f. Rz. 7; v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, MDR 2009, 170 = ZIP 2008, 2183 ff. Rz. 21. 327 Vgl. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04 – „Cash-Pool (2)“; BGHZ 174, 228 ff. Rz. 37 = MDR 2008, 345; v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, MDR 2010, 290 = NotBZ 2010, 48 m. Anm. Suppliet = ZIP 2009, 2303 ff. Rz. 12. 328 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 14b; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 42. 329 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, MDR 2008, 1124 = ZIP 2008, 1385 ff. Rz. 13. 330 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 52. 331 Kayser, ZInsO 2004, 1321 (1325). 332 OLG Karlsruhe v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286 ff. Schfer

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G Rz. 108

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

werden könnten. Dies dürfte jedoch nicht zutreffen. Es ist vielmehr von einem Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO auszugehen.333 aa) Unwiderrufliches Bezugsrecht G 109 Wurde dem Dritten schon im Versicherungsvertrag oder später ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, so ist nach der Rechtsprechung des BGH für die Anfechtbarkeit nach § 134 InsO im Grundsatz auf den Zeitpunkt der Einräumung des Bezugsrechts abzustellen.334 Dem steht es nicht entgegen, dass dem Ehegatten nur die Versicherungsleistung im Todesfall unwiderruflich zugewendet wurde und die Erlebensfallleistung dem Versicherungsnehmer zustehen sollte („gespaltenes Bezugsrecht“) und das Bezugsrecht des Ehegatten daran geknüpft ist, dass die Ehe mit dem Versicherten bei dessen Tod besteht.335 Liegt die Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts länger als vier Jahre vor der Stellung des Insolvenzantrages zurück, scheidet daher die Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung aus.336 Der Insolvenzverwalter kann dann nur – vorbehaltlich des § 143 Abs. 2 InsO – die in der kritischen Zeit gezahlten Prämien vom Begünstigten verlangen.337 Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass der Bezugsberechtigte schon mit dem Vertragsschluss das bedingte Recht auf die Versicherungssumme erlangt habe; dass der Versicherungsnehmer die Versicherung vor dem Eintritt des Versicherungsfalles noch hätte kündigen können, stehe nicht entgegen, da die Kündigung sein Vermögen nicht vermehrt, der Anspruch auf den Rückkaufswert vielmehr dem Bezugsberechtigten zugestanden hätte.338 G 110 Dieser Auffassung ist nur unter der Voraussetzung zuzustimmen, dass es sich bei dem künftigen339 Anspruch auf die Versicherungsleistung um einen teilbaren Anspruch handelt. Handelte es sich bei dem Anspruch auf die Versicherungsleistung um einen künftigen, unteilbaren und nicht aufschiebend bedingten Anspruch,340 so wäre anfechtungsrechtlich der Zeitpunkt der Entstehung dieses Anspruchs maßgebend.341 Ein künftiger Anspruch ist nicht schon mit dem Abschluss des ihn begründenden Vertrages, sondern erst mit seiner Entstehung der Anfechtung entzogen. Daran kann auch die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts nichts ändern. Das Recht, die Leistung zu fordern

333 Vgl. dazu B. Schäfer, NZI 2008, 151 ff.; HK-InsO/Thole, § 142 Rz. 5. 334 BGH v. 27.9.2012 – IX ZR 15/12, ZIP 2012, 2409 ff.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, § 134 Rz. 4. 335 BGH v. 27.9.2012 – IX ZR 15/12, ZIP 2012, 2409 ff. Rz. 10. 336 Vgl. BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596; v. 20.9.1995 – XII ZR 16/94, BGHZ 130, 377 (380) = MDR 1995, 1232. 337 BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223 ff. Rz. 15 ff.; MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 16a. 338 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 47. 339 Vgl. dazu BGH v. 23.10.2008 – VII ZB 16/08, WM 2008, 2265 ff.; v. 11.11.2010 – VII ZB 87/09, ZIP 2011, 350 ff. 340 Vgl. dazu oben Rz. B123. 341 Vgl. BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96 – „Wirtschaftsberater“, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff.

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III. Einzelheiten

Rz. 113 G

(vgl. § 328 Abs. 1 BGB), erwirbt auch der Dritte erst mit der Entstehung des Anspruchs des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer. Ob ein Durchgangsoder Direkterwerb stattfindet, ist anfechtungsrechtlich unerheblich. Die formale Begründung, dass der bereits beim Abschluss des Versicherungsver- G 111 trages benannte Bezugsberechtigte das Bezugsrecht nicht aus dem Vermögen des Versprechensempfängers (Insolvenzschuldners), sondern originär in eigener Person erhalte,342 ist für die anfechtungsrechtliche Beurteilung nicht maßgebend.343 Entscheidend ist vielmehr, dass der künftige Anspruch auf die Versicherungsleistung erst noch wertmäßig „aufgebaut“ werden muss und der Versicherungsvertrag vom Insolvenzschuldner gekündigt werden kann, so dass dem Bezugsberechtigten bis zur Entstehung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung noch keine gesicherte Rechtsposition – vorbehaltlich einer etwaigen rechtlichen Teilbarkeit des Anspruchs – zusteht. Die Erwägung, die Versorgung des Begünstigten solle geschützt werden, rechtfertigt es nicht, den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenz zu durchbrechen.344 Die Auffassung des BGH, wonach die Einräumung eines unwiderruflichen Be- G 111a zugsrechts außerhalb des Vierjahreszeitraums des § 134 InsO nicht anfechtbar ist, lässt sich jedoch unter der Voraussetzung vertreten, dass es sich bei dem künftigen Anspruch auf die Versicherungsleistung um einen teilbaren Anspruch handelt. Davon geht der BGH inzwischen auch aus.345 Hinsichtlich des außerhalb der Anfechtungszeiträume werthaltig gemachten Teils des künftigen Anspruchs auf die Versicherungsleistung steht dem unwiderruflich Begünstigten eine gesicherte Rechtsposition in Gestalt des Rückkaufswerts zu. Zu beachten ist, dass die Unverfallbarkeit nach § 1b Abs. 2 BetrAVG kein unwi- G 112 derrufliches Bezugsrecht begründet.346 Entscheidend ist, ob dem Bezugsberechtigten im Deckungsverhältnis (Versicherungsvertrag) ein unwiderrufliches Bezugsrecht zusteht; auf das Valutaverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Bezugsberechtigten kommt es nicht an.347 bb) Widerrufliches Bezugsrecht In einem neueren Beschluss vom 27.4.2010348 führt der BGH zum widerrufli- G 113 chen Bezugsrecht aus, es entspreche ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Begünstigte eines Lebensversicherungsvertrages den Anspruch auf die Versicherungssumme mit dem Eintritt des Versicherungsfalles originär

342 BGH v. 27.4.2010 – IX ZR 245/09, ZIP 2010, 1964 mit weiteren Nachweisen. 343 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 52 zur originären Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts in einem innerhalb des Vierjahreszeitraums abgeschlossenen Versicherungsvertrag. 344 MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 52. 345 Vgl. BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34 ff. Rz. 22. 346 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 101; Kayser, ZInsO 2004, 1321 (1323). 347 Vgl. Kayser, ZInsO 2004, 1323; BAG v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, ZIP 2010, 1915 ff. 348 BGH v. 27.4.2010 – IX ZR 245/09, ZIP 2010, 1964. Schfer

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G Rz. 113

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

selbst erwerbe.349 Deshalb könne selbst § 91 Abs. 1 InsO den Anspruchserwerb der Witwe des Erblassers nicht hindern. Das widerrufliche „Bezugsrecht“ gemäß § 159 VVG sei nicht mehr als eine ungesicherte Hoffnung auf den Erwerb eines künftigen Anspruchs, mithin rechtlich ein Nullum. Dieses erstarke auch nicht mit dem Eintritt des Versicherungsfalles zum unwiderruflichen Vollrecht, sondern es entfalle vollständig. Die in ihm verkörperte bloße tatsächliche Hoffnung verwirkliche sich, indem der Bezugsberechtigte den neu entstandenen Anspruch gegen die Versicherung auf die Versicherungssumme erwerbe. Die Anfechtbarkeit des Anspruchserwerbs nach § 134 InsO ändere nichts daran, dass die Witwe bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils mit den Wirkungen des § 894 ZPO Inhaberin des Anspruchs gewesen sei.350 G 114 Im Fall der Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts hat sich der Versicherungsnehmer noch keiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag endgültig begeben. Der widerruflich Bezugsberechtigte verfügt vor dem Eintritt des Versicherungsfalles über keine gesicherte Rechtsposition; ihm steht nur eine mehr oder weniger starke tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs zu. Demzufolge ist bei lediglich widerruflicher Benennung des Dritten als Bezugsberechtigter anfechtungsrechtlich auf den Eintritt des Versicherungsfalles abzustellen. Nach § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten, sie also die Gläubigerbenachteiligung bewirkt. Da der Versicherungsnehmer die widerrufliche Bezugsberechtigung jederzeit beseitigen kann, treten die Rechtswirkungen seiner Verfügung erst mit seinem den Versicherungsfall auslösenden Tod ein.351 G 115 Ist der Versicherungsfall vor der Bestellung eines Insolvenzverwalters noch nicht eingetreten, so ist dieser bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung berechtigt, das Bezugsrecht zu widerrufen. Es bedarf in diesem Fall daher keiner Anfechtung. Das gegenüber § 103 InsO vorrangige Eintrittsrecht des Bezugsberechtigten gemäß § 170 VVG gibt ihm jedoch die Möglichkeit, im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers in den Versicherungsvertrag einzutreten, sofern er den Rückkaufswert der Versicherung zur Masse zahlt. Die hierzu erforderliche Zustimmung des Versicherungsnehmers unterliegt nicht der Anfechtung.352 G 116 Die anfechtbare Leistung des insolventen Versicherungsnehmers besteht nach der Rechtsprechung des BGH im Falle eines widerruflichen Bezugsrechts in der in den kritischen Anfechtungszeiträumen ausbezahlten Versicherungssumme und nicht etwa nur in den in der Krise erbrachten Prämienzahlungen.353 Der 349 Vgl. BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (353) = MDR 2004, 596; v. 20.9.1995 – XII ZR 16/94, BGHZ 130, 377 (380 f.) = MDR 1995, 1232 = FamRZ 1995, 1562. 350 BGH v. 27.4.2010 – IX ZR 245/09, ZIP 2010, 1964 Rz. 3 f. 351 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596; v. 27.4.2010 – IX ZR 245/09, ZIP 2010, 1964. 352 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 98; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481 (487, 502 f.). 353 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596.

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III. Einzelheiten

Rz. 116b G

noch vom Reichsgericht und auch im früheren Schrifttum vertretenen Auffassung,354 wonach nur die im Anfechtungszeitraum geleisteten Prämienzahlungen zurück zu gewähren seien, ist der BGH nicht gefolgt, da sie den Gegenstand des Anfechtungsanspruchs bei einer mittelbaren Zuwendung unzutreffend bestimme. Mittelbare Zuwendungen seien so zu behandeln, als hätte die zwischengeschaltete Person an den Schuldner geleistet und dieser sodann den Dritten befriedigt. Folglich komme es anfechtungsrechtlich grundsätzlich nicht darauf an, welche Mittel der Schuldner als Versprechensempfänger aufgebracht, sondern welche Leistungen der Versprechende nach dem Inhalt seiner Vertragsbeziehung zum Schuldner bei Eintritt der Fälligkeit habe erbringen müssen, mit anderen Worten, welche Zuwendung an den Dritten der Versprechensempfänger mit den von ihm aufgewendeten Vermögenswerten „erkauft“ habe. Diese sei durch die Leistung an den Dritten der Masse entzogen worden.355 cc) Bezugsrechtsänderung Im Fall der Änderung eines Bezugsrechts fehlt es an einer Gläubigerbenach- G 116a teiligung, wenn in anfechtungsfreier Zeit ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt und die spätere Änderung ohne Zustimmung des ursprünglich Bezugsberechtigten vorgenommen wurde. Dann steht die Versicherungssumme anfechtungsfest dem ursprünglich Bezugsberechtigten zu.356 War das ursprüngliche Bezugsrecht dagegen widerruflich oder wurde es mit Zustimmung des ursprünglich Bezugsberechtigten widerrufen, kann allerdings eine Gläubigerbenachteiligung gegeben sein. Insoweit zerfällt die Bezugsrechtsänderungserklärung in zwei selbständig zu betrachtende Rechtshandlungen. Damit dem neuen Bezugsberechtigten ein Bezugsrecht eingeräumt werden konnte, musste jedenfalls für eine juristische Sekunde zuvor die Aufhebung des ursprünglichen Bezugsrechts erfolgen,357 wobei es nach dem Urteil des BGH vom 22.10.2015 für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung unerheblich ist, ob der Anspruch auf die Versicherungsleistung jemals zur künftigen Insolvenzmasse gehört hat.358 Der BGH betont, dass auch im Fall eines widerruflichen Bezugsrechts der An- G 116b spruch auf die Versicherungsleistung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nicht zum Vermögen des Versicherungsnehmers gehört; er entstehe vielmehr mit dem Todesfall unmittelbar im Vermögen des Bezugsberechtigten.359 Der Versicherungsnehmer wende die Versicherungssumme dem Bezugsberechtigten allerdings mittelbar zu. Mittelbare Zuwendungen seien so zu behandeln, als habe die zwischengeschaltete Person an den Schuldner geleistet und dieser

354 Vgl. RGZ 51, 404; 61, 217 (219 f.) sowie Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 32 KO Rz. 9. 355 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596. 356 BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZIP 2015, 2328 ff. Rz. 15. 357 Vgl. dazu BGH v. 26.1.2012 – IX ZR 99/11, ZIP 2012, 636 ff. sowie Rz. B522 ff. 358 BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZIP 2015, 2328 ff. Rz. 19 f. 359 BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZIP 2015, 2328 ff. Rz. 21 mit Hinweis auf (u.a.) BGH v. 28.4.2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252 ff. Rz. 17. Schfer

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G Rz. 116b

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

sodann den Dritten befriedigt. Deswegen komme es nicht darauf an, ob sich der Anspruch auf die Versicherungsleistung tatsächlich jemals im Vermögen des Schuldners befunden habe.360 G 116c

Zum Urteil des BGH vom 22.10.2015 ist freilich anzumerken, dass das Bezugsrecht für den Begünstigten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers noch keinen gegenwärtigen Vermögenswert darstellte, wenn sogar der Anspruch auf die Versicherungsleistung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nicht zum Vermögen des Versicherungsnehmers gehörte, sondern dieser erst mit dem Todesfall unmittelbar im Vermögen des Bezugsberechtigten entstand. § 129 Abs. 1 InsO setzt aber die Übertragung eines Vermögensgegenstandes vor der Insolvenzeröffnung voraus. Es stellt sich daher die Frage, ob der Übertragungsvorgang dem Anwendungsbereich der §§ 81 Abs. 1, 91 Abs. 1 InsO und nicht dem Anwendungsbereich der §§ 129 ff. InsO unterfällt. 4. Anfechtungszeitraum

G 117 Unentgeltliche Leistungen des Schuldners sind nur dann gemäß § 134 InsO anfechtbar, wenn sie nicht früher als vier Jahre vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach vorgenommen wurden. Aufgrund dieser zeitlichen Ausdehnung gegenüber dem früheren Recht hat der Gesetzgeber es als entbehrlich angesehen, eine Sonderregelung für den Ehegatten des Schuldners oder für nahestehende Personen vorzusehen.361 Hinsichtlich der Fristberechnung ist auf die Ausführungen zu § 139 InsO zu verweisen. Zu beachten ist, dass bei mehreren Insolvenzanträgen gemäß § 139 Abs. 2 InsO auf den ersten zulässigen und begründeten Antrag abzustellen ist. Bei einer Erfüllung in mehreren Teilleistungen ist die Anfechtungsfrist für jede Teilleistung gesondert zu bestimmen.362 G 118 Nach der Rechtsprechung des BGH zur Konkursordnung bilden das Schenkungsversprechen und der Vollzug der Schenkung zusammen die unentgeltliche Verfügung, so dass es ausreicht, wenn der Vollzug der Schenkung innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgt ist.363 Im Schrifttum ist streitig, ob auch im Rahmen des § 134 InsO von der Fortgeltung dieser Rechtsprechung auszugehen ist.364 Verneint man dies, ist zwar das Erfüllungsgeschäft, nicht aber das außerhalb der Anfechtungsfrist abgeschlossene Verpflichtungsgeschäft anfechtbar, so dass die §§ 144, 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO gelten.365 Die ablehnende Auffassung dürfte zutreffen. Man kann wohl kaum den Gläubiger eines Schenkungsvertrages, der im Anfechtungszeitraum des § 134 Abs. 1 InsO Befriedigung erlangt hat, schlechter stellen als jenen Gläubiger, der vor der Insolvenzeröffnung nicht mehr befriedigt

360 361 362 363

BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZIP 2015, 2328 ff. Rz. 22. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161. OLG Karlsruhe v. 17.9.2003 – 1 U 167/02, ZInsO 2003, 999 (1000). BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (103) = MDR 1999, 764 = FamRZ 1999, 1262. 364 Dafür etwa OLG Karlsruhe v. 17.9.2003 – 1 U 167/02, ZInsO 2003, 999 (1000); Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 49 Rz. 16 – a.A. MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 7; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 134 Rz. 36. 365 MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 134 Rz. 7.

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III. Einzelheiten

Rz. 122 G

wurde. Letzterem steht aber nach § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO eine unanfechtbare Forderung als nachrangigem Insolvenzgläubiger zu. Ein Schenkungsversprechen, dessen Erfüllung erzwungen worden ist, muss mangels einer Rechtshandlung des Schuldners selbst innerhalb der Frist des § 134 Abs. 1 InsO erteilt worden sein, um der Anfechtung zu unterliegen.366 Streitig ist ferner, ob eine Anfechtung nach § 134 InsO möglich ist, wenn außer- G 119 halb des Vierjahreszeitraums eine Vormerkung zugunsten des Beschenkten eingetragen wurde, die Eigentumsumschreibung aber erst innerhalb des Anfechtungszeitraums vorgenommen wurde.367 Nach zutreffender Auffassung kann § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO für die Vormerkung eines Anspruchs auf eine unentgeltliche Leistung, die keine verfahrensfeste Rechtsposition gewährt sondern nur eine gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO nachrangige Insolvenzforderung sichert, nicht gelten.368 Auch der BGH ist unter der Geltung der Konkursordnung davon ausgegangen, dass die außerhalb des Anfechtungszeitraums bewilligte Vormerkung die Anfechtung nicht hindert; er hat allerdings darauf abgestellt, dass das Schenkungsversprechen und der Schenkungsvollzug zusammen die unentgeltliche Verfügung des Gemeinschuldners bildeten.369 Enthält der Vertrag eine Befreiungsverpflichtung, so wird das darin liegende G 119a Schenkungsversprechen erst mit der Befriedigung des Gläubigers vollzogen.370 5. Ausnahmetatbestand des § 134 Abs. 2 InsO Richtet sich die Leistung des Schuldners auf ein gebräuchliches Gelegenheits- G 120 geschenk geringen Wertes, so ist sie gemäß § 134 Abs. 2 InsO nicht anfechtbar. a) Gesetzeszweck Nach § 32 Nr. 1 KO waren gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke von der Schen- G 121 kungsanfechtung ausgenommen. Da diese Ausnahme von der Rechtsprechung zum Teil sehr weit ausgelegt worden war, hat der Gesetzgeber diese Ausnahme in § 134 Abs. 2 InsO auf Gegenstände „geringen Wertes“ beschränkt.371 b) Gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk von geringem Wert Unter gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenken sind unentgeltliche Zuwendun- G 122 gen zu verstehen, die der Verkehrssitte gemäß aus bestimmten Anlässen (Feier-

366 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 17; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 49 Rz. 16; ebenso zu § 32 KO: BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (103). 367 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 46 i.V.m. § 129 Rz. 61; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 65. 368 Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 65; HK-InsO/Thole, § 134 Rz. 17. 369 BGH v. 24.3.1988 – IX ZR 118/87, MDR 1988, 773 = ZIP 1988, 585 f. 370 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (103); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 60. 371 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161. Schfer

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G Rz. 122

§ 134 InsO – Unentgeltliche Leistung

tag, Geburts- und Namenstag, Besuch, Jubiläum, Taufe, Kommunion, Konfirmation, Verlobung, Hochzeit) üblich sind oder zu wohltätigen bzw. gemeinnützigen Zwecken gewährt werden. Darunter können auch Spenden an politische Parteien fallen, wobei die Unentgeltlichkeit nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der Schuldner für die Spende eine steuerrechtlich relevante Spendenbescheinigung erhält.372 G 123 „Gebräuchlich“ sind nur solche Geschenke, die nicht das den Verhältnissen des Schuldners entsprechende, bei solchen Anlässen übliche Maß überschreiten. Dabei stellt das „übliche Maß“ einen relativen Begriff dar, der im Verhältnis zu den Vermögensverhältnissen des Zuwendenden zu sehen ist.373 Zumindest mit der Beschränkung auf geringwertige Gegenstände ist inzwischen auch klargestellt, dass der Wert der Zuwendung in einem vertretbaren Verhältnis zum Schenkungsanlass und dem Zweck des § 134 InsO stehen muss, übertriebene Zuwendungen zu Lasten der künftigen Insolvenzmasse zu verhindern. Gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke sind nach der Rechtsprechung des BGH im Sinne des § 134 Abs. 2 InsO von geringem Wert, wenn sie zu der einzelnen Gelegenheit den Wert von 200 Euro und im Kalenderjahr den Wert von 500 Euro nicht übersteigen.374 6. Darlegungs- und Beweislast G 124 Der Insolvenzverwalter hat darzulegen und zu beweisen, dass der Schuldner dem in Anspruch genommenen Anfechtungsgegner eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO erbracht hat,375 wobei der bloße Nachweis einer Leistung des Schuldners nicht genügt.376 Es obliegt jedoch unter Umständen dem Anfechtungsgegner unter dem Gesichtspunkt der sekundären Darlegungslast, einen Rechtsgrund für die Leistung darzutun. Bei einer Anfechtung gegen den Ehegatten des Schuldners kann dem Insolvenzverwalter die Vermutung des § 1362 Abs. 1 BGB zugute kommen, wenn der Ehegatte des Schuldners behauptet, es liege keine unentgeltliche Leistung vor, weil er als Entgelt bewegliche Sachen hingegeben habe, die zuvor in seinem (Mit-)Eigentum gestanden hätten.377 Dies gilt gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO entsprechend für nichteheliche Lebensgemeinschaften.378 Weist eine notarielle Urkunde keine Gegenleistung aus, so spricht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde dafür, dass eine unentgeltliche Leistung vorliegt.379 Wie bei

372 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 159; Jaeger/Henckel, § 134 Rz. 60. 373 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 160. 374 Vgl. BGH v. 4.2.2016 – IX ZR 77/15, ZIP 2016, 583 ff. Rz. 32 ff.: HK-InsO/Thole, § 134 Rz. 22; Uhlenbruck/Hirte, § 134 Rz. 160. 375 BGH v. 25.6.1992 – IX ZR 4/91, MDR 1992, 1050 = NJW 1992, 2421 (2423). 376 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 222/07, juris Rz. 4; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 134 Rz. 22. 377 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 165; HK-InsO/Thole, § 134 Rz. 18. 378 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rz. 165 – a.A. K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 75. 379 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 49 Rz. 8; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 74.

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III. Einzelheiten

Rz. 128 G

allen Anfechtungstatbeständen hat der Insolvenzverwalter ferner den Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung zu beweisen.380 Durch den Gesetzeswortlaut des § 134 Abs. 1 InsO („… es sei denn, …“) hat der G 125 Gesetzgeber klargestellt, dass der Insolvenzverwalter nicht darzulegen und zu beweisen hat, der Schuldner habe die unentgeltliche Leistung innerhalb des Vierjahreszeitraums vor der Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen. Damit sollen nach der Gesetzesbegründung betrügerische Rückdatierungen unschädlich gemacht werden.381 Der Anfechtungsgegner einer unentgeltlichen Leistung hat darzulegen und zu beweisen, dass er nicht mehr bereichert ist.382

G 126

Bei der Anfechtung im Drei-Personen-Verhältnis hat der Insolvenzverwalter G 127 über das Vermögen des Schuldners darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Forderung des Gläubigers gegen den Drittschuldner wertlos war.383 Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dem Drittschuldner werthaltige Außenstände zustanden, auf die der Anfechtungsgegner insolvenzbeständig hätte zugreifen können, trägt der Anfechtungsgegner.384 Der Leistungsempfänger, der sich bei einer Doppelinsolvenz unter Hinweis auf eine vorrangige Deckungsanfechtung gegen eine „Schenkungsanfechtung“ wendet, hat im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass eine Deckungsanfechtung tatsächlich durchgreift.385 Auch hinsichtlich des Ausnahmetatbestandes des § 134 Abs. 2 InsO trägt der G 128 Anfechtungsgegner die Darlegungs- und Beweislast.386 Es obliegt ihm daher insbesondere der Nachweis, dass die Zuwendung nicht in den letzten vier Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen wurde.

380 Vgl. MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 49. 381 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161. 382 BGH v. 17.12.2009 – IX ZR 16/09, ZInsO 2010, 521 ff.; v. 27.10.2016 – IX ZR 160/14, ZIP 2016, 2326 ff. 383 BGH v. 30.3.2006 – IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957 ff. Rz. 15. 384 BGH v. 17.6.2010 – IX ZR 186/08, MDR 2010, 1152 = ZIP 2010, 1402 f. 385 Vgl. BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, MDR 2010, 290 = NotBZ 2010, 48 m. Anm. Suppliet = ZIP 2009, 2303 ff. Rz. 12; v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. = MDR 2008, 345 Rz. 49. 386 MK-InsO/Kayser, § 134 Rz. 50; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rz. 79. Schfer

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H. § 135 InsO – Gesellschafterdarlehen § 135 Gesellschafterdarlehen (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 oder für eine gleichgestellte Forderung 1. Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, oder 2. Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. (2) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (3) Wurde dem Schuldner von einem Gesellschafter ein Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen, so kann der Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. Für den Gebrauch oder die Ausübung des Gegenstandes gebührt dem Gesellschafter ein Ausgleich; bei der Berechnung ist der Durchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung in Ansatz zu bringen, bei kürzerer Dauer der Überlassung ist der Durchschnitt während dieses Zeitraums maßgebend. (4) § 39 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend. Rz. I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechungs- und Novellenregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen – „Altfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze der Rechtsprechungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur Umqualifizierung führende Krisensituation . . . . . . . bb) Nutzungsüberlassung. . . . . . . b) Novellenregeln . . . . . . . . . . . . . . . c) Darlegungs- und Beweislast . . . . . 2. Neuregelungen durch das „MoMiG“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .

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H1

H1 H2 H10 H13 H16 H19 H21 H28

Rz. II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze der Neuregelung . . . . . . a) Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen (§ 135 Abs. 1 InsO) . . . . . . . . . . . . b) Gesellschafterbesichertes Drittdarlehen (§ 135 Abs. 2 InsO) . . . . c) Nutzungsüberlassung (§ 135 Abs. 3 InsO) . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrund der Neuregelungen . . . a) Auffassungen im Schrifttum . . . . b) Rechtsprechung des BGH und des Bundesarbeitsgerichts . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . .

H31 H34 H35 H38 H42 H45 H46 H48 H49

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 1 H

Rz. 3. Sachlicher und personeller Anwendungsbereich der Neuregelungen . . H52 a) Wirtschaftlich entsprechende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . H52 aa) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . H52a bb) Sonderfall der wiederholten Kreditgewährung . . . . . . . . . H52d b) Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft im Vorfeld der Insolvenzeröffnung? . . . . . . . . . . H54 c) Erfasster Personenkreis . . . . . . . H56 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . H56 bb) Forderungsabtretung . . . . . . H60 cc) Mitgliedschaftsübertragung . H63 dd) Sonderfall BGHZ 81, 365 ff. . H64 ee) Nahestehende Personen . . . . H64a d) Kleinbeteiligungs- und Sanierungsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . H65 III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H68 1. Anfechtbare Rechtshandlungen nach § 135 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . H68 a) Rechtshandlung und Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung . . H68 b) Anfechtbare Sicherung (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO) . . . . . . . H70 c) Anfechtbare Befriedigung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) . . . . . . . H73 aa) Anwendungsbereich . . . . . . . H73 bb) „Sperrwirkung“ des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegenüber § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO? . . . . H74a cc) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . H75

Rz. 2. Anfechtbarkeit der Befriedigung eines gesellschafterbesicherten Drittdarlehens (§ 135 Abs. 2 InsO) . a) Früheres Recht . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsätze der Neuregelung in den §§ 44a, 135 Abs. 2 InsO . . . . c) Doppelsicherung durch Gesellschaft und Gesellschafter . . . . . . aa) Erstattungspflicht des Gesellschafters bei Verwertung der Gesellschaftssicherheit in der Insolvenz . . . . . . . . . . bb) Verzicht des Gläubigers gegenüber dem Gesellschafter d) Rückzahlungen des drittbesichernden Gesellschafters auf Darlehensrückgewähr im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag . 3. Nutzungsüberlassung durch Gesellschafter (§ 135 Abs. 3 InsO) . . . a) Systematik und Grundsätze der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis zu den §§ 103 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bemessung des Ausgleichs . cc) Anfechtbare Entgeltteile . . . b) Vorrang von Grundpfandrechten Dritter und Gesellschafterinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beendigung des Nutzungsverhältnisses vor der Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . 5. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . .

H77 H77 H79 H84

H84 H89b

H89c H90 H90 H92b H96 H99 H101 H102 H106 H108

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes 1. Rechtsprechungs- und Novellenregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen – „Altfälle“ Der BGH hat schon früh den Risiken, die mit der Gewährung von Fremdkapital H 1 durch Gesellschafter zugunsten der in der Krise befindlichen Gesellschaft für den Rechtsverkehr verbunden waren, durch eine analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG a.F. Rechnung getragen.1 Denn häufig verbanden die Gesellschafter, die den Weg der Fremdfinanzierung statt der weiteren Eigenkapitalausstattung wählten, damit zugleich die Hoffnung, im Fall der Krise der Gesellschaft ihre Mittel noch rechtzeitig abziehen zu können.2 Die Rechtsprechung begegnete diesem Problem zu Recht nicht mit einem nach dem Gesetz nicht begründbaren Gebot der Zuführung haftenden Eigenkapitals anstelle von Fremd1 BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (272); v. 11.7.1994 – II ZR 162/92, BGHZ 127, 17 ff. 2 Vgl. Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Kap. 6 Rz. 54. Schfer

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kapital, vielmehr wurden die Gesellschafter für die Dauer der Krise nach Art einer gesetzlich angeordneten Stundung im Sinne einer Finanzierungsfolgenverantwortung an ihrem Finanzierungsverhalten festgehalten.3 a) Grundsätze der Rechtsprechungsregeln H 2 Nach Ansicht des BGH ist es die Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung, die ihn in der Krise zwar nicht „positiv“ verpflichtet, fehlendes Kapital aus seinem Vermögen nachzuschießen, der er sich aber nicht in der Weise zum Nachteil der Gläubiger entziehen kann, dass er bei einer tatsächlich beabsichtigten Finanzhilfe, anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden Kapitals zu leisten, auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende Finanzierungsform ausweicht.4 H 3 Der tragende Grund für die eigenkapitalähnliche Bindung kapitalersetzender Gesellschafterleistungen wird in der Verantwortung der Gesellschafter für die Folgen ihrer in der Krise getroffenen Entscheidung gesehen, die liquidationsreife Gesellschaft fortzuführen und über das satzungsmäßige Eigenkapital hinaus weiter zu finanzieren, anstatt die in dieser Situation aus eigener Kraft nicht mehr überlebensfähige Gesellschaft – wie an sich nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung geboten –, entweder unmittelbar oder mittelbar durch Verweigerung weiterer oder den Abzug bereits gewährter Gesellschafterhilfen zu liquidieren.5 Mit dem Abstellen auf die objektiv gebotene Einbringung haftenden Kapitals in der Krise der Gesellschaft hat die Rechtsprechung zu Recht den schutzwürdigen Interessen der außenstehenden Gesellschaftsgläubiger Rechnung getragen, die Gesellschafter vor die Wahl zu stellen, entweder die Liquidation der in der Krise befindlichen Gesellschaft herbeizuführen oder aber die überlassenen Mittel als das zu behandeln, was sie geworden waren („Umqualifizierung“), nämlich unentbehrlich für die Fortführung des Unternehmens und somit funktionales Eigenkapital.6 H 4 Hat der Gesellschafter die finanzielle Hilfe anstelle der dringend benötigten Eigenmittel gegeben, um der Gesellschaft das Überleben zu ermöglichen, und hat er so den Anschein ausreichender Kapitalausstattung hervorgerufen, so setzt er sich entgegen Treu und Glauben und dem Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften in Widerspruch zu seinem Verhalten, wenn er der Gesellschaft die Finanzhilfe wieder entzieht, bevor der mit ihrer Hingabe verfolgte Zweck nachhaltig erreicht ist.7 In späteren Entscheidungen hat der BGH allerdings nicht mehr entscheidend auf den Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens, sondern auf das Kriterium der Finanzierungsfolgenverantwortung abgestellt.8 3 BGH v. 7.12.1998 – II ZR 382/96, BGHZ 140, 147 (154 f.); Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 2. 4 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83 – „BuM“, BGHZ 90, 381 (389). 5 BGH v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (344 f.); v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168 ff. 6 BGH v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (344 f.): Preuß in Kübler/Prütting/ Bork, § 135 Rz. 67. 7 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83 – „BuM“, BGHZ 90, 381 (388 f.). 8 BGH v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (344); v. 26.6.2000 – II ZR 21/99, ZIP 2000, 1489 f.; v. 9.5.2005 – II ZR 66/03, ZIP 2005, 1316 ff.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh. zu § 64 Rz. 101.

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Rz. 7 H

Entsprechende Erwägungen gelten für noch unter wirtschaftlich gesunden Ver- H 5 hältnissen gegebene Darlehen oder sonstige Forderungen, welche die Gesellschafter bei Eintritt der Kreditunwürdigkeit stehen lassen („Stehenlassen“), so dass die ansonsten notwendige Liquidation unterbleibt.9 Ein solches Stehenlassen kann schon dann gegeben sein, wenn ein Gesellschafter es zulässt, dass die Gesellschaft Forderungen, die ihm aus Warenlieferungen zustehen, fortlaufend verspätet begleicht. In diesem Fall kann zwar nicht in Höhe jeder einzelnen zu spät beglichenen Forderung, wohl aber in Höhe des durchschnittlichen offenen Forderungssaldos eine nach den Eigenkapitalersatzregeln zu beurteilende Kreditgewährung vorliegen.10 Unter dem Gesichtspunkt des „kurzfristigen Überbrückungskredits“ ist eine Ausnahme von den Grundsätzen des Eigenkapitalersatzrechts allenfalls dann gerechtfertigt, wenn aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft mit einer Rückzahlung nach längstens drei Wochen objektiv gerechnet werden kann.11 Mit dem Eintritt der Krise muss der jeweilige Gesellschafter, dem eine Forde- H 6 rung gegen die Gesellschaft zusteht, prüfen, ob er die Gesellschaft fortführen will oder nicht; entscheidet er sich für die Fortführung, so müsste er – gemessen an den Maßstäben eines ordentlichen Geschäftsmannes – neues Kapital zuführen. Unterlässt er dies, so kann er den Folgen seiner Entscheidung nicht dadurch ausweichen, dass er die Gesellschaft fortführt und verlangt, hinsichtlich seiner Gesellschafterleistung weiter wie ein „normaler“ Gesellschaftsgläubiger behandelt zu werden. Vielmehr führt der Gesichtspunkt der Finanzierungsfolgenverantwortung auch im Fall des Stehenlassens zur Umqualifizierung seiner Hilfe in funktionales Eigenkapital.12 Im Zusammenhang mit dem Stehenlassen von Gesellschafterleistungen ist H 7 unter der Geltung der Eigenkapitalersatzregeln umstritten, ob die Umqualifizierung in haftendes (Eigen-)Kapital die Erkennbarkeit der Krise für den Gesellschafter bzw. eine bewusste Finanzierungsentscheidung oder gar eine Finanzierungsabrede zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft voraussetzt.13 Der BGH lässt es in ständiger Rechtsprechung genügen, dass der Gesellschafter die wirtschaftlichen Umstände, welche die Umqualifizierung seiner Hilfe in funktionales Eigenkapital begründeten, kannte oder jedenfalls kennen konnte.14 Dabei trägt der Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er ausnahmsweise von der Krisensituation der Gesellschaft keine Kenntnis haben konnte.15

9 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (330 f.); Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 60 ff. 10 BGH v. 28.11.1994 – II ZR 77/93, ZIP 1995, 23 ff.; Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 93. 11 BGH v. 26.4.2010 – II ZR 60/09, ZIP 2010, 1443 ff. 12 Vgl. Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 60; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 71. 13 Vgl. dazu Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, §§ 32a, 32b Rz. 41 m.w.N.; Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 61 ff. 14 BGH v. 26.6.2000 – II ZR 370/98, NJW 2000, 3565; v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (346). 15 BGH v. 15.6.1998 – II ZR 17/97, NJW 1998, 3200 (3201); v. 11.12.1995 – II ZR 128/94, ZIP 1996, 273 (275). Schfer

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H 8 Es wurde aber auch schon zum alten Recht im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass es für die Anwendbarkeit der Eigenkapitalersatzregeln nicht auf die Erkennbarkeit der Krise für den Gesellschafter zum Zeitpunkt der Umqualifizierung seiner Finanzhilfe ankomme.16 Der Gesellschafter habe alles Erforderliche und Zumutbare zu tun, dass sich die bereits durch die Gewährung von Gesellschafterdarlehen geschaffene Risikolage einer Erhöhung der Finanzausstattung der Gesellschaft und die damit verbundene Ausweitung der Geschäftstätigkeit unter regelmäßigem Verzicht auf marktübliche Sicherheitengewährung nicht zum Nachteil des Rechtsverkehrs auswirken könne. Wenn die Gesellschaft zur Begleichung aller Schulden auch noch nach der Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens eben noch in der Lage und auch das satzungsmäßige Stammkapital noch gedeckt sei, sei daher der letzte Zeitpunkt gegeben, in dem man noch von einer Berechtigung des Gesellschafters ausgehen könne, die überlassenen Mittel abzuziehen. Nach dieser Ansicht reicht es aus, dass der Gesellschafter diesen Moment verpasst hat, ohne dass es zusätzlich auf eine Finanzierungsentscheidung oder auf die Erkennbarkeit des Eintritts der Krisensituation ankommt.17 Der Gesellschafter ist daher nach dieser Auffassung im Eigeninteresse gehalten, sich fortlaufend über die finanzielle Situation der Gesellschaft zu informieren. H 9 Der Gesellschafter hat der Gesellschaft die zum haftenden Eigenkapital umqualifizierte Finanzhilfe so lange zu belassen, bis das verlorene Stammkapital und eine etwaige, darüber hinausgehende Überschuldung wieder auf andere Weise gedeckt ist.18 Solange eine Stammkapitalunterdeckung besteht, verstoßen Rückzahlungen an den Gesellschafter nach altem Recht gegen die §§ 30, 31 GmbHG a.F. analog und verpflichten den Gesellschafter zur Rückzahlung, einschließlich etwaiger erhaltener Zinszahlungen auf die „verstrickte“ Forderung. Der Eigenkapitalersatzcharakter steht jedoch dem Zinslauf auch während der Rückzahlungssperre nicht entgegen, denn ein Gesellschafterdarlehen bleibt für die Gesellschaft trotz der Umqualifizierung Fremdkapital.19 aa) Zur Umqualifizierung führende Krisensituation H 10 Nach den Rechtsprechungsregeln können Gesellschafterdarlehen und ihnen gleichgestellte Leistungen schon dann als Eigenkapital zu betrachten sein, wenn die Gesellschaft bei ihrer Hergabe weder überschuldet war noch ihr Stammkapital eingebüßt hatte, aber von dritter Seite keinen Kredit mehr zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können („Kreditunwürdigkeit“).20 Jedoch greift das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. nur ein, wenn und soweit die Leistung verlorenes Stammkapital oder eine darüber hinausgehende Überschul16 Vgl. Wiedemann, ZIP 1986, 1293 (1297); Hill/B. Schäfer, BB 1989, 458 ff.; Altmeppen, ZIP 1994, 1939 (1941). 17 Vgl. Hill/B. Schäfer, BB 1989, 461. 18 BGH v. 8.11.2004 – II ZR 300/02, ZIP 2005, 82 ff.; v. 5.2.1990 – II ZR 114/89, NJW 1990, 1730 (1731); v. 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (337); Preuß in Kübler/ Prütting/Bork, § 135 Rz. 61. 19 Vgl. BGH v. 15.2.1996 – II ZR 245/94, NJW 1996, 1341 (1343). 20 Vgl. BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (330); v. 21.9.1981 – II ZR 104/80, BGHZ 81, 311 ff.; Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 39 ff.

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dung abdeckt.21 Für die Feststellung der Kreditunwürdigkeit können Indizien von Bedeutung sein, wie etwa ungewöhnlich günstige Kreditbedingungen zugunsten der Gesellschaft unter Hinausschieben der Verzinsungspflicht.22 Ein Indiz für die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft kann es ferner darstellen, wenn diese nicht mehr in der Lage ist, aus ihrem Vermögen ausreichende Sicherheiten zu stellen.23 Sofern die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, kommt es indes H 11 auf die Frage der Kredit- bzw. Überlassungsunwürdigkeit nicht mehr an.24 Die in diesem Zusammenhang bedeutsame Frage, ob Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender Leistungen, für die keine Rangrücktrittserklärung abgegeben wurde, trotz ihrer Undurchsetzbarkeit in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft zu passivieren sind, hat der BGH im Grundsatzurteil vom 8.1.200125 bejaht. Diese Entscheidung soll für Altfälle aus der Zeit vor dem 1.11.2008 auch weiterhin maßgebend sein.26 Für das neue Recht ist diese Frage gesetzlich geklärt. Nach dem am 1.11.2008 im Zuge des „MoMiG“ in Kraft getretenen § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO sind Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart wurde, bei der Feststellung der Überschuldung nicht zu berücksichtigen.27 Die Annahme einer Krise der Gesellschaft, in der ein ihr gewährtes Gesellschaf- H 12 terdarlehen die Funktion von Eigenkapitalersatz erlangt, kann nicht allein auf das Vorliegen einer Unterbilanz (nach fortgeführten Buchwerten) gestützt werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (negative Fortbestehensprognose).28 Das Fortbestehen einer Unterbilanz ist jedoch für die Dauer und den Umfang der Rückzahlungssperre nach den Rechtsprechungsregeln maßgebend.29

21 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 ff.; v. 13.7.1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 210, 206 f. 22 OLG Celle v. 14.7.1999 – 9 U 342/98, ZInsO 2000, 617 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32a a.F. Rz. 23; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 70. 23 Vgl. BGH v. 4.12.1995 – II ZR 281/94, NJW 1996, 720 f. 24 BGH v. 14.6.1993 – II ZR 252/92, NJW 1993, 2179 ff.; v. 28.11.1994 – II ZR 77/93, NJW 1995, 457 (459). 25 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 ff. 26 So Uhlenbruck/Uhlenbruck, 13. Aufl., § 19 Rz. 117. 27 Vgl. OLG Celle v. 23.1.2014 – 2 Ws 347/13, WM 2015, 188. 28 BGH v. 12.7.1999 – II ZR 87/98, NJW 1999, 3120 (3121); vgl. zum zwischenzeitlich geltenden abweichenden Überschuldungsbegriff Bitter, ZInsO 2008, 1097. 29 BGH v. 12.7.1999 – II ZR 87/98, NJW 1999, 3120 (3121). Schfer

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§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

bb) Nutzungsüberlassung H 13 Es war im Grundsatz durchaus konsequent, dass der BGH auch die Überlassung von Gegenständen des Gesellschafters zur Nutzung durch die Gesellschaft in einer Reihe von Grundsatzentscheidungen (Lagergrundstück (1) bis (4)) den Eigenkapitalersatzregeln unterwarf. Denn auch eine Gebrauchsüberlassung kann es der insolvenzreifen oder ohne Unterstützung des Gesellschafters nicht mehr lebensfähigen Gesellschaft ermöglichen, ihren Geschäftsbetrieb fortzusetzen.30 Entscheidendes Tatbestandsmerkmal ist insoweit das Kriterium der Überlassungsunwürdigkeit.31 Es ist darauf abzustellen, ob ein vernünftig handelnder Vermieter oder Verpächter, der nicht an der Gesellschaft beteiligt ist und sich auch nicht an ihr beteiligen will, der Gesellschaft die Gegenstände unter denselben Verhältnissen und zu denselben Bedingungen überlassen hätte.32 Überlassungsunwürdig ist eine Gesellschaft, wenn sie nach ihren finanziellen Verhältnissen außerstande ist, den auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnittenen Gegenstand anzuschaffen und deshalb kein außenstehender Dritter zur Gebrauchsüberlassung bereit gewesen wäre; bei Standardwirtschaftsgütern ist hingegen darauf abzustellen, ob die Gesellschaft zur Aufbringung der laufenden Miete imstande ist.33 H 14 Die Umqualifizierung führt in diesen Fällen dazu, dass der vermietende Gesellschafter den Mietzins nicht verlangen kann, soweit und solange dieser nicht aus dem über das Stammkapital hinaus vorhandenen Vermögen der Gesellschaft befriedigt werden kann.34 Darüber hinaus ist zwar nicht der Nutzungsgegenstand selbst oder sein Wert, wohl aber das Nutzungsrecht den Eigenkapitalersatzregeln unterworfen.35 Der Insolvenzverwalter hat daher das Recht, den überlassenen Gegenstand für den vertraglich vereinbarten Zeitraum – bei einer missbräuchlichen Zeitbestimmung für den angemessenen Zeitraum – unentgeltlich zu nutzen.36 Wird die weitere Nutzungsüberlassung dadurch unmöglich, dass der Gesellschafter den überlassenen Gegenstand gegen den Willen der Gesellschaft oder des Insolvenzverwalters veräußert, schuldet er Wertersatz.37 Der Ersatzanspruch setzt aber voraus, dass der Insolvenzverwalter das Grundstück tatsächlich hätte nutzen können, etwa im Wege der Untervermietung.38 Soweit der Gesellschafter nach dem Gebrauchsüberlassungsvertrag die Versorgung eines Grundstücks – etwa mit Wärme, Wasser oderStrom – schul-

30 Vgl. BGH v. 16.10.1989 – II ZR 307/88 – „Lagergrundstück (1)“, BGHZ 109, 55 ff.; v. 14.12.1992 – II ZR 298/91 – „Lagergrundstück (2)“, BGHZ 121, 31 ff.; v. 11.7.1994 – II ZR 146/92 – „Lagergrundstück (3)“, BGHZ 127, 1 ff.; v. 11.7.1994 – II ZR 162/92 – „Lagergrundstück (4)“, BGHZ 127, 17 ff. 31 BGH v. 16.10.1989 – II ZR 307/88 – „Lagergrundstück (1)“, BGHZ 109, 55 (62 f.); Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 84. 32 BGH v. 14.12.1992 – II ZR 298/91 – „Lagergrundstück (2)“, BGHZ 121, 31 (38 f.). 33 Vgl. BGH v. 16.10.1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 (62 ff.). 34 BGH v. 7.12.1998 – II ZR 382/96, BGHZ 140, 147 ff.; Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 137. 35 Vgl. K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1728). 36 BGH v. 31.1.2005 – II ZR 240/02, ZIP 2005, 484 ff. 37 BGH v. 11.7.1994 – II ZR 146/92 – „Lagergrundstück (3)“, BGHZ 127, 1 ff. 38 BGH v. 31.1.2005 – II ZR 240/02, ZIP 2005, 484 ff.

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det, hat er infolge der Umqualifizierung auch die dafür während der Krise entstehenden Kosten zu tragen.39 Das Nutzungsrecht der Gesellschaft endet jedoch in dem Moment, in dem H 15 durch Zwangsversteigerung bzw. Zwangsverwaltung oder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters auf das überlassene Grundstück zugegriffen wird.40 Hat der Gesellschafter Ansprüche abgetreten, die mit dem Einwand des Eigenkapitalersatzes belastet sind, kann dieser Einwand zwar auch dem Rechtsnachfolger gemäß § 404 BGB entgegengehalten werden; der Eigenkapitalersatzeinwand besteht aber nicht gegenüber dem Erwerber des Grundstücks fort, der kraft Gesetzes in das Mietverhältnis eintritt. Denn der Erwerber tritt nach § 566 BGB nur in solche Rechte und Pflichten ein, die sich aus dem Mietverhältnis ergeben.41 b) Novellenregeln Die durch Gesetz vom 4.7.1980 geschaffenen sogenannten „Novellenregeln“ der H 16 §§ 32a, 32b GmbHG, 32a KO (mit Inkraftreten der InsO: § 135 InsO a.F.) sollten nach der Vorstellung des Gesetzgebers an die Stelle der sogenannten „Rechtsprechungsregeln“ treten.42 Entscheidendes Kriterium war nunmehr auch nach dem Gesetz die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft.43 Weitergehend als nach den Rechtsprechungsregeln unterliegt diesen gesetzlichen Regelungen auch der Teil eines anstelle notwendiger Eigenmittel gegebenen Gesellschafterdarlehens, der über den Nennbetrag des Stammkapitals hinausgeht.44 Die §§ 32a, b GmbHG erfassen somit in vollem Umfang die im Zustand der Kreditunwürdigkeit gewährten Finanzierungshilfen, selbst wenn das Stammkapital durch einen Entzug der Finanzierungshilfe nicht berührt wird.45 Die Frist der §§ 32b GmbHG, 32a Satz 2 KO, 135 Nr. 2 InsO a.F. begründet die unwiderlegbare Vermutung, dass ein Gesellschafterdarlehen, welches bei der Hingabe Eigenkapital ersetzte, diese Funktion auch noch zum Zeitpunkt der Rückzahlung hatte.46 Die Novellenregeln entfalten jedoch ihre Wirkungen erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.47 Da somit nach den Novellenregeln nicht hinnehmbare Regelungslücken drohten, hielt der BGH in ständiger Rechtsprechung an der Fortgeltung der

39 BGH v. 26.6.2000 – II ZR 370/98, NJW 2000, 3565 f. 40 Vgl. BGH v. 31.1.2000 – II ZR 309/98, ZIP 2000, 455 f.; v. 28.2.2005 – II ZR 103/02, ZIP 2005, 660 ff.; v. 28.4.2008 – II ZR 207/06, ZIP 2008, 1176 ff. 41 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 238/87, BGHZ 104, 33 (43); v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 ff. Rz. 12 ff. 42 Vgl. BT-Drucks. 8/1347, S. 39. 43 BGH v. 13.7.1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 (207); Goette, Kapitalaufbringung und Kapitalschutz in der GmbH, S. 92 ff. 44 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 372 (381); kritisch dazu Roth/Altmeppen, § 32a GmbHG a.F. Rz. 84. 45 BGH v. 14.12.1992 – II ZR 298/91, BGHZ 121, 31 (42); HK-InsO/Kreft, 5. Aufl., § 135 Rz. 6. 46 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 (380 f.); v. 30.1.2006 – II ZR 357/03, ZIP 2006, 466 f. 47 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. zu § 64 Rz. 96. Schfer

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§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

Rechtsprechungsregeln fest.48 Der BGH hat durch Urteil vom 21.7.201149 klargestellt, dass die Novellenregeln insolvenzrechtlicher Natur sind, da sie nach ihrem materiellen Gehalt insolvenzrechtliche Regelungen enthalten und nur im Fall der Insolvenzeröffnung Rechtsfolgen zeitigen. Dementsprechend finden die Regelungen über die Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen nach den §§ 32a GmbHG a.F., 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. auf Kapitalgesellschaften, über deren Vermögen in Deutschland das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde, auch dann Anwendung, wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet wurden. H 17 Die §§ 32a, 32b GmbHG sind in besonderer Weise auf die Situation der Insolvenz der Gesellschaft zugeschnitten und gelten wegen dieser Beschränkung als eine hinter dem bis dahin erreichten Stand der Rechtsentwicklung zurückbleibende und dem Prinzip der Kapitalerhaltung nicht genügende Regelung.50 Dies betraf vor allem die kurze Anfechtungsfrist des § 135 Nr. 2 InsO a.F., die mit der Dauer von nur einem Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages deutlich hinter der fünfjährigen und im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung auf zehn Jahre verlängerten Frist des analog angewandten § 31 Abs. 5 GmbHG zurückblieb.51 Mit den Novellenregeln hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, den Schutz der Gesellschaftsgläubiger zu verbessern. Mit diesem Gesetzeszweck wäre es unvereinbar gewesen, die Rechtsprechungsregeln nicht mehr anzuwenden. Denn ein Wille des Gesetzgebers, hinter dem von der Rechtsprechung erreichten Stand zurückzubleiben, war nicht erkennbar.52 H 18 Im Schrifttum wird zwar vereinzelt geltend gemacht, der BGH habe keine materielle Begründung dafür gegeben, weshalb ordentliche Kaufleute in der Krise Eigenkapital und nicht etwa nur Fremdkapital zur Verfügung stellten.53 Dieser Einwand ist jedoch nicht berechtigt. Die Lösung des BGH ist sachlich zum Schutz der Gläubiger geboten, um eine Abwälzung des Finanzierungsrisikos durch den in der Regel über bessere Einblicke in die finanzielle Situation der Gesellschaft verfügenden Gesellschafter zu verhindern.54 Dabei bildet freilich die Tatsache allein, dass ein Gesellschafter-Gläubiger dem Unternehmen gewöhnlich „näher steht“ als ein außenstehender Kapitalgeber, keinen ausreichenden Grund für die Schlechterstellung des Gesellschafters gegenüber einem Fremdgläubiger, der unter Umständen über die Lage der Gesellschaft ebenso gut informiert ist.55 Es treten vielmehr die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung hinzu, die es gebieten, die vom Gesellschafter gewähr48 Vgl. BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 (381); v. 8.11.2004 – II ZR 300/02, ZIP 2005, 82 ff. 49 BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10 – „PIN“, BGHZ 190, 364 ff. 50 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 ff.; Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 9. 51 Vgl. Gehrlein, BB 2011, 3 (4) und zur Verjährung des Anspruchs auf Erstattung des Wertes einer Gesellschaftersicherheit nach den Rechtsprechungsregeln neuerdings BGH v. 31.5.2011 – II ZR 106/10, ZIP 2011, 1410 f. 52 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 (379 f.). 53 Vgl. Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (192 f.); Bitter, ZIP 2010, 1 (9). 54 Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, §§ 32a, 32b Rz. 13. 55 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (330); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4. b, S. 533.

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I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

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ten Fremdmittel zum Schutz der außenstehenden Gläubiger als das zu behandeln, was sie in der Krise der Gesellschaft geworden sind, nämlich unentbehrlich für die Fortführung des Unternehmens.56 c) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Kredit- bzw. Überlassungsun- H 19 würdigkeit der Gesellschaft obliegt nach allgemeinen Grundsätzen dem Insolvenzverwalter. Zur Darlegung der Überschuldung der Gesellschaft genügt nicht die Vorlage der Handelsbilanz. Vielmehr bedarf es im Grundsatz der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, in der die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind.57 Darüber hinaus kann aber eine Überschuldung bzw. Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft auch anhand monatlicher betrieblicher Auswertungen oder anhand von Indizien dargetan werden.58 Insoweit kann bereits der Umstand, dass die Gesellschaft mehr als die Hälfte ihres Stammkapitals verloren hat oder Löhne und Sozialabgaben nicht begleichen konnte, ein gewisses Indiz dafür bilden, dass diese den zur Fortführung des Geschäftsbetriebes notwendigen Kreditbedarf nicht mehr ohne die Hilfe ihrer Gesellschafter hätte decken können.59 Der Insolvenzverwalter muss zum (Negativ-)Beweis der Kreditunwürdigkeit der H 20 Gesellschaft nicht alle denkbaren, sondern nur die von den Gesellschaftern substantiiert behaupteten Möglichkeiten einer Kreditsicherung mit gesellschaftseigenen Mitteln widerlegen.60 Anders ist dies jedoch dann, wenn sich aus den Büchern der Gesellschaft Anhaltspunkte für das Vorhandensein stiller Reserven ergeben.61 Ist indes für einen bestimmten Zeitpunkt der Nachweis des Eigenkapitalersatzes geführt, obliegt es dem Gesellschafter, darzulegen und gegebenfalls zu beweisen, dass dieser später wieder entfallen ist.62 Der Gesellschafter trägt ferner die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er keine Kenntnis von der Krise haben konnte.63 2. Neuregelungen durch das „MoMiG“ Durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des H 21 GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen („MoMiG“) wurde das oben beschriebene Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen grundlegend geändert. Das von der Rechtsprechung im Wege der analogen An56 Vgl. BGH v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (344 ff.). 57 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (268); Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 77. 58 Vgl. Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 45 ff.; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 59. 59 BGH v. 4.12.1995 – II ZR 281/94, NJW 1996, 720 (721); Roth/Altmeppen, GmbHG, § 32a a.F. Rz. 53. 60 BGH v. 2.6.1997 – II ZR 211/95, NJW 1997, 3171 (3172); v. 17.11.1997 – II ZR 224/96, ZIP 1998, 243 ff. 61 BGH v. 12.7.1999 – II ZR 87/98, NJW 1999, 3120 f. 62 BGH v. 14.11.1988 – II ZR 115/88, NJW 1989, 1219 (1220). 63 BGH v. 15.6.1998 – II ZR 17/97, NJW 1998, 3200 (3201); v. 11.12.1995 – II ZR 128/94, ZIP 1996, 273 ff. Schfer

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H Rz. 21

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

wendung des § 30 Abs. 1 GmbHG entwickelte und partiell in den Novellenregeln der §§ 32a, 32b GmbHG, 129a, 172a HGB, 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, 6 AnfG a.F. geregelte Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen wurde auf eine rein insolvenz- und anfechtungsrechtliche Grundlage gestellt.64 Im Hinblick auf die auch nach dem Inkrafttreten der sogenannten „Novellenregeln“ der §§ 32a, 32b GmbHG aufrechterhaltene Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 30 GmbHG a.F. hat der Gesetzgeber vorsorglich in § 30 Abs. 1 GmbHG einen Satz 3 eingefügt, wonach Satz 1 nicht anzuwenden ist auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. H 22 In der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber zudem ausdrücklich festgehalten, dass auf das Tatbestandsmerkmal „kapitalersetzend“ verzichtet und damit jedes Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz nachrangig gestellt werden solle (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO – sogenannte „Subordination“);65 nach dem neuen Konzept gebe es keine kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen mehr.66 Der Gesetzgeber hat ferner betont, dass die Neuregelungen „durchgängig nicht mehr an einen ‚eigenkapitalersetzenden’ Charakter der Leistung anknüpfen“.67 Damit wurde die Rechtsfigur der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistung abgeschafft.68 Dies ist bei der Auslegung der neuen Bestimmungen strikt zu beachten. Tilgungsleistungen auf Gesellschafterdarlehen stellen daher nach der Gesetzesbegründung auch keine im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG verbotenen Auszahlungen mehr dar.69 § 135 Abs. 1 InsO sieht nur noch die Anfechtbarkeit von Sicherheitsleistungen und Befriedigungshandlungen in der Insolvenz der Gesellschaft vor. Die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens kann daher künftig nicht mehr unter Berufung auf eine analoge Anwendung des § 30 GmbHG verweigert werden.70 Ob die Geschäftsführung der Gesellschaft im Vorfeld der Insolvenzeröffnung indes berechtigt ist, dem die Rückzahlung fordernden Gesellschafter den Einwand der Anfechtbarkeit entgegenzuhalten, wird noch zu klären sein.71 H 22a § 135 Abs. 1 und Abs. 2 InsO sind im Zusammenhang mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu sehen, der den Darlehensrückzahlungsanspruch des Gesellschafters im Rang hinter allen anderen Insolvenzgläubigern zurücktreten lässt. Mit diesen Regelungen soll verhindert werden, dass dieser Nachrang durch die Begründung

64 Vgl. Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.1. 65 Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 50 Rz. 2. 66 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56. 67 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56. 68 Vgl. BGH v. 26.4.2010 – II ZR 60/09, ZIP 2010, 1443 ff.; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 1. 69 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 42; OLG München v. 5.5.2010 – 7 U 4134/09, veröffentlicht bei juris. 70 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 42. 71 Vgl. dazu B. Schäfer, ZInsO 2010, 1311 ff. sowie unten Rz. H54 f.

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I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 27 H

von Sicherungsrechten oder durch Befriedigung vor der Insolvenzeröffnung unterlaufen wird.72 Die §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO betreffen gesellschafterbesicherte Drittdar- H 23 lehen. Sie ergänzen § 44a InsO, der den Gläubiger auf die Inanspruchnahme der vom Gesellschafter gestellten Sicherheit verweist, für den Fall, dass der Dritte im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages aus dem Gesellschaftsvermögen befriedigt und der Gesellschafter dadurch frei wurde. Im Bereich der Nutzungsüberlassung sieht das Gesetz in § 135 Abs. 3 InsO nur H 24 noch einen Anspruch auf entgeltliche Überlassung betriebsnotwendiger Gegenstände im eröffneten Insolvenzverfahren für höchstens ein Jahr vor. Denn als Folge des Wegfalls des Merkmals „kapitalersetzend“ als Anknüpfungspunkt für die Regelungen zu Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen ist die dogmatische Grundlage der früheren Rechtsprechung zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung entfallen.73 Nach herrschender Auffassung ist daher kein Raum mehr für ein Recht der Gesellschaft auf unentgeltliche Weiternutzung des überlassenen Gegenstandes in der Krise und für ein Verbot, der Gesellschaft in der Krise die Nutzung zu entziehen oder ein Entgelt für die Nutzung entgegenzunehmen.74 Inwieweit im Vorfeld der Insolvenzeröffnung eine Anwendung der Tatbestände der allgemeinen und der besonderen Insolvenzanfechtung in Betracht kommt, wird die Rechtsprechung klären müssen.75 Zu beachten ist ferner die prozessuale Neuregelung im Rahmen des besonderen H 25 Gerichtsstandes der Mitgliedschaft in § 22 ZPO. Danach ist das Gericht, bei dem Gesellschaften ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, auch für Klagen zuständig, die vom Insolvenzverwalter gegen die Mitglieder als solche erhoben werden. Der Insolvenzverwalter kann daher Ansprüche gegen Gesellschafter nach § 135 InsO bei dem für die Gesellschaft zuständigen Gericht geltend machen. Außerhalb des Insolvenzverfahrens – etwa im Fall der Abweisung des Insol- H 26 venzantrages mangels Masse – kann der einzelne Gläubiger die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens nach § 6 AnfG n.F. anfechten. Die Anfechtungsfristen sind dieselben wie bei § 135 Abs. 1 InsO. Der Lauf der Frist beginnt mit der Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels (§ 6 Abs. 1 AnfG); wurde zuvor ein Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen, beginnt die Anfechtungsfrist mit dem Insolvenzantrag zu laufen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AnfG). Da die Neuregelungen nicht mehr gesellschaftsrechtlich ausgestaltet sind, son- H 27 dern auf eine rein insolvenzrechtliche Grundlage gestellt wurden, gelten sie auch 72 Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 6; U. Huber/Habersack, BB 2006, 1; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, Rz. 154; vgl. dazu ferner BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 ff. Rz. 27: „Mit dem Nachrang ist folgerichtig die Anfechtbarkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO verbunden“. 73 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, BTDrucks. 16/9737, S. 59. 74 Vgl. K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1731); Gehrlein, BB 2008, 846 (851); Noack, DB 2007, 1395 (1398); a.A. Haas, ZInsO 2007, 617 (622 f.). 75 Vgl. dazu unten Rz. H102 ff. Schfer

603

H Rz. 27

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

in Insolvenzverfahren über ausländische Gesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland, wenn über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren nach deutschem Recht eröffnet wird.76 3. Übergangsrecht H 28 Die Neuregelungen sind nach Art. 103d Satz 1 EGInsO auf Insolvenzverfahren anwendbar, die nach dem Inkrafttreten des „MoMiG“ am 1.11.2008 eröffnet wurden. Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.11.2008 eröffnet wurden, sind die bis dahin geltenden Bestimmungen (also sowohl Rechtsprechungs- als auch Novellenregeln) weiterhin anzuwenden. Nach dem Urteil des BGH vom 26.1.2009 folgt die Fortgeltung des Eigenkapitalersatzrechts in „Altfällen“ bereits aus den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts, wonach ein Schuldverhältnis nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seinen Wirkungen dem Recht untersteht, das zur Zeit seiner Entstehung galt.77 Dem alten Recht kommt somit auch weiterhin ein erheblicher Anwendungsbereich zu. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die fünfjährige Verjährungsfrist des § 31 Abs. 5 GmbHG a.F. von Bedeutung, die in bestimmten Fällen weit über die Zeiträume der Neuregelungen hinausreicht. H 28a Streitig sind jedoch die Fälle, in denen der fragliche Sachverhalt vor dem 1.11.2008 verwirklicht wurde, während das Insolvenzverfahren erst nach dem 1.11.2008 eröffnet wurde.78 Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruchs gemäß §§ 30, 31 GmbHG a.F. bereits vor dem 1.11.2008 erfüllt wurden, soll ein solcher Anspruch auch in einem nach dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren bestehen bleiben.79 Art. 103d InsO trifft dazu als Verfahrensregel dem Wortlaut nach keine Aussage, wobei freilich Einigkeit darüber besteht, dass diese Bestimmung für die vor dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren auch die Anwendung des früheren materiellen Rechts anordnet.80 In der Gesetzesbegründung ist nur davon die Rede, dass Art. 103d InsO den zeitlichen Anwendungsbereich der neuen insolvenzrechtlichen Bestimmungen festlege.81 In der Gesetzesbegründung82 zur Änderung des § 30 GmbHG ist jedoch davon die Rede, dass Tilgungsleistungen auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdar-

76 Vgl. BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10 – „PIN“, BGHZ 190, 364 ff. Rz. 32 ff.; Gehrlein, BB 2008, 846 (849); Hirte, WM 2008, 1429 (1432); HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 8b. 77 BGH v. 26.1.2009 – II ZR 260/07 – „Gut Buschow“, BGHZ 179, 249 f. 78 Ausführlich dazu Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, Rz. 571 ff. 79 Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 41; K. Schmidt, § 135 Rz. 6; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., Anh. zu § 64 Rz. 148 ff.; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (331) – a.A. Hirte, WM 2008, 1429 (1435); Altmeppen, ZIP 2011, 641 (645 ff.). 80 Vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., Anh. zu § 30 Rz. 111, 116; Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., Anh. zu §§ 32a, 32b Rz. 1; K. Schmidt, § 135 Rz. 5. 81 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 57. 82 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 42.

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I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 28b H

lehen keine nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotenen Auszahlungen des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens (mehr) sein könnten.83 Dies dürfte die Entschlossenheit des Gesetzgebers erweisen, das alte Recht sogar mit (unechter) Rückwirkung aufzuheben, soweit es sich nicht um bereits abgeschlossene Sachverhalte handelt.84 Auch dem Beschluss des BGH vom 15.11.201185 liegt diese Auffassung zugrunde. Da die Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz mit Inkrafttreten des „MoMiG“ aufgehoben worden seien, hätten die Gesellschafter die Rückzahlung ihrer eigenkapitalersetzenden Darlehen ab diesem Zeitpunkt durchsetzen können.86 Da die Bindung mit Inkrafttreten des „MoMiG“ entfallen sei, könnten auch die Zinsen aus der Vergangenheit geltend gemacht werden.87 Auch ein vor dem Inkrafttreten des „MoMiG“ nach dem früheren Eigenkapitalersatzrecht entstandenes Recht zur unentgeltlichen Weiternutzung kann für die Zeit nach dem 1.11.2008 nicht mehr anerkannt werden.88 Es ist allerdings davon auszugehen, dass materiell-rechtliche Ansprüche aus al- H 28b tem Eigenkapitalersatzrecht, insbesondere aufgrund der Rückzahlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen, nicht erlöschen, wenn sie bereits vor dem 1.11.2008 begründet bzw. entstanden waren.89 Das „MoMiG“ hat für die „Nichtanwendungsvorschrift“ des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n.F. keine ausdrückliche Rückwirkung auf in der Vergangenheit liegende „Auszahlungen“ im Sinne der Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbHG a.F.) angeordnet.90 Die Geltung der allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts außerhalb des Regelungsbereichs des § 103d EGInsO darf nicht kurzerhand im Wege einer „berichtigenden Auslegung“ der Bestimmung beiseite geschoben werden.91 Im Schrifttum findet sich der Hinweis, dass zumindest der II. Zivilsenat des BGH offenbar von der Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln des auslaufenden Eigenkapitalersatzrechts für Altfälle auch dort ausgehe, wo das Insolvenzverfahren erst nach dem Inkrafttreten des „MoMiG“ eröffnet worden sei. Einer Entscheidung vom 12.4.201192 liege ein Fall zugrunde, in dem das Insolvenzverfahren während des Revisionsverfahrens (also ersichtlich nach dem 1.11.2008, da das Az. II

83 So zutr. Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rz. 35; Altmeppen, ZIP 2011, 641 (647 ff.); HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 92 – a.A. HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 30; Scholz/K. Schmidt, §§ 32a/b a.F. Nachtrag MoMiG, Rz. 12. 84 Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 7. Aufl., Rz. 5.157 sowie OLG München v. 22.12.2010 – 7 U 4960/07, ZIP 2011, 225 ff. und v. 6.5.2010 – 23 U 1564/10, ZIP 2010, 1236 (1237 f.). 85 BGH v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 ff. 86 BGH v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 ff. Rz. 11. 87 BGH v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 ff. Rz. 12. 88 Vgl. Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung nach MoMiG, 6. Aufl., Rz. 227. 89 Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., Anh. zu § 30 Rz. 110 f.; K. Schmidt, § 135 Rz. 5; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., Anh. zu § 64 Rz. 148 ff. – a.A. OLG Hamburg v. 19.3.2015 – 11 U 22/14, ZIP 2015, 840 f. 90 Vgl. BGH v. 26.1.2009 – II ZR 260/07 – „Gut Buschow“, BGHZ 179, 249 ff. Rz. 21 zu einem „Altfall“. 91 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., Anh. zu § 64 Rz. 148 – a.A. Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, Rz. 574 ff. 92 BGH v. 12.4.2011 – II ZR 17/10, ZIP 2011, 1101 ff. Schfer

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H Rz. 28b

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

ZR 17/10 laute) eröffnet worden sei. Der BGH habe dem Berufungsgericht die Prüfung von Ansprüchen nach den früheren Rechtsprechungsregeln aufgegeben.93 H 29 Im Rahmen der nach dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren sind gemäß Art. 103d Satz 2 EGInsO auf die vor dem 1.11.2008 vorgenommenen Rechtshandlungen die bis dahin geltenden Bestimmungen der Insolvenzordnung über die Anfechtung von Rechtshandlungen anzuwenden, soweit die Rechtshandlungen nach dem bisherigen Recht der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfang unterworfen sind. Damit wird das Vertrauen des Anfechtungsgegners auf die Geltung der Rechtslage zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung geschützt.94 H 30 Art. 103d Satz 2 EGInsO gilt indes nicht für die Nutzungsüberlassung durch einen Gesellschafter gemäß § 135 Abs. 3 InsO, da diese Bestimmung nach herrschender Auffassung keinen Anfechtungstatbestand darstellt.95 § 135 Abs. 3 InsO gilt daher ab dem 1.11.2008 unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet war oder sich das Verfahren noch im Stadium des Eröffnungsverfahrens befand.96

II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“ H 31 Die Absätze 1 und 2 des § 135 InsO setzen ebenso wie alle übrigen Anfechtungstatbestände nach der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO eine objektive Gläubigerbenachteiligung voraus,97 wobei eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt. Daran kann es fehlen, wenn der Gesellschafter voll gesichert war; in diesem Fall ist jedoch zu prüfen, ob die Sicherheitengewährung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar ist.98 Die Vereinbarung einer Sicherung für ein subordiniertes Darlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist nicht gläubigerbenachteiligend, wenn ihm nach dem vereinbarten Rang sämtliche Insolvenzforderungen vorgehen.99 H 32 Eine wesentliche Änderung gegenüber dem früheren Recht enthält § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO. Danach sind nachrangige Forderungen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart wurde, im Überschuldungsstatus der Gesellschaft nicht mehr bei den Verbindlichkeiten zu berücksichtigen und damit 93 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., Anh. zu § 64 Rz. 150. 94 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 50 Rz. 3. 95 Vgl. K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732); Bitter, ZIP 2010, 1 (2); Marotzke, ZInsO 2008, 1281 (1283). 96 Holzer, ZIP 2009, 206 (208); Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 50 Rz. 3. 97 BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZInsO 2005, 932 ff. Rz. 7; v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, ZIP 1993, 271 (273). 98 BGH v. 19.9.1996 – IX ZR 249/95, BGHZ 133, 298 (306); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 10. 99 Vgl. BGH v. 2.2.2006 – IX ZB 167/04, ZIP 2006, 483 ff.

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

Rz. 34 H

nicht mehr zu passivieren.100 Nach früherem Recht setzte dies einen „qualifizierten Rangrücktritt“ voraus.101 Danach musste der Gesellschafter nicht nur hinter alle Gesellschaftsgläubiger zurücktreten, sondern zusätzlich erklären, dass seine Darlehensforderung nur gleichrangig mit den Einlagenrückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt werden solle, als handle es sich bei seiner Leistung um statutarisches Kapital.102 Im Fall der Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts sind die §§ 39 Abs. 1 H 33 Nr. 5, 135 InsO nicht anwendbar. Für einen solchen qualifizierten Rangücktritt genügt nach neuem Recht ein Rücktritt hinter die Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, ohne dass Ranggleichheit mit den Einlagerückgewähransprüchen hergestellt werden muss.103 Da die Forderung nachrangige Insolvenzforderung bleibt, kommt eine Anfechtung nach den sonstigen Anfechtungstatbeständen in Betracht. Die Anfechtung greift jedoch im Ergebnis nur dann durch, wenn es um die Verhinderung einer Benachteiligung der nachrangigen Insolvenzgläubiger geht. Hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit in Anfechtungssachen gegen Ge- H 33a sellschafter ist der besondere Gerichtsstand der Mitgliedschaft gemäß § 22 ZPO am Sitz der Gesellschaft zu beachten.104 1. Grundsätze der Neuregelung Da Gesellschafterdarlehen nach der Neukonzeption nicht mehr in haftendes Ei- H 34 genkapital umqualifiziert werden, ist deren „Verstrickung“ rein insolvenzrechtlicher Natur. Sie stellen in keinem Fall mehr funktionales Eigenkapital dar, sondern Fremdkapital mit erhöhtem Insolvenzrisiko.105 Rückzahlungen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung verstoßen nicht gegen § 30 GmbHG. Der Gesellschafter ist – anders als nach altem Recht – nicht mehr von der Teilnahme am Insolvenzverfahren ausgeschlossen. Er kann vielmehr seinen Rückforderungsanspruch gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen und somit auch einen Insolvenzantrag stellen (vgl. § 13 Abs. 1 InsO).106 In der Praxis bedeutet dies freilich in der Regel, dass der Gesellschafter mit seiner nachrangigen Forderung ausfällt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sind sämtliche Sicherungen oder Befriedigungen innerhalb der Anfechtungszeiträume des § 135 InsO anfechtbar, selbst wenn die Insolvenz im Einzelfall durch ein plötzliches externes Ereignis verursacht wurde.107 Vorschläge, die darin liegen100 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2151); Gehrlein, BB 2008, 846 (847). 101 Vgl. BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (269 ff.); Goette, Die GmbH, § 4 Rz. 37. 102 Vgl. BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (271); Thiessen in Bork/Schäfer, GmbHG, Anh. zu § 30 Rz. 53 m. Fn. 160. 103 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 ff. Rz. 25. 104 Vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 22 Rz. 2; HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 211. 105 Vgl. K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1010); Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 3. 106 Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 5. 107 Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rz. 58. Schfer

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H Rz. 34

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

de Härte durch eine Regelung nach dem Vorbild des § 136 Abs. 2 InsO zu vermeiden, sind nicht Gesetz geworden,108 so dass in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke eine analoge Anwendung des § 136 Abs. 2 InsO ausscheiden dürfte. Die Gesellschafter müssen daher ein „Frühwarnsystem“ einrichten, wenn sie ihre Darlehen noch rechtzeitig abziehen wollen.109 H 34a Die Anfechtung der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens binnen eines Jahres vor der Stellung eines Insolvenzantrages setzt keine Krise der Gesellschaft voraus. Entsprechendes gilt für die Rückgewähr eines durch den Gesellschafter abgesicherten Kredits.110 Weder für eine teleologische Reduktion des § 135 InsO in dem Sinne, dass dem Gesellschafter der Entlastungsbeweis ermöglicht wird, bei der Rückführung des Darlehens habe noch kein Insolvenzgrund vorgelegen, noch für eine analoge Anwendung des § 136 Abs. 2 InsO bleibt im Hinblick auf das Gesamtkonzept der neuen Regelungen Raum.111 Diese verstoßen auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.112 a) Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen (§ 135 Abs. 1 InsO) H 35 § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO – an den wiederum § 135 InsO anknüpft – betrifft Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Damit sollten nach dem Willen des Gesetzgebers die unter der Geltung des § 32a GmbHG entwickelten personellen und sachlichen Erweiterungen vom neuen Recht übernommen werden.113 § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gilt für alle Gesellschaften, bei denen keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter fungiert (vgl. § 39 Abs. 4 InsO).114 H 36 Der Neukonzeption entsprechend verweist auch § 135 InsO nicht mehr auf Tatbestände des Gesellschaftsrechts, sondern auf die Regelung über den gesetzlichen Rangrücktritt in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Die haftungsmäßige Verstrickung des Gesellschafterdarlehens hat allein zur Voraussetzung, dass der Gesellschafter das Darlehen der Gesellschaft bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens belassen hat. Wurde es im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages zurückgezahlt, ist die Befriedigung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.115 Die Forderung des Gesellschafters lebt in diesem Fall nach § 144 Abs. 1 InsO als nachrangige Insolvenzforderung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wieder auf. Da der

108 109 110 111 112 113

Haas, ZInsO 2007, 617 (621 f.); Hirte, WM 2008, 1429 (1433). Vgl. Kallmeyer, DB 2007, 2755 (2758). BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 196/13, ZIP 2015, 1130 ff. BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 196/13, ZIP 2015, 1130 ff. Rz. 7. BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 196/13, ZIP 2015, 1130 ff. Rz. 8. BGH v. 21.3.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 11; Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rz. 36; Bork, ZGR 2007, 250 (254); Habersack, ZIP 2007, 2145 (2148); vgl. dazu unten Rz. H52 ff. 114 Vgl. Bork, ZGR 2007, 250 (253); Gehrlein, BB 2011, 3 (5). 115 BGH v. 21.3.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff.; v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 ff.; Gehrlein, BB 2008, 846 (852); Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 6.

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

Rz. 40 H

Gesellschafter eine solche Befriedigung auf seine kraft Gesetzes nachrangige Forderung nicht beanspruchen konnte, kann man die Bestimmung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Sonderfall einer inkongruenten Deckung auffassen.116 Der durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO angeordnete Nachrang des Anspruchs auf Rück- H 37 gewähr eines Gesellschafterdarlehens oder gleichgestellter Forderungen wird bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung ferner dadurch gesichert, dass eine Sicherung, die für einen solchen Anspruch in den letzten zehn Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach gewährt wurde, der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterliegt. b) Gesellschafterbesichertes Drittdarlehen (§ 135 Abs. 2 InsO) § 135 Abs. 2 InsO enthält die insolvenzrechtliche Ausgestaltung der früher in H 38 § 32b GmbHG enthaltenen Regelung, die trotz ihrer systematischen Stellung der Sache nach ebenfalls einen Anfechtungstatbestand darstellt.117 Danach hat der Gesellschafter, der eine Sicherung bestellt oder eine Bürgschaft übernommen hatte, der Gesellschaft den zurückgezahlten Betrag zu erstatten, wenn die Gesellschaft im Fall des § 32a Abs. 2, 3 GmbHG das Darlehen im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach zurückgezahlt hatte. Nach dem neu gefassten § 135 Abs. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen. § 135 Abs. 2 InsO ergänzt § 44a InsO. Nach dieser Bestimmung kann ein Gläubi- H 39 ger nach Maßgabe des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens oder für eine gleichgestellte Forderung, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt oder für die er sich verbürgt hat, im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur anteilsmäßige Befriedigung verlangen, soweit er bei der Inanspruchnahme der Sicherheit oder des Bürgen ausgefallen ist. § 135 Abs. 2 InsO greift ergänzend ein, wenn die Gesellschaft ein solches gesellschafterbesichertes Drittdarlehen im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach zurückgezahlt hat, und unterwirft die Zahlung der Anfechtung. Der Wortlaut des § 135 Abs. 2 InsO kann für sich genommen Missverständnis- H 40 se hervorrufen. Er erweckt bei erster Betrachtung den Anschein, die darin angeordnete Anfechtbarkeit richte sich gegen den Dritten. Die Bestimmung ist jedoch im Zusammenhang mit § 143 Abs. 3 InsO zu sehen. Nach dessen Satz 1 hat im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Gegenstand der Anfechtung ist somit die

116 Vgl. Krolop, ZIP 2007, 1738 (1739). 117 K. Schmidt, ZIP 1999, 1821 (1822); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 15. Schfer

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H Rz. 40

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

Befreiung des sichernden Gesellschafters; allein gegen ihn richtet sich daher die Anfechtung.118 H 41 Da die Befreiung des Gesellschafters von der Haftung des Sicherungsgegenstandes bzw. von der Bürgschaftsverpflichtung mit der Anfechtung rückgängig gemacht werden soll, besteht die Erstattungsverpflichtung des Gesellschafters gemäß § 143 Abs. 3 Satz 2 InsO nur bis zur Höhe des Betrages, der dem Wert der von ihm gestellten Sicherheit zum Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht.119 Nach § 143 Abs. 3 Satz 3 InsO wird der Gesellschafter von der Verpflichtung frei, wenn er die Sicherungsgegenstände der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt. c) Nutzungsüberlassung (§ 135 Abs. 3 InsO) H 42 In § 135 Abs. 3 InsO sind die Rechtsfolgen der Überlassung eines Gegenstandes seitens des Gesellschafters zum Gebrauch oder zur Ausübung durch die Gesellschaft geregelt. Die Bestimmung wurde erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages in das Gesetz eingefügt,120 nachdem im Regierungsentwurf eine Fortgeltung der Rechtsprechung zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung abgelehnt worden war.121 Da die Neuregelungen nach der Gesetzesbegründung durchgängig nicht mehr an einen „eigenkapitalersetzenden“ Charakter der Leistung anknüpfen, wurde selbst eine Klarstellung im Sinne des § 3 Abs. 3 des österreichischen Eigenkapitalersatzgesetzes (EKEG) als entbehrlich angesehen, wonach im Falle der Gebrauchsüberlassung eine Kreditgewährung nur das Entgelt betreffen, nicht aber in der Nutzungsüberlassung selbst liegen kann.122 Einem Anspruch auf unentgeltliche Nutzungsüberlassung, wie er nach altem Recht unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes bestehen konnte, ist damit nach herrschender Auffassung die Grundlage entzogen.123 H 43 Nach dem letztlich Gesetz gewordenen § 135 Abs. 3 InsO kann in dem Fall, dass dem Schuldner von einem Gesellschafter ein Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen wurde, der Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der Verfahrenseröffnung nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. Dem Gesellschafter steht in diesem Fall ein Ausgleich zu, der sich nach dem Durchschnitt der im letzten Jahr vor der Verfahrenseröffnung geleis-

118 Vgl. BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 ff. Rz. 7; K. Schmidt, BB 2008, 1966 (1969); Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 50 Rz. 35. 119 Vgl. Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 23. 120 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 59. 121 Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 56. 122 BT-Drucks. 16/6140, S. 56. 123 Vgl. Gehrlein, BB 2008, 846 (851); Habersack, ZIP 2007, 2145 (2150); K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732); Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3607); Noack, DB 2007, 1395 (1398).

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

Rz. 46 H

teten Vergütung bemisst (vgl. § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO). Der Anspruch des Gesellschafters auf Ausgleich ist im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit zu begleichen.124 Nach der herrschenden Auffassung im Schrifttum stellt § 135 Abs. 3 InsO trotz H 44 seiner Stellung im Insolvenzanfechtungsrecht der Sache nach keinen Anfechtungstatbestand dar, sondern ist sowohl systematisch als auch inhaltlich den §§ 103 ff. InsO zuzuordnen.125 Dies ist von Bedeutung für die Frage des Konkurrenzverhältnisses des § 135 Abs. 3 InsO zu den „übrigen“ Anfechtungstatbeständen. Da § 135 Abs. 3 InsO keinen Anfechtungstatbestand darstellt, kann er im Grundsatz uneingeschränkt mit den sonstigen Tatbeständen der §§ 129 ff. InsO konkurrieren.126 2. Rechtsgrund der Neuregelungen Der Gesetzesbegründung lässt sich nicht entnehmen, worin nach der Aufgabe H 45 des „Krisenfinanzierungsgedankens“ der tragende Grund für die Neuregelung zu sehen sein soll.127 Nach dem im Bundesjustizministerium für das „MoMiG“ zuständigen Ministerialrat Seibert sollte die Frage der dogmatischen Legitimation der Neuregelungen der Rechtswissenschaft überlassen werden.128 Diese Frage ist nicht etwa nur akademischer Natur; die Rechtsprechung wird sich ihr vielmehr künftig bei bestimmten Fallgestaltungen stellen müssen.129 Dies gilt insbesondere für die personelle Reichweite der neu geschaffenen Bestimmungen. Man wird sich daher bei der künftigen Rechtsanwendung nicht mit dem Hinweis begnügen können, es sei nicht Aufgabe des Gesetzes, die ihm zugrunde liegende Dogmatik und Wertung zu verkünden.130 a) Auffassungen im Schrifttum Im Schrifttum wird bei der Suche nach der ratio legis zum Teil die Ansicht vertre- H 46 ten, die Rechtsfolgen des Gesellschafterdarlehens ergäben sich aus dem Prinzip der Haftungsbeschränkung gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG, dessen missbräuchlicher

124 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 59. 125 Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.40; K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732); Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., Anh. zu § 30 Rz. 80; HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 55. 126 Vgl. dazu unten Rz. H108 f. 127 Vgl. dazu K. Schmidt, ZIP 2006, 1925 ff.; Krolop, GmbHR 2009, 397 ff.; B. Schäfer, ZInsO 2010, 1311 ff. 128 Vgl. Seibert, Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, S. 41. 129 Zutr. K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009; Thiessen in Bork/Schäfer, GmbHG, Anh. zu § 30 Rz. 5. 130 So Noack, DB 2007, 1395 (1398): „lex moneat, non doceat“ – dagegen zu Recht K. Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1932, 1934); Kleindiek, ZGR 2006, 335 (358); Bork, ZGR 2007, 250 (256 f.); Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. §§ 32a, b Rz. 6 f. Schfer

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H Rz. 46

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

Ausnutzung durch die Gesellschafter begegnet werden solle.131 Nach anderer Auffassung soll der Rechtsgrund für die Neuregelung in erster Linie im Näheverhältnis des Gesellschafters zu „seiner“ Gesellschaft bzw. im Informationsvorsprung zu sehen sein.132 Diese Erwägung stellt jedoch nach zutreffender Ansicht keine ausreichende Begründung für die weitreichenden Rechtsfolgen nach dem MoMiG dar,133 das den Gesellschafter etwa ohne weitere tatbestandliche Voraussetzung der Anfechtung einer Befriedigung aussetzt, die er im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach auf eine Darlehensforderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erlangt hat. Der BGH hat vielmehr bereits zum alten Recht zutreffend darauf hingewiesen, dass das Argument, ein GesellschafterGläubiger stehe dem Unternehmen gewöhnlich näher als ein außenstehender Kreditgeber, keinen ausreichenden Grund dafür bilde, ihn schlechter als einen Fremdgläubiger zu stellen, der über die Lage der Gesellschaft unter Umständen ebenso gut informiert sei.134 Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass sich mit dem „Insidergedanken“ allenfalls die Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO, nicht aber auch der gesetzliche Nachrang noch offener Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO rechtfertigen ließe.135 Ein Informationsvorsprung kann zwar zur Folge haben, dass ein gewährtes Darlehen vor der offenbar werdenden Insolvenz abgezogen wird; er führt aber gerade nicht dazu, dass ein mit den Verhältnissen der Schuldnerin besonders vertrauter „Insider“ der Gesellschaft ein Darlehen gewährt und er dieses vor der Insolvenz nicht mehr zurückfordert.136 Dass § 135 Abs. 1 InsO kein Tatbestand einer Insider(deckungs)anfechtung ist, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass der Gesetzgeber die Bestimmung nicht auch auf Geschäftsführer bzw. Vorstände ausgedehnt hat.137 H 47 Nach einer weiteren Auffassung liegt auch den Neuregelungen zumindest in abgeschwächter Form der Gesichtspunkt der Finanzierungs(folgen)verantwortung zugrunde,138 wobei zum Teil angenommen wird, die Krisenfinanzierung werde unwiderleglich vermutet.139

131 Vgl. U. Huber, Festschrift für Priester (2007), S. 259 (275 ff.); Habersack in Goette/ Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.13; Hirte, WM 2008, 1429 (1430): „unwiderlegliche Vermutung des missbräuchlichen Charakters der Darlehensgewährung“. 132 Gehrlein, BB 2008, 846 (849); Haas, ZInsO 2007, 617 (618); Noack, DB 2007, 1395 (1398); Mylich, ZGR 2009, 474 (488). 133 Vgl. Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, 19. Aufl., Anh. zu § 30 Rz. 6; Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3603); vgl. zum alten Recht ferner K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4. b), S. 533. 134 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (330). 135 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., Anh. zu § 64 Rz. 115. 136 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 ff. Rz. 17. 137 K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage 2 zu Heft 39, S. 15 (20); Scholz/Bitter, Anh. zu § 64 Rz. 33. 138 Vgl. Bork, ZGR 2007, 250 ff.; Altmeppen, NJW 2008, 3601 ff.; Hirte, WM 2008, 1429 ff.; K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 ff.; Spliedt, ZIP 2009, 145 (153); Krolop, GmbHR 2009, 397 ff.; im Ergebnis wohl auch Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., Anh. zu § 30 Rz. 6. 139 Bork, ZGR 2007, 250 ff.; Altmeppen, NJW 2008, 3601 ff.; Hirte, WM 2008, 1429 (1430).

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

Rz. 48a H

b) Rechtsprechung des BGH und des Bundesarbeitsgerichts Der BGH hat sich zunächst in einem Urteil vom 17.2.2011140 zu der Grund- H 48 satzfrage geäußert, allerdings nicht abschließend, da es darauf mangels Entscheidungserheblichkeit nicht ankam. Er hat aber zumindest klargestellt, dass jedenfalls nicht der typischerweise gegebene Informationsvorsprung des Gesellschafters der maßgebende Grund für den gesetzlich angeordneten Nachrang des von ihm gewährten Darlehens sei.141 In einem neueren Urteil vom 21.2.2013142 führt der BGH ohne nähere Darlegungen zum Streitstand im Schrifttum aus, die ausdrückliche Bezugnahme des Gesetzgebers auf die Novellenregeln verbunden mit der Erläuterung, die Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen in das Insolvenzrecht verlagert zu haben,143 lege die Annahme nahe, dass das durch das „MoMiG“ umgestaltete Recht mit der Legitimationsgrundlage des früheren Rechts im Sinne einer Finanzierungsfolgenverantwortung „harmoniere“. Selbst wenn man dem neuen Regelungswerk aus rechtsdogmatischen Erwägungen eine andere Legitimationsgrundlage beimesse, könnten mit ihrer Hilfe keine Auslegungsergebnisse gerechtfertigt werden, die vom Wortlaut des Gesetzes und vom Willen des Gesetzgebers nicht getragen würden.144 Mit Hilfe der Einbeziehung „gleichgestellter Forderungen“ habe der bisherige § 32a GmbHG a.F. in personeller und sachlicher Hinsicht übernommen werden sollen.145 Die auf die Einrichtung eines konsequenten Anfechtungsregimes zielende Regelung wolle den Kreis haftender Dritter in Anlehnung an den bisherigen Rechtszustand festlegen.146 Im Blick auf die Reichweite der Regelungen im Verhältnis zu Dritten könne folglich auf die zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelte Rechtsprechung zurückgegriffen werden.147 Der BGH und das Bundesarbeitsgericht gehen davon aus, dass mit dem Inkraft- H 48a treten des „MoMiG“ eine Verschärfung des Anfechtungsrechts gegenüber der früheren Rechtslage einhergehe.148 Die Anfechtung beschränke sich nicht mehr auf Fälle, in denen zurückgezahlte Darlehen eigenkapitalersetzend gewesen seien und die Befriedigung der Gesellschafter ihrer Finanzierungsfolgenverantwortung widersprochen habe; vielmehr erfasse § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Rückgewähr jedes Darlehens durch die Gesellschaft binnen eines Jahres vor dem Eröffnungsantrag. Die durch das „MoMiG“ umgestalteten §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO stünden mit der Legitimationsgrundlage des früheren Rechts – der Finanzierungsfolgenverantwortung – im Einklang.149 Das Bun140 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, ZIP 2011, 575 ff. 141 So Thole in Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 394 ff. und in ZInsO 2012, 661 (663). 142 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 18. 143 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 42. 144 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 19. 145 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 11 mit Hinweis auf die Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56. 146 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 19. 147 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 11. 148 Vgl. BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 196/13, ZIP 2015, 1130 f.; BAG v. 27.3.2014 – 6 AZR 204/12, ZIP 2014, 927 ff. Rz. 23. 149 BAG v. 27.3.2014 – 6 AZR 204/12, ZIP 2014, 927 ff. Rz. 24. Schfer

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H Rz. 48a

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

desarbeitsgericht macht ferner grundsätzliche Ausführungen dazu, dass § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO keine echte, sondern nur eine unechte Rückwirkung zukomme, deren Grenzen nicht überschritten seien.150 c) Stellungnahme H 49 Zutreffend erscheint der Hinweis im Schrifttum auf die Haftungsbeschränkung gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG zumindest insoweit, als der Gesetzgeber aus wohlerwogenen Gründen Regelungen zum Schutz des Rechtsverkehrs geschaffen hat, die eingehalten werden müssen, um das Privileg der beschränkten Haftung zu erlangen. Dazu gehören insbesondere die Publizitätsbestimmungen zur Stammkapitalausstattung und die Regelungen zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Gleichwohl kann an die Wahl der Fremdfinanzierung statt der gesetzlich vorgesehenen Eigenkapitalausstattung nicht auch nur der bloße Verdacht einer missbräuchlichen Ausnutzung der Haftungsbeschränkung geknüpft werden, der es mit den Neuregelungen zu begegnen gelte.151 Es muss vielmehr etwas anderes sein, das es legitimiert, den Gesellschafter etwa innerhalb des letzten Jahres vor der Stellung des Insolvenzantrages ohne weitere Voraussetzung der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu unterwerfen, wenn er Befriedigung auf seinen Anspruch auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens erlangt hat.152 Insoweit dürften abstrakte Missbrauchserwägungen nicht genügen, um die Neuregelungen als gerechtfertigt ansehen zu können. H 49a Man wird sich auch nicht mit der Erwägung begnügen können, dass der Gesetzgeber auf ein reines „ex-post-Konzept“ umgestellt habe, das erst mit der Insolvenzeröffnung Rechtsfolgen an die Gesellschafterfremdfinanzierung knüpfe.153 Denn allein mit der Insolvenzeröffnung lässt sich nicht erklären, warum der Gesellschafter es sich gefallen lassen muss, dass die ihm innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gewährte Befriedigung selbst dann der Anfechtung unterliegt, wenn die Insolvenz erst nach der Befriedigung durch ein plötzliches externes Ereignis über die Gesellschaft hereingebrochen ist.154 Gegen die Annahme eines solchen „ex-post-Konzepts“ spricht es auch, dass sich die Einstufung der Leistung als Gesellschafterdarlehen auch nach der Abtretung der Forderung an einen Nichtgesellschafter grundsätzlich nicht ändert.155 Es muss somit als Rechtsgrund der Neuregelung ein materielles Wertungskriterium hinzukommen, wie es bei jedem der übrigen Anfechtungstatbestände der Fall ist.156 H 50 Mit der Überlassung von Fremdkapital ermöglicht es der Gesellschafter seiner Gesellschaft, ihre Geschäftstätigkeit über das registerrechtlich verlautbarte Ei150 BAG v. 27.3.2014 – 6 AZR 204/12, ZIP 2014, 927 ff. Rz. 40 ff. 151 Vgl. K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1014). 152 Vgl. dazu Marotzke, ZInsO 2009, 2073 (2078), der sogar verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Neuregelung äußert; Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602). 153 Vgl. Thole, ZInsO 2012, 661 (663). 154 Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rz. 58. 155 Vgl. BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 ff. Rz. 24; MK-InsO/Gehrlein, § 135 Rz. 22. 156 Vgl. B. Schäfer, ZInsO 2012, 1354 (1355).

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

Rz. 51 H

genkapital hinaus ohne die ansonsten übliche Stellung von Sicherheiten aus dem Gesellschaftsvermögen auszuweiten; dass damit erhebliche Ausfallrisiken für die Gesellschaftsgläubiger im Fall einer späteren Insolvenz der Gesellschaft verbunden sind, steht außer Zweifel. Es erscheint daher als vertretbar, wenn der Gesetzgeber dem Gesellschafter, der mit seiner Fremdkapitalausstattung ein Ausfallrisiko für die Gesellschaftsgläubiger geschaffen hat, dieses Risiko – bezogen auf die gewährte Gesellschafterhilfe – für den Fall aufbürdet, dass es später zur Insolvenz der Gesellschaft kommt.157 Dies bedeutet aber zugleich, dass auch den Neuregelungen noch ein Restbestand des Grundgedankens der Finanzierungs(folgen)verantwortung zugrunde liegt.158 Wie anders als mit einem Restbestand an Finanzierungsverantwortung wollte man auch begründen, dass die Neuregelungen nur Darlehensforderungen und wirtschaftlich gleichgestellte Forderungen, nicht aber sonstige Forderungen des Gesellschafters erfassen?159 Dieser Restbestand an Finanzierungs(folgen)verantwortung basiert indes nicht H 51 auf einer Krisenfinanzierungsentscheidung des Gesellschafters,160 sondern auf der vom Gesetz zum Schutz des Rechtsverkehrs angeordneten Einstufung der vom Gesellschafter überlassenen Fremdmittel als haftendes Risikokapital, das in der Insolvenz der Gesellschaft für die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehen muss. Das Gesetz knüpft dabei allein an den Umstand an, dass der Gesellschafter der Gesellschaft Kredit gewährt hat. Es bedarf daher nicht der Annahme, die Neuregelungen beruhten auf einer unwiderlegbar vermuteten Krisenfinanzierung.161 Aus der oben dargelegten Auffassung ergibt sich ferner, dass § 135 Abs. 1 InsO und § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Zusammenhang zu sehen sind. § 135 Abs. 1 InsO soll ganz offensichtlich der Durchsetzung des Nachrangs des Gesellschafterdarlehens bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung dienen, da die Gefahr der Umgehung des Nachrangs offenkundig ist.162 Es trifft somit nicht zu, dass der Gesetzgeber auf ein rein zeitliches Konzept umgestellt habe, das Rechtswirkungen erst mit der Insolvenzeröffnung zeitige163 und somit der Nachrang nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und die Anfechtbarkeit nach § 135 Abs. 1 InsO konzeptionell getrennt zu sehen seien.164 Der

157 B. Schäfer, ZInsO 2010, 1311 (1313); ähnlich Gehrlein, BB 2011, 3 (8); vgl. dazu ferner OLG München v. 22.1.2014 – 3 U 798/13, ZInsO 2014, 780 ff. Rz. 42: Der Haftungsgrund des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO liege als Gegenstück zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der mit einem Gesellschafterdarlehen als verdächtiger, bei Insolvenzeintritt missbräuchlicher Finanzierungsform verbundenen Gefahr der Benachteiligung der anderen Gesellschaftsgläubiger. 158 Vgl. dazu B. Schäfer, ZInsO 2010, 1311 ff. sowie Kayser, WM 2015, 1973 (1977): „gesellschaftsrechtliche Verstrickung des Darlehens“. 159 Bork, ZGR 2007, 250 (257); K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1016). 160 Vgl. Bork, ZGR 2007, 250 (257): „Zukünftig gehört nur noch die Darlehensgewährung und damit die Finanzierungsentscheidung, nicht aber die Krise zum Tatbestand der Norm“. 161 So Roth/Altmeppen, §§ 32a, b GmbHG Rz. 9; Bork, ZGR 2007, 250 (268). 162 Vgl. Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 6; Gehrlein, BB 2008, 846 (853); B. Schäfer, ZInsO 2012, 1354 (1355 f.). 163 Vgl. Thole, ZInsO 2012, 661 (663). 164 So Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 390 ff. Schfer

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H Rz. 51

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

Rechtsgrund für den Nachrang des Gesellschafterdarlehens wird vielmehr bereits durch die Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters begründet. H 51a Auch durch die hier vertretene Auffassung wird freilich nicht in Frage gestellt, dass die Neuregelungen erst im Insolvenzverfahren eingreifen und damit im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes insolvenzrechtlicher Natur sind.165 In diesem Sinne hat der BGH durch Urteil vom 21.7.2011166 zu den sog. „Novellenregeln“ entschieden.167 Sowohl die „Novellenregeln“ als auch die Neuregelungen nach dem „MoMiG“ sind somit auch auf Kapitalgesellschaften anzuwenden, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründet wurden, sofern über deren Vermögen in Deutschland das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde.168 3. Sachlicher und personeller Anwendungsbereich der Neuregelungen a) Wirtschaftlich entsprechende Sachverhalte H 52 Hinsichtlich des personellen und sachlichen Anwendungsbereichs des § 135 InsO sollte mit der in Bezug genommenen Formulierung „Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“ in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nach der Gesetzesbegründung im Grundsatz § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG übernommen werden.169 Ebenso wie das frühere Recht beziehen daher die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, 135 InsO neben Darlehensforderungen auch Rechtshandlungen ein, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Die Neuregelungen erfassen damit insbesondere Gesellschafterbürgschaften und auch Forderungsstundungen, da jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Kreditierung darstellt;170 einer ausdrücklichen Stundungsabrede bedarf es nicht.171 Jegliche Kreditierung durch den Gesellschafter beinhaltet die „Finanzierungsentscheidung“, die in der Insolvenz der Gesellschaft zur Behandlung der überlassenen Mittel als haftendes Risikokapital führt. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO findet nach der Rechtsprechung des BGH auch auf kurzfristige Überbrückungskredite Anwendung.172 Für den Anwendungsbereich des § 135 InsO bedeutet dies, dass die Anfechtung in diesen Fällen nicht am Vorliegen eines Bargeschäfts scheitert, da jede Kreditgewährung durch verzögerte Geschäftsabwicklung nach dem Normzweck des § 142 InsO die Annahme eines Bargeschäfts aus-

165 Vgl. EuGH v. 12.2.2009 – C 339/07 – „Seagon/Deko Marty Belgium“, ZIP 2009, 427 ff. 166 BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10 – „PIN“, BGHZ 190, 364 ff. 167 Vgl. zur Fortgeltung der „Rechtsprechungs- und Novellenregeln“ in Altfällen BGH v. 26.1.2009 – II ZR 260/07 – „Gut Buschow“, BGHZ 179, 249 ff. sowie Art. 103d Satz 2 EGInsO zu Rechtshandlungen, die vor dem 1.11.2008 vorgenommen wurden. 168 BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10, ZIP 2011, 1775 ff. 169 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56; BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 11; Gehrlein, BB 2011, 3 (6); Habersack, ZIP 2007, 2145 (2148); Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rz. 36. 170 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2150); Gehrlein, BB 2011, 3 (6). 171 Vgl. Gehrlein, WM 2009, Sonderbeilage 1, S. 50. 172 BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629 ff. Rz. 29; v. 7.5.2013 – IX ZR 203/11, veröffentlicht bei juris; v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 14.

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

Rz. 52b H

schließt.173 Das Stehenlassen einer Darlehensforderung kann jedoch nicht nach der Rechtsprechung des BGH nach § 134 InsO anfechtbar sein.174 aa) Einzelfälle Nach herrschender Meinung ist der Anwendungsbereich der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, H 52a 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eröffnet, wenn die Gesellschafter durch einen Gewinnvortrag auf neue Rechnung der Gesellschaft liquide Mittel zur Verfügung stellen. Durch die spätere Ausschüttung von Gewinnvorträgen in den kritischen Anfechtungszeiträumen wird danach eine Forderung aus einer Rechtshandlung zurückgewährt, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht.175 Dies kann jedoch nicht ohne weiteres mit der Erwägung bejaht werden, dass das Stehenlassen von Gewinnen wirtschaftlich einer Darlehensgewährung entspreche. Denn bei bilanziell ausgewiesenen Gewinnvorträgen handelt es sich um Eigenkapital der Gesellschaft, das von ihr erwirtschaftet wurde und Ausdruck der Finanzkraft der Gesellschaft ist. Mit dem Stehenlassen von Gewinnen ist daher keine vergleichbare Schaffung einer Risikolage für die Gesellschaftsgläubiger gegeben, wie im Fall der Darlehensgewährung. Insoweit dürfte ein Unterschied zwischen dem neuen Recht und dem früheren Eigenkapitalersatzrecht bestehen. Ein bloßes Darlehensversprechen des Gesellschafters stellt dagegen kein unter die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallendes Gesellschafterdarlehen dar; seine Kündigung in der Krise wird daher nicht von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasst.176 Streitig ist, ob die Aufhebung der Zusage eines sogenannten „Finanzplankredits“177 nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist.178 Das Oberlandesgericht München ist in einem Urteil vom 22.7.2004179 davon H 52b ausgegangen, dass auch eine harte Patronatserklärung wegen ihrer Rechtsnatur als aufschiebend bedingtes Darlehensversprechen eine gleichgestellte Forderung im Sinne der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 und 2 InsO sein könne. Der BGH hat dies in einem „Altfall“ zum früheren Eigenkapitalersatzrecht zumindest für den Fall verneint, dass eine Muttergesellschaft in einer Patronatserklärung ihrer bereits in der Krise befindlichen Tochtergesellschaft verspricht, während eines Zeitraums, der zur Prüfung der Sanierungsfähigkeit erforderlich ist, 173 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 167; BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05 – „Honorarvorschuss“, ZIP 2006, 1261 ff. Rz. 33. 174 BGH v. 13.10.2016 – IX ZR 184/14, ZIP 2016, 2483 ff. 175 Vgl. OLG Koblenz v. 15.10.2013 – 3 U 635/13, ZInsO 2013, 2168 ff. und OLG München v. 18.12.2013 – 7 U 2900/09, ZIP 2014, 69 ff. zum alten Recht; HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 28; Spliedt, EWiR 2014, 57 f.; Mylich, ZGR 2009, 474 (491 ff.); Schmittmann in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, 2. Aufl., § 135 Rz. 24; vgl. zum alten Recht ferner BGH v. 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (338) – a.A. Gehrlein in Gehrlein/Ekkenga/Simon, vor § 64 GmbHG Rz. 126, 145 zur Kapitalrücklage; Menkel, NZG 2014, 982 ff.; Neußner, EWiR 2015, 746. 176 K. Schmidt, § 135 Rz. 19. 177 Vgl. dazu BGH v. 20.9.2010 – II ZR 296/08 – „Star 21“, BGHZ 187, 69 ff. Rz. 28. 178 Dafür OLG München v. 22.7.2004 – 19 U 1867/04, ZIP 2004, 2102 ff.; Uhlenbruck/ Hirte, § 135 Rz. 11; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, Rz. 539 ff. – dagegen K. Schmidt, § 135 Rz. 19. 179 OLG München v. 22.7.2004 – 19 U 1867/04, ZIP 2004, 2102 ff. – a.A. OLG Celle v. 28.6.2000 – 9 U 54/00, veröffentlicht bei juris. Schfer

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H Rz. 52b

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

auf Anforderung zur Vermeidung von deren Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung deren fällige Verbindlichkeiten zu erfüllen. Denn für die Anwendung der Regeln des Eigenkapitalersatzrechts sei nur Raum, soweit der Gesellschafter eine Leistung tatsächlich erbracht habe.180 Er hat ferner klargestellt, dass der Wirksamkeit der Kündigung einer solchen konzernintern getroffenen Vereinbarung auch nicht die Grundsätze des sogenannten „Finanzplankredits“ entgegenstünden.181 H 52c

Setzt ein Arbeitnehmer, der zugleich Gesellschafter des Unternehmens seiner Arbeitgeberin ist, erhebliche Ansprüche auf Arbeitsentgelt über einen längeren Zeitraum nicht durch, stundet er diese Forderungen. Die Stundung ist eine Rechtshandlung, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht.182 Der BGH hat ferner durch ein Urteil vom 10.7.2014183 klargestellt, dass auch im Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 InsO Raum für die Annahme eines Bargeschäfts ist. Danach liegt keine Befriedigung einer einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderung vor, wenn eine Gehaltsforderung eines Gesellschafters nach den Grundsätzen des Bargeschäfts (§ 142 InsO) gedeckt wird. Die Rückzahlung eines Darlehens kann jedoch nicht als Bargeschäft gewertet werden.184 bb) Sonderfall der wiederholten Kreditgewährung

H 52d Mehrere Gesellschafterdarlehen können als Kontokorrentkredit zu behandeln sein, wenn die der Gesellschaft fortlaufend gewährten Kredite durch ihre gleichbleibenden Bedingungen, ihre kurze Dauer, den mit ihrer Ausreichung verfolgten Zweck und das zwischen den Vertragsparteien bestehende Gesellschaftsverhältnis nach der Art eines Kontokorrentkredits miteinander verbunden sind („Staffelkredit“).185 In einem echten Kontokorrent mit vereinbarter Kreditobergrenze scheidet eine Gläubigerbenachteiligung durch einzelne Kreditrückführungen aus, weil ohne sie die Kreditmittel, die der Schuldner danach tatsächlich noch erhalten hat, ihm nicht mehr zugeflossen wären. Anfechtbar sind solche Kreditrückführungen daher nicht in ihrer Summe, sondern bis zu der eingeräumten Kreditobergrenze.186 Der BGH stellt in einem solchen Fall keine Einzel-, sondern eine Gesamtbetrachtung an. Entscheidend ist die im gesamten Anfechtungszeitraum eingetretene Verringerung des zwischenzeitlich höchsten Kreditstandes, da dies dem vom Anfechtungsgegner übernommenen Insolvenzrisiko entspricht.187 Ist es nach der Kreditrückführung zu einer erneuten Kreditgewährung gekommen, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestand, 180 181 182 183 184 185

BGH v. 20.9.2010 – IX ZR 296/08 – „Star 21“, BGHZ 187, 69 ff. Rz. 24. BGH v. 20.9.2010 – IX ZR 296/08, BGHZ 187, 69 ff. Rz. 27 ff. BAG v. 27.3.2014 – 6 AZR 204/12, BAGE 147, 373 ff. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, ZIP 2014, 1491 ff. Rz. 49 ff. Vgl. BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 Rz. 2. BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 116/13, ZIP 2014, 785 f. Rz. 4; v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff.; vgl. dazu ferner Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rz. 121 ff.; Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 2.136 ff. 186 BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 116/13, ZIP 2014, 785 f. Rz. 2. 187 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 26; Brinkmann in K. Schmidt/ Uhlenbruck, Rz. 2.137.

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

Rz. 53 H

ist der zu diesem Zeitpunkt noch offenstehende Kreditbetrag in Abzug zu bringen, weil dieser dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterliegt und sich dadurch für den Gesellschafter das übernommene Insolvenzrisiko realisiert.188 Wurde vom Gesellschafter bspw. im Anfechtungszeitraum ein Höchstkredit von 150 000 Euro gewährt, der zwischenzeitlich vollständig zurückgeführt und bis zur Stellung des Insolvenzantrages erneut in Höhe von 50 000 Euro gewährt wurde, so reduziert sich der Anfechtungsbetrag auf 100 000 Euro, da der Gesellschafter mit seinem Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von 50 000 Euro dem Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterliegt und sich schon dadurch das von ihm übernommene Insolvenzrisiko realisiert.189 Ein weiteres Urteil des BGH vom 4.7.2013190 zeigt, dass diese Rechtsgrundsätze H 52e wohl nicht nur bei kontokorrentmäßiger Kreditgewährung anzuwenden sind. Erneuert danach der Gesellschafter das ihm zurückerstattete Darlehen, sind die Vorgänge untrennbar miteinander verknüpft. Entsprechendes gilt für Folgedarlehen. Deshalb werden in rascher Folge erfolgte Rück- und Auszahlungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in einem einheitlichen Kreditverhältnis verbunden.191 Ein solcher Staffelkredit liegt jedoch nicht vor, wenn zwischen den Einzelkrediten kein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht.192 Im Schrifttum wird die Erweiterung dieser Rechtsprechung auf wiederholte Kre- H 52f ditgewährungen ohne jegliche inhaltliche Verknüpfung, insbesondere auf solche im Rahmen eines „Cash-Pools“, befürwortet.193 Als Beispielsfall wird angeführt, dass der Alleingesellschafter einer Bau-GmbH „seiner“ Gesellschaft im Verlauf eines Jahres fünfzig Mal Beträge zwischen 5000 Euro und 50 000 Euro vorschießt, weil „seine“ Subunternehmer Zahlung fordern, bevor die Bauherren als Auftraggeber der Bau-GmbH die entsprechende Abschlagsrate an diese zahlen.194 Es ist anzunehmen, dass der BGH die Rechtsgrundsätze zum Staffelkredit auch auf diesen Fall anwenden würde. Die Überlassung von Gegenständen zum Gebrauch oder zur Ausübung als solche H 53 ist dagegen kein der Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechender Vorgang im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO; vielmehr enthält § 135 Abs. 3 InsO für die Nutzungsüberlassung eine Sonderregelung, die sich auf die Anordnung einer Aussonderungssperre im Insolvenzverfahren gegen finanziellen Ausgleich beschränkt.195 Nach einer abweichenden Auffassung sollen Ansprüche des Gesell188 189 190 191 192 193 194 195

Vgl. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rz. 125 f. Vgl. dazu Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rz. 127. Vgl. BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. Rz. 36 mit Hinweis auf BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 23 ff. Vgl. BGH v. 16.1.2014 – IX ZR 116/13, ZIP 2014, 785 f. Rz. 6 i.V.m. OLG München v. 19.3.2013 – 5 U 4332/12, ZInsO 2014, 897 ff.; HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 18. Vgl. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rz. 123; Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, Anh. § 30 Rz. 116; a.A. Gehrlein in Gehrlein/Ekkenga/Simon, vor § 64 Rz. 127, 146. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rz. 124. Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 13; K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732). Schfer

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H Rz. 53

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

schafters aus einer Nutzungsüberlassung wirtschaftlich den Ansprüchen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens entsprechen und deshalb auch unter der Geltung des „MoMiG“ in der Insolvenz der Gesellschaft nachrangige Insolvenzforderungen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO darstellen.196 b) Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft im Vorfeld der Insolvenzeröffnung? H 54 Zu § 135 InsO n.F. wird zum Teil die Auffassung vertreten, der Geschäftsführer der Gesellschaft sei im Vorfeld der Insolvenz nicht mehr berechtigt, die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens zu verweigern, da das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG keine Anwendung mehr finde.197 Nur in Ausnahmefällen werde die damit verbundene Rückstufung der Gläubigerbelange durch die Neuregelung des § 64 Satz 3 GmbHG kompensiert, die dem Geschäftsführer eine Darlehenstilgung gegenüber einem Gesellschafter verbiete, welche die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft auslösen würde.198 Diese Auffassung unterliegt Bedenken. In der Gesetzesbegründung zum „MoMiG“ ist nur davon die Rede, dass die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens künftig nicht mehr unter Berufung auf eine analoge Anwendung des § 30 GmbHG verweigert werden könne. Es wird jedoch zugleich darauf hingewiesen, dass dadurch keine ernstzunehmenden Schutzlücken entstünden oder aber diese durch flankierende Regelungen im Anfechtungsrecht geschlossen würden.199 Ernstzunehmende Schutzlücken wären jedoch die Folge, wenn an die Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters in jedem Fall erst im Insolvenzverfahren Rechtsfolgen geknüpft werden könnten. Gibt daher das sonstige Recht eine Handhabe, den für das eröffnete Insolvenzverfahren angeordneten Beschränkungen der Gesellschafterrechte bereits im Zustand der (drohenden) materiellen Insolvenz Geltung zu verschaffen, so ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber daran nichts ändern wollte. H 55 Der Gesetzgeber hat dem Geschäftsführer der GmbH im Zustand der (drohenden) materiellen Insolvenz eine Sicherungsfunktion zugewiesen, die mit der eines vorläufigen Insolvenzverwalters durchaus vergleichbar ist. So ist § 64 Satz 1 GmbHG nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH seiner Natur nach darauf gerichtet, das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht.200 Sinn und Zweck des Zahlungsverbots des § 64 GmbHG ist es, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner 196 Vgl. LG Kiel v. 25.3.2011 – 17 O 229/10, ZIP 2011, 968 f.; Marotzke, JZ 2010, 592 ff.; anders jedoch BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. 197 OLG München v. 6.5.2010 – 23 U 1564/10, ZIP 2010, 1236 ff.; Gehrlein, BB 2011, 3 (6); Roth/Altmeppen, Anh. §§ 32a, b GmbHG, Rz. 50; Haas in Baumbach/Hueck, 19. Aufl., § 64 GmbHG, Rz. 107 – anders zu § 64 Satz 3 GmbHG zu Recht BGH v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391 ff. 198 Gehrlein, BB 2011, 3 (6). 199 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 42. 200 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (278 f.).

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

Rz. 55a H

Gläubiger zu verhindern.201 § 64 GmbHG und die §§ 129 ff. InsO sind nach ihrem Sinn und Zweck als „Schwestervorschriften“ einzustufen.202 In der Gesetzesbegründung zu § 64 GmbHG n.F. führt der Gesetzgeber aus, es solle mit dessen Änderung der Gefahr vorgebeugt werden, dass bei sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit von den Gesellschaftern Mittel entnommen würden.203 Gemäß § 18 InsO ist die Gesellschaft darüber hinaus bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit zur Stellung eines Eigenantrages berechtigt. § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ist hingegen gesellschaftsrechtlicher Natur und betrifft die Frage, ob die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens als Verstoß gegen den Kapitalerhaltungsgrundsatz angesehen werden kann. Es erscheint daher zum Schutz der Gläubiger- und Gesellschaftsbelange geboten und nach der Gesetzeslage auch möglich, dem Geschäftsführer im Zustand der (drohenden) materiellen Insolvenz der Gesellschaft den Einwand (nicht: Einrede) der Anfechtbarkeit der Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens zu gewähren.204 Der BGH ist von seiner früheren Auffassung, wonach das Anfechtungsrecht untrennbar mit dem Amt des Insolvenzverwalters verbunden sei, in seinem jüngst ergangenen Urteil vom 17.2.2011205 zur Abtretbarkeit des Anfechtungsanspruchs zu Recht abgerückt. Damit erscheint die Erhebung des Einwands der Anfechtbarkeit durch den Geschäftsführer der Gesellschaft als möglich. Nur ein eingeschränkter Gesellschafts- und Gläubigerschutz wird durch die Neuregelung des § 64 Satz 3 GmbHG erreicht, die es dem Geschäftsführer nach herrschender Meinung untersagt, ein Gesellschafterdarlehen zu befriedigen, wenn dadurch die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ausgelöst würde.206 Auch der BGH geht offenbar von einem Leistungsverweigerungsrecht der Gesell- H 55a schaft im Fall der Anfechtbarkeit der Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens aus. Denn er weist im Urteil vom 7.3.2013207 darauf hin, dass die neben dem Kreditverhältnis bestehende gesellschaftliche Treuepflicht es einem Gesellschafter verbieten könne, gegenüber seiner GmbH einen Anspruch auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens durchzusetzen, wenn die Gesellschaft dadurch in eine Krise geriete.208

201 BGH v. 25.1.2010 – II ZR 258/08, ZIP 2010, 470 f.; für ein Leistungsverweigerungsrecht im Rahmen des § 64 Satz 3 GmbHG daher zu Recht BGH v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391 ff. 202 Vgl. Gehrlein, ZInsO 2015, 477. 203 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 46. 204 Vgl. B. Schäfer, NZI 2010, 505 (508) zu § 135 Abs. 3 InsO; für ein Leistungsverweigerungsrecht auch Scholz/K. Schmidt, 10. Aufl., § 64 Rz. 91; Spliedt, ZIP 2009, 149 (169); vgl. ferner BGH v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, BGHZ 195, 42 ff. zu § 64 Satz 3 GmbHG. 205 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114 ff. 206 Vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., § 64 Rz. 91; Gehrlein, BB 2011, 3 (6); a.A. OLG München v. 6.5.2010 – 23 U 1564/10, ZIP 2010, 1236 ff. 207 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 24. 208 Kritisch dazu wegen der Aufgabe des Krisengedankens durch das MoMiG Bormann, GmbHR 2013, 467 (468). Schfer

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H Rz. 56

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

c) Erfasster Personenkreis aa) Grundsätzliches H 56 Die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO gelten gemäß § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO nur für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft, bei der eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist, als persönlich haftenden Gesellschafter haben. Erfasst werden daher im Wesentlichen die GmbH einschließlich der Vor-GmbH,209 die AG, die KgaA, die Genossenschaft, ferner die (kapitalistische) KG und die OHG, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist und zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern auch keine Gesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter gehört, die Europäische Gesellschaft (SE) und die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft im Sinne des § 5a GmbHG.210 § 135 InsO findet nach der Gesetzesbegründung auch auf entsprechende Auslandsgesellschaften (z.B. die englische Ltd. mit Zweigniederlassung in Deutschland) Anwendung, wenn deren Insolvenz nach deutschem Recht abgewickelt wird (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO)).211 H 56a Dritte werden zwar in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO – anders als noch in § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. – nicht mehr genannt. Nach der Gesetzesbegründung sollte jedoch mit den Neuregelungen im Grundsatz § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. in personeller und sachlicher Hinsicht übernommen werden.212 Es besteht daher im Grundsatz Einigkeit, dass von der Neuregelung auch Rechtshandlungen Dritter erfasst werden, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen.213 Der BGH weist in einem neueren Urteil vom 17.2.2011214 darauf hin, dass Rechtshandlungen Dritter in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zwar nicht erwähnt seien, doch habe nach dem Willen des Gesetzgebers § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. auch in personeller Hinsicht übernommen werden sollen. Aus § 44a InsO kann ein Ausschluss von Nichtgesellschaftern vom Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht hergeleitet werden. § 44a InsO erstreckt das Ausfallprinzip des § 52 InsO auf Gesellschaftersicherheiten, gleichviel, ob der Gläubiger seine Insolvenzforderung gemäß § 174 Abs. 3 InsO erst nach besonderer Aufforderung als nachrangig anmelden kann, wie in den Fällen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, oder nicht.215 H 56b Vor allem in diesem Zusammenhang kommt der Frage praktische Bedeutung zu, worin der Rechtsgrund für die Neuregelungen zu sehen ist. So wird von jenen Autoren, nach deren Auffassung die Rechtsfolgen des Gesellschafterdarlehens aus dem Prinzip der Haftungsbeschränkung resultieren, dessen missbräuchlicher

209 210 211 212 213

BGH v. 6.4.2009 – II ZR 277/07, ZIP 2009, 1273 ff. Rz. 18 zum alten Recht. Vgl. dazu die Aufzählung in der Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56 f. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 57. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56. BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 ff. Rz. 10; Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rz. 40; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 39 Rz. 62; HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 39. 214 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, NJW 2011, 1503 ff. Rz. 10. 215 BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 ff. Rz. 13.

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Ausnutzung begegnet werden solle, zum Teil die Auffassung vertreten, die Verknüpfung der Neukonzeption mit dem Prinzip der Haftungsbeschränkung lege eine eher restriktive Handhabung hinsichtlich der einem Gesellschafter gleichzustellenden Dritten nahe.216 Es müsse ein dem mitgliedschaftlichen Interesse vergleichbares Interesse an der Finanzierung der Gesellschaft hinzukommen, so dass ein Pfandgläubiger bzw. ein durch „Covenants“ gesicherter Gläubiger selbst dann nicht einem Gesellschafter gleichgestellt werden könne, wenn er über besondere Kontroll- und Mitspracherechte verfüge.217 Aber auch die bloße Mehrheitsbeteiligung an einem Gesellschafter oder an einer die Gesellschaft finanzierenden Gesellschaft soll die Anwendung der Regeln über Gesellschafterdarlehen nicht mehr legitimieren können. Der Kreis der von der Generalklausel des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfassten Darlehen Dritter müsse vielmehr neu definiert werden.218 Derartige Erwägungen zum mitgliedschaftlichen Finanzierungsinteresse führen H 56c aber möglicherweise doch wieder auf den Gedanken der Finanzierungs(folgen)verantwortung der Gesellschafter zurück. Geht man davon aus, dass auch den Neuregelungen noch ein Restbestand des Gedankens der Finanzierungs(folgen)verantwortung zugrunde liegt, so dürfte im Grundsatz etwa ein atypischer stiller Gesellschafter, den der BGH unter der Geltung des alten Rechts wiederholt einem Gesellschafter gleichgestellt hat,219 auch weiterhin in den Geltungsbereich der Neuregelungen einzubeziehen sein.220 Der typische stille Gesellschafter ist hingegen einem außenstehenden Kreditgeber gleichzustellen.221 Beteiligt sich ein Kreditgeber an der Gesellschaft, ohne sein Darlehen vorher zu- H 57 rückzuziehen, so unterfällt dieses dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.222 Erfasst werden ferner Mittelspersonen bzw. Hintermänner eines Gesellschafters, die der Gesellschaft mit Mitteln oder auf Rechnung des Gesellschafters Kredit gewähren.223 Der BGH hat in seiner Rechtsprechung zum alten Recht die an sich nur die Gesellschafter treffende Haftung nach § 31 GmbHG auf Dritte ausgedehnt, wenn diese von der Gesellschaft mit Rücksicht auf ihr Verhältnis zu einem Gesellschafter eine Leistung erhalten hatten, die aufgrund besonderer Umstände – auch – ihnen zuzurechnen war. Dazu gehören im Grundsatz auch verbundene Unternehmen und deren maßgeblich beteiligte Gesellschafter jedenfalls dann, wenn sie an der Gesellschaft in dem Sinne maßgeblich beteiligt sind, dass sie deren Geschicke bestimmen bzw. auf die Gewährung oder den Abzug der Kredithilfe bestimmenden Einfluss ausüben, insbesondere der Geschäftsführung

216 Vgl. Habersack, ZIP 2007, 2145 (2147); U. Huber, Festschrift für Priester (2007), S. 259 (279 f.). 217 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2148 f.). 218 Habersack, ZIP 2008, 2385 (2392). 219 BGH v. 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341 (345); v. 7.11.1988 – II ZR 46/88, BGHZ 106, 7 (9 f.); Gehrlein, BB 2008, 846 (850). 220 So OLG Köln, 27.10.2011 – I - 18 U 34/11, ZIP 2011, 2208 ff. 221 K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage 2 zu Heft 39, S. 22. 222 Vgl. Gehrlein, WM 2008, 846 (849); HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 14. 223 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2148); Gehrlein, BB 2011, 3 (6). Schfer

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entsprechende Weisung erteilen können.224 Von einem bestimmenden Einfluss ist nach einem zum alten Recht ergangenen Urteil des BGH vom 28.2.2012225 grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Gesellschafter der „hilfenehmenden“ GmbH zwar „nur“ zu 50 % an der hilfeleistenden GmbH beteiligt, aber zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist. H 57a Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die Regelungen über Gesellschafterdarlehen auch auf Darlehensgeber anzuwenden sind, die keine Gesellschafterstellung innehaben, denen aber durch Nebenabreden („financial covenants“) Einflussrechte eingeräumt wurden, die das Gesetz nur einem maßgeblich beteiligten Gesellschafter zubilligt. Dies wird im Schrifttum zum Teil befürwortet.226 H 58 Den Eigenkapitalersatzregeln des alten Rechts unterliegt nach der Rechtsprechung des BGH auch ein Pfandgläubiger am Geschäftsanteil des Gesellschafters, wenn er sich durch Nebenabreden eine Rechtsposition hat einräumen lassen, die nach ihrer konkreten Ausgestaltung im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters gleich- oder doch jedenfalls nahekommt.227 Da nach der Rechtsprechung des BGH § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. in personeller und sachlicher Hinsicht übernommen werden sollte,228 ist von der Fortgeltung der zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung auszugehen.229 Von der Neuregelung erfasst sind ferner Treuhandverhältnisse sowohl in Bezug auf den Treuhänder als auch den Treugeber sowie Nießbraucher des Geschäftsanteils.230 H 59 Für den Bereich der Nutzungsüberlassung im Sinne des § 135 Abs. 3 InsO vertritt ein Teil des Schrifttums die Auffassung, diese Bestimmung sei nicht auf Dritte anzuwenden, zumal in der Gesetzesbegründung auf die gesellschafterliche Treuepflicht hingewiesen werde.231 Die Gegenauffassung verweist jedoch zu Recht darauf, dass der Hinweis auf die gesellschafterliche Treuepflicht in der Gesetzesbegründung der Einbeziehung Dritter nicht entgegenstehe, wenn sie Gesellschaftern gleichstünden.232 bb) Forderungsabtretung H 60 Im Fall der Abtretung der Darlehensforderung muss sich der Zessionar zwar nach dem alten Recht eine zum Zeitpunkt der Abtretung gegebene „Verstri224 BGH v. 21.9.1981 – II ZR 104/80, BGHZ 81, 311 (315 f.); v. 18.2.1991 – II ZR 259/89, ZIP 1991, 366 f.; v. 27.11.2000 – II ZR 179/99, NJW 2001, 1490 (1491); v. 5.5.2008 – II ZR 108/07, ZIP 2008, 1230 ff. 225 BGH v. 28.2.2012 – II ZR 115/11, ZIP 2012, 865 ff. 226 Vgl. Gehrlein in Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, 1. Aufl., vor § 64 Rz. 131; Fleischer, ZIP 1998, 313 (315 ff.); Kampshoff, GmbHR 2010, 897 (901 f.) – anders jedoch MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 8; Krolop, GmbHR 2009, 397 (400 f.); K. Schmidt, § 136 Rz. 24; HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 49; Thole, KTS 2010, 383 (390). 227 BGH v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191 (195). 228 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 ff. Rz. 11. 229 Vgl. MK-InsO/Gehrlein, § 135 Rz. 20. 230 Vgl. Gehrlein, BB 2011, 3 (6). 231 Vgl. Spliedt, ZIP 2009, 149 (156); Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (329). 232 HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 30; Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 21.

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ckung“ des Darlehens nach den §§ 404, 412 BGB entgegenhalten lassen; eine bei der Abtretung noch nicht verstrickte Forderung unterliegt dagegen nur dann den Eigenkapitalersatzregeln, wenn der Zessionar selbst in der Krise eine Finanzierungsentscheidung getroffen hat. Durch die Abtretung an einen Nichtgesellschafter konnte daher die noch nicht verstrickte Forderung dauerhaft den Eigenkapitalersatzregeln entzogen werden.233 Nach den Neuregelungen muss sich der Zessionar im Grundsatz den Nachrang H 61 unabhängig von einer Finanzierungsentscheidung entgegenhalten lassen.234 Erwirbt der Zessionar die Darlehensforderung des Gesellschafters früher als ein Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages und erlangt er innerhalb der Jahresfrist Befriedigung auf diese Forderung, so soll diese der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unterliegen; auf eine „Verstrickung“ der Forderung innerhalb der Jahresfrist soll es nicht ankommen.235 Für den Fall, dass eine „verstrickte“ Forderung an einen Dritten abgetreten wird, wird im Schrifttum erwogen, dies als Befriedigung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anzusehen, so dass der Zessionar eine gewöhnliche Insolvenzforderung erwerben könnte.236 Es versteht sich indes nicht von selbst, dass ein außenstehender Zessionar, der H 62 die Forderung des Gesellschafters zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem selbst der Gesellschafter die Leistung der Gesellschaft noch anfechtungsfest hätte entgegennehmen können, der Anfechtung ausgesetzt ist, wenn er innerhalb des letzten Jahres vor der Stellung des Insolvenzantrages befriedigt wurde. Dies gilt jedenfalls für jene Auffassung, welche den Rechtsgrund der Neuregelungen nur noch im Prinzip der Haftungsbeschränkung sieht, dessen missbräuchlicher Ausnutzung begegnet werden solle.237 Es dürfte vielmehr eine zusätzliche Begründung dafür erforderlich sein, dass die Beschränkungen nach den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 InsO dem Gesellschafterdarlehen als bleibendes Merkmal von vornherein anhaften, wann und wo immer die Gesellschafterposition und die Gläubigerposition zusammentreffen, und dass eine spätere Trennung daran nichts mehr ändern könne.238 Sieht man den Rechtsgrund der Neuregelungen auch weiterhin in der Schaffung einer Risikolage für den Rechtsverkehr durch die Gewährung von Fremdkapital, so lässt sich aber möglicherweise auch die Einbeziehung eines solchen Zessionars noch rechtfertigen.239 Die Gegenauffassung weist darauf hin, dass es nicht mehr um eine „echte“ Ver- H 62a strickung der Forderung gehe, seit der Gesetzgeber das frühere Eigenkapitalersatzrecht in eine (erst im Insolvenzverfahren eingreifende) reine Anfechtungs233 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 238/87, BGHZ 104, 33 (43); v. 26.6.2006 – II ZR 133/05, ZIP 2006, 2272 f.; Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.25. 234 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2149). 235 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2149) – a.A. Altmeppen, NJW NJW 2008, 3601 (3604); HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 38. 236 Vgl. Habersack, ZIP 2007, 2145 (2149); Hirte, WM 2008, 1429 (1431). 237 So Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.13; Gehrlein, BB 2011, S. 3 (7). 238 Vgl. U. Huber, ZIP 2010, Beilage 2 zu Heft 39, S. 8 f. 239 Dies erwägt auch K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage 2 zu Heft 39, S. 23. Schfer

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regel und die Nachrangregel (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) überführt habe.240 Zum Teil wird daher die Anwendbarkeit des § 404 BGB als fraglich angesehen241 oder gar verneint.242 Sieht man den Rechtsgrund der Neuregelungen indes auch weiterhin in der Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters, so lässt sich im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 404 BGB argumentieren, dass der Nachrang in einer möglichen künftigen Insolvenz schon mit der Darlehensgewährung (als Finanzierungsentscheidung) angelegt worden sei. Dies lässt es als gerechtfertigt erscheinen, die Tilgung der Forderung aus einem abgetretenen Gesellschafterdarlehen auch gegenüber dem Gesellschafter als Zedenten als anfechtbar anzusehen.243 H 62b Einen wesentlichen Teil dieser Fragen im Zusammenhang mit der Abtretung der Darlehensforderung des Gesellschafters an einen Dritten hat der BGH in einem wichtigen Grundsatzurteil vom 21.2.2013244 entschieden: BGH-Urteil vom 21.2.2013 – ZIP 2013, 582 ff. H 62c

Die Beklagte war die alleinige Gesellschafterin einer Beteiligungsgesellschaft, die zum einen alleinige Kommanditistin der Schuldnerin und zum anderen alleinige Gesellschafterin der Komplementärin der Schuldnerin war. Die Beklagte verpflichtete sich gegenüber der Schuldnerin durch einen Darlehensvertrag vom 30.10./3.11.2009, der am 26./27.1.2010 neu gefasst wurde, zur Gewährung eines Darlehens über 500 000 Euro. Das Darlehen wurde am 5.11.2009 an die Schuldnerin ausbezahlt. Am 17./22.3.2010 verkaufte die Beklagte die Darlehensforderung bei gleichzeitiger Abtretung zum Preis von 375 000 Euro an die C.245 Dabei wurde zwischen dieser und der Beklagten ein Ausschluss jeglicher Gewährleistung hinsichtlich Bestand, Einbringlichkeit und Höhe der Forderung vereinbart. Die C. unterrichtete die Schuldnerin durch Schreiben vom 23.3.2010 von der Forderungsveräußerung. Nach Eintritt der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs überwies die Schuldnerin auf Aufforderung der C. am 8.6.2010 einschließlich Zinsen einen Betrag von 528 500 Euro auf deren Konto bei der L. Bank in L. Auf den Eigenantrag der Schuldnerin vom 16.8.2010 wurde am 1.11.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser verlangte von der Beklagten gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Erstattung des an die C. gezahlten Betrages. Das OLG Stuttgart wies die in erster Instanz erfolgreiche Klage auf die Berufung der Beklagten hin ab. Die Nichtzulassungsbeschwer-

240 Vgl. Thole, ZInsO 2012, 661 (662); Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3604 m. Fn. 49). 241 Thole, ZInsO 2012, 661 (662). 242 Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3604 m. Fn. 49); HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 15. 243 Vgl. dazu Kayser, WM 2015, 1973 (1978): „Die gesellschaftsrechtliche Verstrickung wirkt nach der Abtretung innerhalb des durch § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO geschützten Zeitraums fort“. 244 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff.; vgl. dazu Kähler, KTS 2014, 180 ff. 245 Genauer: C. Ltd. mit Sitz in der Karibik; dies kommt bedauerlicherweise bereits im vorausgegangenen Urteil des OLG Stuttgart v. 8.2.2012 – 14 U 27/11, ZIP 2012, 879 ff. nicht zum Ausdruck.

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de des Klägers führte letztlich zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart war die Beklagte nicht Adressat H 62d des Rückzahlungsanspruchs. Die Anfechtung habe vielmehr gegenüber dem Zessionar zu erfolgen. Eine Rückzahlung an den Gesellschafter liege nur vor, wenn dieser Forderungsinhaber geblieben und auf dessen Weisung an einen Dritten geleistet worden sei. Der BGH ist dieser Auffassung zu Recht nicht gefolgt. Von wesentlicher Bedeu- H 62e tung ist dabei dessen Aussage, dass die von Rechtsprechung und Schrifttum zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelten Grundsätze im Streitfall für die Auslegung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO grundsätzlich fruchtbar gemacht werden könnten.246 Mit der Neuregelung werde generell auf das Merkmal „kapitalersetzend“ verzichtet und jedes Gesellschafterdarlehen dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterworfen.247 In Konsequenz dieser Änderung werde durch eine Verschärfung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Rückgewähr jedes – und nicht nur eines „kapitalersetzenden“ – Gesellschafterdarlehens erfasst, ohne dass das Erfordernis einer „Gesellschaftskrise“ hinzutreten müsse.248 Mit der Einbeziehung „gleichgestellter Forderungen“ werde außerdem der bis- H 62f herige § 32a GmbHG a.F. in personeller – durch Einbeziehung Dritter – und in sachlicher Hinsicht übernommen.249 Im Hinblick auf Dritte könne folglich auf die zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelte Rechtsprechung zurückgegriffen werden.250 Die „Novellenregeln“ des früheren Rechts hätten insoweit Leitbildfunktion für das geltende Recht, bei dessen Auslegung ebenfalls Vorsorge dagegen zu treffen sei, dass der Gesellschafter das mit einer Darlehensgewährung verbundene Risiko auf die Gemeinschaft der Gesellschaftsgläubiger abwälze.251 Das Darlehen der Beklagten sei anfechtungsrechtlich als Gesellschafterdarlehen H 62g zu behandeln. Auch wenn Rechtshandlungen Dritter in den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 InsO nicht ausdrücklich erwähnt seien, habe nach der Gesetzesbegründung der Anwendungsbereich des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. auch in personeller Hinsicht übernommen werden sollen.252 Dies gelte insbesondere für

246 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 9. 247 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 42 (56); U. Huber, Festschrift für Priester, 2007, S. 259 (272). 248 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 26, 57; BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, ZIP 2012, 1869 ff. Rz. 12, v. 30.4.2015 – IX ZR 196/13, ZIP 2015, 1130 f. Rz. 7. 249 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 11 mit Hinweis auf Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56. 250 Vgl. BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 ff. Rz. 10; v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 ff. Rz. 11. 251 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 12 mit Hinweis auf BT-Drucks. 8/1347, S. 39. 252 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 15 mit Hinweis auf BT-Drucks. 16/6140, S. 56. Schfer

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Darlehen verbundener Unternehmen.253 Eine einschränkende Auslegung mit der Begründung, die Rechtsfolgen der Neuregelungen ergäben sich aus dem Prinzip der Haftungsbeschränkung,254 sei mit der tatbestandlichen Verschärfung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unvereinbar. Die ausdrückliche Bezugnahme des Gesetzgebers auf die Novellenregeln lege überdies die Annahme nahe, dass die Neuregelungen mit der Legitimationsgrundlage des früheren Rechts im Sinne einer Finanzierungsfolgenverantwortung „harmonierten“. An späterer Stelle seines Urteils spricht der BGH ausdrücklich von „der den Gesellschafter treffenden Finanzierungsfolgenverantwortung“.255 H 62h Der mittelbar an einer Gesellschaft Beteiligte sei hinsichtlich seiner Kredithilfen wie ein unmittelbarer Gesellschafter zu behandeln. Dies gelte jedenfalls für den Gesellschafter-Gesellschafter, der an der Gesellschafterin der Gesellschaft beteiligt sei und aufgrund einer qualifizierten Anteilsmehrheit einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin ausüben könne.256 Als mittelbare, die Schuldnerin beherrschende Alleingesellschafterin sei die Beklagte wie ein Gesellschafter zu behandeln. H 62i Das Nachrangrisiko müsse der Zessionar gemäß § 404 BGB gegen sich gelten lassen. Allein diese Würdigung beuge nicht billigenswerten Umgehungsversuchen vor. Allerdings wäre nach Ansicht des BGH ein zeitlich unbegrenzter Nachrang der Darlehensforderung unangemessen. Vielmehr bleibe der Nachrang nur erhalten, wenn der Gesellschafter innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO entweder seine Gesellschafterposition aufgebe oder die Forderung auf einen Nichtgesellschafter übertrage.257 H 62j Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könne die Befriedigung auch gegenüber dem gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschafter angefochten werden. Die Beklagte sei Verpflichtete des Anfechtungsanspruchs, weil sie durch Abtretung und Forderungsverkauf die Zahlung der Schuldnerin an die C. veranlasst habe. Es könne nicht gebilligt werden, dass ein Gesellschafter die mit der Darlehensrückgewähr verbundenen Folgen einer Anfechtung durch eine Abtretung seiner Forderung vermeide.258 Aufgrund der im Rahmen des § 135 InsO anzustellenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise259 sei die im Wege der Abtretung ebenso wie die durch eine Anweisung bewirkte Drittzahlung als Leistung an den Gesellschafter zu behandeln. Dem Gesellschafter sei es versagt, durch den Verkauf eines Gesellschafterdarlehens auf dem Rücken der Gläubiger zu spe253 254 255 256

Vgl. dazu BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 ff. Rz. 10. Habersack, ZIP 2008, 2385 (2387 ff.). BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 31. BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 21 mit Hinweis auf die frühere Rechtsprechung. 257 Vgl. BGH v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 ff.; HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 38; HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 15 f.; kritisch dazu Kähler, KTS 2014, 180 (182). 258 BGH v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 ff. Rz. 31 mit Hinweis auf BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 ff. Rz. 12. 259 Vgl. BGH v. 20.7.2009 – II ZR 36/08, ZIP 2009, 1806 ff. Rz. 16; v. 11.1.2011 – II ZR 157/09, ZIP 2011, 328 ff. Rz. 24.

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

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kulieren und das Anfechtungsrisiko auf sie abzuwälzen.260 Folglich sei es ohne Bedeutung, ob die Beklagte infolge der Anfechtbarkeit gegenüber der C. Rückgriffsansprüchen ausgesetzt sei oder nicht. Es ist somit festzuhalten, dass der BGH nicht etwa annimmt, der darlehens- H 62k gewährende Gesellschafter habe durch das MoMiG eine Vergünstigung gegenüber der früheren Rechtslage in Richtung eines außenstehenden Darlehensgebers erfahren, welche die Auslegung der Neuregelungen beeinflusse. Er sieht die Neuregelungen vielmehr als Verschärfung gegenüber der früheren Rechtslage an, die einer einschränkenden Auslegung Grenzen setzt. Im Schrifttum wird – wen kann es verwundern – bereits empfohlen, zur Vermeidung des Nachrangs gemäß § 404 BGB auf Anleihen (wertpapierverbriefte Darlehen) auszuweichen.261 cc) Mitgliedschaftsübertragung Von der Nachrangigkeit der Forderung ist schließlich auch dann auszugehen, H 63 wenn der Gesellschafter seine Mitgliedschaft auf einen Dritten überträgt und seine Stellung als Darlehensgeber behält.262 Der BGH hat dazu jedoch durch Beschluss vom 15.11.2011263 entschieden, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters im Insolvenzverfahren allenfalls dann als nachrangig zu behandeln sei, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder danach ausgeschieden ist. BGH-Beschluss vom 15.11.2011 – ZIP 2012, 86 ff. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (künftig: Klägerin) war Gesellschafterin der H 63a Schuldnerin (GmbH) und hatte dieser im Jahre 2000 ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 1,5 Mio. DM gewährt. Zugleich hatte sie sich zur Gewährung weiterer 1,5 Mio. DM bei erkennbarer Notwendigkeit bereit erklärt. Im Januar 2002 veräußerte die Klägerin ihre Geschäftsanteile an ihre Mitgesellschafter, wobei sie sich zur Gewährung zusätzlicher Darlehensmittel im Wert von 1,5 Mio. DM innerhalb von zwei Bankarbeitstagen verpflichtete. Die Klägerin und die Erwerber erklärten einen bis zum 31.12.2005 befristeten Rangrücktritt. Das Darlehen sollte in Raten von 500 000 DM zum 31.12.2003, von 1 000 000 DM zum 31.12.2004 und von 1 500 000 DM zum 31.12.2005 getilgt werden. Die beiden ersten Raten sollten nur fällig werden, wenn die wirtschaftliche Situation der GmbH eine Tilgung zuließ; spätestens zum 31.12.2005 sollte die Klägerin die Rückzahlung des gesamten Betrages verlangen können. Zu einer Rückzahlung kam es jedoch bis zur Insolvenzeröffnung nicht. Am 4.11.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum

260 Vgl. BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (388). 261 Vgl. d’Avoine, NZI 2013, 321 ff. 262 Vgl. U. Huber, ZIP 2010, Beilage 2 zu Heft 39, S. 8 f.; ebenso wohl Haas, ZInsO 2007, 617 (619); vgl. zum alten Recht BGH v. 8.11.2004 – II ZR 300/02, WM 2005, 78 ff. – a.A. Gehrlein, BB 2008, 846 (850): Nachrang nur bei Veräußerung innerhalb der Jahresfrist. 263 BGH v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 ff. Schfer

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§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

Insolvenzverwalter bestellt. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin (mit Erfolg) die Rückzahlung des Darlehens. H 63b Aus dem vorinstanzlichen Urteil des OLG München264 geht ferner hervor, dass die Beteiligten bereits vor dem Jahr 2002 Rangrücktrittsvereinbarungen getroffen hatten, in denen die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit ihrer Forderung hinter alle übrigen Gläubiger der Schuldnerin zurückgetreten war. Diese Rangrücktrittsvereinbarungen wurden in einem notariellen Vertrag vom Januar 2002 in befristete Rangrücktritte bis zum 31.12.2005 umgewandelt. H 63c

Der BGH hat entschieden, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft allenfalls dann als nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu behandeln sei, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder danach ausgeschieden ist. Im Schrifttum265 bestehe im Ergebnis Einigkeit, dass ein Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters nicht unabhängig vom Zeitpunkt seines Ausscheidens als nachrangig anzusehen und insoweit § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit der dortigen Jahresfrist entsprechend anzuwenden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob eine nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangige Forderung beim Ausscheiden des Gläubigers aus der Gesellschaft den Nachrang behalte. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei in diesem Fall entsprechend anzuwenden, entweder weil der Wechsel in der Gesellschafterstellung einer Befriedigung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gleichstehe266 oder weil ein zeitlich unbegrenzter Nachrang gegenüber einer Person, welche die persönlichen Voraussetzungen nicht mehr erfülle, nicht zu rechtfertigen sei.267 Da im Gegensatz zum früheren Recht dem Beginn und dem Ende der Krise keine begrenzende Funktion mehr zukomme und das MoMiG statt dessen in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf ein zeitliches Konzept umgestellt habe, sei dies auch auf die persönlichen Voraussetzungen für die Nachrangigkeit zu übertragen. Nachrangig sei die Forderung danach nur, wenn der Gläubiger innerhalb der Anfechtungsfrist Gesellschafter gewesen sei.268

H 63d Die Entscheidung des BGH vermag nicht zu überzeugen.269 Er hat zum einen nicht berücksichtigt, dass die Gesellschafter ursprünglich unbefristete Rangrücktrittsvereinbarungen getroffen hatten, die anlässlich des Ausscheidens der 264 OLG München v. 22.12.2010 – 7 U 4960/07, ZIP 2011, 225 ff. Rz. 50. 265 Vgl. Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.27; Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rz. 46; Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rz. 46; Gehrlein, BB 2008, 846 (850); Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung nach MoMiG, Rz. 241. 266 Vgl. Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.27; Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rz. 46; Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rz. 46. 267 Gehrlein, BB 2008, 846 (850); Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung nach MoMiG, Rz. 241; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Anh. § 64 Rz. 119; Scholz/ K. Schmidt, Nachtrag MoMiG, §§ 32a/b a.F. Rz. 21. 268 BGH v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 ff. Rz. 15. 269 Vgl. dazu B. Schäfer, MDR 2012, 262 ff. und ZInsO 2012, 1354 ff.; kritisch auch Kähler, KTS 2014, 180 (182).

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

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Klägerin in befristete Rangrücktritte bis zum 31.5.2005 umgewandelt wurden. Dies stellt eine anfechtbare Sicherung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar, denn eine Sicherung im Sinne dieser Bestimmung ist in jeder Vereinbarung zu sehen, die den Gesellschafter, der für seinen Darlehensrückzahlungsanspruch in einer etwaigen späteren Insolvenz der Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur nachrangige Befriedigung verlangen kann, im Ergebnis zum Nachteil der vorrangigen Insolvenzgläubiger besser stellt.270 Diese Sicherung unterlag innerhalb von 10 Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages der Anfechtung, wobei diese Voraussetzung in dem vom BGH entschiedenen Fall gegeben war. Er hätte sich daher mit der Frage befassen müssen, ob die Klägerin eine anfechtbare Befriedigung auf einen Darlehensrückzahlungsanspruch erlangt hat, der wegen des als fortbestehend anzusehenden unbefristeten Rangrücktritts nur als nachrangige Forderung zu befriedigen gewesen wäre.271 Erheblichen Bedenken unterliegt ferner die teleologische Reduktion des § 39 H 63e Abs. 1 Nr. 5 InsO durch den BGH. Er liest die Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO hinein, obwohl die erstere Bestimmung den durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO angeordneten Nachrang auf Rechtshandlungen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung erweitert. Es unterliegt indes gesetzesmethodischen Bedenken, die zeitliche Begrenzung der Erweiterung des Grundtatbestandes (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) als Begrenzung auf den Grundtatbestand selbst zu übertragen. Zwar mag die vom BGH für den Fall der Anteilsübertragung angenommene Regelungslücke gegeben sein; es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass diese Regelungslücke nach dem Willen des Gesetzgebers durch eine analoge Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu schließen ist. Die Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat nichts mit der Gesellschafterstellung zu tun; sie betrifft vielmehr den Zeitpunkt der Rückgewähr des Gesellschafterdarlehens, das prinzipiell schon lange zuvor gewährt worden sein kann.272 Es ist Sache des ausgeschiedenen Gesellschafters, der weiterhin Darlehensgläubiger bleibt und somit weiterhin „näher dran“ ist als die außenstehenden Gläubiger, rechtzeitig dafür Sorge zu tragen, dass das Darlehen vor der Insolvenzeröffnung abgezogen und gegebenenfalls Insolvenzantrag gestellt wird. Tut er dies nicht vor dem Beginn der Anfechtungsfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, so muss er es sich gefallen lassen, dass das Darlehen als haftendes Risikokapital behandelt wird. U. Huber – immerhin einer der „Väter“ der Neuregelungen nach „MoMiG“ – hat zu Recht keine tragfähige Basis und angesichts naheliegender Missbrauchsmöglichkeiten auch kein praktisches Bedürfnis für eine analoge Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gesehen.273 dd) Sonderfall BGHZ 81, 365 ff. Im Schrifttum wurde auch bereits eine Lösung des vom Bundesgerichtshof durch H 64 Urteil vom 28.9.1981274 entschiedenen Falles skizziert. Dessen Leitsatz lautet 270 Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 16; Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 10; GrafSchlicker/Neußner, § 135 Rz. 10. 271 Vgl. B. Schäfer, ZInsO 2012, 1354 (1355). 272 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage 2 zu Heft 39, S. 23. 273 U. Huber, ZIP 2010, Beilage 2 zu Heft 39, S. 8 f. m. Fn. 18. 274 BGH v. 28.9.1981 – II ZR 223/80, BGHZ 81, 365 ff. Schfer

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H Rz. 64

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

wie folgt: „Erbringt eine GmbH auf Veranlassung ihres Gesellschafters in Erfüllung einer diesem gegenüber bestehenden, aber gemäß § 30 GmbHG einredebehafteten Darlehensforderung dem minderjährigen Sohn des Gesellschafters eine Leistung, so ist der Sohn in entsprechender Anwendung der §§ 89 Abs. 3, 115 Abs. 2 AktG, 31 Abs. 1 GmbHG zur Rückgewähr zumindest dann verpflichtet, wenn er oder sein gesetzlicher Vertreter den Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot gekannt hat oder hätte kennen müssen“. Erwogen wird insoweit die analoge Anwendung des § 145 Abs. 2 InsO über die Anfechtung gegenüber einem Einzelrechtsnachfolger. Hätte der Gesellschafter die unter Anfechtungsbedingungen zurückgeflossene Liquidität an den Empfänger weitergereicht, so wäre dies ein Anwendungsfall dieser Bestimmung. Es könne aber nichts anderes gelten, wenn direkt an den Dritten gezahlt worden sei.275 ee) Nahestehende Personen H 64a In personeller Hinsicht wird in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht auf die Regelung in § 138 InsO über nahestehende Personen Bezug genommen.276 Die Forderung aus der Rechtshandlung eines Dritten entspricht daher nicht schon deshalb einem Gesellschafterdarlehen, weil es sich bei dem Dritten um eine nahestehende Person im Sinne des § 138 InsO handelt. Gewährt eine nahestehende Person dem Schuldner ein ungesichertes Darlehen, so begründet dies keinen ersten Anschein für eine wirtschaftliche Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen. Eine generelle Gleichsetzung der nahestehenden Person mit einem Gesellschafter ließe unberücksichtigt, dass auch eine dem Gesellschafter nahestehende Person der Gesellschaft ein Darlehen als außenstehender Dritter gewähren kann.277 d) Kleinbeteiligungs- und Sanierungsprivileg H 65 Gemäß § 135 Abs. 4 Satz 1 InsO gilt die Neuregelung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO für Gesellschaften, bei denen keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter fungiert.278 Ausgenommen sind nach § 39 Abs. 5 InsO nicht geschäftsführende Gesellschafter, die mit zehn Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt sind („Kleinbeteiligungsprivileg“). Entscheidend ist dafür der Zeitpunkt der Darlehensgewährung. § 39 Abs. 5 InsO greift daher nicht ein, wenn nachträglich die Geschäftsführerstellung aufgegeben oder die Beteiligung verringert wird. Bei späterem Überschreiten der Schwelle fällt das Privileg weg.279 Es genügt daher, wenn der Gesellschafter in dem durch § 135 InsO festgelegten Zeitraum irgendwann mit mehr als zehn Prozent beteiligt war.280 Während nach dem früheren Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen die Beteiligungsquote zum Zeitpunkt der Krisenfinanzierung entscheidend war, ist nunmehr entscheidend, ob der kreditgewährende Gesellschaf-

275 276 277 278 279 280

Vgl. K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage 2 zu Heft 39, S. 23. Vgl. Hirte, WM 2008, 1429 (1431); HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 43. BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 ff. K. Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1928); Gehrlein, BB 2011, 3 (5). Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rz. 73; Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3604 f.). Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 21.

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II. Allgemeines zur Rechtslage nach „MoMiG“

Rz. 67 H

ter innerhalb der relevanten Fristen die Schwelle von zehn Prozent überschritten hat.281 Auch der einflusslose Gesellschafter, der über keinerlei Stimmrecht verfügt, unterliegt den Regeln über Gesellschafterdarlehen, wenn er über eine hinreichende Kapitalbeteiligung verfügt.282 Bei gemeinsamer Darlehensgewährung von Gesellschaftern, die zu zehn Prozent oder weniger an der Gesellschaft beteiligt sind, sind die Beteiligungen zusammenzurechnen283 Eine im Einzelfall koordinierte Kreditvergabe steht wie ein entsprechendes koordiniertes Stehenlassen in der Krise einer Anwendung des Kleinbeteiligungsprivilegs entgegen.284 Das Kleinbeteiligungsprivileg ließ sich zwar unter der Geltung des früheren Ei- H 66 genkapitalersatzrechts mit gutem Willen noch unter dem Gesichtspunkt eines relativen Desinteresses der betroffenen Gesellschafter am Schicksal ihrer Gesellschaft und einer hieran anknüpfenden Verneinung der Finanzierungsfolgenverantwortung rechtfertigen.285 Geht man davon aus, dass der Gesichtspunkt der Finanzierungs(folgen)verantwortung auch nach dem Inkrafttreten des „MoMiG“ nicht vollständig weggefallen ist, so erscheint die Beibehaltung des Kleinbeteiligungsprivilegs konsequent. Nimmt man jedoch an, dass der Gedanke der Finanzierungs(folgen)verantwortung mit den Neuregelungen vollständig aufgegeben worden sei und diese nur noch auf das Privileg der Haftungsbeschränkung zurückzuführen seien, ist die Fortgeltung des Kleinbeteiligungsprivilegs unverständlich; sie ist indes als geltendes Recht gleichwohl zu respektieren. In § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO ist das sogenannte „Sanierungsprivileg“ für den Fall H 67 geregelt, dass ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der Gesellschaft Anteile zum Zweck ihrer Sanierung erwirbt. Es gilt nach herrschender Auffassung nicht für den Gesellschafter, der bereits zuvor mit mehr als zehn Prozent beteiligt war, sondern nur für jenen, der zuvor noch nicht Gesellschafter oder nur „Kleinbeteiligter“ war.286 Das Sanierungsprivileg soll nur verhindern, dass der Anteilserwerb zur Anwendung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO führt. Wer schon vor dem Sanierungserwerb Adressat jener Bestimmung war, soll nicht in den Genuss des Sanierungsprivilegs kommen können.287 Nach der Gegenauffassung ist die Vergünstigung nicht nur auf Kleinbeteiligte anzuwenden, sondern auf sämtliche Altgesellschafter zu erstrecken, die ihre bestehende Beteiligung im Zuge der Darlehensgewährung durch einen Anteilskauf aufstocken.288 In der Gesetzesbegründung ist allerdings fest281 Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3604 f.). 282 Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.32. 283 Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rz. 73; offenlassend BGH v. 9.5.2005 – II ZR 66/03, ZIP 2005, 1316 (1317). 284 BGH v. 19.3.2007 – II ZR 106/06, ZIP 2007, 1407. 285 Vgl. Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Kap. 6 Rz. 58. 286 HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 53; Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rz. 65; Gehrlein in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, § 135 Rz. 10; Scholz/K. Schmidt, 10. Aufl., §§ 32a, b GmbHG Rz. 214; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, 19. Aufl., Anh. § 30 Rz. 74; Lutter/ Hommelhoff, 16. Aufl., §§ 32a, b GmbHG Rz. 39. 287 HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 53; MK-InsO/Gehrlein, § 135 Rz. 26 mit einer Einschränkung für den Fall, dass sich mit dem weiteren Anteilserwerb eine neue Kreditgewährung verbindet. 288 Haas, ZInsO 2007, 617 (624 f.); Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3605); Hirte, ZInsO 2008, 146 (149). Schfer

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H Rz. 67

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

gehalten, dass das Sanierungsprivileg auch zukünftig für Personen gelte, die vor dem Anteilserwerb aus dem Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO herausgefallen seien, also weder Gesellschafter noch gleichgestellte Personen gewesen oder vor dem Hinzuerwerb weiterer Anteile dem Kleinbeteiligtenprivileg nach § 39 Abs. 5 InsO unterfallen seien.289 Im Wortlaut des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO kommt dies freilich nicht zum Ausdruck. Das Privileg gilt nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO nur bis zur nachhaltigen Sanierung. Lässt daher der Gesellschafter sein Darlehen über diesen Zeitpunkt hinaus stehen und wird die Gesellschaft insolvent, so unterfällt das Darlehen den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO.

III. Einzelheiten 1. Anfechtbare Rechtshandlungen nach § 135 Abs. 1 InsO a) Rechtshandlung und Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung H 68 Als anfechtbare Rechtshandlungen kommen auch im Anwendungsbereich des § 135 InsO im Grundsatz alle Rechtshandlungen im Sinne des § 129 InsO in Betracht.290 Der Begriff der „Rechtshandlung“ ist auch im Rahmen des § 135 InsO im weitesten Sinne zu verstehen. Er umfasst jedes (selbstbestimmte) Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann.291 Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen zu § 129 InsO zu verweisen. Anfechtbar sind nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Rechtshandlungen, mit denen dem Gesellschafter innerhalb der dort genannten Zeiträume eine Sicherung oder Befriedigung für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung gewährt wurde. H 69 Die Rechtshandlung muss nicht vom Schuldner vorgenommen worden sein. Rechtshandlungen Dritter können ebenfalls von § 135 InsO erfasst sein, auch wenn sie in den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO nicht ausdrücklich erwähnt werden. Denn nach der Gesetzesbegründung sollte der Anwendungsbereich des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG auch in personeller Hinsicht übernommen werden.292 Es kommen daher auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen – insbesondere des Gesellschafters – als anfechtbare Rechtshandlungen in Betracht (vgl. § 141 InsO). H 69a Durch die Rechtshandlung müssen die Insolvenzgläubiger benachteiligt worden sein, wobei eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung genügt. Sie ist auch dann gegeben, wenn die Insolvenzmasse nicht zur Befriedigung aller nachrangigen Insolvenzgläubiger ausreicht.293 289 290 291 292 293

Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 57. Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 3. BGH v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, ZIP 2004, 917 ff. Rz. 11. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56. Vgl. zum alten Recht BGH v. 19.9.1996 – IX ZR 249/95, BGHZ 133, 298 (306); OLG München v. 23.11.2001 – 23 U 2639/01, ZInsO 2002, 538 (540); HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 4.

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III. Einzelheiten

Rz. 72 H

b) Anfechtbare Sicherung (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO) § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfasst Sicherungen, die einem Gesellschafter in den H 70 letzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder danach für eine Forderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gewährt wurden. Der Begriff der „Sicherung“ ist ebenfalls weit zu verstehen. Er umfasst jede Rechtsposition, die den Anfechtungsgegner besser stellt als einen „normalen“ Insolvenzgläubiger, ihm also insbesondere ein Absonderungsrecht nach den §§ 49 bis 51 InsO gewährt,294 wie etwa (Grund-)Pfandrechte, fiduziarische Sicherungsrechte (etwa Sicherungsübereignung, Sicherungszession), Zwangshypotheken und Pfändungspfandrechte.295 Dazu gehören auch Sicherungsrechte für einen gegen die Gesellschaft gerichteten Regressanspruch des Gesellschafters, der einen von ihm besicherten Darlehensgeber der Gesellschaft befriedigt hat oder befriedigen muss.296 Hinsichtlich des Anfechtungszeitraums von zehn Jahren ist zu beachten, dass H 71 die Rechtshandlung der Sicherheitengewährung erst in dem Zeitpunkt vorgenommen ist, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO).297 Bei der Verpfändung künftiger Forderungen ist dies erst mit dem Entstehen der Forderung der Fall.298 Wird ein von der Gesellschaft außerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO besichertes Gesellschafterdarlehen innerhalb der Jahresfrist zurückgewährt, fehlt es daher nicht ohne weiteres an der erforderlichen Gläubigerbenachteiligung. Denn nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Sicherung anfechtbar, wenn sie innerhalb von zehn Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages gewährt wurde.299 Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die praktische Bedeutung H 72 dieses Anfechtungstatbestandes gering ist.300 Bei akzessorischen Sicherheiten muss der Insolvenzverwalter nicht anfechten, vielmehr kann er dem Sicherungsnehmer entgegenhalten, dass er nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Forderung nur als nachrangige geltend machen und deshalb nicht auf die Sicherheit zugreifen kann. Aber auch bei nichtakzessorischen Sicherheiten kann der Insolvenzverwalter aufgrund der Sicherungsabrede wegen der Nachrangigkeit der Forderung in der Regel die Freigabe der Sicherheit fordern.301 Ein Wille des Gesetzgebers zur Beschränkung des Tatbestandes des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf nachträgliche Besicherungen ist nicht feststellbar.302 Auch ein Bargeschäft nach § 142 InsO ist bei 294 Vgl. Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 10; Graf-Schlicker/Huber, § 135 Rz. 10. 295 Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 16. 296 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 ff. Rz. 9; v. 27.11.1989 – II ZR 310/88, ZIP 1990, 95 ff.; Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 10. 297 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 30 f. 298 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, ZIP 2003, 808 ff. 299 Vgl. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579 ff. 300 Vgl. Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 10; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rz. 11. 301 BGH v. 26.1.2009 – II ZR 213/07, ZIP 2009, 471 ff. Rz. 17; Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 10; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 12; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rz. 11. 302 Zutr. LG Krefeld v. 7.4.2016 – 3 O 381/14, juris Rz. 63; K. Schmidt, § 135 Rz. 16; HKInsO/Kleindiek, § 135 Rz. 16; Gehrlein in Festschrift für Kübler, 2015, S. 181 (185 f.); Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 2.128 f. – a.A. Mylich, ZHR 136, 547 (569); Schfer

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H Rz. 72

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

anfänglicher Besicherung zu verneinen. Denn es liegt kein Austauschgeschäft im Sinne der Bargeschäftslehre, sondern ein Kreditgeschäft vor.303 Wird dem Gesellschafter nachträglich eine Sicherheit gewährt, liegt darin eine inkongruente Deckung, die häufig bereits nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar ist.304 Es hätte daher kaum Anlass für die Schaffung des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestanden, wenn der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung nur nachträgliche Sicherheitenbestellungen hätte erfassen wollen.305 Vor allem aber spricht es entscheidend gegen die Mindermeinung, dass danach auch eine anfängliche Besicherung im Einjahreszeitraum vor der Insolvenzantragstellung und die Befriedigung des Gesellschafters anfechtungsfrei wären. In der Gesetzesbegründung ist jedoch einschränkungslos davon die Rede, dass Zahlungen im Einjahreszeitraum vor der Insolvenzantragstellung von § 135 InsO erfasst würden.306 Darüber hinaus entspricht der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1 AnfG jenem des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wobei das Anfechtungsgesetz kein Bargeschäftsprivileg kennt. Es erscheint daher als angemessen, § 142 InsO aufgrund des Gesetzeszwecks des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die Bestimmung auf die anfängliche Besicherung von Gesellschafterdarlehen nicht anwendbar ist.307 H 72a Steht dem Gesellschafter eine Sicherheit zu, die früher als zehn Jahre vor der Stellung des Insolvenzantrages bestellt wurde, so kommt eine Anfechtung der Sicherheitenbestellung nicht in Betracht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Sicherheit im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Diese Frage ist vielmehr umstritten.308 Es wäre jedoch wenig überzeugend, wenn der Gesellschafter die Nachrangigkeit seines Rückzahlungsanspruchs dadurch umgehen könnte, dass er sich – außerhalb des Zehnjahreszeitraums – eine Sicherheit bestellen lässt.309 Gegen diese Auffassung spricht auch nicht die Erwägung, dass danach die Zehnjahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO leer liefe; Anfechtbarkeit und Undurchsetzbarkeit der Sicherheit sind vielmehr zweierlei Dinge.310 Der II. Zivilsenat des BGH hat zum alten Recht entschieden, der Gesellschafter sei auf Verlangen der Gesellschaft verpflichtet, die von ihr gestellte Sicherheit freizugeben, wenn feststehe, dass der vom Gesetz mit seiner eigenkapitalersatzrechtlich verstrickten Darlehensforderung zurückgestufte Gesellschafter (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F.) wegen der Höhe der Gläubigerforderungen seine Rückzahlungsforderung dauerhaft nicht mehr durchsetzen und keinerlei

303 304 305 306 307 308

309 310

Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rz. 128, 147; Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 13; Marotzke, DB 2015, 2495 ff.; Hiebert, ZInsO 2016, 1679 ff.; vgl dazu näher unten Rz. H74a ff. Vgl. Thole in Festschrift für Kübler, 2015, S. 681 (689); Gehrlein in Festschrift für Kübler, 2015, S. 181 (185 f.) – a.A. Mylich, ZHR 136, 547 (569); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 13; Marotzke, DB 2015, 2495 (2498); Hiebert, ZInsO 2016, 1679 ff. Vgl. Gehrlein, Festschrift für Kübler, 2015, S. 181 (185). Vgl. Gehrlein, NZI 2015, 577 (579). Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 42. Vgl. Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 2.129. Verneinend u.a. Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 2.131; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 30 Rz. 69; HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 14 ff.; K. Schmidt, § 135 Rz. 18; a.A. Bitter, ZIP 2013, 1497 (1502); Thole, NZI 2013, 746; HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 12. Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 2.131. Vgl. Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 2.135.

636 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 73 H

Zahlung erwarten könne. In einem solchen Fall werde der Sicherheit die vertragliche Rechtsgrundlage entzogen, weil sich der Sicherungszweck erledigt habe.311 c) Anfechtbare Befriedigung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) aa) Anwendungsbereich Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind Rechtshandlungen anfechtbar, mit denen im H 73 letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages Befriedigung auf eine Forderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gewährt wurde. Auch in diesem Zusammenhang ist der Begriff der Rechtshandlung nach der Rechtsprechung des BGH weit auszulegen.312 Dazu zählen sämtliche Erfüllungssurrogate wie die Leistung an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber, die Hinterlegung, Aufrechnung oder Verrechnung, wobei es in den zuletzt genannten Fällen gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht der Anfechtung bedarf.313 Erfasst sind darüber hinaus aber auch die Befriedigung durch Zwangsvollstreckung und die Befriedigung aus einer von der Gesellschaft gestellten, nicht insolvenzfesten Sicherheit.314 Die Anfechtung einer Befriedigung scheidet nur dann ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Gläubigerbenachteiligung aus, wenn eine für die Verbindlichkeit gewährte Sicherung (nach ihren tatbestandlichen Voraussetzungen) – etwa wegen Fristablaufs – unanfechtbar ist.315 Die Anfechtbarkeit ist nicht auf die Befriedigung der Hauptforderung beschränkt, sondern erstreckt sich nach herrschender Meinung auch auf die Tilgung von Nebenforderungen, insbesondere auf Zinszahlungen, die auf die Hauptforderung geleistet wurden.316 Dies versteht sich indes nicht von selbst. Vor der Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens hat es an einer dem alten Recht entsprechenden „Verstrickung“ gefehlt, so dass der Gesellschafter im Grundsatz die vereinbarten Zinsen beanspruchen kann. Es ließe sich allenfalls argumentieren, dass er (rückblickend) im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag nur nachrangige Befriedigung (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) habe beanspruchen können und deshalb auch für diesen Zeitraum keine Zinsen fordern könne. Nach § 39 Abs. 3 InsO haben die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren den gleichen Rang wie die Forderungen dieser Gläubiger. Sachgründe, die es rechtfertigen könnten, Zinsen im Rahmen der Anfechtung anders zu behandeln als im Rahmen der Anmeldung, sind nicht ersichtlich.317 311 BGH v. 26.1.2009 – II ZR 213/07, BGHZ 179, 278 ff. Rz. 17; für das neue Recht offenlassend BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 ff. Rz. 25. 312 BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 9. 313 Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 11. 314 MK-InsO/Stodolkowitz/Bergmann, 2. Aufl., § 135 Rz. 76; Preuß in Kübler/Prütting/ Bork, § 135 Rz. 17. 315 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579 ff. Rz. 14. 316 K. Schmidt, § 135 Rz. 19; HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 25; Graf-Schlicker/Huber, § 135 Rz. 18; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 135 Rz. 3; OLG Düsseldorf v. 20.5.2014 – 12 U 87/13, ZIP 2015, 187 ff. Rn. 26; OLG München v. 19.3.2013 – 5 U 4332/12, ZInsO 2014, 897 (901); vgl. zum alten Recht BGH v. 8.11.2004 – II ZR 300/02, ZIP 2005, 82 ff. Rz. 15; BGH v. 27.9.1976 – II ZR 162/75, BGHZ 67, 171; a.A. Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 7. 317 Vgl. Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rz. 58. Schfer

637

H Rz. 73a

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

H 73a Die Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird zu Recht als sehr kurz bemessen angesehen, da es durchaus Fälle gibt, in denen ein insolvenzreifes Unternehmen noch länger als ein Jahr bis zur Stellung des Insolvenzantrages fortgeführt wird.318 Im Schrifttum wird jedoch zutreffend auf die Möglichkeit der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO hingewiesen, da die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit häufig den Schluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Gesellschaft und dessen Kenntnis seitens der häufig über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft informierten Gesellschafter gestatte.319 Dabei wird die Anwendbarkeit des § 133 Abs. 1 InsO bereits für den Fall der Überschuldung der Gesellschaft und der entsprechenden Kenntnis des Gesellschafters, dessen Darlehen befriedigt wird, erwogen. Sei die Antragstellung nach § 15a InsO geboten, so benachteilige jede Befriedigung einzelner Gläubiger und damit auch eines Gesellschafters die Gläubigergesamtheit.320 H 74 § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO konkurriert im Falle der Befriedigung aus einer von der Gesellschaft gestellten Sicherheit mit dem Wertersatzanspruch wegen Unmöglichkeit der Rückgewähr der nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbaren Sicherheit, der nicht durch die Jahresfrist der Nr. 2 begrenzt ist und höher sein kann als der Anspruch auf Rückgewähr der Befriedigung, wenn das Sicherungsgut unter Wert verwertet wurde.321 bb) „Sperrwirkung“ des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegenüber § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO? H 74a Es erging schon bald eine Entscheidung des BGH zu der rechtsgrundsätzlichen Frage, ob § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine „Sperrwirkung“ gegenüber § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO in dem Sinne zukommt, dass die innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfolgte Befriedigung des Gesellschafters durch Verwertung einer von der Gesellschaft gestellten Sicherheit die Anfechtbarkeit der Sicherheitengewährung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, welche zehn Jahre zurückreicht, ausschließt:322 BGH-Urteil vom 18.7.2013 – BGHZ 198, 64 ff. H 74b Die Beklagte zu 1) (GmbH & Co. KG), an welcher der Beklagte zu 2) und dessen Bruder als Gesellschafter der Komplementär-GmbH und als Kommanditisten je zur Hälfte beteiligt waren, gewährte der Schuldnerin ab dem Jahr 2001 mehrere Darlehen, die sich zuletzt auf ca. 100 000 Euro beliefen. Zur Sicherung der Darlehensforderung trat die Schuldnerin der Beklagten zu 1) am 15.7.2004 eine ihr gegen eine Drittschuldnerin zustehende Forderung ab. Am 29.6.2007 zahlte die

318 319 320 321 322

Gehrlein, BB 2011, 1 (6). Vgl. Spliedt, ZIP 2009, 149 (154); Gehrlein, BB 2011, 1 (6). Gehrlein, BB 2011, 1 (6 f.). Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 11. BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 ff. mit im Ergebnis zust. Anm. von Altmeppen, ZIP 2013, 1745 ff. und Hölzle, ZIP 2013, 1992 ff. und abl. Anm. von Bitter, ZIP 2013, 1497 ff.

638 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 74d H

Drittschuldnerin, die sich in einem gerichtlichen Vergleich gegenüber der Schuldnerin zur Zahlung von ca. 57 000 Euro verpflichtet hatte, auf deren Weisung einen Betrag von ca. 40 000 Euro an die Beklagte zu 1). Bereits am 13.3.2007 hatte der Beklagte zu 2) für die seit dem Jahr 2003 mindestens bilanziell überschuldete Schuldnerin die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Auf den Eigenantrag der Schuldnerin vom 6.6.2009 wurde am 1.10.2009 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser verlangte letztlich mit Erfolg von der Beklagten zu 1) die Rückgewähr der empfangenen ca. 40 000 Euro. Nach der Würdigung des BGH waren die Voraussetzungen des § 135 Abs. 1 H 74c Nr. 1 InsO erfüllt, obwohl die zur Sicherheit abgetretene Forderung bereits früher als ein Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages eingezogen und die Beklagte zu 1) damit befriedigt worden war. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung323 entfalte § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Verhältnis zu § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO keine Sperrwirkung. Dies ergebe sich schon aus allgemeinen anfechtungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere daraus, dass jede Rechtshandlung selbständig auf ihre Ursächlichkeit für gläubigerbenachteiligende Folgen zu überprüfen sei, und zwar selbst dann, wenn sich die Rechtshandlungen wirtschaftlich ergänzten.324 Es stehe daher der Anfechtbarkeit einer innerhalb von zehn Jahren vor der Antragstellung gewährten Sicherung nicht entgegen, dass eine spätere, in der Verwertung liegende Befriedigung außerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unanfechtbar wäre. Der BGH ist somit nicht der Ansicht gefolgt, dass die Befriedigung durch Verwertung einer von der Gesellschaft gestellten Sicherheit außerhalb der Jahresfrist nicht anders beurteilt werden dürfe, als wenn der Gesellschafter durch Zahlung befriedigt worden wäre. Nach Ansicht des BGH ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch mit Hil- H 74d fe des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO ein konsequentes Anfechtungsregime habe einrichten wollen. Aus der Sicht der Gläubigergesamtheit bestehe ohnehin kein wertungsmäßiger Unterschied, ob eine Sicherung als masseschmälerndes Absonderungsrecht bei Verfahrenseröffnung noch bestehe oder sich infolge ihrer Verwertung bereits vorher masseverkürzend ausgewirkt habe. Könne eine mit geringem Stammkapital gegründete Gesellschaft überhaupt nur aufgrund ihr gewährter Gesellschafterdarlehen ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen, bestehe bei einer Sicherheitengewährung durch die Gesellschaft die Gefahr, dass bis zu einer etwaigen Insolvenz praktisch ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern vorbehalten bliebe. Bei einer solchen Vorgehensweise dürfte sich die Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO nach Ansicht des BGH als zu kurz erweisen. Die Inanspruchnahme einer Sicherung für ein Gesellschafterdarlehen belege, dass der Gesellschafter, der in die Rolle eines außenstehenden Dritten einzurücken 323 Vgl. Thiessen in Bork/Schäfer, GmbHG, 2. Aufl., Anh. zu § 30 Rz. 68; Saenger/Inhester/Kolmann, GmbHG, Anhang § 30 Rz. 177; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., Anhang § 30 Rz. 64; Reuter, Festschrift für Wellensiek (2011), S. 531 (535 f.). 324 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579 ff. Rz. 13; v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 ff. Rz. 25. Schfer

639

H Rz. 74d

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

suche, die Übernahme einer Finanzierungsverantwortung ablehne. Ein gesicherter Gesellschafter, der anders als im Falle der Gabe ungesicherter Darlehensmittel nicht um die Erfüllung seines Rückzahlungsanspruchs fürchten müsse, werde in Wahrnehmung der Geschäftsführung zur Eingehung unangemessener, wenn nicht gar unverantwortlicher, allein die ungesicherten Gläubiger treffender geschäftlicher Wagnisse neigen. Die Gewährung von Gesellschafterdarlehen, die durch das Gesellschaftsvermögen gesichert würden, sei daher mit einer ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung nicht vereinbar.325 Eine Anfechtung scheide daher nur aus, wenn der Gesellschafter außerhalb der Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO tatsächlich von der Gesellschaft selbst befriedigt werde und deshalb von der ihm gewährten Sicherung keinen Gebrauch mache. H 74e Der BGH lehnt zu Recht die Ansicht ab, dass eine anfechtungsrechtliche Relevanz der Gesellschafterfremdfinanzierung einschließlich deren Besicherung wegen des auf ein rein zeitliches Modell abstellenden § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erst innerhalb der Jahresfrist vor dem Eröffnungsantrag eintreten könne. Dies ist jedoch wertungsmäßig nur stimmig, wenn man auch die Neuregelungen als Ausprägung der Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters begreift. Ein Gesellschafterdarlehen kann nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht insolvenzfest besichert werden, und zwar auch schon außerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO.326 Geschieht dies dennoch, so unterliegt die Befriedigung auch außerhalb der Jahresfrist der Anfechtung. Der BGH bekräftigt in seinem Urteil ferner zu Recht, dass die Anfechtung auch dann begründet ist, wenn der Gesellschafter der Schuldnerin mit 50 % an der darlehensgebenden Gesellschaft beteiligt und zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist.327 H 74f Das Urteil des BGH vom 18.7.2013 hat im Schrifttum unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Das Hauptargument der Kritiker knüpft an die Erwägung an, dass eine Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen (also nicht aus der von der Gesellschaft gestellten Sicherheit) außerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtungsfest sei; also müsse auch die Befriedigung durch Verwertung der Sicherheit aus dem Gesellschaftsvermögen anfechtungsfest sein, wenn sie außerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfolgt sei.328 Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine schon bei der Darlehensgewährung bestellte Sicherheit unterliege nicht der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wobei auf die Regelung über das Bargeschäft in § 142 InsO verwiesen wird.329 H 74g Es kann indes nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO – und damit auch § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO – im Zusammenhang mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu sehen ist, wonach Forderungen auf Rückgewähr eines Gesell325 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579 ff. Rz. 19 mit Hinweis auf Engert, ZGR 2004, 813 (831). 326 Vgl. Altmeppen, ZIP 2013, 1745 (1751). 327 Vgl. dazu ferner BGH v. 13.12.2004 – II ZR 206/02, WM 2005, 176 (177); v. 28.2.2012 – II ZR 115/11, ZIP 2012, 865 ff. Rz. 20. 328 Vgl. HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 17; Altmeppen, ZIP 2013 (1745); Mylich, ZIP 2013, 2444 (2445). 329 Bitter, ZIP 2013, 1497 (1506 f.); Marotzke, ZInsO 2013, 641 (652 f.); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 13.

640 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 74i H

schafterdarlehens bzw. gleichgestellte Forderungen nur nachrangig zu befriedigen sind. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO dient der Durchsetzung des für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordneten Nachrangs von Gesellschafterdarlehen im Fall der Befriedigung im Vorfeld der Insolvenz.330 Durch § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird der Gesetzeszweck des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf Rechtshandlungen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung erweitert, um zu verhindern, dass § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO „leerläuft“. Dementsprechend ist auch § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO Ausdruck des Rechtsgedankens, dass eine Sicherung für ein Gesellschafterdarlehen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag gewährt wurde, keine Grundlage für eine insolvenzfeste (vorrangige) Befriedigung bilden soll.331 Mit diesem Rechtsgedanken ist die Annahme des BGH durchaus vereinbar, dass H 74h auch jener Gläubiger keine anfechtungsfeste Befriedigung erlange, dem es noch vor der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gelungen sei, Befriedigung durch Verwertung der ihm gewährten Sicherheit aus dem Gesellschaftsvermögen zu erlangen.332 Der BGH weist zu Recht darauf hin, dass nach der Interessenlage der Gläubigergesamtheit kein wertungsmäßiger Unterschied bestehe, ob eine Sicherung als masseschmälerndes Absonderungsrecht bei der Verfahrenseröffnung noch bestehe oder sich infolge ihrer Verwertung bereits zuvor masseverkürzend ausgewirkt habe.333 Die mit der Zehnjahresfrist versehene Sicherung ist der Grundtatbestand, weil sie dem Gesellschafter einen Vorteil bietet, welcher wirtschaftlich der Befriedigung gleichkommt.334 Zuzustimmen ist somit auch jener Auffassung, die annimmt, dass der Insolvenzverwalter in der Regel nicht auf die Anfechtung der (noch nach der Insolvenzeröffnung bestehenden) Sicherheit nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO angewiesen sei, da diese wegen der Nachrangigkeit der gesicherten Forderung in der Regel gar nicht geltend gemacht werden könne.335 Es ist daher mit dem Gesetzeszweck des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht vereinbar, H 74i anfängliche Sicherheitenbestellungen aus dem Anwendungsbereich der Norm auszunehmen. Auch die Regelung über das Bargeschäft in § 142 InsO bietet dafür keine Grundlage.336 Als zu sehr dem Wortlaut verhaftet und den Gesetzeszweck nicht hinreichend berücksichtigend ist auch jene Auffassung anzusehen, wonach eine nachrangige Forderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nach neuem Recht erst innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO entstehen könne, so dass die außerhalb der Jahresfrist erfolgte Verwertung der Gesellschaftssicherheit nicht angefochten werden könne.337 Sicherheiten sollen nach 330 Vgl. U. Huber/Habersack, BB 2006, 1; Gehrlein, BB 2008, 846 (852); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 5; B. Schäfer, MDR 2012, 262 (263); Thiessen, ZGR 2015, 396 (428). 331 Vgl. HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 14. 332 Im Ergebnis zustimmend Bork, EWiR 2013, 521 (522); Graf-Schlicker/Neußner, § 135 Rz. 16; a.A. HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 17 ff. 333 BGH v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579 ff. Rz. 17. 334 Kayser, WM 2015, 1973 (1977). 335 Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 10 a.E.; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rz. 11; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 10; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 30 Rz. 14, 69. 336 Zutr. HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 16; K. Schmidt, § 135 Rz. 16; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 10; Altmeppen, ZIP 2013, 1745 (1749). 337 Vgl. Altmeppen, ZIP 2013, 1745 (1747). Schfer

641

H Rz. 74i

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers über den Zeitraum des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO hinaus anfechtbar sein. Auch im Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wurde im strengen Wortsinn keine nachrangige Forderung befriedigt, da der Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erst mit der Insolvenzeröffnung eintritt. Nicht zu folgen ist schließlich auch jener Ansicht, die das wesentliche Kriterium für die Auslegung des § 135 Abs. 1 InsO im Informationsvorsprung des Gesellschafters gegenüber außenstehenden Gläubigern sieht.338 H 74j Die Erwägung, wenn der Gesellschafter außerhalb der Jahresfrist insolvenzfest aus dem Gesellschaftsvermögen befriedigt werden könne, so müsse ihm außerhalb dieser Frist auch die insolvenzfeste Befriedigung durch Verwertung einer ihm gewährten Gesellschaftssicherheit möglich sein,339 erscheint zwar zunächst plausibel. Praktisch gesehen ist es jedoch ein Unterschied, ob ein ungesicherter Gesellschafter, der die künftige Insolvenz der Gesellschaft vorausahnt, die frühzeitige Befriedigung durch die Gesellschaft durchsetzen muss oder ob ein gesicherter Gesellschafter die Voraussetzungen herbeiführt, um auf die ihm gewährte Gesellschaftssicherheit zugreifen zu können. Vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks erscheint daher die Auffassung des BGH als vertretbar, zumal die Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sehr kurz ist. cc) Einzelfälle H 75 Auch die Aufhebung einer „harten“ Patronatserklärung stellt eine anfechtbare Befriedigung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar.340 Eine anfechtbare Befriedigung erlangt der Gesellschafter ferner in dem Fall, dass das Darlehen auf seine Anweisung einem Dritten zurückgezahlt wird. H 76 Daneben kommt eine Anfechtung der Darlehensrückzahlung gegenüber dem Dritten nach den §§ 130, 131 und 133 InsO in Betracht.341 § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist darüber hinaus anwendbar, wenn die Gesellschaft eine Sicherung abgelöst hat, die sie für einen Kredit des Gesellschafters gestellt hatte, sofern sie auf den Rückgriffsanspruch gegen den Gesellschafter verzichtet hat.342 H 76a § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO findet im Grundsatz auch im Fall eines „Cash-Pools“ Anwendung.343 Die in einen Cash-Pool eingebundenen Unternehmen sind in der Regel gesellschaftsrechtlich so verbunden, dass sie dem persönlichen Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterfallen, insbesondere wenn die Cash-Pool-Führerin Allein- oder Mehrheitsgesellschafterin der übrigen Gesellschaften ist. Diese läuft Gefahr, dass ihre Verrechnungen nach den §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unwirksam sind und sie ihre Forderungen nur als

338 Thole, NZI 2013, 745 (746); Mylich, ZIP 2013, 2444 (2446). 339 Vgl. HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 17. 340 Vgl. OLG München v. 22.7.2004 – 19 U 1867/04, ZIP 2004, 2102 ff.; Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 11; a.A. K. Schmidt, § 135 Rz. 19. 341 Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 12. 342 Jaeger/Henckel, § 135 Rz. 11. 343 Vgl. HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 13; HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 33a.

642 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 76b H

nachrangige Insolvenzforderungen geltend machen kann.344 Zwar verschafft der Eintritt der Aufrechnungslage dem Gläubiger zunächst nur eine Sicherung. Da der Aufrechnungslage jedoch „Erfüllungsäquivalenz“ zukommt, geht die herrschende Meinung zu Recht von der Anwendbarkeit des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO und nicht jener des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO aus.345 Im Schrifttum wird zum Teil in Anlehnung an die bankmäßige Kontokorrentverrechnung angenommen, dass auch bei einem Cash-Pool das Bargeschäftsprivileg nach § 142 InsO eingreife und nur der Saldo zwischen den Ein- und Ausgängen während des letzten Jahres vor der Stellung des Insolvenzantrages der Anfechtung unterliege, da die Funktion der Poolführerin weniger der eines Kreditgebers, sondern eher jener einer Zahlstelle entspreche.346 Stellt man demgegenüber auf die Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Sollstand (innerhalb des Anfechtungszeitraums) ab,347 weicht man von der Behandlung von Kontokorrentkrediten außerhalb des Rechts der Gesellschafterdarlehen ab, denn dort ist der Betrag maßgebend, um den die verrechneten Einzahlungen die berücksichtigungsfähigen Auszahlungen im Anfechtungszeitraum (Endzeitpunkt: Stellung des Insolvenzantrages oder danach bis zur Verfahrenseröffnung) übersteigen.348 Diese Abweichung dürfte indes gerechtfertigt sein, weil die Rechtsprechung des BGH zum Kontokorrent entscheidend auf dem Bargeschäftsgedanken beruht, welcher im Rahmen der Gewährung von Gesellschafterdarlehen gerade nicht anwendbar ist.349 Der BGH hat in seiner Entscheidung zum „Staffelkredit“ vom 7.3.2013350 und in der Entscheidung vom 4.7.2013351 nicht auf den Gesichtspunkt des Bargeschäfts abgestellt.352 Besonderheiten können sich bei kurzfristigen Überbrückungskrediten ergeben, H 76b deren Tilgung im Grundsatz ebenfalls nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist.353 Gewährt etwa ein Gesellschafter seiner Gesellschaft fortlaufend zur Vorfinanzierung der von ihr abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge Kredite, die in der Art eines Kontokorrentkredits jeweils vor Erhalt des Nachfolgedarlehens mit Hilfe öffentlicher Beihilfen abgelöst werden, ist die Anfechtung wie bei einem Kontokorrentkredit auf die Verringerung des Schuldsaldos im Anfechtungszeitraum beschränkt. Ebenso wie in einem „echten“ Kontokorrent können Kre-

344 HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 33a. 345 Jaeger/Windel, § 94 Rz. 9; Brinkmann in Kübler/Prütting/Bork, Anh. I zu § 135 Rz. 42 f. 346 Vgl. Altmeppen, NZG 2010, 401 (404); Reuter, NZI 2011, 922 (926); HambKomm-InsO/ Schröder, § 135 Rz. 33a; abweichend HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 13, 16: Durchschnittssaldo; vgl. zur Kreditierung von Forderungen aus Warenlieferungen nach altem Recht ferner BGH v. 28.11.1994 – II ZR 77/93, ZIP 1995, 23 ff. 347 Vgl. BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 f. Rz. 26: „Umfang des höchsten zurückgeführten Darlehensstandes“. 348 Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff. 349 Vgl. Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 2.139. 350 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. 351 BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. 352 Vgl. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rz. 122. 353 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 Rz. 2; v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 14. Schfer

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H Rz. 76b

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

ditrückführungen in einem solchen Fall nicht in ihrer Summe, sondern nur bis zur eingeräumten Kreditobergrenze anfechtbar sein.354 In dem vom BGH durch Urteil vom 7.3.2013 entschiedenen Fall hatte die verklagte Stadt erkennbar nur bezweckt, der Schuldnerin (Gesellschaft zur Beschäftigungsförderung) fortwährend die zur Abführung der monatlich anfallenden Sozialversicherungsbeiträge benötigten Mittel vorzuschießen („Staffelkredit“).355 Anders als nach der früheren Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH zum Eigenkapitalersatzrecht356 ist die Anfechtung jedoch nicht auf den durchschnittlich offenen Darlehensbetrag beschränkt; sie ist vielmehr im Umfang des höchsten zurückgeführten Darlehensstandes begründet.357 H 76c

Wurde zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter ein qualifizierter Rangrücktritt vereinbart, kann eine im Stadium der Insolvenzreife von der Gesellschaft an den Gesellschafter bewirkte Zahlung nach der Rechtsprechung des BGH als unentgeltliche Leistung gemäß § 134 Abs. 1 InsO angefochten bzw. kondiziert werden.358 Aufgrund des Schuld- oder Schuldänderungsvertrages werde die Forderung mit dinglicher Kraft inhaltlich dahin umgewandelt, dass sie nicht mehr zu passivieren sei.359 In der Rangrücktrittsvereinbarung verwirkliche sich eine Durchsetzungssperre, die aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung der Bindung kapitalersetzender Darlehen entspreche.360 Als Vertrag zugunsten der Gläubigergesamtheit kann eine solche Vereinbarung nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH ab Eintritt der Insolvenzreife nicht durch eine Abrede des Schuldners mit dem Forderungsgläubiger aufgehoben werden, es sei denn, eine Insolvenzreife des Schuldners liegt nicht vor oder ist beseitigt.361 Einem Bereicherungsanspruch der Gesellschaft kann zwar bei Kenntnis vom Verstoß gegen das Zahlungsverbot § 814 BGB entgegenstehen. Der Anfechtbarkeit nach § 134 Abs. 1 InsO steht § 814 BGB jedoch nicht entgegen, weil diese Bestimmung auf das anfechtungsrechtliche Rückgewährverhältnis des § 143 Abs. 1 InsO nicht anzuwenden ist.362

H 76d Mit dieser Entscheidung ist zugleich die Streitfrage umgangen, ob § 135 InsO analog auf einen außenstehenden Drittgläubiger anwendbar ist, der freiwillig einen Rangrücktritt erklärt hat.363 Das OLG Düsseldorf hatte dies als Vorinstanz

354 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 16; MK-InsO/Kayser, § 129 Rz. 174a. 355 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 18 f. 356 Vgl. BGH v. 28.11.1994 – II ZR 77/93, ZIP 1995, 23 (24 f.); v. 11.10.2011 – II ZR 18/10, WM 2011, 2235 ff. Rz. 10. 357 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 26; Brinkmann in K. Schmidt/ Uhlenbruck, Rz. 2.139. 358 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff.; zu Recht kritisch gegenüber der Begründung des BGH: K. Schmidt, ZIP 2015, 901 ff.; Bork, EWiR 2015, 219 f. 359 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. Rz. 32. 360 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. Rz. 34. 361 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. Rz. 42. 362 Vgl. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. Rz. 46; v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. Rz. 15; v. 16.7.2009 – IX ZR 53/08, NZI 2010, 320 Rz. 3. 363 Dafür Bork, ZIP 2012, 2277 (2281) – dagegen Bitter, ZIP 2013, 2 (7): der Rangrücktritt mache aus dem Darlehen eines Nichtgesellschafters kein Gesellschafterdarlehen.

644 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 76g H

verneint.364 Eine Bindung des Dritten tritt nach dem Urteil des BGH indes bereits aufgrund der rechtsgeschäftlichen Rangrücktrittsvereinbarung ein. Zutreffend erscheint das Auslegungsergebnis des BGH, dass dem zur Vermeidung H 76e der Überschuldung erklärten Rangrücktritt auch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Rechtswirkung zukommt. Im Schrifttum wird jedoch zu Recht darauf hingwiesen, dass die vom BGH zu beurteilende Rangrücktrittsvereinbarung eigentlich nichts über ihre Aufhebbarkeit und über die Rückzahlbarkeit im beiderseitigen Einverständnis besagte.365 Die Rechtsfolgen des Urteils des BGH sind durchaus erheblich. Wird trotz des Rangrücktritts zurückgezahlt, liegt nicht nur eine inkongruente Deckung vor, wie es bei einer bloßen Stundungsvereinbarung (pactum de non petendo) der Fall wäre,366 sondern es ist eine Leistung auf eine Nichtschuld gegeben, die nach § 134 Abs. 1 InsO wesentlich länger anfechtbar ist. Aus der Durchsetzungssperre wird ein Zahlungsverbot.367 Die Annahme eines pactum de non petendo erschiene nach Ansicht des BGH als H 76f nicht sachgerecht, da dadurch ein bloßes, in seiner Ausübung im Belieben des Schuldners stehendes Leistungsverweigerungsrecht begründet würde und die Forderung weiterhin im Überschuldungsstatus zu berücksichtigen wäre.368 Dagegen wird indes zu Recht eingewandt, dass der Überschuldungstatbestand einen solchen Schutz gegen das Belieben der Parteien nicht kenne.369 Die Nichtausübung des Leistungsverweigerungsrechts hätte dann eben die Überschuldung zur Folge. Rechtsdogmatisch läst sich die Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter kaum begründen. Die Annahme einer Durchsetzungssperre hätte vielmehr ausgereicht.370 K. Schmidt weist zu Recht darauf hin, dass die rechtliche Würdigung des BGH H 76g zu steuerrechtlichen Problemen führen könnte.371 Denn der Bundesfinanzhof habe durch Urteil vom 15.4.2015372 entschieden, dass eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen sei, dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG unterliege (Problem des „Wegfallgewinns“).373 Ein hierdurch ausgelöster „Wegfallgewinn“ ist durch den Ansatz einer Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der fraglichen Forderung zu neutralisieren. Auch der BGH spricht davon, dass die Forderung aufgrund des Schuld- oder Schuldänderungsvertrages nicht

364 Vgl. OLG Düsseldorf v. 20.5.2014 – 12 U 87/13, ZIP 2015, 197 ff. 365 K. Schmidt, ZIP 2015, 901 ff. (905). 366 Vgl. BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. Rz. 30 f.; K. Schmidt, § 39 Rz. 22. 367 K. Schmidt, ZIP 2015, 901 ff. (906/907). 368 BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. Rz. 31. 369 K. Schmidt, ZIP 2015, 901 ff. (908). 370 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2015, 901 ff. (909). 371 K. Schmidt, BB 2016, 2 ff. 372 BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, BFHE 249, 493 ff. 373 K. Schmidt, BB 2016, 3. Schfer

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H Rz. 76g

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

mehr zu passivieren sei374 K. Schmidt plädiert deshalb für die Anerkennung eines „unspezifizierten Rangrücktritts“ als gleichzeitig überschuldungsvermeidend und steuerunschädlich.375 2. Anfechtbarkeit der Befriedigung eines gesellschafterbesicherten Drittdarlehens (§ 135 Abs. 2 InsO) a) Früheres Recht H 77 Schon nach § 32a Abs. 2 GmbHG konnte ein Dritter, welcher der kreditunwürdigen Gesellschaft ein Darlehen unter Besicherung durch den Gesellschafter gewährt hatte, im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur für den Betrag verhältnismäßige Befriedigung verlangen, mit dem er bei der Inanspruchnahme der Sicherung oder des Bürgen ausgefallen war. Beide Formen der Fremdfinanzierung – Hingabe eines Darlehens oder Stellung einer Sicherheit durch den Gesellschafter für ein von der Gesellschaft aufgenommenes Fremddarlehen – wurden zu Recht unter dem Blickwinkel der Erhaltung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft als wirtschaftlich austauschbar angesehen. Für die Verschlechterung der Befriedigungsaussichten der Gesellschaftsgläubiger machte es im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Gesellschaft das ihr anstelle von Eigenkapital gewährte Darlehen an den Gesellschafter oder aber an einen außenstehenden Dritten zurückzahlte und damit zugleich den Gesellschafter von seiner Haftung mit der von ihm für dieses Darlehen gestellten Sicherheit befreite.376 H 78 Hatte die Gesellschaft das Darlehen im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages zurückgezahlt, so hatte der Gesellschafter der Gesellschaft den zurückgezahlten Betrag gemäß § 32b GmbHG zu erstatten bzw. der Gesellschaft den Sicherungsgegenstand zum Zwecke der Befriedigung zur Verfügung zu stellen. Dabei wurde § 32b GmbHG trotz seiner systematischen Stellung im Gesellschaftsrecht schon immer der Sache nach als Anfechtungstatbestand angesehen.377 Diese Rechtsgrundsätze des früheren Eigenkapitalersatzrechts werden im Wesentlichen durch die §§ 44a, 135 Abs. 2 InsO fortgeführt. Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen, sind nach § 135 Abs. 2 Halbs. 2 InsO gleichgestellt. Trotz des verkürzten Wortlauts ist eine analoge Anwendung der Bestimmung auf gleichgestellte Personen geboten.378 b) Grundsätze der Neuregelung in den §§ 44a, 135 Abs. 2 InsO H 79 Nach § 44a InsO muss sich der durch eine Sicherheit des Gesellschafters gesicherte Gläubiger im Insolvenzverfahren vorrangig aus der Gesellschaftersicherheit befriedigen, denn die Besicherung durch den Gesellschafter stellt ebenfalls ein wirtschaftlich der Darlehensgewährung vergleichbares Verhalten dar.379 Es 374 375 376 377 378 379

BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 ff. Rz. 32. Vgl. K. Schmidt, BB 2016, 5. BGH v. 20.9.1993 – II ZR 151/92, BGHZ 123, 289 (292). K. Schmidt, ZIP 1999, 1821 (1822); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 15. Vgl. HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 45. BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 18; v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. Rz. 18; Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 15.

646 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 81 H

macht im Hinblick auf die geschützten Gläubigerinteressen keinen wesentlichen Unterschied, ob der Gesellschafter der Gesellschaft ein Darlehen gewährt oder ob er sein Vermögen einsetzt, um der Gesellschaft die Kreditaufnahme bei einem Dritten zu ermöglichen.380 Das Gesellschaftsvermögen soll daher möglichst von vornherein vor dem Zugriff des Gläubigers verschont werden; die Gesellschaftersicherheit wird abwicklungstechnisch wie Vermögen der Gesellschaft behandelt.381 Der Gläubiger kann daher nur anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit er bei der Inanspruchnahme der Sicherheit des Gesellschafters ausgefallen ist. Hat der Gesellschafter zugunsten der Gesellschaft einem Dritten eine Sicherheit gewährt, besteht die Gefahr, dass der Gesellschafter nach dem Zugriff des Dritten auf die ihm gewährte Sicherheit bei der Gesellschaft Regress sucht. Ein solcher Regress ist dem Gesellschafter gemäß § 135 Abs. 2 InsO verwehrt.382 § 135 Abs. 2 InsO ergänzt § 44a InsO im Hinblick auf Tilgungsvorgänge im Vor- H 80 feld der Insolvenzeröffnung. Die Bestimmung führt die früher in § 32b GmbHG enthaltene Regelung fort, die trotz ihrer Stellung im Gesellschaftsrecht schon immer der Sache nach als Anfechtungstatbestand angesehen wurde.383 Wurde das vom Gesellschafter besicherte Drittdarlehen im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages zurückgezahlt und der sichernde Gesellschafter dadurch frei, so ist dieser Vorgang gemäß § 135 Abs. 2 InsO anfechtbar. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die Anfechtung nicht etwa gegen den Gläubiger richtet, der Befriedigung für seine gesicherte Forderung erlangt hat, wofür der irreführende Wortlaut des § 135 Abs. 2 InsO für sich genommen sprechen könnte. § 135 Abs. 2 InsO wird vielmehr durch § 143 Abs. 3 InsO ergänzt. Danach hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung bis zur Höhe des Wertes der von ihm bestellten Sicherheit zur Insolvenzmasse zu erstatten. Durch § 143 Abs. 3 Satz 3 InsO wird dem Gesellschafter eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt.384 Danach wird er von seiner Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt. Als Gesellschaftersicherheiten kommen neben den in § 135 Abs. 2 InsO aus- H 81 drücklich genannten Bürgschaften sämtliche Personalsicherheiten, insbesondere Schuldbeitritte, Schuldversprechen und harte Patronatserklärungen, Mobiliar- und Immobiliarsicherheiten, insbesondere Sicherungseigentum, Kautionen und Grundpfandrechte, in Betracht.385

380 Vgl. Brinkmann in K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 2.148. 381 Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 19; vgl zu dem Sonderfall, dass eine Gesellschafterbürgschaft lediglich der Erfassung zukünftiger Vermögensverlagerungen des Hauptschuldners auf den Bürgen dient: OLG Frankfurt a.M. v. 11.11.2015 – 17 U 121/14, ZIP 2016, 733 ff. 382 Vgl. BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff. Rz. 18; MK-InsO/Gehrlein, § 135 Rz. 36. 383 Vgl. K. Schmidt, ZIP 1999, 1821 (1822); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 15. 384 Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 27. 385 Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 22. Schfer

647

H Rz. 82

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

H 82 Auch im Rahmen des § 135 Abs. 2 InsO ist der Begriff der „Rechtshandlung“ weit zu verstehen. Er umfasst jede wirtschaftlich zu Lasten der Gesellschaft gehende Befriedigung des Kreditgebers.386 Die zur Befriedigung des Dritten führende Rechtshandlung muss nicht von der Gesellschaft vorgenommen worden sein. Erfasst sind daher auch die Aufrechnung bzw. Verrechnung, die zwangsweise Tilgung im Wege der Zwangsvollstreckung und im Fall der Doppelsicherung die vorrangige Verwertung der von der Gesellschaft gewährten Sicherheit durch den Dritten.387 Nach altem Recht war der Gesellschafter verpflichtet, die Gesellschaft von ihrer Rückzahlungspflicht bei deren Fälligkeit freizustellen, um eine Inanspruchnahme der Gesellschaftssicherheit zu vermeiden.388 Von einer solchen Freistellungsverpflichtung des Gesellschafters geht der BGH auch nach neuem Recht aus.389 H 82a Eine Rechtshandlung der Gesellschaft liegt in der mit ihrer Bank getroffenen Kontokorrentabrede, wonach Einzahlungen zu einer Verringerung des Kreditsaldos führen. Erbringt der Gesellschafter auf der Grundlage der Kontokorrentvereinbarung aus seinem Vermögen eine Zahlung auf das Kreditkonto, ist dies als Rechtshandlung der Gesellschaft zu bewerten, wenn der Gesellschafter mit der Zahlung einen (künftigen) Rückgewähranspruch gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO tilgt.390 Eine Leistung der Gesellschaft ist auch dann gegeben, wenn der Gesellschafter eine gegen ihn bestehende Darlehensforderung der Gesellschaft durch Überweisung auf ein im Debet geführtes Gesellschaftskonto tilgt, für das er eine Bürgschaft übernommen hat, weil dadurch der von ihm besicherte Kredit der Gesellschaft zurückgeführt wurde.391 Ebenso verhält es sich, wenn der Gesellschafter, der für ein Konto der Gesellschaft eine Sicherung übernommen hat, unberechtigt Forderungen der Gesellschaft eingezogen und mit den eingezogenen Beträgen das der Gesellschaft gewährte Darlehen zurückgezahlt hat, worauf er von der Bank aus der Bankgarantie entlassen wurde.392 H 82b § 135 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO ist auch dann anwendbar, wenn vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft eine vom Gesellschafter gestellte Sicherheit zugunsten eines Gesellschaftsgläubigers verwertet und der verbleibende Erlös zugunsten des Gesellschafters auf einem Kapitalkonto II gutgeschrieben wurde, welches Forderungen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter ausweist. Die nach § 135 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO erforderliche Rechtshandlung der Gesellschaft ist in der Gutschrift des Verwertungserlöses zugunsten des Gesellschafters zu sehen, durch welche die Aufrechnungs- bzw. Verrechnungslage herbeigeführt wurde. Unerheblich ist es nach Sinn und Zweck 386 Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 17. 387 Vgl. Graf-Schlicker/Huber, § 135 Rz. 28; BGH v. 19.11.1984 – II ZR 84/84, NJW 1985, 858 f. 388 BGH v. 9.12.1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 108 f. 389 Vgl. BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 18. 390 BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 ff.; MK-InsO/Gehrlein, § 135 Rz. 39. 391 BGH v. 14.3.2005 – II ZR 129/03, WM 2005, 695 f.; MK-InsO/Gehrlein, § 135 Rz. 39. 392 Vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 26.3.1999 – 10 U 37/98, NZG 1999, 948 ff.; MK-InsO/ Gehrlein, § 135 Rz. 39.

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III. Einzelheiten

Rz. 85 H

des § 135 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO, dass die Rechtshandlung nicht gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft vorgenommen wurde. Es reicht aus, dass der Gesellschafter von der Gesellschaft so behandelt wurde, wie wenn er bei ihr Regress genommen hätte. Führt die Gesellschaft einen von ihrem Gesellschafter besicherten Kontokor- H 83 rentkredit zurück, indem der vorläufige Insolvenzverwalter Einziehungsaufträge oder Abbuchungsermächtigungen widerruft, kann die dadurch bedingte Befreiung von der Sicherung gegenüber dem Gesellschafter angefochten werden.393 Wer für ein der Gesellschaft gewährtes Darlehen eine Sicherung übernimmt und später Gesellschafter wird, unterliegt der Anfechtung, da es nicht mehr auf eine innerhalb der Anfechtungsfrist getroffene Finanzierungsentscheidung ankommt.394 Der BGH bekräftigt im Urteil vom 20.2.1014 ferner, dass der Gesellschafter vor der Insolvenzeröffnung verpflichtet war, die Gesellschaft von der Inanspruchnahme durch den Darlehensgeber freizustellen.395 c) Doppelsicherung durch Gesellschaft und Gesellschafter aa) Erstattungspflicht des Gesellschafters bei Verwertung der Gesellschaftssicherheit in der Insolvenz Wurde der Gesellschafter im Fall einer Doppelsicherung durch ihn und die Ge- H 84 sellschaft vor der Insolvenzeröffnung teilweise oder ganz von der Haftung frei, so wird dies zweifellos von den §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO erfasst. Streitig ist jedoch, was gilt, wenn die Doppelsicherung noch zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung fortbestanden hat und der Insolvenzverwalter vor der Frage steht, welche Sicherheit er verwerten soll. Verwertet der Insolvenzverwalter vorrangig die Gesellschaftssicherheit, so greifen die §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO bei gesetzessystematischer Betrachtung nicht ein, denn nach der Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO erfasst die Anfechtung nur Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. Nur für eng begrenzte und im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägige Fälle sieht § 147 InsO insoweit eine Ausnahme vor. Das Oberlandesgericht Hamm hat durch ein Urteil vom 29.12.2010396 über einen Fall entschieden, der die hiermit verbundenen Rechtsfragen und deren praktische Bedeutung verdeutlicht: Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 29.12.2010 – ZIP 2011, 343 ff. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH hatte in einem nach H 85 dem Stichtag des 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren von der GmbH zur Sicherheit übereignete Kraftfahrzeuge zum Zwecke der Tilgung einer Verbindlichkeit gegenüber einer Sparkasse verwertet. Der Insolvenzverwalter hatte ge-

393 394 395 396

BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 15. Vgl. BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 18. OLG Hamm v. 29.12.2010 – 8 U 85/10, ZIP 2011, 343 ff.; anders hingegen OLG Hamm v. 7.4.2011 – 27 U 94/10, ZIP 2011, 1226 ff. Schfer

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H Rz. 85

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

gen einen Gesellschafter geklagt, der ebenfalls Sicherheiten gestellt hatte und durch die Verwertung der Gesellschaftssicherheiten freigeworden war. H 86 Das Oberlandesgericht Hamm hat die Klage als unbegründet angesehen. Eine analoge Anwendung der Anfechtungsregeln der §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO komme nicht in Betracht. Die Beschränkung des Anfechtungsrechts auf solche Rechtshandlungen, die vor der Verfahrenseröffnung vorgenommen worden seien, sei ein Strukturmerkmal des Insolvenzrechts, dessen Abänderung auch im Falle etwaiger Schutzlücken dem Gesetzgeber vorbehalten sei.397 H 87 Die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm traf nicht zu, wie der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 1.12.2011398 entschieden hat. Danach ist der Gesellschafter in analoger Anwendung des § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrages zur Insolvenzmasse verpflichtet, wenn die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt wurde. Die Sondervorschrift des § 143 Abs. 3 InsO wird als eigener Anfechtungstatbestand begriffen, der im Zusammenspiel mit § 135 Abs. 2 InsO die Anfechtung ermöglicht.399 Die herrschende Meinung im Schrifttum ging zu Recht davon aus, dass § 44a InsO den Gläubiger – und auch den Insolvenzverwalter – nicht dazu zwingt, vorrangig die Gesellschaftersicherheit in Anspruch zu nehmen. Denn der Drittgläubiger ist nicht Adressat der Bestimmungen über Gesellschafterdarlehen, und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber an dem unter der Geltung des alten Rechts anerkannten Wahlrecht des Sicherungsnehmers etwas ändern wollte.400 § 44a InsO ist eine reine Verfahrensvorschrift, der keine materiell-rechtliche Bedeutung zukommt. Nach herrschender Auffassung kann daher der Drittgläubiger seine Forderung in voller Höhe zur Tabelle anmelden (vgl. § 43 InsO). Seine Quote berechnet sich aus der ungekürzten Forderung; sie wird allerdings nur bis zur Höhe des nachgewiesenen Ausfalls ausgezahlt.401 Die Quote des Drittgläubigers ist somit nicht nur aus dem Ausfallbetrag zu berechnen.402 H 88 Den Neuregelungen nach dem „MoMiG“ ist auch weiterhin der klare Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, dass vorrangig der Sicherheit gewährende Gesellschafter in Anspruch genommen werden soll. Auch die Neuregelungen beruhen auf einem Restbestand des Gedankens der Finanzierungs(folgen)verantwor397 398 399 400

OLG Hamm v. 29.12.2010 – 8 U 85/10, ZIP 2011, 343 ff. Rz. 36. BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 ff. Vgl. Kayser, WM 2015, 1973 (1979). Vgl. Altmeppen, ZIP 2011, 741 (742); Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 44a Rz. 13; Uhlenbruck/Hirte, § 44a Rz. 7; Graf-Schlicker/Neußner, § 44a Rz. 10; Spliedt, ZIP 2009, 149 (154 f.); zum Aktienrecht Drygala in Kölner Kommentar, § 57 Rz. 186; a.A. Gundlach/Frenzel/Strandmann, DZWIR 2010, 232 ff.; wohl auch K. Schmidt, BB 2008, 1966 (1970). 401 Altmeppen, ZIP 2011, 741 (743); Gehrlein, BB 2008, 846 (852); Scholz/K. Schmidt, 10. Aufl., Band III, Nachtrag zum MoMiG, §§ 32a/b a.F. Rz. 57; HambKomm-InsO/ Lüdtke, § 44a Rz. 19. 402 So Hirte, ZInsO 2008, 689 (696).

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tung. Dem Gesellschafter ist es nicht gestattet, das mit der Fremdfinanzierung geschaffene Risiko in der Insolvenz der Gesellschaft auf die Gesellschaftsgläubiger abzuwälzen.403 Nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers soll der Regress beim Gesellschafter nicht davon abhängen, ob die Verwertung der Gesellschaftssicherheit schon vor oder erst nach der Insolvenzeröffnung erfolgte.404 Dies gebietet die analoge Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO, ohne dass dieser Annahme rechtssystematische Gründe zwingend entgegenstünden.405 Selbst wenn aber die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 143 H 89 Abs. 3 InsO nicht gegeben gewesen wären, wäre zumindest eine Anfechtung nach den §§ 130 ff. InsO in Betracht gekommen. Der im Urteil des Oberlandesgerichts Hamm verklagte alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer war auch nach dem erkennbaren Willen des „MoMiG“-Gesetzgebers verpflichtet, rechtzeitig vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dafür Sorge zu tragen, dass nicht die von der Gesellschaft gestellte Sicherheit, sondern vorrangig die von ihm gestellte Sicherheit in Anspruch genommen wurde.406 Die Erfüllung dieser Rechtspflicht zum Handeln ist dem Beklagten mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin mit der Folge unmöglich geworden, dass eine vorrangige Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit nicht mehr möglich ist. Dieses Unterlassen ist gemäß § 131 InsO und wohl auch nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, da der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft kennt.407 Im Schrifttum wurde im Anschluss an das Urteil des BGH eine teleologische Re- H 89a duktion des § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO in dem Sinne zur Diskussion gestellt, dass dem außenstehenden Gläubiger – solange die Sicherheiten der Gesellschaft und des Gesellschafters nicht verwertet seien – zunächst nur ein Sicherstellungsanspruch zustehe und die Gesellschaftersicherheit vorrangig zu verwerten sei.408 Das OLG Stuttgart hat insoweit jedoch durch Urteil vom 26.9.2012409 anders entschieden. Das Wahlrecht des Gläubigers werde allein durch das Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB begrenzt. bb) Verzicht des Gläubigers gegenüber dem Gesellschafter Ein Anspruch der Gesellschaft nach den §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO besteht H 89b gegen den Gesellschafter auch dann, wenn der Gläubiger in Absprache mit dem Gesellschafter vor der Rückführung der Gesellschaftsschuld durch die Insol403 Altmeppen, ZIP 2011, 741 (747); B. Schäfer, ZInsO 2010, 1311 ff. 404 Altmeppen, ZIP 2011, 741 (745). 405 Vgl. OLG Hamm v. 7.4.2011 – 27 U 94/10, ZIP 2011, 1226 ff.; Spliedt, ZIP 2009, 149 (154 f.); Graf-Schlicker/Neußner, § 44a Rz. 10; Drygala in Kölner Kommentar zum Aktienrecht, § 57 Rz. 187. 406 Vgl. zum alten Recht BGH v. 9.12.1991 – II ZR 43/91, NJW 1992, 1166 f.; v. 26.1.2009 – II ZR 260/07 – „Gut Buschow“, BGHZ 179, 249 ff. Rz. 10 f. 407 Vgl. dazu noch Bork, Festschrift für Ganter (2010), S. 135 (150 f.): Regressanspruch des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter analog § 426 Abs. 1 BGB. 408 Vgl. Hill, ZInsO 2012, 910 ff. 409 OLG Stuttgart v. 26.9.2012 – 9 U 65/12, ZInsO 2012, 2051 ff.; vgl. zum alten Recht BGH v. 2.6.1997 – II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648 ff. Rz. 15. Schfer

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venzschuldnerin innerhalb eines Jahres vor dem Eröffnungsantrag oder danach auf die weitere Inanspruchnahme des Gesellschafters aus der Gesellschaftersicherheit verzichtet. Dieser Erlassvertrag hat nur im Verhältnis zwischen Gläubiger und Gesellschafter Wirkung und lässt den Anspruch der Insolvenzschuldnerin nach den §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO unberührt.410 Der Verzicht ist im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und der Gesellschaft nicht wirksam, weil sich nur so die dem Konzept der §§ 44a, 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO zugrunde liegende vorrangige Haftung der Gesellschaftersicherheit verwirklichen lässt.411 Der gläubigerschützende Zweck dieser Bestimmungen, wonach vorrangig die Gesellschaftersicherheit zu verwerten ist, kann nicht durch eine Vereinbarung zwischen einem einzelnen Gläubiger und dem Gesellschafter zu Lasten der späteren Insolvenzgläubiger ausgehebelt werden. Verzichtet der Darlehensgeber innerhalb der Jahresfrist auf die Gesellschaftersicherheit, muss dies nach einer Ansicht im Schrifttum einer Rückzahlung durch die Gesellschaft im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gleichstehen, da der Dritte nicht seine Stellung als Insolvenzgläubiger dadurch verbessern könne, dass er eine vorhandene Gesellschaftersicherheit aufgebe.412 Nach anderer Auffassung scheidet eine Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO aus, wenn der Dritte vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Sicherheit des Gesellschafters verzichtet und danach die von der Gesellschaft gestellte Sicherheit verwertet hat. Anders als nach früherem Recht begründe ein solcher Verzicht auch keinen Erstattungsanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, da darin kein einer Kapitalrückzahlung vergleichbarer Vorgang mehr zu sehen sei.413 Auch eine Anfechtung nach den Tatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung (§§ 130 bis 132 InsO) scheidet dem Wortlaut nach mangels Sicherung bzw. Befriedigung des Gläubigers aus. § 133 Abs. 1 InsO ist in Ermangelung einer Rechtshandlung des Schuldners ebenfalls nicht anwendbar. Es liegt indes auf der Hand, dass diese Auffassung gravierende Schutzlücken zur Folge hat,414 die durch eine analoge Anwendung des § 135 Abs. 2 InsO zu schließen sind.415 Nach meiner Auffassung trifft es nicht zu, dass sich nur für die Zeit nach der Verfahrenseröffnung aus den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44a InsO eine vorrangige Lastentragung des Gesellschafters ableiten lässt.416 Eine Gesellschaftersicherheit wird anfechtungsrechtlich wie Vermögen der Gesellschaft behandelt und die Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung der Rückführung eines Gesellschafterdarlehens gleichgestellt. Deswegen liegt in der auf Kosten der Gesellschaft erlangten Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung eine Gläubigerbenachteiligung.417 Innerhalb der kritischen Jahres410 OLG Stuttgart v. 14.3.2012 – 14 U 28/11, ZIP 2012, 834 ff.; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., Anh. § 30 Rz. 97, 99; K. Schmidt, § 135 Rz. 25. 411 Vgl. OLG Stuttgart v. 14.3.2012 – 14 U 28/11, ZIP 2012, 834 ff.; Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 18; HK-InsO/Kleindiek, § 143 Rz. 37 i.V.m. § 44a Rz. 9; Preuß in Kübler/ Prütting/Bork, § 135 Rz. 34, 36. 412 Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., Anh. § 30 Rz. 97. 413 LG Kleve v. 3.3.2015 – 4 O 35/13, ZIP 2015, 988 ff.; MK-InsO/Gehrlein, § 135 Rz. 39. 414 Dies verkennt Thole, ZIP 2015, 1609 (1616). 415 Vgl. dazu noch Thole, ZIP 2015, 1609 (1616), der allerdings eine analoge Anwendbarkeit des § 135 Abs. 2 InsO bezweifelt. 416 So Thole, ZIP 2015, 1609 (1617). 417 BGH v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 ff. Rz. 18.

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frist soll der Gesellschafter seine Kredithilfe nicht mehr in befreiender Weise abziehen können, auch nicht mit Hilfe des Sicherungsnehmers.418 d) Rückzahlungen des drittbesichernden Gesellschafters auf Darlehensrückgewähr im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag Ein Urteil des BGH vom 4.7.2013419 verdeutlicht die Rechtsfolgen, wenn ein Ge- H 89c sellschafter, der ein Drittdarlehen besichert hat und dem im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag von der Gesellschaft Darlehen zurückgewährt wurden, die erhaltenen Beträge an die Gesellschaft zurückgezahlt hat, um die ursprüngliche Vermögenslage wiederherzustellen: BGH-Urteil vom 4.7.2013 – ZIP 2013, 1629 ff. Der verklagte Gesellschafter gewährte der Schuldnerin, die in den Jahren 2003 H 89d bis 2007 fortlaufend nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge in beträchtlicher Höhe erwirtschaftet hatte, fortlaufend Darlehen. Im Zeitraum vom 23.5 2008 bis zum 5.2.2009 zahlte die Schuldnerin dem Beklagten in 13 Teilbeträgen insgesamt 55 000 Euro zur Begleichung seiner Darlehensforderungen zurück. Die Zahlungen wurden über ein bis höchstens zur eingeräumten Kreditlinie von 140 000 Euro ständig im Soll stehendes Kontokorrentkonto der Schuldnerin bei der C. vorgenommen. In der Zeit vom 5.9.2008 bis zum 9.2.2009 zahlte der Beklagte seinerseits an die Schuldnerin insgesamt 75 500 Euro auf dasselbe Konto, für das er gegenüber der Bank eine Bürgschaft bis zum Betrag von 40 000 Euro übernommen und ein Wertpapierdepot bis zum Betrag von 100 000 Euro verpfändet hatte. Auf Antrag vom 5.3.2009 wurde am 24.4.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser forderte vom Beklagten die Rückzahlung der empfangenen 55 000 Euro und stützte seine Klage auch auf die Zahlungen des Beklagten an die Schuldnerin. Nach der Behauptung des Beklagten hatte er 75 500 Euro an die Schuldnerin zurückgezahlt, weil sein Steuerberater erklärt hatte, die an ihn geleisteten Darlehensrückzahlungen könnten anfechtbar sein. Das Landgericht gab der Klage in voller Höhe statt. Auf die Berufung des Beklagten wurde er zur Zahlung von 17 000 Euro verurteilt. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der BGH stellt zunächst klar, dass die nach § 135 Abs. 2 InsO vorausgesetzte H 89e Rechtshandlung der Schuldnerin gegeben sei; dass es durch die Einzahlungen des Beklagten infolge der Verrechnung zu einer Rückführung des Kontokorrentkredits gekommen sei, habe (auch) auf der zwischen der Schuldnerin und der C. getroffenen Kontokorrentabrede beruht. Zwar dürfe es einem Gesellschafter, der für die Gesellschaft ein Drittdarlehen besichere, regelmäßig nicht zum Nachteil gereichen, wenn er das Darlehen aus eigenen Mitteln zurückführe und damit das 418 Vgl. Altmeppen, ZIP 2016, 2089 (2094). 419 BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629 ff. Schfer

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im Verhältnis zur Gesellschaft Versprochene erfülle.420 Dies sei jedoch dann anders, wenn der Gesellschafter die erforderlichen Leistungen zwar aus seinem eigenen Vermögen erbringe, damit aber zugleich einen (anderen) gegen ihn gerichteten Anspruch der Gesellschaft erfülle.421 Im Streitfall habe der Beklagte zwar durch die Zahlungen an die Schuldnerin keinen gegen ihn gerichteten Rückgewähranspruch gemäß §§ 135 Abs. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO erfüllt, da sämtliche Zahlungen noch vor der Insolvenzeröffnung erfolgt seien. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung sei jedoch die mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Vermögenslage einhergehende Verhinderung der Entstehung eines Anspruchs anfechtungsrechtlich dessen Erfüllung gleichzustellen. Dem Gesellschafter müsse es verwehrt sein, durch ein und dieselbe Zahlung zugleich die Entstehung eines gegen ihn gerichteten Rückgewähranspruchs zu verhindern und sich von einer für ein Drittdarlehen bestellten Sicherheit zu befreien. H 89f

Da § 135 Abs. 2 InsO die Regelung des § 32b GmbHG a.F. rechtsformneutral übernommen habe, gelte die dazu ergangene Rechtsprechung entsprechend. Das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bestimme und begrenze den Anspruch gemäß §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO; dieser könne nicht über das hinausgehen, was der Gesellschafter aus der übernommenen Sicherheit geschuldet hätte. Dies regle § 143 Abs. 3 Satz 2 InsO nur unvollständig. Nicht allein die Verpflichtung des Gesellschafters aus § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO sei auf den Wert der Sicherheit begrenzt, sondern die Eintrittspflicht des Gesellschafters insgesamt. Führe die Gesellschaft das besicherte Darlehen nur teilweise zurück und könne es deshalb weiterhin zur Inanspruchnahme des Gesellschafters kommen, dürfe die Summe aus dem Anspruch gemäß §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO und der fortbestehenden Verpflichtung des Gesellschafters aus der Sicherheit dessen ohne die teilweise Rückführung des Darlehens bestehende Verpflichtung nicht überschreiten.422 Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Anspruch gemäß §§ 135 Abs. 2, 143Abs. 3 InsO bestehe, könne demnach im Fall einer nur teilweisen Rückführung des besicherten Drittdarlehens durch die Gesellschaft und einer der Höhe nach beschränkten Sicherheit nur beantwortet werden, wenn Feststellungen dazu getroffen seien, in welcher Höhe der Gesellschafter dem Gläubiger aus der Sicherheit weiterhin verpflichtet geblieben sei.

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Sofern der Kläger mit seinem Klageantrag weiterhin nicht vollständig durchdringe, werde das Berufungsgericht einen Rückgewähranspruch gemäß §§ 135 Abs. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO zu prüfen haben. Danach sei auch die Tilgung kurzfristiger Überbrückungskredite anfechtbar.423 Im Umfang der vom Beklagten behaupteten Rückführung der Darlehensrückzahlungen könne die zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung nachträglich beseitigt worden sein. Sofern dies nicht 420 BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629 ff. Rz. 17; v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZInsO 2007, 542 ff. Rz. 13. 421 Vgl. BGH v. 14.3.2005 – II ZR 129/03, WM 2005, 695 (696). 422 BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629 ff. Rz. 22; HK-InsO/Kleindiek, § 143 Rz. 39; Jacoby in Kübler/Prütting/Bork, § 143 Rz. 80 f.; Graf-Schlicker/Neußner, § 143 Rz. 31. 423 BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629 ff. Rz. 29 ff.; v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 14.

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der Fall sei, sei eine Beschränkung des Rückgewähranspruchs gemäß §§ 135 Abs. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO zu prüfen. Im Streitfall seien die Rechtsgrundsätze zur Kontokorrentverrechnung anwendbar, da die vom Beklagten zugunsten der Schuldnerin erbrachten Zahlungen durch ihre gleichbleibenden Bedingungen nach Art eines Kontokorrents miteinander verbunden gewesen seien. Die Klageforderung beschränke sich in diesem Fall auf einen Betrag von 23 000 Euro. Der Auffassung des II. Zivilsenats des BGH, wonach unter der Geltung des Eigenkapitalersatzrechts das ständige Stehenlassen fälliger Forderungen einem fortlaufend bestehenbleibenden Kredit in Höhe der Gesamtdurchschnittsforderung gleichstehe,424 könne im Rahmen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht gefolgt werden.425 Entscheidend sei vielmehr, dass der Masse Bankguthaben im Umfang des höchsten an den Beklagten zurückgeführten Darlehensstandes entzogen worden seien, was dem vom Beklagten im fraglichen Zeitraum übernommenen Insolvenzrisiko entspreche.426 Im Schrifftum wird zwar gegen die Annahme des BGH, es habe eine Rechtshand- H 89h lung der Gesellschaft in Gestalt der Kontokorrentabrede vorgelegen, eingewandt, dass damit die Kontokorrentabrede ohne Not einem mehraktigen Tatbestand gleichgestellt werde, obwohl die Abrede als solche bereits mit der Einigung rechtswirksam werde.427 Der BGH hat jedoch recht, wenn er davon ausgeht, dass die Kontokorrentabrede hinsichtlich künftiger Verrechnungen erst mit dem Eintritt der Verrechnungslage Wirkung entfaltet. Es trifft freilich zu, dass § 135 Abs. 2 InsO nach seinem Sinn und Zweck nicht in jedem Fall eine Rechtshandlung der Gesellschaft voraussetzen dürfte, auch wenn darin – bezogen auf den Regelfall – davon die Rede ist, dass die Gesellschaft dem Dritten Befriedigung gewährt.428 3. Nutzungsüberlassung durch Gesellschafter (§ 135 Abs. 3 InsO) a) Systematik und Grundsätze der Neuregelung Ursprünglich hatte der Gesetzgeber des „MoMiG“ nicht beabsichtigt, die Rechte H 90 eines Gesellschafters, der seiner Gesellschaft einen Gegenstand zur Nutzung oder zur Ausübung überlassen hat, in der Insolvenz zu beschränken. In der Gesetzesbegründung ist dazu festgehalten, dass die Begründung für die Einbeziehung der Nutzungsüberlassung in die Eigenkapitalersatzregeln in den Neuregelungen keine Grundlage mehr finde, da diese nach ihrer Systematik durchgängig nicht mehr an einen eigenkapitalersetzenden Charakter der Leistung anknüpften und die Insolvenz selbstverständlich auch weiterhin keine Auswirkung auf die Eigentümerstellung des Gesellschafters hinsichtlich des überlassenen Gegenstandes habe. Eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung in dem etwa in § 3 Abs. 3 des 424 Vgl. BGH v. 11.10.2011 – II ZR 18/10, WM 2011, 2235 ff. Rz. 10. 425 Vgl. BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 26; HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 33a; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., Anh. § 30 Rz. 63a. 426 BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629 ff. Rz. 38; v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734 ff. Rz. 26. 427 Thole, ZIP 2015, 1609 (1614). 428 Vgl. Thole, ZIP 2015, 1609 (1614). Schfer

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österreichischen Eigenkapitalersatz-Gesetzes (EKEG) enthaltenen Sinne, dass im Falle einer Nutzungsüberlassung die „Kreditgewährung nur das Entgelt betreffen“, nicht aber in der Nutzungsüberlassung selbst liegen könne, erschien dem Gesetzgeber entbehrlich.429 H 90a Der BGH hat daher zu Recht durch Urteil vom 29.1.2015430 entschieden, dass nach dem Wegfall des Eigenkapitalersatzrechts kein Anspruch des Insolvenzverwalters (mehr) auf unentgeltliche Nutzung von Betriebsanlagen besteht, die der Gesellschafter seiner Gesellschaft vermietet hat, und dass die Zahlung eines Nutzungsentgelts gegenüber dem Gesellschafter nicht als Befriedigung eines Darlehens, sondern nur als Befriedigung einer darlehensgleichen Forderung angefochten werden kann. Allein in der (vertraglichen) Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts der Miete auf den jeweils 15. Werktag der Nutzung kann jedoch keine Stundung erblickt werden, welche die Annahme rechtfertigen könnte, es sei eine darlehensgleiche Forderung befriedigt worden.431 Werden die Mietzahlungen bargeschäftsähnlich (binnen eines Zeitraums von 30 Tagen) abgewickelt, scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führt, aus.432 H 90b Damit steht fest, dass einerseits die laufende Zahlung des Nutzungsentgelts in der Krise der Gesellschaft (schon unter dem Gesichtspunkt des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO) nicht der Anfechtung unterliegt,433 dass andererseits aber das Stehenlassen von Ansprüchen auf Nutzungsentgelt bis in das eröffnete Insolvenzverfahren hinein unter dem Gesichtspunkt einer der Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlung zur Subordination gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO führt.434 Vereinnahmen die Gesellschafter vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO Mietzahlungen, die nicht innerhalb vertraglich üblicher Fälligkeitsregelungen erfolgten oder nicht innerhalb der durch verkehrsübliche Gepflogenheiten bestimmten Fristen geltend gemacht wurden, so sind diese Zahlungen gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.435 Es kommt allerdings auch bei pünktlicher Entgeltzahlung durch die Gesellschaft eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO gegenüber dem häufig über die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft informierten Gesellschafter in Betracht, wenn in der gleichen Zeit andere Gläubiger nicht mehr pünktlich bedient wurden.436 429 430 431 432 433

434 435 436

Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 16/6140, S. 56. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. Vgl. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. Rz. 72. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. Rz. 70; v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 ff. Rz. 51. OLG Hamm v. 21.11.2013 – 18 U 145/12, ZIP 2014, 186 ff. mit Anm. von Henkel, EWiR 2014, 223 f.; OLG Schleswig-Holstein v. 13.1.2012 – 4 U 57/11, ZIP 2012, 885 ff.; Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung nach MoMiG, Rz. 213; Gehrlein, BB 2011, 3 (5) – a.A. noch LG Kiel v. 25.3.2011 – 17 O 229/10, ZIP 2011, 968 f.; Marotzke, JZ 2010, 592 ff. Vgl. K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732); Hirte, WM 2008, 1429 (1432); Bitter, ZIP 2010, 1 ff.; Koutsos, ZInsO 2011, 1626 (1629 f.). OLG Hamm v. 21.11.2013 – 18 U 145/12, ZIP 2014, 186 ff. Rz. 53. Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (330).

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III. Einzelheiten

Rz. 92 H

Erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages H 91 wurde § 135 Abs. 3 InsO in das Gesetz eingefügt.437 Danach kann der Aussonderungsanspruch eines Gesellschafters, welcher der insolventen Gesellschaft einen Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen hat, während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der Verfahrenseröffnung nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung ist. § 135 Abs. 3 InsO stellt nach herrschender Auffassung trotz seiner Stellung im Insolvenzanfechtungsrecht keinen Anfechtungstatbestand dar, sondern ist sowohl systematisch als auch inhaltlich den §§ 103 ff. InsO zuzuordnen.438 Für den Gebrauch oder die Ausübung des Gegenstandes gebührt dem Gesellschafter ein Ausgleich. Bei der Berechnung dieses Ausgleichs ist der Durchschnitt der im letzten Jahr vor der Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung in Ansatz zu bringen; bei kürzerer Dauer der Überlassung ist der Durchschnitt während dieses Zeitraums maßgebend. Der Ausgleichsanspruch des Gesellschafters ist als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 InsO zu begleichen.439 Da § 135 Abs. 3 InsO zu einer endgültigen Engeltminderung führt, ist der Gesellschafter gehindert, das vereinbarte Entgelt, soweit es die nur noch geschuldete Durchschnittsvergütung übersteigt, als nachrangige Forderung anzumelden.440 Nach der Gesetzesbegründung zu § 135 Abs. 3 InsO ist infolge des Wegfalls des H 92 Merkmals „eigenkapitalersetzend“ als Anknüpfungspunkt für die Regelungen zu Gesellschafterdarlehen und gleichgestellten Forderungen die dogmatische Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung entfallen; es bestehe die Gefahr, dass dem Unternehmen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die für eine Betriebsfortführung notwendigen Gegenstände, nämlich bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Rechte, nicht mehr zur Verfügung stünden. Es würde aber nach Ansicht des Gesetzgebers der Zweckbestimmung des Insolvenzverfahrens sowie der Treuepflicht der Gesellschafter widersprechen, wenn zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassene Gegenstände nach der Insolvenzeröffnung jederzeit zurückverlangt werden könnten, obwohl diese zur Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung seien (ähnlich § 26a der österreichischen KO). Selbst wenn der Gesellschafter keinen wesentlichen Beitrag zur Sanierung der Gesellschaft leisten wolle, ergebe sich aus seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht,441 dass er alles zu unterlassen habe, was die Interessen der Gesellschaft nachhaltig schädige. Der Gesellschafter solle dieselbe Vergütung erhalten, die ihm bis zur Verfahrenseröffnung zugeflossen sei; ihm solle hingegen kein darüber hinausgehendes Sonderopfer abverlangt werden.442 437 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 59. 438 Vgl. Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.40; K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732); Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., Anh. zu § 30 Rz. 80; HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 55. 439 BT-Drucks. 16/9737, S. 59; Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 27. 440 Gehrlein, BB 2011, 3 (9); Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (329). 441 Vgl. dazu Kayser, WM 2015, 1973 (1976). 442 BT-Drucks. 16/9737, S. 59. Schfer

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H Rz. 92a

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

H 92a Der zur Nutzung überlassene Gegenstand muss für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung sein. Die hierfür maßgeblichen Kriterien entsprechen jenen des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO.443 Dabei ist die erhebliche Bedeutung für die Unternehmensfortführung nicht schon dann zu verneinen, wenn der Gegenstand zu gleichen Bedingungen bei einem Dritten beschafft werden könnte.444 aa) Verhältnis zu den §§ 103 ff. InsO H 92b In systematischer Hinsicht steht § 135 Abs. 3 InsO eigentlich nicht im Zusammenhang mit den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, da es bei dieser Bestimmung um keine Kreditgewährung geht. Die Regelung hätte eher in den Kontext der §§ 103 ff. InsO gehört, weil es letztlich um die Wahl des Insolvenzverwalters geht, ein entgeltliches Nutzungsverhältnis fortzusetzen.445 § 135 Abs. 3 InsO enthält keinen Anfechtungstatbestand.446 H 93 Zur Frage des Verhältnisses des § 135 Abs. 3 InsO zu den §§ 103 ff. InsO gibt die Gesetzesbegründung keine Hinweise. Sofern der Gesellschafter der Gesellschaft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Grundstück überlassen hat, besteht das Miet- bzw. Pachtverhältnis gemäß § 108 Abs. 1 InsO auch mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Der Insolvenzverwalter kann daher nicht nach § 103 InsO die Erfüllung verweigern, sondern nur gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO das Vertragsverhältnis – ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer – unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen. Es war insoweit streitig, ob der Insolvenzverwalter gezwungen ist, das vertragliche Nutzungsverhältnis zu beenden, um sich auf § 135 Abs. 3 InsO berufen zu können. Besteht das Nutzungsverhältnis im Insolvenzverfahren fort, ist § 135 Abs. 3 InsO bei gesetzessystematischer Betrachtung nicht anwendbar, weil es dann an einem Aussonderungsrecht fehlt. Bei dieser Betrachtung regelt die Bestimmung nicht die Konditionen eines fortgeltenden Nutzungsverhältnisses, sondern die Konditionen der Nutzung im Nicht-Fortsetzungsfall.447 Nach anderer Auffassung ist § 135 Abs. 3 InsO ungeachtet des Tatbestandsmerkmals „Aussonderungsrecht“ als Modifikation der §§ 103 ff. InsO zu begreifen, die es dem Insolvenzverwalter erlaubt, den Vertrag zu den dort genannten Konditionen fortzusetzen.448 Nach dem Gesetzeszweck war daher zu erwägen, ob man dem Insolvenzverwalter auch im Fall der Fortsetzung des Mietverhältnisses das Recht geben müsste,

443 Vgl. BT-Drucks. 16/9737, S. 106. 444 Graf-Schlicker/Neußner, § 135 Rz. 38 – a.A. Habersack in Ulmer/Habersack/Winter, Ergänzungsband, § 30 Rz. 63. 445 Vgl. Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3607); Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 40. 446 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 ff. Rz. 8. 447 So K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732); Gehrlein, BB 2011, 1 (9); OLG Hamm v. 21.11.2013 – 18 U 145/12, ZIP 2014, 186: § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO kommt nur zur Anwendung, wenn der Vermieter einen Aussonderungsanspruch bzgl. des Mietobjekts geltend macht. 448 Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (329); Spliedt, ZIP 2009, 149 (158); Preuß in Kübler/ Prütting/Bork, § 135 Rz. 35; Bitter, ZIP 2010, 1 (13); Henkel, EWiR 2014, 223 (224).

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III. Einzelheiten

Rz. 95 H

sich auf die für die Masse günstige Regelung des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO zu berufen, denn sonst wäre er unter Umständen zur Erfüllungsablehnung gezwungen, ohne zu wissen, ob die Jahresfrist des § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Sanierung des Unternehmens ausreichen wird.449 Dies dürfte der Gesetzgeber kaum gewollt haben. Die Gesetzesbegründung, wonach § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO „auch dann“ gelten soll, wenn der Insolvenzverwalter an dem Vertragsverhältnis nicht mehr festhalten will,450 hätte eine solche Auslegung möglicherweise zugelassen. Mit dieser Auffassung wäre zugleich vermieden worden, dass der Insolvenzverwalter noch im Insolvenzverfahren überhöhte Entgelte zu entrichten hat, weil das weitere Schicksal des schuldnerischen Betriebs noch nicht abzusehen war und es versäumt wurde, das Nutzungsverhältnis zu kündigen.451 Nach Ablauf eines Jahres hätte der Insolvenzverwalter dann allerdings wieder das vertraglich vereinbarte Nutzungsentgelt entrichten müssen.452 Dieser Streit ist jedoch durch ein Grundsatzurteil des BGH vom 29.1.2015453 H 93a hinfällig geworden. Danach wird der Regelungsbereich des § 135 Abs. 3 InsO nicht berührt, sofern das vertragliche Nutzungsverhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft nach der Verfahrenseröffnung fortbesteht.454 Die in der Gesetzesbegründung455 angesprochene Notwendigkeit einer Kündigung verdeutliche, dass der geminderte Entgeltanspruch nur im Rahmen des gesetzlichen Schuldverhältnisses maßgeblich und deshalb an die – gleich ob von dem Gesellschafter oder dem Insolvenzverwalter veranlasste – Beendigung des Nutzungsvertrages geknüpft sei. Es wäre nach Ansicht des BGH nicht einsichtig, warum der Insolvenzverwalter zwecks Reduzierung der Vergütung das Nutzungsverhältnis kündigen müsste, wenn er nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch vertraglich nur das geminderte Entgelt schuldete.456 Betrifft das Nutzungsverhältnis bewegliche Sachen oder Rechte, so gilt § 103 H 94 InsO. Wählt der Verwalter daher die Erfüllung, so können die Ansprüche aus dem Nutzungsverhältnis gegenüber der Masse geltend gemacht werden. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, so kann der Gesellschafter einen etwaigen Schadensersatzanspruch nach § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO nur als Insolvenzforderung geltend machen. Der Insolvenzverwalter kann somit jedenfalls das fortbestehende Nutzungsver- H 95 hältnis über eine unbewegliche Sache kündigen, wenn er die für die Masse günstigere Rechtsfolge eines nach § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO reduzierten Nut-

449 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rz. 51; Spliedt, ZIP 2009, 149 (158). 450 Vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 59. 451 Vgl. Bitter, WuB 2015, 353 (355). 452 Vgl. dazu noch Bitter, ZIP 2010, 1 (15). 453 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. 454 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. Rz. 57; kritisch dazu Bitter, WuB 2015, 353 (354). 455 Vgl. BT-Drucks. 16/9737 S. 59. 456 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. Rz. 61. Schfer

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H Rz. 95

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

zungsentgelts wahrnehmen will. Auch bei Nutzungsverhältnissen über bewegliche Sachen kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung ablehnen und auf die Rechte aus § 135 Abs. 3 InsO zurückgreifen. In diesen Fällen tritt ein gesetzliches Schuldverhältnis an die Stelle des Vertrages.457 Dabei zwingt das Gesetz den Insolvenzverwalter nicht, die auf ein Jahr begrenzte Nutzungsdauer auszuschöpfen oder sich auch nur bei der Ausübung des Optionsrechts auf eine bestimmte Nutzungsdauer festzulegen. Er wird jedoch das Nutzungsverhältnis nicht aus heiterem Himmel beenden können; in § 135 Abs. 3 InsO ist dies freilich nicht geregelt.458 bb) Bemessung des Ausgleichs H 96 Im Schrifttum459 wird zu Recht auf eine weitere Ungereimtheit des § 135 Abs. 3 InsO hingewiesen: Da das Gesetz als zeitlichen Anknüpfungspunkt die Verfahrenseröffnung gewählt hat, erscheint es nach dem Wortlaut als möglich, durch Nichtzahlung der Vergütung während des Eröffnungsverfahrens den später kraft Gesetzes geschuldeten Ausgleich zu reduzieren. Da dies wohl kaum dem Willen des Gesetzgebers entsprechen kann, wird vorgeschlagen, für die Berechnung des Ausgleichs nicht auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, sondern jenen der Antragstellung abzustellen.460 H 97 Es erscheint jedoch als fraglich, ob eine solche Verschiebung des nach dem Gesetz maßgeblichen Zeitpunkts in Betracht kommt.461 Sie dürfte nicht geboten sein, da nach Sinn und Zweck des Gesetzes auf die geschuldete Vergütung abzustellen ist. Die Vergütung bleibt im Grundsatz auch dann geschuldet, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter die Zahlungen im Eröffnungsverfahren eigenmächtig oder aufgrund einer gerichtlichen Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO einstellt.462 In der Gesetzesbegründung ist allerdings davon die Rede, dass der Gesellschafter dieselbe Vergütung erhalten solle, die ihm bis zur Verfahrenseröffnung tatsächlich zugeflossen sei.463 Sei etwa für eine Gebrauchsüberlassung eine bestimmte Vergütung vereinbart gewesen, diese jedoch nicht entrichtet worden, so bestimme sich die Höhe des Ausgleichs nach dem im letzten Jahr vor der Verfahrenseröffnung tatsächlich vom Schuldner Geleisteten. Auch nach der hier vertretenen Auffassung hat der Gesellschafter den überlassenen Gegenstand der Gesellschaft weiterhin unentgeltlich zu belassen, wenn er die vertraglich geschuldete Vergütung vor der Insolvenzeröffnung tatsächlich nicht verlangt hat.464 Dies folgt indes schon daraus, dass das Stehenlassen der Vergütung an457 458 459 460 461 462 463 464

Vgl. Gehrlein, BB 2011, 3 (11); K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1733). K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1733). Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 23. Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 23; Spliedt, ZIP 2009, 149 (157); Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (330); Gehrlein, BB 2011, 3 (9). Ablehnend HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 32; zweifelnd auch Bitter, ZIP 2010, 1 (12). Vgl. dazu Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (330) und BGH v. 3.12.2009 – IX ZR 7/09, BGHZ 183, 269 ff. zu § 169 Satz 2 InsO. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 59. Vgl. Hirte, ZInsO 2008, 689 (693).

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III. Einzelheiten

Rz. 99 H

fechtbar ist und die anfechtbare Vergütung nicht zur geschuldeten Vergütung zu rechnen ist. Ein marktunüblich überhöhtes Nutzungsentgelt ist bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs nach § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht zu berücksichtigen.465 Auch wegen eines vermeintlichen Widerspruchs in dem Sinne, dass vor der Insol- H 98 venzeröffnung gezahlte Nutzungsentgelte grundsätzlich der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter unterliegen, dieser aber nach der Eröffnung für die Nutzung ein Entgelt zu entrichten hat,466 bedarf es nicht der Korrektur des Gesetzes.467 Insoweit ist vielmehr an die Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis des § 114 Abs. 3 InsO (inzwischen aufgehoben) zum Anfechtungsrecht zu erinnern. Danach erlauben die an die Insolvenzeröffnung anknüpfenden Regelungen in § 114 Abs. 3 InsO nicht den Gegenschluss, dass andere Regelungen, welche die Zeit vor der Verfahrenseröffnung beträfen, nicht anwendbar seien.468 Der BGH hat die oben genannte Streitfrage durch Urteil vom 29.1.2015469 in dem H 98a Sinne entschieden, dass abweichend von dem auf einem Redaktionsversehen beruhenden Wortlaut des § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, sondern entsprechend den allgemeinen anfechtungsrechtlichen Grundsätzen der Zeitpunkt der Antragstellung als Stichtag der Jahresfrist für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs heranzuziehen ist.470 Diese Betrachtungsweise stellt nach Ansicht des BGH sicher, dass entsprechend dem Willen des Gesetzgebers das von etwaigen Rechtswirkungen des Eröffnungsverfahrens unbeeinflusste tatsächliche Zahlungsverhalten des Schuldners die Grundlage für die Bemessung des Anspruchs bildet. Das zu entrichtende Nutzungentgelt bemisst sich daher nach dem Durchschnitt des im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages anfechtungsfrei tatsächlich Geleisteten.471 cc) Anfechtbare Entgeltteile Durch das Urteil des BGH vom 29.1.2015472 ist ferner höchstrichterlich ge- H 99 klärt, dass bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Gesellschafters solche Nutzungsentgelte nicht zu berücksichtigen sind, die in anfechtbarer Weise geleistet wurden, weil sie dem Gesellschafter keine dauerhaft verbleibende Befriedigung gewähren. Auch die herrschende Meinung im Schrifttum geht zu Recht davon aus, dass anfechtbar geleistete Nutzungsentgelte bei der Bemessung des Ausgleichs nicht in Ansatz zu bringen sind.473 Eine Anfechtung nach 465 K. Schmidt in Festschrift für Wellensiek (2011), S. 551 (558); HambKomm-InsO/ Schröder, § 135 Rz. 70. 466 Vgl. K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1734); Gehrlein, BB 2011, 3 (9); Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (848). 467 Vgl. Bitter, ZIP 2010, 1 (12). 468 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, ZIP 2008, 1488 ff. 469 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. 470 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. Rz. 56. 471 Vgl. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. 2. Leitsatz. 472 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589 ff. Rz. 55. 473 Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 135 Rz. 51; HK-InsO/Kleindiek, § 135 Rz. 59; Marotzke, ZInsO 2008, 1281 (1287); Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (330). Schfer

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H Rz. 99

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

den Tatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung (§§ 130 bis 132 InsO) scheidet zwar nach herrschender Auffassung unter dem Gesichtspunkt des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO aus, wenn das Entgelt für die Nutzungsüberlassung vertragsgemäß bei Fälligkeit bezahlt wurde.474 Verspätete Zahlungen unterliegen hingegen der Anfechtung, da das Stehenlassen der Vergütungsforderung einer Kreditierung gleichkommt und jegliche Kreditgewährung nach dem Normzweck des § 142 InsO die Annahme eines Bargeschäfts ausschließt.475 H 100 Aber auch bei fristgerechter Zahlung des Nutzungsentgelts kommt der Anfechtung eine erhebliche praktische Bedeutung zu. Denn die weiterhin pünktliche Zahlung des Nutzungsentgelts trotz bestehender bzw. drohender Zahlungsunfähigkeit kann ein Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Gesellschaft im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO sein, der zumindest einem GesellschafterGeschäftsführer häufig auch bekannt sein dürfte.476 b) Vorrang von Grundpfandrechten Dritter und Gesellschafterinsolvenz H 101 Ist das vom Gesellschafter zur Nutzung überlassenes Grundstück mit Grundpfandrechten belastet, endet das Recht der Gesellschaft zur Nutzung des Grundstücks gemäß § 135 Abs. 3 InsO in entsprechender Anwendung der §§ 146 ff. (148, 152 Abs. 2) ZVG, 1123, 1124 Abs. 2 BGB mit dem Wirksamwerden des im Wege der Zwangsverwaltung erlassenen Beschlagnahmebeschlusses, ohne dass es eines weiteren Tätigwerdens des Zwangsverwalters bedarf.477 Entsprechendes gilt, wenn über das Vermögen des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wird.478 Die Gesellschaft kann daher das Grundstück nur noch in den Grenzen des § 1124 Abs. 2 BGB unentgeltlich nutzen. Danach muss sie die Miete bzw. Pacht an den Zwangsverwalter bezahlen, wenn sie das Grundstück weiter nutzen will.479 Da aber der Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft weiterhin zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet ist, muss er dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gesellschaft die Differenz zwischen der Vergütung nach § 135 Abs. 3 InsO und der zu zahlenden Miete bzw. Pacht erstatten. Der Erstattungsanspruch setzt allerdings voraus, dass der Insolvenzverwalter das Grundstück tatsächlich hätte nutzen können, wenn er es nicht herausgegeben hätte.480

474 Vgl. Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rz. 48; Gehrlein, BB 2011, 3 (9); a.A. Haas, ZInsO 2007, 617 (624). 475 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 15; BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff. Rz. 33; v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, ZIP 2002, 1540 ff. 476 Vgl. Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (330). 477 BGH v. 7.12.1998 – II ZR 382/96, BGHZ 140, 147 ff.; Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 22; Gehrlein, BB 2011, 1 (10); K. Schmidt, § 135 Rz. 46. 478 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 207/06, ZIP 2008, 1176 ff. 479 Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 22. 480 Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 22; Gehrlein, BB 2011, 1 (10); a.A. Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (331); vgl. zum alten Recht BGH v. 31.1.2005 – II ZR 240/02, ZIP 2005, 484 ff.

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Rz. 104 H

III. Einzelheiten

c) Beendigung des Nutzungsverhältnisses vor der Insolvenzeröffnung In § 135 Abs. 3 InsO ist nur geregelt, dass der Aussonderungsanspruch des Ge- H 102 sellschafters, der einen Gegenstand zur Nutzung überlassen hat, während der Dauer des Insolvenzverfahrens höchstens ein Jahr lang nicht geltend gemacht werden kann, wenn der Gegenstand für die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist. Es drängt sich daher die Frage auf, ob der Aussonderungsanspruch vor der Insolvenzeröffnung keinerlei rechtlichen Beschränkungen unterliegt. Dies ist von erheblicher praktischer Bedeutung, etwa wenn die Gesellschaft und der Gesellschafter das Nutzungsverhältnis im Vorfeld der Insolvenzeröffnung einvernehmlich beendet haben oder der Gesellschafter das Nutzungsverhältnis im Zustand der materiellen Insolvenz der Gesellschaft gekündigt hat. Diese Frage ist im Schrifttum streitig. Teilweise wird die Anfechtbarkeit nach H 103 den §§ 130, 131 InsO erwogen, wenn das Nutzungsverhältnis in den dort genannten kritischen Anfechtungszeiträumen beendet wurde.481 Zum Teil wird dies im insolvenzrechtlichen Schrifttum bereits bejaht,482 wobei jedoch vereinzelt auf die (angeblich) praktisch geringe Bedeutung einer solchen Anfechtung hingewiesen wird.483 Ist die Kündigung des Gesellschafters nach den „übrigen“ Anfechtungstatbeständen anfechtbar, entfällt das Aussonderungsrecht.484 Eine Vertragsaufhebung kann als inkongruente Rechtshandlung unter den erleichterten Voraussetzungen des § 131 InsO und gegebenenfalls auch nach § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden.485 Nach einer weiteren Auffassung ergibt sich die Anfechtbarkeit aus § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO da die Rückgewähr des überlassenen Gegenstandes auch weiterhin der Rückgewähr eines Darlehens entspreche.486 Es wird ferner die Ansicht vertreten, dass die insolvenzbedingte Überlassungspflicht zwingender Inhalt eines Nutzungsvertrages sei, der ihm schon seit dem Abschluss anhafte.487 Schließlich gibt es noch die Auffassung, dass eine Anfechtung der Beendigung des Nutzungsverhältnisses bzw. der Herausgabe des Gegenstandes im Vorfeld der Insolvenzeröffnung nicht in Betracht komme.488 Richtig erscheint die Auffassung, die von der Anwendbarkeit der Anfechtungstatbestände ausgeht. Da § 135 Abs. 3 InsO der Sache nach keinen Anfechtungs-

481 K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1734); Gehrlein, BB 2011, 1 (10). 482 Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 23; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, Rz. 208; HambKomm-InsO/Schröder, § 135 Rz. 55; Marotzke, ZInsO 2008, 1281 (1285). 483 Vgl. Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (330); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 23. 484 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rz. 49. 485 Vgl. Gehrlein, BB 2011, 1 (10). 486 Marotzke, ZInsO 2008, 1281 (1285); Koutsos, ZInsO 2011, 1626 (1629); wohl auch Haas, ZInsO 2007, 617 (623). 487 Spliedt, ZIP 2009, 149 (159). 488 Vgl. Rühle, ZIP 2009, 1358 (1359 f.); Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.43 mit der Ausnahme, dass das Überlassungsverhältnis zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung zwar bereits beendet, der überlassene Gegenstand jedoch noch nicht herausgegeben wurde. Schfer

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H Rz. 104

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

tatbestand darstellt,489 wird die Anwendbarkeit der §§ 130 ff. InsO nicht durch ein spezifisch anfechtungsrechtliches Konkurrenzverhältnis zu § 135 Abs. 3 InsO ausgeschlossen. Weder dem Gesetz noch den Gesetzesmotiven ist der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, dass § 135 Abs. 3 InsO die §§ 130 ff. InsO verdrängt. § 135 Abs. 3 InsO kann kein privilegierender Zweck in dem Sinne entnommen werden, dass eine Rechtshandlung, die an sich die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes erfüllt, dennoch nicht anfechtbar sein soll.490 Eine Anfechtung der Kündigung des Gesellschafters nach § 133 Abs. 1 InsO scheidet allerdings in der Regel in Ermangelung einer Rechtshandlung des Schuldners (Gesellschaft) aus, es sei denn, dieser hat mit dem Gesellschafter unlauter zusammengewirkt.491 H 105 Es dürfte sogar noch weitergehend zu erwägen sein, ob der Geschäftsführer der Gesellschaft berechtigt ist, gegenüber einem Herausgabeverlangen des Gesellschafters im Vorfeld der Insolvenz den Einwand (nicht: Einrede) der (künftigen) Anfechtbarkeit zu erheben. Denn nach der Rechtsprechung entsteht der Anfechtungsanspruch zwar erst mit der Insolvenzeröffnung;492 begründet ist der Anfechtungsanspruch jedoch schon mit dem Eintritt der Wirkung der anfechtbaren Rechtshandlung. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Anfechtungsgegner auch für eine von ihm schon vor der Insolvenzeröffnung verursachte Unmöglichkeit der Rückgewähr des anfechtbar weggegebenen Gegenstandes haftet.493 Der Gesetzgeber hat dem Geschäftsführer der GmbH im Zustand der materiellen Insolvenz der Gesellschaft eine dem vorläufigen Insolvenzverwalter vergleichbare Sicherungsfunktion zugewiesen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es Sinn und Zweck des Zahlungsverbots des § 64 GmbHG, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern.494 § 64 GmbHG und die §§ 129 ff. InsO sind nach ihrem Sinn und Zweck als „Schwestervorschriften“ einzustufen.495 Der Gesellschafter würde zudem gegen die in der Gesetzesbegründung496 erwähnte Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft verstoßen, wenn er die Herausgabe des überlassenen Gegenstandes in der materiellen Insolvenz der Gesellschaft verlangte, obwohl diese die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes erfüllen würde und der Gegenstand im Sinne des § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO für die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist.497 489 Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.40; K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732); Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., Anh. zu § 30 Rz. 80; Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3607). 490 Vgl. dazu B. Schäfer, NZI 2010, 505 ff. 491 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rz. 49. 492 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 (44). 493 Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 103. 494 BGH v. 25.1.2010 – II ZR 258/08, ZIP 2010, 470 ff.; v. 5.2.2007 – II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 ff. 495 Gehrlein, ZInsO 2015, 477. 496 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 59. 497 Vgl. dazu B. Schäfer, NZI 2010, 505 (508).

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III. Einzelheiten

Rz. 109 H

4. Darlegungs- und Beweislast Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Verteilung der Darlegungs- und Be- H 106 weislast hat der Insolvenzverwalter im Rahmen des § 135 Abs. 1 InsO das Vorliegen eines Gesellschafterdarlehens bzw. einer (wirtschaftlich) gleichgestellten Forderung sowie die darauf gewährte Sicherung oder Befriedigung innerhalb der kritischen Zeiträume darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Bei § 135 Abs. 2 InsO obliegt ihm der Nachweis, dass die Gesellschaft einem Dritten auf dessen Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens oder einer gleichgestellten Forderung, für die der Gesellschafter Sicherheit geleistet hatte, innerhalb des letzten Jahres vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach Befriedigung gewährt hat. Nach der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO obliegt dem H 107 Insolvenzverwalter ferner der Nachweis der bei jeder Anfechtung erforderlichen objektiven Gläubigerbenachteiligung.498 Der Anfechtungsgegner trägt dagegen die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des Sanierungs- bzw. Kleinbeteiligungsprivilegs gemäß §§ 39 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5, 135 Abs. 4 InsO. 5. Konkurrenzen Die Regelungen in § 135 Abs. 1 und 2 InsO können im Grundsatz uneinge- H 108 schränkt mit den übrigen Anfechtungstatbeständen konkurrieren,499 insbesondere also mit dem zehn Jahre zurückreichenden § 133 Abs. 1 InsO und mit dem zwei Jahre zurückreichenden § 133 Abs. 4 InsO.500 Letztere Bestimmung ist im Anwendungsbereich des § 135 InsO von besonderer Bedeutung, da nach § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO Gesellschafter, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind, als nahestehende Personen anzusehen sind. Dies ist ferner vor dem Hintergrund zu sehen, dass nach der Rechtsprechung des BGH auch Erfüllungsgeschäfte zu den entgeltlichen Verträgen im Sinne des § 31 Nr. 2 KO (vgl. jetzt § 133 Abs. 2 InsO) zu rechnen sind, wobei das Entgelt in der Befreiung von der Schuld zu sehen sein soll.501 Allerdings geht nach wohl herrschender Auffassung im Schrifttum § 135 InsO der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO vor, soweit einem Gesellschafter auf seine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO Befriedigung oder Sicherung gewährt wurde.502 Die Regelung über die Gebrauchsüberlassung in § 135 Abs. 3 InsO stellt nach herrschender Auffassung trotz ihrer systematischen Stellung im Anfechtungs-

498 499 500 501 502

BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, ZIP 2000, 1061 (1063). Vgl. BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 82/02, ZInsO 2006, 371 ff. Rz. 29. Gehrlein, BB 2008, 846 (853). BGH v. 15.2.1990 – IX ZR 149/88, NJW 1990, 2687 (2688). Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 813, 822 Rz. 22; Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 6; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rz. 29. Schfer

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H 109

H Rz. 109

§ 135 InsO – Gesellschafterdarlehen

recht der Sache nach keinen Anfechtungstatbestand dar.503 Dies trifft zu, da es nach der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO zum Wesen der Anfechtungstatbestände gehört, dass durch eine vor der Insolvenzeröffnung vorgenommene Rechtshandlung das schuldnerische Vermögen geschmälert wurde. Eine solche Regelung enthält § 135 Abs. 3 InsO nicht. Die Anwendbarkeit der §§ 130 ff. InsO wird daher weder durch ein spezifisch anfechtungsrechtliches Konkurrenzverhältnis zu § 135 Abs. 3 InsO noch durch sonstige Gründe ausgeschlossen.504 Ein Umkehrschluss in dem Sinne, dass eine Anfechtung ausscheide, weil § 135 Abs. 3 InsO nur eine Beschränkung des Aussonderungsrechts des Gesellschafters für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung vorsehe, ist weder geboten noch angemessen. Es ist vielmehr an die Rechtsprechung des BGH zu § 114 Abs. 3 InsO (inzwischen aufgehoben) zu erinnern, wonach diese Bestimmung die Anwendbarkeit des Anfechtungsrechts nicht ausschließt.505 H 110 Neben oder anstelle der Bestimmungen über die Insolvenzanfechtung kann ferner die Rechtsprechung des BGH zum sog. „existenzvernichtenden Eingriff“ zum Schutz der Gläubiger anwendbar sein. Der BGH stuft den planmäßigen Entzug von Gesellschaftsvermögen im Sinne der Verringerung der Zugriffsmasse zu Lasten der Gläubiger und zum eigenen Vorteil des Gesellschafters als dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprechend und damit sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ein.506 Die Bestimmung des § 826 BGB begründet danach eine Haftung für missbräuchliche, zur Insolvenz der Gesellschaft führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen.507 Nach Ansicht von Gehrlein508 entsprechen die Rechtsfolgen der Existenzvernichtungshaftung in gewisser Weise denen des früheren Eigenkapitalersatzrechts.

503 Vgl. Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rz. 5.40; K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732); Uhlenbruck/Hirte, § 135 Rz. 21; Hueck/ Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., Anh. zu § 30 Rz. 80. 504 Vgl. dazu B. Schäfer, NZI 2010, 505 ff. 505 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, ZIP 2008, 1488 ff. 506 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 – „Trihotel“, BGHZ 173, 246 ff. Rz. 22; Gehrlein, DB 2016, 1177 (1181). 507 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 – „Gamma“, BGHZ 176, 204 ff. Rz. 10; v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 ff. Rz. 17 ff. 508 Gehrlein, DB 2016, 1177 (1181).

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I. § 136 InsO – Stille Gesellschaft § 136 Stille Gesellschaft (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, durch die einem stillen Gesellschafter die Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt oder sein Anteil an dem entstandenen Verlust ganz oder teilweise erlassen wird, wenn die zugrundeliegende Vereinbarung im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts oder nach diesem Antrag getroffen worden ist. Dies gilt auch dann, wenn im Zusammenhang mit der Vereinbarung die stille Gesellschaft aufgelöst worden ist. (2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn ein Eröffnungsgrund erst nach der Vereinbarung eingetreten ist. Rz. I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . . II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung Fremdkapital und Haftkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit auf Unterbeteili gung und sonstige Fremdfinanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatbestandsmerkmal der „stillen Gesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 136 Abs. 1 InsO – Tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . .

I1 I6 I6 I9 I9b I13 I15 I15 I15

Rz. aa) Einlage des stillen Gesellschafters als haftendes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlerhafte stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besondere Vereinbarung zwischen Geschäftsinhaber und stillem Gesellschafter . . . . . . . . . c) Jahresfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtbare Rechtshandlung . . . aa) Einlagenrückgewähr . . . . . . . bb) Erlass des Verlustanteils . . . . 2. § 136 Abs. 2 InsO – Anfechtungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I16 I17 I18 I21 I23 I24 I29 I32 I34 I37

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes § 136 InsO wurde durch das „MoMiG“ nicht geändert. Er regelt in Anlehnung an I 1 den früheren § 237 HGB die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung, durch die einem stillen Gesellschafter aufgrund einer besonderen Vereinbarung zwischen ihm und dem Inhaber des Handelsgeschäfts im Vorfeld der Insolvenzeröffnung die Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt oder sein Anteil am Verlust ganz oder teilweise erlassen wurde. § 237 HGB wurde bereits bei der Schaffung der Insolvenzordnung aus rechtssystematischen Gründen in § 136 InsO überführt, da es sich auch bei dieser Regelung um einen „echten“ Anfechtungstatbestand handelt.1 Ebenso wie in allen anderen Anfechtungstatbeständen wird bei der Jahresfrist, innerhalb derer die besondere Vereinbarung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter zustande gekommen sein muss, nicht mehr an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern an die Stellung des Insolvenzantrages angeknüpft. Es genügt ein Eigenantrag des Schuldners (Geschäftsin1 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161. Schfer

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I Rz. 1

§ 136 InsO – Stille Gesellschaft

habers), der auf drohende Zahlungsunfähigkeit gestützt wird (vgl. § 18 Abs. 1 InsO).2 § 136 InsO hat im Recht der Einzelgläubigeranfechtung (AnfG) keine Entsprechung. I 2 Nach § 236 Abs. 1 HGB kann der stille Gesellschafter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts seinen Anspruch auf Rückgewähr der Einlage als (nicht nachrangiger) Insolvenzgläubiger geltend machen, soweit der Wert seiner Einlage den Betrag des auf ihn entfallenden Anteils am Verlust übersteigt. Da aber nach der Lebenserfahrung wegen des drohenden (teilweisen) Ausfalls in der Insolvenz begünstigende Zahlungen an den stillen Gesellschafter im Vorfeld der Insolvenzeröffnung nicht auszuschließen sind, ermöglicht § 136 Abs. 1 InsO die Anfechtung unter erleichterten Voraussetzungen. Die besonderen gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem stillen Gesellschafter rechtfertigen es nach Ansicht des Gesetzgebers, die Anfechtung von „rein objektiven“ Voraussetzungen abhängig zu machen.3 Im Schrifttum wird daher zum Teil die Auffassung vertreten, § 136 InsO enthalte einen Anfechtungstatbestand für eine besondere Gruppe von „Insidern“.4 I 3 Nach dem aufgehobenen § 237 Abs. 2 HGB war die Anfechtung ausgeschlossen, wenn der Konkurs seinen Grund in Umständen hatte, die erst nach der Vereinbarung der Einlagenrückgewähr oder des Erlasses des Verlustanteils eingetreten waren. Nach der Gesetzesbegründung wurde diese Regelung in § 136 Abs. 2 InsO dahingehend „präzisiert“, dass die Anfechtung ausgeschlossen ist, wenn erst nach der Vereinbarung ein Eröffnungsgrund (drohende Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsunfähigkeit, bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne persönliche Haftung einer natürlichen Person auch Überschuldung) eingetreten ist. Damit werde § 136 Abs. 2 InsO für die Praxis handhabbar.5 Im Schrifttum wird jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass mit dieser Auffassung eine Einschränkung der Anfechtbarkeit gegenüber dem früheren Rechtszustand verbunden ist. Denn danach scheiterte die Anfechtung nicht daran, dass der Geschäftsinhaber zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht zahlungsunfähig oder überschuldet war.6 I 4 Nach herrschender Auffassung stellt § 136 Abs. 1 InsO einen besonderen Fall einer inkongruenten Deckung dar, da er – wie § 136 Abs. 2 InsO zeigt – auf eine zwischen dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter im Zustand der materiellen Insolvenz getroffene Vereinbarung abstellt.7 Damit soll auch

2 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rz. 58; K. Schmidt, § 136 Rz. 18. 3 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161. 4 Vgl. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 1; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 236 Rz. 6. 5 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161. 6 HK-InsO/Thole, § 136 Rz. 3 mit Hinweis auf BGH v. 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341 (346). 7 MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 1; Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 13; HK-InsO/Thole, § 136 Rz. 2; K. Schmidt, § 136 Rz. 16.

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II. Allgemeines

Rz. 6 I

§ 136 InsO – ebenso wie die Tatbestände der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) – die Gleichbehandlung der Gläubiger bei bestehender materieller Insolvenz des Schuldners gewährleisten; er ist aufgrund dieses gläubigerschützenden Zwecks nicht vertraglich abdingbar.8 § 136 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der tatbestandlich vorausgesetzten, im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages oder danach getroffenen besonderen Vereinbarung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem Stillen über die Einlagenrückgewähr bzw. den Erlass des Verlustanteils ein Insolvenzgrund (vgl. §§ 16 ff. InsO) gegeben war, dessen Vorliegen jedoch gemäß § 136 Abs. 2 InsO vermutet wird.9 Nach der Sonderregelung in § 18 Abs. 1 des Finanzmarktstabilisierungsergän- I 5 zungsgesetzes (FMStErgG) können Rechtshandlungen, die im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen stehen, nicht zu Lasten des Fonds, des Bundes und der von ihnen errichteten Körperschaften, Anstalten und Sondervermögen sowie der ihnen nahestehenden Personen oder sonstiger von ihnen mittelbar oder unmittelbar abhängigen Unternehmen angefochten werden.

II. Allgemeines 1. Abgrenzung Fremdkapital und Haftkapital Gemäß § 236 Abs. 1 HGB kann der stille Gesellschafter seinen Anspruch auf I 6 Rückgewähr der Einlage als Insolvenzgläubiger geltend machen, soweit der Wert seiner Einlage zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht durch Verluste geschmälert ist. Dabei ist zu beachten, dass § 39 InsO dem stillen Gesellschafter im Grundsatz nicht die Position eines nachrangigen Insolvenzgläubigers zuweist, da nach herrschender Auffassung die Forderung des typischen stillen Gesellschafters auf Rückgewähr seiner Einlage nicht einer Forderung aus Rechtshandlungen gleichzustellen ist, die der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens wirtschaftlich entsprechen.10 Die Einlage des stillen Gesellschafters wird vom Gesetz im Grundsatz (nämlich bei der typischen stillen Gesellschaft) als Fremdkapital behandelt.11 Dies ist zu berücksichtigen, wenn es in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24.2.196912 heißt, die Einlage des Stillen sei kein Leihkapital, sondern „verantwortliches Kapital“. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollte daher nicht von einem Eigenkapitalcharakter der Einlage des stillen Gesellschafters gesprochen werden.13 Diese lässt sich vielmehr eher als „qualifizierter Kredit auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage“ beschreiben.14

8 Vgl. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 1; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 2. 9 Vgl. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 1. 10 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2010, Beilage 2 zu Heft 39, S. 22; HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 44; Graf-Schlicker/Neußner, § 39 Rz. 27. 11 Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 3; HambKomm-InsO/Schröder, § 136 Rz. 3. 12 BGH v. 24.2.1969 – II ZR 123/67, BGHZ 51, 350 (353). 13 So Uhlenbruck/Hirte, § 136 Rz. 1 – dagegen zu Recht K. Schmidt, § 136 Rz. 3. 14 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 V. 2. a), S. 1862; MK-HGB/K. Schmidt, § 230 Rz. 170. Schfer

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I Rz. 7

§ 136 InsO – Stille Gesellschaft

I 7 Es ist jedoch stets zu beachten, dass der Einlage oder dem Darlehen eines stillen Gesellschafters Eigenkapitalfunktion zukommen kann, wenn er gleichzeitig einen Geschäftsanteil an der Gesellschaft hält (Stichwort „Finanzplankredit“)15 oder wenn ihm Einflussnahme- bzw. Mitspracherechte zustehen, die ihm eine gesellschafterähnliche Stellung vermitteln (atypische stille Gesellschaft). Zwar fallen stille Gesellschafter nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Eigenkapitalersatzregeln bzw. der Nachfolgebestimmungen. Dies ist jedoch dann anders, wenn der – atypische – stille Gesellschafter aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des stillen Gesellschaftsverhältnisses oder aufgrund sonstiger Absprachen hinsichtlich seiner vermögensmäßigen Beteiligung und seines Einflusses auf die Geschicke der Gesellschaft weitgehend einem GmbH-Gesellschafter gleichsteht.16 In einem solchen Fall ist § 236 Abs. 1 HGB, wonach der stille Gesellschafter die Forderung auf Rückzahlung seiner nicht durch Verluste aufgezehrten Einlage als (gleichrangiger) Insolvenzgläubiger geltend machen kann, nicht anwendbar.17 Hat die Einlage eines stillen Gesellschafters Eigenkapitalfunktion, steht sie in der Insolvenz des Unternehmensträgers den Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung.18 Bei einer stillen Beteiligung mit Finanzplanabrede kommt eine Forderungsanmeldung nach § 236 HGB nicht in Betracht.19 I 7a Der BGH hat zum neuen Recht durch Urteil vom 28.6.201220 entschieden, dass der atypische stille Gesellschafter einer GmbH & Co. KG mit seinen Ansprüchen wirtschaftlich dem Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO insolvenzrechtlich gleichsteht, wenn in einer Gesamtbetrachtung seine Rechtsposition nach dem Beteiligungsvertrag der eines Kommanditisten im Innenverhältnis weitgehend angenähert ist. Die Anwendbarkeit des § 135 Abs. 1 InsO folgt nach Ansicht des BGH in einem solchen Fall daraus, dass § 32a Abs. 2 GmbHG a.F. in sachlicher und personeller Hinsicht übernommen werden sollte.21 Nach dem Urteil vom 28.6.2012 kann der Nachrang von Ansprüchen des stillen Gesellschafters in der Insolvenz einer GmbH & Co. KG jedenfalls dann eintreten, wenn im Innenverhältnis das Vermögen der Geschäftsinhaberin und die Einlage des Stillen als gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden, die Gewinnermittlung wie bei einem Kommanditisten stattfindet, die Mitwirkungsrechte des Stillen in der Kommanditgesellschaft der Beschlusskompetenz eines Kommanditisten in Grundlagenangelegenheiten zumindest in ihrer 15 Vgl. BGH v. 5.11.1979 – II ZR 145/78, NJW 1980, 1522 f.; v. 21.3.1988 – II ZR 238/87, BGHZ 104, 33 ff.; K. Schmidt, § 136 Rz. 5, 26. 16 Vgl. BGH v. 24.9.2013 – II ZR 39/12, ZIP 2013, 2400 ff. Rz. 20; v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 ff.; v. 13.2.2006 – II ZR 62/04, ZIP 2006, 703 ff. Rz. 24; K. Schmidt, § 136 Rz. 5. 17 BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 ff.; MK-InsO/Stodolkowitz/Bergmann, 2. Aufl., § 135 Rz. 66; Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 236 Rz. 16; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 5. 18 MK-HGB/K. Schmidt, § 236 Rz. 6; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 5 – a.A. MK-GmbHG/Ekkenga, § 30 Rz. 165. 19 K. Schmidt, § 136 Rz. 5. 20 BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 ff. 21 BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 ff. Rz. 13 mit Hinweis auf BTDrucks. 16/6140, S. 56.

670 Schfer

II. Allgemeines

Rz. 9 I

schuldrechtlichen Wirkung nahe kommen und die Informations- und Kontrollrechte des Stillen denen eines Kommanditisten nachgebildet sind. Im Schrifttum werden jedoch zu Recht Bedenken hinsichtlich der Urteilsbegrün- I 7b dung des BGH geäußert.22 In dem von ihm entschiedenen Fall war die stärkste Form der atypischen stillen Beteiligung gegeben, weshalb es im Grunde genommen auf der Hand liegt, dass ein stiller Gesellschafter, der eine Position innehat, die der eines Gesellschafters der Handelsgesellschaft vergleichbar ist, hinsichtlich seiner Einlage wie ein solcher Gesellschafter zu behandeln ist und nicht nur wie ein Gesellschafter, welcher der Gesellschaft ein Darlehen gewährt hat.23 Seine Einlage ist daher den Kapitalerhaltungsregeln zu unterwerfen, die bereits im Vorfeld der Insolvenz eingreifen.24 Sein Einlagerückgewähranspruch ist nicht nur nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, sondern er ist gemäß § 199 InsO – sofern genügend Masse vorhanden ist – erst nach der Rückzahlung etwaiger Gesellschafterdarlehen zu befriedigen. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist allerdings neben den gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzregeln anwendbar, wenn dem atypisch stillen Gesellschafter innerhalb des letzten Jahres vor der Stellung des Insolvenzantrages Teile seiner Einlage zurückgezahlt wurden.25 Aber auch wenn die Einlage des stillen Gesellschafters – oder ein von ihm ge- I 8 währtes Darlehen – nicht als Eigenkapital, sondern im Grundsatz als Fremdkapital anzusehen ist, kann ein aus ihr resultierender Anspruch (etwa ein stehengelassener Gewinnanspruch) dennoch als haftendes Risikokapital im Sinne der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO anzusehen sein. Die Forderung des stillen Gesellschafters bleibt zwar in diesem Fall Insolvenzforderung; sie wird jedoch in der Insolvenz des Geschäftsinhabers gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO – abweichend von § 236 HGB – nur nachrangig berücksichtigt.26 2. Anwendbarkeit auf Unterbeteiligung und sonstige Fremdfinanzierungen Eine analoge Anwendung des § 136 InsO auf die Unterbeteiligung und auf sons- I 9 tige längerfristige Fremdfinanzierungen dürfte wegen des gesellschaftsrechtlichen Charakters der stillen Beteiligung im Grundsatz nicht möglich sein,27 auch wenn man davon ausgeht, dass der Gedanke der Finanzierungs(folgen)verantwortung des Gesellschafters seit dem Inkrafttreten des „MoMiG“ keine Rolle mehr spiele. Denn auch das neue Recht knüpft jedenfalls an die „Doppelrolle“ als Gesellschafter und Kreditgeber an.28 Bei einem bloßen Darlehensver-

22 23 24 25 26 27

Vgl. Mylich, WM 2013, 1010 ff. Zutreffend Mylich, WM 2013, 1010 (1013). Vgl. dazu BGH v. 13.2.2006 – II ZR 62/04, ZIP 2006, 703 ff. Mylich, WM 2013, 1010 (1014). Vgl. MK-HGB/K. Schmidt, § 236 Rz. 7; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 6. So die herrschende Meinung – vgl. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 6 ff.; Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 20; HK-InsO/Thole, § 136 Rz. 2 – a.A. Uhlenbruck/Hirte, § 136 Rz. 5; Krolop, ZIP 2007, 1738 (1741 ff.); differenzierend K. Schmidt, § 136 Rz. 23; offen gelassen in BGH v. 27.11.2000 – II ZR 218/00, NJW 2001, 1270 ff. 28 HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rz. 40. Schfer

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I Rz. 9

§ 136 InsO – Stille Gesellschaft

hältnis fehlt die gesellschaftsrechtliche Nähe des Kreditgebers zum Unternehmen.29 I 9a Es genügt daher nicht, dass auch bei einem partiarischen Darlehen Informations- und Einflussnahmemöglichkeiten bestehen können, wie sie im Grundsatz nur einem Gesellschafter zukommen. Für die Abgrenzung der stillen Gesellschaft vom partiarischen Darlehen ist entscheidend, ob die Vertragspartner einen gemeinsamen Zweck verfolgen oder ob ihre Beziehungen ausschließlich durch die Verfolgung unterschiedlicher eigener Interessen bestimmt werden. Diese Abgrenzung ist durch Abwägung aller nach dem Vertragsinhalt maßgebenden Umstände vorzunehmen.30 Ein gemeinsamer Zweck liegt vor, wenn nach dem Willen der Vertragsparteien die Gewinnerwirtschaftung durch den Träger des Unternehmens Hauptpflicht (nämlich Beitragsleistung) ist und nicht bloß Nebenpflicht oder Geschäftsgrundlage für die Gewinnerwartung des Geldgebers.31 3. Tatbestandsmerkmal der „stillen Gesellschaft“ I 9b § 136 InsO stellt auf die gesetzestypische stille Gesellschaft ab, bei der keine Beteiligung am Eigenkapital des Geschäftsinhabers, sondern eine gesellschaftsvertraglich unterlegte Kreditbeteiligung und typischerweise auch eine Verlustbeteiligung des Stillen gegeben ist.32 Liegt eine atypische stille Beteiligung vor, ist daher stets die Anwendbarkeit des § 135 InsO oder gar der gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsregeln zu erwägen. I 10 Es ist nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 136 Abs. 1 InsO, dass die stille Gesellschaft noch zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestanden hat.33 Dies zeigt § 136 Abs. 1 Satz 2 InsO. Nach dieser Bestimmung gilt die Regelung in Satz 1 auch dann, wenn die stille Gesellschaft im Zusammenhang mit der Vereinbarung zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem stillen Gesellschafter aufgelöst wurde; die Auflösung darf nur nicht bereits zuvor vertraglich vereinbart gewesen sein.34 I 11 Da § 136 InsO einen besonderen Fall einer inkongruenten Deckung darstellt, ist die Einlagenrückgewähr nicht anfechtbar, wenn der stille Gesellschafter ohnehin (also unabhängig von der nach § 136 Abs. 1 InsO vorausgesetzten besonderen Vereinbarung) einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf die Leistung hatte.35 Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Rückgewähr der Einlage aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag erfolgt, und zwar auch dann, wenn dieser erst im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages

29 MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 8; Kollhosser, WM 1985, 929 (932). 30 Vgl. BGH v. 10.10.1994 – II ZR 32/94, BGHZ 127, 176 ff.; OLG Hamm v. 4.4.2000 – 27 U 154/99, NZI 2000, 544 f. 31 MK-HGB/K. Schmidt, § 230 Rz. 58. 32 Vgl. K. Schmidt, § 136 Rz. 2, 4. 33 MK-HGB/K. Schmidt, Anh. zu § 236 Rz. 9. 34 Uhlenbruck/Hirte, § 136 Rz. 7. 35 Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 14; MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 9.

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II. Allgemeines

Rz. 13 I

abgeschlossen wurde.36 Dabei muss sich der stille Gesellschafter nicht ausdrücklich auf ein ihm zustehendes vertragliches Kündigungsrecht berufen; es genügt vielmehr, dass ihm ein Recht zur Kündigung zustand.37 Die Anfechtung der Einlagenrückgewähr ist auch dann ausgeschlossen, wenn es nach der Kündigung zu einer Auflösungsvereinbarung kommt, die nur das konkretisiert, was der Stille auch ohne sie aufgrund der Kündigungsregelung im ursprünglichen Vertrag verlangen konnte.38 War dem stillen Gesellschafter schon im Gesellschaftsvertrag ein Recht zur Kündigung eingeräumt, kann die Rückgewähr der Einlage nach § 136 InsO selbst dann nicht angefochten werden, wenn die Kündigung in kritischer Zeit erfolgte.39 Zum anderen ist die Anfechtung nach § 136 Abs. 1 InsO ausgeschlossen, wenn I 12 dem stillen Gesellschafter ein gesetzlicher Kündigungsgrund zustand. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Stille die Gesellschaft zu Recht aus wichtigem Grund – etwa wegen arglistiger Täuschung – gekündigt hat.40 Ein solches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund kann jedoch nach dem Zweck der Bestimmung nicht im Vermögensverfall des Geschäftsinhabers gesehen werden, da sonst § 136 InsO weitgehend leer laufen würde.41 Nach anderer Auffassung soll der Insolvenzverwalter die Einlagenrückgewähr auch dann anfechten können, wenn der wichtige Grund erst im kritischen Zeitraum des § 136 Abs. 1 InsO eingetreten ist. Denn erst wenn der wichtige Grund eingetreten sei, bestehe das Recht zur Kündigung.42 Der stille Gesellschafter hat also nach dieser Ansicht prinzipiell das Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen Vermögensverfalls des Geschäftsinhabers. Die Kündigung – und damit auch die Einlagenrückgewähr – ist jedoch anfechtbar, wenn der Kündigungsgrund im Anfechtungszeitraum des § 136 Abs. 1 InsO eingetreten ist. § 136 InsO ist nicht anwendbar, wenn der Rechtsgrund für die Leistung an den stillen Gesellschafter schon vor dem kritischen Zeitraum des § 136 Abs. 1 InsO begründet wurde.43

I 12a

4. Sonstiges Wie alle anderen Anfechtungstatbestände setzt auch § 136 InsO nach der anfech- I 13 tungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO eine Gläubigerbenachteiligung voraus, wobei eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreicht.44 36 37 38 39 40 41 42 43 44

MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 9; Uhlenbruck/Hirte, § 136 Rz. 8. Vgl. Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 14. BGH v. 27.11.2000 – II ZR 218/00, NJW 2001, 1270 (1272). BGH v. 22.9.2015 – II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 (268); MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 9 ff. Vgl. BGH v. 29.6.1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 ff.; OLG München v. 23.6.1999 – 15 U 2827/99, NZI 2000, 180 f. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 12; vgl. dazu noch OLG Hamm v. 2.3.1999 – 27 U 237/98, ZIP 1999, 1530 ff. Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 14. Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 14. Uhlenbruck/Hirte, § 136 Rz. 4; MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 12; Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 18. Schfer

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I Rz. 13

§ 136 InsO – Stille Gesellschaft

Rechtsfolge der Anfechtbarkeit ist – wie auch sonst – nicht die Nichtigkeit der Einlagenrückgewähr, sondern die Entstehung eines schuldrechtlichen Rückgewähranspruchs gemäß § 143 InsO. Nach erfolgter Rückgewähr kann der typische stille Gesellschafter seinen Einlagerückgewähranspruch gemäß § 236 Abs. 1 HGB zur Tabelle anmelden; bei der atypischen stillen Gesellschaft mit Eigenkapitalcharakter der Einlage ist die Anwendung des § 236 Abs. 1 InsO hingegen ausgeschlossen.45 I 14 Verfahrensrechtlich ist zu beachten, dass der besondere Gerichtsstand der Mitgliedschaft nach § 22 ZPO in Anfechtungsfällen gemäß § 136 InsO nicht gegeben ist.46

III. Einzelheiten 1. § 136 Abs. 1 InsO – Tatbestandliche Voraussetzungen a) Stille Gesellschaft I 15 § 136 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem Anfechtungsgegner eine stille Gesellschaft bestanden hat, die – wie § 136 Abs. 1 Satz 2 InsO zeigt – zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht mehr bestanden haben muss.47 Das Anfechtungsrecht ist daher im Grundsatz auch dann gegeben, wenn die stille Gesellschaft im Zusammenhang mit der besonderen Vereinbarung zwischen Geschäftsinhaber und stillem Gesellschafter aufgelöst wurde.48 Die Rückgewähr einer wegen fehlendem oder unwirksamem Gesellschaftsvertrag ohne Rechtsgrund eingezahlten stillen Einlage nach § 812 BGB fällt dagegen nicht unter § 136 InsO.49 Die stille Gesellschaft ist eine Innengesellschaft des bürgerlichen Rechts im Sinne der §§ 705 ff. BGB, bei der ein Gesellschafter am Unternehmen eines anderen mit einer Einlage beteiligt ist und eine Gewinnbeteiligung innehat.50 Nach außen hin tritt nur der Inhaber des Handelsgeschäfts in Erscheinung; er allein wird aus den im Rahmen des Geschäftsbetriebes abgeschlossenen Geschäften berechtigt und verpflichtet. Die Einlage des stillen Gesellschafters geht gemäß § 230 Abs. 1 HGB in das Vermögen des Geschäftsinhabers über; den Gläubigern haftet allein dessen Vermögen. aa) Einlage des stillen Gesellschafters als haftendes Kapital I 16 Da im Rahmen einer stillen Gesellschaft kein Gesamthandsvermögen gebildet wird, ist sie selbst nicht insolvenzfähig. Nur über das Vermögen des Geschäftsinhabers kann ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, das gemäß § 728 Abs. 2 45 Vgl. von Gerkan/Mock in Röhricht/von Westphalen, § 236 Rz. 13 f.; Uhlenbruck/Hirte, § 136 Rz. 4. 46 Zöller/Vollkommer, ZPO, § 22 Rz. 2; HambKomm-InsO/Schröder, § 136 Rz. 16. 47 Vgl. MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 9. 48 MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 3. 49 MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 9. 50 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 II. 1., S. 1840.

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Rz. 18 I

III. Einzelheiten

BGB die Auflösung der stillen Gesellschaft zur Folge hat.51 Zu beachten ist, dass die Einlage des stillen Gesellschafters in der Insolvenz des Geschäftsinhabers im Grundsatz nicht als dessen „haftendes Eigenkapital“ mit der Folge behandelt wird, dass es für den Stillen verloren ist. Dies zeigt der Umstand, dass der stille Gesellschafter in der Insolvenz des Geschäftsinhabers mit seinem Anspruch auf Rückgewähr der nicht durch Verluste geminderten Einlage grundsätzlich als nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren teilnimmt (vgl. §§ 236 Abs. 1 HGB, 39 Abs. 1 InsO). Von praktischer Bedeutung ist dies vor allem für den stillen Gesellschafter, der nicht am Verlust der Gesellschaft beteiligt ist.52 Eigenkapitalcharakter kann der Einlage des Stillen jedoch ausnahmsweise beim Vorliegen einer atypischen stillen Beteiligung zukommen, etwa im Falle der Vereinbarung einer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, einer Rangrücktrittserklärung53 oder unter dem Gesichtspunkt des „Finanzplankredits“.54 bb) Fehlerhafte stille Gesellschaft § 136 InsO gilt im Grundsatz auch bei einer fehlerhaften stillen Gesellschaft, da I 17 nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Rechtsgrundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch auf die – typische und atypische – stille Gesellschaft anzuwenden sind.55 Deren Anwendung scheidet ausnahmsweise dann aus, wenn die rechtliche Anerkennung des von den Beteiligten gewollten und tatsächlich vorhandenen Zustandes aufgrund gewichtiger Belange der Allgemeinheit oder bestimmter besonders schutzwürdiger Personen unvertretbar wäre.56 Ein aus sonstigen Gründen fehlerhafter – etwa wegen arglistiger Täuschung anfechtbarer – Gesellschaftsvertrag wird als wirksam behandelt, bis er durch Kündigung mit Wirkung für die Zukunft beseitigt wird, so dass § 136 InsO im Grundsatz anwendbar ist. § 136 InsO ist hingegen nicht anwendbar, wenn das Gesellschaftsverhältnis im Zusammenhang mit der Einlagenrückgewähr oder dem Erlass des Verlustanteils aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Gesellschaft aufgelöst wird, denn in diesem Fall fehlt es an der vorausgesetzten Inkongruenz der Leistung.57 b) Besondere Vereinbarung zwischen Geschäftsinhaber und stillem Gesellschafter § 136 Abs. 1 InsO setzt eine besondere Vereinbarung zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem stillen Gesellschafter voraus, aufgrund derer es zur 51 52 53 54

Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 4. Vgl. BGH v. 21.3.1983 – II ZR 139/82, NJW 1983, 1855 f. Vgl. dazu BGH v. 1.3.1982 – II ZR 23/81, BGHZ 83, 341 ff. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 62 V. 2. a), S. 1863; OLG Hamm v. 3.5.1993 – 8 U 184/92, ZIP 1993, 1321 ff. 55 BGH v. 29.6.1970 – II ZR 158/69, BGHZ 55, 5 ff.; v. 22.10.1990 – II ZR 247/89, NJW-RR 1991, 613 ff. 56 Vgl. BGH v. 17.2.1992 – II ZR 100/91, NJW 1992, 1503 (1504); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II, S. 155/156. 57 MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 5; MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 9. Schfer

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I 18

I Rz. 18

§ 136 InsO – Stille Gesellschaft

Einlagenrückgewähr oder zum Erlass des Verlustanteils gekommen ist. Diese besondere Vereinbarung muss innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag oder danach zustande gekommen sein. Nur dann ist der tatbestandlich vorausgesetzte Fall einer inkongruenten Deckung gegeben.58 Eine solche Vereinbarung liegt auch dann vor, wenn der Geschäftsinhaber eine an sich unwirksame Kündigung des stillen Gesellschafters akzeptiert und als wirksam behandelt.59 Wird die Einlagenrückgewähr durch Zwangsvollstreckung durchgesetzt, greift § 136 InsO ein, wenn der Titel auf einer besonderen Vereinbarung beruht.60 I 19 Nicht anfechtbar sind dagegen Rechtshandlungen, auf die der stille Gesellschafter ohnehin einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch hat. Eine Gewinnentnahme, eine Einlagenrückgewähr oder eine (dingliche) Sicherung, die bereits von vornherein im Gesellschaftsvertrag zugesagt und fällig war, unterliegt in keinem Fall der Anfechtung nach § 136 Abs. 1 InsO.61 Eine Anfechtung scheidet ferner aus, wenn die Rückgewähr der Einlage auf einer berechtigten ordentlichen bzw. außerordentlichen Kündigung oder einem gesetzlichen Auflösungsgrund beruht.62 Nur soweit der stille Gesellschafter in diesen Fällen mehr erhält, als ihm ohne die Vereinbarung zustünde, greift die Anfechtung durch.63 Die dem ursprünglichen Vertrag entsprechende Rückgewähr der Einlage ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 130 InsO anfechtbar, die vorzeitige als inkongruente Deckung einer Insolvenzforderung nach § 131 InsO. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag innerhalb der Jahresfrist des § 136 Abs. 1 InsO abgeschlossen wurde.64 Eine Anfechtung nach § 136 Abs. 1 InsO kommt dagegen in Betracht, wenn das Kündigungsrecht selbst auf einer besonderen, innerhalb der Jahresfrist getroffenen Vereinbarung im Sinne des § 136 Abs. 1 InsO beruht.65 I 20 § 136 Abs. 1 Satz 2 InsO stellt klar, dass die Anfechtung nicht nur bei fortbestehendem Gesellschaftsverhältnis, sondern auch dann durchgreift, wenn die besondere Vereinbarung im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft getroffen wurde. Damit ist eine Auflösung gemeint, die nicht schon im Gesellschaftsvertrag vorgesehen wurde, sondern eine vorzeitige Auflösung aufgrund einer besonderen Vereinbarung.66 c) Jahresfrist I 21 Anders als bei den übrigen Anfechtungstatbeständen ist im Rahmen des § 136 InsO nicht der Zeitpunkt der Vornahme der masseschmälernden Rechtshand58 Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 13; K. Schmidt, § 136 Rz. 16. 59 Braun/Riggert, § 136 Rz. 9; Bork/Preuß, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 11 Rz. 14. 60 Gehrlein, WM 2009, Sonderbeilage 1, S. 52. 61 MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 18. 62 HambKomm-InsO/Schröder, § 136 Rz. 7; Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 237 Rz. 7. 63 MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 10. 64 Vgl. Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 13 f. 65 Vgl. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 10. 66 Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 16; K. Schmidt, § 136 Rz. 16.

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III. Einzelheiten

Rz. 23 I

lung, sondern jener des Abschlusses der ihr zugrundeliegenden Vereinbarung maßgebend. Eine Rechtshandlung, die auf einer Vereinbarung beruht, welche vor der Jahresfrist rechtsverbindlich wurde, ist daher nicht nach § 136 InsO anfechtbar.67 Aber auch eine im kritischen Zeitraum des § 136 Abs. 1 InsO abgeschlossene Vereinbarung ist nicht anfechtbar, wenn dem stillen Gesellschafter nur das gewährt wird, was er aufgrund eines vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsrechts hätte beanspruchen können.68 Dies gilt grundsätzlich auch im Fall einer vergleichsweisen Beendigung der stillen Gesellschaft.69 Die Jahresfrist ist gemäß § 139 InsO zu berechnen, der § 136 InsO ausdrück- I 22 lich erwähnt. Verjährungsrechtliche Bestimmungen sind nicht entsprechend anwendbar.70 Die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Vereinbarung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter vorgenommen wurde, bestimmt sich nach § 140 InsO. Auch in diesem Zusammenhang ist daher entscheidend, wann die Wirkungen der Vereinbarung eingetreten sind. Es kommt hingegen nicht darauf an, wann die Wirkung der angefochtenen Rechtshandlung (Einlagenrückgewähr oder Erlass des Verlustanteils) eingetreten ist. So kann etwa eine Einlagenrückgewähr, die außerhalb der Jahresfrist vereinbart, aber innerhalb dieses Zeitraums vollzogen wurde, nicht nach § 136 Abs. 1 InsO, sondern allenfalls nach den übrigen Anfechtungstatbeständen angefochten werden.71 d) Anfechtbare Rechtshandlung Gegenstand der Anfechtung ist die Rechtshandlung, mit der dem stillen Gesell- I 23 schafter die Einlage zurückgewährt oder die Verlustbeteiligung erlassen wurde.72 Die Rechtshandlung muss nicht vom Schuldner (Geschäftsinhaber) vorgenommen worden sein und kann auch in einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme oder einem Unterlassen bestehen.73 Zu beachten ist, dass es für die Anfechtbarkeit der Rechtshandlung nicht ausreicht, wenn diese selbst innerhalb der Jahresfrist des § 136 Abs. 1 InsO vorgenommen wurde; vielmehr muss die Vereinbarung, die der angefochtenen Rechtshandlung zugrundeliegt, innerhalb der Jahresfrist zustande gekommen sein. War die Vereinbarung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht erfüllt, bedarf es keiner Anfechtung. Da die stille Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst wird (vgl. § 728 Abs. 2 BGB), werden die Ansprüche des (typischen) stillen Gesellschafters gemäß § 236 HGB zu Insolvenzforderungen; ein anderes Ergebnis könnte auch durch die Anfechtung der Vereinbarung nicht erreicht werden.74

67 FK-InsO/Dauernheim, § 136 Rz. 9. 68 BGH v. 27.11.2000 – II ZR 218/00, NJW 2001, 1270 ff.; MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 11. 69 Vgl. OLG München v. 23.6.1999 – 15 U 2827/99, NZI 2000, 180 f. 70 MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 14. 71 MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 14. 72 Bork/Preuß, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 11 Rz. 19. 73 HK-InsO/Thole, § 136 Rz. 6. 74 Vgl. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 15. Schfer

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I Rz. 24

§ 136 InsO – Stille Gesellschaft

aa) Einlagenrückgewähr I 24 Dem Tatbestandsmerkmal der Einlagenrückgewähr unterfallen alle Rechtshandlungen, die dem stillen Gesellschafter eine Deckung für die von ihm erbrachte Einlage gewähren.75 Erfasst werden sämtliche Arten von Erfüllungshandlungen, einschließlich der Erfüllungssurrogate, der Aufrechnung und der Leistung an Dritte.76 Auch in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es im Falle der Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO keiner Anfechtung bedarf. Nach dem Normzweck des § 136 InsO sind auch Gewinne erfasst, die auf dem Einlagenkonto stehen geblieben sind, sonstige Gewinnauszahlungen jedoch nur, soweit sie nach § 232 Abs. 2 Satz 2 HGB zur Verlustdeckung hätten verwendet werden müssen.77 Eine Rückgewähr der Einlage ist ferner in der (nachträglichen) Bestellung einer Sicherheit zu sehen, die dem stillen Gesellschafter ein Aus- oder Absonderungsrecht vermittelt.78 Die nachträgliche Besicherung des Rückzahlungsanspruchs wird somit erst nach Jahresfrist unangreifbar, wobei eine rechtzeitige schuldrechtliche Sicherungsabrede genügt.79 I 25 Die Umwandlung der Einlage des stillen Gesellschafters in ein Darlehen stellt keine Rückgewähr der Einlage dar, da ihm auch in diesem Fall – wie schon zuvor – nur eine Insolvenzforderung in der Insolvenz des Geschäftsinhabers zusteht. Eine die Gläubiger benachteiligende Schmälerung des Schuldnervermögens tritt erst mit der Auszahlung ein.80 Erst wenn das umgewandelte Darlehen noch vor der Insolvenzeröffnung zurückgezahlt wird, ist die erforderliche Schmälerung der künftigen Insolvenzmasse gegeben. Soll durch die Umwandlung auch ein bereits durch Verluste verbrauchter Teil der Einlage zu einem Darlehensanspruch erstarken, liegt darin ein Erlass des Verlustanteils, der als solcher anfechtbar ist.81 Fand die Umwandlung der Einlage in ein Darlehen außerhalb der Jahresfrist des § 136 Abs. 1 InsO statt, ist keine Anfechtbarkeit gegeben.82 I 26 Eine Rückgewähr der Einlage liegt dagegen nicht vor, wenn dem stillen Gesellschafter eine noch nicht geleistete Einlage erlassen wird.83 Dies folgt bereits aus § 236 Abs. 2 HGB, wonach der stille Gesellschafter auch im Insolvenzverfahren die rückständige Einlage nur insoweit zur Masse einzuzahlen hat, als diese zur Deckung seines Anteils am Verlust benötigt wird.84 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Einlage des Stillen rückständig ist und zu seinen Lasten Verluste angefallen sind, weil ihm dann zugleich sein Verlustanteil erlassen wird.85 Die Auszahlung von Scheingewinnen stellt keine Einlagenrückgewähr dar und ist 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85

HK-InsO/Thole, § 136 Rz. 9. Vgl. Bork/Preuß, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 11 Rz. 20. K. Schmidt, § 136 Rz. 11. Vgl. HK-InsO/Thole, § 136 Rz. 9; MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 18. MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 13. Bork/Preuß, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 11 Rz. 21. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 17. Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 19. Uhlenbruck/Hirte, § 136 Rz. 6; FK-InsO/Dauernheim, § 136 Rz. 10. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 20. Vgl. Bork/Preuß, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 11 Rz. 23; FK-InsO/ Dauernheim, § 136 Rz. 10.

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III. Einzelheiten

Rz. 30 I

nicht mit den vom Anleger als Einlage erbrachten Zahlungen zu saldieren; sie kann aber nach § 134 InsO anfechtbar sein.86 Die Rückgabe von Gegenständen, die der stille Gesellschafter dem Unterneh- I 27 men lediglich zum Gebrauch überlassen hat, stellt keine Einlagenrückgewähr dar, denn dieser hätte die Gegenstände im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Geschäftsinhabers ohnehin aussondern können.87 Auch in diesem Zusammenhang wird jedoch noch zu klären sein, ob die im Vorfeld der Insolvenzeröffnung erfolgte Herausgabe eines von einem atypischen stillen Gesellschafter überlassenen Gegenstandes anfechtbar sein kann, wenn dieser für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist.88 Die Rückgewähr der Einlage ist in vollem Umfang anfechtbar und nicht etwa I 28 nur in Höhe des auf den stillen Gesellschafter entfallenden Verlustanteils. Eine solche Beschränkung der Anfechtbarkeit auf den Verlustanteil war schon im Gesetzgebungsverfahren zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch nicht durchsetzbar.89 Deshalb hindert auch der Ausschluss des Gesellschafters vom Verlust nicht die Anfechtung der Einlagenrückgewähr gemäß § 136 Abs. 1 InsO.90 bb) Erlass des Verlustanteils Anfechtbar ist ferner der Erlass der Verlustbeteiligung des stillen Gesellschaf- I 29 ters, allerdings nur insoweit, als die Einlage zur Deckung eines entstandenen Verlusts benötigt wird (vgl. § 236 Abs. 2 HGB). Für die Anfechtbarkeit kommt es nicht darauf an, ob der Erlass vor oder bei der Auflösung der stillen Gesellschaft stattgefunden hat.91 Der Erlass des Anteils an künftigen Verlusten ist nicht nach § 136 InsO anfechtbar; er kann jedoch nach den sonstigen Anfechtungsbestimmungen anfechtbar sein.92 Streitig ist, ob zur Ermittlung des Verlustanteils ein Zwischenabschluss zu er- I 30 stellen ist oder ob – insbesondere, wenn die Ermittlung des Verlustanteils nur mit unzumutbarem Aufwand möglich ist – eine zeitanteilige Aufteilung auf der Grundlage des nächsten Jahresabschlusses zulässig ist.93 Dagegen dürfte es nicht möglich sein, das Anfechtungsrecht auf die bis zum nächsten Bilanzstichtag entstandenen Verluste zu erstrecken, wenn die Beteiligten keine Zwischenbilanz auf den Tag des Erlasses aufstellen.94 86 87 88 89 90 91 92

Vgl. BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253 ff. MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 14. Vgl. dazu die Ausführungen zu § 135 Abs. 3 InsO, Rz. H102 ff. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 16; K. Schmidt, KTS 1977, 65 (71). MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 12. Uhlenbruck/Hirte, § 136 Rz. 7. Vgl. HambKomm-InsO/Schröder, § 136 Rz. 11; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 22; K. Schmidt, § 136 Rz. 15. 93 Im letzteren Sinne MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 21; HambKomm-InsO/Schröder, § 136 Rz. 11; HK-InsO/Thole, § 136 Rz. 10; a.A. MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 17; FK-InsO/Dauernheim, § 136 Rz. 11. 94 Vgl. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 21; Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 11. Schfer

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I Rz. 31

§ 136 InsO – Stille Gesellschaft

I 31 Die Anfechtung führt zur haftungsrechtlichen Unwirksamkeit des Erlasses.95 Meldet der stille Gesellschafter seinen Einlagenrückgewähranspruch zur Tabelle an, kann der Insolvenzverwalter der Forderung in Höhe des vom Stillen zu tragenden Verlusts widersprechen (vgl. § 236 Abs. 1 HGB). Ist die Einlage rückständig, muss der stille Gesellschafter sie bis zu dem Betrag, der zur Deckung seines Verlustanteils benötigt wird, zur Insolvenzmasse einzahlen (vgl. § 236 Abs. 2 InsO).96 2. § 136 Abs. 2 InsO – Anfechtungsausschluss I 32 Nach § 136 Abs. 2 InsO ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn der Eröffnungsgrund erst nach dem Abschluss der Vereinbarung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter eingetreten ist. § 136 Abs. 1 InsO soll die Gleichbehandlung der Gläubiger in der materiellen Insolvenz des Geschäftsinhabers gewährleisten.97 Also muss die besondere Vereinbarung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter im Zustand der materiellen Insolvenz getroffen worden sein, der freilich gemäß § 136 Abs. 2 InsO zu Lasten des Stillen vermutet wird.98 Durch die Neufassung des § 136 Abs. 2 InsO soll die Bestimmung nach der Gesetzesbegründung im Vergleich zur früheren Rechtslage „für die Praxis handhabbar“ werden.99 Im Schrifttum wird indes zu Recht darauf hingewiesen, dass dies eine Einschränkung der Anfechtbarkeit gegenüber der früheren Rechtslage zur Folge hat, da nunmehr beim Ausschluss der Anfechtbarkeit an einen früheren Zeitpunkt angeknüpft wird. Denn zum Eröffnungsgrund, der erst nach dem Abschluss der Vereinbarung eingetreten sein darf, um eine Anfechtung auszuschließen, gehört nach neuem Recht auch die drohende Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 18 InsO).100 I 33 Da im Anwendungsbereich des § 135 InsO Sicherungen und Befriedigungen, die einem Gesellschafter innerhalb der dort genannten Zeiträume für die Forderung auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens im Sinne des § 39 InsO gewährt werden, auch dann anfechtbar sind, wenn die Insolvenz der Gesellschaft durch ein plötzliches Ereignis verursacht wurde,101 drängt sich die Frage einer analogen Anwendbarkeit des § 136 Abs. 2 InsO im Rahmen des § 135 InsO auf. Entsprechende Vorschläge sind jedoch bei der Schaffung des „MoMiG“ nicht Gesetz geworden, so dass in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke eine solche analoge Anwendung des § 136 Abs. 2 InsO ausscheiden dürfte.102

95 96 97 98 99 100 101 102

Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 42. Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 12. Vgl. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 1. MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 1. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161. Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 136 Rz. 11; HK-InsO/Thole, § 136 Rz. 3. Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rz. 58. Vgl. Haas, ZInsO 2007, 617 (621 f.); Hirte, WM 2008, 1429 (1433).

680 Schfer

III. Einzelheiten

Rz. 36 I

3. Beweislast Der Insolvenzverwalter trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- I 34 und Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 InsO. Dies gilt insbesondere für die Einlagenrückgewähr bzw. den Erlass des Verlustanteils als anzufechtender Rechtshandlung.103 Wurde der stille Gesellschafter während des laufenden Geschäftsjahres von der Verpflichtung zur Verlusttragung befreit, muss der Insolvenzverwalter nach herrschender Auffassung nicht die exakte Höhe des Verlusterlasses nachweisen, vielmehr kann er eine zeitanteilige Aufteilung auf der Grundlage des nächsten Jahresabschlusses vornehmen.104 Streitig ist allerdings die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hinsicht- I 35 lich der Frage, ob die besondere Vereinbarung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter innerhalb des letzten Jahres vor der Stellung des Insolvenzantrages abgeschlossen wurde. Die herrschende Auffassung weist zu Recht darauf hin, dass dem Gesetz und den Gesetzesmotiven keine Anhaltspunkte für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu entnehmen sind.105 Nachweisschwierigkeiten für den Insolvenzverwalter, die insbesondere dann bestehen können, wenn vom stillen Gesellschafter eine außerhalb der Jahresfrist abgeschlossene mündliche Vereinbarung behauptet wird, ist im Rahmen der Rechtsgrundsätze zur sekundären Darlegungslast des Anfechtungsgegners und durch Beweiserleichterungen im Einzelfall Rechnung zu tragen. Dementsprechend hat der stille Gesellschafter substantiiert vorzutragen, wann und unter welchen Umständen die Vereinbarung über die Einlagenrückgewähr oder den Erlass des Verlustanteils getroffen worden sein soll; alsdann ist es Sache des Insolvenzverwalters, die Darstellung des stillen Gesellschafters zu widerlegen. Eine Beweislastumkehr zugunsten des Insolvenzverwalters enthält allerdings I 36 § 136 Abs. 2 InsO. Dies folgt aus dessen Fassung als Ausnahmetatbestand. Da der Eintritt eines Insolvenzgrundes zum Zeitpunkt der Vereinbarung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter für den Insolvenzverwalter nur unter erheblichen Schwierigkeiten nachzuweisen ist, wird das Risiko, dass sich der Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife nicht genau feststellen lässt, dem stillen Gesellschafter auferlegt.106 Der stille Gesellschafter muss somit darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der besonderen Vereinbarung eine Zahlungsunfähigkeit des Geschäftsinhabers weder drohte noch eingetreten war, noch in den Fällen des § 19 InsO eine Überschuldung vorlag.107

103 MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 23; HambKomm-InsO/Schröder, § 136 Rz. 17. 104 Vgl. Preuß in Kübler/Prütting/Bork, § 136 Rz. 27 sowie oben Rz. I30. 105 Jaeger/Henckel, § 136 Rz. 19; MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 23; HambKomm-InsO/ Schröder, § 136 Rz. 17; HK-InsO/Kreft, § 136 Rz. 11; a.A. MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 24; FK-InsO/Dauernheim, § 136 Rz. 14. 106 MK-InsO/Gehrlein, § 136 Rz. 24; K. Schmidt, § 136 Rz. 19. 107 MK-HGB/K. Schmidt, Anh. § 236 Rz. 25. Schfer

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I Rz. 37

§ 136 InsO – Stille Gesellschaft

4. Konkurrenzen I 37 Zur Frage der Konkurrenz mit anderen Anfechtungstatbeständen wird in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass die Anfechtbarkeit als unmittelbar nachteiliges Rechtsgeschäft (§ 132 InsO) oder als unentgeltliche Leistung (§ 134 InsO) unberührt bleibe, da allgemein alle Anfechtungstatbestände miteinander konkurrierten.108 Häufig wird auch eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO in Betracht kommen, wenn in Kenntnis der Krise Leistungen an einen stillen Gesellschafter erbracht wurden. Im Falle einer atypischen stillen Beteiligung ist ferner die Anwendbarkeit des § 135 InsO zu prüfen. Ein atypischer stiller Gesellschafter haftet als Kapitalanleger ungeachtet des § 136 Abs. 2 InsO für die in den letzten vier Jahren vor dem Eröffnungsantrag ausgeschütteten Scheingewinne.109

108 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 161. 109 Vgl. Graf-Schlicker/Huber, § 136 Rz. 9; Mylich, ZIP 2011, 2182 (2185 f.).

682 Schfer

J. § 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen § 137 Wechsel- und Scheckzahlungen (1) Wechselzahlungen des Schuldners können nicht auf Grund des § 130 vom Empfänger zurückgefordert werden, wenn nach Wechselrecht der Empfänger bei einer Verweigerung der Annahme der Zahlung den Wechselanspruch gegen andere Wechselverpflichtete verloren hätte. (2) Die gezahlte Wechselsumme ist jedoch vom letzten Rückgriffsverpflichteten oder, wenn dieser den Wechsel für Rechnung eines Dritten begeben hatte, von dem Dritten zu erstatten, wenn der letzte Rückgriffsverpflichtete oder der Dritte zu der Zeit, als er den Wechsel begab oder begeben ließ, die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder den Eröffnungsantrag kannte. § 130 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend. (3) Die Abs. 1 und 2 gelten entsprechend für Scheckzahlungen des Schuldners. Rz. I. Zweck und Entstehungsgeschichte der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschluss der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 132 InsO (§ 137 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wechselzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Wechselrechtlicher Hintergrund . b) Begünstigte Zahlungen . . . . . . . . . 2. Notgedrungene Zahlungsannahme . a) Verlust des Rückgriffsrechts . . . . b) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine analoge Anwendung . . . . . . 3. Rechtsfolgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fallgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 137 InsO ist anwendbar in folgenden Fällen . . . . . . . . . . . . . . b) § 137 InsO ist nicht anwendbar in folgenden Fällen . . . . . . . . . . . . III. Anfechtung gegenüber dem letzten Regressschuldner – Anspruch auf Ersatzrückgewähr (§ 137 Abs. 2) . . . .

J1

J4 J4 J4 J6 J9 J9 J11 J13 J15 J17 J17 J18

Rz. 1. Zweck, Gegenstand und Umfang des Rückgewähranspruchs . . . . . . . . a) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtungsgegner . . . . . . . . . . . . . . 3. Subjektive Anfechtungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folgen der Erstattungsleistung . . . . . IV. Scheckzahlungen (§ 137 Abs. 3 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand und praktische Bedeutung der Verweisung . . . . . . . . 2. Entsprechende Anwendung der Vorschriften für Wechselzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz der bezogenen Bank . . . b) Insolvenz des Ausstellers . . . . . . . 3. Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . .

J19 J19 J21 J22 J24 J26 J29 J30 J30 J32 J32 J33 J35 J37

J19

I. Zweck und Entstehungsgeschichte der Norm Die Vorschrift normiert in Abs. 1 und 3 für Wechsel- und Scheckzahlungen des J 1 Schuldners eine Ausnahme von der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO, lässt aber die Anfechtung aus anderen Gründen (§§ 131, 133 ff. InsO) unberührt, so insbesondere wegen inkongruenter Deckung gem. § 131 InsO (s.

Wagner

683

J Rz. 1

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

Rz. J15) und vorsätzlicher Benachteiligung gem. § 133 InsO.1 § 137 InsO passt die Anfechtung nach § 130 InsO und ggf. nach § 132 InsO an die Besonderheiten des Wechsel- und Scheckrechts an, indem sie dem Umstand Rechnung trägt, dass der Empfänger eine Wechsel- oder Scheckzahlung annehmen muss, um eigene wechsel- oder scheckrechtliche Rückgriffsansprüche nicht zu verlieren.2 Dies wäre der Fall, weil der Wechsel- oder Scheckgläubiger bei Ablehnung einer ihm angebotenen Zahlung nicht Protest mangels Zahlung erheben könnte (s. Rz. J9 ff.).3 Nimmt der Gläubiger die Zahlung aber an und wäre diese gem. § 130 InsO anfechtbar, wären die dann gem. § 144 Abs. 1 InsO wiederauflebenden Wechsel- und Scheckansprüche wertlos, weil der Protest wegen Fristversäumnis nicht nachholbar unterblieben ist.4 Stattdessen gibt Abs. 2 einen selbständigen Anfechtungsanspruch gegen den letzten Rückgriffsverpflichteten. Damit wird gewissermaßen eine Ausnahme von der Ausnahme normiert, um eine unbillige Entlastung des letzten Regressschuldners zu verhindern, die durch die Unanfechtbarkeit der Wechsel- oder Scheckzahlung gegenüber dem Zahlungsempfänger einträte. Ob die Vorschrift zugleich oder darüber hinaus einer missbräuchlichen Umgehung des § 130 InsO vorbeugen soll, ist strittig.5 Auch Abs. 2 betrifft nur Scheck- und Wechselzahlungen und erfasst lediglich die Anfechtung in Fällen kongruenter Deckung; er ist also nicht entsprechend anwendbar auf sonstige Sicherheiten, insbesondere auf die Befreiung von einer Bürgschaftsschuld bei nicht anfechtbarer Befriedigung des Gläubigers durch den Hauptschuldner.6 § 137 InsO ist jedoch nach herrschender Lehre sinngemäß anzuwenden auf Erfüllungshandlungen, die ausnahmsweise nicht von § 130 InsO, aber von der Auffangnorm des § 132 InsO erfasst werden.7 § 137 Abs. 3 InsO erstreckt die für Wechselzahlungen formulierten Vorschriften der Abs. 1 und 2 auf Scheckzahlungen.

1 Siehe den Fall OLG Koblenz v. 25.6.2010 – 10 U 924/09, UV-Recht Aktuell 2010, 851, dazu unten Rz. J36. Vgl. bereits BGH v. 24.10.1973 – VIII ZR 82/72, WM 1973, 1354 = NJW 1974, 57 zu §§ 31, 34 KO. Zu § 131 InsO bei Kundenschecks s. Rz. O52 ff. 2 Vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 1 sowie Rz. 3 zur Einbeziehung des § 132 InsO. Vgl. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Gehrlein, § 137 Rz. 1; vgl. K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 3. 3 Vgl. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Gehrlein, § 137 Rz. 1. 4 Vgl. K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 3. 5 Dafür die h.M. im Schrifttum im Anschluss an die Motive zur KO, s. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. IV, 1881, S. 140 f. zu § 27; vgl. etwa FKInsO/Dauernheim, § 137 Rz. 1; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Gehrlein, § 137 Rz. 1; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 1, 3; Kayser/Thole, § 137 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 9; Haarmeyer/Huber/Schmittmann/Schmittmann, § 137 Rz. 15; Gehrlein, WM 2009, SBeil. 1 S. 53 vor B. – Dagegen Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 6. 6 BGH v. 24.10.1973 – VIII ZR 82/72, WM 1973, 1354 = NJW 1974, 57 zu § 40 Abs. 2 KO. 7 Vgl. FK-InsO/Dauernheim, § 137 Rz. 1; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 3; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 1, 3; Kayser/Thole, § 137 Rz. 4; Gehrlein, WM 2009, SBeil. 1 S. 53. Zu notwendigen Differenzierungen s. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 6.

684 Wagner

I. Zweck und Entstehungsgeschichte der Norm

Rz. 3 J

§ 137 InsO entspricht der Sache nach § 34 KO,8 enthält aber Abweichungen für J 2 Fälle des Abs. 2 hinsichtlich der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen durch Gleichstellung grob fahrlässiger Unkenntnis und der Beweislastumkehr gegenüber nahe stehenden Personen (s. Rz. J26, J37).9 § 137 ist aus § 152 RegE hervorgegangen. Während Abs. 1 und Abs. 3 (von der Verweisungsnorm abgesehen) wörtlich übereinstimmen, hat Abs. 2 seine endgültige Fassung erst im weiteren Gesetzgebungsverfahren erhalten. Der RegE hatte hinsichtlich der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen – abweichend von § 34 KO – der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags die grob fahrlässige Unkenntnis gleichgestellt. Aufgrund der Beratungen im Rechtsausschuss wurde in § 145 Abs. 2 RegE (§ 130 Abs. 2 InsO) der Begriff grob fahrlässige Unkenntnis durch die Wendung Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen ersetzt: Dem wurde § 152 RegE durch Streichung des Begriffs der grob fahrlässigen Unkenntnis und Erweiterung der Verweisung angepasst.10 Die Vorschrift ist rechtspolitisch umstritten. So moniert Häsemeyer eine unbe- J 3 rechtigte Bevorzugung von Wechsel- oder Scheckinhabern nebst potentiellen Regresspflichtigen, während die gegen Missbräuche vorgesehene Regelung des Abs. 2 die „Gläubigergleichbehandlung nur in singulären Fällen“ schütze.11 Er schlägt stattdessen vor, die Protesterhebung (Art. 43, 44 WG, Art. 40 ScheckG) nach Eintritt der Anfechtungsvoraussetzungen für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens trotz Zahlung des Insolvenzschuldners zuzulassen.12 Dem kann jedoch, ungeachtet der geringen praktischen Bedeutung der Vorschrift, nicht zugestimmt werden. Durch Zahlung des Primärschuldners erlischt der Anspruch aus dem Wechsel durch Erfüllung und kann deshalb nicht mehr zu Protest gehen.13 Ein dennoch mögliches Protestverfahren hätte einen systemfremden Rücklauf und damit eine gesetzlich nicht vorgesehene Inanspruchnahme sekundärer Wechselschuldner zur Folge, die der Funktionsfähigkeit des Wechsels als Zahlungs- und Kreditmittel unvertretbar schaden würden. Dies ließe sich m.E. mit dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung nicht rechtfertigen. Hinzu kommt, dass WechselG und ScheckG internationales Einheitsrecht sind.14

8 Diese Bestimmung war in ihren ersten beiden Absätzen wortgleich mit § 27 KO i.d.F. v. 10.2.1877 (RGBl. S. 351, 357), der noch Gegenstand der Entscheidung RGZ 40, 40 war. Beide Fassungen enthielten eine dem zeitgenössischen Duktus verhaftete, nur sprachlich abweichende Formulierung der Ausschlussvoraussetzung in Abs. 1 („…, wenn nach Wechselrecht der Empfänger bei Verlust des Wechselanspruchs gegen andere Wechselverpflichtete zur Annahme der Zahlung verbunden war“). Abs. 3 wurde durch Art. 9 EGScheckG v. 14.8.1933 (RGBl. I S. 605) hinzugefügt. 9 BT-Drucks. 12/2443, 161 zu § 152. 10 BT-Drucks.12/7302, S. 57, 173 zu § 152; § 130 Abs. 2 InsO entspricht § 145 Abs. 2 RegE in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses. 11 Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.54. 12 Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.54. 13 Vgl. Bülow, WechselG, ScheckG, AGB, 5. Aufl., Art. 28 WG Rz. 6, Art. 43 WG Rz. 1, 9. 14 Darauf weist Hirte zu Recht hin, s. Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 1. Wagner

685

J Rz. 4

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

II. Ausschluss der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 132 InsO (§ 137 Abs. 1) 1. Wechselzahlungen a) Wechselrechtlicher Hintergrund J 4 Um den Anwendungsbereich der Vorschrift richtig zu erfassen, ist zunächst zwischen Zahlungen durch Wechsel, d.h. mittels Hingabe eines Wechsels, und Zahlungen auf Wechsel zwecks Erfüllung der Wechselverbindlichkeit, zu unterscheiden.15 Nur letztere, also Zahlungen des Schuldners auf einen ihm vorgelegten Wechsel, meint § 137 InsO.16 Die Vorschrift erfasst dagegen weder die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten noch deren Besicherung.17 Besteht eine Verpflichtung des Gläubigers, Wechsel des Schuldners in Zahlung zu nehmen, so stellt die Hingabe des Wechsels zwar eine kongruente Deckung i.S.d. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO dar: Als eine Sicherung oder Befriedigung, die der Gläubiger zu beanspruchen hat, gilt ggf. auch eine solche, die durch die Hingabe von Wechseln erfolgt.18 Das ist z.B. der Fall, wenn eine Bank verpflichtet ist, Kundenwechsel zur Abdeckung des Kontos hereinzunehmen.19 Um relevante Wechselzahlungen des Schuldners i.S.d. § 137 InsO handelt es sich dabei aber nicht. Die Vorschrift erfasst dagegen die Einlösung des Wechsels durch Auszahlung der Wechselsumme, sei es in bar, sei es durch Gutschrift auf dem Konto des Remittenten, ggf. nach Diskontierung durch die Gläubigerbank.20 J 5 Wechselprotest und Regressansprüche gibt es nur, wenn die Wechselforderung nicht erfüllt wird (Art. 43, 44 WG). Leistet der Akzeptant mit befreiender Wirkung, so erlischt die Primärschuld aus Art. 28 WG. Regressansprüche gegen Sekundärschuldner (Aussteller, Indossanten, Wechselbürgen und Ehrenannehmer) gem. Art. 47 WG i.V.m. Art. 9, 15, 32, 58 WG können nicht entstehen, ein Protest mangels Zahlung findet nicht statt (Art. 43, 44 WG).21 Bei verspäteter Leistung erlöschen bereits entstandene Regressforderungen.22 Zahlt der Akzeptant trotz fristgerechter Vorlage des Wechsels bei Verfall hingegen nicht, ist zur Erhaltung des Rückgriffs gegen sekundäre Wechselschuldner Protest mangels Zahlung 15 Siehe hierzu die den Entscheidungen des BGH v. 29.4.1974 – VIII ZR 200/72, WM 1974, 570 = NJW 1974, 1336 (ohne SV); v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = NZI 2007, 517 = ZInsO 2007, 816 = ZIP 2007, 1469 zugrunde liegenden Sachverhalte; auch OLG Stuttgart v. 15.7.2008 – 10 U 147/07, ZInsO 2011, 232 = 2. Berufungsurteil in der Sache BGH IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 (NZB zurückgewiesen durch BGH v. 16.12.2010 – XI ZR 150/08); vgl. auch Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 4. Vgl. zum Wechselregress allg. Peters in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 64 Rz. 42 ff. 16 Vgl. etwa Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.54; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 1. 17 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 4; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 6; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 5. 18 BGHZ 70, 177, 183 mit Verweis auf RGZ 71, 89, 90; BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = NZI 2007, 517 = ZInsO 2007, 816 = ZIP 2007, 1469. 19 BGHZ 70, 177, 183: ebenso bei Verpflichtung der Geschäftsbank zur Gutschrift einzuziehender Kundenforderungen aufgrund Inkassovereinbarung. 20 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = ZInsO 2007, 816 Rz. 25. 21 Vgl. Bülow, WechselG, ScheckG, AGB, 5. Aufl., Art. 40 WG Rz. 8. 22 Vgl. Bülow, WechselG, ScheckG, AGB, 5. Aufl., Art. 40 WG Rz. 8.

686 Wagner

II. Ausschluss der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 132 InsO

Rz. 7 J

gem. Art. 43 ff. WG zu erheben.23 Ist allerdings über das Vermögen des Bezogenen das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so genügt zur Ausübung des Rückgriffsrechts die Vorlage des Eröffnungsbeschlusses (Art. 44 Abs. 6 WG). Dasselbe gilt bei einer sog. nicht akzeptablen Tratte, d.h. bei einem Vorlegungsverbot i.S.d. Art. 22 Abs. 2 WG, wenn über das Vermögen des Ausstellers das Insolvenzverfahren eröffnet wird (Art. 44 Abs. 6 WG).24 b) Begünstigte Zahlungen Vor diesem wechselrechtlichen Hintergrund begünstigt § 137 Abs. 1 InsO Zah- J 6 lungen des Schuldners als Wechselverpflichteter, insbesondere als Akzeptant eines gezogenen Wechsels (Art. 28 WG) oder als Aussteller eines eigenen Wechsels (Art. 78 WG), ferner als Ehrenannehmer (Art. 58 WG) sowie als Bezogener, wenn er durch die nicht geschuldete Wechselzahlung (vgl. Art. 28 Abs. 1 WG) zugleich eine Verpflichtung aus dem Kausalgeschäft erfüllt.25 Darüber hinaus folgt aus der Bezugnahme des § 137 Abs. 1 InsO auf § 130 InsO, mithin aus der Voraussetzung einer an sich gegebenen Anfechtbarkeit wegen kongruenter Deckung, dass der Schuldner als Verpflichteter die Forderung eines Insolvenzgläubigers erfüllen muss.26 Aus der weiteren, spezifisch wechselrechtlichen Voraussetzung des § 137 Abs. 1 J 7 InsO, dass ein Regressverlust möglich sein muss (s. unten Rz. J9), ergibt sich, dass der Schuldner den Wechsel nicht als einziger Wechselschuldner27 oder nur als selbständig Rückgriffsberechtigter eingelöst haben darf.28 Wechselzahlungen des Schuldners als Aussteller eines gezogenen Wechsels oder als Indossant fallen daher nicht unter § 137 Abs. 1 InsO, weil die Ablehnung der Zahlungsannahme durch den Empfänger keine wechselrechtlichen Nachteile für diesen hat.29 Für diese Erkenntnis kann allerdings nur im Ergebnis, nicht aber in der Sache auf das Urteil des BGH vom 21.6.200730 verwiesen werden.31 Denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Schuldnerin als Akzeptantin den vom Aussteller an eigene Order gestellten und zum Diskont gegebenen Wechsel über ihre Bank am Verfallstag eingelöst. Eine Anwendung des § 137 InsO schied in diesem Fall also deshalb aus, weil die Zahlungsempfängerin als Ausstellerin des Wechsels an eigene Order durch Verweigerung der Annahme der 23 Vgl. Bülow, WechselG, ScheckG, AGB, 5. Aufl., Art. 38 WG Rz. 8, Art. 43 WG Rz. 9 ff. 24 Vgl. im Einzelnen Bülow, WechselG, ScheckG, AGB, 5. Aufl., Art. 43 WG Rz. 14, 19, Art. 44 WG Rz. 12. 25 FK-InsO/Dauernheim, § 137 Rz. 3; Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 6. 26 Zutreffend Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 5. 27 Kayser/Thole, § 137 Rz. 7; HK-InsO/Kreft, § 137 Rz. 7 mit nur im Ergebnis zutreffendem Hinweis auf BGH v. 21.6.2007, s. dazu sogleich im Text. 28 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 5 mit nur im Ergebnis zutreffendem Hinweis auf BGH v. 21.6.2007, s. dazu sogleich im Text. 29 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 6 a.E., 9. 30 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = NZI 2007, 517 = ZInsO 2007, 816 = ZIP 2007, 1469 m. Anm. Kreft, WuB VI A. § 130 InsO 1.08. 31 So aber Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 5 mit Fn. 10; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 7. Wagner

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J Rz. 7

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

Wechselzahlung mangels Vormänner (vgl. Art. 47, 49 WG) keinen Wechselanspruch gegen andere Wechselverpflichtete verlieren konnte,32 nicht dagegen, weil die Schuldnerin als Zahlende die einzige Wechselschuldnerin gewesen wäre.33 J 8 Die Anwendung des § 137 InsO kommt nicht nur bei Einlösung des Wechsels durch Barzahlung in Betracht, sondern grundsätzlich bei allen verkehrsüblichen, einer Barzahlung gleichstehenden Zahlungsweisen,34 sei es durch Überweisung, sei es durch Gutschrift auf dem Empfängerkonto im Regelfall des Wechseldiskonts,35 ferner durch Erfüllungssurrogate, insbesondere durch Aufrechnung des Schuldners mit einer Gegenforderung gegen die Wechselforderung des Wechselinhabers, ab Verfall (Art. 33 WG)36 und vor Insolvenzeröffnung.37 Handelt es sich bei der Wechselforderung um die Gegenforderung des aufrechnenden Wechselgläubigers, ergibt sich das Fälligkeitserfordernis bereits aus § 387 BGB. Anders verhält es sich bei der Aufrechnung des Wechselschuldners, für die nach allgemeinen Regeln die Erfüllbarkeit der Hauptforderung genügen würde.38 Für Wechselforderungen folgt das Fälligkeits- oder Verfallserfordernis jedoch aus Art. 40 Abs. 1 WG, mithin daraus, dass der Wechselinhaber nicht verpflichtet ist, eine Zahlung vor Verfall anzunehmen.39 Dies gilt ungeachtet dessen, dass eine vorzeitige Zahlung resp. Aufrechnung eine inkongruente Deckung darstellen, ggf. zur Anfechtung nach § 131 InsO berechtigen und deshalb nicht unter § 137 InsO fallen würde. Schließlich kommen auch Teilzahlungen in Betracht, da der Empfänger diese als Wechselinhaber annehmen muss (vgl. Art. 39 Abs. 2 WG), um nicht den Regress hinsichtlich des angebotenen Betrages zu verlieren.40 2. Notgedrungene Zahlungsannahme a) Verlust des Rückgriffsrechts J 9 Nach § 137 Abs. 1 InsO privilegiert ist nur die wechselrechtlich erforderliche, d.h. notgedrungene Zahlungsannahme, um einen Verlust von Regressansprü32 Zutreffend BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = NZI 2007, 517 = ZInsO 2007, 816 = ZIP 2007, 1469 m. Anm. Kreft, WuB VI A. § 130 InsO 1.08. 33 Vgl. zu den Rechtsbeziehungen beim Wechseldiskont Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlungen, 23. Aufl., Anh. Art. 11 WG Rz. 16 ff.; auch Peters in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 64 Rz. 42 ff. (Regress), § 65 Rz. 12 f., 16 ff. 34 Allg.M., vgl. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 5; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 6; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 8; Graf-Schlicker/Huber, § 137 Rz. 2. 35 So im Fall BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = NZI 2007, 517 = ZInsO 2007, 816 = ZIP 2007, 1469 m. Anm. Kreft, WuB VI A. § 130 InsO 1.08. 36 Allg.M., vgl. etwa Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 6; Kayser/Thole, § 137 Rz. 5 m.V.a. BGH NJW 1970, 41, 42; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 137 Rz. 2; Leonhardt/Smid/Zeuner, § 137 Rz. 6, jew. m.w.N. 37 Allg.M., vgl. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 5; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 6; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 8. 38 Vgl. statt vieler Erman/Wagner, BGB, 15. Aufl., § 387 Rz. 21. 39 BGH v. 29.9.1969 – II ZR 51/67, NJW 1970, 41, 42; BGH v. 11.10.1990 – I ZR 6/89, MDR 1991, 319 = WM 1991, 76, 78. 40 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 13.

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II. Ausschluss der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 132 InsO

Rz. 11 J

chen zu vermeiden. Abs. 1 formuliert diese objektive Voraussetzung mit den Worten: „…, wenn nach Wechselrecht der Empfänger bei einer Verweigerung der Annahme der Zahlung den Wechselanspruch gegen andere Wechselverpflichtete verloren hätte.“ Der Regressverlust muss sich aus dem Wechselrecht ergeben. Nimmt der Wechselgläubiger die angebotene Zahlung an und wird diese nach § 130 Abs. 1 InsO erfolgreich angefochten, sind die nach § 144 InsO wieder auflebenden Wechselansprüche wertlos, weil der Wechselprotest unterblieben und wegen Versäumung der Ausschlussfrist des Art. 44 WG nicht nachholbar ist.41 Nimmt der Zahlungsempfänger die Leistung des Schuldners aber nicht gleichsam von Gesetzes wegen (Henckel) an, sondern aufgrund einer besonderen Vereinbarung, so fehlt es an der erforderlichen Zwangslage mit der Folge, dass eine Anfechtung nicht nach § 137 Abs. 1 InsO ausgeschlossen ist.42 Dasselbe gilt, wenn bei Zahlung der Protest versäumt, erlassen oder bereits rechtzeitig erhoben ist. Der rechtzeitige Protest ist eine notwendige Voraussetzung des Rückgriffs; er be- J 10 gründet zwar nicht den Rückgriffsanspruch selbst, erhält aber das insbesondere nach Art. 9, 15, 32, 58 WG bereits bestehende Rückgriffsrecht gegen Aussteller, Indossanten etc.43 Mit der Versäumung der Ausschlussfristen für die Erhebung des Protestes mangels Zahlung verliert der Wechselinhaber nach Art. 53 Abs. 1 WG seine Rechte gegen alle Rückgriffsschuldner. Ein eigener Wechsel, bei dem der Aussteller sich selbst zur Zahlung der Wechselsumme verpflichtet hat (Art. 75), ist zur Vermeidung des Verlustes des Rückgriffsrechts gegen den Indossanten dem Aussteller vorzulegen und mangels Zahlung zu protestieren (Art. 38 Abs. 1, 44 Abs. 3, 53, 77 Abs. 1, 78 WG).44 Rückgriffsschuldner sind die Indossanten, der Aussteller und die anderen Wechselverpflichteten (Art. 43 WG), namentlich Wechselbürgen (Art. 32), die sich für Indossanten oder Aussteller verbürgt haben, und Ehrenannehmer (Art. 58).45 Dagegen haben der Akzeptant als Primärschuldner und sein Wechselbürge dem Aussteller und allen späteren Inhabern für die Wechselschuld unmittelbar einzustehen, d.h. den Wechsel bei Verfall einzulösen (Art. 28, 32). b) Grenzen Wechselgläubiger verlieren ihre Rückgriffsansprüche, wenn sie eine rechtzeitig J 11 angebotene Wechselzahlung ablehnen und deshalb nicht Protest erheben können (vgl. Art. 43 f., 47 WG). Von dieser Nichtannahme der Zahlung begrifflich zu un41 Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 3 a.E.; vgl. zu diesem Privilegierungsgrund Rz. J1. 42 RG LZ 1914, 1374 Nr. 9; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 9; Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 7; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 8; Kayser/Thole, § 137 Rz. 7; HambK-InsO/ Rogge/Leptien, § 137 Rz. 3. 43 BGHZ 21, 155, 166 f.; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützen Zahlungen, 23. Aufl., Art. 44 WG Rz. 2; vgl. auch Peters in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 64 Rz. 42 ff. 44 BGHZ 21, 155, 163. 45 Vgl. näher Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützen Zahlungen, 23. Aufl., Art. 43 WG Rz. 5; Bülow, WechselG, ScheckG, AGB, 5. Aufl., Art. 43 WG Rz. 1. Wagner

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J Rz. 11

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

terscheiden ist die nach Art. 43 Abs. 2 Nr. 1 WG zum Protest mangels Annahme vor Verfall berechtigende Nichtannahme des Wechsels durch den Bezogenen (vgl. Art. 28 WG). § 137 InsO koordiniert die an die Nichtannahme der Zahlung anknüpfenden Besonderheiten des wechselrechtlichen Regresses mit dem Recht der Insolvenzanfechtung, insbesondere mit dem Grundsatz, dass die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger von demjenigen ausgeglichen werden muss, der aufgrund der benachteiligenden Handlung (hier der Begebung des Wechsels) etwas erlangt hat (hier Deckung für die Wechselforderung).46 § 137 InsO steht einer Rückforderung aufgrund einer Anfechtung nach § 130 InsO nicht entgegen, wenn der Zahlungsempfänger als Aussteller eines auf den Schuldner gezogenen und von diesem akzeptierten Wechsels keinen wechselrechtlichen Rückgriffsanspruch gegen andere Wechselverpflichtete durch Verweigerung der Annahme der Wechselzahlung verlieren konnte, weil es keine anderen Vorleute gab.47 J 12 Demnach ist eine Zahlungsannahme nicht erforderlich, § 137 InsO also unanwendbar, wenn der Wechselinhaber nach Art. 46 Abs. 1 und 3 Satz 1 Halbs. 1 WG von der Protesterhebung wirksam befreit ist (Protesterlass).48 Dabei ist zu beachten, dass der Erlass nur dann gegenüber allen Wechselverpflichteten wirkt, wenn der Befreiungsvermerk vom Aussteller beigefügt worden ist (Art. 46 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 WG); stammt er von einem Indossanten oder von einem Wechselbürgen, so wirkt er nur diesen gegenüber (Art. 46 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WG). § 137 InsO ist also anwendbar, wenn Regresspflichtige vorhanden sind, gegen die der Protesterlass nicht wirkt.49 Die Zahlungsannahme ist dagegen nicht mehr erforderlich, wenn Protest bereits wirksam erhoben ist, weil dann die Rückgriffsrechte bereits gesichert sind.50 Desgleichen, allerdings mit gegenteiligen Folgen, wenn die Frist zur rechtzeitigen Protesterhebung versäumt worden ist.51 c) Keine analoge Anwendung J 13 § 137 InsO ist auf andere Wertpapiere als Wechsel und Scheck nicht entsprechend anwendbar,52 mögen sie auch wie kaufmännische Orderpapiere des § 363 HGB durch Indossament übertragbar sein. Denn ihnen fehlt die Garantiefunktion53 und damit die für § 137 InsO notwendige Möglichkeit eines Verlusts des 46 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 18. 47 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = NZI 2007, 517 = ZInsO 2007, 816 = ZIP 2007, 1469, 1470 Tz. 21 mit Anm. Kreft, WuB VI A § 130 InsO 1.08; vgl. Rz. J7. 48 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 8; Kayser/Thole, § 137 Rz. 7; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 9; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 2. 49 Zutreffend Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 8. 50 RGZ 40, 40, 43; Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 9, 10; Kayser/Thole, § 137 Rz. 7; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 2. 51 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 9; Kayser/Thole, § 137 Rz. 7; K. Schmidt/ Ganter, § 137 Rz. 9; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 2. 52 BGH v. 24.10.1973 – VIII ZR 82/72, WM 1973, 1354 = NJW 1974, 57, juris-Rz. 13; allg.M. 53 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 17; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 1; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 4; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 137 Rz. 2; Kübler/Prütting/ Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 5.

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II. Ausschluss der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 132 InsO

Rz. 15 J

Rückgriffsanspruchs bei Nichtannahme der angebotenen Zahlung. Es fehlt mit anderen Worten an einem vergleichbaren Dilemma des Gläubigers.54 § 137 InsO ist auch nicht entsprechend anwendbar auf andere Sicherheiten, ins- J 14 besondere bei einer durch Bürgschaft gesicherten Forderung, genauer: auf die Befreiung von einer Bürgschaftsschuld bei nicht anfechtbarer Befriedigung des Gläubigers durch den Hauptschuldner.55 Die Vorschrift lässt sich nicht erstrecken auf Gläubiger, die im Falle der Nichtzahlung der Hauptforderung eine (Ersatz- oder Sicherungs-)Forderung gegen einen Dritten, insbesondere gegen einen Bürgen haben. Auch solche Regressgläubiger befinden sich nicht in einer vergleichbaren Zwangslage; die verlieren nicht ihren Rückgriffsanspruch, falls sie die angebotene Zahlung nicht annehmen.56 Nichts anderes gilt für den Fall, dass der Wechselgläubiger die Zwangsvollstreckung aus dem Wechsel betreibt und sich auf diesem Wege eine (inkongruente) Deckung verschafft.57 Ungeachtet deren Inkongruenz und Anfechtbarkeit nach § 131 InsO kommt § 137 InsO auch deshalb nicht zur Anwendung, weil der Gläubiger keinen Rückgriffsanspruch verliert, wenn er die Zwangsvollstreckung unterlässt, nachdem er den Wechsel hat protestieren lassen.58 3. Rechtsfolgen Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 137 Abs. 1 InsO erfüllt, kann die J 15 Zahlung des Schuldners nicht nach § 130 InsO angefochten werden, auch nicht nach § 132 InsO, soweit dieser Anfechtungsgrund einschlägig ist (s. Rz. E24, E47, E53). Ausgeschlossen ist lediglich die Anfechtung des Erfüllungsgeschäfts, genauer: der Zahlung als Erfüllungshandlung, nicht dagegen die Anfechtung des zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfts und auch nicht die Eingehung der Wechselschuld durch Akzeptleistung (Art. 28 WG). Wird die (Eingehung der abstrakten) Wechselverpflichtung selbst nach §§ 130, 131 InsO wirksam angefochten, ist der Zahlungsempfänger nicht durch § 137 Abs. 1 InsO geschützt. Er hat die Wechselsumme vielmehr nach § 143 InsO zurückzugewähren.59 Nicht gehindert ist auch eine Anfechtung nach § 131 InsO. Eine inkongruente Deckung ist z.B. anzunehmen, wenn der Schuldner vor Verfall zahlt, weil der Empfänger die vorzeitige Zahlung nicht annehmen muss, um etwaige Rückgriffsrechte zu erhalten; ferner dann, wenn der Wechselgläubiger die Wechselsumme im Wege der Zwangsvollstreckung beitreibt, ohne vorher Protest erhoben zu ha-

54 Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 5; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 5. 55 BGH v. 24.10.1973 – VIII ZR 82/72, WM 1973, 1354 = NJW 1974, 57 zu § 40 Abs. 2 KO. 56 Zutreffend Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 17; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 5; FK-InsO/Dauernheim, § 137 Rz. 2 a.E. 57 Vgl. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 15; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 8; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 6, 8. 58 Zutreffend Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 17. 59 HM (Einheitstheorie), vgl. Graf-Schlicker/Huber, § 137 Rz. 3; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 10; Kayser/Thole, § 137 Rz. 8; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 137 Rz. 12; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 5. Nach a.A. folgt die Rückzahlungspflicht aus §§ 812 ff. BGB, vgl. dafür Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 14. Wagner

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J Rz. 15

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

ben.60 Unberührt bleiben weitere Anfechtungstatbestände, insbesondere Vorsatz- und Schenkungsanfechtung (§§ 133, 134 InsO). J 16 Kommt § 137 Abs. 1 InsO nicht zur Anwendung mit der Folge, dass eine Wechselzahlung zurückzugewähren ist, so sind wiederum wechselrechtliche Besonderheiten zu beachten. Hatte der Schuldner einen bereits mangels Zahlung zu Protest gegangenen als regresspflichtiger Indossant eingelöst, muss der Zahlungsempfänger den erhaltenen Betrag nur gegen Rückgabe des quittierten Wechsels nebst Protesturkunde zur Insolvenzmasse zurückgewähren, damit er selbst Rückgriff suchen kann.61 4. Fallgruppen a) § 137 InsO ist anwendbar in folgenden Fällen J 17 – Schuldner zahlt als Akzeptant eines gezogenen Wechsels, Art. 28 WG – Schuldner zahlt als Aussteller eines eigenen Wechsels, Art. 78 WG – Schuldner zahlt als Vollmachtsindossatar, Art. 18 WG – Schuldner zahlt als Domiziliat, Art. 27 WG62 – Schuldner zahlt als Ehrenannehmer, Art. 61 WG – alle verkehrüblichen Zahlungsweisen (Barzahlung, Überweisung und dgl.)63 – Aufrechnung des Schuldners gegen die Wechselforderung ab Verfall64 b) § 137 InsO ist nicht anwendbar in folgenden Fällen J 18 – (andere, nicht indossable) Wertpapiere ohne Garantiefunktion65 – Zahlungsempfänger ist kein Insolvenzgläubiger66 – Zahlungsempfänger ist Aussteller und zugleich Remittent des Wechsels, Art. 3 Abs. 1 WG67 60 Vgl. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 15; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 8; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 6, 8. 61 Vgl. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 16. 62 FK-InsO/Dauernheim, § 137 Rz. 3; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 1; Zeuner, Anfechtung, Rz. 108. Zu notwendigen Differenzierungen s. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 6: nur in der Insolvenz des Bezogenen; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 6: nicht im Regelfall der Zahlung für fremde Rechnung; Kayser/Thole, § 137 Rz. 5. 63 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 6; Kayser/Thole, § 137 Rz. 5; Uhlenbruck/ Hirte, § 137 Rz. 1. 64 RGZ 58, 105, 109; Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 5; Kayser/Thole, § 137 Rz. 5; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 1. 65 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 4; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 1. 66 Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 1. 67 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = NZI 2007, 517 = ZIP 2007, 1469 mit Anm. Kreft, WuB VI A § 130 InsO 1.08; OLG Stuttgart v. 15.7.2008 – 10 U 147/07, ZInsO 2011, 232 (= 2. Berufungsurteil in der Sache BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = NZI 2007, 517 = ZInsO 2007, 816 = ZIP 2007, 1469 m. Anm. Kreft, WuB VI A. § 130 InsO 1.08).

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III. Anfechtung gegenber dem letzten Regressschuldner

Rz. 19 J

– Zahlungsempfänger ist letzter oder einziger Rückgriffsberechtigter (Rückgriffsrecht kann mangels Vormänner nicht entstehen)68 – Schuldner (Zahlender) ist einziger Rückgriffsverpflichteter (Rückgriffsrecht kann nicht entstehen)69 – Zahlung nach rechtzeitiger Protesterhebung (Rückgriffsrecht schon gesichert)70 – Zahlung nach Ablauf der Protestfrist (Rückgriffsrecht bereits verloren)71 – Wirksamer Protesterlass, Art. 46 WG (keine Zwangslage, Inhaber kann Zahlung zurückweisen)72 – das Kausalgeschäft ist wirksam angefochten73

III. Anfechtung gegenüber dem letzten Regressschuldner – Anspruch auf Ersatzrückgewähr (§ 137 Abs. 2) 1. Zweck, Gegenstand und Umfang des Rückgewähranspruchs a) Zweck Abs. 2 normiert einen Anfechtungsanspruch gegen den letzten Regressschuld- J 19 ner, der nicht notwendig mit dem Empfänger der Zahlung identisch ist. Dies hat nach h.M. den Zweck, die Insolvenzmasse vor einer missbräuchlichen Umgehung der Insolvenzanfechtung zu schützen (vgl. Rz. J1). Die Vorschrift verdankt ihre Entstehung mit anderen Worten der Regelung des Abs. 1. Dahinter steht die Vorstellung, ein Gläubiger könne die Anfechtung umgehen, indem er trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrages einen Wechsel auf den Schuldner zieht und verkauft, oder sich einen Scheck ausstellen lässt und diesen weitergibt.74 Handelt der letzte Rückgriffsverpflichtete für einen Dritten, ist dieser zum Ausgleich verpflichtet.75

68 RGZ 40, 40, 41; BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = NZI 2007, 517 = ZInsO 2007, 816 = ZIP 2007, 1469, 1470 Tz. 21 mit Anm. Kreft, WuB VI A § 130 InsO 1.08; Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 9, 11; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 7; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 137 Rz. 3; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 2. 69 RGZ 40, 40, 41; BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = ZInsO 2007, 816 = ZIP 2007, 1469, 1470 Tz. 21 mit Anm. Kreft, WuB VI A § 130 InsO 1.08; Jaeger/ Henckel, § 137 Rz. 9, 11; Kayser/Thole, § 137 Rz. 7; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 2. 70 RGZ 40, 40, 43; Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 9; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 8; HK-InsO/Kreft, § 137 Rz. 7; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 2. 71 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 9; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 8; Kayser/Thole, § 137 Rz. 7; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 2. 72 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 8; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 8; Kayser/Thole, § 137 Rz. 7; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 2. 73 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 10; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 5. 74 Hahn, Mot. KO, S. 140 zu § 27; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Gehrlein, § 137 Rz. 1; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 5; HK-InsO/Kreft, § 137 Rz. 3. 75 Hahn, Mot. KO, S. 141 zu § 27; HK-InsO/Kreft, § 137 Rz. 3; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 7; Haarmeyer/Huber/Schmittmann/Schmittmann, § 137 Rz. 16. Wagner

693

J Rz. 20

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

J 20 Führt man die ratio legis hingegen auf allgemeine Billigkeitserwägungen und den Grundsatz zurück, dass der letzte „Bereicherte“ die Gläubigerbenachteiligung auszugleichen habe,76 so bedarf es keiner Legitimation des Erstattungsanspruchs aus dem Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) oder dem der Gesetzesumgehung (§§ 134, 138 BGB). Dezidiert wendet sich daher Henckel gegen die Annahme, § 137 Abs. 2 InsO diene der Abwehr eines Missbrauchs oder von „Schleichhändeln“; die Vorschrift enthalte vielmehr eine zweckgerechte Anpassung der besonderen Insolvenzanfechtung an das Wechselrecht, die auch dann greife, wenn der letzte Regresspflichtige nicht in böser Absicht, sondern lediglich in Kenntnis der Krise gehandelt hat.77 Soll die Vorschrift verhindern, dass der letzte Regressschuldner in Kenntnis der Krise das Risiko der Insolvenz des Wechselschuldners auf einen anderen verlagert,78 so liegt darin wiederum eine Annäherung an den Missbrauchsgedanken der hM. Zunehmend wird daher mit Recht eine Kombination beider Regelungsziele zur Bestimmung des Norminhalts angenommen.79 b) Gegenstand J 21 § 137 Abs. 2 InsO bezeichnet als Erstattungsgegenstand die gezahlte Wechselsumme. Der Anfechtungsanspruch entspricht demjenigen des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO; sein Umfang bestimmt sich nach der herrschenden Einheitstheorie gem. § 143 InsO.80 Danach muss der Anfechtungsgegner zur Insolvenzmasse alles zurückgewähren, was dem Vermögen des Schuldners durch die anfechtbare Handlung entzogen worden ist (s. Rz. P47, P51). Der Schuldner hat aus seinem Vermögen nicht nur die Wechselsumme weggegeben, sondern auch die gezahlten Nebenleistungen. Der Ersatzanspruch geht somit auf Rückgewähr der gezahlten Wechselsumme, einschließlich Zinsen und Kosten. Die Anspruch ist also weder auf die reine Wechselsumme beschränkt, wie der Gesetzestext vermuten lassen könnte, noch auf das, was der letzte Rückgriffsschuldner durch die Begebung des Wechsels erlangt hat.81 Auch in diesem Zusammenhang zeigt sich die Funktion der Vorschrift als Wiederherstellung der von § 137 Abs. 1 InsO suspendierten Deckungsanfechtung der Wechselzahlung des Schuldners. c) Umfang J 22 Die Quasi-Akzessorietät der Ausnahmebestimmung des § 137 InsO gilt auch für den ersatzweisen Anspruch gegen den letzten Rückgriffsverpflichteten. Aus dieser in der Bezugnahme auf § 130 InsO zum Ausdruck gebrachten Funktion 76 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 18; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 1; Kübler/ Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 9. 77 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 18 mit Fn. 24. 78 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 18 a.E.; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 4, der aber letztlich für eine Kombination beider Zwecke eintritt. 79 Vgl. etwa Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 4, 5; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 10; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 9. 80 Vgl. etwa Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 18; Kayser/Thole, § 137 Rz. 4, § 143 Rz. 1, 4 ff.; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 137 Rz. 12; anders Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 14: §§ 812 ff. BGB. 81 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 22; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 18.

694 Wagner

III. Anfechtung gegenber dem letzten Regressschuldner

Rz. 24 J

des § 137 InsO folgt für den zeitlichen Anwendungsbereich des Abs. 2, dass der Erstattungsanspruchs nur besteht, soweit die Wechselzahlung als kongruente Deckung anfechtbar wäre. Ist der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht erfüllt, weil der Wechsel früher als drei Monate vor der Stellung des Eröffnungsantrags eingelöst wurde,82 oder scheidet die Deckungsanfechtung aus einem anderen Grund aus, so ist auch für einen Erstattungsanspruch nach § 137 Abs. 2 InsO kein Raum. Die Vorschrift soll eine unbillige Entlastung des letzten Regressschuldners ver- J 23 hindern, die dann einträte, wenn er infolge der Unanfechtbarkeit der Wechselzahlung nach Abs. 1 und dem mit der Zahlung verbundenen Ausschluss des Rückgriffs (Art. 43 Abs. 1 WG) im Genuss des Betrages bliebe, der ihm durch die Begebung des Wechsels zugeflossen ist.83 Die Vorschrift greift daher in teleologischer Anwendung nur ein, wenn dies tatsächlich der Fall ist. Hat der Wechselgläubiger den Wechsel in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners an einen Dritten verkauft,84 der vom Schuldner bei Fälligkeit und Vorlage bezahlt wird, so kann er nicht auf Kosten der Insolvenzgläubiger begünstigt werden. Hat der Regresspflichtige dagegen tatsächlich nichts erlangt, weil ihm die Eingehung der Wechselverpflichtung keinen adäquaten Vermögensvorteil verschafft hat oder wie bei der schenkweisen Hingabe des Wechsels keine entsprechende Ersparnis,85 so scheidet eine ersatzweise Haftung nach § 137 Abs. 2 InsO aus. Denn die Insolvenzanfechtung hat nicht die Aufgabe, der Insolvenzmasse Vorteile zu verschaffen, die sie ohne die anfechtbare Handlung nicht erlangt hätte.86 Das muss auch für die Ersatzanfechtung nach § 137 Abs. 2 InsO gelten. 2. Anfechtungsgegner Die Anfechtung ist gegen den letzten Rückgriffsverpflichteten zu richten, also J 24 gegen denjenigen, in dessen Person die Reihe der Wechselverpflichteten (Garanten) beim Rücklauf des Wechsels (Regressschuldner) endet. Das ist derjenige, der bei wirksamem Protest mangels Zahlung letztlich hätte zahlen müssen,87 mit anderen Worten derjenige, der durch die Zahlung des Schuldners von seiner Rückgriffspflicht frei geworden ist. Bei einem vom Schuldner ausgestellten eigenen Wechsel also der erste Indossant, bei einem auf den Schuldner gezogenen Wechsel der Aussteller.88 Ist der Wechsel für Rechnung eines Dritten gezogen worden (sog. Kommissionswechsel, Art. 3 Abs. 3 WG), so ist dieser Dritte

82 83 84 85 86

Zeuner, Anfechtung, Rz. 109. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 18; Kayser/Thole, § 137 Rz. 3. BK-InsO/Breutigam, § 137 Rz. 3; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 5. Vgl. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 18. BGH v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87, 96 = MDR 1986, 580; BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228, 237 f. Rz. 25, 29; s. aber auch HK-InsO/ Kreft, § 137 § 143 Rz. 19 f. 87 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 13; Kayser/Thole, § 137 Rz. 9; K. Schmidt/ Ganter, § 137 Rz. 12; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 6; Haarmeyer/Huber/Schmittmann/Schmittmann, § 137 Rz. 21. 88 Kayser/Thole, § 137 Rz. 9; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 6; eingehend Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 13 m.w.N. Wagner

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J Rz. 24

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

Schuldner des Erstattungsanspruchs.89 Das trifft z.B. auf den Kommittenten eines Kommissionswechsels zu, für dessen Rechnung der Wechsel.90 Die Bestimmung des richtigen Anfechtungsgegners hängt also von den konkreten Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls ab.91 J 25 Hat anstelle des Regresspflichtigen ein Nichtberechtigter wirksam über den Wechsel verfügt (Art. 16 Abs. 2 WG), kann gegen den Rückgriffsschuldner nur unter Rechtsscheingesichtspunkten angefochten werden.92 Das setzt voraus, dass die Regressverbindlichkeit des letzten Regressschuldners durch einen von ihm zurechenbar gesetzten Rechtsschein begründet worden ist.93 Im Anfechtungsprozess kann der Insolvenzverwalter verpflichtet sein, dem Dritten oder dem an sich Rückgewährpflichtigen den Streit zu verkünden (vgl. §§ 72 ff. ZPO, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB).94 Im Verfahren gegen den Aussteller hat dieser zu beweisen, dass die Wechselbegebung für Rechnung eines konkret zu bezeichnenden Dritten erfolgte.95 – Ist der letzte Regressschuldner oder der Dritte außerstande, die gezahlte Wechselsumme zu erstatten, so geht der Ausfall zu Lasten der Insolvenzmasse; der Insolvenzverwalter kann sich bei Zahlungsunfähigkeit des letzten Regressschuldners nicht an andere, nachrangige Rückgriffsverpflichtete, d.h. diesem vorangehende Garanten halten.96 3. Subjektive Anfechtungsvoraussetzungen J 26 Liegen die objektiven Anfechtungsvoraussetzungen vor, ist der Erstattungsanspruch dennoch nur begründet, wenn auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist. Das ist nur der Fall, wenn der letzte Regressschuldner oder der Dritte zum Zeitpunkt der Wechselbegebung (nicht der Wechselzahlung) die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder den Eröffnungsantrag kannte (Abs. 2 Satz 1). Der Regresspflichtige soll mithin nicht in jedem Fall, in dem eine Anfechtung der Wechselzahlung gegenüber dem Zahlungsempfänger an sich, gäbe es den Anfechtungsausschluss nach Abs. 1 nicht, möglich wäre, auch zur Erstattung verpflichtet sein.97 Selbst wenn der Zahlungsempfänger die Zahlungsunfähigkeit 89 BK-InsO/Breutigam, § 137 Rz. 3 a.E.; Haarmeyer/Huber/Schmittmann/Schmittmann, § 137 Rz. 16. 90 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 13; eingehend Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 21. 91 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 20. 92 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 13; eingehend Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 21. 93 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 13; Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 18; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützen Zahlungen, 23. Aufl., Einl. WG Rz. 30. 94 Zurückhaltender Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 13. 95 Vgl. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 21. 96 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 20; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 6; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 14; Kayser/Thole, § 137 Rz. 9; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 12; Braun/Riggert, § 137 Rz. 11. 97 Zutreffend Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 23. Das wird verkannt von HambK-InsO/Rogge/ Leptien, § 137 Rz. 10, die contra legem auf den Zeitpunkt der Zahlung der Wechselschuld abstellen, dabei zu Unrecht auf § 140 Abs. 1 InsO und BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZInsO 2007, 816 (s. Rz. J7, J18) verweisen. Vgl. dagegen wie hier K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 15; h.M.

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III. Anfechtung gegenber dem letzten Regressschuldner

Rz. 29 J

oder den Eröffnungsbeschluss bei Empfang der Wechselsumme kannte und damit eine Anfechtung der Zahlung nach § 130 Abs. 1 InsO möglich wäre, aber durch § 137 Abs. 1 InsO ausgeschlossen ist, geht die Insolvenzmasse leer aus, wenn der Regresspflichtige bei Begebung des Wechsels davon (noch) nichts wusste.98 Darin liegt ein Grund für die geringe praktische Bedeutung der Vorschrift.99 Maßgeblich ist nicht die Kenntnis des Zahlungsempfängers, sondern die Kennt- J 27 nis des Anfechtungsgegners i.S.d. § 137 Abs. 2 InsO. Das Gesetz erstreckt also keineswegs die subjektiven Voraussetzungen der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO auf den surrogierenden Anspruch aus § 137 Abs. 2 InsO, sondern formuliert sie der Regelung des selbständigen Anfechtungsanspruchs gemäß neu. Dagegen konnte sich der Gesetzgeber für die Gleichstellung der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, mit einer Verweisung auf die entsprechende Regelung des § 130 Abs. 2 InsO begnügen (§ 137 Abs. 2 Satz 2 InsO). Die Kenntnis wird zudem gem. § 130 Abs. 3 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner eine nahestehende Person i.S.d. § 138 InsO ist. Richtet sich der Anspruch gegen einen Dritten, für dessen Rechnung der letzte J 28 Rückgriffsverpflichtete den Wechsel begeben hatte (vgl. Art. 3 Abs. 3 WG), so kommt es auf die Kenntnis des Dritten zur Zeit der Begebung an.100 Die Kenntnis seines Stellvertreters im maßgeblichen Zeitpunkt ist dem Anfechtungsgegner nach dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.101 Für die Wissenszurechnung gelten auch bei der Insolvenzanfechtung die allgemeinen Regeln.102 4. Folgen der Erstattungsleistung Ansprüche des letzten Rückgriffsverpflichteten gegen seine Vorleute leben nach J 29 § 144 Abs. 1 InsO wieder auf, wenn er den Erstattungsanspruch erfüllt.103 Hat der Aussteller den Wechsel auf den Schuldner gezogen und indossiert, und hat der Schuldner wegen Abs. 1 anfechtungsfrei an den Indossatar gezahlt, so hat die Ersatzleistung des Ausstellers als letzter Regressverpflichteter zur Folge, dass seine Forderung gegen den Schuldner wieder auflebt und als Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann.104

98 Vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 16; Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 23. 99 Vgl. Braun/Riggert, § 137 Rz. 15, der darauf hinweist, dass Zahlungsempfänger und letzter Regressschuldner häufig Außenstehende sind, die von der wirtschaftlichen Krise des Schuldners keine Kenntnis haben. 100 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 17; eingehend Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 21, 23. 101 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 17; eingehend Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 23. 102 Eingehend Zeuner, Anfechtung, Rz. 113 ff. 103 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 24; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 6 a.E.; Graf-Schlicker/Huber, § 137 Rz. 7; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 18 m.w.N. 104 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 24. Wagner

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J Rz. 30

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

IV. Scheckzahlungen (§ 137 Abs. 3 InsO) 1. Gegenstand und praktische Bedeutung der Verweisung J 30 Abs. 3 sieht für Scheckzahlungen die entsprechende Anwendung der für Wechselzahlungen geltenden Abs. 1 und 2 des § 137 InsO vor. Denn Scheckgläubiger verlieren wie Wechselgläubiger ihre Rückgriffsansprüche gegen Aussteller und Indossanten, wenn sie eine ordnungsgemäß angebotene Scheckzahlung ablehnen und deshalb nicht Protest erheben können (Art. 40 ScheckG). Wie beim Wechsel ist zwischen der Ausstellung und Begebung des Schecks durch den Schuldner und der Einlösung des Schecks durch den Schecknehmer, also zwischen der Zahlung mit Scheck und der Zahlung auf Scheck, zu unterscheiden, die jeweils selbständig anfechtbar sein können.105 Die Hingabe eines Schecks stellt eine Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) dar, mit der der Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers eine neue Verbindlichkeit eingeht.106 Gleichwohl stellt die verkehrsübliche Bezahlung einer Schuld durch Hingabe eigener Schecks eine kongruente Deckung i.S.d. § 130 Abs. 1 InsO dar.107 Die (analoge) Anwendbarkeit des § 137 InsO auf Scheckzahlungen ist dennoch umstritten.108 J 31 Die Vorschrift betrifft nach h.M. nur Scheckzahlungen durch den Bezogenen. Da nach Art. 3 ScheckG der Scheck nur auf ein Kreditinstitut (Bank oder Sparkasse) gezogen werden darf (Art. 54 ScheckG), bei welcher der Aussteller ein Guthaben unterhält, ist die Vorschrift nach h.M. auf Bankinsolvenzen zugeschnitten.109 Dementsprechend kommt ihr – jedenfalls in wirtschaftlich ruhigeren Zeiten – nur geringe praktische Bedeutung zu.110 Nach einer verbreiteten, namentlich von Canaris vertretenen Gegenansicht ist die Vorschrift darüber hinaus auch im Insolvenzverfahren des Ausstellers anzuwenden.111 Dem sind in der konkursrechtlichen Literatur namentlich Uhlenbruck und Häsemeyer gefolgt.112 Dafür spricht bereits der Umstand, dass es sich bei dem Bankiersvorbehalt nach Art. 3 Satz 1, 54 ScheckG nur um eine das Deckungsverhältnis betreffende Sollvor-

105 Vgl. BGH v. 11.7.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276 Rz. 9 m. Anm. Kreft, WuB VI A. § 129 InsO 1.07 = MDR 2007, 861; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 60 Rz. 307 m.w.N. 106 BGH v. 11.7.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276, 278 f. Rz. 10 m.w.N. = MDR 2007, 861. 107 Vgl. BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125, 139; v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 Rz. 45; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb., § 60 Rz. 308, jew. m.w.N. 108 Vgl. etwa Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.54; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 1. 109 FK-InsO/Dauernheim, § 137 Rz. 7; K. Schmidt/Ganter, § 137 Rz. 16; Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 25; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 8; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 19; Braun/Riggert, § 137 Rz. 13; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 8; auch bereits Kilger/K. Schmidt, § 34 KO Anm. 3. 110 Kilger/K. Schmidt, § 34 KO Anm. 3; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Gehrlein, § 137 Rz. 9; vgl. auch die Vorgenannten. 111 Canaris, BankvertragsR, 4. Aufl., Rz. 819. 112 Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 34 Rz. 3; Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.54; tendenziell wohl auch Zeuner, Anfechtung, Rz. 110; Leonhardt/Smid/Zeuner, § 137 Rz. 8.

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Rz. 33 J

IV. Scheckzahlungen (§ 137 Abs. 3 InsO)

schrift handelt, die der Wirksamkeit eines nicht auf eine Bank gezogenen Schecks nicht entgegensteht.113 Denn ob der Scheckinhaber Ansprüche aus dem Scheck erlangt, ob also eine Scheckverpflichtung wirksam begründet wurde, ist eine Frage des Valutaverhältnisses zwischen Inhaber und Aussteller.114 Dies folgt unmittelbar aus Art. 3 Satz 2 ScheckG, wonach die Nichtbeachtung der Vorschriften des Art. 3 Satz 1 ScheckG die Gültigkeit der Urkunde als Scheck nicht berührt. 2. Entsprechende Anwendung der Vorschriften für Wechselzahlungen a) Insolvenz der bezogenen Bank Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn über das Vermögen der bezogenen J 32 Bank nach Zahlung das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Denn der Inhaber hat in diesem Fall keinen Rückgriffsanspruch mehr gegen den Aussteller (Art. 40 ScheckG).115 Als Zahlung des Schuldners gilt dabei auch die Gutschrift auf dem Konto des Empfängers, und zwar beim Barscheck, bei dem die Gutschrift eine kongruente Deckung darstellt, weil sie nach der Verkehrsanschauung der Barzahlung gleichsteht,116 wie beim Verrechnungsscheck, bei dem die Gutschrift der Barzahlung kraft Gesetzes gleichgestellt ist (Art. 39 Abs. 2 Satz 2 ScheckG).117 Eine Anfechtung nach § 130 InsO scheidet indessen schon deshalb aus, weil der Scheckinhaber Gläubiger der Bank sein muss.118 Angesichts des Akzeptverbotes nach Art. 4 ScheckG ist dies jedoch nur dann der Fall, wenn die Voraussetzungen einer Garantiehaftung der Bank vorliegen, wie beim früheren Scheckkartenscheck und bei dem bestätigten Scheck der Bundesbank (vgl. § 23 BBankG).119 In Betracht kommt ggf. eine Anfechtung nach § 132 InsO,120 die wiederum nach § 137 ausgeschlossen sein kann. – In der Insolvenz des ersten Schecknehmers ist der zweite Schecknehmer durch § 137 Abs. 3 InsO geschützt, wenn er den Scheck vor Eintritt der Insolvenz erhalten hat, da er bei Nichtannahme oder Nichtvorlage den Rückgriffsanspruch gegen den Aussteller verlieren würde.121 b) Insolvenz des Ausstellers Wird über das Vermögen des Ausstellers das Insolvenzverfahren eröffnet, nach- J 33 dem die Bank gezahlt hat, und ist der Inhaber durch wirksames Indossament le113 Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützen Zahlungen, 23. Aufl., Art. 3 ScheckG Rz. 1; Bülow, WechselG, ScheckG, AGB, 5. Aufl., Art. 3 ScheckG Rz. 1. 114 Bülow, WechselG, ScheckG, AGB, 5. Aufl., Art. 3 ScheckG Rz. 1. 115 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 25; Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.54. 116 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 26; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 20 m.z.N. 117 Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 25; Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.54. 118 FK-InsO/Dauernheim, § 137 Rz. 7. 119 FK-InsO/Dauernheim, § 137 Rz. 7 a.E. 120 Zutreffend Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 137 Rz. 20. 121 Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 8; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl., Rz. 3.355; Zeuner, Anfechtung, Rz. 110; Leonhardt/Smid/Zeuner, § 137 Rz. 8. Wagner

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J Rz. 33

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

gitimiert, so ist die Vorschrift nach zutreffender Ansicht anzuwenden, die Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO also ausgeschlossen.122 Denn der Inhaber verliert durch die Zahlung der Bank den sonst bestehenden Rückgriff gegen den Indossanten (Art. 18, 40 ScheckG) und wird deshalb gegen die Anfechtung geschützt.123 Dies gilt unabhängig davon, ob die Bank mangels Guthabens des Ausstellers bei ihr (Art. 3 ScheckG) oder aufgrund des scheckrechtlichen Akzeptverbots (Art. 4 ScheckG) nicht zur Zahlung verpflichtet war und deshalb die Zahlung gegenüber dem Vorlegenden hätte verweigern können.124 J 34 Die Vorschrift erfasst dagegen nicht die Hingabe eigener Schecks (vgl. zunächst Rz. C56 f.). In der Erfüllung einer Geldschuld durch Begebung eines eigenen Schecks liegt zwar eine kongruente Deckung i.S.d. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO.125 Für eine Anwendung des § 137 InsO fehlt es aber an einem (weiteren) Rückgriffsverpflichteten, so dass der Verlust eines Rückgriffsrechts im Falle der Verweigerung der Zahlungsannahme nicht zu besorgen ist. Diese Ausnahmevorschrift erfasst erst recht nicht die Hingabe von Schecks Dritter (Kundenschecks), die dem Gläubiger nur eine inkongruente Deckung verschaffen könnte126 und damit schon tatbestandlich nicht unter § 137 InsO fiele (vgl. oben Rz. J1). 3. Grenzen J 35 Wie bei Wechselzahlungen nach § 137 Abs. 1 InsO setzt ein Anfechtungsausschluss nach Abs. 3 auch bei Scheckzahlungen deren Anfechtbarkeit als kongruente Deckung i.S.d. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO, ggf. nach § 132 InsO voraus (vgl. oben Rz. J1). Die Einlösung eigener Schecks durch die Bank kann daher ihr gegenüber schon mangels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten werden (§ 142 InsO, vgl. Rz. O20, O51).127 Gegenüber dem Schecknehmer ist danach zu unterscheiden, ob das Konto des Schuldners bei Einlösung (Gutschrift) debitorisch oder kreditorisch geführt wurde.128 Ein Anfechtungsaus-

122 Ausf. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 60 Rz. 301 ff.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl., Rz. 3.351 ff. (3.355). 123 Vgl. Canaris, BankvertragsR, 4. Aufl., Rz. 819; Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.54. A.A. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 25. 124 Vgl. Canaris, BankvertragsR, 4. Aufl., Rz. 819; Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.54; Uhlenbruck/Hirte, § 137 Rz. 1. A.A. Jaeger/Henckel, § 137 Rz. 25. 125 BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125, 139 Rz. 46 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse; v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69, 86 Rz. 45; v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 Tz. 20 ff.; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 60 Rz. 308 m.w.N. 126 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 324 = MDR 1994, 158; v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132, 136 Rz. 11 = NJW 2009, 2600 m. krit. Anm. Paulus; vgl. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 60 Rz. 309. 127 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 60 Rz. 313; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl., Rz. 3.355. 128 Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 60 Rz. 313 ff.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl., Rz. 3.355 ff.

700 Wagner

V. Darlegungs- und Beweislast

Rz. 37 J

schluss kommt nur bei geduldeter Überziehung in Betracht.129 Greift dagegen ein spezieller Anfechtungstatbestand ein, scheidet § 137 InsO aus. Dies wird verkannt, wenn z.B. eine Vorsatzanfechtung der Scheckzahlung nach § 133 InsO bejaht und zugleich § 137 InsO als Rechtsgrundlage herangezogen wird.130 So bewirkt die Hingabe eines Schecks des späteren Insolvenzschuldners innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung regelmäßig eine inkongruente Deckung i.S.d. § 131 InsO (vgl. Rz. J15).131 Instruktiv hierzu ist ein Urteil des OLG Koblenz vom 25.6.2010, das den Insol- J 36 venzverwalter für berechtigt hält, die durch mehrere Scheckübergaben gezahlten Beträge gem. §§ 133, 137, 129 InsO zurückzufordern, weil die Scheckübergaben nach § 133 InsO anfechtbar waren. Im entschiedenen Fall hatte die Schuldnerin Schecks an den Gerichtsvollzieher übergeben, um die drohende Zwangsvollstreckung abzuwenden. Darin hat das Gericht zu Recht eine nach § 133 InsO anfechtbare selbstbestimmte Rechtshandlung gesehen.132 Die zutreffend bejahte Anfechtbarkeit der Zahlungen mittels Scheck hat aber nichts mit § 137 InsO zu tun. Denn diese Vorschrift erfasst schon nicht die Begebung eigener Schecks zur Bezahlung von Verbindlichkeiten und steht einer Anfechtung der Scheckeinlösung gegenüber dem Schecknehmer nicht entgegen.133 Sie greift vielmehr nur ein, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind, soweit es also um eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO geht. Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO ist keinesfalls ausgeschlossen (vgl. oben Rz. J1).

V. Darlegungs- und Beweislast Die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen der Anfechtung nach § 130 InsO, J 37 einschließlich der Zahlungsunfähigkeit und des Eröffnungsantrags und deren Kenntnis seitens des Anfechtungsgegners trägt der Insolvenzverwalter.134 Gelingt ihm das nicht, kommt es auf § 137 InsO nicht mehr an.135 Führt er den Nachweis, muss der Zahlungsempfänger die Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 (Zahlung auf den Wechsel und drohenden Rechtsverlust) darlegen und bewei-

129 Vgl. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 60 Rz. 315 mit heftiger Kritik („dogmatisch unhaltbar“) an BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Tz. 12 ff.; s. dazu auch Bitter, FS K. Schmidt, 2009, S. 123, 127 ff. 130 So aber OLG Koblenz v. 25.6.2010 – 10 U 924/09, UV-Recht Aktuell 2010, 851, jurisRz. 30. 131 BGH v. 11.7.2007 – IX ZR 31/05, BGHZ 170, 276, 277 f. Rz. 7 m.w.N. = MDR 2007, 861. 132 OLG Koblenz v. 25.6.2010 – 10 U 924/09, UV-Recht Aktuell 2010, 851, juris-Rz. 32 f. mit BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, ZIP 2010, 191 m. Anm. Huber, EWiR 2010, 189. 133 Vgl. Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 60 Rz. 316. 134 BT-Drucks. 12/2443, 158 zu § 145; BGH v. 7.10.2010 – IX ZR 209/09, MDR 2011, 71 = ZInsO 2010, 2296 = ZIP 2010, 2307 Tz. 24; Kayser/Thole, § 137 Rz. 14. 135 Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 13; Kayser/Thole, § 137 Rz. 14, jew. m.w.N. Wagner

701

J Rz. 37

§ 137 InsO – Wechsel- und Scheckzahlungen

sen.136 Gegebenenfalls trägt wiederum der Insolvenzverwalter die Darlegungsund Beweislast für die Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 InsO, der insoweit an die Stelle des § 130 InsO tritt (vgl. oben Rz. J1).137 Eine Ausnahme gilt auch hier, wenn der Anfechtungsgegner eine dem Schuldner nahe stehende Person i.S.d. § 138 InsO ist. Dieser gegenüber gilt auch hier kraft Verweisung die als tatsächliche Vermutung formulierte Umkehrung der Beweislast nach § 130 Abs. 3 InsO.138

136 Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 13; Kayser/Thole, § 137 Rz. 14, jew. m.w.N. 137 Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, § 137 Rz. 14; Kayser/Thole, § 137 Rz. 14, jew. m.w.N. 138 Vgl. zu deren Problematik Kayser/Thole, § 137 Rz. 14, § 130 Rz. 45 ff.

702 Wagner

K. § 138 InsO – Nahestehende Personen § 138 Nahestehende Personen (1) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so sind nahestehende Personen: 1. der Ehegatte des Schuldners, auch wenn die Ehe erst nach der Rechtshandlung geschlossen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist; 1a. der Lebenspartner des Schuldners, auch wenn die Lebenspartnerschaft erst nach der Rechtshandlung eingegangen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist; 2. Verwandte des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners in auf- und absteigender Linie und voll- und halbbürtige Geschwister des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners sowie die Ehegatten oder Lebenspartner dieser Personen; 3. Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner leben oder im letzten Jahr vor der Handlung in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner gelebt haben sowie Personen, die sich auf Grund einer dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner über dessen wirtschaftliche Verhältnisse unterrichten können; 4. eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, wenn der Schuldner oder eine der in den Nummer 1 bis 3 genannten Personen Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, persönlich haftender Gesellschafter oder zu mehr als einem Viertel an deren Kapital beteiligt ist oder auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hat, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten. (2) Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind nahestehende Personen: 1. die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind; 2. eine Person oder eine Gesellschaft, die auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten; 3. eine Person, die zu einer der in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen in einer in Abs. 1 bezeichneten persönlichen Verbindung steht; dies gilt nicht, soweit die in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen kraft Gesetzes in den Angelegenheiten des Schuldners zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

Maier

703

K Rz. 1

§ 138 InsO – Nahestehende Personen Rz.

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . .

K1

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

K9

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 Nr. 1–4 . . . . . . . . . a) Schuldner ist eine natürliche Person. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ehegatte des Schuldners, § 138 Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . bb) Lebenspartner des Schuldners, § 138 Abs. 1 Nr. 1a. . . . cc) Verwandte, § 138 Abs. 1 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

K11 K11 K11 K11 K13 K14

Rz. dd) In häuslicher Gemeinschaft Lebende, § 138 Abs. 1 Nr. 3 . b) Gesellschaftsrechtliche Verbindungen, § 138 Abs. 1 Nr. 4 . . . . . 2. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Nr. 1 . . . . . b) Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Nr. 2 . . . . . aa) Vergleichbare gesellschaftsrechtliche Stellung . . . . . . . . bb) Dienstvertragliche Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Nr. 3 . . . . .

K16 K18 K22 K23 K27 K27 K29 K30

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes K 1 Die Vorschrift beruht tatbestandsmäßig auf den §§ 153 bis 155 des Regierungsentwurfs (RegE InsO 1992).1 Nach der Begründung zum Regierungsentwurf, der im § 153 von persönlich nahestehenden Personen spricht, soll die Vorschrift den Begriff „nahen Angehörigen“ i.S.v. § 31 Nr. 2 KO, § 4 Abs. 2, § 108 Abs. 2 VerglO ersetzen, erweitern und ergänzen. Im Zusammenhang damit steht die Vorschrift § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GesO. Erweitert wird nach dem ursprünglichen Regierungsentwurf die Vorschrift § 31 Nr. 2 KO auch um den „früheren Ehegatten des Schuldners“, um somit eine Schlechterstellung von Verwandten im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 31 Nr. 2 KO auszuschließen. K 2 Aus dem Regierungsentwurf, der in § 153 RegE persönlich nahestehende Personen regelte sowie in § 154 gesellschaftsrechtlich nahestehende Personen und zudem in § 155 eine Definition für sonstige nahestehende Personen enthielt, wurde im Zusammenhang mit der später verabschiedeten Insolvenzordnung eine Vorschrift. § 138 Abs. 1 InsO regelt die Fälle, in denen der Schuldner eine natürliche Person ist, Abs. 2 der Norm regelt all die Fälle, in denen der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft als Rechtspersönlichkeit ist. K 3 Der Gesetzeswortlaut wurde hinsichtlich des Begriffes Lebenspartner im Sinne der Nr. 1a durch Gesetz vom 16.2.2001 erweitert.2 K 4 Eine weitere Ergänzung erfuhr die Vorschrift durch Gesetz vom 15.12.20043 sowie hinsichtlich Abs. 1 Nr. 3 und 4 durch das Gesetz vom 13.4.20074 K 5 Der Begriff der nahestehenden Person wird von der Insolvenzordnung als Beweislastregel an verschiedenen Stellen der Anfechtungsvorschriften erwähnt, 1 2 3 4

Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 161. Gesetz v. 16.2.2001, BGBl. I, 266, 275 (LPartG). Gesetz v. 15.12.2004, BGBl. I, 3396, 3404 (Gesetz zur Überarbeitung des LPartG). Gesetz v. 13.4.2007, BGBl. I, 509, 510 (Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens).

704 Maier

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 8 K

vgl. § 130 Abs. 3, § 131 Abs. 2 Satz 2, § 132 Abs. 3, § 133 Abs. 2 sowie § 137 Abs. 2 Satz 2 InsO. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Anfechtungsvorschriften eine Vermutungs-Beweislastregel gegenüber nahestehenden Personen i.S.d. § 138 InsO aufgestellt. Personen, juristische Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die die Tatbestandsvoraussetzungen des § 138 InsO erfüllen, haben aufgrund ihres Näheverhältnisses zum Schuldner, das entweder auf wirtschaftlichen Interessen oder familienrechtlicher Verbundenheit beruht, ein anfechtungsrelevantes Näheverhältnis zum Schuldner, das ihnen bestimmte Informationsmöglichkeiten einräumt. Aufgrund dieses Näheverhältnisses i.S.d. § 138 InsO sah sich der Gesetzgeber zur Erhaltung der Insolvenzmasse gehalten, den Begriff der nahestehenden Person i.S.d. § 138 InsO möglichst weit tatbestandsmäßig auszulegen und zudem eine Vermutungs-Beweislastregel bei Rechtsgeschäften des Schuldners mit nahestehenden Personen aufzustellen. Gerade die enge Beziehung des Schuldners zu nahestehenden Angehörigen wie auch Gesellschaften indiziert, dass Rechtsgeschäfte innerhalb der Krise des Schuldners makelbehaftet sind und dem Grundsatz par conditio creditorum zuwider laufen. Aus dem Näheverhältnis ergibt sich die Möglichkeit, einen Informationsvorsprung gegenüber anderen Gläubigern zu erlangen. Allein diese Möglichkeit ist ausreichend, die subjektiven Voraussetzungen der Anfechtungslage zu begründen. Ob eine Unterstützungsbereitschaft für den Schuldner vorliegt, ist unbeachtlich, jedenfalls ist dies zu vemuten.5 Relevant ist ausschließlich, ob ein Näheverhältnis vorliegt, das zur gesetzlichen-Vermutungs-Beweislastregel führt. Daneben kommt dem Näheverhältnis im Sinne dieser Vorschrift auch indizielle Bedeutung dahingehend zu, ob ein Benachteiligungsvorsatz i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO vorliegt.6 DerBegriff einer nahestehenden Person wird auch in § 162 Abs. 1 Ziff. 1 InsO ge- K 6 nannt. Die Gläubigerversammlung soll beim Verkauf von Insolvenzmasse durch den Verwalter an eine nahestehende Person zustimmen. Will der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb des schuldnerischen Unternehmens oder Betriebsteile an nahestehende Personen übertragen, hat der Insolvenzverwalter die ÄZustimmung der Gläubigerversammlung einzuholen. Im Außenverhältnis ist allerdings jeglicher Verkauf an nahestehende Personen durch den Insolvenzverwalter auch bei fehlender Zustimmung der Gläubigerversammlung wirksam, vgl. § 164 InsO. Das AnfG, dessen Anwendung nur außerhalb eines laufenden Insolvenzverfah- K 7 rens möglich ist, vgl. § 1 AnfG, verweist in § 3 Abs. 2 AnfG auf § 138 InsO. Allerdings gilt diese Verweisung nur im Zusammenhang mit entgeltlichen Verträgen. Systematisch ist die Vorschrift des § 138 InsO in zwei Alternativen unterteilt: Die Vorschrift des Abs. 1 regelt die Fälle, in denen der Schuldner eine natürliche Person ist, Abs. 2 erfasst alle die Varianten, bei denen der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft oder Rechtspersönlichkeit ist, vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 1 InsO. 5 K. Schmidt, § 138 Rz. 3. 6 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11. Maier

705

K8

K Rz. 8a

§ 138 InsO – Nahestehende Personen

K 8a Erfasst vom Wortlaut der Vorschriften wird ein Näheverhältnis, wenn dieses im Zeitpunkt der Rechtshandlung bestanden hat sowie ein Näheverhältnis, das im letzten Jahr vor der Rechtshandlung aufgelöst bzw. nicht mehr bestanden hat, vgl. Nr. 1, 1a,3.

II. Allgemeines K 9 Der Gesetzgeber hat sich bemüht, durch Schaffung zahlreicher Tatbestandsmerkmale eine Vielzahl der in der Praxis auftretendem Sachverhaltskonstellationen zu erfassen. Es handelt sich um eine Norm des Anfechtungsrechts, die dazu dienen soll, unberechtigte Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass solche Personen aus persönlichen, gesellschaftsrechtlichen oder ähnlichen Gründen Informationsmöglichkeiten über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners haben. Da die Vorschrift des § 138 InsO im Zusammenhang mit dem Insolvenzanfechtungsrecht zu sehen ist, begegnet eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Sachverhalte außerhalb der Anfechtungsvorschriften Bedenken. So hat beispielsweise die Rechtsprechung eine analoge Anwendung des § 138 InsO im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 39 InsO abgelehnt.7 Nach der Rechtsprechung des BGH kann der „Insidergedanke“ nicht herangezogen werden, den Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO über eine Anwendung des § 138 InsO zu erweitern. Die Vorschrift des § 138 InsO, so die Ausführungen des BGH, ist eine Umkehr der Beweislast zum Nachteil der nahestehenden Person. Gewährt allerdings eine nahestehende Person der Gesellschaft ein Darlehen, ist dies für sich genommen unverdächtig. K 10 Bei einer Zurechnung allein über § 138 InsO ist somit das unverdächtige Darlehen eines Dritten so behandelt, als stamme es aus dem Vermögen des Gesellschafters. Wie bereits bei der Vorgängervorschrift zum Konkursordnung wird die Rechtsprechung sicherlich vergleichbare Fälle in analoger Anwendung der Vorschrift zu lösen versuchen. Rechtsdogmatisch wird in jedem Einzelfall zu prüfen sein, ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt und schlussendlich, ob eine vergleichbare Interessenlage vorliegt.

III. Einzelheiten 1. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 Nr. 1–4 a) Schuldner ist eine natürliche Person aa) Ehegatte des Schuldners, § 138 Abs. 1 Nr. 1 K 11 Vom Wortlaut der Vorschrift ist es ausreichend, dass die Ehe vor Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung und ggf. nach der anfechtbaren Rechtshandlung geschlossen wurde. Umfasst wird vom Wortlaut darüber hinaus auch der frühere Ehegatte des Schuldners, wenn die Ehe nicht früher als 1 Jahr vor 7 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, DStR 2011, 681.

706 Maier

III. Einzelheiten

Rz. 14 K

der anfechtbaren Rechtshandlung aufgelöst wurde. Als Auflösungstatbestände kommen die Scheidung gem. § 1564 Abs. 1 BGB sowie die Aufhebung nach den Vorschriften der §§ 1313 ff. BGB, § 29 ff. 1 EheG in Betracht. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wurde der Widerspruch zu § 31 Nr. 2 KO, K 12 wonach Verwandte schlechter gestellt wurden als der frühere Ehegatte, beseitigt. Nach dem Regierungsentwurf soll die Fortdauer der durch die Ehe begründeten Angehörigeneigenschaft erst recht für den früheren Ehegatten selbst gelten. Allerdings sei geboten, die erleichterte Anfechtbarkeit sowohl gegenüber dem Ehegatten als auch gegenüber dessen Verwandten auf einen Zeitraum von einem Jahr Auflösung der Ehe zu begrenzen, weil bei einem noch längeren Zeitablauf eine besondere Informationsmöglichkeit nicht mehr unterstellt werden kann.8 bb) Lebenspartner des Schuldners, § 138 Abs. 1 Nr. 1a Die Einfügung der Lebenspartner in Nr. 1a erfolgte durch das Lebenspartnerge- K 13 setz9 und schafft eine Gleichstellung der Ehe zur gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Erfasst von dieser Vorschrift sind nur gleichgeschlechtliche Gemeinschaften, die in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingegangen wurden. Auch beim Lebenspartner gilt bei Auflösung der Gemeinschaft die Jahresfrist, was aus der gesetzlichen Gleichstellung folgt. Ob eine gültige Ehe/Lebenspartnerschaft besteht, bestimmt sich nach den einschlägigen Regelungen des jeweiligen Sachrechts. Die Lebenspartnerschaft muss nicht im Zeitpunkt der Rechtshandlung der Anfechtung bestanden haben. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ausreichend, wenn die Lebenspartnerschaft nach der Rechtshandlung eingegangen wurde oder im letzten Jahr vor der Handlung im Sinne der Anfechtung, abzustellen ist hierbei auf § 140 InsO, aufgelöst wurde. Die Vorschrift ist tatbestandsmäßig nahezu deckungsgleich mit der Nr. 1. Der BGH lehnt eine Ausdehnung der Vorschrift auf eine faktische Lebensgemeinschaft, also eine Gemeinschaft die nicht formal nach dem Lebenspartnergesetz abgeschlossen wurde, ausdrücklich ab.10 cc) Verwandte, § 138 Abs. 1 Nr. 2 Tatbestandsmäßig ist der Verwandtenbegriff in § 1589 BGB heranzuziehen, der K 14 eine Legaldefinition enthält. Der Begriff der Verwandtschaft orientiert sich damit grundsätzlich an der Abstammung. Das Verwandtschaftsverhältnis kann auch durch Adoption – gesetzlich als Annahme bezeichnet –, vgl. § 1754 BGB, begründet werden. Der Wortlaut der Vorschrift erfasst sowohl [Verwandte des Schuldners] [des in Nr. 1 bezeichneten Ehegatten] oder [des in 1 Nr. a bezeichneten Lebenspartners in auf- und absteigender Linie] und [voll- und halbbürtige Geschwister des Schuldners], [eines Ehegatten] oder [Lebenspartners] sowie die [Ehegatten oder Lebenspartner dieser Personen]. Eine eheähnliche Lebensge-

8 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 161. 9 Gesetz v. 16.2.2001, BGBl. I, 266, 275 (LPartG). 10 Vgl. BGH v. 17.3.2011 – IX ZA 3/11. Maier

707

K Rz. 14

§ 138 InsO – Nahestehende Personen

meinschaft stellt keine Lebenspartnerschaft im Sinne dieser Vorschrift dar.11 Nach richtiger Auffassung des BGH setzt der Wortlaut des § 138 Abs. 1 Nr. 1a InsO voraus, dass eine rechtsverbindliche Lebenspartnerschaft vorliegt und eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf faktische Lebensgemeinschaften abzulehnen ist. Aus Sicht des BGH begegnet die Differenzierung des Gesetzgebers zwischen rechtsverbindlichen und lediglich faktischen Lebensgemeinschaften keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Erfasst werden diese faktischen Lebensgemeinschaften regelmäßig über die Vorschrift des § 138 I Nr. 3 InsO dann, wenn eine häusliche Gemeinschaft zwischen den Partnern vorliegt. K 15 Da die Vorschrift auf die Nr. 1 bzw. 1a verweist, ist die Jahresfrist nach Auflösung zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Ehegatten oder Lebenspartner dieser Personen gilt vom Wortlaut her die Jahresfrist der Nr. 1, 1a nicht, so dass deren Ehe im Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung des § 140 InsO bestanden haben muss.12 Halbbürtig im Sinne des Gesetzes meint, dass Kinder bzw. Geschwister nur den Vater oder die Mutter „gemeinsam“ haben. dd) In häuslicher Gemeinschaft Lebende, § 138 Abs. 1 Nr. 3 K 16 Mit dieser Vorschrift trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass in der Vergangenheit vor allem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von der Vorschrift des § 31 Nr. 2 KO nicht erfasst wurden.13 Gleichwohl hat der Gesetzgeber die bereits in § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO normierte Jahresfrist in diese Vorschrift mit übernommen. Der Gesetzgeber wollte damit die bisherige planwidrige Lücke schließen. Da der Gesetzgeber die Lebenspartner bereits dem § 138 Abs. 1 Nr. 1a InsO eingefügt hat, unterfallen damit sämtliche Lebensgemeinschaften von Partnern verschiedenen Geschlechts regelmäßig der Nr. 3.14 Der unbestimmte Begriff der häuslichen Gemeinschaft15 ist anhand des Zwecks der Vorschrift auszulegen. Ausreichend ist diesbezüglich, dass eine Haus- und Lebensgemeinschaft vorliegt, die den Umständen des Einzelfalls entsprechend zu einer persönlichen Nähe zum Schuldner führt. Zu fordern ist deshalb eine persönliche und räumliche Nähe.16 Dieses „Näheverhältnis“ muss als Grundlage dienen können, Informationen auszutauschen. Ob tatsächlich Informationen vom Schuldner an die nahestehende Person gelangt sind, ist unbeachtlich. Ausreichend ist insofern, ob eine Information über wirtschaftliche Verhältnisse des Schuldners geflossen sein kann. Die bloße Informationsmöglichkeit wirkt nach dem Gesetz für den Zeitraum nach Ablauf eines Jahres, vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 1. Zweckgemeinschaften wie Wohngemeinschaften sollen von dem Begriff der häuslichen Gemeinschaft nicht erfasst sein.17 Nicht erfasst vom Wortlaut

11 12 13 14 15 16 17

Vgl. BGH v. 17.3.2011 – IX ZA 3/11, ZInsO 2011, 784. HK-InsO/Kreft, § 138 Rz. 9. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 161. Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 138 Nr. 11. Vgl. § 2028 Abs. 1 BGB. Palandt, § 2028 Rz. 1. Vgl. Hess, InsO, § 138 Rz. 32.

708 Maier

III. Einzelheiten

Rz. 19 K

ist eine solche Hausgemeinschaft, die erst nach Vornahme der Rechtshandlung begründet wurde.18 Gleichfalls von Nr. 3 werden erfasst Personen, die sich aufgrund einer dienst- K 17 vertraglichen Verbindung zum Schuldner über dessen wirtschaftlichen Verhältnisse unterrichten können. Die Vorschrift hat Anfechtungsfälle im Auge, in denen der Schuldner Vermögen auf Dritte überträgt, zu denen ein dienstvertragliches Verhältnis besteht. Die bisherige Regelungslücke soll durch diese Vorschrift geschlossen werden.19 Bisher waren dienstvertragliche Verbindungen im Zusammenhang mit Gesellschaften, nicht jedoch mit natürlichen Personen als Nähebeziehung im Gesetz ausgestaltet. Ob der Schuldner Dienstherr oder Dienstverpflichteter ist, spielt für den Tatbestand keine Rolle.20 Ausreichend ist das sich aus der Verbindung heraus ergebende Näheverhältnis. Der Schuldner kann schließlich auch als Dienstverpflichteter in einem Näheverhältnis zum Dienstherrn stehen. Die Arbeitgeber haben oft zentrale Einblicke in die Vermögensverhältnisse des Schuldners. Sie erfahren durch Pfändungen des Lohns von Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners. Oft sind Arbeitgeber bereit, ihre Arbeitnehmer durch zusätzliche finanzielle Mittel zu unterstützen Es wäre nicht einzusehen, warum ein solches, mit den Folgen des § 138 InsO zu belegendes Näheverhältnis, zum Arbeitgeber nicht vorliegen soll. b) Gesellschaftsrechtliche Verbindungen, § 138 Abs. 1 Nr. 4 Auch diese Vorschrift soll nach der Absicht des Gesetzgebers die bisherige Re- K 18 gelungslücke schließen. Bis zur Einführung dieser Vorschrift war nur geregelt, wer im Verhältnis zu einer Gesellschaft als nahestehende Person zu gelten hat. Ungeregelt war, wenn eine natürliche Person Vermögen an eine Gesellschaft überträgt, an der sie oder Personen der Nr. 1–3 beteiligt sind. Bis zur Einführung dieser Vorschrift behalf sich die Rechtsprechung mit einer Analogie.21 Die Vorschrift findet Anwendung auf alle juristischen Personen oder Gesell- K 19 schaften ohne Rechtspersönlichkeit. Voraussetzung ist, dass der Schuldner oder eine der in Nrn. 1 bis 3 genannten Personen entweder Organmitglied oder persönlich haftender Gesellschafter ist. Ist der Schuldner oder Personen der Nr. 1–3 dagegen am Unternehmen beteiligt, besteht bei einer 25 %igen Beteiligung die unwiderlegliche Vermutung über den Austausch oder die Möglichkeit zur Beschaffung von Informationen über die wirtschaftliche Lage des Schuldners. Wie bereits in § 138 Abs. 2 Nr. 2 dieser Vorschrift erfasst, ist nunmehr auch für die Nr. 4 ausreichend, wenn eine vergleichbare gesellschaftsrechtliche oder dienstvertragliche Verbindung besteht, die die Möglichkeit verschafft, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten. Dieser Fall soll nach dem schwer verständlichen Wortlaut nur einen Unterfall der Beteiligungsquote sein, wenn also keine 25 %ige Beteiligung vorliegt, erfassen. Damit erfasst die Vorschrift auch Gesellschaften, an denen die nahe stehende Person des 18 19 20 21

Stodolkowitz in MünchKomm/InsO/Bergmann, § 138 Rz. 7. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/3227, 20. A.A. K. Schmidt, § 138 Rz. 15. Vgl. BGH v. 12.12.1985 – IX ZR 1/85, BGHZ 96, 352 = MDR 1986, 405. Maier

709

K Rz. 19

§ 138 InsO – Nahestehende Personen

Schuldners (1 bis 3 dieser Vorschrift) zumindest mit 25 % beteiligt ist oder in einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung mit dieser Gesellschaft steht. Die Vorschrift erfasst nach dem Wortlaut auch den Fall, wenn der Schuldner nicht selbst, sondern Personen der Nr. 1–3 die Beteiligung hält.22 K 20 Unerheblich ist zudem auch, ob die natürliche Person aufgrund ihrer Stellung die Möglichkeit hat, Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen.23 Auf die Wirksamkeit der Bestellung kommt es nicht an. Ausreichend ist insoweit, dass die betreffende Person das Unternehmen tatsächlich wie ein faktischer Geschäftsführer leitet.24 K 21 Aufsichtsorgan ist wie bei § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch jedes andere Aufsichtsgremium wie Beirat oder Verwaltungsrat.25 2. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 K 22 Handelt es sich beim Schuldner um eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind nahestehende Personen die in Nr. 1, 2 und 3 von § 138 Abs. 2 InsO der Vorschrift erfassten Personen bzw. Gesellschaften. Als juristische Personen gelten die Aktiengesellschaft, die GmbH, die eingetragene Genossenschaft und der eingetragene Verein sowie in der Praxis nicht allzu oft antreffende Kommanditgesellschaft auf Aktien. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO ist der nicht rechtsfähige Verein insolvenzrechtlich einer juristischen Person gleichgestellt. Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sind nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 InsO die OHG, die KG, die Partnerschaftsgesellschaft, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Partnerreederei sowie die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung. Auf reine Innengesellschaften findet die Vorschrift keine Anwendung. Die Innengesellschaften sind nach dem Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung deshalb vom Zweck der Vorschrift auszunehmen, da diese keine Rechtsbeziehungen zu Dritten begründen und deshalb ein Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht eintreten kann.26 a) Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Nr. 1 K 23 Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans sowie persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners (Komplementär GmbH) gelten als nahestehende Personen. Vertretungsorgane sind insbesondere der Vorstand der Aktiengesellschaft sowie von Vereinen und Geschäftsführer der GmbH. Ausreichend ist, wenn eine fakultative Bestellung durch Gesellschaftsvertrag erfolgt ist.27 Dies gilt insbesondere für Beiräte und Verwaltungsräte. Die gesellschaftsrechtliche Befugnis sowie die Aufgabenstellung dieser Personen begründen die Nähe zum Schuldner 22 23 24 25 26 27

Vgl. K. Schmidt, § 138 Rz. 16 m.w.N. Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 138 InsO Rz. 12c. Vgl. HambKomm-InsO/Rogge, § 138 InsO Rz. 10. Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 138 InsO Rz. 14. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 112. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 162.

710 Maier

III. Einzelheiten

Rz. 25 K

und belegen, dass diese aufgrund ihrer Stellung die Geschicke des Schuldners beeinflussen oder beeinflussen können. Damit wird unterstellt, dass sie entweder über umfassende und hinreichende Kenntnisse über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners verfügen oder aber sich diese beschaffen zu können. Das Näheverhältnis gilt unmittelbar nur zum Organmitglied. Auf andere Personen ist die Vorschrift nach Sinn und Zweck nicht anwendbar. Auf Verträge der Gesellschafter untereinander ist die Vorschrift nicht anwendbar28 soweit man die Rechtsprechung des BGH zum AnfG auf die Vorschrift des § 138 InsO übertragen kann. Der BGH hat dies in einer Entscheidung zur Frage der Beweislastumkehr bei § 3 AnfG entschieden. Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass unmittelbar keine Rechtshandlung zum Schuldner vorliegt. Die bloße wirtschaftliche Verflechtung untereinander belegt kein persönliches Näheverhältnis i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG, so der BGH. Vom Tatbestand Nr. 1 werden ebenfalls erfasst Personen, die zu mehr als 1/4 am K 24 Kapital des Schuldners beteiligt sind. Zu § 31 Nr. 2 KO wurde die Ansicht vertreten, dass alle Gesellschafter und deren Angehörige grundsätzlich als nahe Angehörige des Gemeinschuldners i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 1 KO anzusehen sind.29 Unerheblich hierbei war die Höhe der Beteiligung, so dass auch Minderheitsgesellschafter nahe Angehörige des Schuldners waren. Im Regierungsentwurf war demgegenüber im Hinblick auf die mit einem 25 %igen Anteil am Grundkapital bestehende Sperrminorität geschlossen worden, dass insoweit eine besondere Informationsmöglichkeit vorliegt. Insoweit wird der Gesellschafter nur dann als nahestehende Person angesehen, der mindestens mit 1/4 am Kapital des Schuldners beteiligt ist.30 Da nach dem Gesetz der Anteil am Kapital gemeint ist, sind Gesellschafterdarlehen oder vergleichbare Gesellschafterleistungen nicht zu berücksichtigen. Die durchaus beherrschende Stellung eines Kapitalgebers kann nur über § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO erfasst werden. Im Hinblick auf § 39 Abs. 5 InsO, der die Voraussetzungen einer nachrangigen K 25 Insolvenzgläubigereigenschaft bei einer 10 %igen Beteiligung am Kapital regelt, hat der Gesetzgeber in § 138 InsO eine mehr als 25 %ige Beteiligung vorausgesetzt. Der Hinweis im Regierungsentwurf auf die Möglichkeit der Sperrminorität vermag diesen Widerspruch nicht zu erklären. Ausschlaggebend ist nach den Motiven des Gesetzgebers die bloße Möglichkeit zur Informationsbeschaffung. Nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ist grundsätzlich jeder Gesellschafter berechtigt, Auskünfte zu verlangen und beispielsweise auch bei einer Beteiligung von 10 % am Stammkapital die Einberufung der Gesellschafterversammlung zu verlangen, vgl. § 50 Abs. 1 GmbHG. Zurecht weist Hirte31 auf die gesellschaftsrechtliche Entwicklung hin und plädiert für eine generelle Absenkung der in § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO genannten Kapitalschwelle.

28 29 30 31

BGH v. 17.9.1975 – VIII ZR 217/74. Vgl. BGHZ 58, 24. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 162. Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 138 Rz. 28. Maier

711

K Rz. 26

§ 138 InsO – Nahestehende Personen

K 26 Erfasst wird darüber hinaus auch über den Wortlaut jede mittelbare Beteiligung am Kapital des Schuldners. Bereits im Regierungsentwurf32 wurde darauf hingewiesen, dass sowohl mittelbare als auch unmittelbare Kapitalbeteiligungen erfasst sein sollen, so dass Treuhandstellungen wie auch Zwischenschaltungen nach dem Zweck der Vorschrift erfasst sind. Gleiches dürfte im übrigen dann gelten, wenn mehrere nahe Angehörige (Familienverbund) an der Gesellschaft beteiligt sind.33 b) Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Nr. 2 aa) Vergleichbare gesellschaftsrechtliche Stellung K 27 Eine vergleichbare gesellschaftsrechtliche oder dienstvertragliche Verbindung besteht nach dem Gesetzesmaterialien dann, wenn die nahestehende Personen herrschendes oder abhängiges Unternehmen ist. Die Abhängigkeit bestimmt sich anhand der Kriterien des § 17 Aktiengesetz.34 Im Regierungsentwurf wurde noch auf § 17 Aktiengesetz ausdrücklich verwiesen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Vermutungsregelung des § 17 Abs. 2 Aktiengesetz. K 28 Nach den Gesetzesmaterialien sind Schwestergesellschaften untereinander nicht als nahestehend anzusehen. Diese sind ggf. ihrerseits von einem gemeinsamen Unternehmen abhängig, es kann jedoch nicht unterstellt werden, dass sie besondere Informationsmöglichkeiten in Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweils anderen Unternehmens haben.35 Ob hinsichtlich der Eigenschaft einer „nahestehenden Person“ auf die Vorschrift des § 18 Satz 1 Aktiengesetz rekurriert werden darf, ist zweifelhaft.36 bb) Dienstvertragliche Verbindung K 29 Eine dienstvertragliche Verbindung zum Schuldner besteht insbesondere dann, wenn der Dritte im Unternehmen eine Position begleitet, die mit Informations- und Unterrichtungsmöglichkeiten einhergeht. Regelmäßig wird dies auf einen Prokuristen zutreffen.37 Wirtschaftsberater, Rechtsberater und Steuerberater sind regelmäßig keine nahestehenden Personen im Sinne dieser Vorschrift.38 Unter Satz 2 Nr. 2 fallen auch Sachverhaltskonstellationen bei denen Personen zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner stehen und jeweils gegenüber diesen ein Näheverhältnis begründen.39 Verneint wurde das Näheverhältnis bei einem selbständig tätigen Wirtschaftsberater.40 Nicht jeder freiberuflich Tätige kann als Nahestehender im Sinne dieser Vorschrift angese-

32 33 34 35 36 37 38 39 40

Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 162. Vgl. Stodolkowitz in MünchKomm/InsO/Bergmann, § 138 Rz. 25. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 161. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 163. Vgl. Stodolkowitz in MünchKomm/InsO/Bergmann, § 138 Rz. 32. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 162. BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 278/96, MDR 1998, 426 = ZIP 1998, 247. BGHZ 129, 246, ZIP 1995, 1025. BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96.

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III. Einzelheiten

Rz. 30 K

hen werden. Entscheidend ist die ihm vertraglich eingeräumte Rechtsstellung einerseits sowie die konkrete Umsetzung des Vertragsverhältnisses. Der BGH hat für eine Steuerberatersozietät entschieden, dass diese als eine na- K 29a hestehende Person im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, wenn sie aufgrund ihrer dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit besitzt, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse informieren zu können.41 Zutreffend weist der BGH darauf hin, dass einem Freiberufler nur dann ein Näheverhältnis im Sinne dieser Vorschrift entgegengehalten werden kann, vergleichbar einem in gleicher Zuständigkeit tätigen Angestellten, wenn ihm nach der vertraglich eingeräumten Rechtstellung alle über die wirtschaftlichen Lage des Schuldners erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsvorgang zufließen. Erforderlich ist ein Wissensvorsprung. Werden einem Freiberufler planmäßig Daten vorenthalten, so der BGH, fehlt es an einem Näheverhältnis. Im entschiedenen Fall war die Sozietät mit der externen Erstellung der Buchhaltung beauftragt. Kann der Berater nachweisen, dass der Informationsfluss nicht bestanden hat oder längere Zeit unterbrochen war, liegt kein Näheverhältnis vor. Im Unterschied zu § 138 Abs. 1 InsO ist es nicht ausreichend, Informationen erlangen zu können. Ein Näheverhältnis im Sinne dieser Vorschrift ist nur dann begründet, wenn tatsächlich Informationen fließen. Der BGH führt zudem aus, dass der Rechtsgedanke des § 138 Abs. 1–3 InsO, wonach bis zu einem Jahr nach Auflösung des Näheverhältnisses von einem Wissensvorsprung auszugehen sei, auch übertragbar sei auf § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Abgelehnt wird zwar die analoge Anwendung der Jahresfrist, jedoch wird auf eine Dreimonatsfrist zurückgegriffen. Begründet wird die Frist mit der Schnelllebigkeit des Wirtschaftslebens. Nach mehr als drei Monaten Unterbrechung des Informationsflusses, so das Gericht, haben sich die Daten sowie die wirtschaftliche Lage verändert, so dass ein Informationsvorsprung nicht mehr angenommen werden kann. Warum die Informationen aber nach mehr als drei Monaten veraltet und nicht mehr aktuell sind, erschließt sich nicht ohne weiteres. Die vom BGH in der Entscheidung entwickelte Dreimonatsfrist erscheint willkürlich, auch wenn auf die Frist des § 37x WpHG zurückgegriffen wird. Vorzugswürdig wäre nicht auf eine starre Frist abzustellen sondern jeweils am konkreten Fall zu entscheiden, ob – noch – von einem Wissensvorsprung auszugehen ist. Hat der Berater die Sonderstellung gem. § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO erlangt, entfällt K 29b diese bei Kündigung oder Änderung des Dienstvertrages. Es bleibt aber für die Anfechtung grundsätzlich abzustellen auf die Sonderstellung und den erlangten Wissensvorsprung im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung. c) Tatbestandliche Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Nr. 3 Personen, die zu einer der in Nr. 1 oder Nr. 2 des Abs. 2 bezeichneten Personen in K 30 einem Führungs- oder Leitungsverhältnis stehen und eine nahestehende Person i.S.d. § 138 Abs. 1 InsO sind, werden unter Vorschrift der Nr. 3 erfasst. Eine Ausnahme macht das Gesetz für Angehörige, die Kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Nach Ansicht des Gesetzgebers darf diesen Personen nicht 41 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11 f. Maier

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K Rz. 30

§ 138 InsO – Nahestehende Personen

unterstellt, dass sie ihre Verschwiegenheitsverpflichtung durch Weitergabe von Kenntnissen verletzt haben. Erfasst werden von dieser Vorschrift insbesondere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Geschäftsführer einer GmbH, Liquidatoren.42 Die Anfechtung soll auch gegenüber allen Personen, die mit Gesellschaftern oder Organmitgliedern des Abs. 2 Nr. 1 und 2 verheiratet oder verwandt sind oder in häuslicher Lebensgemeinschaft stehen, ermöglicht werden. Die Vorschrift soll im Kern die Weitergabe von Informationen an Dritte erfassen, die wiederum zu Ihrem Informanten in einem Näheverhältnis stehen. Es soll unbeachtlich sein, ob es sich beim Dritten um eine natürliche Person oder juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit handelt.43 Durch die Verweisung in § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO auf Abs. 1 der Vorschrift wird auch auf § 138 Abs. 1 Nr. 4 verwiesen, was zur Folge hat, dass aufgrund dieser Verweisung nicht nur natürliche Personen von gesellschaftsrechtlichen Insidern erfasst sind. Der BGH hat jüngst über die Einbeziehung der Nr. 4 eine GmbH & Co. KG gegenüber einer GmbH als nahestehende Person dann angesehen, wenn die Geschäftsführer der Komplementärin und der GmbH miteinander verheiratet sind.44 Das anfechtbare Näheverhältnis von Gesellschaften wird damit begründet durch eine persönliche Verbindung der jeweiligen Geschäftsführer. In der Entscheidung wurde ebenfalls erörtert, ob trotz der persönlichen Verbindung der Geschäftsführer nicht eine Verschwiegenheitsverpflichtung i.S.d. § 138 Abs. 2 Nr. 3 InsO zweiter Halbsatz besteht. Wenn aber der Geschäftsführer gleichfalls alleiniger Gesellschafter der GmbH ist, so der BGH, kann dies zur Aufgabe des Geheimhaltungsinteresses führen. Der Tatbestand des § 85 GmbHG wäre nicht mehr erfüllt.

42 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, 163. 43 K. Schmidt, § 138 Rz. 31. 44 BGH v. 22.12.2016 – IX ZR 94/14, MDR 2017, 486.

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L. § 139 InsO – Berechnung der Fristen vor dem Eröffnungsantrag § 139 Berechnung der Fristen vor dem Eröffnungsantrag (1) Die in den §§ 88, 130 bis 136 bestimmten Fristen beginnen mit dem Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen ist. Fehlt ein solcher Tag, so beginnt die Frist mit dem Anfang des folgenden Tages. (2) Sind mehrere Eröffnungsanträge gestellt worden, so ist der erste zulässige und begründete Antrag maßgeblich, auch wenn das Verfahren auf Grund eines späteren Antrags eröffnet worden ist. Ein rechtskräftig abgewiesener Antrag wird nur berücksichtigt, wenn er mangels Masse abgewiesen worden ist. Rz. I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . .

L1

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

L5

III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 139 Abs. 1 InsO – Fristberechnung a) Maßgebender Eröffnungsantrag . . b) Berechnung des Anfechtungszeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

L10 L10 L10 L14

Rz. 2. § 139 Abs. 2 InsO – Mehrere Insolvenzanträge . . . . . . . . . . . . . . . L16 a) Mehrere zulässige und begründete Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . L16 b) Frühere, für erledigt erklärte oder zurückgenommene Anträge. . . . L20 c) § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO – Abgewiesene Anträge . . . . . . . . . L28 3. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L29b

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes Die Konkursordnung hatte keine Regelung über die Berechnung der Anfech- L 1 tungsfristen enthalten. Man behalf sich vielmehr mit einer analogen Anwendung der §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 und 3 BGB.1 Im Zuge der Schaffung der Insolvenzordnung wurde mit § 139 Abs. 1 InsO eine Bestimmung über die Rückrechnung des für die Anfechtbarkeit und für die Rückschlagsperre gem. § 88 InsO maßgebenden Anfechtungszeitraums der jeweiligen Anfechtungstatbestände in das Gesetz eingefügt, die sich ebenfalls an die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 und 3 BGB anlehnt. In § 139 Abs. 1 InsO ist die Berechnung der Anfechtungsfrist geregelt, wenn nur ein Insolvenzantrag gestellt wurde, der auch zur Verfahrenseröffnung geführt hat. Nach § 139 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Anfechtungszeitraum nach dem ersten L 2 zulässigen und begründeten Antrag zu berechnen, wenn mehrere Eröffnungsanträge nacheinander gestellt wurden. Es ist nicht erforderlich, dass das Insolvenzverfahren aufgrund dieses Antrages eröffnet wurde, vielmehr ist allein entscheidend, dass der Antrag zur Verfahrenseröffnung geführt hätte, wenn er

1 Vgl. Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 1. Maier

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L Rz. 2

§ 139 InsO – Berechnung der Fristen vor dem Erçffnungsantrag

nicht mangels Masse rechtskräftig abgewiesen oder das Verfahren nicht aufgrund eines späteren Antrages eröffnet worden wäre. Durch § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO wird klargestellt, dass ein rechtskräftig abgewiesener Antrag nur berücksichtigt wird, wenn er mangels Masse abgewiesen wurde; aus anderen Gründen abgewiesene Anträge bleiben unberücksichtigt, auch wenn die Abweisung zu Unrecht erfolgte.2 Es kann somit im Anfechtungsprozess nicht geltend gemacht werden, ein früher abgewiesener Antrag sei zulässig und begründet gewesen und deshalb bei der Fristberechnung zu berücksichtigen, es sei denn, der Antrag wurde mangels Masse abgewiesen.3 L 3 § 139 Abs. 2 InsO geht nach der Gesetzesbegründung4 von folgenden beiden Fallgestaltungen aus: – Das Insolvenzverfahren wird unverzüglich aufgrund eines späteren Antrags eröffnet, weil dieser Antrag im Gegensatz zu den früheren Anträgen ohne weitere Ermittlungen entscheidungsreif ist. – Ein an sich zulässiger und begründeter Antrag ist allein wegen nicht ausreichender Masse (§ 26 Abs. 1 InsO) abgewiesen worden. Aufgrund eines späteren Antrages wird das Verfahren doch noch eröffnet, nachdem ein Kostenvorschuss eingezahlt wurde. L 4 Die Anknüpfung an den ersten zulässigen und begründeten Insolvenzantrag bietet nach der Gesetzesbegründung den Vorteil der zeitlichen Vorverlegung der Anfechtbarkeit auf den ersten zulässigen und begründeten Antrag hin. Es werden insbesondere auch solche Deckungshandlungen von der besonderen Insolvenzanfechtung (vgl. §§ 130, 131 InsO) erfasst, die der Schuldner in den letzten drei Monaten vor einem zunächst mangels kostendeckender Masse abgewiesenen Antrag noch vorgenommen hat.5

II. Allgemeines L 5 § 139 InsO soll Zweifel bei der Ermittlung des für die einzelnen Anfechtungstatbestände der §§ 130–136 InsO maßgebenden Anfechtungszeitraums klären,6 für dessen Bestimmung seit dem Inkrafftreten der Insolvenzordnung einheitlich auf den Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages abzustellen ist.7 Im Fall der Insolvenz eines Kreditinstituts sind die Anfechtungsfristen allerdings nicht vom Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages, sondern gem. § 46c KWG vom Tage des Erlasses sichernder Maßnahmen i.S.d. § 46a Abs. 1 KWG an zurückzurechnen.8

2 3 4 5 6 7 8

Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, 163. Vgl. Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 2. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, 163. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, 163. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 1. Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, 156. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 3.

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II. Allgemeines

Rz. 9 L

Bei der Prüfung der Frage, ob eine Rechtshandlung innerhalb des nach § 139 L 6 InsO zu berechnenden Anfechtungszeitraums vorgenommen wurde, ist zu beachten, dass es gem. § 140 InsO genügt, wenn die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung innerhalb des Anfechtungszeitraums eingetreten sind. Erfordert die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts etwa eine Grundbucheintragung, so ist es nach § 140 Abs. 2 InsO erst vorgenommen, wenn die übrigen Voraussetzungen des Wirksamwerdens erfüllt sind, die Willenserklärung für den Schuldner bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins gem. § 140 Abs. 3 InsO außer Betracht.9 Die in § 139 Abs. 1 InsO in Bezug genommenen Fristen der einzelnen Anfech- L 7 tungstatbestände sind materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anfechtbarkeit und haben somit nichts mit prozessualen Fristen oder Verjährungsfristen zu tun. Wegen des Befriedungs- und Ausschlusszwecks der Anfechtungsfristen wird deren Ablauf weder gehemmt (vgl. §§ 203 ff. BGB) noch kann ihr Lauf neu beginnen (vgl. §§ 212 ff. BGB).10 § 193 BGB findet keine Anwendung, so dass es unerheblich ist, ob der Fristbeginn auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt.11 Auch eine Wiedereinsetzung entsprechend den §§ 233 ff. ZPO kommt nicht in Betracht.12 § 139 InsO findet nach dem Wortlaut auch neben der Insolvenzanfechtung für L 8 die Berechnung des für die Rückschlagsperre gem. § 88 InsO maßgebenden Zeitraums Anwendung.13 Er gilt ferner im Rahmen des die Aufrechnung betreffenden § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der die Unwirksamkeit der Aufrechnung in der Insolvenz nicht mehr von einer Anfechtung abhängig macht.14 Für den Fall der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter ist zu be- L 9 achten, dass sich die Berechnung des Anfechtungszeitraums im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters in analoger Anwendung des § 139 InsO nach dem früher gestellten Insolvenzantrag der Gesellschaft richtet.15 Da im Regelfall der Insolvenzantrag für die Gesellschaft zu einem früheren Zeitpunkt gestellt wird als derjenige für den Gesellschafter, weil dieser gerade als Folge der sich anschließenden persönlichen Inanspruchnahme insolvent werden wird, bestünde die Gefahr von Regelungslücken, wenn gem. § 139 Abs. 1 InsO auf die Stellung des Insolvenzantrages über das Vermögen des Gesellschafters abgestellt werden würde. Selbst wenn ein aus § 93 InsO i.V.m. den §§ 130, 131 InsO analog hergeleiteter Anspruch des Insolvenzverwalters der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Eröffnung der Gesellschafterinsolvenz ohne weiteres be-

9 10 11 12

Vgl. Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 9. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 7. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 7. Vgl. BGH v. 7.4.1982 – VIII ZR 130/81, NJW 1982, 2003; Uhlenbruck/Hirte, § 139 Rz. 2. 13 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, 163. 14 Vgl. BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158 ff. 15 Vgl. BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 ff. – „KG-Doppelinsolvenz“. Maier

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L Rz. 9

§ 139 InsO – Berechnung der Fristen vor dem Erçffnungsantrag

gründet wäre, könnte dem Rückgewähranspruch durch das über das Vermögen des Gesellschafters eröffnete Insolvenzverfahren nachträglich der Boden entzogen werden, falls der Antrag nach Ablauf der Fristen der §§ 130, 131 InsO gestellt werden würde. Aus der Bündelungsfunktion des § 93 InsO folgt deshalb, dass sich in der Gesellschafterinsolvenz in Bezug auf die Haftungsansprüche die kritische Zeit nach dem gem. § 139 InsO maßgeblichen Insolvenzantrag der Gesellschaft berechnet, falls ein solcher Antrag demjenigen über das Vermögen des Gesellschafters vorausgegangen ist.16

III. Einzelheiten 1. § 139 Abs. 1 InsO – Fristberechnung a) Maßgebender Eröffnungsantrag L 10 § 139 Abs. 1 InsO betrifft den Fall, dass ein Insolvenzantrag gestellt wurde, der auch zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat. Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Insolvenzantrag zulässig und begründet war, als er gestellt wurde.17 Eine zunächst fehlende Glaubhaftmachung schadet daher nur, wenn das Verfahren aufgrund eines späteren Insolvenzantrages eröffnet wurde (vgl. § 139 Abs. 2 InsO).18 Aber auch in dem Fall, dass die Verfahrenseröffnung noch nicht rechtskräftig ist, ist für die Fristberechnung auf den Eingang des Antrages bei einem unzuständigen Gericht abzustellen, wenn dieses das Verfahren auf entsprechenden Antrag des Gläubigers an das zuständige Gericht verweist, welches das Insolvenzverfahren eröffnet.19 L 11 Das Prozessgericht des Anfechtungsstreits ist nach herrschender Meinung an den rechtskräftigen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Verfahrenseröffnung gebunden.20 Die Unzulässigkeit der Verfahrenseröffnung kann deshalb im Falle eines rechtskräftigen Eröffnungsbeschlusses im Anfechtungsprozess nur geltend gemacht werden, wenn ein Mangel (etwa fehlende Unterschrift des Richters)21 vorliegt, der zur Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses führt.22 Nach einer weitergehenden Auffassung soll das Prozessgericht im Anfechtungsprozess auch dann an den Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts gebunden sein,

16 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 ff. Rz. 20 f. 17 BGH v. 22.1.1998 – IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40 ff.; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 9; Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 109. 18 Uhlenbruck/Hirte, § 130 Rz. 39. 19 HK-InsO/Kreft, § 139 Rz. 6; Uhlenbruck/Hirte, § 139 Rz. 4; Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 3. 20 BGH v. 22.1.1998 – IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40 (42 ff.); Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 10 – vgl. jedoch Rz. 8: „Der dem Eröffnungsbeschluss zugrunde liegende Antrag ist im Anfechtungsprozess stets ungeprüft zugrunde zu legen“; HambKomm-InsO/ Rogge, § 139 Rz. 5. 21 BGH v. 23.10.1997 – IX ZR 249/96, BGHZ 137, 49 ff. 22 BGH v. 22.1.1998 – IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40 ff.; FK-InsO/Dauernheim, § 139 Rz. 3.

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III. Einzelheiten

Rz. 14 L

wenn dieser noch nicht rechtskräftig ist.23 Das Prozessgericht ist allerdings nach beiden Auffassungen nur dann an den Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts gebunden, wenn der frühere Antrag derjenige war, der zur Verfahrenseröffnung geführt hat; die Zulässigkeit und Begründetheit früherer Anträge, die nicht zur Verfahrenseröffnung geführt haben, hat das Prozessgericht gem. § 139 Abs. 2 InsO selbst zu prüfen.24 Wurde ein Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt und danach ein neu- L 12 es Insolvenzverfahren eröffnet, sind die zu dem beendeten Verfahren führenden Anträge überholt und bei der Berechnung der Anfechtungsfristen nicht zu berücksichtigen; maßgebend sind allein die das jeweils letzte Insolvenzverfahren betreffenden Anträge.25 Dies gilt jedoch nicht im Falle der Anordnung einer Nachtragsverteilung gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO, weil damit nur das frühere Verfahren fortgesetzt wird, so dass dafür auch die früheren Insolvenzanträge maßgebend bleiben.26 Ein im Ausland gestellter Insolvenzantrag, der zur Eröffnung eines ausländi- L 13 schen Insolvenzverfahrens mit universellem Geltungsanspruch geführt hat, ist maßgebend, wenn es nach § 343 InsO anerkennungsfähig ist bzw. nach den Art. 16, 26 EuInsVO automatisch anerkannt wird.27 b) Berechnung des Anfechtungszeitraums Da es sich bei den Fristen der in § 139 Abs. 1 Satz 1 InsO genannten Anfechtungs- L 14 tatbestände um Monats- und Jahresfristen handelt, stellt die Bestimmung für die Fristberechnung im Grundsatz auf den Tag ab, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Insolvenzantrag beim Insolvenzgericht einging. § 187 Abs. 1 BGB gilt nicht, so dass die Frist nicht schon vom Tag vor dem Eingang des Antrages, sondern erst vom Tag des Eingangs an zurückzurechnen ist.28 Ging der Insolvenzantrag etwa am 15. Tag eines Monats ein, so beginnen die Fristen ebenfalls am 15. Tag des Monats zu laufen, der sich bei einer Zurückrechnung um den entsprechenden Anfechtungszeitraum ergibt.29 Fehlt ein solcher Tag, so ist die Frist gem. § 139 Abs. 1 Satz 2 InsO mit dem Beginn des folgenden Tages zurückzurechnen, um sicherzustellen, dass der maßgebende Anfechtungszeitraum möglichst volle Monate bzw. Jahre umfasst.30 Ging daher der Insolvenzantrag am 30. oder 31.3 ein, beginnt die Monatsfrist am 1.3., so dass im Ergebnis nur eine geringfügige Verkürzung der Monatsfrist eintritt, die hinzunehmen ist.31 23 Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 3. 24 Vgl. Uhlenbruck/Hirte, § 139 Rz. 4; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 8, 10; Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 11. 25 Vgl. HambKomm-InsO/Rogge, § 139 Rz. 5; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 5. 26 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 5; Uhlenbruck/Hirte, § 139 Rz. 12. 27 Uhlenbruck/Hirte, § 139 Rz. 4; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 5. 28 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 6. 29 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 139 Rz. 7. 30 Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 8. 31 Uhlenbruck/Hirte, § 139 Rz. 3; HK-InsO/Kreft, § 139 Rz. 8. Maier

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L Rz. 14a

§ 139 InsO – Berechnung der Fristen vor dem Erçffnungsantrag

L 14a Bei der Fristberechnung ist § 193 BGB nicht anzuwenden, so dass es keinen Einfluss auf die Fristberechnung hat, wenn der Fristbeginn auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt.32 L 15 Wird ein Insolvenzantrag mit der Bitte beim Insolvenzgericht eingereicht, dieses möge dessen Bearbeitung noch kurzfristig zurückstellen, ist der Antrag gleichwohl bereits mit der Einreichung als wirksam gestellt anzusehen33 2. § 139 Abs. 2 InsO – Mehrere Insolvenzanträge a) Mehrere zulässige und begründete Anträge L 16 Wurden mehrere Insolvenzanträge gestellt, ist § 139 Abs. 2 InsO zu beachten. Nach dessen Satz 1 ist der erste zulässige und begründete Antrag maßgebend, auch wenn das Insolvenzverfahren aufgrund eines späteren Antrages eröffnet wurde. Entscheidend ist daher, dass der frühere Antrag zur Verfahrenseröffnung geführt hätte, wenn er nicht mangels Masse abgewiesen oder das Verfahren aufgrund eines späteren Antrages eröffnet worden wäre. Die Beweislast für die Zulässigkeit und Begründetheit des früheren Antrages trägt der Insolvenzverwalter.34 Nach Satz 2 der Bestimmung wird ein rechtskräftig abgewiesener Antrag nur berücksichtigt, wenn er mangels Masse abgewiesen wurde. L 17 Die Regelung in § 139 Abs. 2 InsO ist praktisch bedeutsam, da Insolvenzverfahren vielfach aufgrund eines späteren Insolvenzantrages eröffnet werden, wenn dieser ohne weitere Ermittlungen entscheidungsreif ist.35 Für die Verfahrenseröffnung kommt es nicht darauf an, ob früher gestellte Anträge zulässig und begründet waren. Anders ist dies jedoch im Bereich des Insolvenzanfechtungsrechts. Gäbe es die Bestimmung des § 139 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht, so hätte die oben beschriebene Praxis eine erhebliche Einschränkung der Anfechtbarkeit zur Folge, da die herrschende Auffassung als „Eröffnungsantrag“ im Sinne der Anfechtungstatbestände im Grundsatz nur jenen Antrag ansieht, der auch letztlich zur Verfahrenseröffnung geführt hat.36 Wäre dagegen das Verfahren schon aufgrund eines früheren zulässigen und begründeten Insolvenzantrages eröffnet worden, so hätte auch die Anfechtbarkeit weiter zurückgereicht. Um diese zeitliche Vorverlegung der Anfechtbarkeit zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber § 139 Abs. 2 InsO geschaffen.37 Der Wortlaut enthält keine zeitliche Beschränkung. Dies hat der BGH auch für § 30 Nr. 2 KO entschieden.38 Der erste Antrag ist nur dann nicht mehr maßgeblich, wenn nach Abweisung mangels Masse der Insolvenzgrund behoben wurde. 32 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 7. 33 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, § 139 Rz. 3. 34 OLG Schleswig-Holstein v. 3.11.2006 – 1 U 120/06, ZInsO 2006, 1224 ff.; HambKomm-InsO/Rogge, § 139 Rz. 16; Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, § 139 Rz. 9. 35 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, 163. 36 Vgl. BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 ff. Rz. 6; Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 5. 37 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, 163; Uhlenbruck/Hirte, § 139 Rz. 10. 38 BGH v. 3.7.1984 – IX ZR 82/83, MDR 1985, 139.

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III. Einzelheiten

Rz. 19 L

Liegt eine einheitliche Insolvenz vor, der materielle Insolvenzgrund bleibt trotz L 17a Erledigung bzw. Beendigung des ersten Antrages bestehen, ist die Bestimmung des § 139 Abs. 2 InsO grundsätzlich zeitlich unbeschränkt anzuwenden. Ob sich in Ausnahmefällen zeitliche Schranken ergeben können, hat der BGH offen gelassen. Ein Zeitraum von drei bis vier Jahren wird von der Bestimmung jedoch eindeutig noch erfasst.39 Es genügt nach herrschender Meinung für die Anwendbarkeit des § 139 Abs. 2 L 18 Satz 1 InsO, wenn ein früherer Insolvenzantrag erst zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zulässig und begründet war.40 Nach anderer Auffassung soll dies nur dann hinnehmbar sein, wenn die Anfechtbarkeit von der Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung abhängt. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn die Anfechtung allein davon abhänge, ob die Rechtshandlung in einem bestimmten Zeitraum vor der Antragstellung vorgenommen worden sei. So dürfe etwa eine Rechtshandlung, die ein noch zahlungsfähiger Schuldner vornehme, nicht nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar sein, wenn innerhalb eines Monats ein Insolvenzantrag bei Gericht eingehe, der erst nach weiteren drei Monaten begründet sei, weil erst zu diesem Zeitpunkt ein Eröffnungsgrund vorgelegen habe.41 Die Krise werde nicht durch den Insolvenzantrag markiert oder bewirkt, sondern durch die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung.42 Die herrschende Auffassung sieht es indes als ausreichend an, dass jeder Insolvenzantrag unabhängig davon, auf welchen Insolvenzgrund er gestützt sei, hinreichend vor einer möglichen Insolvenz des Schuldners warne.43 Der BGH hat zu § 88 InsO entschieden, dass die Rückschlagsperre auch durch L 18a einen zunächst aus verfahrensrechtlichen Gründen unzulässigen Eröffnungsantrag ausgelöst wird, sofern dieser zur Verfahrenseröffnung führt. Er hat es dahingestellt sein lassen, ob dies auch dann gilt, wenn der Eröffnungsgrund erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten ist.44 Ein früher gestellter, zulässiger und begründeter Insolvenzantrag ist allerdings L 19 dann nicht für die Fristberechnung maßgebend, wenn zwischen diesem Antrag und dem zur Verfahrenseröffnung führenden Antrag der Eröffnungsgrund entfallen war.45 Bei wortlautgemäßer Anwendung des § 139 Abs. 2 InsO wäre der frühere Antrag zu berücksichtigen, ohne dass es auf eine „einheitliche Insolvenz“ oder einen näher zu bestimmenden zeitlichen Zusammenhang ankäme. Die Bestimmung ist jedoch nach der Rechtsprechung des BGH einschränkend auszule-

39 40 41 42 43 44 45

BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. Rz. 13. HambKomm-InsO/Rogge, § 139 Rz. 11; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 9. Vgl. Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 13; zweifelnd auch HK-InsO/Kreft, § 139 Rz. 10. Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 6. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 9; HambKomm-InsO/Rogge, § 139 Rz. 11. BGH v. 19.5.2011 – IX ZB 284/09, ZIP 2011, 1372 f. Vgl. BGH v. 14.10.1999 – IX ZR 142/98, NJW 2000, 211 (212); v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff.; v. 2.4.2009 – IX ZR 145/08, ZIP 2009, 921 f. Rz. 7; Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 813 (847) Rz. 75; Ehricke in Kübler/Prütting/ Bork, § 139 Rz. 10. Maier

721

L Rz. 19

§ 139 InsO – Berechnung der Fristen vor dem Erçffnungsantrag

gen; sie gilt nur innerhalb derselben (materiellen) Insolvenz des Schuldners. Ist nach der Abweisung eines Antrages mangels ausreichender Masse (§ 26 InsO) der Insolvenzgrund behoben worden und später erneut eingetreten, kann der frühere Antrag nicht mehr ausschlaggebend sein.46 b) Frühere, für erledigt erklärte oder zurückgenommene Anträge L 20 Der BGH wendet § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO entsprechend an, wenn der frühere Eröffnungsantrag für erledigt erklärt oder zurückgenommen wurde. Ein wirksam für erledigt erklärter oder zurückgenommener Insolvenzantrag könne keine Grundlage für eine Anfechtung nach den §§ 130–136 InsO bilden, da auf einen solchen Antrag hin das Insolvenzverfahren ebenso wenig eröffnet werden könne wie auf einen rechtskräftig abgewiesenen Antrag hin.47 Dies gelte auch dann, wenn der Schuldner nach der Zurücknahme des ersten Antrages seine Zahlungsfähigkeit nicht wiedergewonnen habe.48 Aufgrund eines Umkehrschlusses aus § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO und aus Gründen der Rechtsklarheit soll dies auch dann gelten, wenn ein Insolvenzgrund ununterbrochen bis zur Insolvenzeröffnung fortbestanden hat.49 L 21 In einem Urteil vom 2.4.2009 hat der BGH jedoch klargestellt, diese Rechtsprechung dürfe nicht dahingehend missverstanden werden, dass § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO bei jeglicher Erledigungserklärung entsprechend anzuwenden sei:50 BGH, Urt. v. 2.4.2009 – ZIP 2009, 921 f. L 22 Ein Gläubiger hatte am 24.8.2005 einen Insolvenzantrag gestellt. Im November 2006 wies das Gericht den Antragsteller auf das bei einem anderen Gericht laufende, auf einem Insolvenzantrag vom 20.9.2006 beruhende Eröffnungsverfahren hin und stellte einen Verweisungsantrag anheim. Auf Antrag des Gläubigers wurde das Verfahren durch Beschluss vom 3.1.2007 an das andere Gericht verwiesen. Nachdem der Gläubiger auf die zwischenzeitlich erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens hingewiesen worden war, erklärte er seinen Antrag am 14.6.2007 für erledigt. Die Parteien stritten um die Frage, ob für die Berechnung der Anfechtungsfristen der Insolvenzantrag vom 24.8.2005 oder jener vom 20.9.2006 maßgebend war. L 23 Der BGH weist zunächst auf seine Rechtsprechung hin, wonach § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO auch dann entsprechend anwendbar ist, wenn der fragliche Eröffnungsantrag für erledigt erklärt oder zurückgenommen wurde. Diese Rechtsprechung dürfe jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass bei jeglicher

46 BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. Rz. 11. 47 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 145/08, ZIP 2009, 921 f. Rz. 10; v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 ff. Rz. 6; v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (180 ff.); v. 14.10.1999 – IX ZR 142/98, NJW 2000, 211 f. 48 BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 ff. Rz. 6. 49 Vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 9a. 50 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 145/08, ZIP 2009, 921 f.

722 Maier

III. Einzelheiten

Rz. 26 L

Erledigungserklärung § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO entsprechend anzuwenden sei. Denn dieser Rechtsprechung hätten Fälle zugrunde gelegen, in denen der Antragsteller später vom Schuldner befriedigt worden sei und aufgrund dessen seinen Antrag für erledigt erklärt oder zurückgenommen habe. In dem nunmehr entschiedenen Fall gehe es hingegen um einen Antrag, der durchaus eine Grundlage für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte bilden können, denn er sei noch zum Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses zulässig und begründet gewesen. Ein solcher Eröffnungsantrag sei auch dann für die Berechnung der Anfechtungsfristen maßgebend, wenn er nach der Insolvenzeröffnung wegen prozessualer Überholung für erledigt erklärt worden sei. Es ist somit für das Verständnis der Regelungen in § 139 Abs. 2 InsO festzuhal- L 24 ten, dass es nach der Rechtsprechung des BGH nicht genügt, wenn ein erster zulässiger und begründeter Insolvenzantrag gestellt wurde und bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines späteren Antrages eine ununterbrochene materielle Insolvenz des Schuldners bestanden hat. Es muss vielmehr der erste Insolvenzantrag auch formal bis zur Verfahrenseröffnung fortbestanden haben und ebenfalls geeignet gewesen sein, zur Verfahrenseröffnung zu führen.51 Es liegt jedoch auf der Hand, dass Insolvenzgläubiger etwa im Falle der Stellung L 25 von „Kettenanträgen“ zum Zwecke der Druckausübung auf den Schuldner geneigt sein können, einen früheren Insolvenzantrag für erledigt zu erklären oder zurückzunehmen, um die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen – etwa bei unter Druck erbrachten Teilleistungen des Schuldners – zu vermeiden. Um missbräuchlichen Vorgehensweisen vorzubeugen, wird daher im Schrifttum eine Ausnahme gem. § 242 BGB für den Fall erwogen, dass ein Insolvenzantrag zurückgenommen oder für erledigt erklärt wurde, um eine Rechtshandlung der Anfechtung zu entziehen.52 Es ist allerdings fraglich, ob in allen denkbaren Problemfällen wirksam mit § 242 BGB abgeholfen werden kann. Nach Ansicht des BGH kann Missbräuchen in Einzelfällen durch die §§ 133 InsO, 826 BGB begegnet werden.53 Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des § 139 L 26 Abs. 2 InsO nicht zu der restriktiven Auslegung des BGH zwingen dürfte. Er fordere nur, dass ein gestellter Insolvenzantrag (zu irgendeinem Zeitpunkt) zulässig und begründet gewesen sein müsse. Wenn das Verfahren aber erst einmal eröffnet sei, komme es für die Maßgeblichkeit eines Eröffnungsantrages, auf den sich der Insolvenzverwalter für die Berechnung der Anfechtungsfrist stützen wolle, nicht mehr auf dessen Eigenschaft an, zu einer Verfahrenseröffnung führen zu können, sofern durchgängig eine materielle Insolvenz des Schuldners gegeben gewesen sei.54 Auch in diesem Zusammenhang sollten nicht formale

51 Kritisch dazu Gundlach/Frenzel, NJW 2009, 228; Biebinger, ZInsO 2008, 1188 ff.; Wienberg, EWiR 2001, 635 (636). 52 Vgl. Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 14; HK-InsO/Kreft, § 139 Rz. 12. 53 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 (182). 54 Vgl. Biebinger, ZInsO 2008, 1188 (1192 f.); Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, 2. Aufl., S. 207. Maier

723

L Rz. 26

§ 139 InsO – Berechnung der Fristen vor dem Erçffnungsantrag

Gesichtspunkte entscheidend sein, sondern die Erwägung, dass mögliche Anfechtungsgegner nicht davon profitieren sollten, dass ein früherer, zulässiger und begründeter Insolvenzantrag nur aus verfahrensrechtlichen Gründen trotz fortbestehender materieller Insolvenz des Schuldners nicht zur Verfahrenseröffnung geführt hat.55 L 27 In dem vom BGH durch Urteil vom 20.11.200156 entschiedenen Fall hatte die Beklagte ihren Insolvenzantrag vom 26.7.1999 am 14.10.1999 für erledigt erklärt, nachdem der Schuldner die Beitragsrückstände durch Teilzahlungen vom 29.9.1999 und vom 7.10.1999 ausgeglichen hatte. Kurz darauf stellte am 9.11.1999 ein anderer Gläubiger Insolvenzantrag, der zur Verfahrenseröffnung führte. Die Revision hatte dahingehend argumentiert, dass es auf Feststellungen zur Frage der Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht mehr ankäme, wenn trotz der Erledigung des ersten Insolvenzantrages darauf abzustellen wäre, dass von der Stellung des ersten bis zur Stellung des zur Verfahrenseröffnung führenden Antrages durchgängig eine materielle Insolvenz des Schuldners gegeben war. Ohnehin sei die gängige Praxis der (übereinstimmenden) Erledigungserklärung nach (Teil-)Befriedigung des antragstellenden Gläubigers kritisch zu sehen. Eine übereinstimmende Erledigungserklärung scheide im Insolvenzeröffnungsverfahren aus, weil insoweit kein kontradiktorisches Verfahren mit Verfügungsbefugnis der Parteien über den Verfahrensgegenstand vorliege. Unabhängig von der befriedigten Forderung des Gläubigers könne weiterhin die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gegeben sein. Wäre dies dem Insolvenzgericht bekannt, käme eine übereinstimmende Erledigung durch den Schuldner und den antragstellenden Gläubiger nicht in Betracht. Der BGH ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Das Eröffnungsverfahren werde – im Gegensatz zum eröffneten Verfahren – als Parteienstreit geführt. Nur in dem durch den gestellten Antrag gesteckten Rahmen gelte die gerichtliche Amtsermittlungspflicht des § 5 Abs. 1 InsO. c) § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO – Abgewiesene Anträge L 28 Nach § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO ist ein rechtskräftig abgewiesener Insolvenzantrag bei der Berechnung der Anfechtungsfristen nur dann zu berücksichtigen, wenn er mangels Masse abgewiesen wurde. Aus anderen Gründen rechtskräftig abgewiesene Anträge sind daher bei der Fristberechnung grundsätzlich auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie zu Unrecht oder erst in höherer Instanz abgewiesen wurden.57 Der Umstand, dass ein nach § 26 InsO mangels Masse abgewiesener Insolvenzantrag für die Fristberechnung maßgebend bleibt, lässt sich damit erklären, dass die Unzulänglichkeit der Masse mindestens in gleicher Weise eine Vermögenskrise indiziert wie die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung.58

55 Vgl. dazu noch OLG Celle v. 14.9.2000 – 13 U 255/99, InVo 2002, 54 ff. 56 BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178 ff. 57 Vgl. Begr zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, 163; BGH v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, BGHZ 169, 17 ff. Rz. 28; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 11. 58 Vgl. Jaeger/Henckel, § 139 Rz. 11.

724 Maier

III. Einzelheiten

Rz. 29b L

Liegt eine einheitliche (materielle) Insolvenz vor, so ist der erste, mangels Mas- L 29 se abgewiesene Insolvenzantrag auch dann maßgebend, wenn zwischen ihm und dem Antrag, der zur Verfahrenseröffnung geführt hat, ein beträchtlicher Zeitraum (im konkret entschiedenen Fall drei Jahre) liegt.59 In Zweifelsfällen kann der Anfechtungsgegner den ihm obliegenden Beweis führen, dass der Eröffnungsgrund zwischenzeitlich weggefallen war.60 Die Zulässigkeit und Begründetheit des nach § 26 InsO abgewiesenen Antrags ist im Grundsatz vom Prozessgericht zu prüfen.61 Zwar ist bei feststehender Masseunzulänglichkeit das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes nicht zweifelhaft; die Zulässigkeit des Antrages ist jedoch im Grundsatz zu prüfen, da ein unzulässiger Antrag nicht die Insolvenzanfechtung rechtfertigt.62 In der Praxis dürften freilich Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit des früheren Antrages kaum eine Rolle spielen.63 Ist allerdings der Insolvenzgrund zunächst behoben worden, nachdem der An- L 29a trag mangels Masse abgewiesen worden war, und später erneut eingetreten, so kann der erste Antrag nicht mehr ausschlaggebend sein.64 3. Beweislast Den anfechtenden Insolvenzverwalter trifft die Beweislast, dass für die Frist- L 29b berechnung ein früherer als der vom Insolvenzgericht zugrunde gelegte Antrag maßgebend ist.65 Der Anfechtungsgegner ist darlegungs- und beweisbelastet hinsichtlich des zwischenzeitlichen Wegfalls des bei der Stellung des ersten Eröffnungsantrages vorliegenden Insolvenzgrundes, wobei die sekundäre Darlegungslast des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen ist.66

59 BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. 60 OLG Schleswig-Holstein v. 3.11.2006 – 1 U 120/06, ZInsO 2006, 1224 ff. Rz. 42 ff.; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 12. 61 OLG Schleswig-Holstein v. 3.11.2006 – 1 U 120/06, ZInsO 2006, 1224 ff. Rz. 39; Uhlenbruck/Hirte, § 139 Rz. 13. 62 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 12. 63 Vgl. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 813 (847) Rz. 75. 64 BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 145/08, ZIP 2009, 921 f. Rz. 7; v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 ff. Rz. 11. 65 Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 139 Rz. 13; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 139 Rz. 16. 66 OLG Schleswig-Holstein v. 3.11.2006 – 1 U 120/06, ZInsO 2006, 1224 ff.; Uhlenbruck/ Hirte, § 139 Rz. 13. Maier

725

M. § 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung § 140 Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung (1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. (2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt. (3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht. Rz. I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einaktige Rechtshandlungen . . . b) Mehraktige Rechtshandlungen bzw. gestreckte Erwerbstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verpflichtungsgeschäfte . . . . bb) Erfüllungs- bzw. Verfügungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesamtvorgänge, insbesondere mittelbare Zuwendungen . . . . . . d) Unterlassungen . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigentumsübertragung, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Forderungsabtretung . . . . . . . . . . aa) Globalzession . . . . . . . . . . . . bb) Herausgabeanspruch nach § 667 BGB . . . . . . . . . . . . . . . cc) Provisionsanspruch des Handelsvertreters nach § 87 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ansprüche aus Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Mietforderungen und Leasingforderungen . . . . . . . ff) Werklohnforderungen . . . . . gg) Treuhandvereinbarung . . . . .

726 Schfer

Rz.

M1 M5 M6 M16

c)

M23 M24 M25 M32a M33 M34 M34 M36 M40

d)

M44 M45 M46 M48 M54 M54c

e) f) g) h) i)

hh) Zuwendung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M54d Vertragliche und gesetzliche Pfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . M55 aa) Vermieterpfandrecht . . . . . . M59 bb) Pfandrecht nach AGB-Banken bzw. AGB-Sparkassen . . M63 cc) Verpfändung von kontokorrentgebundenen Forderungen und Gewinnforderungen aus einer Gesellschaftsbeteiligung . . . M64 dd) Verpfändung eines Versicherungsanspruchs. . . . . . . . . . . M68 ee) Zwangsvollstreckung. . . . . . M70 ff) Doppelsicherung durch Grundpfandrecht und Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . M73 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . M74 aa) Banküberweisung . . . . . . . . . M74 bb) Lastschrift . . . . . . . . . . . . . . . M75 cc) Scheckeinreichung und Scheckinkasso . . . . . . . . . . . M87 dd) Zahlung mittels Wechsels . . M88 Aufrechnung und Verrechnung . M88a Regressanspruch nach § 774 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . M91 Versicherungsrecht . . . . . . . . . . . M92 Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . M93 Kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB . M96

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes

Rz. 2 M

Rz. III. § 140 Abs. 2 InsO – Sonderfall des eintragungsbedürftigen Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO . . . . . . . . 3. § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO . . . . . . . . IV. § 140 Abs. 3 InsO – bedingte und befristete Rechtshandlungen . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedingte Rechtshandlung . . . . . . . a) Bedingte Übereignung und bedingte Abtretung . . . . . . . . . .

M97 M97 M99 M107 M109 M109 M118

Rz. b) Rückgriffsanspruch nach § 774 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Provisions- bzw. Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gemäß §§ 87, 89b HGB . . . . . . . d) Versicherungsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Insolvenz als Bedingung . . . . . . 3. Befristete Rechtshandlung . . . . . .

M126 M130 M131

V. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

M134

M123 M125

M122

I. Gesetzesentstehung, Systematik und Zweck des Gesetzes § 140 InsO ergänzt § 129 InsO, indem er festlegt, wann eine Rechtshandlung im M 1 anfechtungsrechtlichen Sinne vorgenommen ist. Sein Anwendungsbereich ist gegenüber § 147 InsO abzugrenzen, der die Anfechtbarkeit auf Rechtshandlungen ausdehnt, die wegen des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, des Schiffsregisters und des Luftfahrzeugregisters noch nach der Insolvenzeröffnung gemäß §§ 81 Abs. 1, 91 Abs. 2 InsO wirksam werden.1 Die Bestimmung wurde mit der Insolvenzordnung neu geschaffen. Eine entsprechende Regelung gab es unter der Geltung der Konkursordnung nicht. Anerkannt war zwar der nunmehr in Absatz 1 verankerte Grundsatz, wonach eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen gilt, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.2 Im Falle des Erwerbs von Rechten an Grundstücken, welche der Eintragung im Grundbuch bedurften, wurde jedoch auf den Zeitpunkt der Eintragung abgestellt.3 Davon ist der Gesetzgeber nunmehr in § 140 Abs. 2 InsO abgerückt. Nach § 140 Abs. 2 InsO ist bei der Frage, ob eine Rechtshandlung bereits vor- M 2 genommen ist, unter bestimmten Voraussetzungen auf die Stellung des Eintragungsantrages abzustellen. Nach Ansicht des Gesetzgebers widersprach die frühere herrschende Auffassung dem Schutzzweck des § 15 Satz 2 KO, der in § 102 Abs. 3 des Entwurfs (vgl. jetzt § 91 InsO) übernommen wurde. Danach wird die Wirksamkeit eines Grundstücksgeschäfts nicht dadurch berührt, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, nachdem die Erklärung des bisherigen Berechtigten bindend geworden und der Eintragungsantrag gestellt ist (vgl. § 878 BGB). Es ist somit unschädlich, wenn der Erwerber im Zeitpunkt der Eintragung Kenntnis von der Verfahrenseröffnung hat. In gleicher Weise darf nach Ansicht des Gesetzgebers auch die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen, bei denen eine Eintragung zu erfolgen hat, nicht vom Zeitpunkt der Eintragung abhängig sein. Verzö-

1 Vgl. Jaeger/Henckel, § 147 Rz. 2. 2 BGH v. 30.6.1959 – VIII ZR 11/59, BGHZ 30, 238 (240); v. 20.9.1978 – VIII ZR 142/77, NJW 1979, 102 f. 3 Vgl. etwa BGH v. 18.12.1986 – IX ZR 11/86, BGHZ 99, 274 ff. = MDR 1987, 402; v. 24.3.1988 – IX ZR 118/87, MDR 1988, 773 = WM 1988, 798 f. Schfer

727

M Rz. 2

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

gerungen der Eintragung dürfen sich auch hier nicht zum Nachteil der Erwerber auswirken.4 M 3 In der Gesetzesbegründung wird zu Recht darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt, in dem eine Rechtshandlung als „vorgenommen“ gelte, im Rahmen der Anfechtungstatbestände von besonderer Bedeutung sei. Der gemeinsame Grundgedanke der Regelungen in den verschiedenen Absätzen bestehe darin, dass der Zeitpunkt entscheide, in dem durch die Rechtshandlung eine Rechtsposition begründet worden sei, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste.5 Die Bestimmung soll somit vor allem der Rechtssicherheit dienen.6 Dieses Ziel wird jedoch – vor allem im Bereich der bedingten Rechtshandlungen gemäß § 140 Abs. 3 InsO – nur unvollkommen erreicht. M 4 § 140 InsO ist von wesentlicher Bedeutung für die anfechtungsrechtlichen Fristen der §§ 130 Abs. 1, 131 Abs. 1, 132 Abs. 1, 133, 134 Abs. 1, 135 und 136 Abs. 1 InsO. Er ist ferner von Bedeutung für die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. die Kenntnis des Gläubigers hiervon oder von der Stellung des Insolvenzantrages (§§ 130, 131, 132 InsO) oder aber der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die entsprechende Kenntnis des Gläubigers vorgelegen haben müssen (§ 133 InsO). Der Zeitpunkt des § 140 InsO ist schließlich entscheidend für das Vorliegen einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung (nicht: mittelbaren Gläubigerbenachteiligung) und für den Beginn der Verjährung des Anfechtungsanspruchs gemäß § 147 InsO (vgl. §§ 147 Abs. 2, 146 InsO).7

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO M 5 In § 140 Abs. 1 InsO ist geregelt, zu welchem Zeitpunkt eine Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO im Grundsatz als vorgenommen anzusehen ist. Er stellt daher eine wichtige Ergänzung des anfechtungsrechtlichen Grundtatbestandes dar, die bei der Anwendung der einzelnen Anfechtungstatbestände stets im Blick zu behalten ist. 1. Allgemeines M 6 Nach § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Im Grundsatz müssen daher alle tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sein, von denen das Gesetz die Entstehung, Aufhebung oder Änderung von Rechten abhängig macht. Es kommt somit nicht darauf an, wann eine Rechtshandlung vorgenommen wurde, die zu einer Schmälerung des Schuldnervermögens führte, sondern darauf, wann die vermögensschmälernde Wirkung aufgrund der angefochtenen Rechtshandlung eingetreten ist. Dies ist der Fall, sobald die Rechtshandlung dem Anfech4 5 6 7

Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166 f. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166. Vgl. HK-InsO/Thole, § 140 Rz. 2. Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 4.

728 Schfer

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 9 M

tungsgegner eine gesicherte Rechtsstellung verschafft hat, die im Insolvenzverfahren beachtet werden müsste.8 Eine solche gesicherte Rechtsposition ist gegeben, wenn dem Anfechtungsgegner die erlangte Rechtsstellung nicht mehr entzogen werden kann und deren Bestand nicht von der Entscheidung des Schuldners oder eines Dritten abhängt.9 Wichtig ist die Unterscheidung zwischen der Vornahme der Rechtshandlung M 7 und deren vermögensschmälernden Wirkung bei mehraktigen Rechtshandlungen bzw. gestreckten Erwerbstatbeständen, etwa im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung. Zumindest anfechtungsrechtlich ist insoweit nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Abtretungsvertrages, sondern auf den Zeitpunkt der Entstehung der künftigen Forderung abzustellen.10 In der Gesetzesbegründung ist dazu erfreulich klar festgehalten, dass die Abtretung einer künftigen Forderung erst mit der Entstehung der Forderung vorgenommen ist.11 Der BGH beschränkt diese Erkenntnis auf den Bereich des Anfechtungsrechts M 8 und geht davon aus, dass die Anordnung von Verfügungsbeschränkungen im Eröffnungsverfahren den Erwerb einer zuvor abgetretenen, erst nach der Anordnung der Verfügungsbeschränkung entstandenen Forderung des Schuldners nicht hindere.12 Die Verfügungsbefugnis des Zedenten müsse zum Zeitpunkt des Entstehens der Forderung nicht mehr vorliegen. Die Abtretung einer künftigen Forderung enthalte bereits selbst alle Merkmale, aus denen der Übertragungstatbestand bestehe; das Entstehen der Forderung gehöre sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie gelegt sei. Daran halte er auch unter der Geltung der Insolvenzordnung fest.13 Die Auffassung des BGH ist von Bedeutung für den Anwendungsbereich der In- M 9 solvenzanfechtung. Hindert eine Verfügungsbeschränkung im Eröffnungsverfahren den Erwerb einer künftigen Forderung, so bedarf es nicht der Anfechtung mit ihren weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen. Es stellt daher eine erstaunliche Problemverkürzung dar, wenn im Schrifttum davon die Rede ist, ein besonderes Bedürfnis, derartige Rechtshandlungen der Vorschrift des § 81 InsO zu unterstellen, sei nicht erkennbar, da eine Anfechtung der nach dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Rechtshandlungen unter den erleichterten Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO möglich sei.14 Dagegen wird

8 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166; BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, ZIP 2009, 228 ff. Rz. 12; v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, ZIP 2009, 2347 ff. Rz. 23. 9 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 20; v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, ZIP 2009, 228 ff. Rz. 12. 10 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 13; v. 19.5.2009 – IX ZR 37/06, ZIP 2009, 2120 ff. Rz. 21. 11 Vgl. Begr. z. Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166 sowie BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. = GesR 2006, 418 = MDR 2007, 112 und v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff. 12 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZInsO 2009, 2336 ff. mit Hinweis auf BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 ff. = MDR 1997, 557. 13 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZInsO 2009, 2336 ff. Rz. 7, 9. 14 HK-InsO/Kayser, § 91 Rz. 19. Schfer

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M Rz. 9

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zu Recht eingewandt, dass durch die Rechtsprechung des BGH die Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren erheblich belastet werde.15 M 10 Der BGH folgt nicht der Auffassung, dass die Verfügungsmacht kein personen-, sondern ein gegenstandsbezogenes Recht sei und es somit der Entstehung des Gegenstandes bedürfe, um von einer Verfügungsmacht über den Gegenstand ausgehen zu können.16 Er meint vielmehr, da das Gesetz die Vorauszession zulasse, müsse man in Kauf nehmen, dass sich sowohl die Einigung als auch die Verfügungsmacht auf ein zukünftiges, gegenwärtig noch nicht bestehendes Recht bezögen. Es sei anerkannt, dass die Einigkeit über den Rechtsübergang – anders als beim Erwerb beweglicher Sachen – nicht bis zum Entstehen der Forderung fortbestehen müsse.17 Entsprechendes habe für die Verfügungsmacht zu gelten.18 M 11 Diese Argumentation des BGH ist ergebnisorientiert und nicht wertungsmäßig abgesichert. Die Frage der Einigkeit des Schuldners und des Zessionars über den Rechtsübergang und die Frage der Bedeutung des Fortbestands der Verfügungsmacht für den Rechtserwerb sind verschiedene Dinge. Auch der BGH geht jedenfalls davon aus, dass die künftige Forderung noch nicht mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages vollständig aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden ist. Andernfalls könnte er nicht annehmen, dass ein Gläubiger gemäß § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungsrecht mehr zu Lasten der Masse erwerben könne, wenn die im Voraus abgetretene Forderung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe.19 Und andernfalls könnte er nicht im Rahmen des § 140 Abs. 1 InsO darauf abstellen, dass sich die anfechtungsrechtlich entscheidende Gläubigerbenachteiligung erst dann äußere, wenn die Forderung entstanden sei.20 Zumindest haftungsmäßig ist die Forderung demnach mit ihrer Entstehung für eine logische Sekunde dem Vermögen des Schuldners zuzuordnen. Wertungsmäßig ist dies nur mit der Erwägung überzeugend zu erklären, dass man über einen Gegenstand erst wirksam verfügen kann, wenn er entstanden ist und nicht erst noch mit Mitteln der Masse hergestellt werden muss. Man muss daher zum Zeitpunkt seiner Entstehung auch noch verfügungsbefugt sein. Henckel weist zutreffend darauf hin, dass das haftende Vermögen des Schuldners durch den Abschluss des Abtretungsvertrages über eine künftige Forderung noch nicht geschmälert werde, da die abgetretene Forderung als Vermögenswert zur Zeit des Vertragsschlusses noch gar nicht existiere.21 M 12 Der BGH hätte daher allen Anlass gehabt, sich mit seiner früheren Rechtsprechung auseinanderzusetzen. In seinem früheren Urteil vom 5.1.195522 hat er entschieden, es könne nicht davon gesprochen werden, dass die im Voraus ab15 HambKomm-InsO/Schröder, § 24 Rz. 8. 16 Vgl. Eckardt, ZIP 1997, 597 (600). 17 Vgl. Palandt/Grüneberg, 70. Aufl., § 398 Rz. 11; Staudinger/Busche, Neubearbeitung 2005, § 398 Rz. 71. 18 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZInsO 2009, 2336 ff. Rz. 11. 19 Vgl. BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 8/07, ZInsO 2010, 1001 ff. Rz. 9. 20 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f. Rz. 14. 21 Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 5. 22 BGH v. 5.1.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

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getretene künftige Forderung bereits vor ihrer Entstehung aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden sei. Ein Recht „erwirke“ der Zessionar vielmehr erst, wenn die Forderung existent werde. Im Urteil vom 30.5.195823 hat er noch entschieden, die Verfügungsbefugnis müsse zur Zeit des Eintritts des letzten Tatbestandsmerkmals gegeben sein, sofern das Verfügungsgeschäft außer der Willenserklärung noch weitere Wirksamkeitserfordernisse habe, die erst später einträten; bei der Abtretung künftig entstehender Forderungen müsse daher die Verfügungsbefugnis noch zur Zeit der Forderungsentstehung gegeben sein. Der BGH sollte daher die erforderliche Problemerörterung nachholen. In der von ihm in Bezug genommenen Entscheidung vom 20.3.199724 hat er sich lediglich auf Serick25 gestützt, ohne sich mit seiner früheren Rechtsprechung und abweichenden Stimmen im Schrifttum auseinanderzusetzen.26 Der Eintritt der rechtlichen Wirkungen der angefochtenen Rechtshandlung im M 13 Sinne des § 140 Abs. 1 InsO ist nach der Rechtsprechung des BGH in der Regel deckungsgleich mit dem Eintritt der Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO.27 Genügt allerdings das Vorliegen einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung für die Erfüllung des Anfechtungstatbestandes, so reicht es aus, wenn die Gläubigerbenachteiligung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz des Anfechtungsprozesses gegeben ist.28 Ist das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft anfechtbar – etwa im Falle des M 14 Abschlusses sogenannter „Verschleuderungsgeschäfte“ gemäß § 132 InsO – so ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts maßgebend.29 Wird allerdings ein Vertrag zugunsten eines zunächst unbestimmten Dritten abgeschlossen, wird dieser erst mit seiner individuellen Festlegung berechtigt.30 Im Bereich der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO (Einräumung M 15 einer Sicherheit oder Befriedigung) ist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Erwerbstatbestand vollendet wurde.31 Im Fall der Verfügung über eine künftige Sache ist dies der Zeitpunkt ihrer Entstehung.32 Bei der Frage des Pfandrechtserwerbs ist zwischen dem Pfandrecht an einer künftigen Forderung und dem Pfandrecht für eine künftige Forderung zu unterscheiden. Das Pfandrecht an ei-

23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

BGH v. 30.5.1958 – V ZR 295/56, BGHZ 27, 360 (366 f.). BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 (144) = MDR 1997, 557. Vgl. Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV § 49 I 2b). Vgl. dazu ferner die Ausführungen unter Rz. B64 ff. BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (357) = MDR 2004, 596; v. 8.10.1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008 (2009). BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, MDR 2009, 1068 = NotBZ 2009, 493 = ZInsO 2009, 1249 ff. Rz. 29; v. 23.11.2006 – IX ZR 126/03, MDR 2007, 614 = ZInsO 2007, 101 ff., Rz. 19; v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, MDR 1993, 439 = ZIP 1993, 271 (273). BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 ff.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 52. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 9; BGH v. 28.6.1984 – IX ZR 21/84, WM 1984, 1194 f.: nicht der Treuhandvertrag, sondern erst der spätere Abschluss der konkretisierenden Sicherungsverträge anfechtbar. Vgl. BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZInsO 2005, 932 ff. Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 53. Schfer

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M Rz. 15

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

ner künftigen Forderung entsteht erst mit deren Entstehung.33 Das Pfandrecht für eine künftige (zu sichernde) Forderung entsteht nach der umstrittenen Rechtsprechung des BGH zumindest dann schon mit der Pfandrechtsbestellung, wenn der Pfandgegenstand bereits besteht.34 a) Einaktige Rechtshandlungen M 16 Rechtshandlungen, die sich in einem einzigen Akt erschöpfen, sind mit dessen Vornahme abgeschlossen. Gestaltungserklärungen sind auch dann erst mit ihrer Abgabe vorgenommen, wenn sie Rückwirkung entfalten (vgl. etwa § 142 BGB zur Anfechtung und § 184 BGB zur Genehmigung). Nach der Rechtsprechung des BGH stellt sich die Frage, ob auch die Vorausabtretung einer künftigen Forderung als einaktige Rechtshandlung anzusehen ist. Danach soll die Abtretung der künftigen Forderung bereits alle Merkmale enthalten, aus denen der Übertragungstatbestand besteht. Die Entstehung der abgetretenen Forderung gehöre sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie gelegt sei.35 Richtig erscheint jedoch die Auffassung, dass die Vorausabtretung einer künftigen Forderung als Rechtsgeschäft erst mit deren Entstehung vollendet ist.36 Im vorliegenden Zusammenhang wird daher die Vorausabtretung künftiger Forderungen unter dem Stichwort „mehraktige Rechtshandlungen“ bzw. „gestreckte Erwerbstatbestände“ abgehandelt. M 17 Setzt ein Rechtsgeschäft die Genehmigung eines Dritten voraus, so ist dieses erst mit der Erteilung der Genehmigung vorgenommen. Es ist somit eine mehraktige Rechtshandlung gegeben. Die in § 184 Abs. 1 BGB angeordnete Rückwirkung der Genehmigung hat nicht zur Folge, dass das Rechtsgeschäft schon vor der Genehmigung als vorgenommen gilt.37 Allerdings soll nach der Rechtsprechung des BGH im Falle der Genehmigung der Belastungsbuchung beim Lastschrifteinzug im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens durch den Schuldner für die Feststellung des Leistungsaustauschs im Sinne des § 142 InsO (Bargeschäft) nicht der Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung, sondern der des Lastschrifteinzugs maßgebend sein. Kraft der gesetzlichen Rückwirkungsfiktion gelte die Zahlung des Schuldners nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich als im Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs als erbracht.38 Es soll also offenbar dem Rechtserwerb des Gläubigers nicht entgegenstehen, dass zwischenzeitlich

33 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372; HK-InsO/Thole, § 140 Rz. 4; Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 3, 20. 34 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 ff. = MDR 1983, 484 ff.; zweifelnd neuerdings BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610; kritisch auch MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 140 Rz. 15; HK-InsO/Thole, § 140, Rz. 5 m. Fn. 44; Mitlehner, ZIP 2007, 804 ff.; Berger, NZI 2007, 566 ff. – vgl. dazu näher unten Rz. M56 ff. 35 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 (144) = MDR 1997, 557; v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 27 = MDR 2008, 411. 36 Vgl. dazu Rz. M7 ff. 37 Vgl. BGH v. 20.9.1978 – VIII ZR 142/77, NJW 1979, 102 (103). 38 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 ff. Rz. 47, = MDR 2008, 1361; v. 29.5.2008 IX ZR 42/07, MDR 2008, 1001 = ZInsO 2008, 749 f., Rz. 16.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 20 M

insolvenzrechtliche Verfügungsbeschränkungen ergangen sind (vgl. § 184 Abs. 2 BGB).39 Der BGH hat jedoch in einem neueren Urteil vom 30.9.201040 klargestellt, dass diese Rechtsprechung allein das Bargeschäft gemäß § 142 InsO betrifft, nicht aber die für den Zeitpunkt der Rechtshandlung im Sinne der Anfechtungsbestimmungen maßgebende Vorschrift des § 140 InsO. Einaktige Rechtshandlung ist ferner die Aufrechnungserklärung. Insoweit ist M 18 jedoch § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu entnehmen, dass anfechtungsrechtlich nicht der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung, sondern jener der Herstellung der Aufrechnungslage maßgebend ist.41 Die Aufrechnungserklärung selbst ist für die Anfechtung unbedeutend. Die Herstellung der Aufrechnungslage kann wiederum einen mehraktigen Vorgang darstellen.42 Eine Aufrechnungslage entsteht erst in dem Zeitpunkt, in dem zwei Forderungen einander aufrechenbar gegenübertreten. Dies ist bei einer auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützten Aufrechnung nicht der Fall, solange die Aufrechnung nicht erklärt worden ist.43 Beim Scheckinkasso kommt es für die Anfechtbarkeit der Verrechnung eben- M 19 falls auf den Zeitpunkt der Entstehung der Verrechnungslage an. Zu beachten ist jedoch, dass bereits der Zeitpunkt der Scheckhereinnahme maßgebend sein kann, wenn die Bank unanfechtbares Sicherungseigentum am Scheck erlangt hat.44 Für die Verrechnung im Kontokorrent ist zu beachten, dass die Schlusssaldofor- M 20 derung erst mit der automatischen Beendigung des Kontokorrentvertrages gemäß § 116 InsO45 und somit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht.46 In einem früheren Urteil vom 7.12.197747 hat der BGH noch die Auffassung vertreten, dass es sich bei der kausalen Schlusssaldoforderung nicht um einen erst mit oder nach der Insolvenzeröffnung entstehenden künftigen Anspruch handle, da dieser „dem Grunde nach“ bzw. „im Kern“ bereits zuvor entstanden sei.48 § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO stünde nach dieser Ansicht der Aufrechnung der Bank nicht entgegen, wenn der verrechnete Gutschriftsbetrag zwar noch vor

39 Vgl. dazu jedoch BGH v. 20.9.1978 – VIII ZR 142/77, NJW 1979, 102 (103); v. 23.5.1989 – IX ZR 135/88, BGHZ 107, 340 ff. = MDR 1989, 907; Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 33; HK-InsO/Thole, § 140 Rz. 5. 40 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, MDR 2010, 1420 = ZIP 2010, 2105 ff. Rz. 21. 41 Vgl. BGH v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZInsO 2005, 884 f.; Häsemeyer in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 645 ff. 42 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff. Rz. 13; vgl. dazu unten Rz. M89 f. 43 BGH v. 15.7.2004 – IX ZR 224/03, BGHZ 160, 107 ff. Rz. 14 = MDR 2005, 115; v. 3.6.1981 – VIII ZR 171/80, BGHZ 81, 15 = MDR 1981, 1014 (19 f.); OLG Köln v. 28.4.1995 – 25 U 17/94, ZIP 1995, 850 (851); Lüke in Kübler/Prütting/Bork, § 94 Rz. 77. 44 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 (177) = MDR 1992, 766. 45 Vgl. dazu BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 (93) – „Barsortimenter“. 46 BGH v. 25.6.2009 – IX ZR 98/08, BGHZ 181, 361 ff. = MDR 2009, 1248. 47 BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 (93). 48 BGH v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 (93). Schfer

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M Rz. 20

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der Insolvenzeröffnung bei der Schuldnerbank eingegangen war, diese ihn aber erst nach der Insolvenzeröffnung dem Schuldner gutgeschrieben und mit den ihr zustehenden Forderungen verrechnet hat.49 M 21 Zumindest die Begründung des BGH im Urteil vom 7.12.1977 wurde im Schrifttum indes zu Recht kritisiert.50 Mit einer bedingten Berechtigung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO ist die Stellung der Bank nicht vergleichbar. Denn der Schuldner kann sie jederzeit und somit bis zuletzt hinfällig machen, indem er den Saldo zu Lasten der Bank auf Null reduziert. Die Herbeiführung der Aufrechnungslage kann allenfalls deshalb als einheitlicher, wertungsmäßig noch vor der Insolvenzeröffnung abgeschlossener Vorgang angesehen werden, weil interne Buchungsvorgänge bei der Bank für die rechtliche Zuordnung nicht entscheidend sein sollten, sofern zwingend ausgeschlossen ist, dass die erst nach der Insolvenzeröffnung vorgenommene Verrechnung eine weitere Schmälerung des schuldnerischen Vermögens zur Folge hat. Der bei der Bank eingegangene Betrag war von vornherein für den Schuldner bestimmt und von vornherein mit der Verrechnungsbefugnis der Bank belastet. Im Schrifttum wird zu bedenken gegeben, dass es begründungsbedürftig sei, weshalb die Insolvenzmasse durch die Einstellung der Einzelforderungen in ein Kontokorrent begünstigt werden sollte. Es bestehe kein Grund, die Insolvenzgläubiger deshalb besser zu stellen als bei der Vorausabtretung nicht kontokorrentgebundener Forderungen, weil im Interesse des Kontokorrentpartners die Abtretung nur den Schlusssaldo erfassen könne und deshalb erst mit der Insolvenzeröffnung wirksam werde.51 Die Argumentation mit „im Kern“ bereits entstandenen bzw. „gesetzlich bedingten“ Ansprüchen ist aber jedenfalls gefährlich und sollte stets wertungsmäßig untermauert werden. M 22 In seinem neueren Urteil vom 25.6.200952 ist der BGH nunmehr ausdrücklich von BGHZ 70, 86 ff. abgerückt. Danach führt die Vorausabtretung kontokorrentgebundener Forderungen und des kausalen Schlusssaldos aus dem Kontokorrent nicht zum Rechtserwerb des Abtretungsempfängers, wenn die Kontokorrentabrede erst mit der Insolvenzeröffnung erlischt. Allerdings betrafen beide Urteile Vorausabtretungen kontokorrentgebundener Forderungen. Der BGH hat durch Urteil vom 2.2.201753 klargestellt, dass die Verrechnung wechselseitiger Forderungen im Kontokorrentverhältnis die Gläubiger nicht benachteiligt, soweit die eingegangenen Gutschriften auf der Begleichung solcher Forderungen beruhen, welche der Bank anfechtungsfest zur Sicherheit abgetreten worden waren, und der Bank eine anfechtungsfeste Sicherheit am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift zusteht.54

49 50 51 52

Vgl. BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, NJW 1978, 699 f. Canaris, Großkommentar zum HGB, § 355 Rz. 4. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 8. BGH v. 25.6.2009 – IX ZR 98/08 – „Kontokorrentabtretung“, BGHZ 181, 361 ff. = MDR 2009, 1248. 53 Vgl. BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 ff. 54 BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 ff.

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Rz. 24 M

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

b) Mehraktige Rechtshandlungen bzw. gestreckte Erwerbstatbestände Mehraktige Rechtshandlungen bestehen aus mehreren Teilakten, die sich zu ei- M 23 ner einheitlichen Rechtshandlung ergänzen. Sie sind erst mit dem letzten zur Erfüllung ihres Tatbestandes erforderlichen Teilakt abgeschlossen.55 Eine einheitliche (mehraktige) Rechtshandlung in diesem Sinne liegt etwa vor, wenn ein Werkunternehmer durch Erbringung der Werkleistung einen Vergütungsanspruch der Höhe nach werthaltig macht und dadurch eine Aufrechnungslage schafft.56 Mehraktige Rechtshandlungen sind somit strikt zu unterscheiden von mehreren selbständig anfechtbaren Rechtshandlungen. Selbständige Rechtshandlungen sind insbesondere die Pfändung und die anschließende Zahlung durch den Schuldner oder Drittschuldner. Die Anfechtung der Befriedigung ist daher nicht erfolgversprechend, wenn die Pfändung wirksam und insolvenzbeständig ist.57 Auch die Vornahme des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts und der seiner Erfüllung dienenden Handlungen (Erfüllungsgeschäft) sind selbständige Rechtshandlungen im Sinne des Anfechtungsrechts.58 Selbständig anfechtbar ist ferner die Herbeiführung einer Aufrechnungslage, unabhängig von dem Rechtsgeschäft, auf dem sie beruht.59 Aufgrund der nach der Rechtsprechung des BGH für das Anfechtungsrecht maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist ein mehraktig gestalteter Zuwendungsvorgang, der auf einem einheitlichen Plan beruht, hingegen als Einheit zu behandeln.60 Dies ist etwa bei mittelbaren Zuwendungen mittels einer Zwischenperson der Fall.61 aa) Verpflichtungsgeschäfte Schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte sind erst mit der Annahme des Ver- M 24 tragsangebotes vorgenommen. Dabei sind § 151 BGB und ein etwaiges Genehmigungserfordernis zu beachten. Im Grundsatz ist das Verpflichtungsgeschäft erst mit der Genehmigung vorgenommen, ohne dass diese zurückwirkt.62 Eine Ausnahme kann im Falle des Erfordernisses einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung anzunehmen sein. So wird nach einem Urteil des BGH vom 9.10.195863 die Wirksamkeit des Rechtserwerbs aufgrund eines der devisenrechtlichen Genehmigung bedürftigen Rechtsgeschäfts nicht dadurch beeinträchtigt, dass das Geschäft erst nach der Konkurseröffnung devisenrechtlich genehmigt wird. Dem55 BGH v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (394). 56 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 7 mit Hinweis auf BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 13 und OLG München v. 8.9.2009 – 5 U 2499/09, NZI 2009, 773 (774). 57 BGH v. 21.3.2000 – IX ZR 138/99, MDR 2000, 783 = ZInsO 2000, 333 f.; v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, ZInsO 2003, 372 f. 58 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, ZIP 2008, 2224 ff. Rz. 25; v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, ZIP 2007, 1274 ff. Rz. 27; Jaeger/Henckel, § 129 Rz. 109. 59 Vgl. BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff. = MDR 2009, 350; v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, MDR 2006, 53 = ZIP 2005, 1521 (1523). 60 BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 245/06, MDR 2008, 1358 = ZInsO 2008, 910 ff. Rz. 11; v. 5.12.1991 – IX ZR 270/90, BGHZ 116, 222 (226) = MDR 1992, 294. 61 Vgl. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 16/08, MDR 2009, 769 = ZIP 2009, 769 f. Rz. 8. 62 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 177/07, ZInsO 2010, 2133 f. Rz. 11; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 8. 63 BGH v. 9.10.1958 – II ZR 229/57, WM 1958, 1417. Schfer

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M Rz. 24

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

entsprechend ist es auch anfechtungsrechtlich unschädlich, wenn die devisenrechtliche Genehmigung erst in den kritischen Anfechtungszeiträumen erteilt wird. Wird ein Vertrag zugunsten eines zunächst noch nicht konkret bestimmten Dritten abgeschlossen, so wird dieser erst mit seiner individuellen Festlegung berechtigt.64 bb) Erfüllungs- bzw. Verfügungsgeschäfte M 25 Erfüllungsgeschäfte sind mit dem letzten Teilakt vorgenommen, der für die Herbeiführung des Rechtsübergangs erforderlich ist. Die Verfügung über eine bewegliche Sache ist eine mehraktige Rechtshandlung, die erst mit der Übergabe der Sache bzw. der Vereinbarung eines Übergabesurrogats vorgenommen ist. Zu beachten ist jedoch, dass dem Erwerber schon vor dem Eigentumsübergang eine gesicherte Rechtsposition zugestanden haben kann, so dass die Anfechtung des Eigentumsübergangs letztlich ins Leere geht. Dies ist etwa der Fall, wenn dem Erwerber ein in unkritischer Zeit begründetes Anwartschaftsrecht zustand.65 Der Erwerb künftiger Sachen ist frühestens mit deren Entstehung vollendet. Wurde ein Raumsicherungsvertrag abgeschlossen, so erfolgt der Eigentumsübergang erst mit der Einbringung der jeweiligen Sachen in die Räumlichkeiten.66 Die Zuwendung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung ist mit dem Abschluss des entsprechenden Gesellschaftsvertrages vollzogen.67 M 25a Hängt eine Verfügung des Schuldners – wie etwa bei der Lastschrift im Wege des Einzugsermächtigungsverfahrens – von dessen Genehmigung ab, so ist sie erst mit der Genehmigung vorgenommen. § 184 Abs. 1 BGB, wonach die Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirkt, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Die Rechtsprechung des BGH zur Bedeutung der Genehmigung beim Bargeschäft betrifft allein die Auslegung des § 142 InsO, nicht aber die für den Zeitpunkt der Rechtshandlung im Sinne der Anfechtungsbestimmungen maßgebliche Bestimmung des § 140 InsO.68 M 26 Die Übertragung des Eigentums an Grundstücken und die Bestellung dinglicher Rechte an Grundstücken sind erst mit der Eintragung im Grundbuch vollendet.69 § 140 Abs. 2 InsO verlegt jedoch den anfechtungsrechtlich maßgebenden Zeitpunkt nach vorne, wenn die sonstigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden des Rechtsgeschäfts erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf 64 BGH v. 28.6.1984 – IX ZR 21/84, WM 1984, 1194 f.; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 140 Rz. 5. 65 Vgl. BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, MDR 2000, 907 = ZIP 2000, 932 ff. 66 BGH v. 2.7.1959 – VIII ZR 194/58, BGHZ 30, 248 ff.; v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, MDR 1991, 622 = ZIP 1991, 807 ff. 67 BGH v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, BGHZ 191, 354 ff.; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 10. 68 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, ZIP 2010, 2105 ff. Rz. 21. 69 Vgl. BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, MDR 2009, 1068 = NotBZ 2009, 493 = ZInsO 2009, 1249 ff. Rz. 21; v. 15.11.2007 – IX ZR 232/03, JurBüro 2008, 269; v. 10.12.1998 – IX ZR 302/97, MDR 1999, 308 = ZInsO 1999, 105 f.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 29 M

Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Das Eigentum des Schuldners unterliegt nicht mehr dem Gläubigerzugriff, sobald der Erwerber aufgrund eines Anwartschaftsrechts eine geschützte Rechtsstellung erlangt hat, die durch den anderen Teil nicht mehr einseitig zerstört werden kann.70 Hat daher der andere Teil den Antrag auf Eintragung einer ihm bewilligten Auf- M 26a lassungsvormerkung gestellt, so gilt das Rechtsgeschäft – auch ohne Auflassung – als vorgenommen, wenn die Bewilligungserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der vorgemerkte Anspruch entstanden ist.71 Die Abtretung des künftigen Anspruchs auf Rückübertragung einer Sicherheit M 27 entspricht der nachträglichen Valutierung einer Sicherheit und ist daher anfechtbar, wenn der Rückübertragungsanspruch in der Krise des Schuldners entstanden ist.72 Hat der Schuldner als Grundstückserwerber einem Gläubiger eine dem vorgemerkten Rückübertragungsanspruch des Grundstücksverkäufers nachrangige Grundschuld bewilligt und dem Gläubiger auch den Kaufpreisrückzahlungsanspruch abgetreten, so beurteilt sich die Anfechtbarkeit dieser Rechtshandlungen hingegen nach dem Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung, nicht nach dem des Rücktritts vom Kaufvertrag.73 BGH-Urteil vom 11.12.2008 – ZIP 2009, 228 ff. Der Schuldner kaufte Ende 1997 von der B. GmbH ein Forstgut zum Preis von ca. M 28 1,6 Mio. DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm er ein Privatdarlehen auf. Der Darlehensgeber hatte seinerseits der klagenden Bank ein Angebot auf Abschluss eines Refinanzierungsdarlehens unterbreitet. Darin enthalten war die Verpflichtung des Darlehensgebers, der Klägerin zur Sicherung des Refinanzierungsdarlehens eine vollstreckbare Grundschuld an dem Forstgut zu verschaffen. Der Schuldner trat der Klägerin ferner als Sicherheit sämtliche Ansprüche gegen die B. GmbH aus einer etwaigen Rückabwicklung des Grundstückkaufvertrages ab. Der Schuldner und die Klägerin vereinbarten zudem, dass die Grundschuld der Klägerin deren Anspruch aus dem Refinanzierungsdarlehen sichern sollte. Die Grundschuld wurde im Zuge der Gewährung des Refinanzierungsdarlehens M 29 zugunsten der Klägerin bestellt. Dieser ging eine Rückauflassungsvormerkung zugunsten der B. GmbH im Rang vor. Die B. GmbH trat später vom Kaufvertrag zurück. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin und der Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter zahlte die B. GmbH aufgrund einer Rückabwicklungsvereinbarung mit dem Beklagten ca. 688 000 Euro an diesen aus. Die Klägerin verlangte von ihm diesen Betrag unter Abzug der Feststellungs- und Verwertungspauschalen gemäß § 171 InsO heraus. 70 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 ff. = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228. 71 BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 203/06, ZIP 2010, 339 ff. 72 Vgl. BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 255/06, ZIP 2008, 703 ff.; Jaeger/Windel, § 91 Rz. 58. 73 BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07 – „Forstgut“, MDR 2009, 412 = ZIP 2009, 228 ff. Schfer

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M Rz. 30

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

M 30 Nach Ansicht des BGH hatte die Klägerin über eine gesicherte Rechtsposition im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO verfügt. Die Insolvenzgläubiger hätten wegen der Grundschuld bis zur Höhe des Kaufpreises nicht auf das Grundstück zugreifen können. Im Falle des Rücktritts habe der Rückauflassungsanspruch der B. GmbH wegen seiner rangbesseren Vormerkung die Grundschuld der Klägerin verdrängt. Der rangbesser vorgemerkte Rückübertragungsanspruch der B. GmbH habe beide Sicherheiten der Klägerin so miteinander verklammert, dass der berechtigte Rücktritt der B. GmbH sowohl die relative Unwirksamkeit der Grundschuld bewirkt (§ 883 Abs. 2 Satz 1 BGB) als auch den im Voraus zur Sicherung ihrer Darlehen an die Klägerin abgetretenen bedingten Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung habe entstehen lassen. Aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung sei es nicht von Belang, dass sich die Entscheidung zwischen den beiden exklusiv konkurrierenden Sicherheiten außerhalb des Einflusses der Klägerin vollzogen habe, sie mithin bei isolierter Betrachtung des Kaufpreisrückzahlungsanspruchs noch keine gesicherte Rechtsposition innegehabt habe. M 31 Die Verpfändung einer bestehenden Forderung ist erst mit der Anzeige gegenüber dem Schuldner gemäß § 1280 BGB vollendet.74 Die Forderungspfändung ist erst mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner bewirkt (vgl. § 829 Abs. 2 ZPO). Die Verfügung über eine künftige Forderung ist anfechtungsrechtlich nicht schon mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages vorgenommen. Dies ist vielmehr erst mit der Entstehung der künftigen Forderung der Fall.75 Entsprechendes gilt für die Pfändung und Verpfändung künftiger Forderungen. Das Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken bzw. nach Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen entsteht erst in dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch des Kunden auf Gutschrift entsteht.76 M 32 Eine mehraktige Rechtshandlung bilden auch Vorpfändung und Hauptpfändung. Wird daher die Vorpfändung früher als drei Monate vor dem Eingang des Insolvenzantrages ausgebracht, fällt die Hauptpfändung dagegen in den von § 131 InsO erfassten Bereich, so richtet sich die Anfechtung insgesamt nach der Bestimmung des § 131 InsO.77 c) Gesamtvorgänge, insbesondere mittelbare Zuwendungen M 32a Obwohl nach der Rechtsprechung des BGH im Grundsatz jede Rechtshandlung gesondert auf ihre Anfechtbarkeit hin zu überprüfen ist, kann ein einheitlicher „Gesamtvorgang“ gegeben sein, wenn eine Vermögenszuwendung aufgrund eines vorgefassten Plans zugunsten eines bestimmten Endempfängers vorgenommen wird. Wichtigstes Beispiel sind die sogenannten „mittelbaren Zuwendungen“.78 Solche Gesamtvorgänge sind erst mit der letzten Rechtshandlung 74 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 13. 75 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166 sowie BGH v. 30.6.1959 – VIII ZR 11/59, BGHZ 30, 238 ff.; v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, ZInsO 2003, 372 f. 76 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 ff. 77 BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 ff. = MDR 2006, 1129; HK-InsO/Thole, § 140 Rz. 5. 78 Vgl. dazu im Einzelnen Rz. B104 ff.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 35 M

abgeschlossen.79 Dies schließt es freilich nicht aus, eine haftungsrechtlich erhebliche Schmälerung des Schuldnervermögens – und damit eine Gläubigerbenachteiligung – schon mit der Übertragung des Vermögensgegenstandes auf eine Mittelsperson anzunehmen.80 Insoweit ist an die im Strafrecht geläufige Unterscheidung zwischen der Vollendung und der Beendigung einer Tathandlung zu erinnern. d) Unterlassungen Nach der Gesetzesbegründung zu § 140 InsO81 treten die rechtlichen Wirkungen M 33 einer Unterlassung frühestens in dem Zeitpunkt ein, in dem die Rechtsfolgen der Unterlassung nicht mehr durch eine Handlung abgewendet werden können; vor diesem Zeitpunkt ist die Unterlassung noch nicht „vorgenommen“. Hätte daher etwa der Schuldner die nachteiligen Wirkungen einer Gerichtsentscheidung durch die Einlegung eines Rechtsmittels abwenden können, so ist für die Frage der Anfechtbarkeit der Ablauf der Rechtsmittelfrist maßgebend. Hatte der Schuldner die Möglichkeit, die Verjährung einer Forderung zu unterbrechen oder eine Willenserklärung anzufechten, so ist die Unterlassung mit dem Ablauf der Verjährungsfrist bzw. der Anfechtungsfrist vorgenommen.82 2. Einzelfälle a) Eigentumsübertragung, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Die Verfügung über das Eigentum an einer beweglichen Sache ist erst mit der Ei- M 34 nigung über den Rechtsübergang und der Übergabe bzw. der Vereinbarung eines Übergabesurrogats vorgenommen. Hat der Erwerber jedoch schon vor den kritischen Anfechtungszeiträumen eine gesicherte Rechtsposition (Anwartschaftsrecht) erworben, so ist deren Erwerb maßgebend.83 Überträgt der Veräußerer das Eigentum an der Kaufsache unter Vorbehalt des M 35 Eigentums bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung, so erlangt der Erwerber ein Anwartschaftsrecht an der Kaufsache. Die Einräumung dieses Anwartschaftsrechts ist mit der Übergabe der Kaufsache vorgenommen. Lässt sich der Veräußerer als Sicherheit für die ihm zustehende Kaufpreisforderung die Forderung des Erwerbers aus der Weiterveräußerung abtreten, so ist diese Abtretung einer künftigen Forderung erst mit deren Entstehung im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO vorgenommen. Zu beachten ist jedoch, dass die Forderung aus der Weiterveräußerung an die Stelle des vorbehaltenen Eigentums als Sicherungsmittel tritt. Wurde daher der Eigentumsvorbehalt in unkritischer Zeit vereinbart, so tritt die Forderung aus der Weiterveräußerung an dessen Stelle, weshalb der Forderungserwerb unter dem Gesichtspunkt des Sicherheitentauschs wegen fehlen-

79 80 81 82 83

Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 21. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11 – „uneigennütziger Treuhänder“, BGHZ 193, 129 ff. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166. Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 19. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 4. Schfer

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M Rz. 35

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

der Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO nicht angefochten werden kann, soweit die Forderung an die Stelle des vorbehaltenen Eigentums getreten ist.84 M 35a Soll durch die Zahlung des Kaufpreises ein an der Kaufsache bestehendes Sicherungsrecht der Bank des Verkäufers abgelöst werden, so unterliegt die Kaufpreisforderung einer treuhänderischen Bindung, wenn der Kaufpreis nach der vertraglichen Vereinbarung nur auf das bei der betreffenden Bank im Soll geführte Konto des Verkäufers gezahlt werden darf; diese treuhänderische Bindung müssen auch die Gläubiger des Verkäufers gegen sich gelten lassen. Hat die Bank im Gegenzug für diese Treuhandbindung ihr Sicherungseigentum an den verkauften Waren aufgegeben, so liegt im Umfang des Wertes des aufgegebenen Sicherungsrechts ein Sicherheitentausch vor, der die Gläubiger nicht benachteiligt.85 M 35b Der Anspruch auf Rückgewähr im Rahmen einer Sicherungsübereignung oder Sicherungszession entsteht nicht bereits mit dem Abschluss des Sicherungsvertrages, sondern erst mit dem Wegfall des Sicherungszwecks; etwas anderes gilt nur im Fall einer explizit auflösend bedingt gestellten Sicherheit.86 Nur im letzteren Fall bestimmt sich der Vornahmezeitpunkt nach § 140 Abs. 3 InsO. Danach bleibt der Eintritt der Bedingung außer Betracht, so dass der Rückübertragungsanspruch bereits mit Abschluss des Sicherungsvertrages als entstanden anzusehen ist.87 Dies kann aber nur dann gelten, wenn für die Entstehung des Rückübertragungsanspruchs keine weiteren Rechtshandlungen des Schuldners in der Krise erforderlich sind. b) Forderungsabtretung M 36 Die Abtretung einer bestehenden Forderung ist mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages vorgenommen (§ 398 BGB). Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält nur Regelungen über die Abtretung einer bereits bestehenden Forderung. Dies kommt unter anderem in § 398 Satz 2 BGB zum Ausdruck. Danach tritt mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. Dies setzt eine bereits bestehende Forderung voraus. Die Möglichkeit der Abtretung künftig entstehender Forderungen ist jedoch in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt.88

84 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 21 ff.; v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, MDR 2000, 907 = ZIP 2000, 932 ff.; vgl. zur „Marge“ des Vorbehaltskäufers BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, ZIP 2011, 773 ff. Rz. 33; v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 33. 85 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, ZIP 2012, 1301 ff. Rz. 26. 86 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 51; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 61. 87 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 61. 88 Vgl. BGH v. 30.4.1959 – VII ZR 19/58, BGHZ 30, 149 (151); v. 21.11.1969 – V ZR 149/66, BGHZ 53, 60 (63); v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, ZInsO 2009, 2336 ff. Rz. 11; Erman/H. P. Westermann, 14. Aufl., § 398 Rz. 11; Staudinger/Busche, Bearb. 2005, § 398 Rz. 63.

740 Schfer

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 38 M

Zur Frage des Zeitpunkts des Wirksamwerdens der Vorausabtretung künftiger M 37 Forderungen wies der BGH in früheren Entscheidungen89 darauf hin, dass die Verfügungsbefugnis zur Zeit des Eintritts des letzten Tatbestandsmerkmals des Rechtserwerbs gegeben sein müsse, sofern das Verfügungsgeschäft außer der Willenserklärung noch weitere Wirksamkeitserfordernisse habe, die erst später einträten; bei der Abtretung künftig entstehender Forderungen müsse daher die Verfügungsbefugnis noch zur Zeit der Forderungsentstehung gegeben sein. In einer späteren Entscheidung vom 20.3.199790 führt er jedoch aus, dass die Aussage, die Verfügungsmacht müsse im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verfügung vorliegen, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffe. Richtig sei nur, dass die Verfügungsbefugnis beim letzten Teilstück der Verfügung gegeben sein müsse. Bei der Übereignung einer beweglichen Sache sei dies die Übergabe, weil diese zum Verfügungstatbestand gehöre. Dagegen enthalte die Abtretung einer zukünftigen Forderung bereits selbst alle Merkmale, aus denen der Übertragungstatbestand bestehe; die Entstehung der abgetretenen Forderung gehöre sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie gelegt sei. Deshalb werde die Rechtsstellung des Zessionars dadurch, dass der Zedent nach der Abtretung, aber vor der Entstehung der abgetretenen Forderung die Verfügungsmacht verliere, nicht berührt.91 Erstaunlich ist dabei, dass sich der BGH in dieser umstrittenen Frage nur auf Serick92 bezieht, der zudem selbst darauf hinweist, man müsse sich stets vor Augen halten, dass das Substrat der Verfügungsmacht, nämlich die Forderung, noch gänzlich fehle. Die im Rahmen der §§ 81, 91 InsO streitig diskutierte Frage, ob die Vorausver- M 38 fügung über eine künftige Forderung erst mit deren Entstehung insolvenzfest vollendet ist und durch die Anordnung von Verfügungsbeschränkungen im Eröffnungsverfahren in Frage gestellt werden kann, ist aus der Sicht des BGH aber jedenfalls anfechtungsrechtlich geklärt. Er betont in einem Urteil vom 20.3.200393 unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung,94 dass er die anfechtungsrechtlich entscheidende Wirkung bei der Vorausabtretung, der Vorausverpfändung und der Pfändung einer künftigen Forderung nicht schon in der Verfügung, sondern erst in der Entstehung der Forderung gesehen habe. Denn die anfechtungsrechtlich entscheidende Gläubigerbenachteiligung könne sich nur und erst dann äußern, wenn die Forderung entstanden sei, über die der Schuldner rechtsgeschäftlich oder im Wege der Zwangsvollstreckung vorausverfügt habe. Anzumerken ist, dass der Gesetzgeber der Insolvenzordnung insoweit seinen Willen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Nach der Gesetzesbegründung zu § 140 Abs. 1 InsO ist die Abtretung einer künftigen Forderung erst mit der Entstehung der Forderung vorgenommen.95 89 BGH v. 30.5.1958 – V ZR 295/56, BGHZ 27, 360 (366 f.); v. 5.1.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544. 90 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 (144) = MDR 1997, 557. 91 Kritisch dazu B. Schäfer, ZInsO 2007, 18 ff.; Häsemeyer, ZZP 111, 83 ff.; Eckardt, ZIP 1997, 957 ff. 92 Vgl. Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band IV, § 49 I 2b). 93 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 ff. 94 BGH v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 (2082). 95 Vgl. Begründung zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166. Schfer

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M Rz. 39

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

M 39 Im Falle der Abtretung laufender Rentenbezüge durch einen Rentenberechtigten, der das Rentenalter bereits erreicht hat, gilt die Abtretung anfechtungsrechtlich bereits mit dem Wirksamwerden der Abtretung als vorgenommen; auf die späteren einzelnen Bezugszeitpunkte kommt es für die Anfechtbarkeit nicht mehr an.96 Dies beruht jedoch darauf, dass die Zahlung der Altersbezüge nach dem Eintritt ins Rentenalter nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig ist,97 das Rentenstammrecht98 somit bereits vollständig „verdient“ ist und die gesicherte Rechtsposition des Rentenberechtigten nicht mehr in Frage gestellt werden kann. M 39a Die Anfechtbarkeit der unbedingten Abtretung einer bedingten oder befristeten Forderung bestimmt sich nach § 140 Abs. 1 InsO, denn § 140 Abs. 3 InsO betrifft nur jene Fälle, in denen die anzufechtende Rechtshandlung selbst bedingt oder befristet ist.99 Forderungen können nur insoweit „bedingt“ sein, als sie durch bedingte Rechtsgeschäfte im Sinne des § 158 BGB begründet werden.100 Im Fall der (unbedingten) Abtretung einer bedingten Forderung haftet die Ungewissheit – anders als bei der bedingten Verfügung über ein (unbedingtes) Recht dem Verpflichtungs- und nicht dem Verfügungsgeschäft an.101 aa) Globalzession M 40 In seinem Grundsatzurteil zur Globalzession102 hat der BGH bekräftigt, dass die Abtretung der zukünftigen Forderungen des Sicherungsgebers bereits alle Merkmale enthalte, aus denen der Übertragungstatbestand bestehe. Die Entstehung der abgetretenen Forderungen gehöre sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie gelegt sei. Die berechtigten Interessen der Gläubigergesamtheit würden bei Globalverträgen bereits dadurch angemessen berücksichtigt, dass hinsichtlich der Abtretung zukünftiger Rechte gemäß § 140 Abs. 1 InsO der Zeitpunkt, zu dem deren rechtliche Wirkungen einträten, maßgebend sei. Auch in diesem Urteil setzt sich der BGH erstaunlicherweise nicht mit seiner früheren Rechtsprechung auseinander, wonach die Abtretung der künftigen Forderung (nicht nur anfechtungsrechtlich) erst mit deren Entstehung vollendet sei.103 M 41 Für die Anfechtbarkeit der Vorausabtretung künftiger Forderungen bedeutet dies: Wurde der Abtretungsvertrag in unkritischer Zeit abgeschlossen, kann die Abtretung selbst nicht angefochten werden. Anfechtbar ist vielmehr nur das Werthaltigmachen der im Voraus abgetretenen Forderung in den nach den An-

96 97 98 99 100 101 102

BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 37/06, MDR 2009, 1309 = ZInsO 2009, 1395 ff. BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 37/06, MDR 2009, 1309 = ZInsO 2009, 1395 ff. Rz. 24. Vgl. dazu BGH v. 10.1.2008 – IX ZR 94/06, MDR 2008, 469 = ZIP 2008, 417 ff. Rz. 17. Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 51; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 23. Vgl. Jaeger/Windel, § 95 Rz. 13; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 50a. Jaeger/Windel, § 91 Rz. 57. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07– „Globalzession (1)“, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411. 103 Vgl. BGH v. 30.5.1958 – V ZR 295/56, BGHZ 27, 360 (366 f.); v. 5.1.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544; vgl. dazu ausführlich B. Schäfer, ZInsO 2007, 18 ff.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 42 M

fechtungstatbeständen relevanten Zeiträumen.104 Der BGH weist in seinem Globalzessionsurteil vom 29.11.2007 darauf hin, dass er bereits mehrfach entschieden habe, eine durch Wertschöpfung geschaffene Aufrechnungslage könne anfechtbar sein.105 In der neueren Literatur würden allgemein Rechtshandlungen, die zur Werthaltigkeit der abgetretenen Forderung führten, als selbständig anfechtbar angesehen.106 Anfechtbar seien danach Erfüllungshandlungen wie die Herstellung eines Werkes, die Übergabe der Kaufsache oder die Erbringung von Dienstleistungen. Dieser Ansicht sei zuzustimmen. Anfechtbar seien nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und selbst Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimesse. Werde durch vom Schuldner veranlasste Maßnahmen die Fälligkeit der Vergütung herbeigeführt oder die Einrede nach § 320 BGB ausgeräumt, gewinne die Forderung für den Sicherungsnehmer an Wert. Daher seien solche tatsächlichen Leistungen als gegenüber einem vorausgegangenen Vertragsschluss des Schuldners mit seinen Kunden selbständige Rechtshandlungen ebenfalls insolvenzrechtlich anfechtbar. Der BGH meint offenbar, mit der Lösung des Problems auf der zurückgezogenen M 42 Linie des Anfechtungsrechts eine Art „Königsweg“ gefunden zu haben. Dies ist jedoch trügerisch. Die Auffassung, es sei kein besonderes Bedürfnis erkennbar, die Vorausabtretung künftiger Forderungen der Bestimmung des § 81 InsO zu unterstellen, da eine Anfechtung unter den erleichterten Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO möglich sei,107 umgeht dieses grundlegende Problem in nicht überzeugender Weise. Die Ansicht, dass die Anfechtung des „Werthaltigmachens“ einer im Voraus abgetretenen Forderung nicht nur die in der Krise aus dem Schuldnervermögen erbrachten vermögenswerten Leistungen erfasse, sondern sich auf die Erhöhung des Wertes der vorausabgetretenen Forderung erstrecke, unterliegt Bedenken.108 Es erscheint problematisch, die Vorausabtretung selbst als anfechtungsfest anzusehen, sie zugleich aber dadurch in Frage zu stellen, dass auch der über den Wert der vom Schuldner anfechtbar erbrachten Leistungen hinausgehende Mehrwert der Abtretung anfechtbar sein soll. Dieser Mehrwert dürfte vielmehr – auf der Grundlage der Auffassung des BGH – kraft anfechtungsfester Abtretung dem Zessionar zugewiesen sein. Dieser Mehrwert enthält ja auch den Gegenwert für die Kreditierungsleistung, zu deren Sicherung sich der Zessionar die Vorausabtretung ausbedungen hat. Inkon104 Vgl. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411; v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05, MDR 2008, 531 = ZInsO 2008, 209 ff.; OLG Köln v. 30.4.2008 – 2 U 19/07, ZIP 2008, 1492 ff. 105 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. = MDR 2008, 411 mit Hinweis auf BGH v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 (254 f.) = MDR 2001, 152; v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98 – „Lili Marleen“, BGHZ 147, 28 (35) = MDR 2001, 1076. 106 Gerhardt, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 169, 178 f.; Kirchhof, Festschrift für Uhlenbruck, S. 269, 277; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 131 Rz. 21; Streit/ Jordan, DZWIR 2004, 441 (447); Leiner, ZInsO 2006, 460 (463); Piekenbrock, WM 2007, 141 (150); Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 15 Rz. 5; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 7. Aufl. Rz. 6.103 f. 107 Vgl. HK-InsO/Kayser, § 91 Rz. 19. 108 Vgl. dazu Cranshaw, DZWIR 2008, 397, 402 ff.; Eckardt, EwiR 2008, 689 f.; Wagner, WuB VI A. § 134 InsO 3.08. Schfer

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M Rz. 42

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

sequent wäre es ferner, in Fällen eines sogenannten „Übermaßaufwandes“ des Schuldners die Anfechtung auf die objektive Wertsteigerung der im Voraus abgetretenen Forderung zu beschränken. Denn Gegenstand der Anfechtung sind die Realakte des Schuldners, die eine Schmälerung seines Vermögens zum Nachteil seiner späteren Insolvenzgläubiger zur Folge haben. Auf der anderen Seite ist zu fragen, ob die Anfechtung selbst dann die Wertsteigerung der abgetretenen Forderung erfassen soll, wenn in der Krise mit ganz geringfügigen Mitteln (Mängelbeseitigung) eine hohe Restforderung durchsetzbar gemacht wird.109 M 43 Der BGH stellt in seinem „Globalzessionsurteil“ vom 29.11.2007110 auch darauf ab, dass durch die vom Schuldner in der Krise veranlassten Maßnahmen die Einrede nach § 320 BGB ausgeräumt werde. Dies dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass das Werthaltigmachen der künftigen Forderung insgesamt anfechtbar ist, wenn die Einrede nach § 320 BGB erst in der Krise des Schuldners vollends ausgeräumt wird.111 Damit ist der Unterschied zu der Auffassung, wonach die Verfügungsmacht noch zum Zeitpunkt der Forderungsentstehung gegeben sein muss, freilich nicht mehr allzu groß. bb) Herausgabeanspruch nach § 667 BGB M 44 Der Herausgabeanspruch des Auftraggebers gemäß § 667 BGB entsteht nach der neueren Rechtsprechung des BGH nicht schon mit der Begründung des Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses, sondern nach seinem Urteil vom 14.6.2007 erst mit dem Eingang des Erlangten beim Auftragnehmer.112 Damit ist der BGH zu Recht von seiner früheren Rechtsprechung abgerückt, wonach der Herausgabeanspruch „im Kern“ und damit der Sache nach „gesetzlich bedingt“ im Sinne des § 54 KO schon vor der Konkurseröffnung entstanden sein sollte.113 Im neueren Urteil vom 14.6.2007 betont der BGH, dass zu den im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO bedingten Ansprüchen nicht der Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn nach § 667 BGB gehöre. Die Vertragspflicht aus § 667 BGB, dem Auftraggeber alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlange, herauszugeben, treffe den Beauftragten bis zur Einziehung nicht bedingt oder betagt, da die Einziehung weder als Bedingung noch als Zeitbestimmung anzusehen, sondern Inhalt des Rechtsgeschäfts selbst sei.114 § 140 Abs. 3 InsO setze voraus, dass die Rechtshandlung des Schuldners, an die angeknüpft werden solle, dem Gläubiger bereits eine gesicherte Rechtsstellung verschafft habe.115 Eine solche gesicherte Rechtsposition habe der Beauftragte vor dem Eingang des im Rahmen des Auftragsverhältnisses Erlangten noch nicht inne. 109 Vgl. dazu Eckardt, EwiR 2008, 690. 110 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 37 = MDR 2008, 411. 111 Zu Recht auf die vollständige Leistungserbringung abstellend BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588 ff. Rz. 12 ff.; vgl. ferner MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 7: einheitliche (mehraktige) Rechtshandlung des Werthaltigmachens. 112 BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = ZIP 2007, 1507 ff. 113 Vgl. BGH v. 1.6.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 380 ff.; kritisch zur „Kerntheorie“ B. Schäfer, ZInsO 2006, 635 ff. 114 Vgl. dazu noch BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, BGHZ 95, 149 (155) = MDR 1985, 999. 115 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (356) = MDR 2004, 596.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 47 M

cc) Provisionsanspruch des Handelsvertreters nach § 87 HGB Die Provisionsforderung des Handelsvertreters gemäß § 87 HGB entsteht nach M 45 Ansicht des BGH bereits mit dem Abschluss des Vertrages zwischen dem Unternehmer und dem Dritten. Die Provision sei gleichwohl nach § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB „erst verdient“, sobald das Geschäft ausgeführt sei. Bis dahin stehe sie unter einer aufschiebenden Bedingung.116 Diese Argumentation unterliegt jedoch Bedenken. Denn der BGH hat u.a. im Urteil vom 20.3.2003117 darauf hingewiesen, dass § 140 Abs. 3 InsO nur Fälle rechtsgeschäftlicher Bedingungen betreffe. Die Ausführung des vom Handelsvertreter abgeschlossenen Geschäfts ist gemäß § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB tatbestandliche Voraussetzung für die Fälligkeit des Provisionsanspruchs. Die Auffassung des BGH muss daher wertungsmäßig abgesichert werden. Insoweit mag man darauf abstellen, dass die Schuldnerin im Urteil vom 29.6.2004118 in unkritischer Zeit alles getan hatte, was nach dem Vertrag für die Entstehung des Provisionsanspruchs erforderlich war und somit die künftige Insolvenzmasse in den kritischen Anfechtungszeiträumen nicht weiter geschmälert worden sein konnte.119 dd) Ansprüche aus Dienstvertrag Hinsichtlich der Vergütungsansprüche aus Dienstvertrag bekräftigt der BGH in M 46 einem Urteil vom 11.5.2006120 den allgemeinen Grundsatz, dass der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste nicht vor der Dienstleistung entstehe.121 § 114 Abs. 1 InsO (inzwischen aufgehoben) verdränge zwar im Rahmen seines Anwendungsbereichs die Bestimmung des § 91 Abs. 1 InsO, wonach Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht (mehr) wirksam erworben werden könnten. Der Gesetzgeber des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes122 habe jedoch klargestellt, dass nach seiner Auffassung Vorausabtretungen der Bezüge aus einem Dienstverhältnis für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 91 Abs. 1 InsO generell unwirksam wären, wenn es die Bestimmung des § 114 Abs. 1 InsO nicht gäbe. Nach einem weiteren Urteil des BGH vom 26.6.2008123 schließt die Regelung M 47 des § 114 Abs. 3 InsO (inzwischen aufgehoben) die Anfechtung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht aus. Die Vorschrift bestimme als Ausnahme zu § 91 Abs. 1 InsO lediglich, inwieweit die Zwangsvollstreckung in künftige Bezüge nach der Er116 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 ff. Rz. 22 = MDR 2005, 51; v. 21.12.1989 – IX ZR 66/89, MDR 1990, 620 = NJW 1990, 1665. 117 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f. 118 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 ff. = MDR 2005, 51. 119 Vgl. dazu von Olshausen, KTS 2009, 481 (495 f., 509). 120 BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. = GesR 2006, 418 = MDR 2007, 112; vgl. dazu ferner BGH v. 14.1.2010, IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 21. 121 Vgl. BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff. unter II. 1. a) aa). 122 Vgl. dazu BT-Drucks. 14/5680, S. 17. 123 BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, MDR 2008, 1239 = ZInsO 2008, 806 ff.; vgl. dazu Koza, EwiR 2008, 569 f. Schfer

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M Rz. 47

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

öffnung des Insolvenzverfahrens noch wirksam sei. Eine weitergehende, auch andere Vorschriften der Insolvenzordnung überlagernde Gültigkeitsanordnung sei daraus nicht zu entnehmen. Der Umstand, dass § 114 Abs. 3 Satz 3 InsO die Regelung der Rückschlagsperre (§ 88 InsO) unberührt lasse, erlaube nicht den Gegenschluss, andere Regelungen, welche die Zeit vor der Verfahrenseröffnung beträfen, seien nicht anwendbar.124 M 47a Eine anfechtungsrechtliche Besonderheit besteht bei der Abtretung laufender Rentenbezüge durch einen Rentenberechtigten, der bereits das Rentenalter erreicht hat. In diesem Fall ist die Abtretung bereits mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO vorgenommen; auf die einzelnen Bezugszeitpunkte kommt es anfechtungsrechtlich nicht an.125 Dies beruht jedoch darauf, dass die Rentenansprüche bereits vollständig verdient waren und keiner Werthaltigmachung durch Leistungen des Abtretenden mehr bedurften. M 47b

Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 3.2.2010126 entsteht bereits mit dem Abschluss eines Quartals, in dem der Vertragsarzt vertragsärztliche Leistungen erbracht hat, und der Vorlage der entsprechenden Abrechnung ein „genereller“ Anspruch des Arztes auf Teilhabe an der Honorarverteilung und insofern schon dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch des Arztes gegen die kassenärztliche Vereinigung. Höhe und Fälligkeit dieses Anspruchs hängen vom Inhalt und Zeitpunkt des Erlasses des Honorarbescheids ab; dessen Erlass steht nach Ansicht des Bundessozialgerichts dem Eintritt einer Bedingung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO gleich.127 ee) Mietforderungen und Leasingforderungen

M 48 Mietzinsansprüche sind nach der Rechtsprechung des BGH künftige Ansprüche; sie entstehen danach für jeden Monat (oder sonstigen Bemessungszeitraum) neu.128 Nach dem Leitsatz eines Urteils des BGH vom 30.1.1997129 ist die Abtretung einer Forderung auf Zahlung künftigen Grundstücksmietzinses erst mit dem Beginn des jeweiligen Nutzungszeitraums beendet. Jedenfalls bei einem normalen Mietvertrag über Grundstücke habe derjenige, der sich Mietzinsansprüche im Voraus abtreten lasse, keine gesicherte Rechtsposition, bis der Zeitraum, für den die jeweilige „Rate“ geschuldet werde, wenigstens nahe bevorstehe.130 Abgesehen davon, dass ein solcher Vertrag im Regelfall mit einer bestimmten Frist gekündigt werden könne, sei gerade die Wirkung von Vorausverfügungen über den Mietzins zeitlich beschränkt. Nach § 573 Abs. 1 BGB sei 124 A.A. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 13: Was der Zessionar nach der Verfahrenseröffnung behalten könne, müsse er auch davor behalten dürfen. 125 BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 37/06, ZIP 2009, 2120 ff. 126 BSG v. 3.2.2010 – B 6 KA 30/08, ZIP 2010, 2309 ff. 127 BSG v. 3.2.2010 – B 6 KA 30/08, ZIP 2010, 2309 ff. Rz. 38. 128 BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380 (387) = MDR 2003, 1103; v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290 = ZInsO 2010, 43 ff.; v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 21. 129 BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513; bestätigt durch BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. 130 Vgl. BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 20 f.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 51 M

sie im Falle des Eigentumswechsels grundsätzlich insoweit unwirksam, als sie sich auf den Mietzins für Kalendermonate nach dem Eigentumsübergang beziehe. Soweit daher die im Voraus abgetretene Forderung auf Mietzahlung in den kriti- M 49 schen Zeiträumen der Anfechtungstatbestände entstanden ist, kann die Abtretung grundsätzlich angefochten werden. Daran ändert auch § 140 Abs. 3 InsO nichts, wonach bei einer befristeten Rechtshandlung der Eintritt des Termins außer Betracht bleibt. Denn eine befristete Abtretung und die Abtretung eines befristeten Rechts sind zweierlei Dinge.131 Die Abtretung eines befristeten Rechts stellt keine befristete Rechtshandlung dar. Im Schrifttum132 wird die Auffassung vertreten, § 110 Abs. 1 InsO schließe die M 50 Anfechtung der Vorausverfügung über die Mietzinsforderung aus. Wenn das Gesetz dem Zessionar die Miete für eine Zeit nach der Verfahrenseröffnung belasse, wolle es sie ihm nicht für die Zeit davor nehmen. Dies entspricht jedoch nicht der Auffassung des BGH. Dieser hat in einem Urteil vom 26.6.2008133 zu § 114 Abs. 3 InsO entschieden, diese Bestimmung schließe die Anfechtung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht aus.134 Für die Möglichkeit der Aufrechnung von Mietzinsansprüchen gegen Ansprüche M 51 auf Auszahlung von Guthaben aus Mietnebenkostenvorauszahlungen ist nach einem früheren Urteil des BGH vom 11.11.2004135 der Abschluss des Mietvertrages maßgebend. Der Anspruch auf Rückzahlung zu viel vorausbezahlter Mietnebenkosten sei bedingt durch den Ablauf des Abrechnungszeitraums und eine tatsächlich eingetretene Überzahlung. Im Regelfall gelte zwar eine Rechtshandlung erst dann als vorgenommen, wenn ihre rechtlichen Wirkungen eingetreten seien (§ 140 Abs. 1 InsO). Gemäß § 140 Abs. 3 InsO bleibe jedoch der Eintritt einer Bedingung außer Betracht. Maßgebend sei dann vielmehr auf den „Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände“ abzustellen.136 Nach Ansicht des BGH ist dies der Abschluss des Mietvertrages. Zu diesem Urteil ist jedoch kritisch anzumerken, dass der Anspruch auf Rückzahlung zu viel vorausbezahlter Mietnebenkosten nicht schon für alle Zukunft bedingt mit dem Abschluss des Mietvertrages begründet wird. Denn es ist zunächst völlig unbestimmt, in welcher Höhe eine Überzahlung eintreten wird. § 140 Abs. 3 InsO betrifft nicht gesetzliche Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs, sondern nur rechtsgeschäftliche Bedingungen.137 Der BGH ist daher im Urteil vom 17.9.2009138 zu Recht von der im Urteil vom 11.11.2004 vertretenen Auffassung abgerückt. 131 132 133 134 135 136

Vgl. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 9. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 9. Vgl. BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, MDR 2008, 1239 = ZInsO 2008, 806 ff. Vgl. dazu noch Rz. M47. BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, MDR 2005, 596 = ZInsO 2005, 94 f. BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, MDR 2005, 596 = ZInsO 2005, 95 mit Hinweis auf Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 167. 137 Vgl. BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f. 138 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08 – „Doppelsicherung“, BGHZ 182, 264 ff. = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. Schfer

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M Rz. 52

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

M 52 Nach Ansicht des XII. Zivilsenats des BGH entsteht der Anspruch auf Zahlung sämtlicher Mietzinsen als betagte Forderung jedoch schon dann mit Beginn des Mietvertrages, wenn ein (atypischer) befristeter Mietvertrag über bewegliche Sachen so ausgestaltet ist, dass der Vermieter die wesentlichen Gegenleistungspflichten für die monatlich fällig werdenden Mietzinsen bereits zu Beginn des Mietvertrages erbracht hat. In diesem Fall seien die Ansprüche auf künftigen Mietzins keine befristeten Forderungen.139 In dem entschiedenen Fall waren der Mietvertrag für 60 Monate fest abgeschlossen, die Miete abschließend festgelegt, die Sach- und Gegenleistungsgefahr abgewälzt und ein Gewährleistungsausschluss unter Abtretung der Gewährleistungsansprüche des Vermieters vereinbart worden. Es ging in dem entschiedenen Fall zudem darum, ob der Zessionar der Mietforderungen die zwischen Zedent und Mieter vereinbarte vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages gegen sich gelten lassen muss, wenn der Mieter beim Abschluss der Aufhebungsvereinbarung die Abtretung kannte. M 53 Leasingforderungen sollen nach der Rechtsprechung des BGH während der Grundmietzeit regelmäßig betagte Forderungen darstellen, die nur noch nicht fällig seien, da sie zugleich ein Entgelt für die vorweg erbrachte Finanzierungsleistung des Leasinggebers darstellten.140 Die Leasingraten der Grundmietzeit seien „in jeder Weise durch den Leasingvertrag rechtlich festgelegt“ und auch Kündigungsmöglichkeiten seien vor dem Ablauf der Grundmietzeit in der Regel ausgeschlossen. Für die Anfechtbarkeit der Abtretung von Leasingforderungen ist demnach der Abschluss des Leasingvertrages maßgebend, sofern sie die Grundmietzeit betrifft.141 ff) Werklohnforderungen M 54 Eine Werklohnforderung entsteht nach Ansicht des BGH nicht erst mit der Vollendung des Werkes oder der Abnahme der Werkleistung gemäß § 641 BGB, sondern bereits mit dem Abschluss des Werkvertrages.142 Wurde daher die Abtretung eines in diesem Sinne bereits entstandenen Werklohnanspruchs in unkritischer Zeit vorgenommen, so kann nicht die Abtretung selbst, sondern allenfalls das „Werthaltigmachen“ der Werklohnforderung angefochten werden.143 Zu beachten ist ferner, dass nach der Rechtsprechung des BGH die bloße Abnahme der Werkleistung keine Rechtshandlung darstellt, die unter dem Gesichtspunkt der Wertauffüllung angefochten werden kann.144

139 BGH v. 4.11.2009 – XII ZR 170/07, MDR 2010, 195 = ZIP 2010, 332 ff. 140 Vgl. BGH v. 14.12.1989 – IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368 ff. = MDR 1990, 432 = CR 1990, 274; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 92. 141 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 92. 142 BGH v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, MDR 2000, 907 = ZIP 2000, 932 ff. 143 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 36 = MDR 2008, 411; v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, BGHZ 147, 28 ff. = MDR 2001, 1076; vgl. dazu noch Gerhardt, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 169 (178 f.); Kirchhof, Festschrift für Uhlenbruck, S. 269 (277); Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 15 Rz. 5; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 130 Rz. 40. 144 BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 134/00, MDR 2001, 1189 = NJW-RR 2001, 1337 (1338).

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 54c M

Auch bei der Werklohnforderung sollte jedoch zwischen der Begründung und M 54a der Entstehung des Rechts unterschieden werden. Wenn in § 198 BGB a.F. und § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. darauf abgestellt wird, dass die Verjährungsfrist mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen beginnt, so legt dies zunächst einmal nahe, dass der Anspruch auf den Werklohn noch nicht mit dem Abschluss des Werkvertrages entstanden sein kann, da es unsinnig wäre, die Verjährungsfrist für einen Anspruch bereits laufen zu lassen, der mangels Herstellung des Werkes noch gar nicht geltend gemacht werden kann. Der BGH hat sich daher zu der Einschränkung veranlasst gesehen, dass „im Sinne des Verjährungsrechts“ ein Werklohnanspruch nicht schon mit dem Abschluss des Werkvertrages, sondern erst mit der Abnahme der Werkleistung entstanden sei.145 Auch aus der Formulierung des § 631 Abs. 1 BGB ergibt sich indes nicht zwingend, dass der Anspruch auf den Werklohn schon mit dem Abschluss des Werkvertrages entstanden ist. Ein Anspruch, der erst noch umfangreiche künftige Aufwendungen des Schuldners erfordert, kann noch nicht als entstanden angesehen werden; begründet ist er freilich bereits mit dem Abschluss des Werkvertrages. Das Gesetz lässt somit die Annahme zu, dass der Anspruch auf den Werklohn M 54b zwar mit dem Abschluss des Werkvertrages begründet, jedoch im Grundsatz erst mit der Abnahme des Werkes gemäß § 641 Abs. 1 BGB bzw. der vertragsgemäßen Herstellung des Werkes entstanden ist. Diese Auffassung wird inzwischen auch im Schrifttum vertreten, wobei nicht deutlich wird, dass dies nur in verjährungsrechtlicher Hinsicht gelten soll.146 Auch der BGH stellt ähnliche Erwägungen an, wenn er im Urteil vom 11.2.2010147 darauf hinweist, dass allein eine mit dem Abschluss eines Vertrages „entstandene“ Aufrechnungslage dem Gegner noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen bringe. Es geht insoweit jedoch nicht nur um das „Werthaltigwerden“ eines Anspruchs, sondern um die Frage seiner Entstehung. Der BGH weist in seinem Globalzessionsurteil vom 29.11.2007148 darauf hin, dass die Forderung für den Sicherungsnehmer an Wert gewinne, wenn durch vom Schuldner veranlasste Maßnahmen die Fälligkeit der Vergütung herbeigeführt oder die Einrede nach § 320 BGB ausgeräumt werde. Die Einrede nach § 320 BGB ist aber erst mit der Abnahme bzw. der vertragsgemäßen Herstellung des Werkes – und nicht schon mit den jeweiligen Teilleistungen des Werkunternehmers – ausgeräumt.149 gg) Treuhandvereinbarung Eine die Gläubiger benachteiligende Treuhandvereinbarung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem Treugut entsteht, da erst in diesem Moment eine

145 BGH v. 18.12.1980 – VII ZR 41/80, BGHZ 79, 176 (178). 146 Vgl. Erman/Schmidt-Räntsch, 14. Aufl., § 199 Rz. 11: „Der Werklohnanspruch entsteht mit der Abnahme des Werkes“; Palandt/Ellenberger, 76. Aufl., § 199 Rz. 12: „Werklohnforderungen. Ihre Entstehung und Fälligkeit regelt § 641“. 147 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 13. 148 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 ff. Rz. 37. 149 Auf die vollständige Leistungserbringung abstellend BGH v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588 ff. Rz. 12 ff. Schfer

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M 54c

M Rz. 54c

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

insolvenzfeste Rechtsposition des Anfechtungsgegners entstehen kann.150 Wird zur Absicherung eines Altersteilzeitguthabens eine sogenannte „Doppeltreuhand“ vereinbart, ist die zugunsten des Arbeitnehmers vereinbarte Sicherungstreuhand in der Regel insolvenzfest und begründet in der Insolvenz des Arbeitgebers (Treugebers) ein Absonderungsrecht. Der für die Anfechtung maßgebende letzte Teilakt bei der Sicherungsgewährung im Rahmen einer solchen Doppeltreuhand ist die Vermögensübertragung auf den Treuhänder.151 hh) Zuwendung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung M 54d Die Zuwendung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung ist mit dem Abschluss des entsprechenden Gesellschaftsvertrages vollzogen.152 Werden dem Zuwendungsempfänger nicht nur schuldrechtliche Ansprüche gegen den Zuwendenden, sondern darüber hinaus mitgliedschaftliche Rechte eingeräumt, erhält er nicht nur die Stellung eines schuldrechtlichen Gläubigers, sondern eine mitgliedschaftliche Rechtsposition. Dies rechtfertigt die Annahme, dass die Zuwendung der Beteiligung mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages vollzogen ist.153 c) Vertragliche und gesetzliche Pfandrechte M 55 Die Verpfändung einer bestehenden Forderung wird nach § 1280 BGB erst mit der Anzeige gegenüber dem Drittschuldner wirksam. Die Verpfändung einer künftigen Forderung ist erst mit deren Entstehung vorgenommen.154 Im Falle der Vorausverpfändung einer künftigen Forderung ist die Verfügung zwar nach der Rechtsprechung des BGH schon mit dem Abschluss des Verpfändungsvertrages beendet; das Pfandrecht wird aber erst „begründet“, wenn die verpfändete Forderung entsteht.155 Entsteht die verpfändete Forderung daher in den kritischen Zeiträumen der Anfechtungstatbestände, so ist die Verpfändung anfechtbar.156 Wichtig ist der Hinweis im Urteil des BGH vom 20.3.2003,157 wonach die Entstehung der im Voraus gepfändeten oder verpfändeten Forderung nicht als Bedingung im Sinne der §§ 158 ff. BGB angesehen werden könne, da § 140 Abs. 3 InsO nur Fälle rechtsgeschäftlicher Bedingungen betreffe, also nicht Fälle, in denen gesetzliche Voraussetzungen für das Entstehen eines Rechts fehlten. Die Pfändung einer künftigen Forderung geschieht in der Tat in jeder Hinsicht be-

150 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, ZIP 2007, 1274 ff.; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 97. 151 BAG v. 18.7.2013 – 6 AZR 47/12, BAGE 146, 1 ff. 152 Vgl. BGH v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, BGHZ 191, 354 ff.; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 10. 153 BGH v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, BGHZ 191, 354 ff. Rz. 26. 154 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 ff. 155 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 (201) = MDR 2007, 610 Rz. 14; v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = NJW 1998, 2592 (2597), insoweit nicht in BGHZ 138, 291 ff. abgedruckt. 156 Vgl. dazu noch Mitlehner, Mobiliarsicherheiten im Insolvenzverfahren, Rz. 689. 157 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 57 M

dingungslos. Bei der Pfändung in eine offene Kreditlinie entsteht das Pfändungspfandrecht erst mit dem Abruf des Kredits durch den Schuldner.158 Dementsprechend liegt eine anfechtungsrelevante Gläubigerbenachteiligung vor, wenn ein Konto des Schuldners von einem Gläubiger gepfändet wird, ein Pfändungspfandrecht jedoch erst dadurch entsteht, dass der Schuldner einen ihm eröffneten Kontokorrentkredit abruft.159 Der Anspruch auf die Versicherungsleistung aus einem Lebensversicherungs- M 55a vertrag ist zwar ein künftiger Anspruch. Dennoch ist die Pfändung bereits mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorgenommen, wenn der Anspruch einen Rückkaufswert hat.160 Das Pfandrecht an einer künftigen Forderung ist zu unterscheiden von dem M 56 Pfandrecht (an einer bestehenden Sache oder einem bestehenden Recht) für eine künftige (zu sichernde) Forderung. Der BGH hat dieser Unterscheidung in seiner früheren Rechtsprechung wesentliche Bedeutung für die anfechtungsrechtliche Beurteilung beigemessen. Danach soll eine Pfandrechtsbestellung für eine künftige Forderung – ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Entstehens der gesicherten Forderung – schon mit der Einigung und Übergabe der Pfandsache an den Gläubiger wirksam sein. Die Pfandrechtsbestellung ist danach nur dann anfechtbar, wenn Einigung und Übergabe der Pfandsache in der Krise erfolgten.161 Die Frage, ob an dieser Maßgeblichkeit der Pfandrechtsbestellung festzuhalten M 57 sei, hat der BGH in seinem „Vermieterpfandrechtsurteil“ vom 14.12.2006162 offengelassen. Im Schrifttum werde zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Rechtshandlung bei den rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Pfandrechten mit der Entstehung des Pfandrechts auch insoweit vorgenommen sei, als damit künftige Forderungen aus dem Mietverhältnis gesichert würden.163 Nach anderer Auffassung habe der spätere Insolvenzschuldner gegen das nicht valutierte Pfandrecht eine Einrede, die mit der Verfahrenseröffnung zur Masse gehöre. Entstehe die Forderung in der kritischen Zeit, werde dem Schuldner zum Nachteil seiner Gläubiger die Einrede entzogen, weshalb jedenfalls anfechtungsrechtlich auf diesen Zeitpunkt abzustellen sei.164 In ähnlicher Weise werde die Frage erörtert, ob die vorinsolvenzliche Begründung von Pfandrechten für künftige Forderungen nach § 91 InsO (§ 15 KO) insolvenzfest sei, wenn diese erst

158 BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZIP 2011, 1324 ff.; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 ff. = MDR 2004, 775; v. 17.2.2004 – IX ZR 318/01, ZIP 2004, 669 ff. 159 BGH v. 3.12.2015 – IX ZR 131/15, ZIP 2016, 124 im Anschluss an BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, ZIP 2012, 1422 ff. Rz. 21 f. 160 Vgl. BGH v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638 ff. Rz. 32; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 51a. 161 Vgl. BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 ff. = MDR 1983, 484; v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, ZIP 1999, 79 f. 162 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03 – „Vermieterpfandrecht“, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610. 163 Vgl. MK-InsO/Ganter, 2. Aufl., vor §§ 49 bis 52 Rz. 35; Uhlenbruck/Hirte, 12. Aufl., § 140 Rz. 7. 164 Vgl. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 17; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 15. Schfer

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M Rz. 57

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

nach der Verfahrenseröffnung entstünden oder auf den Sicherungsnehmer übergingen. Während ein Teil der Literatur dies bejahe,165 lehnten andere einen Rechtserwerb ab und begründeten dies ebenfalls mit dem Wegfall der Einrede der Nichtvalutierung.166 M 58 Für die Anwendung des § 91 InsO sei entscheidend, ob ein Vermögensgegenstand bereits zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ganz oder teilweise aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden sei, ohne dass für ihn die Möglichkeit bestanden habe, diesen aufgrund alleiniger Entscheidung wieder zurückzuerlangen.167 Dieser Grundsatz habe auch bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Vornahme einer Rechtshandlung nach § 140 Abs. 1 InsO Bedeutung. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, auf die der Senat in jüngerer Zeit verstärkt abgestellt habe, bewirke die Begründung eines rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Pfandrechts an Vermögensgegenständen des Schuldners zur Sicherung künftiger Forderungen erst im Entstehungszeitpunkt der gesicherten Forderung die Schmälerung des Schuldnervermögens und somit die Gläubigerbenachteiligung. Aus ähnlichen Erwägungen heraus habe der Senat bereits früher entschieden, dass im Gesamtvollstreckungsverfahren § 2 Abs. 4 GesO i.V.m. § 394 BGB die Aufrechnung mit einer vor dem Eingang des Eröffnungsantrages begründeten Forderung gegen eine Werklohnforderung des Schuldners ausschließe, die gemäß § 631 Abs. 1 BGB zwar schon vor der Antragstellung begründet worden sei, die aber auf Werkleistungen beruhe, die erst nach diesem Zeitpunkt erbracht worden seien.168 Ebenso wie eine solche – noch nicht fällige – Forderung des Schuldners einen Vermögenswert erst nach der Ausführung der geschuldeten Werkleistung darstelle, werde auch ein Pfandrecht zur Sicherung einer künftigen Forderung erst mit deren Entstehung für den Gläubiger werthaltig.169 M 58a Im Grunde genommen ergibt sich bereits aus einem Urteil des BGH vom 13.5.1997,170 dass dem Pfandgläubiger beim Fehlen einer zu sichernden Forderung noch keine gesicherte Rechtsposition zukommt. Erwirbt die kontokorrentführende Bank erst nach der Pfändung des Kontokorrentsaldos durch einen Gläubiger des Bankkunden eine Forderung gegen diesen, so kann sie nach diesem Urteil den „Zustellungssaldo“ auch nicht aufgrund ihres AGB-Pfandrechts mit Wirkung gegenüber dem Pfändungsgläubiger um den Betrag der Forderung veringern.

165 MK-InsO/Ganter, 2. Aufl., vor §§ 49 bis 52 Rz. 35; Palandt/Bassenge, 68. Aufl., § 1204 Rz. 11. 166 Blersch/v. Olshausen in BK-InsO, § 91 Rz. 10; Häsemeyer, Insolvenzrecht Rz. 10.28; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, § 91 Rz. 40; Kilger/K. Schmidt, 17. Aufl., Insolvenzgesetze, § 15 Anm. 4d. 167 Vgl. BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 (145) = MDR 1997, 557; BGH v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, WM 2006, 144 (145). 168 Vgl. BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, MDR 2002, 355 = WM 2001, 2208 ff. 169 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 17 = MDR 2007, 610. 170 BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 129/96, NJW 1997, 2322 ff.

752 Schfer

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 60 M

aa) Vermieterpfandrecht Der BGH hat es in der Entscheidung vom 14.12.2006171 offen gelassen, ob aus M 59 den in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Gründen bei rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Pfandrechten nach § 140 Abs. 1 InsO allgemein auf den Zeitpunkt der Entstehung der gesicherten Forderung abzustellen ist. Denn im Falle des gesetzlichen Vermieterpfandrechts sei vorrangig § 140 Abs. 3 InsO zu beachten. Nach dieser Bestimmung bleibe bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht. Maßgebender Zeitpunkt sei dann der Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände.172 Bei Mietzinsforderungen, die als aufschiebend befristete Ansprüche unter diese Bestimmung fielen, sei das der Abschluss des Mietvertrages.173 Auf das Vermieterpfandrecht sei § 140 Abs. 3 InsO zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die Bestimmung betreffe nur Rechtsgeschäfte, da andere Rechtshandlungen – so auch das zur Entstehung des Vermieterpfandrechts führende Einbringen von Gegenständen – nicht bedingt oder befristet sein könnten.174 Dennoch könne die Tatsache, dass die Zahlung des Mietzinses unter den vorstehend genannten Voraussetzungen insolvenzfest sei, für die Frage der Anfechtbarkeit des Vermieterpfandrechts nicht unberücksichtigt bleiben. Das der Sicherung des Mietzinsanspruchs dienende Vermieterpfandrecht könne nicht in weiterem Umfang der Insolvenzanfechtung unterliegen als die Erfüllung der Mietzinsforderungen durch den Mieter. Dem Vermieter müsse deshalb bei ausbleibender Mietzahlung vor der Insolvenzeröffnung in den Grenzen des § 50 Abs. 2 InsO auch ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht eingeräumt werden, soweit die von dem Pfandrecht erfassten Gegenstände bereits vor der Krise eingebracht worden seien. Nach einem Urteil des XII. Zivilsenats des BGH vom 15.10.2014175 entsteht das M 59a gesetzliche Vermieterpfandrecht mit der Einbringung der dem Mieter gehörenden Sache in die Mieträume. Dies gilt auch, soweit es erst künftig entstehende Forderungen sichert. Das Vermieterpfandrecht des Veräußerers geht nicht auf den Erwerber über, da dieser nicht Rechtsnachfolger ist.176 Die Pfandrechte des Veräußerers und des Erwerbers haben den gleichen Rang. Ein solcher Gleichrang kann nach Ansicht des BGH nur bestehen, wenn beide Pfandrechte den gleichen Entstehungszeitpunkt haben.177 Dem BGH ist zwar zuzugeben, dass im Unterschied zur Vorausabtretung und M 60 Vorausverpfändung künftiger Mietforderungen – deren Entstehung möglicherweise noch weitere Vermögensaufwendungen des Schuldners bzw. der künftigen Insolvenzmasse erfordert – das Vermieterpfandrecht schon vor dem Eintritt 171 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03 – „Vermieterpfandrecht“, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610. 172 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 (395) = MDR 2005, 51. 173 Vgl. BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, MDR 2005, 596 = ZIP 2005, 181 ff. 174 Vgl. Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 813 (848 f.) Rz. 80; MK-InsO/ Kirchhof, § 140 Rz. 50a. 175 BGH v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, NJW 2014, 3775 ff. 176 BGH v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, NJW 2014, 3775 ff. Rz. 21. 177 BGH v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, NJW 2014, 3775 ff. Rz. 27. Schfer

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M Rz. 60

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

der Krise an den bereits bestehenden und in die Mieträume eingebrachten Sachen des Mieters begründet wurde. Ob es damit auch bereits entstanden ist bzw. bereits Wirkung entfaltet und dem Vermieter eine insolvenzfeste Rechtsposition auch hinsichtlich erst künftig entstehender Mietforderungen vermittelt, ist damit jedoch noch nicht gesagt. Nach Kilger/K. Schmidt178 entsteht die Absonderungsberechtigung allemal erst mit der Valutierung des Pfandrechts. Das „Vermieterpfandrechtsurteil“ des BGH ist unverkennbar geprägt durch das kurz zuvor ergangene Urteil zum anfechtungsfesten Absonderungsrecht des Grundschuldgläubigers, dem zugleich die dem Haftungsverband des Grundpfandrechts unterliegenden (künftigen) Mietforderungen abgetreten wurden.179 Die dort vertretene Auffassung, dass das Grundpfandrecht schon mit seiner Bestellung auch im Hinblick auf künftige Mietforderungen entstanden sei und bereits Wirkung entfalte, lässt sich durchaus anzweifeln. Wenn es in § 1204 Abs. 2 BGB heißt, das Pfandrecht könne auch für eine künftige oder eine bedingte Forderung bestellt werden, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Pfandrecht damit nicht nur begründet, sondern bereits entstanden ist und vor allem bereits insolvenzfeste Wirkung auch im Hinblick auf erst künftig zu sichernde Forderungen entfaltet. Dagegen spricht vielmehr die Regelung in § 1209 BGB, wonach für den Rang (nicht: die Entstehung oder gar Wirksamkeit bzw. Insolvenzfestigkeit)180 des Pfandrechts die Zeit der Bestellung auch dann maßgebend ist, wenn es für eine künftige oder eine bedingte Forderung bestellt ist. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn nach § 1204 Abs. 2 BGB das Pfandrecht für eine künftige Forderung schon mit der Bestellung als entstanden bzw. bereits wirksam anzusehen sein sollte.181 M 61 Bei der Frage der Anfechtbarkeit der Vorausabtretung, der Verpfändung und der Pfändung künftiger Mietforderungen stellt der BGH nicht darauf ab, wann der Mietvertrag abgeschlossen wurde, sondern darauf, wann die vorausabgetretene Forderung entstanden ist.182 Es ist daher unter Wertungsgesichtspunkten nicht einzusehen, weshalb es für die Frage der Anfechtbarkeit des Grundpfandrechts oder des Vermieterpfandrechts zur Sicherung künftiger Mietforderungen nicht auch auf den Zeitpunkt der Entstehung der gesicherten Forderung ankommen sollte, sondern auf den Zeitpunkt der Bestellung des Pfandrechts. Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die zu einer unterschiedlichen anfechtungsrechtlichen Beurteilung führende Unterscheidung zwischen der Verpfändung einer künftigen Forderung und der Bestellung eines Pfandrechts an einem bereits bestehenden Recht zur Sicherung einer möglichen künftigen Forderung wertungsmäßig nicht überzeuge.183 Am Beispiel der Hypothek wird dies 178 Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 15 KO Anm. 4d. 179 BGH v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, MDR 2007, 616 = NotBZ 2007, 17 = ZInsO 2006, 1321 f. 180 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht Rz. 10.28 m. Fn. 109. 181 Vgl. dazu Wilhelm, Sachenrecht Rz. 1892 und MK-BGB/Damrau, § 1204 Rz. 22 – a.A. etwa BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340 = MDR 1983, 484 (347); v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = NJW 1998, 2592 (2597) und Erman/Michalski, 13. Aufl., § 1204 Rz. 11. 182 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f. 183 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 15; Berger, NZI 2007, 566 ff.; im Ergebnis ebenso Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 17.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 63a M

im Grunde genommen deutlich. Solange die zu sichernde Forderung noch nicht besteht, ist die Hypothek gemäß § 1163 Abs. 1 BGB als Eigentümergrundschuld dem Schuldnervermögen zugeordnet. Erst die Entstehung der zu sichernden Forderung hat die Entstehung einer Fremdhypothek zur Folge. In seinem Urteil vom 17.9.2009184 hat der BGH entschieden, dass es dann, M 62 wenn das durch Pfändung der Mietforderung entstandene Pfandrecht anfechtbar ist, weil der Nutzungszeitraum, für den die Mieten geschuldet sind, in der anfechtungsrelevanten Zeit begonnen hat, nicht zur Annahme eines masseneutralen Sicherheitentauschs führt, dass die Mietforderung zugleich in den Haftungsverband einer Grundschuld fällt. Er hat jedoch zugleich betont, die möglicherweise hiervon abzugrenzende Fallgestaltung, dass ein (unbedingtes) Sicherungsrecht an einem schon bestehenden Recht eine künftige Forderung besichere, wobei die gesicherte Forderung unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung stehe, sei in dem zu entscheidenden Fall nicht gegeben.185 bb) Pfandrecht nach AGB-Banken bzw. AGB-Sparkassen Das Pfandrecht nach Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken bzw. Nr. 21 Abs. 1 AGB-Spar- M 63 kassen wird erst in demjenigen Zeitpunkt auf einen bestimmten Pfandgegenstand konkretisiert, in dem die Sache in den Besitz der Bank gelangt oder die verpfändete Forderung entsteht.186 Nimmt daher eine Bank aufgrund einer Pfandklausel im Girovertrag ein Pfandrecht an einem Guthaben des Kunden in Anspruch, so kommt es für die Anfechtbarkeit der Verpfändung auf den Zeitpunkt an, in dem der Anspruch des Kunden auf Gutschrift entstanden ist.187 Erlangt die Bank in unkritischer Zeit ein noch nicht durch eine zu sichernde Forderung unterlegtes Pfandrecht an Gegenständen oder Rechten des Schuldners und entsteht die zu sichernde Forderung erst in den kritischen Zeiträumen der Anfechtungstatbestände, so ist das Pfandrecht nach der früheren Rechtsprechung des BGH nicht anfechtbar. Denn das Pfandrecht könne auch noch in den kritischen Anfechtungszeiträumen durch eine zu sichernde Forderung „unterlegt“ werden.188 Da nach Nr. 21 Abs. 3 Satz 3 AGB-Sparkassen Ansprüche gegen den Kunden M 63a aus übernommenen Bürgschaften erst ab ihrer Fälligkeit besichert werden, entsteht auch ein Pfandrecht erst mit der Fälligkeit des gesicherten Anspruchs.189

184 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 185 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 15 = NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290. 186 Vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 ff.; v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, ZInsO 2005, 932 ff. 187 BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, MDR 2007, 1042 = ZIP 2007, 924 ff. Rz. 16; v. 24.10.1996 – IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = ZIP 1996, 2080 ff. 188 Vgl. BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 ff. = GmbHR 1998, 935 = AG 1998, 342 = ZInsO 1998, 89 ff. 189 Vgl. BGH v. 5.11.1998 – IX ZR 246/97, ZIP 1999, 79 f. Schfer

755

M Rz. 64

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

cc) Verpfändung von kontokorrentgebundenen Forderungen und Gewinnforderungen aus einer Gesellschaftsbeteiligung M 64 Nach einem Beschluss des BGH vom 18.3.2010190 entsteht das Pfandrecht an globalverpfändeten Kontokorrentforderungen erst mit der Erstellung des Abschlusssaldos. Für die Anfechtbarkeit der Globalverpfändung ist daher auf diesen abzustellen, nicht auf die in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen, an denen ein Pfandrecht nicht erworben werden kann. Bereits zuvor hatte der BGH in einem Beschluss vom 22.10.2009191 zur Vorausabtretung ausgeführt, wegen § 140 Abs. 1 InsO sei nicht der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die einzelnen in das Kontokorrent eingestellten (Kausal-)Forderungen entstünden. Diese seien wegen der Kontokorrentbindung nicht selbständig abtretbar und könnten daher noch keine gesicherte Rechtsstellung vermitteln. Die Beteiligten hätten vielmehr durch weitere Verfügungen innerhalb des laufenden Kontokorrents ein Guthaben der Schuldnerin beseitigen können. M 64a Der BGH hat aber durch Urteil vom 2.2.2017192 klargestellt, dass die Kontokorrentbindung die Übertragbarkeit von Einzelforderungen allein im Verhältnis zu Dritten hindert. Die mit der Einzahlung auf ein bei der Bank geführtes Kontokorrentkonto des Schuldners verbundene Kontokorrentbindung steht einem AGB-Pfandrecht der Bank am Anspruch des Schuldners auf Gutschrift nicht entgegen.193 M 65 Verpfändet der Schuldner einem Gläubiger sowohl den Geschäftsanteil an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als auch das daraus folgende Gewinnbezugsrecht, so ist nach einem neueren Urteil des BGH vom 14.1.2010 für die Anfechtung des Pfandrechts der Zeitpunkt des Entstehens der verpfändeten Gewinnforderungen maßgebend.194 M 66 Der BGH bekräftigt mit diesem Urteil zunächst seine Rechtsprechung, wonach die Anordnung von Verfügungsbeschränkungen im Eröffnungsverfahren nicht den Erwerb einer zuvor abgetretenen, erst nach der Anordnung entstandenen Forderung des Insolvenzschuldners hindert,195 für den Bereich der Verpfändung künftiger Forderungen. Entsteht die verpfändete künftige Forderung im Eröffnungsverfahren, so scheitert die Entstehung des Pfandrechts nicht an § 91 Abs. 1 InsO.196 M 67 Das Pfandrecht kann jedoch nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar sein, wenn die verpfändete Forderung in den kritischen Anfechtungszeiträumen entsteht. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass in den Fällen der Vorausabtretung einer

190 191 192 193 194 195 196

BGH v. 18.3.2010 – IX ZR 111/08, ZIP 2010, 1137. BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, ZIP 2009, 2347 ff. Rz. 23. BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 ff. BGH v. 2.2.2017 – IX ZR 245/14, ZIP 2017, 533 ff. Rz. 13. BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, MDR 2010, 774 = ZIP 2010, 335 ff. Vgl. BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, MDR 2010, 289 = ZInsO 2009, 2336 ff. BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 29.

756 Schfer

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 68 M

künftigen Forderung, deren Verpfändung oder Pfändung anfechtungsrechtlich auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die Forderung entsteht.197 Der Zessionar oder Pfandgläubiger erwirbt grundsätzlich keine gesicherte Rechtsposition an künftig entstehenden gesellschaftsrechtlichen Gewinnbezugsrechten.198 Bei dem Anspruch des Gesellschafters auf die Abfindung oder auf das Auseinandersetzungsguthaben handelt es sich nicht um einen bereits bestehenden, nur noch nicht fälligen, also betagten, sondern um einen künftigen Anspruch, der erst mit dem Ausscheiden des Gesellschafters oder der Auflösung der Gesellschaft entsteht. Diese Würdigung beruht auf der Erwägung, dass der Gesellschafter im Falle der Veräußerung seiner Beteiligung an einen Dritten den – mithin zugunsten eines Zessionars oder Pfandgläubigers nicht rechtlich gesicherten – Abfindungsanspruch verliert.199 Nicht anders verhält es sich bei dem Anspruch auf periodisch entstehende Gewinnbezugsrechte, der ebenfalls bei einer Veräußerung der Beteiligung in der Person des Zessionars oder Pfandgläubigers nicht zum Entstehen gelangt. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Schuldner in dem durch Urteil vom 14.1.2010 entschiedenen Fall über den Gewinnanspruch hinaus auch seinen Geschäftsanteil verpfändet hatte. Denn die notwendige Zwangsvollstreckung (vgl. § 1277 BGB) war nicht in die Wege geleitet. Der Inhaber eines Pfandrechts an einem Gesellschaftsanteil erwirbt vor der Einleitung der Zwangsvollstreckung an künftig entstehenden Gewinnansprüchen schon wegen der Möglichkeit der Abtretung des Gesellschaftsanteils keine gesicherte Rechtsposition.200 dd) Verpfändung eines Versicherungsanspruchs Der Anspruch auf die Versicherungsleistung wird ohne Zweifel mit dem Ab- M 68 schluss des Versicherungsvertrages begründet. Ob damit etwa bei der Lebensversicherung der Anspruch auf die Versicherungsleistung auch bereits entstanden ist, erscheint hingegen fraglich. Verneint man dies, so muss man wohl von einem künftigen Anspruch ausgehen. Entsteht der Anspruch erst nach der Insolvenzeröffnung, etwa aufgrund einer Kündigung des Insolvenzverwalters, so könnte der Pfandgläubiger kein Pfandrecht mehr mit Wirkung zu Lasten der Insolvenzmasse erwerben. Der BGH geht im Urteil vom 7.4.2005201 offenbar von einem bereits vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Anspruch aus, obwohl der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war. Er weist darauf hin, dass der Insolvenzverwalter den Versicherungsvertrag gekündigt habe, und nimmt an, dieser sei nach den §§ 191 Abs. 1, 198 InsO zur Einziehung des aufschiebend

197 Vgl. BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 (201) Rz. 14 = MDR 2007, 610; v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290 = ZInsO 2010, 43 ff. 198 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335 ff. Rz. 24. 199 Vgl. BGH v. 19.9.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205 (206) = GmbHR 1984, 101 = MDR 1984, 122; v. 16.5.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351 (352 f.) = GmbHR 1989, 71 = MDR 1989, 143. 200 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, MDR 2010, 774 = ZIP 2010, 335 ff. Rz. 26. 201 BGH v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04, MDR 2005, 1075 = ZIP 2005, 909 ff. Schfer

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M Rz. 68

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

bedingten Anspruchs und zur Hinterlegung verpflichtet, bis die zu sichernde Forderung (konkret: aus Pensionszusage) fällig werde oder die Bedingung ausfalle. M 69 Der BGH dürfte dabei jedoch einen wichtigen Punkt übersehen haben. Geht man davon aus, dass schon vor dem Eintritt des Versicherungsfalles ein insolvenzfestes Pfandrecht an dem aufschiebend bedingten Anspruch auf die Versicherungsleistung bestehe, so bedürfte die Kündigung des Versicherungsvertrages nach herrschender Auffassung gemäß § 1276 Abs. 1 BGB der Zustimmung des Pfandgläubigers.202 Der Versicherungsvertrag erlischt nicht automatisch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dem Urteil des BGH lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Zustimmung des Pfandgläubigers vorgelegen hätte.203 ee) Zwangsvollstreckung M 70 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind keine bedingten Rechtshandlungen; sie unterfallen daher nicht § 140 Abs. 3 InsO, sondern § 140 Abs. 1 InsO.204 Die Pfändung einer beweglichen Sache ist vorgenommen, wenn der Gerichtsvollzieher sie gemäß § 808 ZPO in Besitz genommen hat. Die Pfändung einer bestehenden Forderung ist grundsätzlich zu dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt wird, weil damit ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (vgl. § 829 Abs. 3 ZPO).205 Vollendet ist die Pfändung einer bestehenden Forderung zwar erst mit der Auskehrung des Verwertungserlöses an den Gläubiger; jedoch ist zu beachten, dass die Anfechtung der Befriedigung des Gläubigers ins Leere geht, wenn dieser in unkritischer Zeit ein anfechtungsfestes Pfandrecht erlangt hat. Dies ist der Fall, wenn die Pfändung dem Schuldner gemäß § 857 Abs. 2 ZPO bzw. dem Drittschuldner gemäß § 829 Abs. 3 ZPO in unkritischer Zeit zugestellt wurde. Die Pfändung einer künftigen Forderung ist anfechtungsrechtlich hingegen erst mit deren Entstehung vorgenommen.206 Die Entstehung der Forderung stellt keine Bedingung der Pfändung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO dar.207 M 70a Bei Grundstücken ist die Pfändung nach der früheren Rechtsprechung des BGH mit der Eintragung einer Zwangshypothek gemäß §§ 866, 867 ZPO auch hinsichtlich der erst künftig zu sichernden Forderungen vorgenommen. Die Beschlagnahme, die das Absonderungsrecht eines persönlichen Gläubigers erst entstehen lasse (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO), leite beim dinglichen Gläubiger

202 Vgl. Nobbe in Prütting/Wegen/Weinreich, § 1276 Rz. 6; MK-BGB/Damrau, § 1276 Rz. 9; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 165 Rz. 2; Elfring, NJW 2005, 2192 (2193). 203 Siehe dazu näher unten Rz. M126 ff. 204 Vgl. BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 (17) = MDR 2006, 1129. 205 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 9. 206 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 9; v. 18.3.2010 – IX ZR 111/08, ZIP 2010, 1137 Rz. 6; v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f. 207 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 13.

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lediglich die Befriedigung aus dem belasteten Recht ein.208 Von dieser Auffassung ist der BGH inzwischen jedoch abgerückt.209 Im Falle der Pfändung der Ansprüche des Schuldners gegen ein Kreditinstitut M 71 aus einem vereinbarten Dispositionskredit („offene Kreditlinie“) ist die Rechtshandlung vorgenommen, sobald und soweit der Schuldner den ihm zur Verfügung stehenden Kreditbetrag abgerufen hat.210 Das Pfandrecht entsteht daher erst zu diesem Zeitpunkt. Vorpfändung und Hauptpfändung bilden eine einheitliche mehraktige Rechts- M 72 handlung. Die Vorpfändung allein vermittelt daher noch kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht in der Insolvenz.211 ff) Doppelsicherung durch Grundpfandrecht und Pfändung Bis in die jüngste Zeit war streitig, zu welchem Zeitpunkt das Pfandrecht im M 73 Sinne des § 140 Abs. 1 InsO entstanden ist, wenn der Gläubiger, dem in unkritischer Zeit ein Grundpfandrecht bestellt worden war, später die in den Haftungsverband des Grundpfandrechts fallenden Mietforderungen seines Schuldners gegen einen Dritten gepfändet hat. Dazu hatte der BGH noch durch Urteil vom 9.11.2006212 in einem Fall der späteren Abtretung von Mietforderungen zugunsten des durch Grundschuld gesicherten Zessionars entschieden, die Grundschuldhaftung begründe ein gegenwärtiges Pfandrecht an den – auch künftigen – Mietforderungen. Daher bewirke die mit Beginn des jeweiligen Monats wirksam werdende Vorausabtretung213 keine Gläubigerbenachteiligung. Davon ist der BGH in seinem neueren Urteil vom 17.9.2009214 zu Recht abgerückt. Ist das durch Pfändung der Mietforderung entstandene Pfandrecht anfechtbar, weil der Nutzungszeitraum, für den die Mieten geschuldet sind, in der anfechtungsrelevanten Zeit begonnen hat, führt es nicht zur Annahme eines masseneutralen Sicherheitentauschs, dass die Mietforderung zugleich in den Haftungsverband einer Grundschuld fällt. d) Zahlungsverkehr aa) Banküberweisung Eine Banküberweisung ist im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO in dem Zeitpunkt M 74 vollendet, in dem der Anspruch des Überweisungsempfängers auf Gutschrift

208 Vgl. BGH v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, MDR 2007, 616 = NotBZ 2007, 17 = ZInsO 2006, 1321 f. Rz. 11. 209 Vgl. BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff. Rz. 18. 210 BGH v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZIP 2011, 1324 ff.; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 ff. = MDR 2004, 775. 211 BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 ff. = MDR 2006, 1129. 212 BGH v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, MDR 2007, 616 = NotBZ 2007, 17 = ZInsO 2006, 1321 f. 213 Vgl. BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 (514). 214 BGH v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 ff., NotBZ 2010, 343 = MDR 2010, 290 = ZInsO 2010, 43 ff. Schfer

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gegen die Empfängerbank entsteht; auf die spätere Vollziehung zugunsten des Empfängerkontos kommt es dagegen nicht an.215 Der Anspruch auf Gutschrift entsteht, sobald die Empfängerbank den Überweisungsbetrag erhalten hat bzw. bei der innerbetrieblichen Überweisung bereits mit der Belastungsbuchung auf dem Konto des Auftraggebers.216 In der Auftragserteilung ist daher nicht schon die Vornahme der Rechtshandlung im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO zu sehen.217 Bei der Überweisung durch Online-Banking steht die Abbuchung unter dem Vorbehalt der Nachdisposition durch die Bank und setzt daher eine über das Zustandekommen des Überweisungsvertrages hinausgehende konkludente Äußerung des Kreditinstituts voraus, die Kontobelastung zuzulassen.218 M 74a Im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO wurde hinsichtlich der Banküberweisung eine etwas seltsam anmutende Erwägung angestellt: Da bei Zahlungen im Überweisungsverkehr die für die Beurteilung der Anfechtbarkeit maßgebenden Wirkungen der Rechtshandlung gemäß § 140 Abs. 1 InsO schon in dem Zeitpunkt einträten, in dem der Anspruch auf Gutschrift bei der Empfängerbank entstehe, könne der Gläubiger des Schuldners denknotwendig zum maßgeblichen Zeitpunkt weder Kenntnis von einer Rechtshandlung des Schuldners noch von dessen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehabt haben. Dem ist indes zweierlei entgegenzuhalten: Bei der im Rahmen der Insolvenzanfechtung gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann der eher formalrechtlichen Unterscheidung zwischen dem Anspruch auf Gutschrift und jenem aus Gutschrift keine maßgebende Bedeutung zukommen; vielmehr ist der Überweisungsvorgang als einheitliche Rechtshandlung anzusehen. Darüber hinaus muss sich der Gläubiger in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB219 die zum maßgeblichen Zeitpunkt gegebene Kenntnis der Empfängerbank zurechnen lassen, dass eine Rechtshandlung des Schuldners gegeben war. bb) Lastschrift M 75 Bei der Lastschrift im Abbuchungsverfahren erteilt der Schuldner seiner Bank den Auftrag, Lastschriften seines Gläubigers von seinem Girokonto abzubuchen. Dieses Abbuchungsverfahren ist noch nicht mit der Gutschrift der Gläubigerbank, sondern erst mit der Einlösung durch die Schuldnerbank abgeschlossen.220 Kommt es daher auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungs-

215 BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408 ff. Rz. 10; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 64. 216 BGH v. 20.6.2002 – IX ZR 177/99, MDR 2002, 1270 = ZIP 2002, 1408 ff.; v. 15.3.2005 – XI ZR 338/03, ZIP 2005, 894 ff.; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Bd. I § 47 Rz. 6. 217 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 64. 218 BGH v. 15.3.2005 – XI ZR 338/03, MDR 2005, 1003 = ZIP 2005, 894 ff. Rz. 21; Uhlenbruck/Hirte, § 140 Rz. 5B. 219 Vgl. dazu BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 28/12, NZI 2013, 253 ff. Rz. 28; v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 14 ff. 220 Vgl. BGH v. 17.1.2013 – IX ZR 184/10, ZIP 2013, 322 f. Rz. 8; v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, MDR 2003, 652 = ZInsO 2003, 324 ff.; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 11.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

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unfähigkeit des Schuldners an, so ist dafür nicht der Zeitpunkt maßgebend, zu dem dieser das Abbuchungsverfahren einleitete.221 Eingelöst ist die Lastschrift mit der Belastung des Schuldnerkontos, sofern diese M 75a den Einlösungswillen der Schuldnerbank zum Ausdruck bringt. Dies ist anzunehmen, wenn die Bank die Voraussetzungen der Abbuchung geprüft hat, bevor sie die Buchung vornimmt (Vordisposition). Anderes kann gelten, wenn die Prüfung erst nach der (automatisierten) Belastungsbuchung erfolgt (Nachdisposition). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute (vgl. Nr. 9 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken und Nr. 9 Abs. 2 AGB-Sparkassen) sehen vor, dass Lastschriften eingelöst sind, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. Sind diese Geschäftsbedingungen vereinbart, tritt somit die Wirkung der Einlösung mit Ablauf der Zwei-Tages-Frist ein, sofern die Bank nicht ausnahmsweise einen von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen abweichenden individuellen Einlösungsvorbehalt erklärt.222 Nach einem Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.3.2016223 gilt die für die Einlösung maßgebliche Frist schon aus Gründen der Rechtsklarheit ohne Rücksicht auf das angewandte Verfahren und unabhängig davon, ob der Belastungsbuchung eine Prüfung vorausgegangen ist (Vordisposition) oder ob eine Nachdisposition erfolgt. Durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird lediglich der (früheste) Zeitpunkt der Einlösung festgelegt.224 Als weitere Voraussetzung der Einlösung muss ein Einlösungswille der Schuldnerbank gegeben sein, der sich beispielsweise im Bereitstellen des Kontoauszuges äußern kann.225 Bei der Lastschrift im Einziehungsermächtigungsverfahren ermächtigt der M 76 Schuldner den Gläubiger, den geschuldeten Betrag von seinem Girokonto im Wege der Lastschrift einzuziehen. Die Besonderheit dieses Verfahrens besteht nach der Rechtsprechung des BGH226 darin, dass der Gläubiger die Initiative zur Begleichung seiner Forderung ergreift, indem er seine Bank beauftragt, den Geldbetrag einzuziehen. Diese leitet den Auftrag an die Schuldnerbank weiter, die den Betrag vom Schuldnerkonto abbucht und der Gläubigerbank zuleitet, ohne dazu vom Schuldner eine Weisung erhalten zu haben. Wegen dieser weisungslosen Belastung seines Kontos steht dem Schuldner gegenüber der Schuldnerbank aus dem Girovertrag bis zu seiner Genehmigung ein Widerspruchsrecht zu. Widerspricht der Schuldner, ohne zuvor genehmigt zu haben, muss die Schuldnerbank die Buchung berichtigen und die Lastschrift im Interbankenverhältnis zurückgeben. Es fragt sich, wann dieses Einziehungssermächtigungsverfahren anfechtungs- M 77 rechtlich vollendet ist. Nach der vom BGH vertretenen „Genehmigungstheo221 BGH v. 17.1.2013 – IX ZR 184/10, ZIP 2013, 322 f. Rz. 8. 222 BGH v. 17.1.2013 – IX ZR 184/10, ZIP 2013, 322 f. Rz. 8; OLG Düsseldorf v. 10.3.2016 – 12 U 36/15, ZIP 2016, 1176 ff.; Ellenberger in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechtshandbuch, 4. Aufl., § 58 Rz. 38 ff. 223 OLG Düsseldorf v. 10.3.2016 – 12 U 36/15, ZIP 2016, 1176 ff. 224 Vgl. BGH v. 15.12.1980 – II ZR 53/80, BGHZ 79, 381 (387) = MDR 1981, 648. 225 BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, MDR 2003, 652 = ZInsO 2003, 324 ff. 226 Vgl. BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 ff. = MDR 2008, 1361. Schfer

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rie“ ist die für die Belastung des Schuldnerkontos im Deckungsverhältnis zu dessen Bank erforderliche Genehmigung des Schuldners auch maßgeblich für die Erfüllung im Valutaverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger.227 Vor der Genehmigung des Schuldners ist somit die Verfügung zugunsten des Gläubigers noch nicht vollendet. Wird daher die Verfügungsmacht des Schuldners vor dessen Genehmigung beschränkt, etwa durch Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, so kann sich die Verfügung nicht mehr zu Lasten der künftigen Insolvenzmasse vollenden.228 Darüber konnten nach der früheren Rechtsprechung des IX. Zivilsenates des BGH auch etwaige schuldrechtliche Bindungen des Schuldners nicht hinweghelfen; an sie sei der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter nicht gebunden, da er die Interessen der künftigen Insolvenzgläubiger zu vertreten habe und anders als der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergegangen ist (vgl. § 22 Abs. 1 InsO), keine Masseverbindlichkeiten begründen könne.229 M 78 Der XI. Zivilsenat des BGH hat der Auffassung des IX. Zivilsenats über die fehlende Bindung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters im Urteil vom 10.6.2008 widersprochen.230 Dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter stünden innerhalb von Vertragsverhältnissen nicht mehr und keine anderen Rechte zu als dem Schuldner.231 Sofern die neuere Rechtsprechung des IX. Zivilsenats insolvenzrechtlich die zwingende Folge der Genehmigungstheorie sein sollte, werde zur Erhaltung der Akzeptanz des Einzugsermächtigungsverfahrens zu überlegen sein, ob für das Valutaverhältnis an der Genehmigungstheorie auch in Zukunft noch festgehalten werden könne. Für eine Aufgabe dieser Theorie – zugunsten der Geltung der „Erfüllungstheorie“ im Valutaverhältnis – könnten alsdann gewichtige Gründe sprechen.232 M 79 Im Schrifttum wurde jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass anerkanntermaßen nicht jeder Widerspruch des Schuldners bei bestehendem Zahlungsanspruch missbräuchlich ist. Vielmehr ist danach zu differenzieren, ob der Schuldner anerkennenswerte Gründe für den Widerspruch hat oder nicht.233 Sieht der Schuldner im Zustand der Zahlungsunfähigkeit bewusst davon ab, die nicht bevorrechtigte Forderung des Gläubigers noch zu befriedigen, so handelt er in der Regel weder rechts- noch sittenwidrig, da sein Handeln dem in der materiellen Insolvenz geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung entspricht.234 Auch über die Annahme einer schuldrechtlichen Bindung des „schwachen“ vorläu227 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 ff. Rz. 15 = MDR 2008, 1361. 228 Vgl. BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 = MDR 2005, 354 ff.; bestätigt durch BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 173/02, MDR 2007, 361 = ZIP 2006, 2046 f. und durch BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 ff. = MDR 2008, 166. 229 BGH v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 ff. = MDR 2005, 354. 230 Vgl. BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 ff. = MDR 2008, 1361 und Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885 ff.; kritisch dazu G. Fischer, WM 2009, 629 ff.; Nassall, NJW 2008, 3354 f. 231 Vgl. dazu BGH v. 6.6.2000 – XI ZR 258/99, BGHZ 144, 349 (351) = MDR 2000, 1203 m. Anm. Krüger. 232 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 ff. Rz. 20. 233 van Gelder, Bankrechts-Handbuch, § 58 Rz. 90; HK-InsO/Kayser, § 82 Rz. 40. 234 Vgl. HK-InsO/Kayser, § 82 Rz. 40.

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

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figen Insolvenzverwalters lässt sich die mangels vollendeter Verfügung als bloße Insolvenzforderung anzusehende Gläubigerforderung nicht in den Rang einer Masseverbindlichkeit heben.235 Mit der Befürwortung der „Erfüllungstheorie“ allein im Valutaverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger wurde kein gangbarer Weg aufgezeigt.236 Der IX. und der XI. Zivilsenat des BGH haben sich inzwischen bemüht, in zwei M 80 neueren Urteilen vom 20.7.2010237 „einheitliche Rechtsgrundsätze zur Insolvenzfestigkeit einer mittels Einzugsermächtigungslastschrift bewirkten Zahlung“ zu entwickeln und damit die Differenzen in der Rechtsprechung beider Senate beizulegen.238 Für die sich schon nach bisherigem Recht anbietende Annahme einer Vorausermächtigung des Lastschriftschuldners unter der Voraussetzung des einwandfreien (einwendungs-, einrede- und aufrechnungsfreien) Bestehens der Forderung des Lastschriftgläubigers zum Zeitpunkt der Einziehung vermochte sich der BGH auch weiterhin nicht zu entscheiden. Er geht für das bisherige Recht nach wie vor davon aus, dass die Schuldnerbank auf der Grundlage der Genehmigungstheorie ohne girovertragliche Weisung auf das Konto des Schuldners zugreife.239 Lediglich für das auf europäischer Ebene neu eingeführte SEPA-Lastschriftverfahren nimmt er an, dass die Zahlung mittels Lastschrift bereits vorab mit der Erteilung des SEPA-Lastschriftmandats autorisiert werde. Der Zahlungsauftrag an die Schuldnerbank werde dieser durch den Zahlungsempfänger als Erklärungsboten (vgl. § 120 BGB) über sein Kreditinstitut übermittelt.240 Diese letztere Annahme hätte sich im Interesse einer Gesamtlösung des zu Recht als untragbar erkannten pauschalen Widerspruchs der Verwalter gegen schwebende Lastschrifteinzüge im Sinne einer „modifizierten Ermächtigungstheorie“ bereits für das bisherige Recht angeboten.241 Aus anfechtungsrechtlicher Sicht ist bedeutsam, dass der BGH zwar annimmt, M 81 die mittels eines SEPA-Lastschriftverfahrens bewirkte Zahlung habe auch dann Bestand, wenn nach der Belastungsbuchung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Zahlungspflichtigen eröffnet bzw. im Eröffnungsverfahren Sicherungsmaßnahmen angeordnet würden; er weist jedoch zugleich darauf hin, dass nach der Insolvenzeröffnung (allein) eine Anfechtung in Betracht komme.242

235 Vgl. dazu noch OLG Köln v. 5.11.2008 – 2 U 78/08, ZInsO 2009, 93 ff. und OLG München v. 13.1.2009 – 5 U 2379/08, ZInsO 2009, 341 ff. 236 Kritisch dazu HambKomm-InsO/Kuleisa, § 82 Rz. 20e; Haas, ZIP 1985, 1985 f. 237 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff., MDR 2010, 1199 = ZIP 2010, 1556 ff.; v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, BGHZ 186, 242 ff., FamRZ 2010, 1657 = MDR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1552 ff. 238 Vgl. Pressemitteilung des BGH Nr. 152/2010 vom 20.7.2010. 239 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff., MDR 2010, 1199 = ZIP 2010, 1556 ff. Rz. 14. 240 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff., MDR 2010, 1199 = ZIP 2010, 1556 ff., Rz. 17. 241 Vgl. zur Ermächtigungstheorie Canaris in WM 1980, 354 ff. und in Bankvertragsrecht, Rz. 531, 532, 543. 242 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff., MDR 2010, 1199 = ZIP 2010, 1556 ff. Rz. 18. Schfer

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M Rz. 82

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

M 82 Der BGH unterscheidet zwischen dem SEPA-Firmenlastschriftverfahren (vgl. § 675e Abs. 4 BGB) und dem SEPA-Basis-Lastschriftverfahren.243 Im SEPA-Firmenlastschriftverfahren ist die Forderung des Gläubigers bereits mit vorbehaltsloser Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers erfüllt.244 Aber auch beim SEPABasis-Lastschriftverfahren tritt mit der vorbehaltslosen Gutschrift Erfüllung ein, allerdings unter der auflösenden Bedingung des Erstattungsverlangens des Schuldners gemäß § 675x BGB.245 Dabei ist die Zahlung auch dann insolvenzfest, wenn vor dem Ablauf der Acht-Wochen-Frist des § 675x Abs. 4 BGB das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder im Eröffnungsverfahren Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. Denn der Erstattungsanspruch nach dem SEPA-Basis-Lastschriftverfahren fällt nach Ansicht des BGH nicht in die Insolvenzmasse, so dass der Insolvenzverwalter insoweit keine Verfügungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO erlangt.246 M 83 Auch wenn der Insolvenzverwalter den Zahlbetrag in entsprechender Anwendung des § 377 Abs. 1 BGB nicht durch Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 675x BGB zur Masse ziehen kann, bleibt sein Anfechtungsrecht hiervon unberührt. Der BGH bekräftigt jedoch erneut, dass es für die Frage, ob ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO vorliegt, auch beim SEPA-Lastschriftverfahren auf den Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs – und nicht auf den der späteren Genehmigung – ankommt.247 M 84 Für das bisherige Recht erhofft sich der BGH durch eine weitergehende Annahme konkludenter Genehmigungen von Lastschrifteinzügen eine „gewisse Entspannung der derzeitigen Situation“.248 In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter daher auf eine mögliche Anfechtung des Lastschrifteinzugs verwiesen.249 Auch der vorläufige „schwache“ Insolvenzverwalter kann im Grundsatz Lastschriften genehmigen und später als „endgültiger“ Insolvenzverwalter anfechten.250 In der Tat geht der BGH inzwischen in weitreichendem Umfang von der Möglichkeit konkludenter Genehmigungen aus. Insbesondere bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen kann aus seiner Sicht jedenfalls im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine konkludente Genehmigung vorliegen, wenn der Lastschriftschuldner in Kenntnis der Belastung dem Einzug nicht innerhalb einer angemessenen Prüffrist widerspricht und er einen früheren Einzug bereits

243 244 245 246 247

248 249 250

BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff. Rz. 24. BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff. Rz. 21. BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff. Rz. 25. BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff., MDR 2010, 1199 = ZIP 2010, 1556 ff. Rz. 27, 29. BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff., MDR 2010, 1199 = ZIP 2010, 1556 ff. Rz. 34; vgl. dazu noch BGH v. 2.4.2009 – IX ZR 171/07, WM 2009, 958 ff. Rz. 10; v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 ff. = MDR 2008, 1361 Rz. 47; v. 29.5.2008 – IX ZR 42/07, MDR 2008, 1001 = WM 2008, 1327 ff. Rz. 15. Vgl. Pressemitteilung Nr. 152/2010 v. 20.7.2010. Vgl. BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 177/07, ZInsO 2010, 2133 f. BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 177/07, ZInsO 2010, 2133 f.; Wiechers, WM 2011, 145 (148).

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II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 85 M

genehmigt hatte.251 Dies gilt auch dann, wenn sich eine erneute Lastschrift innerhalb einer Schwankungsbreite von bereits zuvor genehmigten Lastschriftbuchungen bewegt oder diese nicht wesentlich über- oder unterschreitet.252 Eine konkludente Genehmigung liegt nach Ansicht des BGH ferner nahe, wenn M 84a der Schuldner in Kenntnis erfolgter Abbuchungen durch liquiditätsbeschaffende Maßnahmen ausreichende Kontodeckung für weitere Kontodispositionen sicherstellt. In diesem Fall kann aus der Sicht der Bank der Schluss gerechtfertigt sein, bereits gebuchte Lastschriften würden Bestand haben, da sich der Schuldner andernfalls auf leichterem Wege Liquidität hätte verschaffen können, indem er den seiner Ansicht nach unberechtigten Belastungsbuchungen widersprochen hätte. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kontoinhaber absprachegemäß gehalten war, das Konto auf Guthabenbasis zu führen.253 Die Dauer der angemessenen Prüffrist beträgt nach Ansicht des BGH im unter- M 84b nehmerischen Geschäftsverkehr bei regelmäßig wiederkehrenden Lastschriften in der Regel 14 Tage.254 Er hat es sogar als revisionsrechtlich unbedenklich bezeichnet, dass ein Berufungsgericht bei regelmäßig wiederkehrenden Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen oder laufenden Geschäftsbeziehungen eine Frist von 3 Bankarbeitstagen als angemessen angesehen hat.255 Bei einem Verbraucher kann die Bank dagegen nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass er Kontobewegungen zeitnah nachvollzieht. Es muss vielmehr anhand konkreter Anhaltspunkte erkennbar sein, dass der Verbraucher eine Überprüfung vorgenommen hat. Erst dann und nach einer angemessenen Überlegungszeit kann die Bank davon ausgehen, dass er keine Einwendungen erhebt. Hat der Verbraucher allerdings zwei Folgeabbuchungen nicht widersprochen, kann die Bank in der Regel davon ausgehen, dass keine Einwendungen mehr erhoben werden.256 Der IX. Zivilsenat des BGH hat sich letztlich auch der Auffassung des XI. Zivil- M 85 senats angeschlossen, wonach eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute fingierte Genehmigung nicht nur im Rechtsverhältnis zum endgültigen und vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalter, sondern auch gegenüber dem vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalter wirkt. Eine vom Schuldner im Lastschriftweg veranlasste Zahlung gilt daher als genehmigt, wenn ihr der danach bestellte, mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter bis zum Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen a.F. nicht widerspricht.257

251 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 ff., MDR 2010, 1199 = ZIP 2010, 1556 ff.; v. 27.9.2011 – XI ZR 328/09; zum Geschäftsverkehr mit Verbrauchern BGH v. 3.5.2011 – XI ZR 152/09, ZIP 2011, 1252 ff. 252 BGH v. 27.9.2011 – XI ZR 328/09, ZIP 2011, 2400 ff.; v. 1.12.2011 – IX ZR 58/11, ZIP 2012, 167 ff. Rz. 11; v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. Rz. 23. 253 BGH v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. Rz. 30; v. 26.7.2011 – XI ZR 36/10, ZInsO 2011, 1740 ff. Rz. 17. 254 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 58/11, ZIP 2012, 167 ff. Rz. 15. 255 BGH v. 3.4.2012 – XI ZR 39/11, ZIP 2012, 1018 ff. Rz. 44. 256 BGH v. 3.5.2011 – XI ZR 152/09, ZIP 2011, 1252 ff. 257 Vgl. BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, MDR 2010, 1420 = ZIP 2010, 2105 ff. Schfer

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M Rz. 86

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

M 86 Zur Frage der Vollendung der Verfügung beim Lastschrifteinzug ist noch Folgendes anzumerken: Der XI. Zivilsenat des BGH nimmt an, kraft der gesetzlichen Rückwirkungsfiktion nach § 184 Abs. 1 BGB sei für die Feststellung des Leistungsaustauschs im Rahmen der Regelung über das Bargeschäft (§ 142 InsO) nicht der Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung, sondern der des Lastschrifteinzuges maßgebend.258 Dies erscheint jedoch als zweifelhaft. Ergeht während des schwebenden Lastschrifteinzugs eine insolvenzrechtliche Verfügungsbeschränkung, so kann sich die Verfügung des Schuldners nicht mehr vollenden, und zwar auch nicht kraft der Rückwirkung einer erst nach der Verfügungsbeschränkung erteilten Genehmigung (vgl. § 184 Abs. 2 BGB).259 Die Genehmigung ist auch keine Bedingung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO.260 Es ist fraglich, ob insoweit für das Bargeschäft etwas anderes gelten kann. Der BGH hat jedenfalls durch Urteil vom 30.9.2010261 klargestellt, dass für § 140 Abs. 1 InsO die Erwägungen zum Bargeschäft keine Geltung beanspruchen können, sondern erst der Zeitpunkt der Genehmigung für die Vollendung der Rechtshandlung maßgebend ist. M 86a Wird die Genehmigung einer Lastschrift verweigert, hat die Zahlstelle die Belastungsbuchung zum Datum der Belastung zu berichtigen; der Umfang einer Darlehensrückführung ist bei einer Anfechtung auf der Grundlage des berichtigten Kontostandes zu ermitteln.262 cc) Scheckeinreichung und Scheckinkasso M 87 Bei der Scheckeinreichung kommt es für die Anfechtbarkeit im Grundsatz nicht auf den Zeitpunkt der Hereinnahme, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem die Verrechnungslage entsteht.263 Maßgebend ist insoweit die Einlösung durch die bezogene Bank.264 Eine Gutschrift unter dem Vorbehalt des Eingangs ist nur vorläufiger Natur. Mit ihr ist kein bedingter Erwerb im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO verbunden, sondern eine Kreditgewährung.265 Abweichend hiervon kann bereits die Scheckeinreichung maßgebend sein, wenn die Bank mit ihr unanfechtbar das Sicherungseigentum am Scheck erlangt hat (vgl. Nr. 15 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken). Von ihrem dabei entstandenen Absonderungsrecht kann die Bank Gebrauch machen, indem sie die Forderung einzieht. Geht der Erlös ein, erlischt insoweit ihre gesicherte Forderung gegen den Schuldner. Dazu bedarf es keiner kontokorrentmäßigen Verrechnung; bei dieser handelt es sich le-

258 BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 ff. Rz. 47 = MDR 2008, 1361. 259 Vgl. BGH v. 1.2.1978 – VIII ZR 232/75, BGHZ 70, 299 ff.; v. 20.9.1978 – VIII ZR 142/77, NJW 1979, 102 (103). 260 Vgl. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 28; Fischer, ZIP 2004, 1679 (1681 f.). 261 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, MDR 2010, 1420 = ZIP 2010, 2105 ff. Rz. 21. 262 BGH v. 26.6.2014 – IX ZR 130/13, ZIP 2014, 1497 f. 263 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 (177) = MDR 1992, 766. 264 Vgl. BGH v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235 ff. Rz. 37, insoweit nicht in BGHZ 181, 132 ff. abgedruckt. 265 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 51a.

766 Schfer

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 88a M

diglich um die buchungstechnische Erledigung des Vorgangs, der keine selbständige Bedeutung zukommt.266 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zahlung mittels Scheck ist auch beim Scheck- M 87a inkasso der Zeitpunkt der Scheckeinlösung durch die bezogene Bank.267 Der verrechnungsfähige Anspruch des Schuldners nach den §§ 675, 667 BGB auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten entsteht erst dann, wenn die Inkassobank buchmäßige Deckung erlangt. Vorher schuldet sie den einzuziehenden Betrag weder bedingt noch betagt.268 Zwar pflegen die Banken dem Scheckeinreicher unabhängig von der Einlösung durch die bezogene Bank unter dem Vorbehalt des Eingangs eine Gutschrift zu erteilen. Diese ist jedoch nur vorläufig; dass der Scheckeinreicher über den Scheckbetrag meist sofort verfügen kann, ändert daran nichts. Erst wenn die bezogene Bank den Scheck durch Belastung des Ausstellerkontos eingelöst hat, sind die in der Girokette erfolgten Gutschriften und Belastungen wirksam geworden.269 dd) Zahlung mittels Wechsels Ein Wechselakzept erfolgt nach herrschender Auffassung nur erfüllungshalber. M 88 Erfüllung tritt daher erst mit der Begleichung der Wechselschuld ein, so dass gemäß § 140 Abs. 1 InsO auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist. Maßgebend ist insoweit die Einlösung durch die bezogene Bank.270 Die Zahlung des Angewiesenen auf die angenommene Anweisung oder die des Akzeptanten auf den akzeptierten Wechsel benachteiligt die Insolvenzgläubiger nicht, wenn die Annahme anfechtungsfrei erfolgt ist.271 e) Aufrechnung und Verrechnung Die Aufrechnungslage ist gemäß § 140 Abs. 1 InsO in dem Zeitpunkt herbei- M 88a geführt, in dem das Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne des § 387 BGB begründet wurde.272 Es muss somit die Gegenforderung vollwirksam und fällig und die Hauptforderung muss zumindest erfüllbar sein.273 Dagegen ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Forderung des Schuldners oder jene des Insolvenzgläu-

266 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 (177) = MDR 1992, 766; v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, BGHZ 95, 149 (153). 267 Vgl. BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 ff. Rz. 24; Uhlenbruck/Ede/ Hirte, § 140 Rz. 83. 268 BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, BGHZ 95, 149 (155) = MDR 1985, 999. 269 BGH v. 29.9.1986 – II ZR 283/85, MDR 1987, 293 = CR 1987, 166 = NJW 1987, 317 (319). 270 Vgl. BGH v. 30.10.1985 – VIII ZR 251/84, BGHZ 96, 182 (186) = MDR 1986, 402; v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, MDR 2007, 1344 = ZInsO 2007, 816 ff. 271 Vgl. Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 30 Rz. 157; Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 819; BGH v. 29.4.1974 – VIII ZR 200/72, WM 1974, 570 (571). 272 BGH v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, ZIP 2005, 181 ff. Rz. 15; v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558 (1560); MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 11b. 273 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 11; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 11c. Schfer

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M Rz. 88a

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

bigers früher entstanden oder fällig geworden ist.274 Gegen eine künftige oder aufschiebend bedingte Forderung kann nicht aufgerechnet werden.275 Die frühere Erleichterung des § 54 KO, der auch betagte oder bedingte Forderungen im Konkurs für aufrechenbar erklärte, ist in § 95 InsO nicht übernommen worden; die zu § 54 KO entwickelte Konstruktion „gesetzlicher Bedingungen“ ist damit gegenstandslos.276 M 89 Die Herbeiführung einer Aufrechnungs- bzw. Verrechnungslage stellt insbesondere dann eine mehraktige Rechtshandlung dar, wenn die Hauptforderung des Schuldners, gegen die der Insolvenzgläubiger aufgerechnet hat, erst in den kritischen Anfechtungszeiträumen werthaltig gemacht wurde. Insoweit ist ein Urteil des BGH vom 11.2.2010277 von grundlegender Bedeutung für das Verständnis seiner neueren Rechtsprechung. Er weist zunächst darauf hin, dass es für die Anfechtbarkeit des Erwerbs der Aufrechnungslage nicht darauf ankomme, wann die Aufrechnung zulässig geworden sei, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die spätere Forderung entstanden und damit das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden sei. Abzustellen sei grundsätzlich auf den „Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände“.278 Der BGH betont in diesem Urteil, insolvenzrechtlich seien die im wirtschaftlichen Ergebnis einer Vollstreckung gleichkommenden Rechtsfolgen der Aufrechnung von Bedeutung. Allein eine mit dem Abschluss eines Vertrages entstandene Aufrechnungslage bringe dem Gegner noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen. Solange der Schuldner nichts geleistet habe, wofür der Gläubiger eine Vergütung schulde, bestehe für ihn keine Befriedigungsmöglichkeit im Wege der Aufrechnung. Die Aufrechnungslage als Befriedigungsmöglichkeit entstehe vielmehr erst durch die Inanspruchnahme der Leistung des Schuldners. Es komme also darauf an, wann dessen Forderung werthaltig geworden sei. Erst dann seien die rechtlichen Wirkungen eingetreten, die für die Beurteilung der Aufrechnungslage nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO maßgebend seien.279 Im Hinblick auf den für die Anfechtung von Aufrechnungslagen maßgebenden Zeitpunkt ist insbesondere § 95 InsO bedeutungslos, weil diese Bestimmung allein die unmittelbaren Wirkungen des Insolvenzbeschlags gegenüber aufzurechnenden Forderungen regelt.280 M 90 Diese neuere Rechtsprechung des BGH zum „Werthaltigmachen der Aufrechnungslage“ ist letztlich die konsequente Fortführung seiner Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit des Werthaltigmachens vorausabgetretener Forderungen, 274 Vgl. BGH v. 26.6.2008 – IX ZR 47/05, ZInsO 2008, 803 ff. Rz. 17. 275 BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1 (6); v. 10.3.1988 – VII ZR 8/87, BGHZ 103, 362 (367); K. Schmidt/Thole, § 95 Rz. 6. 276 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 11c. 277 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff.; vgl. dazu ferner BGH v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08 – „Behördenabgleich“, BGHZ 190, 201 ff. Rz. 9; v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, WM 2013, 521 ff. und von Olshausen, ZIP 2010, 2073 ff. 278 Vgl. dazu Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 167. 279 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff. Rz. 13; vgl. dazu ferner BGH v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, MDR 2002, 355 = ZIP 2001, 2055 (2056). Vgl. für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung ferner BGH v. 20.10.2011 – IX ZR 10/11, ZIP 2011, 2262 ff. 280 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 11b.

768 Schfer

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 90c M

die ihrerseits auf „Aufrechnungsfälle“ zurückgeht.281 Wenn der Erwerb der in der Krise des Schuldners werthaltig gemachten Forderung anfechtbar ist, so muss konsequenterweise auch die Aufrechnung des Gläubigers gegenüber einer in der Krise des Schuldners werthaltig gemachten Forderung ausgeschlossen sein. Andernfalls könnte sich der Gläubiger in der Krise des Schuldners gleichsam eine abgesonderte Befriedigung für seine Insolvenzforderung verschaffen. Die weitreichenden Konsequenzen der neueren Rechtsprechung des BGH zur M 90a Anfechtbarkeit der Herbeiführung einer Aufrechnungslage zeigt ein neueres Urteil vom 7.5.2013, mit dem er seine frühere Rechtsprechung aufgegeben hat.282 Danach ist die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers gemäß § 89b HGB insolvenzrechtlich unwirksam, wenn der Unternehmer den Vertrag gekündigt hat, weil der Handelsvertreter bzw. Vertragshändler einen Insolvenzantrag gestellt hat. Der Unternehmer hätte auch dann nicht mit seiner Insolvenzforderung gegen M 90b den Ausgleichsanspruch aufrechnen können, wenn er den Vertragshändlervertrag erst nach der Insolvenzeröffnung gekündigt hätte. § 95 Abs. 1 InsO, wonach ein Insolvenzgläubiger auch mit einer im Zeitpunkt der Eröffnung aufschiebend bedingten oder noch nicht fälligen Forderung aufrechnen könne, sobald die Aufrechnungsvoraussetzungen eingetreten seien, erfasse zwar auch Fälle, in denen eine gesetzliche Voraussetzung für das Entstehen der Forderung fehle. Voraussetzung sei dann aber, dass die Forderung in ihrem rechtlichen Kern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert sei und fällig werde, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung bedürfe.283 Diese Voraussetzungen seien in der Insolvenz des Handelsvertreters oder Vertragshändlers nicht erfüllt, denn gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bestehe der Handelsvertreter- oder Vertragshändlervertrag mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, so dass er auch nach der Insolvenzeröffnung hätte gekündigt werden müssen. Der BGH ist damit ausdrücklich von seinem früheren Urteil vom 27.5.2003284 abgerückt, wonach es unerheblich sein sollte, dass ein Rückzahlungsanspruch erst nach Ausübung des Rücktrittsrechts entsteht. Maßgebend für das Entstehen der Saldoforderung aus einem Verrechnungskon- M 90c to ist der Zeitpunkt, zu dem die Saldoforderung aufgrund des Anerkenntnisses des Saldos entsteht und nicht etwa der Zeitpunkt, zu dem die einzelnen in das Kontokorrent eingestellten Kausalforderungen entstanden. Denn diese sind wegen der Kontokorrentbindung nicht selbständig abtretbar.285

281 Vgl. BGH v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 (254 f.) = MDR 2001, 152; v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98 – „Lili Marleen“, BGHZ 147, 28 (35) = MDR 2001, 1076. 282 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180 ff. unter Aufgabe von BGH v. 25.9.2008 – IX ZR 223/05, veröffentlicht bei juris. 283 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180 ff. Rz. 11; v. 8.1.2009 – IX ZR 217/07, ZIP 2009, 380 ff. Rz. 32; v. 29.6.2006 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1 (4). 284 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87 (93 f.). 285 BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 90/08, ZIP 2009, 2347 ff. Rz. 23; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 11b. Schfer

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M Rz. 91

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

f) Regressanspruch nach § 774 BGB M 91 Nach der Rechtsprechung des BGH entsteht der Rechtsgrund des Regressanspruchs gemäß § 774 BGB bereits mit der Übernahme der Bürgschaft; er werde insoweit „aufschiebend bedingt begründet“.286 Befriedigt daher der Bürge den Gläubiger in den kritischen Zeiträumen der Anfechtungstatbestände, so kann der Übergang der Gläubigerforderung gemäß § 774 BGB nicht vom Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners angefochten werden. Die Annahme eines aufschiebend bedingten Anspruchs ist jedoch nicht unbedenklich und sollte zumindest wertungsmäßig abgesichert werden. Entscheidend ist, dass der Schuldner die weitere Entwicklung des Regressanspruchs nicht mehr beeinflussen konnte und dessen Entstehung keine weiteren Leistungen des Schuldners zu Lasten der künftigen Insolvenzmasse mehr erforderte. Die Entstehung des Regressanspruchs hing vielmehr nur noch vom Eintritt des Sicherungsfalles ab, so dass der Entscheidung des BGH vom 13.3.2008287 im Ergebnis zugestimmt werden kann. g) Versicherungsrecht M 92 Ob der Anspruch auf die Versicherungsleistung mit dem Versicherungsvertrag nicht nur begründet wird, sondern auch bereits entstanden ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Der BGH hat aber bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme um einen künftigen Anspruch handle.288 Zur widerruflichen Bezugsberechtigung hat der BGH entschieden, dass der Begünstigte durch deren Einräumung weder einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag noch eine sonstige gesicherte Rechtsposition – etwa ein Anwartschaftsrecht – erwerbe; vielmehr besitze er nur eine mehr oder weniger starke tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs.289 Die Verfügung des Schuldners zugunsten des Bezugsberechtigten wird daher erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles oder der Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung wirksam.290 M 92a Im Fall der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts erwirbt der Dritte den Anspruch auf die Versicherungsleistung regelmäßig sofort (vgl. § 159 Abs. 3 VVG).291 Bezeichnet daher der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung als Bezugsberechtigten im Todesfall unwiderruflich seinen Ehegatten, so ist die Zuwendung der Versicherungsleistung nach einem Urteil des BGH vom 286 BGH v. 13.3.2008 – IX ZR 14/07, MDR 2008, 768 = ZInsO 2008, 452 f. Rz. 11; v. 6.11.1989 – II ZR 62/89, MDR 1990, 517 = ZIP 1990, 53 (55); v. 9.5.1960 – II ZR 95/58, WM 1960, 720 f. 287 BGH v. 13.3.2008 – IX ZR 14/07, MDR 2008, 768 = ZInsO 2008, 452 f. 288 BGH v. 23.10.2008 – VII ZB 16/08, MDR 2009, 105 = WM 2008, 2265 (2266); v. 28.10.2009 – VII ZB 82/09, veröffentlicht bei juris. 289 BGH v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04, MDR 2005, 1075 = ZIP 2005, 909 ff. 290 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. = MDR 2004, 596; vgl. dazu oben Rz. B100 ff. 291 BGH v. 27.9.2012 – IX ZR 15/12, ZIP 2012, 2409 ff. Rz. 8; v. 26.1.2012 – IX ZR 99/11, ZIP 2012, 636 ff. Rz. 7; v. 17.2.1966 – II ZR 286/63, BGHZ 45, 162 (165 f.); vgl. dazu näher Rz. B100 ff.

770 Schfer

II. Der Grundtatbestand des § 140 Abs. 1 InsO

Rz. 94 M

27.9.2012292 regelmäßig bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter vorgenommen. Dies gilt auch dann, wenn die Versicherungsleistung im Erlebensfall dem Versicherungsnehmer zustehen soll und das Bezugsrecht des Ehegatten daran geknüpft ist, dass die Ehe mit dem Versicherten bei dessen Tod besteht. Bei gespaltenem Bezugsrecht mit unwiderruflicher Begünstigung eines Dritten mit der Todesfallleistung bleibe der Versicherungsnehmer zwar zur Kündigung des Versicherungsvertrages berechtigt. Der dann bestehende Anspruch auf den Rückkaufswert stehe jedoch grundsätzlich dem Dritten zu, denn das Recht auf den Rückkaufswert sei nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Versicherungssumme und gehöre deshalb zu den vertraglich versprochenen Leistungen bei einer Lebensversicherung.293 War das ursprünglich eingeräumte Bezugsrecht widerruflich oder wurde es mit M 92b Zustimmung des ursprünglich Bezugsberechtigten widerufen, kann bei einer späteren Bezugsrechtsänderung eine Gläubigerbenachteiligung gegeben sein.294 Zwar gehört nach der Rechtsprechung des BGH auch im Fall eines widerruflichen Bezugsrechts der Anspruch auf die Versicherungsleistung bis zum Eintritt des Versicherungsfalls nicht zum Vermögen des Versicherungsnehmers; er entsteht vielmehr erst mit dem Todesfall unmittelbar im Vermögen des Bezugsberechtigten.295 Der Versicherungsnehmer wende die Versicherungssumme dem Bezugsberechtigten allerdings mittelbar zu. Deswegen komme es nicht darauf an, ob sich der Anspruch auf die Versicherungsleistung „tatsächlich“ jemals im Vermögen des Schuldners befunden habe.296 h) Steuerrecht Die Abtretung eines Anspruchs auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, M 93 steuerlichen Nebenleistungen und Steuervergütungen wird erst wirksam, wenn der Gläubiger sie in vorgeschriebener Form der zuständigen Finanzbehörde nach der Entstehung des Anspruchs anzeigt.297 Bei steuerrechtlichen Erstattungsansprüchen nach § 37 Abs. 2 AO ist nach der M 94 Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes298 die für die Frage der Anfechtbarkeit maßgebliche Herbeiführung der Aufrechnungslage nicht erst mit der Entstehung des Steuererstattungsanspruchs im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO vollendet. Es ist vielmehr darauf abzustellen, wann der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch gelegt wurde. Bei Steuervorauszahlungen erlange der Steuerpflichtige bereits mit

292 293 294 295

BGH v. 27.9.2012 – IX ZR 15/12, ZIP 2012, 2409 ff. BGH v. 27.9.2012 – IX ZR 15/12, ZIP 2012, 2409 ff. Rz. 12. Vgl. BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZInsO 2015, 2374 ff. BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZInsO 2015, 2374 ff. Rz. 21 mit Hinweis (u.a.) auf BGH v. 28.4.2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252 ff. Rz. 17. 296 BGH v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, ZInsO 2015, 2374 ff. Rz. 22. 297 Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 15. 298 Vgl. BFH v. 9.2.1993 – VII R 12/92, BFHE 170, 300 ff. = UR 1994, 230 m. Anm. Weiss; unter der Geltung der InsO bestätigt durch BFH v. 16.11.2004 – VII R 62/03, BFHE 207, 371 ff.; vgl. zum Vorsteuervergütungsanspruch BFH v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZIP 2011, 181 ff. Schfer

771

M Rz. 94

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

der Zahlung einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung, dass die nach Ablauf des Veranlagungs- oder Entrichtungszeitraums geschuldete Steuer geringer sei als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen. M 95 Die Begründung des Bundesfinanzhofes unterliegt rechtlichen Bedenken. Bei der Annahme aufschiebend bedingter Ansprüche ist ganz allgemein Zurückhaltung geboten. Die Frage, ob und inwieweit dem Schuldner künftig ein Steuererstattungsanspruch zustehen wird, ist zum Zeitpunkt der Steuervorauszahlung noch nicht in jeder Hinsicht bereits rechtlich bindend festgelegt. Die Entstehung des Steuererstattungsanspruchs ist keine Bedingung im Sinne der §§ 158 ff. BGB. § 140 Abs. 3 InsO, wonach bei einer bedingten Rechtshandlung der Eintritt der Bedingung außer Betracht bleibt, betrifft nur rechtsgeschäftliche Bedingungen.299 Die Auffassung des Bundesfinanzhofes sollte vielmehr wertungsmäßig begründet werden. Die Aufrechnung des Finanzamts mit den vor der Insolvenzeröffnung begründeten Steuerforderungen gegenüber einem Steuererstattungsanspruch des Schuldners, der erst in den kritischen Zeiträumen der Anfechtungstatbestände entstanden ist, ist allenfalls dann anfechtungsrechtlich unschädlich, wenn zwingend auszuschließen ist, dass der Steuererstattungsanspruch auf Leistungen des Schuldners beruht, die erst in den kritischen Zeiträumen der Anfechtungstatbestände erbracht wurden. Dies ist der Fall, wenn die Steuervorauszahlungen selbst in unkritischer Zeit erbracht wurden. M 95a Für den Bereich des Umsatzsteuerrechts geht der Bundesfinanzhof in seiner neueren Rechtsprechung davon aus, dass die Steuerberechnung nach den §§ 16 ff. UStG weder den Beschränkungen der Insolvenzaufrechnung noch jenen der Insolvenzanfechtung unterliege, da die Steuerberechnung keine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO darstelle. Die zu saldierenden Steueransprüche stellten lediglich unselbständige Besteuerungsgrundlagen innerhalb der Steuerberechnung und Steuerfestsetzung dar.300 M 95b Nach einem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 11.3.2014301 ist durch dessen Rechtsprechung bereits geklärt, dass der Berichtigungsanspruch für Entgelte aus den durch den insolventen Unternehmer erbrachten Leistungen „mit“ und dabei eine juristische Sekunde vor der Insolvenzeröffnung entsteht. i) Kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB M 96 Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht, das im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht begründet (vgl. § 51 Nr. 3 InsO), entsteht mit der Erlangung der Verfügungsmacht im Sinne des § 369 HGB, sofern die zu sichernde Forderung zu dieser Zeit schon besteht. Entsteht diese erst später, so ist dieser Zeitpunkt maßgebend.302

299 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f. 300 BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481 ff.; kritisch dazu Schmittmann, ZIP 2012, 249 ff.; Mitlehner, EWiR 2013, 387 f. 301 BFH v. 11.3.2014 – V B 61/13, ZInsO 2014, 1100 f. Rz. 6 mit Hinweis auf BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11, BFHE 235, 137 ff. unter II. 5. b) aa). 302 Vgl. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 24.

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Rz. 99 M

III. § 140 Abs. 2 InsO – Eintragungsbedrftige Rechtsgeschfte

III. § 140 Abs. 2 InsO – Sonderfall des eintragungsbedürftigen Rechtsgeschäfts 1. Allgemeines Durch § 140 Abs. 2 InsO wird der für die Anfechtung maßgebende Zeitpunkt M 97 für den Fall vorverlegt, dass für das Wirksamwerden eines mehraktigen Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch oder einem vergleichbaren Register erforderlich ist. Der Bestimmung liegt die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, dass sich Verzögerungen bei der Eintragung nicht zum Nachteil der Beteiligten auswirken sollen.303 Das Gesetz berücksichtigt bei eintragungsbedürftigen Rechtsgeschäften den Schutz, den § 878 BGB dem Erwerber des Rechts gewährt. Allerdings wird dieser Schutz nach dem Gesetzeswortlaut nur gewährt, wenn der Eintragungsantrag vom Anfechtungsgegner gestellt wurde.304 Damit ist der Gesetzgeber bewusst von der zuvor geltenden herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum abgewichen, wonach der Zeitpunkt der Eintragung für die Anfechtung entscheidend sein sollte.305 § 140 Abs. 2 InsO gilt nach seinem Wortlaut nur für Rechtsgeschäfte; eine Vor- M 98 verlegung des Zeitpunkts der Vornahme des Rechtsgeschäfts scheidet daher bei Maßnahmen der Zwangsvollstreckung (z.B. Eintragung einer Zwangshypothek gemäß § 867 ZPO) oder bei einem Erwerb kraft Gesetzes, etwa im Wege der Erbfolge, aus.306 Die Einbeziehung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen widerspräche der Systematik der in Bezug genommenen sachenrechtlichen Bestimmungen, die ebenfalls nur Rechtsgeschäfte betreffen. § 878 BGB ist nach herrschender Auffassung nicht auf Eintragungen anwendbar, die zwangsweise herbeigeführt werden.307 Daran ändert auch § 141 InsO nichts, wonach die Anfechtung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die Handlung des Schuldners durch Zwangsvollstreckung erwirkt wurde. 2. § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO Nach § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO gilt das Rechtsgeschäft bereits dann als vor- M 99 genommen, wenn die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Einigungserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist (vgl. § 873 Abs. 2 BGB, § 3 Abs. 2 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken, § 5 Abs. 2 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen) und der andere Teil den Eintragungsantrag gestellt hat, so dass der Schuldner diesen Antrag nicht zurücknehmen kann. Beim Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der andere Teil (unrichtig die Gesetzesbegründung: „der Schuldner“) bereits eine gesicherte Rechtsposition erlangt, die auch durch die Eröffnung des In303 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166 f. 304 Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 41. 305 BGH v. 15.1.1964 – VIII ZR 236/62, BGHZ 41, 17 ff.; v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 ff. = GmbHR 1995, 221 = MDR 1995, 1228 m.w.N. 306 Vgl. HK-InsO/Thole, § 140 Rz. 9; Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 47; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 29; a.A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 21.49. 307 Vgl. BGH v. 17.4.1953 – V ZB 5/53, BGHZ 9, 250 ff.; Palandt/Bassenge, § 878 Rz. 4; Erman/A. Lorenz, 14. Aufl., § 878 Rz. 5. Schfer

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§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

solvenzverfahrens nicht mehr beeinträchtigt werden kann.308 Voraussetzung für eine solche gesicherte Rechtsposition ist es, dass alle sonstigen Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts gegeben sind. Es müssen daher insbesondere die dingliche Einigung wirksam erklärt und die Willenserklärung des Schuldners für diesen bindend geworden sein (vgl. § 873 BGB). Folgt die dingliche Einigung ausnahmsweise der Eintragung nach, ist der Zeitpunkt der Einigung maßgebend.309 M 100 Entsprechendes wie für die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück und für die Belastung eines Grundstücks mit einem Recht gilt gemäß § 877 BGB für Änderungen des Inhalts eines Rechts an einem Grundstück. Im Falle der Aufhebung eines Rechts ist der Schuldner gemäß § 875 BGB gebunden, wenn er die Erklärung über die Aufgabe des Rechts gegenüber dem Grundbuchamt abgegeben oder dem Begünstigten eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Löschungsbewilligung ausgehändigt hat. M 101 Kann dem Eintragungsantrag zunächst aus formell-rechtlichen Gründen nicht stattgegeben werden, so steht dies der Anwendung des § 140 Abs. 2 InsO nicht entgegen, sofern das Hindernis beseitigt werden kann. Anders ist es, wenn eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Vorwirkung gemäß § 878 BGB fehlt; deren spätere Herbeiführung wirkt nicht zurück. Erfolgt daher etwa eine wirksame Einigung erst nach der Eintragung, so greift § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht ein. M 102 Als Eintragungsantrag des anderen Teils gilt nach der Gesetzesbegründung auch der Antrag, den der Notar im Namen des anderen Teils – oder im Namen beider Beteiligter – stellt, denn auch nach einer solchen Antragstellung kann die Eintragung nicht mehr einseitig vom Schuldner oder von dessen Insolvenzverwalter verhindert werden.310 Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass diese Erwägung des Gesetzgebers nur zutreffe, wenn der Antrag des Notars nicht nur nach § 15 GBO, sondern zumindest auch im Namen des anderen Teils derart gestellt werde, dass er seine Wirksamkeit behalte, wenn der andere Teil ihn nicht zurücknehme.311 Denn der Notar könne den von ihm gestellten Antrag gemäß § 24 Abs. 3 BNotO auch ohne Zustimmung des Antragsberechtigten wirksam zurücknehmen. Die in der Gesetzesbegründung vorausgesetzte gesicherte Rechtsstellung des anderen Teils bestehe in diesem Fall nicht.312 M 102a Im Urteil des BGH vom 19.7.2011313 hatten beide Parteien in der notariellen Urkunde die Eintragung bewilligt und beantragt, und die Urkunde war vom Notar beim Grundbuchamt eingereicht worden. Daraus folgerte der BGH, dass nicht der Notar einen Antrag nach § 15 GBO, sondern die Parteien jeweils eige308 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166. 309 OLG Düsseldorf v. 23.4.2015 – I-12 U 39/14, ZInsO 2015, 1164 ff.; Ehricke in Kübler/ Prütting/Bork, § 140 Rz. 12. 310 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 166. 311 Vgl. HK-InsO/Kreft, § 140 Rz. 10; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 41. 312 Vgl. dazu BGH v. 26.4.2001, ZInsO 2001, 508 ff. und BGH v. 9.1.1997 – IX ZR 47/96, MDR 1997, 567 = ZIP 1997, 423 ff. zur GesO. 313 BGH v. 19.7.2011 – X ZR 140/10, BGHZ 190, 281 ff.

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III. § 140 Abs. 2 InsO – Eintragungsbedrftige Rechtsgeschfte

Rz. 105 M

ne Eintragungsanträge gestellt hätten. Der BGH maß dem Umstand, dass der Notar von beiden Parteien bevollmächtigt war, gestellte Eintragungsanträge zurückzunehmen, keine Bedeutung zu. Die Rücknahme eines vom Erwerber selbst gestellten Eintragungsantrages durch eine von ihm bevollmächtigte Person sei nicht als Handeln eines Dritten anzusehen.314 Hat nicht der andere Teil, sondern nur der Schuldner einen Eintragungsantrag M 103 gestellt, so ist § 140 Abs. 2 InsO nicht anwendbar; der Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung wird nicht vorverlegt.315 Dies ist unproblematisch für den Fall, dass die Eintragung noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist. Abgrenzungsprobleme gegenüber § 147 InsO entstehen dann, wenn die Eintra- M 104 gung erst nach der Insolvenzeröffnung erfolgt. Eine Abhilfe im Wege der Rücknahme des Eintragungsantrages durch den Insolvenzverwalter ist nicht immer möglich.316 In der Gesetzesbegründung zu § 147 InsO317 wird darauf hingewiesen, dass bewusst darauf verzichtet werde, neben den §§ 892, 893 BGB auch § 878 BGB zu erwähnen. Damit solle zum Ausdruck gebracht werden, dass ein Erwerb, der aufgrund des § 91 Abs. 2 InsO in Verbindung mit den §§ 878, 873 Abs. 2 BGB nach der Insolvenzeröffnung wirksam vollendet werde, nicht nach den Grundsätzen über die Anfechtung von Rechtshandlungen nach der Verfahrenseröffnung anfechtbar sei. Ein Grundstücksgeschäft, zu dessen Wirksamwerden zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nur noch die Eintragung fehle, gelte im Sinne des § 140 Abs. 2 InsO als vor der Verfahrenseröffnung vorgenommen. Im Schrifttum wird jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gesetzes- M 105 begründung nicht mit der letztlich Gesetz gewordenen Fassung des § 140 Abs. 2 InsO vereinbar ist.318 Der in den Motiven angesprochene Schutz des nach § 878 BGB eingeleiteten Erwerbs, der als vor der Insolvenzeröffnung vorgenommen anzusehen sein sollte, geht in einem Punkt zu weit.319 Denn nach herrschender Auffassung genügt es für § 878 BGB, dass der Eintragungsantrag vom Verfügenden gestellt wurde.320 Eine Anfechtung wäre somit auch dann ausgeschlossen, wenn nur der Schuldner den Eintragungsantrag gestellt hat. Eine Anfechtung nach § 140 Abs. 2 InsO wäre nicht möglich, da er nach seinem Wortlaut nur auf solche Rechtserwerbe anwendbar ist, in denen nicht der Schuldner, sondern der andere Teil den Eintragungsantrag gestellt hat. Damit würde der auf dem alleinigen Antrag des Schuldners beruhende Rechtserwerb besser behandelt als

314 BGH v. 19.7.2011 – X ZR 140/10, BGHZ 190, 289 in Abgrenzung zu BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, ZInsO 2009, 1249 f. Rz. 22; HK-InsO/Thole, § 140 Rz. 11. 315 Vgl. BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 ff. = MDR 2006, 1191 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse, Rz. 23. 316 Vgl. dazu Raebel, ZInsO 2002, 954 ff. 317 Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 169. 318 MK-InsO/Kirchhof, § 147 Rz. 7. 319 Vgl. Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 147 Rz. 9. 320 Vgl. Palandt/Bassenge, 70. Aufl., § 878 Rz. 14; Staudinger/Gursky, Bearb. 2007, § 878 Rz. 48, 51. Schfer

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M Rz. 105

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

der auf einem Antrag des Erwerbers beruhende Erwerb,321 der vom Notar in seinem Namen gestellt wurde und der nach § 24 Abs. 3 BNotO jederzeit wieder zurückgenommen werden kann. M 106 Dies wird zu Recht als unstimmig und korrekturbedürftig angesehen.322 Im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine berichtigende Auslegung des § 140 Abs. 2 InsO, nach der ein Eintragungsantrag des Schuldners genügt, damit das Rechtsgeschäft als vorgenommen gilt, nicht nur wegen des Wortlauts, sondern auch aus Gründen des Schutzes der Insolvenzgläubiger ausscheide.323 Die Lösung ist nach dieser Ansicht über eine berichtigende Auslegung des § 147 InsO zu suchen.324 Hätte der Gesetzgeber alle Fälle des § 878 BGB von der Anfechtbarkeit ausnehmen wollen, so hätte es der Beschränkung auf Anträge des anderen Teils in § 140 Abs. 2 InsO nicht bedurft.325 § 878 BGB wird daher in § 147 Satz 1 InsO „hineingelesen“.326 Nach der Auffassung von Henckel327 ist die mit der Eintragung bewirkte Benachteiligung der Insolvenzgläubiger dadurch entstanden, dass der Schuldner seinen Eintragungsantrag in der kritischen Zeit nicht zurückgenommen hat. Diese Unterlassung sei die anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 2 InsO. Sie sei nicht erst mit der Eintragung als vorgenommen anzusehen, sondern mit der Verfahrenseröffnung, also nicht im Verfahren, da der Schuldner ab der Verfahrenseröffnung auf den Fortgang des Grundbuchverfahrens keinen Einfluss mehr nehmen könne. Diese Lösung hilft jedoch nur dann, wenn der Schuldner die Rücknahme seines Eintragungsantrages bewusst und gewollt unterlassen hat.328 Im Ergebnis geht die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum davon aus, dass die offenkundig unsorgfältige Gesetzesfassung im Sinne der Anfechtbarkeit des Rechtserwerbs bei einem nur vom Schuldner gestellten Eintragungsantrag korrigiert werden muss. 3. § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO M 107 Nach § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO ist schon der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung maßgebend für die Vorverlegung des Vornahmezeitpunkts, da schon die Vormerkung eine im Insolvenzverfahren zu beachtende Rechtsposition begründet (vgl. § 106 InsO). Auf den Zeitpunkt der Eintragung selbst kommt es auch hier nicht an.329 Die nach § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO zu fordernden Voraussetzungen entsprechen jenen des Satzes 1. Erforderlich ist insbesondere ein bestehender schuldrechtlicher Anspruch auf dingliche Rechtsänderung hinsicht321 Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 147 Rz. 9. 322 Vgl. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 42; HK-InsO/Thole, § 147 Rz. 5; Uhlenbruck/Hirte/ Ede, § 147 Rz. 10. 323 Vgl. HK-InsO/Thole, § 147 Rz. 5; MK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 147 Rz. 7; HambKomm/Rogge/Leptien, § 147 Rz. 6. 324 Ebenso Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 147 Rz. 10; MK-InsO/Kirchhof, § 147 Rz. 8; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 147 Rz. 6. 325 Vgl. Braun/Riggert, § 147 Rz. 5. 326 MK-InsO/Kirchhof, § 147 Rz. 7 mit Fn. 19. 327 Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 45. 328 Vgl. HK-InsO/Thole, § 147 Rz. 5. 329 BT-Drucks. 12/2443, S. 166.

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IV. § 140 Abs. 3 InsO – bedingte und befristete Rechtshandlungen

Rz. 110 M

lich eines Grundstücks oder Grundstücksrechts. § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO ist nur auf eine vom Schuldner freiwillig eingeräumte Vormerkung anwendbar.330 Wurde die Vormerkung durch einstweilige Verfügung gemäß § 885 Abs. 1 Satz 1 BGB erwirkt, so ist die Rechtshandlung erst mit der Grundbucheintragung vorgenommen. Entsprechendes gilt für die nach § 895 ZPO als bewilligt anzusehende Eintragung einer Vormerkung.331 Als freiwillig abgegeben ist hingegen die nach § 894 Abs. 1 ZPO fingierte Bewilligung einer Vormerkung anzusehen.332 Hat der andere Teil den Antrag auf Eintragung einer ihm bewilligten Auflas- M 108 sungsvormerkung zu seinen Gunsten gestellt, so gilt das Rechtsgeschäft – auch ohne Auflassung – nach § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO als vorgenommen, wenn die Bewilligungserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden und der vorgemerkte Anspruch entstanden ist.333 Für die Sicherheit und Durchsetzbarkeit der Auflassungsvormerkung ist die Auflassung, die in der Grundstückspraxis nicht selten – namentlich beim Verkauf noch nicht vermessener Teilflächen – erst später bindend erklärt wird oder erklärt werden kann, ohne Bedeutung.334

IV. § 140 Abs. 3 InsO – bedingte und befristete Rechtshandlungen 1. Allgemeines In der Gesetzesbegründung zu § 140 Abs. 3 InsO ist nur knapp davon die Rede, M 109 dass es bei einer Bedingung oder Befristung nicht auf den Eintritt der Bedingung oder des Termins ankomme, sondern auf den Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände. Dies entspreche der Regelung, dass bedingte und befristete Forderungen im Insolvenzverfahren schon vor dem Eintritt der Bedingung oder des Termins geltend gemacht werden könnten (vgl. §§ 41, 191 InsO). Als befristete Rechtshandlung sei auch die Kündigung zu einem zukünftigen Termin anzusehen.335 Hat daher die Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist eine Schmälerung des Schuldnervermögens zur Folge, so ist sie nur anfechtbar, wenn sie in den kritischen Zeiträumen der Anfechtungstatbestände ausgesprochen wurde. § 140 Abs. 3 InsO knüpft nach einem Urteil des BGH vom 14.6.2007336 an den M 110 Rechtszustand an, dass aufschiebend und auflösend bedingte oder befristete, das heißt mit einem Anfangs- oder Endtermin versehene Rechtsgeschäfte (§§ 158 ff. BGB) gemäß §§ 161 Abs. 1, 2, 163 BGB während des Schwebezustandes gegen Verfügungen, auch gegen solche des Insolvenzverwalters, geschützt sind. Sie

330 331 332 333

MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 47. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 47. Vgl. Palandt/Herrler, 76. Aufl., § 878 Rz. 4; Erman/A. Lorenz, 14. Aufl., § 878 Rz. 2. BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 203/06, MDR 2010, 466 = NotBZ 2011, 219 = ZIP 2010, 339 ff. 334 BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 203/06, MDR 2010, 466 = NotBZ 2011, 219 = ZIP 2010, 339 ff. Rz. 10. 335 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 167. 336 BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = BRAK 2007, 230 = ZIP 2007, 1507 ff. Rz. 17. Schfer

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§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

werden deshalb unabhängig von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Eintritt der Bedingung oder des Termins wirksam oder unwirksam. § 91 Abs. 1 InsO findet insoweit keine Anwendung. Die Bestimmung des § 140 Abs. 3 InsO stellt in diesem Zusammenhang klar, dass die genannten Rechtshandlungen ohne Rücksicht auf den Eintritt der Bedingung oder des Termins schon mit dem Abschluss der rechtsbegründenden Tatsachen als vorgenommen gelten. Sie setzt somit voraus, dass die Rechtshandlung des Schuldners, an die angeknüpft werden soll, dem Gläubiger bereits eine gesicherte Rechtsstellung verschafft hat.337 Eine solche gesicherte Rechtsstellung hat der Anfechtungsgegner erlangt, wenn sie ihm nicht mehr entzogen werden kann und ihr Eintritt nicht von freien Entscheidungen des Schuldners oder eines Dritten abhängt.338 Insbesondere Bedingungen und Gestaltungsrechte sind scharf voneinander abzugrenzen. Erstere beinhalten ein Element der Unsicherheit, auf das keine Partei Einfluss hat. Gestaltungsrechte sind dagegen bestimmungsgemäß individuell steuerbar, so dass die objektive Verfestigung im Sinne einer Anwartschaft (besser: eines Anwartschaftsrechts), die letztlich den Bestandsschutz rechtfertigt, nicht besteht.339 M 111 Ein solches enges Verständnis von einer bedingten bzw. befristeten Rechtshandlung lag der Rechtsprechung des BGH nicht immer zugrunde. Sein Urteil vom 14.6.2007 betraf den Anspruch des Auftraggebers auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten gemäß § 667 BGB. Er geht zu Recht davon aus, dass der Beauftragte die Herausgabe des Erlangten gemäß § 667 BGB bis zur Einziehung weder bedingt noch betagt schulde; die erforderliche gesicherte Rechtsposition habe der Geschäftsbesorger vor dem Eingang der an den Geschäftsherrn herauszugebenden Zahlungen nicht innegehabt. Die Schuldnerin hätte den Auftrag zur Einziehung jederzeit ändern und Zahlung an sich selbst verlangen können.340 In einem früheren, in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Urteil vom 1.6.1978341 hatte der BGH insoweit noch die Auffassung vertreten, dass die Forderung des Auftraggebers auf Herausgabe des Erlangten gemäß § 667 BGB „im Kern“ und damit „der Sache nach gesetzlich bedingt“ im Sinne des § 54 KO schon vor der Vergleichseröffnung entstanden sei. M 112 Die sogenannte „Kerntheorie“ ist mit Nachdruck abzulehnen.342 Ihr Ausgangspunkt war möglicherweise ein vom BGH durch Urteil vom 28.11.1977343 entschiedener Fall, in dem zwischen der Entstehung des Anspruchs auf Gutschrift und der Entstehung des Anspruchs aus Gutschrift das Konkursverfahren eröffnet worden war. In einem solchen Fall lässt sie sich zumindest wertungsmäßig rechtfertigen. Dies gilt auch noch für den Fall, dass das Finanzamt gegenüber einem Steuererstattungsanspruch, der aufgrund des Rücktritts von einem vom Schuldner abgeschlossenen Vertrag nach der Insolvenzeröffnung entstanden ist, 337 BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = BRAK 2007, 230 = ZIP 2007, 1507 ff. Rz. 17. 338 BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, MDR 2009, 412 = ZInsO 2009, 143 ff. Rz. 12. 339 Vgl. Servatius, WuB VI A. § 130 InsO 2.13. 340 Vgl. dazu noch BGH v. 1.7.1985 – II ZR 155/84, BGHZ 95, 149 (155) = MDR 1985, 999; v. 23.2.1989 – IX ZR 143/88, BGHZ 107, 88 (90) = MDR 1989, 632. 341 BGH v. 1.6.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 380 ff. 342 Vgl. dazu B. Schäfer, ZInsO 2006, 635 ff. 343 BGH v. 28.11.1977 – II ZR 110/76, NJW 1978, 699 f.

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IV. § 140 Abs. 3 InsO – bedingte und befristete Rechtshandlungen

Rz. 114 M

mit Steuerforderungen aufrechnet, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind.344 Bei wertender Betrachtung kann man möglicherweise darauf abstellen, dass der Steuererstattungsanspruch auf der Geltendmachung des schon vor der Insolvenzeröffnung begründeten Rücktrittsrechts des anderen Teils beruhte und die künftige Insolvenzmasse somit mit diesem Recht sowie der Aufrechnungsmöglichkeit des Finanzamts „belastet“ war. Es geht jedoch zu weit, wenn der BGH in einem Fall, in dem eine Genossenschaft M 113 gegenüber dem nach der Insolvenzeröffnung entstandenen Abfindungsanspruch eines Genossen mit ihren vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Forderungen aus Warenlieferungen aufrechnete, darauf abstellt, der Abfindungsanspruch sei „im Kern“ bereits mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages entstanden; schon der Abschluss des Gesellschaftsvertrages verschaffe dem Gesellschafter eine gesicherte Position in Form einer bestimmten Erwerbsaussicht, die ohne weiteres Zutun des Gesellschafters zu einem vollwertigen Anspruch erstarke.345 Der BGH hat dabei nicht berücksichtigt, dass die insolvente GmbH noch acht Monate nach der Insolvenzeröffnung Mitglied der Genossenschaft blieb und nicht ausgeschlossen war, dass der nach Ansicht des BGH „im Kern“ bereits vor der Insolvenzeröffnung begründete Abfindungsanspruch in der Zeit bis zum Ausscheiden durch Aufwendungen aus der Insolvenzmasse noch eine Wertsteigerung erfuhr, mit anderen Worten noch weiter „werthaltig“ wurde. Gleichwohl würde der Masse dafür letztlich kein Gegenwert zufließen, wenn die Genossenschaft mit Forderungen gegenüber dem Abfindungsanspruch aufrechnen könnte, die schon vor der Insolvenzeröffnung fällig waren. Es erscheint jedoch als möglich, dass der BGH diesen Fall heute auf der Grundlage seiner Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit des „Werthaltigmachens der Aufrechnungslage“346 anders beurteilen würde. Der BGH hat nunmehr in einem neueren Urteil vom 8.1.2009347 entschieden, M 114 dass eine Genossenschaft am Abfindungsanspruch eines Genossen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Pfandrecht mehr erwerben könne, wenn die Entstehung des verpfändeten Anspruchs von rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Beteiligten abhänge. Nur wenn der Zessionar oder Pfandrechtsgläubiger bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen oder verpfändeten Forderung erlangt habe, sei die Abtretung oder Verpfändung insolvenzfest. Diese Klarstellung, dass von einem bedingten Anspruch bzw. von einer „gesicherten Rechtsposition“ jedenfalls dann nicht gesprochen werden kann, wenn der Anspruch des Schuldners nicht automatisch mit der Insolvenzeröffnung entstanden ist, ist zu begrüßen. Es geht über § 140 Abs. 3 InsO hinaus, allein ein Entstehen des Gegenanspruchs „im

344 Vgl. BFH v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BFHE 217, 8 ff.; zu Recht kritisch gegenüber der Begründung des BFH Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 19.24 mit Fn. 99; vgl. dazu noch Canaris, Großkommentar zum HGB, § 355 Rz. 247. 345 Vgl. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1 ff. = MDR 2005, 54; v. 11.7.1988 – II ZR 281/87, MDR 1989, 144 = NJW 1989, 453. 346 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, MDR 2010, 837 = ZIP 2010, 682 ff. 347 BGH v. 8.1.2009 – IX ZR 217/07, MDR 2009, 530 = ZIP 2009, 380 ff. Schfer

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M Rz. 114

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

Kern“ oder ganz allgemein eine „gesetzliche Bedingung“ für eine Vorverlegung des anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkts ausreichen zu lassen.348 M 115 Die obigen Ausführungen zeigen, dass bei der Annahme einer bedingten oder befristeten349 Rechtshandlung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO Zurückhaltung geboten ist und eine solche Annahme stets wertungsmäßig im Hinblick auf den Schutzzweck der insolvenzrechtlichen Bestimmungen abgesichert werden sollte. Der Anfechtungsgegner muss mit der fraglichen Rechtshandlung bereits eine gesicherte Rechtsstellung erlangt haben, die ihm nicht mehr genommen werden kann und die keine weiteren Aufwendungen der künftigen Insolvenzmasse erfordert. Werden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen abgetreten, kommt es darauf an, ob sie bereits mit Abschluss des zugrundeliegenden Vertrages „betagt“, also nur in ihrer Durchsetzbarkeit vom Beginn oder vom Ablauf einer bestimmten Frist abhängig sind, oder ob sie gemäß §§ 163, 158 Abs. 1 BGB erst mit der Inanspruchnahme der jeweiligen Gegenleistung entstehen. Im letztgenannten Fall hat der Abtretungsempfänger keine gesicherte Rechtsposition.350 M 116 Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht bereits mit dem Abschluss eines Quartals und der Vorlage der Leistungsabrechnungen ein „genereller“ Anspruch des Arztes auf Teilhabe an der Honorarverteilung und insofern schon dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch des Arztes; der Erlass des Honorarbescheids steht danach dem Eintritt einer Bedingung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO gleich.351 M 117 Die rechtsgeschäftliche Bedingung darf jedoch nicht im Eintritt des Insolvenzfalles bestehen. Denn die Anerkennung des Insolvenzfalles als Bedingung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO würde die gezielte Vermeidung jeder Anfechtbarkeit ermöglichen.352 M 117a Kaufoptionen sind im Grundsatz erst mit einer Ausübung der Option im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO vorgenommen.353 Nach einem Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 21.8.2013354 soll allerdings dann, wenn ein Gläubiger die Aufrechnung mit einer bedingten Gegenforderung erkläre (konkret: Ausübung einer Erwerbsoption, die dem Gläubiger für den Fall der Kündigung eines Vorvertrages aus wichtigem, vom Schuldner zu vertretenden Grund eingeräumt wurde), gemäß § 140 Abs. 3 InsO nicht der Zeitpunkt des Bedingungseintritts, nämlich die Entstehung der Aufrechnungslage durch Ausübung der im Vorvertrag ver348 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 11d; Christiansen, KTS 2003, 353 (368 ff.); vgl. dazu jedoch ergänzend unten Rz. M121. 349 Vgl. dazu unten Rz. M131 ff. 350 BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. = GesR 2006, 418 = MDR 2007, 112 zum Dienstvertrag; v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff. zum Mietvertrag. 351 BSG v. 3.2.2010 – B 6 KA 30/08 R, ZIP 2010, 2309 ff. 352 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 52c; BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 529/04, NZI 2007, 58 ff. Rz. 36. 353 Vgl. BGH v. 14.12.1989 – IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368 (374 ff.); MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 9b. 354 OLG Frankfurt a.M. v. 21.8.2013 – 1 U 254/11, ZInsO 2014, 1911 f.

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IV. § 140 Abs. 3 InsO – bedingte und befristete Rechtshandlungen

Rz. 120 M

einbarten Erwerbsoption maßgebend sein; entscheidend sei vielmehr der Abschluss des Vorvertrages. 2. Bedingte Rechtshandlung § 140 Abs. 3 InsO betrifft nur rechtsgeschäftliche Bedingungen,355 mit Ausnah- M 118 me sogenannter „Potestativbedingungen“, bei denen der Eintritt der Bedingung allein vom Willen des Schuldners abhängt.356 Mit dieser Bestimmung können nur bedingte oder befristete Rechtsgeschäfte gemeint sein, weil andere Rechtshandlungen nicht bedingt oder befristet sein können.357 Im Falle der Abtretung oder Pfändung einer künftigen Forderung ist die Entstehung der künftigen Forderung keine Bedingung der Abtretung oder Pfändung.358 Auch auf das Vermieterpfandrecht gemäß § 562 BGB ist § 140 Abs. 3 InsO daher zumindest nicht unmittelbar anwendbar, da das zur Entstehung des Vermieterpfandrechts führende Einbringen von Sachen des Mieters nicht bedingt oder befristet sein kann.359 Zu beachten ist ferner, dass sich die Anfechtung der (unbedingten) Abtretung M 119 einer bedingten oder befristeten Forderung nach § 140 Abs. 1 InsO richtet, da § 140 Abs. 3 InsO nur eingreift, wenn die anzufechtende Rechtshandlung selbst bedingt oder befristet ist.360 Eine bedingte Abtretung kann in dem Fall, dass die abgetretene Forderung erst künftig entsteht, nicht stärker wirken als die sofort wirksame Abtretung; sie unterliegt daher § 140 Abs. 1 InsO.361 Zu § 54 KO hat der BGH allerdings entschieden, eine Forderung sei nicht nur M 120 dann bedingt im Sinne dieser Bestimmung, wenn sie unter einer rechtsgeschäftlichen Bedingung im Sinne des § 158 BGB stehe. Vielmehr sei der Begriff der Bedingung nach dem Zweck der Vorschrift weit auszulegen und könne auch gesetzliche Voraussetzungen für das Entstehen der Forderung umfassen.362 Unter diesem Gesichtspunkt seien als bedingt angesehen worden: Ersatzansprüche gemäß §§ 17, 26 KO für den Fall der Konkurseröffnung,363 Rückgriffsansprüche des Bürgen oder Hypothekenbestellers nach den §§ 774, 1143 BGB durch den Fall der erfolgreichen Inanspruchnahme,364 künftige Ansprüche des Gesellschafters auf das Auseinandersetzungsguthaben365 sowie die Verpflichtung des Beauftrag-

355 Vgl. BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 ff. Rz. 14 = MDR 2006, 1129; v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = ZInsO 2003, 372 f.; HK-InsO/Kreft, § 140 Rz. 13; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 50a f.; HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 140 Rz. 33. 356 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 51. 357 Zutr. Henckel in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 848 f. Rz. 80. 358 BGH v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02, MDR 2003, 833 = NJW 2003, 2171 f.; BFH v. 12.4.2005 – VII R 7/03, BFHE 209, 34 ff. 359 Vgl. BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. = MDR 2007, 610. 360 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 50a; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 45. 361 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 50a. 362 BGH v. 24.3.1994 – IX ZR 149/93, MDR 1994, 573 = ZIP 1994, 714 f. 363 BGH v. 3.12.1954 – V ZR 96/53, BGHZ 15, 333 (335); vgl. aber auch BGH v. 21.11.1991 – IX ZR 290/90, BGHZ 116, 156, 158 f. = MDR 1992, 150. 364 Vgl. BGH v. 9.5.1960 – II ZR 95/58, WM 1960, 720 f. 365 BGH v. 11.7.1988 – II ZR 281/87, MDR 1989, 144 = ZIP 1988, 1545 (1546). Schfer

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ten nach § 667 BGB für den Fall, dass er aus der Geschäftsbesorgung etwas erlangt.366 Er hat jedoch betont, es müsse stets „ein Element am rechtlichen Entstehen des Anspruchs selbst“ fehlen. Hingegen handle es sich bei der Ungewissheit, ob ein Gewährleistungsanspruch bestehe und als solcher innerhalb eines bestimmten zukünftigen Zeitraums tatsächlich erkannt werde, nicht um eine derartige Bedingung.367 M 121 Das Fehlen einer gesetzlichen Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs kann jedoch nach der neueren Rechtsprechung des BGH im Grundsatz nicht als Bedingung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO angesehen werden.368 Da § 140 Abs. 3 InsO eine unentziehbare Rechtsposition des Gläubigers voraussetzt, ist es nicht angängig, die dort formulierten Ausnahmen ohne weiteres auf Rechtsbedingungen oder künftige Forderungen zu erstrecken.369 So ist bspw. ein Rechtsgeschäft nicht schon mit der Abgabe eines Angebotes bedingt durch dessen Annahme zustande gekommen.370 Zwar erfasst etwa § 95 InsO nach der Rechtsprechung des BGH auch Fälle, in denen eine gesetzliche Voraussetzung für das Entstehen der Forderung fehlt. Vorausetzung ist dann aber, dass die Forderung in ihrem „rechtlichen Kern“ aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung bedarf.371 Insbesondere Bedingungen und Gestaltungsrechte sind streng zu unterscheiden. Erstere beinhalten ein Element der Unsicherheit, das nicht durch die Parteien beeinflusst werden kann. Gestaltungsrechte sind dagegen bestimmungsgemäß individuell steuerbar, so dass es bis zu deren Ausübung an einer insolvenzfesten gesicherten Rechtsposition fehlt.372 Keine Bedingungen im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO sind ferner Rechtsfolgen, die infolge tatsächlicher Veränderungen eintreten. Der Anspruch auf Rückgewähr einer nicht akzessorischen, treuhänderisch gestellten Sicherheit entsteht daher erst mit dem Wegfall des Sicherungszwecks und nicht schon mit dem Abschluss der Sicherungsvereinbarung; dazu wäre vielmehr eine auflösend bedingte Bestellung der Sicherheit nötig.373 a) Bedingte Übereignung und bedingte Abtretung M 122 Unter § 140 Abs. 3 InsO fallen unzweifelhaft die bedingte Übereignung und die bedingte Abtretung bestehender Sachen und Rechte. Insolvenzfest ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur die uneingeschränkte Übertragung eines bedingten Rechts, sondern auch die unter einer Bedingung erfolgte Übertragung

366 BGH v. 1.6.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 380 (384 f.). 367 BGH v. 24.3.1994 – IX ZR 149/93, MDR 1994, 573 = ZIP 1994, 714 f. 368 Vgl. BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = BRAK 2007, 230 = ZIP 2007, 1507 ff. zu § 667 BGB. 369 BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = BRAK 2007, 230 = ZIP 2007, 1507 ff. Rz. 18. 370 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 50a. 371 Vgl. BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180 f. Rz. 11; v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1 (4); v. 8.1.2009 – IX ZR 217/07, ZIP 2009, 380 ff. Rz. 32. 372 Vgl. Servatius, WuB VI A. § 130 InsO 2.13. 373 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 51.

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IV. § 140 Abs. 3 InsO – bedingte und befristete Rechtshandlungen

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eines unbedingten Rechts.374 Klassisches Beispiel ist die aufschiebend bedingte Übereignung der Kaufsache an den Vorbehaltskäufer, der dadurch ein echtes Anwartschaftsrecht erwirbt, welches ihm nach den §§ 161 Abs. 1 BGB, 107 InsO nicht mehr genommen werden kann und mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises zum Vollrecht erstarkt. Wird ein Eigentumsvorbehalt vereinbart, ist wegen der damit verknüpften Bedingung anfechtungsrechtlich auf den Zeitpunkt von Einigung und Übergabe abzustellen; lag dieser Zeitpunkt außerhalb der Anfechtungsfrist, ist der später innerhalb der Frist durch eine Zahlung bewirkte Eigentumsübergang nicht anfechtbar.375 b) Rückgriffsanspruch nach § 774 BGB Der BGH nimmt auch weiterhin an, dass der Rechtsgrund des Rückgriffsan- M 123 spruchs nach § 774 BGB „bereits mit der Übernahme der Bürgschaft entsteht und insoweit aufschiebend bedingt begründet wird“.376 Dies kann nur wertungsmäßig überzeugen. Der Schuldner konnte die weitere Entwicklung des Regressanspruchs nicht mehr beeinflussen und hatte auch keine weiteren Leistungen aus der künftigen Insolvenzmasse zu erbringen. Die Entstehung des Regressanspruchs hing vielmehr nur noch vom Eintritt des Sicherungsfalles ab, so dass der Entscheidung des BGH im Ergebnis zuzustimmen ist. Es ist daher wertungsmäßig auch vertretbar, dass der BGH durch Urteil vom M 124 13.3.2008377 entschieden hat, dem Kautionsversicherer stehe bei der Inanspruchnahme aus einer von ihm erteilten Bürgschaft in der Insolvenz des Versicherungsnehmers ein Absonderungsrecht an einem ihm vor der Insolvenzeröffnung sicherungshalber abgetretenen Festgeldguthaben auch dann zu, wenn er den gesicherten Anspruch erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben habe. Er weist jedoch ergänzend darauf hin, dass dem Schuldner keine nach § 91 InsO beachtliche Rechtsposition, wie etwa die Einrede der fehlenden Valutierung des zur Verfügung gestellten Sicherheitsgegenstandes, verblieben sei.378 c) Provisions- bzw. Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gemäß §§ 87, 89b HGB Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters nach § 87 Abs. 1 HGB entsteht nach der Rechtsprechung des BGH bereits mit dem Abschluss des Vertrages zwischen dem Unternehmer und dessen Vertragspartner. Die Provision sei jedoch nach § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB erst verdient, sobald das Geschäft ausgeführt sei; bis dahin stehe sie unter einer aufschiebenden Bedingung.379 374 Vgl. BGH v. 13.3.2008 – IX ZR 14/07, MDR 2008, 768 = ZInsO 2008, 452 f. Rz. 9; v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87 (92 f.) = MDR 2003, 1136. 375 Vgl. Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 140 Rz. 21. 376 BGH v. 13.3.2008 – IX ZR 14/07, MDR 2008, 768 = ZIP 2008, 885 f. 377 BGH v. 13.3.2008 – IX ZR 14/07, MDR 2008, 768 = ZIP 2008, 885 f. 378 BGH v. 13.3.2008 – IX ZR 14/07, MDR 2008, 768 = ZIP 2008, 885 f. Rz. 11. 379 Vgl. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388 ff. = MDR 2005, 51; v. 21.12.1989 – IX ZR 66/89, MDR 1990, 620 = NJW 1990, 1665. Schfer

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M 125

M Rz. 125a

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

M 125a In diesem Zusammenhang ist jedoch ein neueres Urteil des BGH vom 7.5.2013380 zu beachten. Danach ist die nach der Insolvenzeröffnung erklärte Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB bei Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen insolvenzrechtlich unwirksam, wenn der Unternehmer den Handelsvertreter- bzw. Vertragshändlervertrag gekündigt hat, weil sein Vertragspartner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt hat. d) Versicherungsrechtliche Ansprüche M 126 Zur Lebensversicherung (Rückdeckungsversicherung) hat der BGH entschieden,381 dass der Bezugsberechtigte durch die Erteilung einer lediglich widerruflichen Bezugsberechtigung weder einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag noch eine sonstige gesicherte Rechtsposition – etwa ein Anwartschaftsrecht – erworben habe. Vielmehr besitze er nur eine mehr oder weniger starke tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs. In dem entschiedenen Fall hatte der Versicherungsnehmer jedoch zugleich dem begünstigten Geschäftsführer die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verpfändet. Nach der Insolvenzeröffnung hatte der Insolvenzverwalter die Lebensversicherungen gekündigt und von der Versicherung die Zahlung der Rückkaufswerte verlangt. Der BGH weist auf seine frühere Rechtsprechung hin, wonach es sich bei Ansprüchen auf Altersruhegeld, Berufsunfähigkeitsrente und Hinterbliebenenrente nicht um betagte Ansprüche, sondern um aufschiebend bedingte Ansprüche im Sinne des § 67 KO handle, wenn die Bezugsvoraussetzungen noch nicht eingetreten seien. Unter der Geltung der Insolvenzordnung bleibe die insolvenzrechtliche Ausgangslage gleich. M 127 Diese Rechtsprechung des BGH unterliegt erheblichen Bedenken. Spätestens nach der Aufgabe der „Erlöschenstheorie“382 steht fest, dass der Versicherungsvertrag und damit auch die aus ihm resultierenden Ansprüche nicht automatisch mit der Insolvenzeröffnung erlöschen. Der Insolvenzverwalter muss daher den Versicherungsvertrag kündigen, wenn er sich gehindert sieht, ihn fortzuführen. Die erste Frage geht somit dahin, ob er zu einer solchen Kündigung der Zustimmung des Geschäftsführers als Pfandgläubiger bedarf.383 In seinem Urteil vom 7.4.2005 hat sich der BGH nicht mit dieser Frage befasst. Nach § 1276 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein verpfändetes Recht nur mit Zustimmung des Pfandgläubigers aufgehoben werden. „Verpfändetes Recht“ war der künftige Anspruch auf die Versicherungssumme. Der BGH ist in mehreren Entscheidungen davon ausgegangen, dass es sich bei dem Anspruch auf die Auszahlung der Versicherungssumme um einen künftigen Anspruch handle.384 Das Pfandrecht an einem künftigen Anspruch entsteht aber erst mit der Entstehung dieses Anspruchs. Zwar 380 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180 f. 381 BGH v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04 – „Rückdeckungsversicherung“, MDR 2005, 1075 = ZIP 2005, 909 ff. 382 Vgl. BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 ff. = MDR 2002, 1270. 383 Vgl. dazu Elfring, NJW 2005, 2192 ff. 384 BGH v. 23.10.2008 – VII ZB 16/08, MDR 2009, 105 = WM 2008, 2265 ff.; v. 28.10.2009 – VII ZB 82/09, veröffentlicht bei juris.

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IV. § 140 Abs. 3 InsO – bedingte und befristete Rechtshandlungen

Rz. 130 M

gehört die Entstehung des Anspruchs nach Ansicht des BGH nicht zum Verfügungstatbestand; Rechtswirksamkeit kann die Verpfändung einer künftigen Forderung aber erst entfalten, wenn diese selbst entsteht.385 Entsteht die im Voraus verpfändete Forderung erst nach der Eröffnung des In- M 128 solvenzverfahrens, so kann der Pfandgläubiger daran gemäß § 91 Abs. 1 InsO grundsätzlich kein Pfandrecht zu Lasten der Insolvenzmasse erwerben. An einer künftigen Forderung auf die Versicherungssumme, die erst noch wertmäßig „aufgebaut“ werden muss – und zwar nach der Insolvenzeröffnung mit Mitteln der Masse – und die einseitig durch den Willensentschluss des Versicherungsnehmers entzogen werden kann, etwa durch Übertragung des Versicherungsvertrages auf einen Dritten, besteht noch kein insolvenzfestes Pfandrecht. Ein aufschiebend bedingter Anspruch auf die Versicherungssumme, bei dem es etwa nur noch um das „Erleben der Anspruchsvoraussetzungen“ ginge,386 ist ebenfalls nicht gegeben. Der Insolvenzverwalter bedarf daher zur Kündigung nicht der Zustimmung des wideruflich begünstigten Geschäftsführers. Die Insolvenzeröffnung und die auf diesen Umstand zurückzuführende Kündigung des Insolvenzverwalters stellen keine Aufhebung des verpfändeten Rechts im Sinne des § 1276 Abs. 1 InsO dar.387 Der Geschäftsführer hat jedoch die Möglichkeit, von seinem Eintrittsrecht gemäß § 170 VVG Gebrauch zu machen. Es kommt daher allenfalls in Betracht, entsprechend der Rechtsprechung des M 129 BGH zur Teilbarkeit der Leistungen auf einen Werkvertrag388 von einer Teilbarkeit des Anspruchs auf die Versicherungsleistung in dem Sinne auszugehen, dass das zugunsten des Geschäftsführers bestellte Pfandrecht den Teil der Versicherungsleistung erfasst, der bis zur Insolvenzeröffnung durch Prämienzahlungen der GmbH „erkauft“ war (Rückkaufswert). Davon geht auch der BGH in seiner neueren Rechtsprechung aus. Danach ist die Pfändung der aufschiebend bedingten Forderung auf die Versicherungsleistung schon mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses vorgenommen, soweit es um den Rückkaufswert der Lebensversicherung geht.389 e) Insolvenz als Bedingung Auf den Insolvenzfall bedingte Rechtshandlungen werden nach herrschender M 130 Auffassung von § 140 Abs. 3 InsO nicht erfasst.390 Es ist in der Tat nicht Zweck des § 140 Abs. 3 InsO, dem Schuldner die Möglichkeit einzuräumen, im Voraus bedingt für den Fall der Insolvenz über Vermögensgegenstände zu verfügen und 385 BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, MDR 2010, 774 = ZIP 2010, 335 ff. Rz. 18; v. 19.9.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205 (206 f.) = GmbHR 1984, 101 = MDR 1984, 122. 386 Vgl. dazu BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 161/96, BGHZ 136, 220 ff. = GmbHR 1997, 936. 387 Vgl. Fröhling, ZInsO 2006, 249 (250). 388 Vgl. dazu BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 ff. = MDR 2002, 1270. 389 BGH v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638 ff. Rz. 26. 390 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 52c; Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 51; HK-InsO/Thole, § 140 Rz. 17; BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 529/04, BAGE 117, 1 ff. Rz. 36; OLG Koblenz v. 18.9.2003 – 5 U 520/03, ZInsO 2003, 951 f. – a.A. HambKomm-InsO/Rogge/Leptien, § 140 Rz. 34. Schfer

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§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

sie damit der künftigen Insolvenzmasse zu entziehen.391 Vielmehr verbleibt es in diesen Fällen beim Grundsatz des § 140 Abs. 1 InsO, wonach die Rechtshandlung erst in dem Zeitpunkt vorgenommen ist, in dem ihre Wirkung eintritt. Dies ist der Zeitpunkt des Bedingungseintritts. 3. Befristete Rechtshandlung M 131 Befristete Rechtshandlungen im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO sind solche gemäß § 163 BGB. Es muss somit für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts bei dessen Vornahme ein Anfangs- oder ein Endtermin bestimmt worden sein. Nach der Gesetzesbegründung trifft dies etwa auf die Kündigung zu einem zukünftigen Termin zu.392 Eine vertragliche Fälligkeitsvereinbarung stellt nach der Rechtsprechung des BGH eine Befristung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO dar.393 M 132 Mietzinsansprüche entstehen nach der Rechtsprechung des BGH gemäß § 163 BGB aufschiebend befristet erst zum Anfangstermin des jeweiligen Zeitraums der Nutzungsüberlassung.394 Er weist darauf hin, dass Rechtsprechung und Rechtslehre davon ausgingen, Mietzinsraten entstünden als Entgelt für die periodische Gebrauchsüberlassung im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 KO jeweils neu.395 Auch hinsichtlich des Zinses für Kapitalüberlassung liege § 63 Nr. 1 KO die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass derartige Forderungen nicht im Sinne des § 3 Abs. 1 KO schon zur Zeit der Verfahrenseröffnung begründet gewesen seien.396 Der Anspruch auf Mietzahlung für einen bestimmten künftigen Überlassungszeitraum ist somit kein betagter, sondern ein künftiger Anspruch.397 M 133 Die Auffassung des BGH, Mietforderungen seine aufschiebend befristete Forderungen, sollte überdacht werden. Ebenso wie § 140 Abs. 3 InsO nur rechtsgeschäftliche Bedingungen betrifft,398 werden von ihm auch nur rechtsgeschäftlich vereinbarte Befristungen im Sinne des § 163 BGB erfasst. Eine solche rechtsgeschäftliche Vereinbarung über den Zeitpunkt, zu dem die Miete zu zahlen ist, ist jedoch nicht stets gegeben. Deshalb ist in § 556b Abs. 1 BGB gesetzlich geregelt, dass die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten ist, nach denen sie bemessen ist. Der BGH sollte begründen, inwieweit es gerechtfertigt ist, Mietansprüche und Ansprüche auf dienstvertragliche Vergütung – beides Ansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis – unterschiedlich zu behandeln. Er geht zu Recht davon aus, 391 Zutr. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 51. 392 Vgl. Begr. zum Reg.-Entw., BT-Drucks. 12/2443, S. 167. 393 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 ff. Rz. 15; MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 53. 394 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 ff. Rz. 1 = MDR 2007, 610; v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff. 395 BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff. mit Hinweis auf RGZ 40, 120 (125) und Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl., § 55 Rz. 6. 396 BGH v. 30.1.1997 – IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513 ff. mit Hinweis auf die Materialien zur Konkursordnung. 397 Vgl. dazu noch BGH v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380 (387) = MDR 2003, 1103. 398 Vgl. BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 ff. Rz. 14 = MDR 2006, 1129.

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V. Beweislast

Rz. 134 M

dass auch Ansprüche auf Vergütung für geleistete Dienste nicht vor der Dienstleistung entstehen, also künftige Ansprüche darstellen.399 Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass er diese künftigen Ansprüche ebenfalls als aufschiebend befristete Ansprüche ansieht. Davon geht wohl auch das Bundesarbeitsgericht nicht aus, das Ansprüche auf Vergütung aus Dienstvertrag ebenfalls als künftige Ansprüche betrachtet.400 Das Bundesarbeitsgericht weist vielmehr darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bei bereits fälligen Forderungen feststellbar sei, ob die Forderung bestehe und wer Forderungsinhaber sei. Bei künftigen Arbeitseinkommen sei dies gerade nicht der Fall. Es stehe zum Zeitpunkt der Pfändung nicht fest, ob die künftig fälligen Beträge des Arbeitseinkommens entstünden und in welcher Person sie entstünden. Das Arbeitsverhältnis könne wirksam gekündigt werden, und der Schuldner könne den Untergang seines Gehaltsanspruchs durch rechtswidrige Nichterfüllung seiner Arbeitspflicht herbeiführen.401 All das klingt so, als gehe das Bundesarbeitsgericht nicht von einer gesicherten Rechtsposition bzw. von einem Anwartschaftsrecht im Hinblick auf die künftigen Vergütungsansprüche aus. Wenn aber § 163 BGB anordnet, dass im Falle der Bestimmung eines Anfangstermins für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts die für die aufschiebende Bedingung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung finden, so wird ebenso wie dort eine gesicherte Rechtsposition vorausgesetzt. Dies ist aber auch im Hinblick auf künftige Mietforderungen nicht der Fall, da der Mietvertrag etwa durch Kündigung sein Ende finden kann. Nur wenn dem Berechtigten eine gesicherte Rechtsposition zusteht, ist der Zeitpunkt der Geschäftsvornahme und nicht erst der des Bedingungs- bzw. Befristungseintritts maßgebend. Davon geht auch der BGH zu Recht in einem Urteil vom 14.6.2007 aus.402

V. Beweislast § 140 Abs. 1 InsO stellt den Grundtatbestand dar, während die Absätze 2 und 3 M 134 Ausnahmen vorsehen. Entsprechend diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis hat der Insolvenzverwalter im Grundsatz als anspruchsbegründende Voraussetzung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung gemäß § 140 Abs. 1 InsO innerhalb der Anfechtungszeiträume eingetreten sind.403 Hingegen hat derjenige, der im Falle einer Anfechtung Vorteile daraus ableiten will, dass die angefochtene Rechtshandlung nicht erst im Zeitpunkt des Eintritts ihrer rechtlichen Wirkungen, sondern bereits früher vorgenommen worden sei, die Voraussetzungen hierfür darzutun und erforderlichenfalls zu beweisen.404

399 400 401 402 403

BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 ff. = MDR 2007, 112. Vgl. BAG v. 17.2.1993 – 4 AZR 161/92, NJW 1993, 2699 ff. BAG v. 17.2.1993 – 4 AZR 161/92, NJW 1993, 2700. BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, MDR 2007, 1284 = ZIP 2007, 1507 ff. Rz. 17. Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 140 Rz. 50; Bork/Ehricke, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap. 3 Rz. 38. 404 BGH v. 5.2.1998 – IX ZR 43/97, MDR 1998, 548 = ZIP 1998, 513 ff. Schfer

787

M Rz. 135

§ 140 InsO – Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung

M 135 Waren bei der Stellung des Eintragungsantrages gemäß § 140 Abs. 2 InsO noch nicht alle wesentlichen Eintragungsvoraussetzungen erfüllt, so hat der Anfechtungsgegner auch deren Eintritt zu beweisen, wenn sich daraus ein früherer als der nach § 140 Abs. 1 InsO maßgebende Zeitpunkt ergeben soll.405 M 136 Der Pfandgläubiger hat den Zugang der Verpfändungsanzeige beim Drittschuldner außerhalb des kritischen Anfechtungszeitraums nachzuweisen, da der Zugang unabdingbare Wirksamkeitsvoraussetzung einer Forderungsverpfändung ist.406

405 MK-InsO/Kirchhof, § 140 Rz. 55. 406 OLG München v. 11.3.2008 – 5 U 3897/07, ZIP 2009, 330 ff.

788 Schfer

N. § 141 InsO – Vollstreckbarer Titel § 141 Vollstreckbarer Titel Die Anfechtung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass für die Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt oder dass die Handlung durch Zwangsvollstreckung erwirkt worden ist. Rz. I. Entstehung, Zweck und Systematik des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . N1 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N1 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N3 3. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N6 a) § 141 InsO innerhalb der §§ 129 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . . N6 aa) Prinzipienkollision de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N6 bb) Individualvollstreckungsprivilegien de lege ferenda? . N10a b) § 141 InsO und § 88 InsO . . . . . . N11 c) § 141 InsO und die §§ 80, 81, 85, 91 InsO sowie § 240 ZPO . . . . . . N12 II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckbare Schuldtitel (§ 141 Alt. 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . .

N15

Rz. a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelne Vollstreckungstitel . . . 2. Zwangsvollstreckung – Erwirkte Rechtshandlungen (§ 141 Alt. 2 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwirkte Rechtshandlungen . . . c) Abwendungsleistungen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Internationales Recht – EuGVVO und EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freizügigkeit und Universalität der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . 2. Einzelzwangsvollstreckung vor und nach Insolvenzeröffnung . . . . .

N15 N18 N19 N19 N21 N23 N26 N26 N28

N15

I. Entstehung, Zweck und Systematik des Gesetzes 1. Entstehung Die Vorschrift ist unverändert aus § 160 RegE hervorgegangen und entspricht N 1 inhaltlich § 35 KO.1 Dessen Wortlaut enthielt allerdings eine Differenzierung der Vollstreckungsarten, die zu Recht beseitigt wurde: Während § 141 Alt. 2 InsO systematisch korrekt nur die Erwirkung der anzufechtenden Rechtshandlung durch Zwangsvollstreckung bezeichnet, hatte § 35 Fall 3 KO hinzugefügt, dass die Handlung auch durch Vollziehung eines Arrestes erwirkt worden sein kann. Die Neufassung erübrigt die (zu verneinende) Frage, ob die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung nicht erfasst sei. In der Begründung des Regierungsentwurfs der InsO wird unter Verweis auf § 12 des Entwurfs klargestellt, dass als Zwangsvollstreckung i.S.d. § 160 RegE auch die Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung anzusehen ist. Der Rechtsausschuss des Bundestags hat die Erläuterung als überflüssig gestrichen; in den Wortlaut des § 141 InsO hat sie gesetzestechnisch einwandfrei keinen Eingang gefunden, da mit der Verwendung des Oberbegriffs „Zwangsvollstreckung“ implizit auf das 8. Buch der Zivilprozessordnung Bezug genommen wird, die beide Formen

1 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, 167 zu § 160; Kayser/Thole, § 141 Rz. 1. Wagner

789

N Rz. 1

§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

des einstweiligen Rechtsschutzes umfasst (vgl. §§ 916 ff., 935 ff. ZPO). – Die GesO enthielt keine gesonderte, dem § 141 InsO vergleichbare Regelung. § 10 AnfG sieht eine übereinstimmende Regelung für die Individualanfechtung vor. N 2 Die Väter der Konkursordnung hatten die Bestimmung des § 35 KO (§ 28 des Entwurfs der Konkursordnung) mit der Erwägung motiviert: „Wenn eine Handlung nach den Bestimmungen des Gesetzes anfechtbar ist, so darf deren Anfechtung nicht dadurch verhindert oder erschwert werden, dass der Gemeinschuldner im Wege der Zwangsvollstreckung zur Vornahme der Handlung sich hatte zwingen lassen, oder dass ein Vollstreckungstitel erwirkt ist, auf Grund dessen er sich dazu hätte zwingen lassen können.“2 Diese apodiktisch anmutende Umschreibung hat sich deutlich im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen; Aufschluss über die zugrunde liegende ratio legis gibt sie jedoch nicht. Die Motive zur Konkursordnung bringen den Regelungsgehalt des § 35 InsO auf den Punkt mit der prägnanten Paraphrase: „Die Vollstreckbarkeit der Handlung schließt das Anfechtungsrecht nicht aus.“ Die hierzu gegebene Begründung, dieser Satz sei „eine nothwendige Ergänzung der bisherigen Vorschriften …“ (scil. der §§ 22 ff. KO-Entw., §§ 129 ff. InsO), vermag die hinter ihr stehende Wertung, die „Kardinalfrage“ des Vollstreckungsrechts,3 ebenso wenig zu erklären. Dasselbe gilt für die Überlegung der Gesetzesväter, der Vollstreckungstitel wirke nur inter partes, berühre also die Gläubiger nicht und brauche deshalb „nicht erst angefochten zu werden.“4 Auch die sprachlich modernere, inhaltlich aber übereinstimmende Begründung des Regierungsentwurfs zu § 141 InsO (§ 160 RegE) setzt den Zweck der Norm voraus.5 N 2a Keine Rolle spielte die Vorschrift des § 141 InsO im Rahmen der geplanten Reform des Insolvenzanfechtungsrechts und des hierzu verabschiedeten Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 29.9.2015. Die hierzu geführte rechtspolitische und rechtsdogmatische Kontroverse über die Reichweite und notwendige Begrenzung der Vorsatzanfechtung sowie der beabsichtigten Schaffung von Sondervorteilen für bereits erlangte Vollstreckungstitel betrifft jedoch wesentlich die hier relevante Grenzlinie zwischen Einzel- und Gesamtvollstreckung und die damit einhergehende Abgrenzung der sie prägenden kollidierenden Rechtsprinzipien.6 2. Normzweck N 3 Die Vorschrift ist jedoch keine notwendige Ergänzung, sondern eine zweckmäßige Klarstellung, dass eine anzufechtende Rechtshandlung (unter den Vorausset2 Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. IV, 1881, S. 148 zu § 28 (Mot. KO, S. 143 f.); im Wesentlichen wortgleich Begr. Entw. GemeinschuldO, Bd. 1, S. 184. 3 Gaul, ZZP 112 (1999), 135, 154; eingehend zu den haftungsrechtlichen Verteilungsprinzipien an der Schnittstelle von Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenz auch Chr. Berger, ZZP 121 (2008), 407 ff. Vgl. auch Huber, JuS 2006, 1078 ff. im Zusammenhang mit Abwendungs- bzw. Druckzahlungen; s. dazu unten Rz. N23 f. 4 Hahn, Bd. IV, S. 148 unten (Mot. KO, S. 143 f.). 5 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, 167 zu § 160. 6 Vgl. unten Rz. N10a, N10b.

790 Wagner

I. Entstehung, Zweck und Systematik des Gesetzes

Rz. 4 N

zungen der §§ 129 ff. InsO) nicht deshalb der Anfechtung entzogen ist, weil sie im Wege der Zwangsvollstreckung, also durch Hoheitsakt mit Hilfe staatlicher oder staatlich berufener Organe erwirkt werden könnte oder erwirkt worden ist (Primat der Anfechtung). Die Titulierung des Anspruchs auf die Rechtshandlung und deren zwangsweise Durchsetzung sind gleichgestellt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Schuldner die anzufechtende Handlung erst vorgenommen hat, nachdem der Gläubiger seinen Anspruch auf diese Rechtshandlung hatte titulieren lassen. Entscheidend ist die Kernaussage, dass selbst eine rechtskräftige Feststellung des Gläubigerrechts (durch ein Leistungsurteil) oder dessen mit staatlicher Autorität legitimierte Durchsetzung die Rückgängigmachung der bewirkten Vermögensverschiebung nicht hindern kann, wenn die Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO erfüllt sind. Damit bringt der Gesetzgeber konsequent die für das Recht der Insolvenzanfechtung charakteristische zeitliche Erstreckung der materiellen Rechtswirkungen der späteren Insolvenzeröffnung, mithin den Vorrang der Gesamtvollstreckung (par condicio creditorum) vor der am Prioritätsprinzip orientierten Individualvollstreckung (Primat der Gesamtvollstreckung),7 wie er den §§ 1, 35, 80, 81, 91 InsO zugrunde liegt, zum Ausdruck.8 Diese Durchbrechung des Prioritätsprinzips (vgl. § 804 Abs. 3 ZPO) wird besonders deutlich bei der von § 141 Alt. 2 InsO erfassten Kollision von Anfechtung und Zwangsvollstreckung.9 Strittig ist, ob § 141 InsO darüber hinaus den Begriff der Rechtshandlung er- N 4 gänzt (dazu Rz. N5)10 oder sogar den Anfechtungsgegenstand gesondert regelt.11 Zutreffend ist weder das eine noch das andere; keine dieser Interpretationen lässt sich auf die Entstehungsgeschichte der Norm zurückführen oder mit ihrem Wortlaut (Rz. N15, N16, N19) und ihrer Systematik (Rz. N6 ff.) vereinbaren. Die Vorschrift enthält keine eigenständige Regelung des Anfechtungsgegenstandes,12 sie nimmt vielmehr implizit Bezug auf die Anfechtungstatbestände der §§ 130 ff. InsO. Die Streitfragen, ob der in Alt. 1 bezeichnete Vollstreckungstitel

7 Vgl. national BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309, 312 ff.; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353; international BGH v. 11.7.1985 – IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256, 264 = MDR 1985, 1021 (Auslandskonkurs); v. 14.11.1996 – IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 82 oben (ausländischer Zwangsvergleich), jeweils zu § 237 Abs. 1 KO = MDR 1997, 251. 8 Kritisch zum Vorrang des Gleichbehandlungsgrundsatzes etwa Chr. Berger, ZZP 121 (2008), 407, 415 ff., 426 unter VI 1 („keineswegs das gerechtere Verteilungsmodell“). Umfassend zum dogmatischen und rechtspolitischen Verhältnis der beiden Prinzipien im Hinblick auf eine materiell gerechte Verteilungsordnung J. F. Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, 2016, S. 94 ff., 193 ff., 438 ff. 9 Zutreffend Kirchhof in MünchKomm/InsO § 141 Rz. 1. Vgl. auch § 804 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO und dazu Gaul, ZZP 112 (1999), 135, 165 ff. 10 Dafür Cranshaw/Paulus/Michel/von Danckelmann, § 141 Rz. 1; Kübler/Prütting/ Bork/Ehricke, § 141 InsO Rz. 1; BK-InsO/Haas, § 141 Rz. 2; Kirchhof in MünchKomm/InsO § 141 Rz. 3. 11 Dafür BK-InsO/Haas, § 141 Rz. 2. 12 Ebenso die wohl h.M., vgl. Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 7; Kirchhof in MünchKomm/InsO § 141 Rz. 3; Braun/Riggert, § 141 InsO Rz. 1; Zeuner, Anfechtung, Rz. 26, 28 f. Zur Gegenansicht s. die Nachw. in der vorigen Fußnote. Wagner

791

N Rz. 4

§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

selbst oder zumindest dessen Erlangung der Insolvenzanfechtung unterliegen und ob die von Alt. 2 erfasste Vollstreckungsmaßnahme anfechtbar ist, sind ausschließlich nach Maßgabe der §§ 130 ff. InsO zu beantworten. § 141 InsO postuliert weder die Anfechtbarkeit des vollstreckbaren Titels noch die der durchgeführten Vollstreckungsmaßnahme. Er stellt lediglich klar, dass eine Anfechtung der titulierten oder vollstreckten Handlung nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil sie mittels staatlichen Zwangs erwirkt werden könnte oder bereits erwirkt worden ist, mit anderen Worten: weil sie tituliert oder vollstreckt worden ist. Diese Vorstellung liegt auch den oben wiedergegebenen Erwägungen im jeweiligen Gesetzgebungsverfahren zugrunde (Rz. N2). N 5 § 141 InsO normiert daher auch keine erweiternde Ergänzung des Handlungsbegriffs des § 129 InsO.13 Die Generalklausel des § 129 Abs. 1 InsO setzt zwar ebenfalls den Inhalt des verwendeten Begriffs der Rechtshandlung voraus; definitorischen Gehalt hat nur die Gleichstellung von Unterlassungen in § 129 Abs. 2 InsO. Die Vorschrift des § 141 InsO nimmt mit den Begriffen Rechtshandlung in Alt. 1 und (abgekürzt) Handlung in Alt. 2 jedoch lediglich Bezug auf diesen allgemeinen, für das gesamte Recht der Insolvenzanfechtung maßgeblichen Begriff des § 129 InsO und meint synonym die anzufechtende Rechtshandlung des Schuldners oder eines Dritten (s. dazu Rz. B4 ff.).14 § 141 InsO hat somit nur eine Klarstellungsfunktion für das Verhältnis der Insolvenzanfechtung zur Individualvollstreckung (s. Rz. N3). Mit anderen Worten: die Norm regelt nichts, was nicht auch ohne sie gälte. Gegenstand der Deckungsanfechtung ist die erzwungene Vermögensverschiebung, zu deren Anfechtbarkeit der Vollstreckungstitel nichts aussagen kann.15 Immerhin folgt daraus, worauf Haas mit Recht hinweist, dass der Anfechtungsgegner im Anfechtungsprozess nicht einwenden kann, die anfechtbare Handlung sei tituliert oder rechtmäßig vollstreckt.16 Die Vorschrift normiert insoweit einen Einwendungsausschluss, allerdings nicht für den Vollstreckungsgegner,17 sondern für den Anfechtungsgegner im Anfechtungsprozess.18 Seine Umschreibung der Klarstellungsfunktion dahin, „dass trotz Mitwirkung eines staatlichen Organs (Gerichts, Behörde oder Notar) an einer Rechtshandlung deren Anfechtbarkeit nicht ausgeschlossen ist“,19 trifft jedoch nur auf die zweite Tatbestandsvariante der Vorschrift zu; auf Alt. 1 bezogen, käme unzulässigerweise auch der Schuldtitel selbst als anfechtbare Rechtshandlung in Betracht (s. unten Rz. N15).

13 Ebenso die wohl h.M., vgl. etwa Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 2; Braun/Riggert, § 141 InsO Rz. 3; Cranshaw/Hinkel/Zenker, § 141 InsO Rz. 1; Leonhardt/Smid/Zeuner, § 141 InsO Rz. 7 a.E. Zur Gegenansicht s. oben Rz. N4 mit Fn. 10. 14 Ausführlich z.B. Kayser/Thole, § 129 Rz. 12 f., § 131 Rz. 12 f. 15 Zutreffend Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 2; zur Begründung von Alt. 1 s. aber im Text bei Rz. N15–17. 16 BK-InsO/Haas, § 141 Rz. 3 a.E. 17 Entgegen Haarmeyer/Huber/Schmittmann/Kupka, § 141 Rz. 1 a.E. 18 Zutreffend FK-InsO/Dauernheim, § 141 Rz. 1; Uhlenbruck/Hirte, § 141 Rz. 1. 19 BK-InsO/Haas, § 141 Rz. 3 oben.

792 Wagner

I. Entstehung, Zweck und Systematik des Gesetzes

Rz. 7 N

3. Systematik a) § 141 InsO innerhalb der §§ 129 ff. InsO aa) Prinzipienkollision de lege lata Die Vorschrift verursacht systematische Friktionen und Abgrenzungserforder- N 6 nisse, die in Wissenschaft und Praxis nur ansatzweise erkannt und bewältigt sind. Das äußert sich bereits in der oben erwähnten Unsicherheit, ob § 141 InsO eine eigenständige Regelung des Anfechtungsgegenstandes und/oder gar eine Ergänzung des Handlungsbegriffs in § 129 InsO normiert (Rz. N4 f.). Aufschlussreich ist zunächst eine notwendige Bestimmung der systematischen Stellung des § 141 InsO im Recht der Insolvenzanfechtung. Hierzu muss nach dem denkbaren Anfechtungsgegenstand zwischen der titulierten bzw. vollstreckten Handlung einerseits und dem Vollstreckungstitel und der Vollstreckungsmaßnahme andererseits unterschieden werden. § 141 InsO betrifft nur die beiden letztgenannten und stellt insoweit den Vorrang einer möglichen Anfechtung klar (Rz. N3). Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Titel selbst bzw. dessen Erwerb und/oder die Vollstreckungsmaßnahme anfechtbar sind, bestimmt sich dagegen ebenso wie die Anfechtbarkeit der titulierten oder bereits vollstreckten Rechtshandlung nach den Vorschriften der §§ 130 ff. InsO. § 141 InsO berührt somit nicht die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung N 7 entwickelten Grundsätze zur Anfechtung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in Vermögensgegenstände des späteren Insolvenzschuldners. Von zentraler Bedeutung ist deshalb die nach dem Urheber der Rechtshandlung und dem relevanten Zeitraum ihrer Vornahme differenzierende Unterscheidung zwischen der sog. besonderen Insolvenzanfechtung der §§ 130 bis 132 InsO einerseits und derjenigen der (allgemeinen) Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO andererseits.20 Während die §§ 130, 131 InsO lediglich allgemein eine Rechtshandlung verlangen, diese also auch von einem Dritten ausgehen kann,21 sind nach § 133 Abs. 1 InsO nur solche Rechtshandlungen anfechtbar, die der Schuldner mit dem sei es auch nur bedingten Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat. Die Tatbestände der §§ 130 bis 132 InsO regeln die Anfechtbarkeit von Handlungen, die in der wirtschaftlichen Krise des Schuldners vorgenommen werden. In dem von ihnen bestimmten Zeitraum verdrängen sie das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip, wenn die Gläubiger aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht mehr mit einer vollständigen Befriedigung ihrer Forderungen rechnen können. Die Freiheit des einzelnen Gläubigers, seine Ansprüche zwangsweise durchzusetzen, tritt unter den besonderen Voraussetzungen dieser Vorschriften hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück.22 Dabei hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich dieser 20 Grundlegend BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 ff. = MDR 2005, 832. Instruktiv dazu Schoppmeyer, NZI 2005, 185, 186 ff. 21 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 unter 2a mit Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 129 Rz. 35 m.w.N. = MDR 2005, 832; BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZIP 2014, 91 Rz. 45. 22 BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309, 311 ff.; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 80 = MDR 2003, 1256; v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 148 f. = MDR 2005, 832 m.w.N. Wagner

793

N Rz. 7

§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

Vorschriften im Interesse der Rechtssicherheit auf den Zeitraum von längstens drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag beschränkt.23 Der insoweit geltende Vorrang des Gleichbehandlungsgrundsatzes bewirkt zugleich, dass eine Deckung (Befriedigung oder Sicherung) im Wege der Zwangsvollstreckung, die nicht früher als drei Monate vor Antragstellung erlangt wurde, als inkongruent einzustufen ist.24 Dies ist indes keine Folge des § 141 InsO, sondern Ergebnis der herrschenden Auslegung des § 131 InsO. Auch die gegenteilige Interpretation dieser Vorschrift durch eine Reihe von AG und einzelne Stimmen im Schrifttum erkennt, dass § 141 InsO weder ein Argument für die Einordnung einer zwangsweise herbeigeführten Deckung als kongruent oder inkongruent hergibt noch eine Grundlage dafür bietet, die Vollstreckung als anfechtungsbegründenden Akt zu qualifizieren. § 141 InsO besagt lediglich, dass die Vollstreckung (wie die Titulierung) allein kein Umstand ist, der eine Anfechtung ausschließt.25 Mit anderen Worten: der Titel macht das vollstreckungsweise Erlangte nicht „insolvenzfest“.26 N 8 Der Grundsatz, dass die Befugnis des Gläubigers, sich im Wege hoheitlichen Zwangs eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung für eine Forderung zu verschaffen, hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurücktritt, gilt jedoch nach dem System der Anfechtungsregeln nur für den von §§ 130 bis 132 InsO erfassten Zeitraum.27 Aus dieser zeitlichen Eingrenzung folgt nach Ansicht des BGH, dass der einzelne Gläubiger außerhalb des von der besonderen Insolvenzanfechtung geschützten Zeitraums bei der Verfolgung seiner Rechte gegen den Schuldner grundsätzlich keinen vom Anfechtungsrecht ausgehenden Beschränkungen unterliegt.28 Der Einzelne braucht insoweit die Belange der Gesamtheit nicht zu beachten und kann daher seine Ansprüche gegen den Schuldner selbst dann zwangsweise durchzusetzen, wenn er ahnt oder weiß, dass dessen Vermögen nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht. 23 BT-Drucks. 12/2443, 157 f. Vgl. zu einer Neusystematisierung der besonderen Insolvenzanfechtung nebst materiell-rechtlicher Dekonstruktion des Prioritätsprinzips als Grundlagen einer gerechten Verteilungsordnung J. F. Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, 2016, S. 36 ff., 50 ff., 68 ff.; näher zu den unterschiedlichen haftungsrechtlichen Verteilungsprinzipien auch bereits Chr. Berger, ZZP 121 (2008), 407 ff. sowie Gaul, ZZP 112 (1999), 135, 153 ff. 24 BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309, 311 ff.; v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 80 = MDR 2003, 1256; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353; v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 149 = MDR 2005, 832; v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86, 88 f. m.w.N. Ebenso BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZIP 2014, 91 Rz. 22 ff., 25, 29. – A.M. AG Reinbek v. 27.10.2011 – 5 C 414/11, ZIP 2012, 189: unzulässige Analogie; ebenso AG Bergen (Rügen) v. 23.2.2013 – 23 C 513/12, juris Rz. 15 ff. m.w.N. 25 Insoweit zutreffend AG Bergen (Rügen) v. 23.2.2013 – 23 C 513/12, juris Rz. 17. 26 Insoweit zutreffend AG Bergen (Rügen) v. 23.2.2013 – 23 C 513/12, juris Rz. 16. 27 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 80 = MDR 2003, 1256; v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353; v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147, 149 unten m.w.N. = MDR 2005, 832; v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86, 88 f. 28 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147, 149 f. = MDR 2005, 832 entgegen der Ansicht von Kreft, KTS 2004, 205, 218; vgl. im Zusammenhang mit der Pfändung in eine offene Kreditlinie (Dispositionskredit) auch BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353.

794 Wagner

I. Entstehung, Zweck und Systematik des Gesetzes

Rz. 10a N

Dagegen steht § 133 Abs. 1 InsO nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit N 9 der materiellen Insolvenz des Schuldners, sondern beruht auf der Wertung, dass ein Schuldner nicht berechtigt sein kann, einzelne Gläubiger gegenüber den anderen trotz gleichrangiger Verpflichtungen zu begünstigen. Entscheidend ist hier also der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene, vom Gesetzgeber missbilligte Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen.29 Eine Vorsatzanfechtung greift jedoch nur, wenn der Anfechtungsgegner den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kennt, wobei die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Gläubigerbenachteiligung eine vom anderen Teil (Anfechtungsgegner) zu widerlegende Vermutung der Vorsatzkenntnis begründet (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Allerdings ist nicht erforderlich, dass die Initiative vom Schuldner ausgeht. Ein unredlicher Gläubiger, der den Schuldner zu einer nach § 133 InsO missbilligten Rechtshandlung veranlasst, wird vom Schutzbereich der Norm ebenfalls erfasst. Daher sind auch Leistungen, die der Schuldner in Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung zur Abwendung der ihm angekündigten Zwangsvollstreckung innerhalb oder außerhalb einer ihm gesetzten Frist erbringt, grundsätzlich nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar (s. dazu Rz. N24).30 Der BGH hat die durch eine (extensive) Anwendung des § 133 InsO auf Vollstre- N 10 ckungshandlungen des Gläubigers erzeugte Gefahr einer gesetzwidrigen Ausdehnung der Deckungsanfechtung über den Dreimonatszeitraum hinaus und die damit verbundene Entwertung der Zwangsvollstreckung als Grundproblem erkannt.31 Ein Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung beruht folglich nur dann auf einem Unterlassen des Schuldners i.S.d. § 129 Abs. 2 InsO, wenn der Gläubiger bei Vornahme der dem Schuldner möglichen und von ihm bewusst vermiedenen Rechtshandlung, insbesondere der Einlegung eines Rechtsbehelfs, den zwangsweise erworbenen Gegenstand nicht erlangt hätte oder ihn vor Insolvenzeröffnung hätte zurückgewähren müssen. Ohne diese ursächliche Verbindung zwischen der Unterlassung und der Gläubigerbenachteiligung fehlt es an der von § 133 InsO geforderten Rechtshandlung des Schuldners.32 bb) Individualvollstreckungsprivilegien de lege ferenda? Von betroffenen Kreisen monierte Fehlentwicklungen des Insolvenzanfech- N 10a tungsrechts mit der Folge unverhältnismäßiger und unkalkulierbarer Risiken

29 BT-Drucks. 12/2443, 160 zu § 148 („Entscheidend sind das Bewusstsein und der Wille, die Gläubiger zu benachteiligen“); BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147, 149 = MDR 2005, 832 mit Jaeger/Henckel, § 31 KO Rz. 11; Uhlenbruck/Hirte, § 133 Rz. 12; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 133 Rz. 12. Vgl. ausf. dazu Kirchhof, FS G. Fischer, 2008, S. 285 ff. und bereits Schoppmeyer, NZI 2005, 185 ff. 30 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 = MDR 2003, 1256; v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147, 150 f. = MDR 2005, 832. 31 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 152 f. = MDR 2005, 832. Vgl. näher zur Problematik einer Ausweitung der Vorsatzanfechtung durch die Rechtsprechung Ganter, WM 2014, 49 ff. m.w.N. 32 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 155 = MDR 2005, 832 mit Bork, ZIP 2004, 1684, 1685. Wagner

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§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

für den Wirtschaftsverkehr33 motivierten den Gesetzgeber der 18. Legislaturperiode zu einer punktuellen, letztlich auf die Vorschriften der §§ 14, 133, 142, 143 InsO beschränkten Reform des Anfechtungsrechts. Mit ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.9./16.12.2015 verfolgte die Bundesregierung das Ziel, den Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die von der Praxis des Insolvenzanfechtungsrechts besonders im Zusammenhang mit der Vorsatzanfechtung, aber auch bei der Reichweite des Bargeschäftsprivilegs ausgingen.34 Für einige praktisch besonders wichtige Fallgruppen sollten gesetzliche Klarstellungen erfolgen, um deren Behandlung für die Betroffenen und den Rechtsverkehr berechenbarer zu machen. Darunter war auch eine geplante Änderung der Anfechtung inkongruenter Deckungshandlungen nach § 131 Abs. 1 InsO. N 10b

Geplant war zunächst auch eine Einschränkung der Inkongruenzanfechtung, indem in § 131 Abs. 1 InsO ein Satz 2 angefügt werden sollte mit folgendem Wortlaut: Eine Rechtshandlung wird nicht allein dadurch zu einer solchen nach Satz 1, dass die Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erwirkt oder zu deren Abwendung bewirkt worden ist. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Sicherungen oder Befriedigungen, die in der Krise des Schuldners durch Vollstreckungsmaßnahmen erwirkt wurden, vor allem als inkongruente Deckung nach § 131 Abs. 1 InsO anzufechten sind.35 Demgegenüber sollte die Neuregelung klarstellen, dass eine Sicherung oder Befriedigung nicht allein deswegen inkongruent sei, weil sie in „kritischer Zeit“ (innerhalb von einem bis drei Monaten vor dem Insolvenzantrag, vgl. § 131 Abs. 1 InsO) durch Zwangsvollstreckung erwirkt worden ist. Vielmehr sollte eine solche Deckung der Kongruenzanfechtung unterworfen werden.36 Damit war beabsichtigt, dass Gläubiger, die sich lediglich der gesetzlich vorgesehenen Zwangsmittel zur Durchsetzung ihrer Ansprüche bedienten, „nur dann um die Früchte ihrer Anstrengungen gebracht werden“ könnten, wenn sie die Vollstreckung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durchführten.37

N 10c

Die geplante Einschränkung (§ 131 Abs. 1 Satz 2 InsO-E) wurde indes vom federführenden Rechtsausschuss des Bundestages vollständig gestrichen, nachdem man gewahr wurde, dass mit der Neuregelung auch ein sog. Fiskusprivileg eingeführt werden würde.38 Berichterstatter und Sachverständige waren sich darin einig, dass es eine drohende Privilegierung öffentlicher Gläubiger, sprich der Finanzbehörden und Sozialkassen, die ihre Außenstände nicht gerichtlich titulieren lassen müssen, sondern im Wege der Selbstexekution durchsetzen können, 33 So die Begründung des RegE v. 29.9.2015, S. 7 (A I Abs. 1 vor 1.) = BT-Drucks. 18/7054, 10. 34 RegE v. 29.9.2015, S. 7 oben, 10 unter II vor 1. = BT-Drucks. 18/7054, 10, 12 unten. 35 Vgl. paradigmatisch BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353 ff. zum insolvenzfesten Erwerb eines Pfändungspfandrechts an einer Kontokorrentkreditforderung (offene Kreditlinie beim Dispositionskredit) im Wege einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung in „kritischer“ Zeit. 36 BT-Drucks. 18/7054, 14 unter 3.2 unten. 37 BT-Drucks. 18/7054, 14 unter 3.2 unten. 38 RegE v. 29.9.2015, S. 10 unter II vor 1. = BT-Drucks. 18/7054, 12 unten.

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Rz. 12 N

jedenfalls zu verhindern galt.39 Dass dem Gesetzgeber bei dieser Gelegenheit eine Differenzierung zwischen solcherart privilegierten öffentlichen Gläubigern und als schützenswert erkannten privaten Vollstreckungsgläubigern nicht gelang, bedeutet nicht, dass künftig die Zwangsvollstreckung aus gerichtlichen Titeln ein für allemal als inkongruente Deckungshandlung der anfechtsbedingten Rückabwicklung unterliegen müsste. b) § 141 InsO und § 88 InsO Die Folgen des Insolvenzverfahrens für die Zwangsvollstreckung gegen den N 11 Schuldner sind durch die §§ 88 ff. InsO speziell geregelt.40 Nach § 88 InsO wird eine Sicherung, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt hat, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (kraft Gesetzes) unwirksam. Für das auf Antrag des Schuldners eröffnete vereinfachte Verfahren sieht § 312 Abs. 1 Satz 3 InsO eine Frist von drei Monaten vor. Soweit diese sog. Rückschlagsperre greift, bedarf es also keiner Anfechtung.41 Die Problematik dieser Vorschrift liegt in ihrer nur begrenzten Eignung des § 88 InsO, den Grundsatz der par condicio creditorum umzusetzen. Denn sie betrifft nur Sicherungen, und zwar nur vollstreckungsrechtliche, nicht auch rechtsgeschäftliche; außerdem erfasst sie im Regelinsolvenzverfahren nur den letzten Monat des von den §§ 130 bis 132 InsO abgedeckten Dreimonatszeitraums.42 Vollstreckungsbedingte Befriedigungen sind dagegen als inkongruente Deckung ohnehin nach § 131 Abs. 1 InsO anzufechten. Da § 141 InsO keine Regelung über die Anfechtung von Vollstreckungshandlungen trifft, konkurriert sie auch nicht mit § 88 InsO; streng genommen erübrigt sich insoweit eine Normabgrenzung. c) § 141 InsO und die §§ 80, 81, 85, 91 InsO sowie § 240 ZPO Bei Insolvenzeröffnung anhängige Erkenntnisverfahren (vgl. §§ 253, 261 ZPO) N 12 über einen Gegenstand der Insolvenzmasse werden nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen, unabhängig davon, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Instanz sie sich befinden. Entsprechendes gilt nach § 240 Satz 2 ZPO im Eröffnungsverfahren mit Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. § 22 Abs. 1 InsO). Gemäß § 240 ZPO unterbrochen werden auch die Verfahren aufgrund prozessualer Gestaltungsklagen nach §§ 767, 768, 771 ZPO, soweit sie die (zu sichernde) Insolvenzmasse betreffen. Gleiches gilt für Arrestund Verfügungsverfahren. – Dagegen werden das Zwangsvollstreckungsverfahren und die sie vorbereitenden, erst ermöglichenden Maßnahmen, wie das ihm vorausgehende Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel, grundsätz-

39 BT-Drucks. 18/11199, 10; vgl. hierzu die weiteren Angaben zu Rz. O3a, O11, O123e, O212c. 40 Vgl. BGH v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05, BGHZ 172, 16, 19 Rz. 10 = MDR 2007, 908. 41 BK-InsO/Haas, § 141 Rz. 4; Graf-Schlicker/Huber, § 141 InsO Rz. 4; Kayser/Thole, § 141 Rz. 4; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 141 Rz. 9; Haarmeyer/Huber/Schmittmann/Kupka, § 141 Rz. 8; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 141 Rz. 6. 42 Vgl. im Einzelnen Kayser/Thole, § 88 Rz. 2, 17 ff. Wagner

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§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

lich nicht unterbrochen.43 Hier hat der Insolvenzverwalter aber die Möglichkeit, inbesondere im Wege der Erinnerung nach § 732 ZPO der Klauselerteilung entgegenzuwirken oder nach § 766 ZPO die Aufhebung rechtswidriger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu erreichen. Deren Anfechtung wird dadurch nicht ausgeschlossen, möglicherweise aber obsolet.44 Die Frist des § 146 InsO wird durch die Geltendmachung vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelfe allerdings nicht gewahrt.45 Um die Frist des § 146 InsO zu wahren, kann der Verwalter hierzu allerdings neben der Geltendmachung vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelfe gezwungen sein.46 Gegebenenfalls wird er versuchen, den (potentiellen) Anfechtungsgegner in Verhandlungen zu ziehen (vgl. § 203 BGB) oder ihn zu einem Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu bewegen. N 13 Zu Pfändungsmaßnahmen im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner hat der BGH ausgeführt, für die Anwendung des § 240 ZPO bestehe neben den §§ 88 ff. InsO kein Raum. Pfändungsmaßnahmen würden nach den genannten Vorschriften der Insolvenzordnung überwiegend unzulässig, was von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Soweit Vollstreckungsmaßnahmen noch vorgenommen werden können (von Massegläubigern, Aussonderungs- oder Absonderungsberechtigten), bestehe unter Abwägung der beiderseitigen Interessen kein Bedürfnis für eine Unterbrechung des Verfahrens.47 Aufschlussreich für das Verständnis des Verhältnisses von Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenzverfahren sind die weiteren Ausführungen des Gerichts. Danach sei § 240 ZPO vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Insolvenzordnung gesondert geregelt habe, wie Forderungen gegen den Schuldner im Insolvenzverfahren geltend zu machen sind, nämlich vorrangig durch Anmeldung zur Tabelle (§ 174 InsO) und erst bei Bestreiten des Verwalters oder des Schuldners durch Klage auf Feststellung zur Tabelle (§ 179 InsO). Die Unterbrechung eines bereits gegen den Schuldner anhängigen Passivprozesses sei schon deshalb sinnvoll, weil die Klageforderung zunächst nicht mehr auf diesem Weg verfolgt, der Rechtsstreit aber gegebenenfalls wieder aufgenommen werden könne. Demgegenüber führten die §§ 88, 89, 90 InsO unmittelbar zur Unwirksamkeit bzw. Unzulässigkeit der Vollstreckungsmaßnahme, was mit dem statthaften Rechtsbehelf geltend gemacht werden kön-

43 Vgl. BGH v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05, BGHZ 172, 16, 18 f. (Pfändungsmaßnahmen) = MDR 2007, 908; v. 12.12.2007 – VII ZB 108/06, MDR 2008, 410 = NJW 2008, 918, 919 = ZInsO 2008, 158; im Einzelnen Uhlenbruck/Mock, § 85 InsO Rz. 58; Kayser/Thole, § 85 Rz. 9 ff., 26 ff. (27). 44 Vgl. zur Konkurrenz der Anfechtung mit vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen zutreffend etwa Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 9, missverständlich Gehrlein, WM 2009, SBeil. Nr. 1 S. 61 a.E.: der Insolvenzverwalter könne neben der Wahrnehmung verfahrensrechtlicher Rechtsbehelfe nicht zugleich im Wege der Anfechtung vorgehen. Im Gegenteil: zur Wahrung der Frist des § 146 InsO, muss er dies gegebenenfalls sogar tun. 45 BK-InsO/Haas, § 141 Rz. 3; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 141 Rz. 4; Haarmeyer/ Huber/Schmittmann/Kupka, § 141 Rz. 3; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 141 Rz. 5. 46 BK-InsO/Haas, § 141 Rz. 3; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 141 Rz. 4; HambK-InsO/ Rogge/Leptien, § 141 Rz. 5. 47 Eingehend BGH v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05, BGHZ 172, 16, 19 Rz. 10, 11 = MDR 2007, 908.

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II. Anwendungsbereich

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ne. Eine Wiederaufnahme der begonnenen Vollstreckung sei dagegen nicht vorgesehen.48 Zu klären bleibt das Verhältnis des § 141 InsO zu den materiellen Wirkungen N 14 der Insolvenzeröffnung gem. §§ 80, 81 InsO einerseits, § 91 InsO andererseits. Auch insoweit handelt es sich jedoch nur um eine scheinbare Abgrenzungsaufgabe. Denn der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter und der Ausschluss des Erwerbs von Rechten daran nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens spielen für die Insolvenzanfechtung keine Rolle. Diese erfasst den „kritischen“ Erwerb von Gegenständen aus dem Schuldnervermögen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. § 129 Abs. 1 InsO), jene etwaigen Erwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Unabhängig davon bringt § 141 InsO lediglich den systemimmanenten Vorrang der Anfechtung vor der Individualvollstreckung zum Ausdruck, ohne ihn vorzugeben (s. oben Rz. N3).

II. Anwendungsbereich 1. Vollstreckbare Schuldtitel (§ 141 Alt. 1 InsO) a) Überblick Der Wortlaut des § 141 InsO gibt keinen Anhaltspunkt für die Möglichkeit einer N 15 Anfechtung des Vollstreckungstitels selbst49 oder auch nur die seines Erwerbs.50 Die Formulierung der ersten Tatbestandsalternative bezeichnet ausdrücklich und ausschließlich die Anfechtung der titulierten Handlung, die nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil die Rechtshandlung tituliert ist; sie besagt aber nichts über eine etwaige Anfechtbarkeit des Titels (vgl. bereits oben Rz. N4). Zumindest ungenau ist daher die Charakterisierung von Henckel, „ein vollstreckbarer Schuldtitel, der für eine anfechtbar erworbene Forderung erwirkt worden ist“, sage „über deren Anfechtbarkeit im Insolvenzverfahren nichts aus.“51 Denn es geht nicht um den Erwerb der titulierten Forderung, sondern um die geschuldete Handlung selbst, sie ist Vollstreckungsgegenstand, auf ihre Vornahme lautet der Vollstreckungstitel. Um bei dem Wortlaut des § 141 Alt. 1 InsO zu bleiben: es geht bei dieser Vorschrift um den – die Anfechtung nicht ausschließenden – Erwerb des Titels, nicht um den der zugrunde liegenden Forderung. Richtig ist dagegen die Aussage, dass „die staatliche Autorität, die hinter dem Vollstreckungstitel steht, anfechtungsrechtlich unerheblich ist“ (vgl. oben Rz. N3).52 Darüber hinaus sollte unstreitig sein, dass das Insolvenzanfechtungsrecht nicht zur Begründung eines Rechtsbehelfs oder Rechtmittels im titelschaffenden Ver48 BGH v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05, BGHZ 172, 16, 19 f. Rz. 12 = MDR 2007, 908. 49 Wie hier Kayser/Thole, § 141 Rz. 2; Uhlenbruck/Hirte, § 141 InsO Rz. 3; Cranshaw/ Hinkel/Zenker, § 141 InsO Rz. 2. A.A. Leonhardt/Smid/Zeuner, § 141 InsO Rz. 4. 50 A.A. Kayser/Thole, § 141 Rz. 2; Kirchhof in MünchKomm/InsO § 141 Rz. 5; Uhlenbruck/Hirte, § 141 InsO Rz. 3, jew. m.w.N. 51 Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 2. 52 Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 4. Vgl. aber BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309, 313 f. Wagner

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§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

fahren taugt; die Anfechtungsgründe der §§ 130 ff. InsO sind (überspitzt formuliert) weder Berufungs- noch Revisionsgründe (§§ 513, 545 ff. ZPO) und liefern erst recht keinen Grund zur Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Verfahren (§§ 578 ff. ZPO).53 Hiervon zu unterscheiden sind die Fortführung aufgenommener Verfahren oder die Wahrnehmung vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelfe durch den Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners (§§ 80, 81 InsO), mit denen zwar die materielle oder formelle Berechtigung des Gläubigerbegehrens bestritten, nicht aber die insolvenzrechtliche Zuweisung des Vermögensgegenstands an die Gläubigergesamtheit geltend gemacht wird.54 Die zur Beschreibung ihres Anwendungsbereichs verwendete Formulierung von Kreft, nach dem Wortlaut der Vorschrift seien „nicht die durch einen staatlichen Hoheitsakt erlangten Schuldtitel selbst, sondern nur die sie erwirkenden oder ausnutzenden Rechtshandlungen des Titelgläubigers und fördernde Rechtshandlungen des Schuldners“55 anfechtbar, trifft nur in ihrem ersten Teil zu. Darüber, ob die den Schuldtitel erwirkenden oder ausnutzenden Rechtshandlungen des Titelgläubigers und fördernde Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar sind, besagt § 141 InsO nichts. Daher ist hier nicht auf den Meinungsstreit einzugehen, ob der Erwerb eines vollstreckbaren Titels grundsätzlich nicht (so zutreffend Henckel, Hirte, Kreft), nur zusammen mit der anfechtbaren Vollstreckungsmaßnahme (dafür etwa Dauernheim, Nerlich) oder prinzipiell doch als Rechtshandlung, die eine Sicherung oder Befriedigung eines Insolvenzgläubigers ermöglichen kann, der Insolvenzanfechtung unterliegt (dafür Zeuner).56 N 17 Der Vollstreckungstitel muss „für die anzufechtende Rechtshandlung erlangt“ worden sein. Ist das Rechtgeschäft selbst, insbesondere die Eingehung eines Verpflichtungsgeschäfts als unmittelbar benachteiligende Rechtshandlung i.S.d. § 132 InsO anfechtbar, so schließt die Verurteilung dazu (scil. zur Abgabe der Verpflichtungserklärung) die Anfechtung nicht aus.57 Hiervon zu unterscheiden ist die Erwirkung des Vollstreckungstitels als solche, mithin dessen Erwerb, der für sich genommen das Vermögen des Schuldners nicht schmälert und daher mangels Gläubigerbenachteiligung der Anfechtung entzogen ist.58 Dagegen soll nach 53 Vgl. ausführlich zur „Rechtsnatur“ des Anfechtungsrechts Jaeger/Henckel, § 143 InsO Rz. 3 ff.; Kirchhof in MünchKomm/InsO, Vor §§ 129–147 Rz. 11 ff., 37; Kayser/ Thole, § 141 Rz. 83 ff.; m.w.N. 54 Vgl. zu diesem Konkurrenzverhältnis oben Rz. N12 f. 55 HK-InsO/Kreft, § 141 Rz. 2; ebenso Kayser/Thole, § 141 Rz. 2. 56 Vgl. Leonhardt/Smid/Zeuner, § 141 InsO Rz. 5 mit Nachw. – Soweit die §§ 130, 131 InsO auch Rechtshandlungen erfassen, die eine Deckung „ermöglichen“, sind damit vor allem Prozesshandlungen gemeint, die wie etwa ein Anerkenntnis (§ 307 ZPO) zwar keine Deckung gewähren, aber zu einer solchen führen können, vgl. BT-Drucks. 12/2443, 157 zu RegE § 145 (§ 130 InsO). Weder daraus noch aus der Konvention weiter Auslegung des Handlungsbegriffs lässt sich m.E. eine Anfechtbarkeit von Schuldtiteln herleiten. Wie hier nunmehr Kirchhof in MünchKomm/InsO § 141 Rz. 4a. 57 Vgl. HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 141 Rz. 6; Kirchhof in MünchKomm/InsO § 141 Rz. 4a. 58 Vgl. BGH v. 11.7.1991 – IX ZR 230/90, MDR 1991, 962 = NJW 1992, 624, 626 zum Erwirken eines Arrestbefehls, der dem Gläubiger freilich, anders als Leistungsverfügungen i.S.d. § 935 ZPO, nur eine anfechtungsrelevante Sicherung verschaffen könnte; vgl. auch HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 141 Rz. 6; Uhlenbruck/Hirte, § 141 InsO Rz. 3, der aber zwischen Erwirkung und Erwerb des Titels differenziert.

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II. Anwendungsbereich

Rz. 18 N

wohl h.M. das Erwirken des Titels selbst jedenfalls dann anfechtbar sein, wenn ihm nach materiellem Recht keine wirksame Forderung zugrunde liegt.59 Geradezu idealtypisch von § 141 Alt. 1 InsO erfasst wird ferner die Verurteilung zur Erfüllung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts.60 Andernfalls wäre die Deckungsanfechtung von Befriedigungen einzelner Gläubiger gegenstandslos. Anfechtungsgegenstand i.S.d. §§ 130 f., 133 ff. InsO ist insbesondere die Erfüllungshandlung des Schuldners.61 Der Leistungstitel (andere scheiden von vornherein aus) ist daher gegebenenfalls für die anzufechtende Rechtshandlung i.S.d. § 141 Alt. 1 InsO erlangt. Diese Tatbestandsvariante betrifft somit alle anfechtbaren Leistungen auf eine titulierte Forderung, mögen sie auch zur Abwendung der zwangsweisen Durchsetzung des Titels erfolgt sein (s. dazu unten Rz. N23, N24).62 Der Anfechtung einer nicht titulierten Gegenleistung steht sie erst recht nicht entgegen.63 b) Einzelne Vollstreckungstitel „Die Anfechtung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die anzufechtende N 18 Rechtshandlung durch einen Vollstreckungstitel, der sogar in einem rechtskräftigen Urteil bestehen kann, gedeckt wird“; mit diesen Worten wird in der Begründung des Regierungsentwurfs der InsO die erste Tatbestandsalternative des § 141 InsO umschrieben.64 Die Vorschrift erfasst danach alle formell rechtskräftigen oder vorläufig vollstreckbaren Endurteile (§ 704 Abs. 1 ZPO), mithin den Grundtypus der in der Zivilprozessordnung anerkannten Vollstreckungstitel.65 Darüber hinaus kommen alle übrigen bundes- oder landesrechtlichen Schuldtitel (§§ 794 bis 801 ZPO) in Betracht, soweit sie die anzufechtende Rechtshandlung zum Gegenstand haben. Vollstreckbare Schuldtitel i.S.d. § 141 Alt. 1 InsO sind also neben Endurteilen und diesen gleichstehenden Gerichtsentscheidungen und im Verwaltungsweg vollziehbaren Verwaltungsakte des Allgemeinen und Besonderen Verwaltungsrechts, insbesondere des Abgaben- und Sozialversicherungswesens (vgl. §§ 249 ff. AO, §§ 150 ff. FGO, § 199 SGG, §§ 1 ff., 5,

59 Vgl. Gehrlein, WM 2009, SBeil. Nr. 1 S. 61 f.; BK-InsO/Haas, § 141 Rz. 10; Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 6; Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 141 InsO Rz. 2; Kirchhof in MünchKomm/InsO § 141 Rz. 7; Kayser/Thole, § 141 Rz. 2; Cranshaw/Hinkel/Zenker, § 141 InsO Rz. 5. Zutreffend a.A. Haarmeyer/Huber/Schmittmann/Kupka, § 141 Rz. 2; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 141 Rz. 4: nur mit verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfen angreifbar. Differenzierend, i.Erg. wie h.M. K. Schmidt/Büteröwe, § 141 Rz. 3: Erwirken des Titels als Rechtshandlung anfechtbar, wenn aufgrund kollusiven Zusammenwirkens der Parteien eine fiktive Forderung tituliert wird. 60 H.M., vgl. dafür Graf-Schlicker/Huber, § 141 InsO Rz. 2; Kirchhof in MünchKomm/InsO § 141 Rz. 4a.A.M. Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 5. 61 Vgl. BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, MDR 2002, 845 = NJW 2002, 1574 (1576) = ZIP 2002, 489 unter III 1; obiter OLG Köln v. 17.12.2003 – 2 U 87/03, OLGR 2004, 276 – juris-Rz. 37, zur Anfechtung von Vorauszahlungen auf eine nicht titulierte Gegenleistung. 62 Zutreffend Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 6. 63 OLG Köln v. 17.12.2003 – 2 U 87/03, OLGR 2004, 276 – juris-Rz. 37. 64 BT-Drucks. 12/2443, 167 zu § 160. 65 Vgl. Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 704 Rz. 1 ff. Wagner

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§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

6 ff. VwVG),66 vor allem Prozessvergleiche, Kostenfestsetzungsbeschlüsse, beschwerdefähige Entscheidungen, Vollstreckungsbescheide, für vollstreckbar erklärte Anwaltsvergleiche und Schiedssprüche (§§ 796a–c ZPO, §§ 1055, 1060 ZPO), gerichtliche oder notarielle vollstreckbare Urkunden sowie für vollstreckbar erklärte Europäische Zahlungsbefehle. Darüber hinaus sind die in Familiensachen ergangenen gerichtlichen Beschlüsse (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 FamFG) und gerichtlich gebilligten Vergleiche (§§ 86 Abs. 1 Nr. 2, 156 Abs. 2 FamFG) zu nennen, soweit sie überhaupt eine anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners zum Gegenstand haben; ferner sind durch Urteil ergangene Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen (§§ 928 ff., 936 ff. ZPO)67 zu erwähnen sowie vollstreckbar ausgefertigte Eintragungen in die Insolvenztabelle, der sog. Tabellenauszug über eine festgestellte Forderung (§§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 InsO), Insolvenzpläne (§ 257 ZPO), Zuschlagsbeschlüsse in Verfahren der Zwangsversteigerung (§§ 93, 162, 171a ZVG) und nicht zuletzt mit Vollstreckungsklausel versehene Notarkostenrechnungen (§§ 155, 157 Abs. 2 KostO) und Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse für Rechtsanwälte (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, früher: § 19 Abs. 2 Satz 3 BRAGO).68 2. Zwangsvollstreckung – Erwirkte Rechtshandlungen (§ 141 Alt. 2 InsO) a) Überblick N 19 Umstritten ist auch bei der zweiten Tatbestandsvariante, was Anfechtungsgegenstand i.S.d. § 141 InsO ist. Wurde die anfechtbare Rechtshandlung durch Vollziehung des Vollstreckungstitels erwirkt, so richtet sich die Anfechtung nach herrschender Meinung gegen die Vollstreckungshandlung selbst.69 Nach der Gegenansicht soll daneben auch der Vollstreckungstitel, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben wird, zusammen mit der Vollstreckungshandlung anfechtbar sein.70 Darauf kommt es jedoch bei § 141 Alt. 2 InsO nicht an. Dem Wortlaut des § 141 InsO mag entnommen werden, dass der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Anfechtbarkeit der Vollstreckungsmaßnahme ausgegangen ist. Das entspricht der wohl herrschenden Auslegung der Vorschrift. Zu66 Vgl. etwa die Fälle BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 24/94, BGHZ 128, 196 = MDR 1995, 811 = NJW 1995, 1090; BGHZ 162, 143; 170, 276; 182, 317; s. auch BGH v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, MDR 2002, 845 = NJW 2002, 1574 (1576) = ZIP 2002, 489 unter III 1 zur Leistung auf einen bestandskräftigen Leistungsbescheid einer Krankenkasse; BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = ZInsO 2011, 584 und dazu unten Rz. N23. 67 Ausdrücklich erwähnt in BT-Drucks. 12/2443, 167 zu § 160. Vgl. dazu den Fall OLG Köln v. 17.12.2003 – 2 U 87/03, OLGR 2004, 276 – juris-Rz. 35 ff., 37, wo es allerdings um die Anfechtung von Vorauszahlungen der Schuldnerin auf die nicht titulierte Gegenleistung für die – durch einstweilige Verfügung – titulierte Hauptforderung (Freischaltung eines Telekommunikationsnetzes) ging. 68 Vgl. Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 794 Rz. 3 ff., 136 sowie zu § 801 ZPO; Prütting/Gehrlein/Scheuch, ZPO, 3. Aufl., § 794 Rz. 2 ff. 69 Gehrlein, WM 2009, SBeil. Nr. 1 S. 62; Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 8; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 141 Rz. 5; Leonhardt/Smid/Zeuner, § 141 InsO Rz. 6; Zeuner, Anfechtung, Rz. 29. 70 RGZ 126, 307; Uhlenbruck/Hirte, § 141 InsO Rz. 3; Kilger/K. Schmidt, § 35 KO Anm. 2. Zutreffend dagegen Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 8.

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II. Anwendungsbereich

Rz. 20 N

treffender Weise ist hingegen auch in den von der zweiten Alternative erfassten Fällen davon auszugehen, dass die Anfechtung nicht gegen die Vollstreckungshandlung selbst, sondern gegen die durch sie erwirkte Vermögensverschiebung71 zu richten ist, mithin gegen die Wirkungen der Zwangsvollstreckung und nicht gegen diese selbst.72 Ebendies dürfte regelmäßig gemeint sein, wenn davon die Rede ist, dass die Pfändung, Überweisung etc. (vgl. §§ 803, 808, 829 ff., 835 ff., 846 ff., 857 ff., 883 ff. ZPO; §§ 864 ff., 866 ZPO i.V.m. §§ 20 Abs. 1, 93, 146, 151 ZVG), mithin die Vollstreckungsmaßnahme selbst (als inkongruente Deckung) anzufechten sei.73 Das ergibt sich jedoch nicht erst aus der Vorschrift des § 141 InsO, zumal sie N 20 nicht den Anfechtungsgegenstand regelt, sondern die Unschädlichkeit der Titulierung und Vollstreckung einer Rechtshandlung für ihre Anfechtung. Zumindest missverständlich ist daher die Beschreibung des Regelungsgehalts mit den Worten, eine im Wege der Zwangsvollstreckung beigetriebene Leistung des Schuldners, sei „genau so zu behandeln …, als hätte sie der Schuldner freiwillig gewährt.“74 Träfe diese Umschreibung zu, wäre der Vorsatzanfechtung Tür und Tor geöffnet (vgl. Rz. N9, N10, N22). Richtig ist vielmehr die Erkenntnis, dass § 141 Alt. 2 InsO nicht die Anfechtbarkeit auch auf Zwangsvollstreckungshandlungen (Vollstreckungsakte) ausdehnt.75 Anders formuliert: die Anfechtung greift selbstverständlich nicht die behördliche Vollstreckungsmaßnahme selbst an. Ein Rechtsbehelf z.B. nach den §§ 732, 766 ff. ZPO lässt sich grundsätzlich nicht aus dem Anfechtungsrecht begründen, wie sich ohne weiteres aus § 143 InsO ergibt. Die Wirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahme bleibt insoweit unberührt (vgl. oben Rz. N16). Der Insolvenzverwalter hat vielmehr nach § 143 InsO den Anfechtungsgegner, mithin den Titel- bzw. Vollstreckungsgläubiger auf Rückgewähr in Anspruch nehmen und so die Vollstreckungsfolgen zu beseitigen.76

71 Vgl. BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = WM 2011, 501 = ZIP 2011, 531 Rz. 5, 6: Vermögensverlagerung; v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, WM 2011, 1080, 1081 = ZIP 2011, 1114 Rz. 7: Zurückzugewähren „ist dasjenige, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist“. 72 Hahn (Fn. 2), S. 122 (= Mot. KO, S. 111 unten), BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, NJWRR 2011, 1272 Rz. 7; Henckel, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 855 Rz. 98; vgl. auch Uhlenbruck/Hirte, § 141 InsO Rz. 6; BK-InsO/Haas, § 141 Rz. 12; Kayser/Thole, § 141 Rz. 4; Cranshaw/Hinkel/Zenker, § 141 InsO Rz. 6. 73 Vgl. etwa BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (354) im Zusammenhang mit dem Erwerb eines insolvenzfesten Pfandrechts (Absonderungsrechts) bei Pfändung in eine offene Kreditlinie. Hiervon zu unterscheiden ist der Gegenstand der Anfechtungsklage (§ 143 Abs. 1 InsO), im entschiedenen Fall die Rückgewähr der vom Pfändungsgläubiger vereinnahmten Zahlungen der Drittschuldnerin. 74 So aber Kirchhof in MünchKomm/InsO § 141 Rz. 1; Andres/Leithaus, § 141 InsO Rz. 4; Braun/Riggert, § 141 InsO Rz. 4. 75 Henckel, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl., S. 849 Rz. 81; Jaeger/Henckel, § 141 InsO Rz. 7; HK-InsO/Kreft, § 141 Rz. 4; Andres/Leithaus, § 141 InsO Rz. 4; Braun/Riggert, § 141 InsO Rz. 4. 76 Vgl. Kayser/Thole, § 141 Rz. 90, 91. Wagner

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N Rz. 21

§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

b) Erwirkte Rechtshandlungen N 21 Durch Vollstreckungsmaßnahmen erwirkte Sicherungen oder Befriedigungen sind vor allem als inkongruente Deckung nach § 131 Abs. 1 InsO anzufechten.77 Anfechtungsgegenstand sind insoweit Rechtshandlungen des Gläubigers, weil die Zwangsvollstreckung durch oder aufgrund einseitiger Rechtshandlungen des Gläubigers erfolgt, etwa durch eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung im Rahmen der Forderungspfändung. Für die Einzelheiten anfechtbarer Maßnahmen der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Schuldners (§§ 803 ff., 829 ff., 864 ff. ZPO), zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen oder anderer Handlungen (§§ 883 ff. ZPO), auf die § 141 Alt. 2 InsO nach seinem Wortlaut zugeschnitten zu sein scheint, sowie der Vollziehungsmaßnahmen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (§§ 916 ff., 935 ff. ZPO) ist auf die Kommentierung der einzelnen Anfechtungsgründe zu verweisen (vgl. oben Rz. B23, B32, D59 ff.). Im Hinblick auf eine prinzipienkonforme Abgrenzung (s. Rz. N6 ff.) erlangt die Bestimmung des Zeitpunkts der Vornahme der maßgeblichen Rechtshandlung (§ 140 InsO) besondere Bedeutung. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem die rechtlichen Wirkungen der Handlung eintreten.78 Bei bedingten oder befristeten Rechtshandlungen bleibt demzufolge der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht (§ 140 Abs. 3 InsO); denn bedingte oder befristete Forderungen werden im Insolvenzverfahren berücksichtigt (§§ 41, 42, 191 InsO). Eine Forderungspfändung ist grundsätzlich zu dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt wird, weil damit ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 829 Abs. 3 ZPO, § 309 Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit sich die Pfändung jedoch auf eine künftige Forderung bezieht, wird ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung begründet, so dass auch anfechtungsrechtlich auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist.79 N 22 Darüber hinaus kommt auch eine Anfechtung nach den Vorschriften der §§ 133, 134 InsO, die jedoch ausschließlich auf Rechtshandlungen des Schuldners abstellen (s. Rz. N24 f.), in Betracht. Da Vollstreckungsmaßnahmen als einseitige Rechtshandlungen des Gläubigers meist gegen, zumindest aber ohne den Willen des Schuldners erfolgen, scheidet die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO als reine Gläubigerhandlung in der Regel aus.80 Anders verhält es sich aber, wenn die

77 Vgl. paradigmatisch BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353 ff. zum insolvenzfesten Erwerb eines Pfändungspfandrechts an einer Kontokorrentkreditforderung (offene Kreditlinie beim Dispositionskredit) im Wege einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung in „kritischer“ Zeit. 78 Die Norm bringt den Rechtsgedanken zum Ausdruck, dass der Zeitpunkt entscheiden soll, in dem durch die Handlung eine Rechtsposition begründet worden ist, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste, BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353 f. mit BT-Drucks. 12/2443, 166; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 140 Rz. 1; HK-InsO/Kreft, 3. Aufl., § 140 Rz. 2. 79 Vgl. BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (354) im Zusammenhang mit dem Erwerb eines insolvenzfesten Pfandrechts (Absonderungsrechts) bei Pfändung in eine offene Kreditlinie. 80 Grundlegend BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147, 152 f. = MDR 2005, 832.

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II. Anwendungsbereich

Rz. 23 N

Vollstreckungsmaßnahme zugleich als Rechtshandlung des Schuldners gewertet werden kann. Das ist möglich, wenn der Schuldner mit dem Gläubiger kollusiv zusammengewirkt oder auf andere Weise dessen Vollstreckungsmaßnahme aktiv gefördert hat, insbesondere indem er die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vollstreckungshandlung geschaffen hat.81 So etwa, wenn er vor Erscheinen des Gerichtsvollziehers oder Vollziehungsbeamten gezielt die Kasse aufgefüllt hat,82 ferner wenn er den Gläubiger von dem bevorstehenden Zugriff anderer Gläubiger mit der Aufforderung, diesen zuvorzukommen, benachrichtigt, wenn er Pfändungsgegenstände verheimlicht, um sie gerade für den Zugriff des zu begünstigenden Gläubigers bereitzuhalten, oder wenn er Schuldner dem Gläubiger vorzeitig oder beschleunigt einen Vollstreckungstitel gewährt.83 Noch weiter gehend wird eine willensgetragene Förderungshandlung auch durch Unterlassen für möglich gehalten (vgl. § 129 Abs. 2 InsO), so z.B. wenn der Schuldner erfolgversprechende Rechtsbehelfe nicht ergreift, um so die Vollstreckung zu ermöglichen. Ferner ist eine Anfechtung der zwangsweisen Durchsetzung von Leistungen des Schuldners aufgrund von Schenkungsverträgen oder anderen unentgeltlichen Rechtsverhältnissen nach § 134 InsO möglich,84 jedenfalls wenn der Schuldner daran mitgewirkt hat.85 – Freilich stößt hier wie dort die Insolvenzanfechtung an ihre praktischen Grenzen, weil der vom darlegungs- und beweisbelasteten Insolvenzverwalter zu führende Nachweis der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen nicht ohne weiteres gelingt. c) Abwendungsleistungen des Schuldners Abwendungsleistungen des Schuldners fallen genau genommen nicht unter N 23 § 141 Alt. 2 InsO, sondern unter die erste Alternative der Vorschrift (s. Rz. N17). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt eine inkongruente Deckung i.S.d. § 131 Abs. 1 InsO auch dann vor, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat.86 Der Schuldner leistet danach regelmäßig unter dem Druck einer unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung,87 wenn der Gläubiger – sei es eine Privatperson oder die öffentliche Hand, vor allem der Fiskus und Träger der Sozialversicherung – zum Ausdruck gebracht hat, dass er alsbald vollstrecken werde, falls der Schuldner die Forderung nicht erfülle; dabei kommt es maßgeblich auf die objek81 BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = WM 2011, 501 = ZIP 2011, 531 Rz. 12 m.z.N.; zustimmend Huber, EWiR 2011, 289; Kummer, jurisPR-BGHZivilR 9/2011 Anm. 3. Ebenso Cranshaw/Hinkel/Zenker, § 141 InsO Rz. 8. 82 So im Fall BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = WM 2011, 501 = ZIP 2011, 531 (Rz. 13). 83 Aufzählung bei BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = WM 2011, 501 = ZIP 2011, 531 Rz. 12 mit Nachw. 84 Kayser/Thole, § 134 Rz. 6 m.w.N. A.A. Zeuner, Anfechtung, Rz. 26; Leonhardt/Smid/ Zeuner, § 141 InsO Rz. 5, jew. ohne Begründung. 85 Kübler/Prütting/Bork, § 134 InsO Rz. 34. 86 BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309, 311 ff.; v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, MDR 2011, 512 = ZIP 2011, 385 Rz. 6 m. zust. Anm. Schoppmeyer, WuB VI A. § 131 InsO 1.11; BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZIP 2014, 91 Rz. 22 ff., 26. A.M. AG Reinbek v. 27.10.2011 – 5 C 414/11, ZIP 2012, 189. 87 Eingehend dazu Huber, GS M. Wolf, 2011, S. 443 ff. Wagner

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§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

tivierte Sicht des Schuldners an.88 Daher bedarf es nicht notwendig einer letzten konkreten Frist, wenn der Gläubiger unter Ankündigung der Zwangsvollstreckung den Schuldner zur umgehenden Leistung aufgefordert hat und dieser daraufhin zahlt.89 Ein die Inkongruenz begründender Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung besteht aber z.B. noch nicht, wenn der Schuldner nach Zustellung eines Vollstreckungsbescheides die titulierte Forderung erfüllt, ohne dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat.90 Demgegenüber ist die Zustellung einer über ein erstes Mahnschreiben hinausgehenden formularmäßigen „Mahnung mit Ankündigung der Zwangsvollstreckung“ grundsätzlich geeignet, einen Inkongruenz begründenden Vollstreckungsdruck zu entfalten.91 Ist eine entsprechende Ankündigung außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums ergangen, so führt eine daraufhin erfolgte Zahlung nicht (mehr) zur Inkongruenz.92 N 24 In Betracht kommt dann nur eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach § 133 InsO. Hier kann aber der Vollstreckungsdruck einer Abwendungsleistung des Schuldners die Qualität einer Rechtshandlung nehmen, wenn er keine andere Wahl hatte. Denn nur wer darüber entscheiden kann, ob er die angeforderte Leistung erbringt oder verweigert, nimmt eine Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO vor.93 Diese Voraussetzung ist zu bejahen, wenn der Schuldner zur Abwendung einer ihm angedrohten, demnächst zu erwartenden Vollstreckung leistet.94 In diesem Fall ist er noch in der Lage, über den angeforderten Betrag nach eigenem Belieben zu verfügen. Er könnte diesen auch selbst verbrauchen oder Dritten zuwenden und Insolvenzantrag stellen und den Gläubiger davon in Kenntnis setzen (BGHZ 162, 143, 152). Dem steht nach der Rechtsprechung des BGH eine Leistung gleich, die der Schuldner im bargeldlosen Zahlungsverkehr erbringt. So stellt eine Scheckzahlung auch dann eine Rechtshandlung des Schuldners dar, wenn hierdurch erfolgversprechende Pfändungsmaßnahmen durch eine bereits anwesende Vollziehungsperson abgewendet worden sind.95 Dahinter steht die Erwägung, dass der Schuldner, der zugunsten des Vollstreckungsgläubigers einen Scheck ausstellt, der von der bezogenen Bank eingelöst wird, dem Gläubiger einen Zahlungsweg ermöglicht, den 88 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, MDR 2011, 512 = ZIP 2011, 385 Rz. 7 m.w.N. 89 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, MDR 2011, 512 = ZIP 2011, 385 Leits. und Rz. 10 m. zust. Anm. Schoppmeyer, WuB VI A. § 131 InsO 1.11.; in Ergänzung zu BGH v. 15.5.2003 – IX ZR 194/02, MDR 2003, 1199 = ZInsO 2003, 611 m. Anm. Paulus, WuB VI C. § 131 InsO 3.03, wo es auf den kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist ankam; vgl. ausf. Huber, JuS 2006, 1078 ff. 90 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, MDR 2011, 512 = ZIP 2011, 385 Rz. 8 m.w.N. 91 BGH v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, MDR 2011, 512 = ZIP 2011, 385 Rz. 9 ff. m.w.N. 92 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 83 = MDR 2003, 1256; v. 20.1.2011 – IX ZR 8/10, MDR 2011, 512 = ZIP 2011, 385 Rz. 13 m.w.N. 93 BGH v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 152. = MDR 2005, 832. 94 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 83 f. = MDR 2003, 1256; v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 152 = MDR 2005, 832. 95 BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, MDR 2012, 1001 = NJW 2013, 53 = WM 2012, 1401 = ZInsO 2012, 1318 = ZIP 2012, 1422 in Abgrenzung von BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 22/07, WM 2009, 810 und von BGH v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Rz. 8; zustimmend Huber, EWiR 2012, 567 f.; instruktiv zur Problematik Huber, JuS 2006, 1078 ff.

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II. Anwendungsbereich

Rz. 25 N

der anwesende Vollziehungsbeamte nicht zwangsweise hätte durchsetzen können. Denn eine Scheckzahlung setzt ebenso wie eine Banküberweisung voraus, dass der Schuldner über sein Konto noch selbst verfügen kann, und beruht daher auf einer Rechtshandlung des Schuldners.96 Auch gegenüber einem anwesenden und vollstreckungsbereiten Vollziehungsbeamten hat der Schuldner die Wahl, die Zwangsvollstreckung in sein bewegliches Vermögen hinzunehmen oder die Vollstreckung abzuwenden, indem er der Vollstreckungsperson den Zugriff auf sein Bankguthaben ermöglicht. Lässt sich der Vollziehungsbeamte darauf ein, gegen Ausstellung und Übergabe eines Schecks von Pfändungsmaßnahmen abzusehen, so beruht die Scheckanweisung zwar auf dem ausgeübten Vollstreckungsdruck, hätte jedoch ohne die Mitwirkung des Schuldners nicht erfolgen können.97 Stellt bereits die Scheckübergabe eine Rechtshandlung des Schuldners dar, so ist für die Anfechtbarkeit der Scheckzahlung nach § 133 Abs. 1 InsO unerheblich, ob eine weitere Rechtshandlung des Schuldners darin liegt, die zwischen der Ausstellung des Schecks und dessen Einlösung mögliche Schecksperre bewusst unterlassen zu haben (s. dazu Rz. N22).98 Hat der Schuldner dagegen nur noch die Wahl, die geforderte Zahlung sofort zu N 25 leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson zu dulden, ist jede Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen. Es fehlt dann an einer für die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO erforderlichen willensgeleiteten Handlung des Schuldners.99 Zahlungen des Schuldners an den anwesenden, vollstreckungsbereiten Vollziehungsbeamten erfüllen also im Regelfall nicht die Voraussetzungen einer eigenen Rechtshandlung des Schuldners i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO. Eine gegenteilige Beurteilung ist nach der Rechtsprechung des BGH nur möglich, wenn der Schuldner wegen der Besonderheiten des Falles erwarten konnte, ein zwangsweiser Zugriff des Vollziehungsbeamten werde nicht sogleich möglich sein. Solche Besonderheiten hat der Insolvenzverwalter als Kläger im Rahmen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen, zu denen auch die Rechtshandlung des Schuldners gehört, darzulegen und falls erforderlich zu beweisen.100

96 BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, MDR 2012, 1001 = NJW 2013, 53 = WM 2012, 1401 = ZInsO 2012, 1318 = ZIP 2012, 1422 Rz. 10 unter Bezugnahme auf BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, WM 2010, 360 Rz. 16; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, § 133 InsO Rz. 5 sowie Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 133 Rz. 9; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 133 Rz. 9a. 97 BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, MDR 2012, 1001 = NJW 2013, 53 = WM 2012, 1401 = ZInsO 2012, 1318 = ZIP 2012, 1422 Rz. 10 m. zust. Anm. M. Huber, EWiR 2012, 567 (568). 98 BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/09, MDR 2012, 1001 = NJW 2013, 53 = WM 2012, 1401 = ZInsO 2012, 1318 = ZIP 2012, 1422 Rz. 11 unter Bezugnahme auf BGH v. 13.6.1988 – II ZR 324/87, BGHZ 104, 374 (381 f.); Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 60 Rz. 137 f. sowie BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, WM 2011, 501 Rz. 8 m.w.N. zu § 129 Abs. 2 InsO. 99 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 79 = MDR 2003, 1256; v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = WM 2011, 501 = ZIP 2011, 531 Rz. 5 m.w.N. 100 BGH v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, MDR 2011, 511 = WM 2011, 501 = ZIP 2011, 531 Rz. 5 m.w.N. Wagner

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N Rz. 26

§ 141 InsO – Vollstreckbarer Titel

III. Internationales Recht – EuGVVO und EuInsVO 1. Freizügigkeit und Universalität der Zwangsvollstreckung N 26 Ein einheitliches internationales oder auch „nur“ europäisches Gesamtvollstreckungs- und Insolvenzanfechtungsrecht gibt es ebenso wenig wie eine „Europäische Zwangsvollstreckung“. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung erfolgt vielmehr – wie die des titelschaffenden Erkenntnisverfahrens – nach dem autonomen Recht des Mitgliedstaates, in dem die Vollstreckung stattfinden soll (Vollstreckungsstaates) respektive das zum Titel führende Verfahren stattgefunden hat (Erkenntnisstaates).101 Allerdings werden Vollstreckungstitel, die in einem Mitgliedstaat ergangen sind, innerhalb Europas nach den Vorschriften der EuGVVO prinzipiell anerkannt. Insolvenzverfahren erfassen nach dem inzwischen auch hierzulande maßgeblichen Universalitätsprinzip das gesamte Vermögen des Schuldners, wo immer es auch belegen sein mag.102 Daher wird die wirksame Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens auch im Inland grundsätzlich anerkannt (§ 343 InsO). Nicht anders verhält es sich für in Deutschland eröffnete Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitenden Sachverhalten. Die in einem Mitgliedstaat wirksame Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird von allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt (Art. 16 EuInsVO). N 27 Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum) entspricht einem international anerkannten Grundgedanken des Insolvenzrechts.103 Angesichts übergreifender Geschäftsbeziehungen zeige sich immer mehr, wie der BGH bereits in seinem Grundsatzurteil vom 11.7.1985 für den Bereich der Europäischen Gemeinschaft ausgeführt hat und was im Zeichen der Globalisierung der Märkte verstärkt Geltung beansprucht, „die dringende Notwendigkeit, aus Gründen der Gerechtigkeit, Gleichheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Durchsetzung von Ansprüchen und bei der Haftung für Schulden in- und ausländische Gläubiger gleichzusetzen.“ Deshalb müsse es einem Gemeinschuldner verwehrt sein, durch Verschiebung seines Vermögens oder durch Verlagerung seiner Geschäftstätigkeit in ein anderes Land sich seinen inländischen Verpflichtungen zu entziehen. Bei zunehmender internationaler wirtschaftlicher Verflechtung werde auch die Kreditwürdigkeit eines Schuldners nicht mehr (allein) an seinem Inlandsvermögen gemessen.104

101 Kropholler, Europäisches ZivilprozessR, 8. Aufl., Art. 38 Rz. 3; Chr. Berger, ZZP 121 (2008), 407, 424. 102 Grundlegend BGH v. 11.7.1985 – IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256, 263 ff. = MDR 1985, 1021; v. 14.11.1996 – IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 86, 90 = MDR 1997, 251; vgl. ausf. dazu und zum Folgenden Reinhart in MünchKomm/InsO, Vor §§ 335 ff. Rz. 1 ff. und im Überblick etwa HK-InsO/Stephan, Vor §§ 335 ff. Rz. 6 ff., Art. 4 EuInsVO. 103 BGH v. 11.7.1985 – IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256, 264 = MDR 1985, 1021 (Auslandskonkurs); v. 14.11.1996 – IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 82 (ausländischer Zwangsvergleich) = MDR 1997, 251, jeweils zu § 237 Abs. 1 KO. 104 Grundlegend BGH v. 11.7.1985 – IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256, 266 = MDR 1985, 1021; s. dazu Häsemeyer, ZZP 107 (1994), 111, 116 f.

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III. Internationales Recht – EuGVVO und EuInsVO

Rz. 29 N

2. Einzelzwangsvollstreckung vor und nach Insolvenzeröffnung Diese Erkenntnis hat sich z.B. auch in Art. 20 Abs. 1 EuInsVO niedergeschlagen, N 28 wonach ein Gläubiger das, was er nach Verfahrenseröffnung in einem anderen Mitgliedsstaat im Wege der Einzelzwangsvollstreckung erlangt, an den Insolvenzverwalter herausgeben muss. Anders ist die Rechtslage dagegen bei Vollstreckungsmaßnahmen vor Verfahrenseröffnung. Haben diese ein dingliches Recht i.S.v. Art. 5 EuInsVO an einem Gegenstand des Schuldners begründet, so bleibt dieses unberüht. Ein Pfändungspfandrecht nach deutschem Recht verleiht daher dem Gläubiger ein Vorzugsrecht, das aber grundsätzlich ebenfalls unter dem Vorbehalt der Anfechtung steht.105 Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 lit. m EuInsVO, die unmittelbar geltendes Recht ist, be- N 29 stimmt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus), „welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen.“ Entsprechendes gilt nach § 339 Halbs. 1 InsO sowie nach der Grundregel des § 335 InsO generell für das (deutsche) internationale Insolvenzrecht.106 Eine Ausnahme von dieser lex rei concursus gilt nach Art. 13 EuInsVO und inhaltlich übereinstimmend § 339 Halbs. 2 InsO, die eine Sonderanknüpfung nach der lex causae ermöglichen, wenn der Anfechtungsgegner die Unangreifbarkeit der Rechtshandlung nach einem für sie maßgebenden anderen Recht nachweist. Diese „Einrede des Wirkungsstatuts“, die – ein Gelingen des geforderten Nachweises vorausgesetzt – das prioritätsfreundlichere und deshalb anfechtungsfeindlichere Recht zum Nachteil der Gläubigergesamtheit bevorzugt,107 stellt jedoch das Prinzip der par condicio creditorum nicht in Frage, wie schon das übereinstimmende Bekenntnis zu ihm zeigt.108

105 Chr. Berger, ZZP 121 (2008), 407, 425. Vgl. dazu HK-InsO/Kreft, Art. 5 EuInsVO Rz. 1 mit dem zutreffenden Hinweis, dass die Kreditsicherungsrechte in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausgestaltet sind; ebenso Kayser/Thole/Dornblüth, Art. 5 EuInsVO Rz. 1. 106 Zur Zuständigkeit der Gerichte des Eröffnungsstaates für Anfechtungsklagen s. EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-339/07, EuZW 2009, 179 = NJW 2009, 2189 m. Anm. Thole, ZEuP 2010, 907 ff.; BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 39/06, MDR 2009, 1250 = NJW 2009, 2215. 107 Daher mit Recht kritisch G. Wagner, ZEuP 2008, 6, 27 f. 108 Chr. Berger, ZZP 121 (2008), 407, 425 weist allerdings zu Recht auf die insoweit feststellbare Ambivalenz der EuInsVO hin. Wagner

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O. § 142 InsO – Bargeschäft § 142 Bargeschäft (1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. (2) 1Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. 2Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. 3Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat. § 142 InsO a.F. (gilt weiterhin für vor dem 5.4.2017 eröffnete Insolvenzverfahren) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 gegeben sind. § 142 InsO-E (i.d.F. des Gesetzentwurfs – RegE – vom 29.9.2015 = BR-Vorlage vom 16.10.2015, BR-Drucks. 495/15, unverändert als BT-Vorlage vom 16.12.2016, BT-Drucks. 18/7054, hier ergänzt um die vom BRat erfolglos vorgeschlagenen Änderungen) (1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. (BRat: … und der andere Teil erkennen musste, dass die Gegenleistung weder zur Sicherung des Lebensbedarfs erforderlich ist noch der Fortführung oder Sanierung des Unternehmens dient)4 (2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs5 in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt (BRat: oder führt er Teile des Arbeitsentgelts aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen an Dritte ab)7, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang6 gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts (BRat: oder der Abführung von Teilen an Dritte)7 drei Monate nicht übersteigt.

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§ 142 InsO – Bargeschft

Anm. d. Verf.: Der Gesetzestext gibt die mit Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom Bundestag am 16.2.2017 beschlossene (BR-Drucks. 139/17), im BGBl. 2017 I S. 654 veröffentlichte und am 5.4.2017 in Kraft getretene Neufassung des § 142 InsO wieder. Diese stimmt wörtlich überein mit dem hier im Anschluss an § 142 InsO a.F. abgedruckten § 142 InsO-E des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 16.12.2015 (BTDrucks. 18/7054 – Bundestagsvorlage), der dem Bundestag ergänzt um Abs. 2 Satz 3, der erst in der abschließenden Beratung im federführenden Rechtsausschuss des Bundestags am 15.2.2017 hinzugekommen ist, zur Annahme empfohlen wurde (BT-Drucks. 18/11199). – Die kursiv fett gesetzte Fassung gibt die von der Bundesregierung mit Art. 1 Nr. 4 des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.9.2015 (BR-Drucks. 495/15 vom 16.10.2015 – Bundesratsvorlage) – im Folgenden: RegE – beschlossenen Änderungen des § 142 InsO a.F. wieder. Sie ist identisch mit der Bundestagsvorlage des § 142 InsO-E vom 16.12.2015 (BT-Drucks. 18/7054, S. 6). Die kursiv mager gesetzten und durch hochgestellte Zahlen markierten Passagen dokumentieren die in der Stellungnahme des Bundesrates gemäß Beschluss vom 27.11.2015 (BR-Drucks. 495/15(B) Nr. 4 bis 7 = Anlage 3 der BTDrucks. 18/7054, S. 28 ff.) vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen. Keiner dieser Vorschläge fand Eingang in die dem Bundestag vorgelegte Fassung des § 142 InsO-E des Gesetzentwurfs vom 16.12.2015 (Bundestagsvorlage). Die verlautbarten Gründe dafür sind der Gegenäußerung der Bundesregierung zu entnehmen (Anlage 4 der BT-Drucks. 18/7054, S. 31 f.). Darauf wird hier im Abschnitt Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift (Rz. O1 ff.) sowie im jeweiligen Sachzusammenhang, insbesondere beim Unmittelbarkeitserfordernis (Rz. O78 ff.) sowie den Rechtsfolgen und Grenzen des Bargeschäftsprivilegs (Rz. O125 ff.), eingegangen, jeweils unter Berücksichtigung der Empfehlungen des am Gesetzgebungsverfahren federführend beteiligten Rechtsausschusses des Bundestages (BTDrucks. 18/11199). Der Bundesrat erhob in seiner Sitzung am 10.3.2017 dennoch keine Einwendungen gegen die vom Bundestag beschlossene Neufassung (BR-Drucks. 139/17). Diese ist gemäß Art. 4 des Gesetzes am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt vom 4.4.2017, mithin am 5.4.2017 in Kraft getreten. Sie ist nach der Überleitungsregelung in Art. 103j Abs. 1 EGInsO gemäß Art. 2 des Gesetzes vom 29.3.2017 (BGBl. 2017 I S. 654) auf Insolvenzverfahren anwendbar, die ab dem 5.4.2017 eröffnet worden sind.

Rz. I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis des § 142 InsO zu § 129 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis des § 142 InsO zu § 130 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis des § 142 InsO zu § 131 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis des § 142 InsO zu § 132 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnis des § 142 InsO zu § 133 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verhältnis des § 142 InsO zu § 134 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Verhältnis des § 142 InsO zu § 135 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

O1 O1 O4 O7 O7 O9 O11 O14 O16 O17 O18

Rz. h) Verhältnis des § 142 InsO zu weiteren Vorschriften (§ 64 Satz 1 GmbHG u.a.) . . . . . . . . . . O18c II. Leistung und Gegenleistung. . . . . . 1. Leistung des Schuldners . . . . . . . . . a) Geldleistungen (Bargeld und bargeldlose Zahlungen) . . . . . . . b) Wechsel- und Scheckzahlungen c) Sachleistungen . . . . . . . . . . . . . . d) Bestellung einer Sicherheit . . . . e) Vertragsübernahme. . . . . . . . . . . 2. Leistungen Dritter für den Schuldner (§ 142 Abs. 2 Satz 3 InsO) . . . . . a) Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift . . . . . . . . . . b) Drittleistungen i.S.v. § 267 BGB c) Grenze: Nichterkennbarkeit der Drittleistung als solche . . . .

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O19 O20 O21 O23 O24 O26 O28 O29a O29a O29d O29g

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§ 142 InsO – Bargeschft Rz. d) Direktzahlungen im abgekürzten Leistungsweg? . . . . . . . . . . . . 3. Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuführung in das Aktivvermögen des Schuldners . . . . . . . . c) Grenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Leistung an den Schuldner. . bb) Leistung an Dritte. . . . . . . . . cc) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . d) Keine erweiternde Auslegung des § 142 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsmerkmal „für die“ Leistung des Schuldners . . . . . . . aa) Rechtsgeschäftlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . bb) Wirtschaftlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unentgeltliche Leistungen . b) Anwendbarkeit bei inkongruenter Deckung? . . . . . . . . . . . . . . aa) § 142 InsO erfasst nur kongruente Deckungen (heute h.M.) . . . . . . . . . . . . . . bb) § 142 InsO erfasst auch inkongruente Deckungen (früher h.M.) . . . . . . . . . . . . . cc) Keine erweiternde Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachträgliche Kongruenzvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtlicher und tatsächlicher Hintergrund . . . . . . . . . bb) Direktzahlungen als inkongruente Deckung . . . . . . cc) Voraussetzungen einer anfechtungsfesten Kongruenzvereinbarung . . . . . . . . . . . . . dd) Unanfechtbarkeit der vereinbarten Direktzahlung . . . ee) Rechtsdogmatische und rechtspolitische Bewertung .

O29j O30 O30 O32 O35 O37 O40 O42 O45 O49 O49 O50 O53 O56 O57 O58 O66 O72 O77a O77a O77d O77f O77p O77q

III. Unmittelbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . O78 1. Enger zeitlicher Zusammenhang . . O78 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . O78 aa) § 142 InsO a.F. . . . . . . . . . . . . O78 bb) Legaldefinition in § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO (n.F.) . . . . O87a cc) Ausnahme für Arbeitsentgelt in § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO (n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . O87d b) Reihenfolge von Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . O88 2. Weiterungen und Grenzen . . . . . . . O91 a) Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . O92

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Rz. b) Vorleistungen bei Dauerschuldverhältnissen . . . . . . . . . aa) Maßgeblicher Bezugspunkt bb) Zeitliche oder gegenständliche Teilbarkeit . . . . . . . . . cc) Zeitnahe Teilleistungen. . . c) Verzögerungen. . . . . . . . . . . . . . IV. Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektiver Maßstab . . . . . . . . . b) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertungszeitpunkt . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachträgliche Änderungen . . . 3. Arbeitsentgelt (§ 142 Abs. 2 Satz 2 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bruttolohn oder Nettolohn?. . .

O105 O106 O108 O109 O113 O115 O115 O115 O116a O121 O121 O122 O123a O123a O123b

V. Rechtsfolgen des Bargeschäfts . . . O124 1. Anfechtungsausschluss . . . . . . . . O124 2. Grenze: Unlautere Gläubigerbenachteiligung (§ 142 Abs. 1 InsO) O125 a) Überblick – Verschärfte Form der Unredlichkeit . . . . . . . . . . . O125 b) Benachteiligungsvorsatz des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . O127 aa) Rechtslage nach § 142 InsO a.F. – § 133 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O127 bb) Rechtslage nach § 142 Abs. 1 InsO (n.F.) – Unlauterkeit . . . . . . . . . . . . O129c c) Kenntnis des Anfechtungsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O130 aa) Rechtslage nach § 142 InsO a.F. – § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO . . . . . . . . . . . . . O130 bb) Rechtslage nach § 142 Abs. 1 InsO (n.F.) – Kenntnis der Unlauterkeit . . . . . . O131c 3. Schicksal der Gegenleistung. . . . . O132 VI. Darlegungs- und Beweislast . . . . . O133 1. Grundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . O133 2. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O135b VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bankgeschäfte I – Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verrechnungen im Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lastschriften . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bankgeschäfte II – Kreditsicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mobiliarsicherheiten – Sicherungszession, insbesondere Globalzession . . . . . . . . . . . . . .

O136 O136 O136 O145 O153 O153

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§ 142 InsO – Bargeschft

3.

4.

5.

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7. 8.

9.

Rz.

Rz.

b) Immobiliarsicherheiten – Grundpfandrechte . . . . . . . . . . . O156 c) Personalsicherheiten – Bürgschaft, Garantie, persönliche Haftungsübernahme . . . . . . . . . O157 Finanzdienstleistungen – Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O161 a) Echtes Factoring . . . . . . . . . . . . O161 b) Unechtes Factoring . . . . . . . . . . O164 Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . O165 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . O165 b) Gebrauchsüberlassung (Miete, Pacht, Leasing) . . . . . . . O167 c) Energielieferung . . . . . . . . . . . . O170 Arbeits-, Dienst- und Werkleistungen, Geschäftsbesorgungen . . . O171 a) Sachleistung . . . . . . . . . . . . . . . O171 b) Vergütung. . . . . . . . . . . . . . . . . . O172 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . O172 bb) Lohnzahlungen an Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . O174 cc) Vergütung freiberuflicher Tätigkeiten (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer u.a.) . . . . O182 dd) Vergütung ärztlicher Leistungen . . . . . . . . . . . . . . O186 ee) Vergütung von Werkleistungen (Bau, Transport u.a.) O188 ff) Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters . . . . . . O191 c) Vorschuss- und Abschlagszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . O193 Sanierungsleistungen . . . . . . . . . . O197 a) Beraterhonorar . . . . . . . . . . . . . . O197 b) Wertungsfragen und Wertungswidersprüche . . . . . . . . . . . . . . . O205 Privatversicherungsbeiträge . . . . . O206a Öffentliche Abgaben I – Sozialversicherungsbeiträge . . . . . . . . . . O207 a) Krankenkassenbeiträge – BGHZ 149, 100 . . . . . . . . . . . . . O207 b) Arbeitnehmeranteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . O209 aa) Das Grundsatzurteil BGHZ 183, 86 . . . . . . . . . . . O209 bb) Anfechtungsrechtliche Umsetzung der sozialgesetzlichen Vorgabe . . . . . . . O212 cc) Rechtspolitische Kontroverse („Bruttolohnfrage“) im Zuge der Neuregelung des § 142 InsO . . . . . . . . . . . O212b Öffentliche Abgaben II – Lohnsteuer, Umsatzsteuer. . . . . . . . . . . O213

a) Gesetzliche Grundlagen der Abführung von Lohnsteuer . . . O213 b) Bundesfinanzhof: Bargeschäft . O214 c) Bundesgerichtshof: Kein Bargeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . O215 d) Kritische Stellungnahme . . . . . O220 e) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . O221a VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im Überblick . . . . . . . . . . 1. BGH-Urteil vom 30.9.1993 – BGHZ 123, 320 – Kundenschecks 2. BGH-Urteil vom 7.3.2002 – BGHZ 150, 122 – Verrechnungen im Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . 3. BGH-Urteil vom 10.6.2008 – BGHZ 177, 69 – Widerspruch des Verwalters im Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. BGH-Urteil vom 20.7.2010 – BGHZ 186, 269 – Lastschrift in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. BGH-Urteil vom 29.11.2007 – BGHZ 174, 297 – Globalzessionen 6. BGH-Urteil vom 21.1.2010 – BGHZ 184, 101 – Sicherungszession im Eröffnungsverfahren . . . . 7. BGH-Urteil vom 19.3.1998 – BGHZ 138, 291 – Kreditbesicherung im Konzern . . . . . . . . . . . . . . 8. BGH-Urteil vom 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 – Anwaltshonorar (Vorschusszahlungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. BAG-Urteil vom 6.10.2011 – BAGE 139, 235 – Lohnzahlungen . 10. BAG-Urteil vom 29.1.2014 – BAGE 147, 172 – bargeschäftliche und bargeschäftsähnliche Lohnzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. BGH-Urteil vom 10.7.2014 – BGHZ 202, 59 – Lohnzahlungen . 12. BGH-Urteil vom 5.11.2009 – BGHZ 183, 86 – Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung . . . 13. BGH-Urteil vom 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 – Tankstelleneinnahmen . . . . . . . . . 14. BGH-Urteil vom 17.7.2014 – BauR 2014, 1945 – Direktzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. BGH-Urteil vom 17.12.2015 – BGHZ 208, 243 – Kongruenzvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . 16. BGH-Urteil vom 11.2.2010 – WM 2010, 711 – Aufrechnung . . .

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O222 O222 O225

O227 O228 O230 O231 O235

O236 O239

O240a O240c O241 O246 O249a O249c O250

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O Rz. 1

§ 142 InsO – Bargeschft

Schrifttum: Bartels, Florian, Insolvenzanfechtung und Leistungen Dritter, 2015 (Diss. Bielefeld 2014/ 15); Bork, Die anfechtbare Kontokorrentverrechnung, FS G. Fischer, 2008, S. 37 ff.; Bork, Kontokorrentverrechnung und Bargeschäft, FS Kirchhof, 2003, S. 57 ff.; Bräuer, Ausschluss der Insolvenzanfechtung bei Bargeschäften nach Maßgabe des § 142 InsO, Diss. Kiel 2006; Fölsing, Sanierungsberatung und Bargeschäft, KSI 2008, 82 ff.; Ganter, Bargeschäfte (§ 142 InsO) von Dienstleistern, ZIP 2012, 2037 ff.; Huber, M., Das anfechtungsrechtlich privilegierte, aber janusköpfige Bargeschäft nach § 142 InsO, ZInsO 2013, 1049 ff.; Kayser, Insolvenzrechtliche Bargeschäfte (§ 142 InsO) bei der Erfüllung gesetzlicher Ansprüche?, ZIP 2007, 49 ff.; Kayser, Der Rechtsgedanke des Bargeschäfts – Ein Beitrag zu den Grenzen des Anwendungsbereichs des § 142 InsO, FS G. Fischer, 2008, S. 267 ff.; Knospe, Insolvenzanfechtung versus Arbeitnehmerinteressen: Bringt der Koalitionsvertrag Veränderungen beim Bargeschäft?, ZInsO 2014, 748 ff.; Lwowski/Wunderlich, Aktuelle Probleme des insolvenzrechtlichen Bargeschäfts, WM 2004, 1511 ff.; Lwowski/Wunderlich, Neues zum Bargeschäft, FS Kirchhof, 2003, S. 301 ff.; Marotzke, Gläubigerbenachteiligung und Bargeschäftsprivileg bei Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Transaktionen, ZInsO 2013, 641 ff.; Meyer, Zur Anfechtbarkeit von Beraterhonoraren und der Reichweite der Barausnahme des § 142 InsO bei Geschäftsbesorgungen, DZWiR 2003, 6 ff.; Raschke, Funktion und Abgrenzung des Bargeschäftstatbestandes in § 142 InsO, Diss. Hamburg 1999; Riggert, Zur Bedeutung der bargeschäftsähnlichen Lage im Insolvenzanfechtungsrecht, FS S. Beck, 2016, S. 451 ff.; ders., Zur dogmatischen Entwicklung des insolvenzrechtlichen Bargeschäfts, FS Braun, 2007, S. 139 ff.; Schubmann, Das Bargeschäftsprivileg nach § 142 InsO im Rahmen des Cash Pooling, GmbHR 2014, 519 ff.; Windel, Das Bargeschäftsprivileg für Lohnnachzahlungen, ZIP 2014, 2167 ff.; Wroblewski, Bargeschäftseinwand gegen Lohnanfechtung, NJW 2012, 894 ff. – Vgl. im Übrigen, auch zur Reform des Anfechtungsrechts durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.3.2017, die Angaben im Literaturverzeichnis vor A.

I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift 1. Entstehungsgeschichte O 1 Die Konkursordnung enthielt keine dem § 142 InsO vergleichbare Bestimmung. Die Vorschrift entspricht aber, so die wörtliche Begründung des Regierungsentwurfs vom 15.4.1992, dem Grundsatz des Konkursrechts, dass Bargeschäfte nicht der Anfechtung wegen kongruenter oder inkongruenter Deckung unterliegen und dass auch eine unmittelbar nachteilige Rechtshandlung im Sinne des § 132 InsO nicht gegeben ist, wenn der Schuldner für seine Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhält.1 Nach den zur sog. Bardeckung entwickelten Grundsätzen schied eine Konkursanfechtung mangels Benachteiligung der Konkursgläubiger aus, wenn – wie dies für Bargeschäfte typisch ist – dem Vermögen des Gemeinschuldners ein entsprechender Gegenwert zufließt. Auf eine vor oder bei der Begründung der Konkursforderung gewährte Sicherung oder Befriedigung war daher nach allgemeiner Meinung weder § 30 Nr. 1 Fall 2 KO (§ 130 InsO) noch § 30 Nr. 2 KO (§ 131 InsO) anwendbar.2

1 BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161, wo ausdrücklich auf § 147 RegE 1992 (§ 132 InsO) betreffend unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen Bezug genommen wird. 2 Vgl. BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177, 184 f.; v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 unter III 1, jew. m.w.N.

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I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 3a O

In den Motiven zur Konkursordnung wird die zugrunde liegende Wertung wie O 2 folgt beschrieben: „Hinzuzufügen ist nur eine Beschränkung (scil. des zuvor begründeten „allgemeinsten Anfechtungsgrundes“, des § 23 Nr. 1 KO-E, § 30 Nr. 1 KO, §§ 130 Abs. 1 Nr. 1, 132 Abs. 1 InsO). Ein Rechtsgeschäft, welches keinerlei Betrug und keinerlei Freigebigkeit enthält, verletzt den zu Tage getretenen Konkursanspruch der Gläubiger nicht schon dadurch, daß es nach Eintritt des letzteren vorgenommen ist, vielmehr nur dann, wenn es zugleich an sich den Stand der Masse beeinträchtigt. Der Kontrahent des Gemeinschuldners, welcher dessen Lage für sich ausbeutet, begeht eine Unredlichkeit gegen die Gläubiger; wer aber ein völlig angemessenes Entgelt giebt, wer mit dem an sich noch verfügungsfähigen Gemeinschuldner kontrahirt, ohne dessen Vermögen zu verringern, kann nicht verantwortlich dafür gemacht werden, daß der Erfolg vielleicht das Geschäft zu einem nachtheiligen stempelt. Hier können zufällige Verschlechterungen, Sinken der Preise, Fahrlässigkeiten, Böswilligkeiten des Gemeinschuldners u.s.w. nicht dem Kontrahenten zur Last fallen. Er würde sonst der Ausbeutung durch den Konkursverwalter ausgesetzt sein, und Niemand könnte bei vollster Uneigennützigkeit einem wankenden Geschäftsfreunde oder Verwandten helfen.“3 Solche praktischen Konsequenzen einer Anfechtbarkeit sogenannter Bargeschäf- O 3 te4 des späteren Schuldners vor Augen haben die Väter der Konkursordnung den Gesichtspunkt eines notwendigen Schutzes redlicher Verkehrsteilnehmer mit ihrer Überzeugung verknüpft, dass es dem Gemeinschuldner möglich sein muss, aus einer (nur vorübergehenden) Krise auch wieder herauszukommen, so dass sich eine Gesamtvollstreckung und damit eine in der Regel existenz-, zumindest aber wertvernichtende Zerschlagung des schuldnerischen Vermögens erübrigt, und dies mit folgenden Worten zusammengefasst: „Würde jedes, selbst für die Gläubiger vortheilhafte Geschäft die Gefahr der Anfechtung laufen, so würde es dem redlichsten und gewandtesten Schuldner unmöglich gemacht werden, eine Zahlungseinstellung wieder zu beseitigen. Jede Zahlungseinstellung, jeder Konkursantrag führte zur Konkurseröffnung. Der Entwurf verlangt deshalb hier den Nachweis, daß das Rechtsgeschäft zur Zeit der Vornahme für die Gläubiger nachtheilig war, den Werth des Vermögens verringert hat, – gleichviel in welcher Weise, ob durch die Höhe oder durch die Art des Entgelts.“5 Von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften monierte, auch in der Wis- O 3a senschaft diagnostizierte Fehlentwicklungen des Insolvenzanfechtungsrechts mit der Folge unverhältnismäßiger und unkalkulierbarer Risiken für den Wirtschaftsverkehr6 motivierten den Gesetzgeber zu einer punktuellen, die Vor-

3 Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. IV, 1881, S. 127 zu § 23 (Mot. KO, S. 117). 4 Beiläufig, aber völlig zu Recht kritisiert Karsten Schmidt, JuS 1977, 475 zu BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718 diesen Begriff als „wohl eher irreführend als klärend“, zumal mit ihm z.B. auch die Kreditgewährung gegen Sicherheit erfasst werde. 5 Hahn, Bd. IV, S. 127 unten (Mot. KO, S. 117 f.). 6 So die Begründung des RegE v. 29.9.2015, S. 7 unter A I vor 1 = BT-Drucks. 18/7054, S. 10. Wagner

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O Rz. 3a

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schriften der §§ 133, 142, 143 InsO (sowie der §§ 3, 11 AnfG) betreffenden Reform des Anfechtungsrechts, die mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.3.2017 ihren Abschluss gefunden hat.7 Erklärtes Ziel des zugrundeliegenden Regierungsentwurfs vom 29.9./16.12.2015 war es, den Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die von der Praxis des Insolvenzanfechtungsrechts, insbesondere von dessen Handhabung durch Insolvenzverwalter und Instanzgerichte, besonders im Zusammenhang mit der Vorsatzanfechtung und der Anwendung des Bargeschäftsprivilegs ausgingen, und dabei das Insolvenzanfechtungsrecht insbesondere durch eine Konkretisierung des § 142 InsO so auszugestalten, dass seine praktische Handhabung einen angemessenen Ausgleich zwischen Insolvenzgläubigern und potentiellen Anfechtungsadressaten gewährleistet.8 O 3b Angesichts einer überbordenden Komplexität vor allem der Vorsatzanfechtung9 sollen für einige praktisch besonders wichtige Fallgruppen gesetzliche Klarstellungen erfolgen, um deren Behandlung für die Betroffenen und den Rechtsverkehr berechenbarer zu machen. Dies betrifft zum einen Zahlungserleichterungen im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, zum anderen verspätet gezahltes Arbeitsentgelt im Rahmen des anfechtungsausschließenden Bargeschäftsprivilegs nach § 142 InsO.10 Profitieren sollen insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von Insolvenzverwaltern auf Rückerstattung erhaltenen Arbeitsentgelts in Anspruch genommen werden. Zwar habe das Bundesarbeitsgericht, so die Begründung des Regierungsentwurfs, zwischenzeitlich weitgehende Rechtssicherheit in der Frage geschaffen, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitsentgelt in insolvenzanfechtungsfester Weise vereinnahmt werden kann.11 Darüber hinaus habe das Gericht Entgeltzah7 BGBl. I S. 654. 8 RegE v. 29.9.2015, S. 7 unter A I Abs. 2, 10 unter A II vor 1 = BT-Drucks. 18/7054, S. 10 oben, 12 unten. Dem ist zunächst ein Eckpunktepapier des BMJV vom 10.9.2014 vorausgegangen (s. dazu Bork, ZIP 2014, 1905 ff.), sodann ein Referentenentwurf (RefE) vom 16.3.2015 (ZInsO 2015, 624 = ZIP 2015, Beilage zu Heft 12), der im insolvenzrechtlichen Schrifttum eingehend diskutiert wurde, vgl. etwa Blank/Blank, ZInsO 2015, 1705 ff.; Dahl/Linnenbrink/Schmitz, NZI 2015, 441 ff.; Frind, ZInsO 2015, 1001 ff.; Ganter, WM 2015, 905 ff.; Hölzle, ZIP 2015, 662 ff.; Jungclaus/Keller, NZI 2015, 297 ff.; Sämisch, ZInsO 2015, 1658 ff.; Würdinger, KTS 2015, 315 ff.; und schließlich ein Regierungsentwurf (RegE) vom 27.9.2015 (BR-Drucks. 495/15 = ZInsO 2015, 2073 = ZIP 2015, Beilage 2 zu Heft 40) und vom 16.12.2015 (BT-Drucks. 18/7054), vgl. eingehend dazu etwa Berner, ZInsO 2015, 2457 ff.; Dahl/Schmitz/Taras, ZInsO 2016, 20 ff.; Ganter, WM 2015, 2117 ff.; Huber, ZInsO 2015, 2297 ff.; Klinck, DB 2016, 634 ff.; Kayser/Heidenfelder, ZIP 2016, 447 ff. sowie die schriftlichen Stellungnahmen der vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (ARV) des Deutschen Bundestages (im Folgenden: Bundestag, abgekürzt BT) gehörten Sachverständigen, zusammengestellt im Protokoll der 92. Sitzung des ARV am 24.2.2016, BT-ARV, Prot. 18/92, S. 30–135, abrufbar auf der Internetseite des Bundestages unter der Adresse http://www.bundestag.de/ausschuesse/ protokolle, auf die für das Ergebnis der Anhörung auch in der Beschlussempfehlung des ARV verwiesen wird, s. BT-Drucks. 18/11199, S. 10. 9 BT-Drucks. 18/7054, S. 10 unten. 10 RegE v. 29.9.2015, S. 10 unter A II vor 1 = BT-Drucks. 18/7054, S. 12 unten. 11 RegE v. 29.9.2015, S. 8 f. unter A I 2 = BT-Drucks. 18/7054, S. 11 unten mit BAG, Urteil vom 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 Rn. 15 ff., wonach ein grundsätz-

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I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 3c O

lungen „in bargeschäftsähnlicher Lage“ weitgehend auch der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO entzogen, indem es insoweit hohe Anforderungen an den Nachweis der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen festgelegt habe.12 Schließlich habe es, gestützt auf das Sozialstaatsprinzip, sogar in Erwägung gezogen, den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Fällen, in denen weitgehend pünktlich gezahltes Arbeitsentgelt noch einer Anfechtung unterliegen kann, um einen betragsmäßig auf das Existenzminimum begrenzten Anfechtungsausschluss zu erweitern.13 Diese Rechtsprechung sei allerdings durch den Bundesgerichtshof unter anderem mit dem Argument in Zweifel gezogen worden, das Bundesarbeitsgericht habe die Grenzen verfassungsrechtlich zulässiger Rechtsfortbildung überschritten und setze seine rechtspolitischen Vorstellungen an die Stelle des Gesetzes.14 Deshalb sei ein Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor Insolvenzanfechtungen weiterhin erforderlich.15 In § 142 InsO (n.F.) wurde dies gesetzestechnisch durch eine Einschränkung der O 3c Vorsatzanfechtung von Bargeschäften auf Fälle erkannt unlauteren Handelns des späteren Schuldners, mithin auf der Ebene der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen, umgesetzt (§ 142 Abs. 1 InsO)16 sowie durch eine Legaldefinition des Tatbestandsmerkmals der Unmittelbarkeit (§ 142 Abs. 2 Satz 1 InsO)17 und dessen Konkretisierung für die Zahlung von Arbeitsentgelt (§ 142 Abs. 2 Satz 2 InsO),18 auch soweit diese Zahlung – für den Arbeitnehmer nicht erkennbar – durch Dritte erfolgt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 InsO).19 Die Ergänzung durch Absatz 2 Satz 3 erfolgte erst im Zuge der Beratungen des Gesetzentwurfs im Bundestag auf Empfehlung des Rechtsausschusses. Damit soll die von Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung geäußerte Kritik berücksichtigt werden, wonach für den Arbeitnehmer nicht erkennbare Drittzahlungen auf das Arbeitsentgelt in gleichem Umfang wie Zahlungen des Arbeitgebers von der Anfechtung auszunehmen seien.20

12 13 14 15 16 17 18 19 20

lich anfechtungsausschließendes Bargeschäft vorliegt, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für vom Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbrachte Arbeitsleistungen bezahlt. RegE v. 29.9.2015, S. 8 f. unter A I 2 = BT-Drucks. 18/7054, S. 11 unten mit BAG, Urteil vom 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Rn. 72 ff. RegE v. 29.9.2015, S. 8 f. unter A I 2 = BT-Drucks. 18/7054, S. 11 unten mit BAG, Urteil vom 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Rn. 15 ff. RegE v. 29.9.2015, S. 8 f. unter A I 2 = BT-Drucks. 18/7054, S. 11 unten mit BGH, Urteil vom 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rn. 20 ff. RegE v. 29.9.2015, S. 8 f. unter A I 2 = BT-Drucks. 18/7054, S. 11 unten. RegE v. 29.9.2015, S. 8 f. unter A II 2 = BT-Drucks. 18/7054, S. 11 unten. Siehe dazu Rz. O129c ff. RegE v. 29.9.2015, S. 8 f. unter A II 2 = BT-Drucks. 18/7054, S. 11 a.E. Siehe dazu Rz. O87a ff. BT-Drucks. 18/7054, S. 14 oben. Siehe dazu Rz. O87d ff., O174 ff. BT-Drucks. 18/11199, S. 11 unter IV zu Art. 1 Nummer 3 (vormals 4). Siehe dazu Rz. O29d ff. BT-Drucks. 18/11199, S. 11 unter IV zu Art. 1 Nummer 3 (vormals 4). Siehe dazu Rz. O29a ff. Wagner

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O Rz. 4

§ 142 InsO – Bargeschft

2. Normzweck O 4 Die Vorschrift privilegiert den Austausch wirtschaftlich gleichwertiger Leistungen bis zur Grenze vorsätzlicher Benachteiligung i.S.d. § 133 InsO,21 seit dem 5.4.2017 in der erschwerten Form der erkannten Unlauterkeit (§ 142 Abs. 1 InsO).22 Ihr liegt die wirtschaftliche Überlegung zugrunde, dass ein Schuldner in der Krise „praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen wertäquivalenten Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen.“ (Teilhabefunktion)23 Wegen des ausgleichenden Vermögenswertes findet keine Vermögensverschiebung zulasten des Schuldners statt, sondern eine bloße Vermögensumschichtung (BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 323; Karsten Schmidt),24 so dass es letztlich an einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger und damit an der notwendigen, ungeschriebenen Voraussetzung einer jeden Insolvenzanfechtung fehlt.25 So gesehen, enthielte § 142 InsO nur eine Klarstellung jener allgemeinen Anfechtungsvoraussetzung (§ 129 Abs. 1 InsO), hätte also nur deklaratorische Bedeutung. Tatsächlich ist die Bestimmung jedoch als Ausnahmetatbestand konzipiert und über die anfechtbare Leistung des Schuldners hinaus auf die Gegenleistung fokussiert (Schutzfunktion). § 142 InsO gibt dem Anfechtungsgegner im Prozess eine rechtshindernde Einwendung26 mit der Folge einer abweichenden Verteilung der Darlegungsund Beweislast für deren Voraussetzungen. O 4a Wesentlich für eine an Sinn und Zweck des § 142 InsO orientierte teleologische Anwendung des Bargeschäftsprivilegs ist die Erkenntnis seiner Multifunktionalität. Dem allenthalben im Anschluss an die Gesetzesmaterialien als Normzweck wiedergegebenen Leitgedanken, der in Zahlungsschwierigkeiten geratene Schuldner solle nicht von der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ausgeschlossen werden, entspricht ein Schutz potentieller Vertragspartner. § 142 InsO verfolgt daher zumindest einen doppelten Schutzzweck, nämlich einen Schuldnerschutz und einen Gläubigerschutz, Letzteres nicht im Dienste der par condicio creditorum, sondern im Sinne eines generellen Erwartungs- und Vertrauensschut21 BT-Drucks. 12/2443 S. 167 zu § 161 RegE. 22 Mit Inkrafttreten der Neufassung gemäß Gesetz vom 29.3.2017. Siehe oben Rz. O3c. 23 BT-Drucks. 12/2443 S. 167 zu § 161 RegE; vgl. BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199) Rz. 30 = NJW 2006, 2701; BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 = WM 2010, 1986 Tz. 24; BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 9; HK-InsO/Kreft Rz. 2; Kayser/Thole, § 142 Rz. 2 m.w.N. 24 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 9 mit BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, WM 2010, 1986 Tz. 24 m.w.N. und bereits BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (323); Karsten Schmidt, JuS 1977, 475 zu BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718; Karsten Schmidt, WM 1983, 490 (493). Kritisch dazu Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 27 ff., der diesem „Argument“ oder „Lösungsansatz“ aber zu Unrecht eine alles erklärende Funktion abverlangt. 25 Vgl. zum Zweck der Insolvenzanfechtung, im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen, BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rz. 29; BGH v. 10.9.2015 – IX ZR 215/13, WM 2015, 1996 = ZInsO 2015, 2180 = ZIP 2015, 2083 Tz. 27 m.w.N. 26 H.M., vgl. Raschke, Diss. Hamburg 1999, S. 127 f.; Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 103 f. – Zum Verhältnis von § 142 InsO zu § 129 InsO s. unten Rz. O7 ff.

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I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 5 O

zes zugunsten aller Geschäfts- und Vertragspartner, die sich auf einen bargeschäftlichen Leistungsaustausch mit dem in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Schuldner einlassen. Einerseits schützt die Teilnahme- oder Teilhabefunktion der Norm den potentiellen Schuldner, indem sie ihm ermöglicht, einen vorübergehenden Zahlungsengpass zu überwinden. Zugleich wird damit sein Geschäftspartner geschützt, der die für sich genommen masseschmälernde, anfechtbare Leistung des Schuldners auf Verlangen des Insolvenzverwalters an die Masse herausgeben oder Wertersatz leisten müsste, obwohl er eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat. Damit wird auch der Rechts- und Wirtschaftsverkehr geschützt, der bei einer Anfechtbarkeit gleichwertiger Gegenleistungen erheblich gestört und im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit bargeschäftlichen Leistungsaustauschs erheblich beeinträchtigt wäre (Sicherheits- oder Bestandsfunktion). Ob § 142 InsO darüber hinaus eine Steuerungsfunktion zukommt, ist zumindest zweifelhaft.27 Diesem Verkehrsschutzzweck des § 142 InsO korreliert ein dem allgemeinen O 4b Schädigungsverbot zu entnehmendes insolvenzanfechtungsrechtliches Schädigungs- und Bereicherungsverbot. Die Insolvenzanfechtung soll Massekürzungen rückgängig machen, nicht aber einer ungerechtfertigten Bereicherung der Insolvenzmasse dienen.28 Dem Ziel einer unbegrenzten Massemehrung widerstreitend steht dieser Gesichtspunkt einer restriktiven Auslegung des § 142 InsO ebenso entgegen wie einer dadurch begünstigten hypertrophen Praxis der Insolvenzanfechtung. Nicht gefolgt werden kann daher der stereotyp, auch im Rahmen der jüngsten Anfechtungsrechtsreform vorgebrachten Warnung, jede Ausweitung der Bargeschäftsausnahme befördere tendenziell eine Zunahme massearmer oder mangels Masse gar nicht erst eröffneter Verfahren, leiste der Verschiebung von verwertbaren Gegenständen des Schuldnervermögens Vorschub, führe zumindest zu einer Verzögerung der ohnehin unausweichlichen Insolvenzeröffnung und minimiere dadurch die Aussichten einer erfolgreichen Sanierung betroffener Unternehmen.29 Kritik solcher Art übersieht stets, dass das Bargeschäftsprivileg eine zeitnahe gleichwertige Gegenleistung in das Schuldnervermögen voraussetzt, auch dann, wenn es nach zutreffender Ansicht einer inkongruenten Deckung zuteil werden kann (vgl. Rz. O11 ff.). Nach Kirchhof stellt die Bargeschäftsausnahme einen Ausgleich dafür dar, dass O 5 die Deckungsanfechtung kongruenter Leistungen keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraussetzt, dass vielmehr auch eine mittelbare Benachtei27 Vgl. ablehnend dazu F. Bartels, S. 191 m.w.N. 28 Vgl. F. Bartels, S. 188 mit C. G. Paulus, Festschrift für Gero Fischer, 2008, S. 445 (453). – Zur insoweit gleichgelagerten Problematik der Organhaftung für masseschmälernde Zahlungen (§§ 130a Abs. 1, 177a Abs. 1 HGB, §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, § 64 Satz 1 GmbHG) s. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 11 m.w.N. = GmbHR 2015, 137; dazu unten Rz. O18f. 29 Vgl. hierzu die Äußerungen im Rahmen der öffentlichen Expertenanhörung am 24.2.2016, BT-Drucks. 18/11199, S. 10 unter Bezugnahme auf die dem Wortprotokoll der 92. Sitzung des Rechtsausschusses v. 24.2.2016 beigefügten schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen, BT-ARV-Prot. 18/92, S. 30 ff. passim (s. oben Fn. 7); ferner die zu Protokoll gegebenen Reden der MdB Hirte, Hoffmann und Fechner in den abschließenden Beratungen des Bundestags, BT-Plenarprotokoll 18/218, S. 21907 f., 21909, 21910, 21911 f. Wagner

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O Rz. 5

§ 142 InsO – Bargeschft

ligung ausreicht.30 Nichts anderes meint Henckel, wenn er die Funktion des § 142 InsO in einer Ergänzung des § 132 InsO sieht.31 Dahinter steht die an sich zutreffende Erwägung, dass es dem Schuldner, der vor Beginn der Krise eine Leistung sich hat versprechen lassen, möglich sein muss, die Rückforderung des ihm geleisteten Gegenstandes abzuwehren, indem er die ihm obliegende Gegenleistung anfechtungsfrei erbringt, weshalb es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ankommen könne.32 Dennoch trifft diese Erklärung nicht die ratio legis. Zum einen übersieht sie, dass es entscheidend auf die Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen und nicht auf den Zeitpunkt ihrer Vereinbarung ankommt; träfe sie zu, müssten auch nicht wertäquivalente Leistungen anfechtungsfrei sein, wenn sie zwar im kritischen Zeitraum erbracht, aber in „vorkritischer“ Zeit versprochen worden sind. Zum anderen greift sie zu kurz, weil sie lediglich gegenseitige Verträge als Grundlage des Leistungsaustauschs in den Blick nimmt. Der den Motiven ohne weiteres zu entnehmende Zweck der Vorschrift33 würde aber verfehlt, wenn die Leistung des anderen Teils eine andere Rechtsgrundlage hat als die des Schuldners, aber gleichwohl beide darüber einig sind, dass die eine durch die andere ausgeglichen werden soll. Hierauf ist bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für die“ im Sinne einer notwendigen rechtsgeschäftlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung zurückzukommen. O 6 Thole führt in seiner 2010 erschienenen Habilitationsschrift zum Thema „Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht“ bestehende Unklarheiten über die normativen Grundlagen des § 142 InsO und die Reichweite der Bargeschäftsausnahme „zu einem Gutteil auf fehlende systematische Distinktion“ zurück.34 Diesem Befund ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass die teleologische Interpretation einer Norm sich stets der Gefahr bloßer Scheinbegründung bewusst sein muss.35 Andererseits ist nicht zu verkennen, dass vorhandene Deutungsspielräume, insbesondere bei den Tatbestandsmerkmalen der Unmittelbarkeit und Gleichwertigkeit der Gegenleistung sowie deren Verknüpfung mit der korrespondierenden Leistung des Schuldners, zu unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Auslegungsergebnissen führen, je nachdem, welcher Sinn der Vorschrift zugeschrieben wird.36 Daher ist es im Interesse der Rechtsklarheit und Voraussehbarkeit der Rechtsanwendung unerlässlich, die dogmatischen Grundlagen der Vorschrift herauszuarbeiten und deren Zielrichtung und Reichweite offen zu legen. Die systematische Einordnung des § 142 InsO ist indes strittig.

30 Kirchhof, WM 1996, SBeil. Nr. 2, S. 24 zu § 30 Nr. 1 Fall 2 KO (§ 130 InsO) mit Nachw. zur älteren Rechtsprechung des BGH in Fn. 346. 31 Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 2. Siehe dazu Rz. O14. 32 Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 3. 33 Vgl. BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578, 3580 = ZIP 2010, 2009, 2012 Tz. 24 m.w.N. 34 Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 372. 35 Vgl. zur Rechtfertigung der besonderen Insolvenzanfechtung Klinck, Die Grundlagen der besonderen Insolvenzanfechtung 2011, S. 33 ff. (im Folgenden zitiert: Klinck, Grundlagen; s. LitVerz. vor A). 36 Vgl. eingehend F. Bartels, S. 185 ff. m.z.N.

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I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 6b O

Mit der Neuregelung des Anfechtungsrechts durch Gesetz vom 29.3.2017 wurde O 6a § 142 InsO (a.F.) erheblich geändert mit dem Ziel, Rechtsunsicherheiten bei der Reichweite und Auslegung des Bargeschäftsprivilegs zu beseitigen.37 Die Vorschrift wurde, ergänzt um eine Beschränkung der Unanwendbarkeit des Bargeschäftseinwands bei vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung auf vom Anfechtungsgegner erkannt unlautere Leistungen des Schuldners, zu § 142 Abs. 1 InsO. Bargeschäfte unterliegen somit entgegen § 142 InsO a.F. nicht mehr generell der Vorsatzanfechtung, sondern nur noch insoweit, als der Schuldner unlauter handelte und der Leistungsempfänger dies erkannt hat.38 Die Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 bis 3 InsO) von Bargeschäften soll damit im Vergleich zu der bis dahin ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Ausschluss der Vorsatzanfechtung bei bargeschäftlichem und bargeschäftsähnlichem Leistungsaustausch (s. Rz. O128 ff.) erklärtermaßen weiter eingeschränkt werden,39 zumal die Anfechtung nach § 133 InsO (anders als bei der konkursrechtlichen Absichtsanfechtung) keinen dolus directus erfordert. Da es an einem unlauteren Handeln des Schuldners meist fehlen wird, dürfte die Vorsatzanfechtung bei bargeschäftlichem Leistungsaustausch nunmehr im praktischen Regelfall ausgeschlossen sein.40 Diese Einschränkung entspricht dem gesetzgeberischen Regelungsziel, einen bargeschäftlichen Leistungsaustausch im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs grundsätzlich zu privilegieren41 und Anfechtungsgegner vor einer übermäßigen Inanspruchnahme zu bewahren und die Belastungen des Geschäftsverkehrs sowie der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf ein verträgliches Maß zu reduzieren.42 Durch den neuen § 142 Abs. 2 InsO soll darüber hinaus, wie es in der Begründung O 6b des Gesetzentwurfs heißt, die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Konkretisierung des nach § 142 InsO erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung zusammengefasst werden.43 Die Neuregelung des § 142 Abs. 2 InsO-E löse dabei die Divergenzen auf, die in der Frage der Anfechtbarkeit von Arbeitsentgeltzahlungen zwischen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestünden. § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO-E stelle in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts klar, dass die für ein Bargeschäft notwendige Unmittelbarkeit des Austausches im Rahmen von Arbeitsverträgen dann zu bejahen ist, wenn der Zeitraum zwischen dem Beginn der Arbeitsleistung, deren Vergütung in Streit steht, und der Auszahlung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Bei Einhaltung dieser zeitlichen Grenzen sei eine Anfechtung von Arbeitsentgeltzahlungen künftig im Regelfall nicht mehr möglich, da bei

37 RegE v. 29.9.2015, S. 11 unten (A II 2) = BT-Drucks. 18/7054, S. 13 unten zu § 142 InsO-E. 38 RegE v. 29.9.2015, S. 11 unten (A II 2) = BT-Drucks. 18/7054, S. 13 unten zu § 142 InsO-E. 39 BT-Drucks. 18/7054 S. 13 a.E. (unter A II 2). 40 BT-Drucks. 18/7054 S. 14 oben (vor 3.). Vgl. deshalb bereits zu § 142 InsO-E kritisch Ganter, WM 2015, 2117 (2120) mit Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001 (2002). 41 BT-Drucks. 18/7054 S. 10 (unter A I Abs. 2), S. 13 (unter A II 2). 42 BT-Drucks. 18/7054, S. 10 a.E. (unter A I 1), 12 a.E. (unter A II vor 1). 43 BT-Drucks. 18/7054, S. 13 oben. Wagner

821

O Rz. 6b

§ 142 InsO – Bargeschft

Vorliegen eines Bargeschäfts auch die Anforderungen an die Vorsatzanfechtung erhöht würden (§ 142 Absatz 1 InsO-E). Damit erübrige sich auch die vom Bundesarbeitsgericht in diesen Fällen erwogene Anfechtungssperre in Höhe des auf den Vergütungszeitraum entfallenden Existenzminimums.44 Die Regelungssystematik des geltenden Rechts soll durch die auf punktuelle Korrekturen beschränkten Gesetzesänderungen erklärtermaßen unberührt bleiben.45 3. Systematik a) Verhältnis des § 142 InsO zu § 129 InsO O 7 Die dogmatische Abgrenzung zwischen dem Erfordernis einer objektiven Gläubigerbenachteiligung als dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal aller Anfechtungstatbestände und den Voraussetzungen eines Bargeschäfts als Einwendungstatbestand im Anfechtungsprozess ist schon deshalb wesentlich, weil damit gegensätzliche Beweislastregeln zur Anwendung kommen. Während der Insolvenzverwalter die Beweislast für die Gläubigerbenachteiligung als Voraussetzung des Anfechtungstatbestandes, insbesondere im Rahmen der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO trägt, hat der Anfechtungsgegner die Einwendungsvoraussetzungen darzulegen und zu beweisen (s. Rz. O135). O 8 Daher ist die notwendige Bestimmung des Verhältnisses der Bargeschäftsausnahme zu § 129 InsO gleichsam der Dollpunkt für das systematische Verständnis der Insolvenzanfechtung, insbesondere der Deckungsanfechtung. Die gesetzlich bestimmte Aufspaltung in Anfechtungsgrund und Anfechtungsausschluss ermöglicht eine differenzierende Betrachtung der Leistung des Schuldners als Anfechtungsgegenstand i.S.d. §§ 130 ff. InsO einerseits und der kompensierenden Gegenleistung als Einwendungstatbestand andererseits. Sie erzwingt im Rahmen der Anspruchsprüfung zugleich eine bestimmte Reihenfolge der Prüfungsschritte, die den durch § 142 InsO vorgeschriebenen Wertvergleich von Leistung und Gegenleistung erst im zweiten Schritt, nämlich bei den Ausschlussvoraussetzungen erlaubt (s. Rz. O9, O56, O134). Unzutreffend, zumindest ungenau ist es daher, den Zweck der Vorschrift auf die Erkenntnis zurückzuführen, bei zeitnahem Austausch gleichwertiger Leistungen fehle es an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung.46 Denn diese gleichsam saldierende Beschreibung mag zwar im Ergebnis (per saldo) stimmen, leistet aber dem Missverständnis Vorschub, es fehle gegebenenfalls bereits am Tatbestand einer objektiven Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO. Zutreffend ist vielmehr die Formulierung von Kreft, es gehe nicht an, das Bargeschäft allgemein durch das Fehlen einer Gläubigerbenachteiligung zu charakterisieren.47 Aus den (oben Rz. O5) bereits genannten Gründen nicht hinreichend ist dagegen seine weitere Beschreibung, die Besonderheit des Bargeschäfts liege allein in der zeitnahen

44 BT-Drucks. 18/7054, S. 11 unten (unter A I 2), 14 oben (unter A II 2). 45 BT-Drucks. 18/7055, S. 12 unten (unter A II vor 1). 46 So aber BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Rz. 47 unter Bezugnahme auf Kayser, Festschrift für Gero Fischer, S. 267 (269). 47 HK-InsO/Kreft, 6. Aufl. (2011), § 129 Rz. 50.

822 Wagner

I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 9 O

kongruenten Erfüllung eines nach § 132 Abs. 1 InsO unanfechtbaren Rechtsgeschäfts, sofern es an den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO fehlt.48 In jüngster Zeit hat sich Bitter eingehender mit dem Verhältnis der beiden Vor- O 8a schriften zueinander beschäftigt und ein hier sog. Teilmengen-Theorem skizziert.49 Danach bilden die Anwendungsbereiche der §§ 129, 142 InsO zwei sich überschneidende Kreise, in deren Schnittbereich ein Bargeschäft vorliegen und zugleich die Gläubigerbenachteiligung fehlen soll. Dabei wird jedoch schon im gedanklichen Ansatz verkannt, dass § 142 InsO erst zur Anwendung kommen kann, wenn die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt sind, mithin eine objektive Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO gegeben ist. Ob dies der Fall ist, richtet sich ausschließlich nach der anzufechtenden Rechtshandlung, deren masseschmälernde Folgen rückgängig gemacht werden sollen. Eine in die Masse gelangte Gegenleistung spielt dabei, anders als bei § 142 InsO, keine Rolle. Deshalb erscheint es wenig aussagekräftig, wenn der Bereich fehlender Gläubigerbenachteiligung dem Bereich gegebener Bargeschäfte gegenübergestellt wird. Verfehlt oder nichtssagend (zirkulär) erscheint daher auch die vermeintliche Erkenntnis, dass die Frage, ob und in welchem Umfang eine Gegenleistung die Gläubigerbenachteiligung ausschließt, „richtigerweise“ in § 142 InsO gar nicht behandelt, sondern in § 129 InsO „adressiert“ sei.50 Jene Ausführungen zur dogmatischen Abgrenzung scheinen von dem Bemühen O 8b und der Vorstellung getragen zu sein, das Abgrenzungsproblem gleichsam arithmetisch, mit logischen Mitteln lösen zu können. Demgegenüber gilt es, gegenläufige Funktionen der beiden Vorschriften und das ihnen zugrundeliegende Regel-Ausnahme-Verhältnis einschließlich der damit verbundenen gegensätzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (Rz. O7) unter teleologischen Gesichtspunkten in den Blick zu nehmen. Zweckmäßig erscheint dabei zunächst eine getrennte Betrachtung von Tatbestand und Rechtsfolge der jeweiligen Norm. Hiervon zu unterscheiden ist die anschließend zu klärende Frage, welche Wirkungen die beiden Vorschriften im Anfechtungsprozess, einem zivilprozessualen Erkenntnisverfahren, haben, insbesondere welche Anforderungen an den jeweiligen Vortrag und Nachweis der normausfüllenden, rechtsbegründenden bzw. rechtshindernden Tatsachen und die hierfür erforderliche richterliche Überzeugung gestellt sind. b) Verhältnis des § 142 InsO zu § 130 InsO Die Anfechtung einer Leistung des Insolvenzschuldners in den Fällen des § 130 O 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO ist unter den Voraussetzungen des § 142 InsO ausgeschlossen. Nach herrschender Meinung stellt das sog. Bargeschäftsprivileg eine Ausnahme von der Anfechtbarkeit wegen kongruenter Deckung dar, also von Rechtshandlungen des Schuldners oder eines Dritten in kritischer Zeit, die einem Gläubiger, der die Lage des Schuldners (Zahlungsunfähigkeit oder Eröff-

48 HK-InsO/Kreft, 6. Aufl. (2011), § 129 Rz. 50. 49 Bitter, KTS 2016, 455, 485 f. 50 So aber Bitter, KTS 2016, 455, 485 unten. Wagner

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O Rz. 9

§ 142 InsO – Bargeschft

nungsantrag) bei Vornahme der Handlung kennt oder kennen muss, eine ihm geschuldete Befriedigung oder Sicherung gewähren oder ermöglichen. O 10 Für die Kongruenzbeurteilung spielt die Frage des Bargeschäfts allerdings keine Rolle. Der Bundesgerichtshof hat dies jüngst in seinem Urteil vom 7.7.2011 im Zusammenhang mit der Beurteilung der Inkongruenz von Verrechnungen im debitorischen Bankenkontokorrent erneut ausgesprochen und dabei klargestellt, dass das Bargeschäft erst zu prüfen ist, wenn es auf die Gläubigerbenachteiligung einer kongruenten Deckung ankommt.51 Diese Feststellung impliziert das systematische Verständnis der Insolvenzanfechtung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach beurteilt sich die Frage der Gläubigerbenachteiligung zunächst ausschließlich in Bezug auf die anzufechtende Rechtshandlung. Das bedeutet, dass Leistung und Gegenleistung zwar im Rahmen des § 142 InsO einer Gesamtbetrachtung bezüglich der Frage ihrer Verknüpfung, ihrer Unmittelbarkeit und Gleichwertigkeit unterliegen, die aber für die zunächst zu klärende Frage der Anfechtbarkeit der Leistung (Rechtshandlung) des Schuldners zu unterbleiben hat. Das ist auch gemeint, wenn Kreft formuliert, es gehe nicht an, das Bargeschäft allgemein durch das Fehlen einer Gläubigerbenachteiligung zu charakterisieren.52 c) Verhältnis des § 142 InsO zu § 131 InsO O 11 Ob § 142 InsO auch inkongruente Deckungshandlungen erfasst, ist umstritten.53 Nach heute herrschender Meinung ist der Bargeschäftseinwand im Rahmen der Anfechtung wegen inkongruenter Deckung (§ 131 InsO), insbesondere in Fällen der Einzelzwangsvollstreckung innerhalb des Dreimonatszeitraums,54 ausgeschlossen.55 Eine Auseinandersetzung mit kritischen Stimmen, die sich immerhin auf eine gegenteilige Äußerung in der Begründung des Regierungsentwurfs vom 15.4.1992 zu § 161 RegE (s. oben Rz. O1) sowie auf die bis dahin gängige Formulierung des Bundesgerichtshofs zur Konkursordnung berufen können, findet meist nicht statt.56 Der Paradigmenwechsel wurde mit dem Kundenscheck-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.9.1993 (BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 51 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, NZI 2011, 675 m. Anm. Leithaus = WM 2011, 1523 = ZIP 2011, 1576 (1577) Tz. 8. Für die umgekehrte Prüfungsreihenfolge Wazlawik, DZWIR 2009, 418 unter I. Vgl. dazu Rz. O56, O134. 52 HK-InsO/Kreft, § 129 Rz. 50. 53 Ausführlich zum Meinungsstand Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 50 ff.; Klinck, Grundlagen, S. 397 ff.; F. Bartels, S. 185 ff., jew. mit zahlr. Nachw. Vgl. auch BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZInsO 2009, 1054 (1056) Tz. 13; v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 (92) Rz. 14; s. Rz. O57 ff., O66 ff. 54 Vgl. zur Inkongruenz der Zwangsvollstreckung etwa BGH v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309 (311 ff.); 157, 350 (353); 162, 143 (149); 183, 86 (88 f.). Vgl. auch Rz. D65 f. 55 Vgl. BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZInsO 2009, 1054 (1056) Tz. 13; v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 (92) Rz. 14; v. 24.10.2011 – IX ZR 244/09, NZI 2011, 937 Tz. 15. Ebenso nunmehr BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZIP 2014, 91 Tz. 37 ff., jew. m.w.N. 56 Ausnahmen bilden etwa die Dissertationen von Bräuer, S. 50 ff. und F. Bartels, S. 185 ff. sowie eingehend die Habilitationsschrift von Klinck, Grundlagen, S. 334 ff., 400 ff. (s. LitVerz. vor A).

824 Wagner

I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 12 O

227/92, BGHZ 123, 320) eingeläutet, demzufolge eine Anfechtung nach § 31 Nr. 1 KO (§ 133 InsO) auch in Betracht kommt, wenn eine Bardeckung vorliegt. Auf diese Entscheidung und die wesentlichen Argumente der widerstreitenden Ansichten ist im Zusammenhang mit der erforderlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung, mithin bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für die“ zurückzukommen (s. Rz. O58 ff., O66 ff.). Vorweg sei erwähnt, dass die restriktive Auslegung des Bundesgerichtshofs sich an der ratio legis des § 142 InsO messen lassen muss, dem Schuldner weiterhin die verkehrsübliche Teilnahme am Rechts- und Geschäftsverkehr zu ermöglichen und damit die Chance zu geben, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen abzuwenden.57 In dem Bemühen um punktuelle Klarstellungen und Korrekturen hat der Re- O 11a formgesetzgeber des Jahres 2015/2017 diese Frage nicht aufgegriffen, obwohl er die Problematik inkongruenter Deckungen im Zusammenhang mit dem vereinfachend sogenannten Fiskusprivileg eingehend beraten hat.58 Anstelle der hier als erforderlich angesehenen Korrektur der heute herrschenden Auslegung resp. Rückkehr zur früher herrschenden Meinung, wonach § 142 InsO grundsätzlich auch auf inkongruente Leistungen anwendbar ist (Rz. O66), war der Gesetzentwurf der Bundesregierung insoweit auf eine Privilegierung von Rechtshandlungen beschränkt, durch die eine Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erwirkt oder zu deren Abwendung bewirkt worden ist (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 2 InsO-E). Indem er die durch Zwangsvollstreckung oder durch deren Androhung erreichte Befriedigung oder Sicherung einer Gläubigerforderung als kongruente Deckung definierte und damit der prinzipiellen Anwendbarkeit des Bargeschäftseinwands unterwarf, durchbrach der Gesetzentwurf die Systematik der besonderen Insolvenzanfechtung im herkömmlichen Verständnis der §§ 130, 131 InsO und sah zugleich eine auch im Rahmen des § 142 InsO schwer begründbare Privilegierung der Einzelvollstreckungsgläubiger gegenüber den auf Quote gesetzten Gesamtvollstreckungsgläubigern vor.59 § 131 Abs. 1 Satz 2 InsO-E wurde jedoch vor den abschließenden Beratungen im Bundestag durch dessen Rechtsausschuss gestrichen, um eine Privilegierung hoheitlicher Rechtsträger (Finanzkassen und Sozialversicherungsträger) gegenüber privaten Gläubigern zu verhindern.60 Anfechtbar sind nach § 131 Abs. 1 InsO Rechtshandlungen in kritischer Zeit, O 12 die einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung (Deckung) gewähren oder ermöglichen, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Zumindest bei der letzten Variante („nicht zu der Zeit“) lässt sich ein Anwendungsbereich für § 142 InsO nicht von vornherein leugnen. 57 S. dazu Rz. O3, O12 f., O69 mit BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, ZIP 1997, 1551 (1553); BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, NZI 2009, 723 Tz. 2. 58 Aufschlussreich sind insoweit die zu Protokoll gegebenen Reden der Berichterstatter im Rahmen der 2. und 3. Lesung im Bundestag am 16.2.2017, BT-Plenarprotokoll 18/218, S. 21906 (unter 4. = ZInsO 2017, 427, 428), 21911 f., 21912 f. 59 Vgl. hierzu die (oben Fn. 7) genannten ganz überwiegend kritischen Stimmen zu RefE und RegE sowie BT-Drucks. 18/11199, S. 10; differenzierend dagegen Jungclaus, KTS 2016, 45 ff. 60 BT-Drucks. 18/11199, S. 11 unter IV zu Art. 1 Nummer 2. Wagner

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O Rz. 12

§ 142 InsO – Bargeschft

Dagegen scheinen die beiden erstgenannten Fälle nicht mit § 142 InsO zu harmonieren, weil dem Leistungsaustausch eine rechtsgeschäftliche Verknüpfung zugrunde liegen muss. Eine Deckung, die der Anfechtungsgegner nicht oder nicht wie geleistet verlangen konnte, scheint dem zu widersprechen.61 Das ist aber bei näherer Betrachtung nicht der Fall. Denn § 131 InsO betrifft ausschließlich die anfechtbare Deckungshandlung des Schuldners oder eines Dritten, wie in Fällen der Pfändung eines zum Vermögen des Schuldners gehörenden Gegenstandes. Dass der Anfechtungsgegner keinen Anspruch darauf hatte, spielt nur für § 131 InsO und dessen Abgrenzung von § 130 InsO eine Rolle, nicht dagegen für den Einwendungstatbestand des § 142 InsO (Trennung von Anfechtungsgrund und Anfechtungsausschluss). Die hierfür entscheidende Frage, ob die Gegenleistung des anderen Teils (Anfechtungsgegners) dem Schuldnervermögen einen gleichwertigen Ausgleich zugeführt hat,62 so dass deshalb eine Benachteiligung der Gläubigergesamtheit ausgeschlossen ist, ist jedenfalls unabhängig von der Feststellung des konkreten Anfechtungsgrundes zu prüfen.63 O 13 Das von der inzwischen herrschenden Gegenansicht vorausgesetzte systematische Verständnis der §§ 130 ff., 142 InsO ist daher dogmatisch nicht haltbar. Es beruht der Sache nach auf der mit Inkrafttreten des § 142 InsO überholten Annahme einer Einheit von Anfechtungsgrund und Anfechtungsausschluss, die der zutreffenden höchstrichterlichen Erkenntnis von der Notwendigkeit einer strikten Trennung beider Aspekte des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs widerspricht (s. Rz. O9). Darüber hinaus steht auch der Wortlaut des § 142 InsO einer Ausgrenzung der Fälle inkongruenter Deckung entgegen. Die besondere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung, die mit den Worten „für die“ vorgegeben ist, zwingt nicht zu der Annahme, der Anfechtungsgegner müsse einen synallagmatisch oder ähnlich verbundenen Anspruch auf die Leistung des Schuldners haben, wie dies von der heute herrschenden Meinung vorausgesetzt wird.64 Eine berichtigende Auslegung im restriktiven Sinne dieser Rechtsprechung und der ihr überwiegend folgenden Literatur scheidet daher meines Erachtens aus.65 Soweit die Gegenansicht inkongruente Deckungen we61 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 328 f.; Riggert, Festschrift für Braun, 2007, S. 139, 157. 62 Zutreffend Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, 2. Aufl. (2010), Kap. 33 Rz. 36. Vgl. Rz. O115. 63 Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs erst im Anschluss an die Feststellung der Voraussetzungen des § 130 InsO. Dagegen prüft das Bundesarbeitsgericht in BAGE 139, 235 zuerst den Bargeschäftseinwand. S. dazu Rz. O9, O56 f., O134, O176 ff., O239. 64 Siehe pars pro toto K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 9; Braun/Riggert, § 142 Rz. 14; Kayser/Thole, § 142 Rz. 10 m.w.N. Dagegen wie hier F. Bartels, S. 198 ff. m.w.N. und dem zutr. Hinweis, die Gegenansicht habe erst aus Massemehrungsgesichtspunkten Verbreitung gefunden; auch bereits Klinck, Grundlagen, S. 400 zutr. gegen die These, der BGH habe die Erwägung der Gesetzesverfasser „nur zu Ende gedacht“. Vgl. näher Rz. O49 ff., O57 ff. 65 Im Ergebnis ebenso Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1421 ff. sowie die zu Rz. O67 bis O69 genannten kritischen Stimmen. A.A. Kayser/Thole, § 142 Rz. 10 m.z.N; ebenso bereits HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 9, der darin zu Unrecht eine teleologische Extension des § 142 InsO sieht; das Gegenteil ist jedoch der Fall, da mit der Anfechtbarkeit gleichwertiger Leistungen nach § 131 InsO der Anwendungsbereich des § 142 InsO restringiert wird. Wie hier Klinck, Grundlagen, S. 400.

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I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 14 O

gen ihrer „Verdächtigkeit“ dem Anwendungsbereich des § 142 InsO entziehen will,66 verkennt sie einerseits die ausdrücklich und eindeutig erst bei § 133 InsO gezogene Grenze des Bargeschäftsprivilegs und andererseits, dass § 131 InsO im Wesentlichen wie § 130 InsO an den Eintritt der materiellen Insolvenz mit einem kritischen Zeitraum von bis zu drei Monaten vor dem Insolvenzantrag anknüpft, mit anderen Worten: da § 142 InsO eine Anfechtung in Fällen ausschließt, in denen der Anfechtungsgegner die materielle Insolvenz kennt (§ 130 Abs. 1 InsO), ist nicht zu rechtfertigen, die Vorschrift nicht anzuwenden, wenn diese Kenntnis aufgrund besonderer Umstände (Inkongruenz der Deckung) vermutet wird (§ 131 Abs. 1 InsO).67 Dabei ist zu beachten, dass § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO sich zu dem objektiven Tatbestand in Nr. 2 nicht kumulativ, sondern alternativ verhält und allein aus der Inkongruenz der Deckung nicht die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger gefolgert werden darf.68 Darüber hinaus weist Klinck zutreffend darauf hin, dass ein Gläubiger nicht schon durch die Inkongruenz der erhaltenen Deckung einseitig begünstigt wird und deshalb weniger schutzwürdig wäre als der Empfänger einer kongruenten Deckung.69 Eine Gleichstellung der Fälle des § 131 InsO mit jenen der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO) im Rahmen des § 142 InsO scheidet deshalb grundsätzlich aus.70 Für eine teleologische Reduktion des § 142 InsO fehlt es indes bereits an einer verdeckten Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes.71 Eine methodisch korrekte Anwendung des § 142 InsO, wie hier vorgeschlagen, erübrigt dagegen notwendige Ausnahmen und Wertungswidersprüche, mithin eine inkonsistente Rechtsanwendung als Folge der gegenwärtig herrschenden Auslegung. Dies wird hier im jeweiligen Sachzusammenhang erläutert.72 d) Verhältnis des § 142 InsO zu § 132 InsO Nach Ansicht von Henckel ist die Vorschrift bloße Ergänzung zu § 132 InsO.73 O 14 Das entspricht der Sache nach dem im Kundenscheckurteil vom 30.9.1993 zur Konkursanfechtung formulierten systematischen Verständnis des Bundesgerichtshofs, der die Bedeutung der Bardeckung darin sah, die Anfechtung nach § 30 66 Vgl. etwa BGH v. 18.4.2002 – IX ZR 219/01, BGHZ 150, 326 (330) zu § 441 Abs. 1 HGB; v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, ZInsO 2011, 423 Tz. 17 (Direktzahlungen des Endmieters); HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 9; Kayser/Thole, § 142 Rz. 9 f. m.w.N.; Ganter, WM 2015, 2117 (2118): „Inkongruente Deckungen sind per se verdächtig …“. 67 Vgl. Schoppmeyer, ZIP 2012, 1882 (1883) mit Klinck, Grundlagen, S. 400 ff. 68 Vgl. BGH v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242, 250; HK-InsO/Kreft, § 131 Rz. 26; s. auch Annika Röttger, Die insolvenzanfechtungsrechtliche Rückabwicklung von Anweisungsleistungen, 2013 (Diss. Münster 2012), S. 127 ff. m.w.N. 69 Klinck, Grundlagen, S. 334 ff., 400. 70 A.A. ausdrücklich BGH v. 30.3.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 323 f.; v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122, 130; v. 24.10.2011 – IX ZR 244/09, NZI 2011, 937 Tz. 15 m.w.N. 71 Vgl. allg. etwa BGH v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rz. 22 m.w.N.; BGH v. 21.2.2017 – XI ZR 185/16, z.V.b. in BGHZ = NJW 2017, 1378 (1385) Rz. 65. 72 Siehe im Einzelnen Rz. O57 ff., O66 ff., O72 ff., O77a ff. sowie bereits unten Rz. O15a, O15b, O29j ff. et passim. 73 Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 2. Wagner

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O Rz. 14

§ 142 InsO – Bargeschft

Nr. 1 Fall 2 KO (§ 130 InsO) in einem für erforderlich gehaltenen Maße einzuschränken und damit an § 30 Nr. 1 Fall 1 KO (§ 132 InsO) anzupassen. Dahinter steht die Erwägung, dass Rechtsgeschäfte, die unanfechtbar abgeschlossen werden, auch erfüllbar bleiben müssen.74 Insbesondere sollte ihre kongruente Deckung nicht der Anfechtung nach § 30 Nr. 1 Fall 2 KO (§ 130 InsO) unterliegen.75 Dieser Auffassung, die einen Kompromiss zwischen überkommener Dogmatik und positivem Recht sucht,76 kann jedoch nicht gefolgt werden, weil sie die Funktion des § 142 InsO und damit den Spielraum teleologischer Interpretation unnötig verkürzt. Zwar ergibt sich aus dem Zweck des § 132 InsO eine Einschränkung der Deckungsanfechtung.77 Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, § 142 InsO sei lediglich ein Annex dieser Vorschrift. Vielmehr liegt der Schluss auf einen abweichenden Regelungsgedanken nahe. Wenn in § 142 InsO ausdrücklich der dem § 132 InsO zugrunde liegende Rechtsgedanke normiert wäre, wie Henckel meint, bliebe unklar, warum dies erst in § 142 InsO und nicht bereits in § 132 InsO selbst hinreichend geschehen sein soll. Allein die gesonderte Regelung und die systematische Stellung des § 142 InsO sprechen vielmehr für einen weitergehenden Regelungszweck. Diesen sieht Thole in der Nähe zur Vorsatzanfechtung; bei § 132 Abs. 1 InsO gehe es nicht um Deckungen und Erfüllungshandlungen, die Vorschrift wolle vielmehr Verschleuderungen von haftendem Vermögen durch den Schuldner zu Lasten der Gläubigergesamtheit verhindern.78 O 15 Jedenfalls für § 142 InsO nicht überzeugend ist daher die konkursanfechtungsrechtliche Überlegung des Bundesgerichtshofs, die Erfüllbarkeit unanfechtbar geschlossener Verträge werde dadurch sichergestellt, dass „durch die Herausnahme von Bardeckungen aus dem Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 Fall 2 KO (§ 130 InsO) eine dem Erfordernis der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung in § 30 Nr. 1 Fall 1 KO (§ 132 InsO) vergleichbare Voraussetzung geschaffen wird.“79 Die höchstrichterliche Erwägung, unanfechtbar abgeschlossene Rechtsgeschäfte müssten erfüllbar bleiben,80 ist ebenso zutreffend wie nichtssagend für das Verständnis der Bargeschäftsausnahme. Sie gibt lediglich eine Umschreibung des gefundenen Ergebnisses, nicht jedoch dessen Begründung. Zu klären bleibt, ob das einem Baraustausch gleichwertiger Leistungen zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft nach § 132 InsO überhaupt wirksam angefochten werden kann oder ob auch insoweit der Bargeschäftseinwand entgegensteht.81 Letzteres 74 So auch BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Rz. 47. 75 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 323. 76 Vgl. eingehend zur dogmengeschichtlichen Entwicklung Raschke, Diss. Hamburg 1999, S. 14 ff. (zur älteren) und Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 12 ff. (zur jüngeren); ferner Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1421 ff.; Riggert, Festschrift für Braun, 2007, S. 139, 144 ff.; Klinck, Grundlagen, S. 369 ff.; F. Bartels, S. 189 ff., jew. m.z.N. 77 Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 12. Ebenso BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Rz. 47 mit BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 323. 78 Kayser/Thole, § 131 Rz. 2. 79 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 323. 80 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Rz. 47 mit BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 323. 81 Für Anfechtbarkeit etwa Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 31 mit Fn. 146; Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 19 a.E., jedoch ohne Begründung. Instruktiv im Zusammenhang mit Kongruenzvereinbarungen für spätere Direktzahlungen die jüngste Rechtsprechung des BGH, s. dazu unten Rz. O15a f., O77a ff.

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I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 15a O

ist zu bejahen, wenngleich § 142 InsO auf den Leistungsaustausch abstellt und nicht auf den Zeitpunkt oder auf den (Fort-)Bestand der zugrunde liegenden Schuldverhältnisse. Die Vorschrift impliziert, dass Verpflichtungsverträge im kritischen Zeitraum nicht nur erfüllt, sondern auch geschlossen werden können: Abschluss und Erfüllung eines Bargeschäfts sind gleichsam anfechtungsneutral.82 Unabhängig vom Vorrang der spezielleren Anfechtungstatbestände ist ein Gleichlauf zwischen den beiderseitigen Leistungen und den ihnen zugrunde liegenden Ansprüchen geboten, weil andernfalls Sinn und Zweck der Bargeschäftsausnahme verfehlt würden.83 Nach bislang herrschender Ansicht spielte § 142 InsO dagegen von vornherein weder für § 132 InsO noch für § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.) eine Rolle, weil diese Vorschriften eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraussetzen84 und damit ein Bargeschäft begrifflich ausschließen.85 Die jüngste Rechtsprechung zu (nachträglichen) Kongruenzvereinbarungen erzeugt auch insoweit Diskussionsbedarf.86 Festzuhalten bleibt jedenfalls die zutreffende, in Anlehnung an die Begründung des Regierungsentwurfs vom 15.4.1992 formulierte Beschreibung des Anwendungsbereichs des § 142 InsO von Pape und Uhlenbruck: „Nach dieser Vorschrift sind Rechtshandlungen, die dem Anfechtungsgegner eine kongruente oder inkongruente Deckung verschaffen oder auch eine unmittelbar benachteiligende Wirkung haben (scil. in Fällen der §§ 130 bis 132 InsO), nicht anfechtbar, wenn im Gegenzug eine gleichwertige Leistung in die Insolvenzmasse fließt.“87 Der somit aus Sinn und Zweck des § 142 InsO folgende Ausschluss der An- O 15a fechtbarkeit des dem bargeschäftlichen Leistungsaustausch zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts wird auch bei Direktzahlungen aufgrund nachträglicher Kongruenzvereinbarungen virulent.88 In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine in der kritischen Zeit geschlossene Kongruenzvereinbarung, die einen Baraustausch ermöglichen soll, als solche nicht Gegenstand der Deckungsanfechtung sein kann und dass eine Kongruenzvereinbarung bis zu dem Zeitpunkt anfechtungsfest getroffen werden kann, 82 Zutreffend Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 5; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 3. 83 Darüber besteht Einigkeit Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 12. Ebenso BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Rz. 47 mit BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 323. 84 Vgl. zu § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.), auch zur weiten Auslegung des Vertragsbegriffs: BGH v. 9.6.2016 – IX ZR 153/15, WM 2016, 1455 = ZInsO 2016, 1578 = ZIP 2016, 1491 Tz. 13, 32 m.w.N. 85 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 22; Kupka in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, § 142 Rz. 17; Gottwald/Huber, § 46 Rz. 80 a.E.; HK-InsO/Kreft, § 132 Rz. 6 a.E., anders aber § 142 Rz. 12 a.E. zu § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.). Näher dazu Klinck, Grundlagen, S. 33 ff.; F. Bartels, S. 189 ff. m.w.N. 86 Vgl. BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, BauR 2014, 1945 = NJW 2014, 2956 = ZInsO 2014, 1655 = ZIP 2014, 1595 Rn. 23 f.; bestätigt durch BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 = BauR 2016, 818 = NJW 2016, 1012 = WM 2016, 282 = ZInsO 2016, 326 = ZIP 2016, 279; im Ergebnis verneinend, weil die Vereinbarung ihrerseits anfechtbar wäre BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 24. Vgl. näher dazu unten Rz. O15a f., O77a ff. 87 Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, 2. Aufl. (2010), Kap. 33 Rz. 35 (Hervorhebung im Original); BT-Drucks. 12/2443 S. 167 zu § 161, s. Rz. O1. 88 Siehe dazu Rz. O77a ff. Wagner

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O Rz. 15a

§ 142 InsO – Bargeschft

zu dem einer der Vertragspartner nicht nur eine erste Leistungshandlung vorgenommen, sondern einen ersten Leistungserfolg herbeigeführt hat.89 Der Bundesgerichtshof hält allerdings eine Anfechtung des Vertrags nach den §§ 130, 131 InsO für möglich, und zwar mit der Einschränkung, dass eine Kongruenzvereinbarung nur dann gemäß §§ 130, 131 InsO anfechtbar ist, wenn dadurch die Kongruenz einer Deckung hergestellt werden soll, die nicht auf der Grundlage eines privilegierten Bargeschäfts stattfindet. Die Tatbestände dieser Vorschriften sollen dagegen nicht solche Fälle erfassen, in denen ein schuldrechtlicher Vertrag im Sinne des § 132 InsO bargeschäftlich erfüllt wird. O 15b In der Sache übereinstimmend mit den hier (oben Rz. O15) angestellten teleologischen Erwägungen führt der IX. Zivilsenat zur weiteren Begründung aus, da bei einem Bargeschäft (§ 142 InsO) eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ausscheide, würde der Zweck des § 132 InsO verfehlt, wenn die Erfüllung eines nicht unmittelbar benachteiligenden und deshalb nach § 132 InsO unanfechtbaren Deckungsgeschäfts als Deckungshandlung anfechtbar wäre. Deshalb verdränge die Vorschrift des § 132 InsO bei Abschluss einer Kongruenzvereinbarung die Regelung des § 131 InsO, wenn hierdurch eine Sicherung oder Befriedigung auf der Grundlage eines privilegierten Bargeschäfts ermöglicht wird.90 Somit sei eine abändernde Kongruenzvereinbarung, durch die ein Bargeschäft erst ermöglicht werde, nach Sinn und Zweck der §§ 132, 142 InsO der Deckungsanfechtung entzogen.91 Die nachträgliche Kongruenzvereinbarung unterfalle regelmäßig auch nicht der Anfechtung nach § 132 InsO, weil sie infolge der damit verbundenen Leistungserbringung durch den späteren Anfechtungsgegner die Forderung des Schuldners gegen seinen Vertragspartner erst werthaltig mache und deshalb die Gläubiger nicht unmittelbar benachteilige.92 e) Verhältnis des § 142 InsO zu § 133 InsO O 16 Die Anfechtung der Schuldnerleistung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 InsO ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt sind. Dies folgt unmittelbar aus dem Wortlaut des § 142 InsO und zeigt, welchen Stellenwert die Vorsatzanfechtung im System der Anfechtungstatbestände hat. Das Gesetz formuliert allerdings umgekehrt, indem es § 133 InsO als Grenze des Bargeschäfts bestimmt mit den Worten, die (bargeschäftsfähige) Leistung des Schuldners sei nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO (§ 133 Abs. 1 bis 3 n.F.) erfüllt sind. Diese Gegenausnahme ist ein wesentlicher Grund für die enorme praktische Bedeutung, welche die Vorsatzanfechtung in der gegenwärtigen Anfech89 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Leits. a mit Rz. 17 ff., Leits. b mit Rz. 22 ff. Siehe dazu Rz. O77a ff. 90 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 19 unter Bezugnahme auf Jaeger/Henckel, InsO, § 131 Rz. 4; § 142 Rz. 2; MK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 142 Rz. 23; Ganter, ZIP 2012, 2037 (2038); und BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (323) zu § 30 Nr. 1 Fall 1 KO). 91 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 19 mit BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, BauR 2014, 1945 = NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 21. 92 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 19 mit Nachw. Siehe dazu Rz. O77a ff.

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I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 16b O

tungspraxis gewonnen hat und zu einer systemfremden, angesichts eines Anfechtungszeitraums von zehn Jahren kaum vertretbaren Ausdehnung der Vorsatzanfechtung im vermeintlichen Interesse aller Insolvenzgläubiger geführt hat.93 Unterstützt durch eine anfechtungsfreundliche Auslegung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen mit großzügigen Beweiserleichterungen über § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO94 hat dies wesentlich zu dem verbreiteten Bild der Insolvenzanfechtung als einer komplexen, in seinen Verästelungen nicht mehr oder nur schwer überschaubaren Materie beigetragen. Der Gesetzgeber hat diesen Befund zum Anlass genommen für seine Anfech- O 16a tungsrechtsreform durch das Gesetz vom 29.3.2017, mit dem erklärtermaßen die Vorsatzanfechtung von Bargeschäften erheblich eingeschränkt und im praktischen Regelfall ganz ausgeschlossen werden soll, um so einer ausufernden Anfechtungspraxis entgegenzuwirken und die daraus resultierenden Belastungen des Geschäftsverkehrs sowie der Arbeitnehmer auf ein verträgliches Maß zu reduzieren.95 Danach sollen Bargeschäfte nur noch dann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner unlauter handelte und der andere Teil (Gläubiger/Anfechtungsgegner) dies erkannt hat (§ 142 Abs. 1 InsO-E vom 29.9./ 16.12.2015). Das gesetzestechnische Mittel hierzu ist eine Verschärfung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung um das Tatbestandsmerkmal der vom Anfechtungsgegner erkannten Unlauterkeit des Schuldners. – Freilich ist nicht zu verkennen, dass auch der Bundesgerichtshof besonders mit seinen Entscheidungen vom 10.7.2014 und später einem inflationären Gebrauch der Vorsatzanfechtung im hier interessierenden Zusammenhang effektiv entgegenzuwirken sucht, indem er entschieden hat, dass ein bargeschäftsähnlicher Leistungsaustausch auch bei der Prüfung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO zu berücksichtigen sein kann.96 Ob bargeschäftlichen und bargeschäftsähnlichen Leistungen nach der höchst- O 16b richterlichen Rechtsprechung eine kontraindizielle, den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ausschließende Wirkung zukommt, hängt freilich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, deren Feststellung häufig Gegenstand zeitraubender und kostenintensiver Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang ist. Auch deshalb soll die Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 bis 3 InsO) von Bargeschäften mit der Neuregelung durch das Anfechtungsrechtsreformgesetz vom 29.3.2017 im Vergleich zu der bis dahin ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Ausschluss der Vorsatzanfechtung bei bargeschäftlichem 93 Vgl. einerseits Kirstein, ZInsO 2012, 709 ff.: Hauptaugenmerk, zentrale Bedeutung für die Anfechtungsprüfung; andererseits Bork, ZIP 2008, 1041 (1045); Foerste, FS Haarmeyer, 2013, S. 27, 29 ff.; Foerste, ZInsO 2013, 897 ff.; vermittelnd Thole, ZIP 2013, 2081 ff.; Ganter, WM 2014, 49 ff.; Kayser, NJW 2014, 422 ff., 427 f.; s. eingehend dazu Rz. F21 ff., F65 ff. 94 Vgl. eingehend Rz. F21 ff., F65 ff. 95 BT-Drucks. 18/7054, S. 10 a.E. (unter A I 1), 12 a.E. (unter A II vor 1). 96 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 44; vom 10.7.2014 – IX ZR 280/13, WM 2014, 1868 Tz. 24; v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = WM 2014, 1588 = ZIP 2014, 1595 Tz. 29; v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, WM 2015, 1591 = ZInsO 2015, 628 = ZIP 2015, 585 Tz. 23 ff.; vgl. dazu aber Foerste, Zwischenruf: Künftig Selektion der Bargeschäfte, ZInsO 2015, 832 f. Wagner

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O Rz. 16b

§ 142 InsO – Bargeschft

und bargeschäftsähnlichem Leistungsaustausch erklärtermaßen weiter eingeschränkt werden.97 Auf Einzelheiten ist hier im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen des Bargeschäfts einzugehen.98 f) Verhältnis des § 142 InsO zu § 134 InsO O 17 Aus der Tatsache, dass § 142 InsO die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO ausdrücklich ausnimmt,99 könnte e contrario geschlossen werden, der Bargeschäftseinwand sei bei allen anderen Anfechtungsgründen anwendbar. Das trifft angesichts des klaren Wortlauts des § 142 InsO („nur anfechtbar, wenn“) auch grundsätzlich zu, soweit sich die Anwendungsvoraussetzungen der konkurrierenden Vorschriften nicht gegenseitig ausschließen. So ist von vornherein kein Raum für eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs im Rahmen der Schenkungsanfechtung im Sinne des § 134 InsO, weil diese gerade auf der Unentgeltlichkeit der Schuldnerleistung, also der unausgeglichenen Schmälerung des seinen Gläubigern haftenden Vermögens beruht. Zwingend ist jedoch auch diese Erkenntnis nicht, wenn man die notwendige Unterscheidung zwischen Anfechtungsgrund und Anfechtungshindernis ernst nimmt. Danach darf die zunächst (vorrangig) zu prüfende Unentgeltlichkeit der Schuldnerleistung nicht vermengt werden mit der erst nach Feststellung der Voraussetzungen des § 134 InsO aufzuwerfenden, gleichsam nachrangigen Frage, ob eine gleichwertige (Gegen-)Leistung in das Schuldnervermögen gelangt ist (vgl. Rz. O9, O12 f.). Da aber die Gegenleistung „für die“ Leistung des Schuldners erbracht sein muss, steht zumindest diese konditionale Verknüpfung einer Anwendung des § 142 InsO in Fällen des § 134 InsO entgegen.100 g) Verhältnis des § 142 InsO zu § 135 InsO O 18 Umstritten ist, ob § 142 InsO auch im Anwendungsbereich des § 135 InsO anzuwenden sein kann. Die herrschende Lehre bejaht das.101 Nach der namentlich von Haas und Henkel vertretenen Gegenansicht findet das Bargeschäftsprivileg im Rahmen des § 135 InsO keine Anwendung.102 Der Gesetzgeber habe, so lautet 97 BT-Drucks. 18/7054 S. 13 a.E. (unter A II 2). 98 S. unten Rz. O125 ff., O135; im Übrigen die Kommentierung zu § 133 InsO (Kapitel F). 99 S. dazu Rz. O16, O125 ff., O135. 100 Im Ergebnis ebenso HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 Rz. 4; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 21; Kupka in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, § 142 Rz. 17; Gottwald/ Huber, § 47 Rz. 64. Ausnahmslos dagegen Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 14. 101 Vgl. Huber/Habersack, BB 2006, 1, 2; Habersack, ZIP 2007, 2145 (2150); Hirte, ZInsO 2008, 689 (694); Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 3; Braun/Riggert, § 142 Rz. 25; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 Rz. 13; Koutsós, Die rechtliche Behandlung von (eigenkapitalersetzenden) Gesellschafterleistungen, 2011 (= Diss. Bremen 2010), S. 80, 245, 247; eingehend Marotzke, ZInsO 2013, 641 (642 ff.) m.w.N.; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG etwa Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 19; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 22. 102 Haas, ZInsO 2007, 617, 624; Haas, FS Ganter, 2010, S. 189, 200 ff.; BK-InsO/Haas, § 142 Rz. 8, 37; A. Henkel, ZInsO 2009, 1577 ff. S. auch Hölzle, ZIP 2010, 913 (915): kein Bargeschäft bei Leistung causa societatis; Spliedt, ZIP 2009, 149 (151, 153 f.); Schmittmann/Zeeck in Haarmeyer/Wutzke/Förster, § 142 Rz. 21.

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I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 18 O

ihre These, mit dem Gesetz zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts (MoMiG) die Anfechtung von Gesellschafterdarlehen in der Krise der Gesellschaft verschärft, so dass für eine Anwendung des § 142 InsO kein Raum bleibe. Dem kann jedoch aus den von Marotzke und von Thole eingehend dargelegten Gründen nicht zugestimmt werden.103 Die Entstehungsgeschichte des MoMiG und die mit ihm verbundene Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts liefern ausweislich der Gesetzesmaterialien keinen Beleg für die Gegenansicht; der Gesetzgeber hat sich zu dieser Frage nicht geäußert. Der nach Verfahrenseröffnung eingreifende insolvenzrechtliche Nachrang von Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) wird im Vorfeld der Insolvenz durchgesetzt, indem Rückzahlungen auf Darlehen und gleichgestellte Forderungen gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung unterliegen. Die Anfechtbarkeit erfasst sowohl die Befriedigung von Gesellschafterdarlehen als auch ihnen wirtschaftlich entsprechenden Forderungen.104 Der Bundesgerichtshof hat für Lohn- und Nutzungsentgeltzahlungen an einen Gesellschafter entschieden, dass darin keine Befriedigung einer einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderung liegt, wenn die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt sind.105 Das Thema erlangt praktische Bedeutung vor allem bei Miet-, Pacht- und sonstigen Nutzungsentgeltzahlungen an Gesellschafter,106 oder bei der Bestellung anfänglicher Sicherheiten, nicht dagegen – insoweit herrscht Konsens – bei der Rückführung von Darlehen.107 Die Frage der Anwendbarkeit des § 142 InsO auf die Rückzahlung des Darlehens eines Gesellschafters innerhalb des nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO maßgeblichen Zeitraums stellt sich nicht, weil die Rückzahlung eines Darlehens nicht als Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO gewertet und daher nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO angefochten werden kann. Dies gilt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch für kurzfristige Überbrückungsdarlehen.108

103 Marotzke, ZInsO 2013, 641 (642 ff.); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 371 ff.; Thole, ZInsO 2011, 1425, 1430 f.; s. auch Koutsós, Die rechtliche Behandlung von (eigenkapitalersetzenden) Gesellschafterleistungen, 2011 (= Diss. Bremen 2010), S. 80, 245, 247; sowie die Nachw. in den vorigen Fn. 104 BT-Drucks. 16/6140, S. 56; BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 66 m.w.N. = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. 105 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 49 ff.;BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 65 ff. = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. 106 Vgl. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. 107 Vgl. BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, GmbHR 2013, 464 m. Anm. Bormann = NZI 2013, 483 = WM 2013, 708 = ZInsO 2013, 717 = ZIP 2013, 734 Tz. 27: einseitige Deckungshandlung (s. dazu Rz. O144b); bestätigt durch Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 Rz. 2. Vgl. auch BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Ls. c mit Rz. 65, wonach Nutzungsentgeltzahlungen an Gesellschafter ggf. nur als Rückführung einer darlehensgleichen Forderung angefochten werden können = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. 108 BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, GmbHR 2013, 464 m. Anm. Bormann = ZIP 2013, 734 Tz. 14; Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 Rz. 2; s. dazu Rz. O144b. Wagner

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O Rz. 18a

§ 142 InsO – Bargeschft

O 18a Der Bundesgerichtshof hat dies in seinem Grundsatzurteil vom 29.1.2015 (BGHZ 204, 83) bestätigt.109 Dabei ist er davon ausgegangen, dass Rückzahlungen auf Darlehen und gleichgestellte Forderungen gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung ausgesetzt sind.110 Dabei unterliegen Kreditrückzahlungen als Befriedigung einer Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens ohne zusätzliche tatbestandliche Voraussetzungen der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Werden von der Gesellschaft hingegen Nutzungsentgelte entrichtet, greift § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wegen der abweichenden Forderungsart nicht unter dem Gesichtspunkt der Rückgewähr eines Darlehens durch. Nach dem heutigen, von den Prinzipien des Eigenkapitalersatzrechts gelösten Verständnis ist eine Nutzungsüberlassung durch den Gesellschafter einer Darlehensgewährung nicht (mehr) wirtschaftlich vergleichbar. Deshalb kann die Tilgung von Nutzungsentgelten nicht (mehr) als Darlehensrückzahlung, sondern nur im Falle einer vorherigen Stundung oder eines Stehenlassens als Befriedigung einer darlehensgleichen Forderung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO angefochten werden.111 O 18b Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechen einem Darlehen ungeachtet des Entstehungsgrundes alle aus Austauschgeschäften herrührenden Forderungen, die der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch gestundet wurden, weil jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirkt. Wird eine Leistung jedoch bargeschäftlich abgewickelt, scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führt, aus.112 Wird ein Baraustausch durchgeführt, handelt es sich nicht um eine stehen gelassene und damit einem Darlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung, die gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung zugänglich wäre.113 Auf die dogmatischen Bezüge ist im jeweiligen Sachzusammenhang zurückzukommen. h) Verhältnis des § 142 InsO zu weiteren Vorschriften (§ 64 Satz 1 GmbHG u.a.) O 18c

Nicht geklärt ist, ob und ggf. wie der Rechtsgedanke des § 142 InsO auch im Rahmen der Geschäftsführerhaftung für masseschmälernde Zahlungen nach Insolvenzreife der Gesellschaft anzuwenden ist. Ausgehend von der Erkenntnis, dass 109 Vgl. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann = NJW 2015, 1109 m. Bspr. K. Schmidt, S. 1057 ff. = WM 2015, 581 = ZInsO 2015, 717 = ZIP 2015, 589; s. dazu Rz. O169. 110 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 66 mit Schmidt, InsO, § 135 Rn. 13 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann; Preuß, in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 15; HmbKomm-InsO/Schröder, § 135 Rn. 19 ff.; Uhlenbruck/ Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rn. 7; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 135 Rn. 3. 111 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 67, 69 m.w.N. = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. 112 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 70 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann mit BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 = WM 2014, 1488 = ZIP 2014, 1491 Rz. 50, 51. 113 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 71 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann mit BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 = WM 2014, 1488 = ZIP 2014, 1491 Rz. 31 ff.

834 Wagner

I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 18d O

im Rahmen der Zahlungsverbote der §§ 130 a Abs. 1 Satz 1, 177 a Satz 1 HGB, § 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG, § 99 Satz 1 GenG auf anfechtungsrechtliche Wertungen zurückgegriffen werden kann,114 wird im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum namentlich von Habersack/Förster eine analoge Anwendung des § 142 InsO bzw. eine teleologische Reduktion der Zahlungsverbote bei Bargeschäften befürwortet und insoweit eine Art Gleichlauf vorgeschlagen.115 Danach sind solche Geschäfte vom Zahlungsverbot ausgenommen, die sich bei wirtschaftlicher Betrachtung und unter Berücksichtigung auch des zeitlichen Zusammenhangs von Leistung und Gegenleistung als bloße Vermögensumschichtung (Stichwort: Aktiventausch) darstellen und deshalb weder eine relevante Gläubigerbenachteiligung noch eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers begründen, wobei auf den Zeitpunkt des Leistungsaustauschs abzustellen sei.116 Rechtstechnisch könne diese Privilegierung entweder dadurch erfolgen, dass bereits eine masseschmälernde Zahlung oder aber ein Verschulden des Geschäftsführers verneint werde. – Dieser Ansicht hat sich das Oberlandesgericht Düsseldorf angeschlossen und in einem Urteil vom 1.10.2015 eine analoge Anwendung des § 142 InsO auf die Haftung des Geschäftsführers für masseschmälernde Zahlungen gemäß § 64 Satz 1 GmbHG vorgenommen. Im entschiedenen Fall ging es um die Vergütung des gleichwertigen Bezugs von Versorgungsleistungen (Energie, Wasser und Kaffeeautomatenservice sowie Dienstleistungen der Telekommunikation, des Internets und des Kabelfernsehens) sowie von Arbeitsleistungen. Zutreffend nimmt es hierzu an, dass die Vergütung der wertäquivalenten Leistungen bereits den Tatbestand einer masseschmälernden Zahlung i.S.d. § 64 Satz 1 GmbHG nicht erfüllt.117 Die Gegenansicht hält solche Versuche, die Zahlungsverbote zu entschärfen, in- O 18d dem Bargeschäfte ausgenommen oder als „sorgfältig“ behandelt werden, für hilfloses „Kurieren am Symptom“ und begründet dies mit der Feststellung, dass ein in die Masse fließender Ausgleich selbst dann zu berücksichtigen sei, wenn er auf einem Kreditgeschäft beruht, während alle Geschäftstätigkeit gleichwohl grundsätzlich strafbar und schon deshalb nicht sorgfältig sei.118 Ihr Einwand, § 142 InsO habe eine andere Zielrichtung, einen vollständig anderen Sinn als die Erstattungspflicht des Geschäftsleiters bei Verletzung des Zahlungsverbots,119 trifft zwar für sich genommen zu. Er geht aber an der Sache vorbei und greift deshalb nicht durch, weil es um die Frage geht, ob die für anfechtungsrechtliche Erstattungspflichten (§ 143 InsO) geltende (Bargeschäfts-)Ausnahme auch für die Ersatzpflicht des Geschäftsleiters gelten soll. Dies setzt methodisch eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes und die Vergleichbarkeit der Ersatzpflicht mit der Erstattungspflicht des Anfechtungsgegners voraus.

114 Vgl. Haas, ZHR 168 (2004), 737, 738 ff.; Habersack/Foerster, ZHR 178 (2014), 387, 403 f. 115 Vgl. Habersack/Foerster, ZHR 178 (2014), 387, 403 ff. m.w.N. 116 Vgl. Habersack/Foerster, ZHR 178 (2014), 387, 403, 404 m.w.N. 117 OLG Düsseldorf v. 1.10.2015 – I-6 U 169/14, NZI 2016, 642 = ZWH 2016, 330 = jurisRn. 37, 39. 118 Altmeppen, ZIP 2015, 949, 956 unter V 2. 119 Altmeppen, ZIP 2015, 949, 950 ff. m.w.N. Wagner

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O Rz. 18e

§ 142 InsO – Bargeschft

O 18e Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entlastet es den Geschäftsführer nicht, dass er laufende Verbindlichkeiten der Gesellschaft getilgt hat. Nach Insolvenzreife ist dem Geschäftsführer die Tilgung fälliger Verbindlichkeiten grundsätzlich verboten (§ 64 Satz 1 GmbHG = § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F.), um Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern und für den Fall, dass der Geschäftsführer dieser Massesicherungspflicht nicht nachkommt, sicherzustellen, dass das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt wird, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht.120 Nur ausnahmsweise ist eine masseschmälernde Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar (§ 64 Satz 2 GmbHG = § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a.F.). Dass ist etwa der Fall, wenn die Zahlungen der Abwendung von größeren Nachteilen für die Masse dienten oder der Beklagte strafbewehrte bzw. steuerliche Verbindlichkeiten tilgte. So ist die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nach Insolvenzreife im Gegensatz zur Zahlung der Arbeitgeberbeiträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar. Da § 266 a Abs. 1 StGB nur die Nichtzahlung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung unter Strafe stellt, kann einem Geschäftsführer mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht zugemutet werden, fällige Leistungen der Sozialkasse vorzuenthalten, wenn er dadurch Gefahr liefe, sich strafbar zu machen.121 Hiernach scheint für eine entsprechende Anwendung des § 142 InsO kein Raum. Für die Einzelheiten ist freilich auf Rechtsprechung und Schrifttum zu den Zahlungsverboten zu verweisen. O 18f Bemerkenswert ist allerdings ein Grundsatzurteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18.11.2014 (BGH v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = GmbHR 2015, 137), das in eine andere, begrüßenswerte Richtung weist und dessen Kernaussagen kurz zusammengefasst auch hier wiedergegeben werden sollen.122 Danach entfällt die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife, soweit die dadurch verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. Diese Voraussetzung war im entschiedenen Fall erfüllt: Mit einer Überweisung von 150 000 Euro am 16.10.2009 auf das Konto der jedenfalls seit dem 16.7.2009 zahlungsunfähigen Schuldnerin (einer GmbH & Co. KG) wurde die Masseschmälerung durch die am 9.10.2009 erfolgte Rückzahlung eines Darlehens ausgeglichen, so dass die mit der Darlehensrückzahlung ausgelöste Erstattungspflicht des beklagten Geschäftsführers der Komplementärin entfiel. Zur Begründung stellt der Senat auf den Zweck der Erstattungspflicht des organschaftlichen Vertreters ab. Diese soll nach ständiger Rechtsprechung im Interesse einer Gleichbehandlung der Gläubiger eine Schmälerung der Masse nach Eintritt der Insolvenzreife ausglei120 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 186; v. 8.6.2009 – II ZR 147/08, GmbHR 2009, 991 Rz. 13 = NJW 2009, 2599 = ZIP 2009, 1468; Beschl. v. 2.12.2014 – II ZR 119/14, ZInsO 2015, 92 m.w.N. 121 Vgl. etwa BGH v. 8.6.2009 – II ZR 147/08, GmbHR 2009, 991 Rz. 6 = NJW 2009, 2599 = ZIP 2009, 1468. 122 BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = GmbHR 2015, 137. – Die Entscheidung ist vielfach besprochen, vgl. etwa Altmeppen, ZIP 2015, 949 ff.; K. Schmidt, NZG 2015, 129 ff.

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I. Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift

Rz. 18g O

chen. Folgerichtig muss sie auch dann entfallen, wenn die Massekürzung auf andere Weise als durch Zahlung des Organs ausgeglichen und der Zweck der Ersatzpflicht erreicht ist, insbesondere wenn für die masseschmälernde Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist und der Sache nach lediglich ein Aktiventausch vorliegt.123 Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird, nicht der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Nicht erforderlich ist daher, dass der Gegenstand des Massezuflusses auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhanden ist. Andernfalls könne es zu einer mehrfachen Inanspruchnahme des Organs kommen, zumal eine spätere Ausgabe ggf. einen neuen Erstattungsanspruch begründet. Das „Zahlungsverbot“ solle aber nur eine Masseverkürzung verhindern, nicht einer Massebereicherung dienen.124 Im entschiedenen Fall beruhte die ausgleichende Zahlung auf einer Vereinba- O 18g rung im August 2009, die eine wiederkehrende Inanspruchnahme des Darlehens innerhalb des Limits von 150 000 Euro ermöglichte. Deshalb, so der II. Zivilsenat, stehe sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rückzahlung vom 9.10.2009, die erst den erneuten Abruf ermöglichte, und sei dieser Masseschmälerung wirtschaftlich zuzuordnen.125 Dass damit erneut eine Rückzahlungsverbindlichkeit der Schuldnerin begründet worden sei, lasse den Massezufluss nicht entfallen; die Begründung von Verbindlichkeiten schmälere die zur Verteilung zur Verfügung stehende Masse nicht.126 Die erkenntnisleitenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs scheinen am Bargeschäftsprivileg orientiert, dürfen aber nicht über bestehende Unterschiede hinwegtäuschen und zu der irrigen Annahme verleiten, es handele sich um eine entsprechende Anwendung der zu § 142 InsO entwickelten Grundsätze. Der II. Zivilsenat erwähnt weder diese Norm noch ihre Auslegung durch den IX. Zivilsenat. Daher ist auch nicht zu beanstanden, wenn zum Erlöschen der Erstattungspflicht des organschaftlichen Vertreters genügt, dass der ausgleichende Massezufluss der masseschmälernden Zahlung wirtschaftlich zugeordnet werden kann, also nicht notwendig „für sie“ im Sinne des § 142 InsO geleistet worden sein muss.127 Desgleichen wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Masseabfluss und Massezufluss aus der Rah-

123 BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 9 m.w.N. = GmbHR 2015, 137. 124 BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 11 m.w.N. = GmbHR 2015, 137. 125 BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 17 = GmbHR 2015, 137. 126 BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 17 = GmbHR 2015, 137. 127 Vgl. dazu Rz. O49 ff. – Die Entscheidung vom 18.11.2014 ist daher keineswegs missverständlich, wenn sie unter Rz. 9 a.E. völlig zu Recht solche Fälle einbezieht, in denen für die masseschmälernde Zahlung ein Gegenwert in die Masse fließt. Dabei lässt der II. Zivilsenat auch insoweit völlig zu Recht einen nur wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Masseabfluss und -zufluss genügen (Rz. 10, 17), und zwar ungeachtet der zu bejahenden Frage, ob ein für § 142 InsO erforderlicher rechtlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung auch in der sie nur mittelbar verbindenden Rahmenabrede vom 28.8.2009 gesehen werden könnte. Dies obwohl in casu die Abrufmöglichkeit einer durchsetzbaren Forderung nicht gleichstand, da bei einem Abruf nach der Rahmenabrede erst eine neue Darlehensvereinbarung getroffen werden musste (Rz. 15, 16). Wagner

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O Rz. 18g

§ 142 InsO – Bargeschft

menvereinbarung des revolvierenden Kredits hergeleitet wird,128 während für eine wirtschaftliche Zuordnung einerseits auf die zeitliche Nähe der ausgleichenden Zahlung abgestellt wird, andererseits auf die vorgenannte für beide Leistungen (Rückzahlung des vorausgehenden Darlehens, Auszahlung des anschließenden neuen Darlehens) gemeinsame Rahmenvereinbarung.129 Ferner dass die Masseverkürzung ausgeglichen ist und die Haftung des Organs für die masseverkürzende Leistung entfällt, sobald und soweit ein ausgleichender Wert endgültig in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist;130 mit anderen Worten wenn es auf die Gleichwertigkeit nur insoweit ankommt, als sich Zufluss und Abfluss decken. Die Entscheidung vom 18.11.2014 wahrt dem Rechtsanwender insoweit einen notwendigen Spielraum bei der Beurteilung ähnlicher Fälle, ohne an die engeren Kriterien des § 142 InsO gebunden zu sein. Mithin ist festzuhalten: Die organschaftliche Erstattungspflicht erlischt ohne weiteres, wenn ein Baraustausch im Sinne dieser Vorschrift stattfindet, ist aber nicht darauf beschränkt.

II. Leistung und Gegenleistung O 19 Für das Recht der Konkursordnung entsprach es ganz herrschender Meinung, dass Bargeschäfte des Gemeinschuldners, bei denen gleichwertige Leistungen Zug um Zug ausgetauscht werden, weder nach § 30 Nr. 1 Fall 2 KO (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO) noch nach § 30 Nr. 2 KO (§ 131 InsO) angefochten werden konnten, auch wenn sie erst nach der Zahlungseinstellung vorgenommen wurden.131 Ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO ist nur anzunehmen, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Diese den Wortlaut der Vorschrift entwickelnde Formel der höchstrichterlichen Rechtsprechung132 ist nach ihren Tatbestandselementen gesondert zu konkretisieren. 1. Leistung des Schuldners O 20 Als Leistung des Schuldners i.S.d. § 142 InsO kommen vermögenswerte Leistungen jeder Art in Betracht, die der Schuldner aus seinem haftenden Vermögen erbringt (§ 35 InsO). Daher scheiden treuhänderisch gehaltene Gegenstände, deren Weggabe nicht zu einer Verminderung des Schuldnervermögens führen, 128 BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 17 = GmbHR 2015, 137, obwohl Rechtsgrundlage der zufließenden Zahlung ein neu abgeschlossener Darlehensvertrag nach Rückzahlung des vorherigen Darlehens bildet (Rz. 15, 16). 129 BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 17 = GmbHR 2015, 137. 130 BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 11 mit RGZ 159, 211 (230) = GmbHR 2015, 137. 131 Vgl. RGZ 100, 62 (64); 136, 152 (158); BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, LM Nr. 2 zu § 30 KO = NJW 1955, 709 = WM 1955, 404 Leits. 2; v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718 (II 1a). Vgl. zur Entwicklung ausf. Raschke, Diss. Hamburg 1999, S. 8 ff.; Riggert, Festschrift für Braun, 2007, S. 139, 147 ff.; Klinck, Grundlagen, S. 369 ff. 132 Vgl. etwa BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (311) Rz. 41 = NJW 2008, 430; v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3580) Tz. 24.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 21 O

von vornherein aus.133 Zur Besonderheit einer Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger zur Ablösung eines Pfandrechts s. Rz. O41. Die Leistung kann nach zutreffender, aber bestrittener Ansicht auch unentgeltlich erfolgt sein.134 Dem steht keineswegs schon der Wortlaut der Vorschrift, wonach dem Schuldnervermögen eine gleichwertige Gegenleistung zufließen muss, entgegen (vgl. Rz. O17). Auf die Streitfrage ist jedoch im (systematischen) Zusammenhang mit einem Blick auf die erforderliche Qualität der den Leistungsaustausch verknüpfenden Vereinbarung einzugehen (s. Rz. O115 ff.). a) Geldleistungen (Bargeld und bargeldlose Zahlungen) Unter den Leistungsbegriff des § 142 InsO fallen selbstverständlich alle Formen O 21 der Zahlung von Geldschulden, die Barzahlung ebenso wie die bargeldlose Zahlung durch Überweisung vom Girokonto; dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob das Konto kreditorisch (im Haben) oder debitorisch (im Soll) geführt wird.135 Wird eine fällige Schuld bar oder per Überweisung, Scheck oder Lastschrift gezahlt, so liegt darin eine nach § 130 InsO anfechtbare kongruente Deckung.136 Im Falle einer Abbuchung aufgrund einer Einziehungsermächtigung ist anzufechtende Rechtshandlung die Genehmigung des Schuldners, die einen mehraktigen Zahlungsvorgang abschließt.137 Genehmigt der Schuldner die Belastungsbuchung, ist für die Feststellung des Leistungsaustauschs im Rahmen von § 142 InsO aber nicht erst der Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung, sondern der des Lastschrifteinzugs maßgeblich. Denn im Fall der Genehmigung der Belastungsbuchung durch den Zahlungspflichtigen steht die Zahlung per Lastschrift der Barzahlung wirtschaftlich gleich.138 Dies gilt auch im SEPA-Verfahren.139 Hier wie dort ist die ursprüngliche Schuldnererklärung im Hinblick auf § 675x Abs. 2 BGB nicht nur als Einziehungsermächtigung des Zahlungsempfängers zu verstehen, sondern zugleich als Autorisierung des eigenen Zahlungsdienstleisters. Unterschiedliche Deutungen sind jedenfalls mit Wegfall des bis zum 1.2.2016 eingeschränkt (für das POZ) fortbestehenden Einzugsermächtigungsverfahrens überholt.140 133 Vgl. BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZInsO 2006, 94, 95; obiter BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86, 91; Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 3. 134 Wie hier Kübler/Prütting/Paulus, § 142 Rz. 12; s. auch Rz. O17. Dezidiert a.A. etwa Lwowski/Wunderlich, Festschrift für Kirchhof, S. 302; diesen folgend Cranshaw/ Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 14; ausführlich MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 4 m.w.N. zum Streitstand. 135 Vgl. zum Fall eines kreditorisch geführten Kontos BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 = ZInsO 2010, 1929. Zu der hiervon zu unterscheidenden Verrechnungsproblematik s. Rz. O136 ff., O225 ff. 136 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69, 86 Rz. 45 mit Nobbe, KTS 2007, 397, 416 m.w.N. 137 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 = ZInsO 2010, 2089 = ZIP 2010, 2105 Tz. 11 m.w.N. zur Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO. 138 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69, 87 Rz. 47 m.z.N. 139 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (285) Rz. 34 = WM 2010, 1546 = WuB I D 2.-5.10 m. Anm. W. Hadding. 140 Vgl. zu Erscheinungsformen und Entwicklung des Lastschriftverfahrens sowie der materiellrechtlichen Qualifikation der Schuldnererklärung(en) Grundmann, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2015), BankR Rn. II 168 ff., II 171 m.w.N. Wagner

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O Rz. 22

§ 142 InsO – Bargeschft

O 22 Die Leistung des Schuldners kann im Rahmen einer Verrechnung im Kontokorrent auch darin liegen, dass zum Beispiel seine Kreditverbindlichkeit gegenüber der kontoführenden Bank zurückgeführt wird durch Verrechnung eingehender Beträge (Gutschriften) mit einem Sollsaldo.141 Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seinem Grundsatzurteil vom 7.3.2002, das eine auf Rückzahlung verrechneter Gutschriftbeträge gerichtete Anfechtungsklage gegen die kontoführende Bank zum Gegenstand hat, ausgeführt, die angefochtenen, von der beklagten Bank ins Kontokorrent eingestellten Gutschriften, die vorübergehend ihre Forderung gegen die Schuldnerin gemäß dem jeweiligen Tagessaldo verringerten, hätten im anfechtungsrechtlichen Sinne die Erfüllungsleistung der Schuldnerin infolge der späteren Verrechnung ermöglicht.142 b) Wechsel- und Scheckzahlungen O 23 Eine nach § 130 InsO anfechtbare kongruente Deckung liegt ferner in der Bezahlung einer fälligen Schuld durch Hingabe eines eigenen Schecks.143 Die Anfechtung kann daher ausgeschlossen sein, wenn die weiteren Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt sind.144 Entsprechendes gilt für Zahlungen mittels Wechsel, sofern sich die darin angelegte Verstärkung der Schuld nicht ausgewirkt hat.145 c) Sachleistungen O 24 Als Leistungen des Schuldners werden von § 142 InsO aber nicht nur Zahlungen, sondern auch (andere) Sachleistungen erfasst. Der andere Teil kann daher seinerseits als Geldschuldner, insbesondere als Käufer, Auftraggeber oder Besteller etc. in den Genuss des Bargeschäftsprivilegs kommen. Dies geht bereits aus der Begründung des Regierungsentwurfs vom 15.4.1992 hervor, in der erläuternd darauf hingewiesen wird, dass es an der Gleichwertigkeit „nicht schon deshalb (fehlt), weil die Leistung an den Schuldner in Bargeld erfolgt, das leicht dem Zugriff der Gläubiger entzogen werden kann.“146 Dem Gesetzgeber standen also keineswegs nur Geldleistungen des Schuldners im Rahmen des Erwerbs dringend benötigter 141 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, ZInsO 2008, 163 Tz. 6 ff. m. Anm. Bitter/Rauch, WuB VI A § 142 InsO 1.08; vgl. dazu Gehrlein, ZInsO 2010, 1857, 1861. 142 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (130) unter Hinweis auf § 130 Abs. 1 InsO (gemeint ist die Handlungsvariante „Deckung ermöglichen“ statt „Deckung verschaffen“). Ausführlich Kayser, Festschrift für G. Fischer, 2008, 267, 275 ff.; dazu Rz. O136 ff. 143 BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 (139) Rz. 46; v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 45 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse mit Nobbe, KTS 2007, 397, 416 m.w.N. 144 Vgl. dazu die von BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, NJW 2374, 2375 Tz. 20 erörterte Variante der Verrechnung einer Scheckgutschrift mit dem Negativsaldo eines auf Guthabenbasis geführten Geschäftskontos und deren durch § 142 InsO ausgeschlossene Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO; s. Rz. O27. 145 BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 (138 f.) Rz. 48 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse; s. auch den Fall BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512 zu § 133 InsO (Scheckzahlungen an Finanzamt); ausführlich Nobbe in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 60 Rz. 312, § 61 Rz. 76 ff. m.z.N. 146 BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 27 O

Lieferungen und Leistungen vor Augen. Vielmehr sind auch Sachleistungen des Schuldners vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst.147 Daher kommen als Erfüllungshandlungen des Schuldners insbesondere die Über- O 25 gabe verkaufter Gegenstände, die Übertragung (Abtretung) von Forderungen und anderen Rechten, die Erbringung von Dienstleistungen oder die Herstellung eines geschuldeten Werkes in Betracht, sie sind grundsätzlich als Rechtshandlungen i.S.d. § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar.148 Die selbständige Anfechtbarkeit „wertschöpfender“ Erfüllungshandlungen gilt nicht nur, soweit diese zur Werthaltigkeit einer Aufrechnungslage oder einer abgetretenen Forderung führen,149 sondern generell. d) Bestellung einer Sicherheit Eine Anfechtung nach § 130 InsO ist ausgeschlossen, wenn die Sicherung oder O 26 Befriedigung sich als Bardeckung darstellt. Das gilt selbst dann, wenn die Forderung, für die Sicherung oder Befriedigung gewährt wurde, erst begründet wird, nachdem der Gemeinschuldner seine Zahlungen eingestellt hat.150 Der Bundesgerichtshof hatte im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts151 bereits im Jahre 1955 entschieden, um eine Bardeckung könne es sich auch dann handeln, wenn der Anfechtungsgegner dem späteren Gemeinschuldner einen Darlehensbetrag ausgehändigt hat in der Erwartung, dass dieser unverzüglich die Bestellung einer Hypothek in die Wege leiten werde, der Gemeinschuldner sich dementsprechend verhalten hat und die Eintragung der Hypothek daraufhin ungefähr einen Monat später erfolgt ist.152 Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof zwanzig Jahre später im Zusammenhang mit der Bestellung einer Grundschuld in kritischer Zeit fortgeführt. Auf sein Urteil vom 26.1.1977 ist bei dem Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit von Leistung und Gegenleistung zurückzukommen. Neben der Bestellung von Realsicherheiten ist die Anfechtbarkeit von Per- O 27 sonalsicherheiten von elementarer Bedeutung für Sicherungsnehmer. Die Übernahme einer Bürgschaft durch den späteren Insolvenzschuldner kann aber nur dann eine nach § 142 InsO anfechtungsfreie Sicherung darstellen, wenn dem Schuldnervermögen eine gleichwertige Gegenleistung zufließt (s. Rz. O157). Als Leistung des späteren Insolvenzschuldners im Rahmen eines Bargeschäfts kommt auch eine Sicherungszession in Betracht, bei der die Abtretung im Gegenzug zur Gewährung eines Darlehens erfolgt. In dem der Grundsatzentscheidung vom 21.1.2010 zugrunde liegenden Fall war die nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 147 Das ist soweit ersichtlich nicht strittig; vgl. etwa BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 zum Warenkauf; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 16; MK-InsO/ Kirchhof, § 142 Rz. 4 m.w.N. 148 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (309) Rz. 36 m.z.N. 149 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (309) Rz. 36 m.z.N. 150 Vgl. bereits BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, LM Nr. 2 zu § 30 KO = NJW 1955, 709 = WM 1955, 404 Leits. 2. Ebenso Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 17. 151 Vgl. dazu die Auswertung bei Raschke, Diss. Hamburg 1999, S. 19 ff. 152 BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, LM Nr. 2 zu § 30 KO = NJW 1955, 709 = WM 1955, 404 Leits. 2. Wagner

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O Rz. 27

§ 142 InsO – Bargeschft

InsO mögliche Anfechtung gemäß § 142 InsO ausgeschlossen, der Abtretung standen Vereinbarungen über die Gewährung von Darlehen in entsprechender Höhe gegenüber.153 Dagegen hat der Bundesgerichtshof die Sicherungsabtretung der einem Scheck zugrunde liegenden Forderung an die den Scheck einziehende Bank als inkongruente Deckung bewertet; die Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO war durch § 142 InsO nicht ausgeschlossen, so dass der Bank ein Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO nicht zustand.154 e) Vertragsübernahme O 28 Die Schuldnerleistung kann grundsätzlich auch in einer Vertragsübernahme bestehen, d.h. darin, dass der spätere Insolvenzschuldner in ein bestehendes Vertragsverhältnis anstelle einer Vertragspartei eintritt, indem er deren Rechte und Pflichten übernimmt. Praktisch wurde diese Konstellation in jüngerer Zeit im Zusammenhang mit der Insolvenz des Handelskonzerns Arcandor. In dem entschiedenen Fall ging es um die Auswechslung der Mieterin durch einen Nachtrag zum Mietvertrag betreffend eine Vielzahl von Warenhäusern.155 Nach Ansicht des Brandenburgischen Oberlandesgerichts stellt dieser Mieterwechsel, entgegen der Auffassung der Klägerin (Eigentümerin/Vermieterin) des dortigen Verfahrens, kein anfechtungsfreies Bargeschäft gemäß § 142 InsO dar. Denn, so die Begründung des Oberlandesgerichts, es handele sich dabei um die Verschaffung eines langfristig angelegten Nutzungsrechts mit ratierlich entstehenden künftigen Mietzinsverpflichtungen, nicht um einen kurzerhand bewirkten endgültigen Austausch von Leistung und Gegenleistung. O 29 Ob eine Vertragsübernahme nach § 142 InsO anfechtungsfrei ist, hängt vor allem von den übrigen Kriterien des Bargeschäfts ab, insbesondere davon, ob ihr eine gleichwertige Gegenleistung korrespondiert. Für die Gleichwertigkeit kann dabei auf die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zur Bemessung der (Un-)Entgeltlichkeit im Rahmen der Anfechtung einer Vertragsübernahme nach § 134 InsO zurückgegriffen werden. Übernimmt der spätere Insolvenzschuldner die Verpflichtung eines Dritten aus einem Vertrag, indem er an dessen Stelle in diesen Vertrag eintritt, kommt es für die Beurteilung der zu erbringenden Gegenleistung darauf an, welche Leistungen der Vertragspartner des Insolvenzschuldners diesem künftig nach dem übernommenen Vertrag zu erbringen hat.156 Hat der Vertragspartner für die Vertragsübernahme als solche eine gesonderte Gegenleistung erbracht, ist diese bei der Beurteilung der Angemessenheit der Gegenleistung zusätzlich zu berücksichtigen.157 153 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 f., 106. S. dazu Rz. O153 ff., O231 ff. 154 BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, NJW 2007, 2324 f. Tz. 22 m.w.N.; s. dazu Rz. O153 ff., O231 ff. 155 Brandenburgisches OLG v. 14.5.2013 – 3 U 112/12, ZInsO 2013, 1357 Tz. 61 aufgrund neuer Verhandlung nach Zurückverweisung der Sache durch BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, MDR 2012, 871 = ZInsO 2012, 1127 = ZIP 2012, 1183. 156 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, MDR 2012, 871 = ZInsO 2012, 1127 = ZIP 2012, 1183 Tz. 40 zur Frage der Unentgeltlichkeit i.S.v. § 134 InsO. 157 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, MDR 2012, 871 = ZInsO 2012, 1127 = ZIP 2012, 1183 Tz. 40 zur Frage der Unentgeltlichkeit i.S.v. § 134 InsO.

842 Wagner

II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 29b O

Die eigentliche anfechtungsrechtliche Problematik solcher Fälle liegt indes beim Anfechtungsgrund, mithin bei der Frage, ob die betreffende Rechtshandlung des Schuldners zu einer kongruenten oder zu einer inkongruenten Deckung geführt hat, deren Anfechtung nach der gegenwärtig herrschenden Meinung dem Anwendungsbereich des § 142 InsO entzogen ist (s. Rz. O57 ff.); ferner ob sie der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO unterfällt, in deren Rahmen der Bargeschäftseinwand bis zur Neuregelung des § 142 Abs. 1 InsO durch Gesetz vom 29.3.2017 unerheblich war und für Altfälle, d.h. vor dem 5.4.2017 eröffnete Insolvenzverfahren, weiterhin ist (s. Rz. O125 ff.).158 2. Leistungen Dritter für den Schuldner (§ 142 Abs. 2 Satz 3 InsO) a) Entstehung, Zweck und Systematik der Vorschrift Nach § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO steht der Gewährung des Arbeitsentgelts durch O 29a den Schuldner die Gewährung von Arbeitsentgelt durch einen Dritten nach § 267 BGB gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat. Diese Neuregelung fand erst während der Beratungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 16.12.2015 im Bundestag Eingang in das Gesetzgebungsverfahren zur Anfechtungsrechtsreform 2017. Sie geht auf die im Rahmen der öffentlichen Expertenanhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundestags am 24.2.2016 und schon früher von gewerkschaftlicher Seite formulierte Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung zurück.159 Ausgangspunkt dieser Kritik war die Erkenntnis, dass der zunächst nur in § 142 O 29b Abs. 2 S. 2 InsO-E vorgesehene Anfechtungsschutz für Arbeitsentgelt160 bei Zahlungen durch Dritte versagt hätte, weil es sich dabei um inkongruente Deckungen handelt, die mangels entsprechender Vereinbarung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dem Bargeschäftsprivileg von vornherein entzogen sind.161 Das Bundesarbeitsgericht teilt insoweit die Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass ein Bargeschäft eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner über die beiderseits zu erbringenden Leistungen voraussetzt, die im Falle einer inkongruenten Deckung, d.h. einer Leistung, die so nicht geschuldet war (vgl. § 131 Abs. 1 InsO), gerade fehlt.162 Die Vorschrift (Abs. 2 Satz 3) be158 Brandenburgisches OLG v. 14.5.2013 – 3 U 112/12, ZInsO 2013, 1357 Tz. 61 mit Verweis auf OLG München NZI 2012, 127. 159 Prot. Nr. 18/92, S. 36 f., 43 f. (Stellungnahme des DGB), S. 133 oben, 134 unter 5 lit. b, d (Stellungnahme der IG Metall). 160 Zum Begriff s. die Kommentierung des Abs. 2 Satz 2 bei Rz. O123a. 161 Prot. Nr. 18/92, S. 36 f., 43 f. (Stellungnahme des DGB), S. 133 oben, 134 unter 5 lit. b, d (Stellungnahme der IG Metall). 162 Vgl. BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 869/13, BAGE 150, 22 Rz. 27 f. (Ehefrau); v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 Rz. 14 ff., 34 = ZIP 2014, 233 Tz. 34 (Schwesterunternehmen); BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, ZIP 2014, 91 Tz. 38 m.w.N. Siehe auch BAG v. 22.10.2015 – 6 AZR 538/14, BAGE 153, 163 Rz. 12, 13 (Sohn), wo eine stillschweigende dreiseitige Vereinbarung angenommen wird; vgl. bereits BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 = ZIP 2007, 1162 Tz. 10, wo auf die Möglichkeit einer unanfechtbaren Begründung eines eigenen Forderungsrechts des Dritten durch eine rechtzeitige dreiseitige Abrede hingewiesen wird (Tz. 11 ff.). Siehe dazu Rz. O77a ff. Wagner

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O Rz. 29b

§ 142 InsO – Bargeschft

zweckt daher eine Erstreckung des Anfechtungsschutzes für Arbeitsentgeltzahlungen163 nach § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO auf Drittzahlungen, die insbesondere bei Beschäftigungsverhältnissen in konzernverbundenen Unternehmen gängig sind, aber auch bei Kleinunternehmen in Betracht kommen, etwa wenn die Zahlung über ein Konto eines Familienmitglieds des Arbeitgebers erfolgt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages ist es sachgerecht, dass für den Arbeitnehmer nicht erkennbare Drittzahlungen auf das Arbeitsentgelt im gleichen Umfang wie Zahlungen des Arbeitgebers selbst von der Anfechtung ausgenommen werden.164 O 29c

Die Ergänzung des § 142 Abs. 2 InsO-E durch Satz 3 ist jedoch in systematischer Hinsicht gleich doppelt verunglückt. Zum einen hat die Frage der Drittzahlung nichts mit der in Abs. 2 geregelten Unmittelbarkeit der Leistung zu tun. Zum anderen stellt Satz 3 bei Lichte betrachtet eine Ausnahme von § 131 Abs. 1 InsO dar. Denn nach der gesetzlichen Systematik der §§ 129 ff. InsO handelt es sich bei den von dieser Regelung (§ 142 Abs. 2 Satz 3 InsO) erfassten Drittleistungen der Sache nach um Erfüllungshandlungen, die nicht in der Art erfolgen, in der sie geschuldet sind, mithin um Fälle einer inkongruenten Deckung im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO. Die in der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen vor dem Rechtsausschuss am 24.2.2016 vom DGB und von der IG Metall vorgeschlagene Änderung betraf daher eine Ergänzung der ursprünglich in § 131 Abs. 1 InsO-E vorgesehenen, im Zuge der Beratungen aber gestrichenen Einschränkung der Inkongruenzanfechtung um einen weiteren Satz des Inhalts, dass Entgeltzahlungen über Dritte kongruent sind bzw. dass Drittzahlungen von Arbeitsentgelt (§ 267 BGB) keine Inkongruenz begründen.165 b) Drittleistungen i.S.v. § 267 BGB

O 29d Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich insoweit auch das Bundesarbeitsgericht angeschlossen hat, sind Rechtshandlungen als mittelbare Zuwendungen anfechtbar, bei denen eine unmittelbare Leistung an den Empfänger, die ohne weiteres anfechtbar wäre, durch Einschalten eines Leistungsmittlers umgangen wird. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schuldner einen Drittschuldner anweist, die von diesem geschuldete Leistung nicht ihm, dem Schuldner, sondern einem Gläubiger des Schuldners zu erbringen. Für die Anfechtbarkeit soll es ausreichen, dass der Gegenwert für das, was über die Mittelsperson an den Gläubiger gelangt, aus dem Vermögen des Leistenden stammt. Mittelbare Zuwendungen sind so zu behandeln, als habe der Angewiesene an den Anweisenden geleistet und dieser sodann seinen Gläubiger befriedigt.166 Von solchen Leistungen auf Schuld, bei denen der Schuldner, mithin die spätere Masse, eine Forderung gegen den Angewiesenen ver163 164 165 166

Zum Begriff s. die Kommentierung des Abs. 2 Satz 2 bei Rz. O123a. BT-Drucks. 18/11199, S. 11 unter IV zu Artikel 1 Nummer 3 (vormals 4). Prot. Nr. 18/92, S. 36 f., 43 f., 133 oben, 134 unter 5 lit. b. BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rz. 25; Beschl. v. 15.9.2014 – II ZR 442/13, GmbHR 2015, 644 m. Anm. Ulrich/Schlichting = ZInsO 2015, 1216 Tz. 22 m.w.N.; BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 Rz. 23 = ZIP 2014, 233 Tz. 34; BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, ZIP 2014, 91 Tz. 38 m.w.N.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 29e O

liert, sind Leistungen auf Kredit zu unterscheiden, bei denen die Leistung des angewiesenen Dritten eine (Rückgriffs-)Forderung gegen Schuldner begründet, mithin ein masseneutraler Gläubigertausch stattfindet.167 Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29.9./16.12.2015 zunächst nicht O 29e berücksichtigten Drittzahlungen, haben die höchstrichterliche Rechtsprechung, in jüngster Zeit auch die des Bundesarbeitsgerichts, in verschiedenen Konstellationen beschäftigt. Drittzahlungen i.S.v. § 267 BGB auf Arbeitsentgeltforderungen sind etwa bei verbundenen Unternehmen (im Konzern) gebräuchlich und erfolgen dadurch, dass der Arbeitnehmer die Lohnzahlung nicht vom Konto des Arbeitgebers, sondern über ein Schwesterunternehmen oder das Mutterunternehmen des Konzerns erhält.168 In Fällen der Arbeitnehmerüberlassung fehlt es charakteristischerweise an arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen dem Entleiher und dem entliehenen Arbeitnehmer. Zahlt der Einsatzbetrieb den Arbeitslohn direkt an den Leiharbeitnehmer, so handelt es sich ebenfalls um eine Drittzahlung nach § 267 BGB.169 Drittzahlungen sind häufig auch bei Kleinunternehmen anzutreffen, meist, aber nicht nur, wenn diese in eine wirtschaftliche Krise geraten. Wiederholt höchstrichterlich entschieden sind Entgeltzahlungen von dem Konto eines nahen Angehörigen, namentlich der Ehefrau des (einzelkaufmännischen) Arbeitgebers oder seiner Kinder. Ungeachtet ihrer Erkennbarkeit als Drittzahlungen für die betroffenen Arbeitnehmer, ersichtlich etwa aus der Lohn- oder Gehaltsabrechnung, werden solche Zahlungen von der Rechtsprechung grundsätzlich als inkongruente Erfüllungsleistungen i.S.v. § 131 InsO beurteilt, die vorbehaltlich einer dreiseitigen, auch konkludent zu treffenden Kongruenzvereinbarung bislang nicht in den Genuss des Bargeschäftsprivilegs kamen.170 In einem Urteil vom 21.11.2013 hatte das Bundesarbeitsgericht hierzu ausgeführt, die bloße Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens genüge ebenso wenig wie das Erbringen der nicht geschuldeten Leistung, um anzunehmen, die angefochtenen Entgeltzahlungen seien aufgrund einer stillschweigend getroffenen dreiseitigen Abrede erfolgt und hätten

167 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 13 m.w.N.; v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 22, 23. 168 Vgl. BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 Rz. 14 ff. (Schwesterunternehmen); BGH Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 27/12, ZInsO 2012, 1538 = ZIP 2012, 1681 (Muttergesellschaft). 169 So im Fall BGH Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 27/12, ZInsO 2012, 1538 = ZIP 2012, 1681 Rz. 12, 19, 23 zu §§ 2, 3 ArbGG. Zur Subsidiärhaftung des Entleihers für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer siehe § 28e Abs. 2 SGB IV, § 150 Abs. 3 SGB VII, § 42d Abs. 6 EStG. Daran hat die Novellierung des AÜG durch Gesetz vom 21.2.2017, BGBl. I S. 258, nichts geändert; vgl. BT-Drucks. 18/9232, S. 19 ff. 170 Vgl. BAG v. 13.11.2014 – 6 AZR 869/13, BAGE 150, 22 Rz. 27 f. (Ehefrau); v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 Rz. 14 ff., 34 = ZIP 2014, 233 Tz. 34 (Schwesterunternehmen); BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, ZIP 2014, 91 Tz. 38 m.w.N. Das in diesem Zusammenhang genannte BGH-Urteil v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162 Tz. 8, in der bereits auf die Möglichkeit einer unanfechtbaren Begründung eines eigenen Forderungsrechts des Dritten durch eine rechtzeitige dreiseitige Abrede hingewiesen wird, betrifft die Direktzahlung an einen Subunternehmer. Wagner

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O Rz. 29e

§ 142 InsO – Bargeschft

damit eine kongruente Deckung bewirkt.171 Ein Gemeinschaftsbetrieb lasse die arbeitsvertraglichen Beziehungen unberührt, Vertragsarbeitgeber sei allein das Unternehmen, das den Arbeitsvertrag geschlossen habe. Erst wenn eine dreiseitige Abrede getroffen werde, wonach die Entgeltansprüche nicht von diesem, sondern von einem anderen der beteiligten Unternehmen als Drittem zu erfüllen sind, komme eine kongruente Deckung in Betracht.172 Diese Remedur ist bei der Zahlung von Arbeitsentgelt173 durch Dritte i.S.v. § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO nur noch erforderlich, wenn die Drittleistung als solche für den Arbeitnehmer erkennbar war (dazu unten c). O 29f

Zur Abgrenzung sei hier das instruktive Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.10.2015 erwähnt. Darin hat das Bundesarbeitsgericht einen vermeintlichen Ausweg eingeschlagen, indem es das Konto des Dritten (Sohnes des Schuldners), von dem die angefochtenen Entgeltzahlungen gezahlt wurden, ungeachtet der abweichenden formalen Inhaberschaft als Geschäftskonto des Arbeitgebers und die davon geleisteten Lohnzahlungen nicht als Drittleistungen behandelt.174 BAG-Urteil vom 22.10.2015 – BAGE 153, 163 – Lohnzahlungen vom Konto eines Dritten175 Im entschiedenen Fall ging es um Lohnzahlungen des Schuldners, der in den Jahren 2008 bis Anfang 2009 ein Baueinzelunternehmen betrieb und auf dessen Antrag vom 18.2.2009 am 22.4.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nachdem er bereits im Jahr 2005 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. Der Insolvenzverwalter (Kläger) nahm den seit 1.1.2008 beschäftigten Buchhalter (Beklagten) auf Rückzahlung von Lohnzahlungen in Höhe von insg. 1897 Euro in Anspruch, die am 4.12.2008 und am 12.1.2009 für den jeweils vorhergehenden Monat vom Konto des Sohnes gezahlt wurden. Nach den tatrichterlichen Feststellungen wickelte der Schuldner seinen geschäftlichen Zahlungsverkehr vollständig im Wege des Onlinebanking über das Konto seines Sohnes ab; auch die Lohnzahlungen an den Beklagten erfolgten von Anfang an von diesem Konto. Das BAG hat darin eine stillschweigende dreiseitige Vereinbarung gesehen und hierzu ausgeführt, ob eine Entgeltzahlung inkongruent sei, bestimme sich nämlich nicht nach der Zahlungsweise oder Er171 BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 Rz. 18 = ZIP 2014, 233 (235) Tz. 18 (Schwesterunternehmen). 172 BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 Rz. 18 = ZIP 2014, 233 (235) Tz. 18 (Schwesterunternehmen). 173 Zum Begriff s. die Kommentierung des Abs. 2 Satz 2 bei Rz. O123a. 174 BAG v. 22.10.2015 – 6 AZR 538/14, BAGE 153, 163 Rz. 12, 13, wo aber trotzdem eine stillschweigende dreiseitige Vereinbarung angenommen wird; vgl. bereits BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162 Tz. 10, wo auf die Möglichkeit einer unanfechtbaren Begründung eines eigenen Forderungsrechts des Dritten durch eine rechtzeitige dreiseitige Abrede hingewiesen wird (Tz. 11 ff.). Siehe dazu Rz. O77a. 175 BAG v. 22.10.2015 – 6 AZR 538/14, BAGE 153, 163 = MDR 2016, 166 = NJW 2016, 183 = NZI 2016, 83 = ZIP 2016, 33.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 29g O

füllungsart, die im Arbeitsleben „normal“ oder „üblich“ seien. Maßgeblich sei vielmehr allein, was die Parteien tatsächlich vereinbart haben, und ob eine Abweichung von dieser für das konkrete Arbeitsverhältnis vereinbarten Erfüllungsart oder Zahlungsweise vorliege. Erst wenn dies der Fall sei, komme es darauf an, ob die Abweichung nach der Verkehrssitte oder den Handelsbräuchen gering ist. Ist dies der Fall, sei die Befriedigung ungeachtet der Abweichung kongruent. Ist die Abweichung dagegen mehr als geringfügig, liege eine inkongruente Deckung vor. Diesen Unterschied habe der Kläger nicht berücksichtigt. Im entschiedenen Fall kam das BAG zu dem Ergebnis, dass die angefochtenen Zahlungen kongruent waren.176 Dadurch, dass dem Beklagten bekannt gewesen sei, dass die Entgeltzahlungen über ein Konto des Sohnes des Schuldners erfolgten, habe er sich stillschweigend mit einer derartigen Handhabung einverstanden erklärt, so dass letztlich eine dreiseitige Abrede vorgelegen habe, das Konto des Sohnes des Arbeitgebers zu nutzen, über das die Entgeltzahlungen regelhaft erfolgen sollten. Diese dreiseitige Abrede habe der Kläger nicht angefochten.177 c) Grenze: Nichterkennbarkeit der Drittleistung als solche Die durch Satz 3 normierte Gleichstellung von Arbeitsentgeltzahlungen Dritter O 29g soll allerdings nur unter der Voraussetzung gelten, dass die Drittleistung nicht als solche für den Arbeitnehmer erkennbar war. Der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses sind zu dieser subjektiven Einschränkung keine weiteren Erwägungen zu entnehmen.178 Nach allgemeiner Terminologie ist Erkennbarkeit gleichbedeutend mit fahrlässiger Unkenntnis (Kennenmüssen i.S.v. § 122 Abs. 2 BGB). Danach schadet dem Zahlungsempfänger Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Drittzahlung. Die gewählte Formulierung als Einschränkung der Ausnahme deutet allerdings auf eine Beweislastregelung hin, die dem Arbeitnehmer als Anspruchsgegner die Darlegungs- und Beweislast für die Nichterkennbarkeit der Drittzahlung auferlegt. Das ist jedoch abzulehnen (a.A. wohl Thole, ZIP 2017, 401, 409 [vor 3.5]). Darlegungs- und beweisbelastet für die Anfechtungsvoraussetzungen ist der Insolvenzverwalter als Anspruchsteller (eines Anspruchs aus § 131 Abs. 1 InsO, da die Drittzahlung nach h.M. eine inkongruente Deckung darstellt). Dies muss auch für die Drittzahlung und deren Erkennbarkeit seitens des Arbeitnehmers gelten, da es sich insoweit um Voraussetzungen der Anfechtbarkeit handelt, mithin um Tatsachen, an deren Vorliegen die vom Insolvenzverwalter beanspruchte Rechtsfolge geknüpft ist (vgl. Rz. O133). Dem Anfechtungsgegner steht freilich der Gegenbeweis offen. Darüber hinaus trifft ihn eine sekundäre Darlegungs- und Substantiierunglast für die Nichterkennbarkeit als Drittzahlung, soweit ihm entsprechender Vortrag ohne weiteres möglich und zumutbar ist, während der Insolvenzverwalter sich in Beweisnot befindet, was angesichts der ihm regelmäßig zugänglichen Geschäftsunterlagen des Schuldners jedoch nur selten der Fall sein wird.

176 BAG v. 22.10.2015 – 6 AZR 538/14, BAGE 153, 163 Rz. 14, 15 ff. 177 BAG v. 22.10.2015 – 6 AZR 538/14, BAGE 153, 163 Rz. 18, 19 ff. Vgl. zu der bereits von BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162 Tz. 11 ff. aufgezeigten unanfechtbaren Begründung eines eigenen Forderungsrechts des Dritten unten Rz. O77a ff. 178 BT-Drucks. 18/11199, S. 11 unter IV zu Artikel 1 Nummer 3 (vormals 4). Wagner

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O Rz. 29h

§ 142 InsO – Bargeschft

O 29h Die durch Satz 3 vorgesehene Gleichstellung schuldtilgender Drittzahlungen scheint indes aufgrund ihrer Beschränkung auf nicht als solche erkennbare Drittzahlungen nicht oder nur begrenzt geeignet zu sein, um das gesetzgeberische Ziel eines effektiven Arbeitnehmerschutzes bei Drittzahlungen zu erreichen. Denn wenn für den Zahlungsempfänger nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat, fehlt es bereits an einer Drittleistung i.S.d. § 267 BGB, ebenso wenn ein Erfüllungsgehilfe oder Stellvertreter des Schuldners zahlt.179 Die Ergänzung (Satz 3) dürfte daher praktisch bedeutungslos sein, da Lohn- und Gehaltzahlungen üblicherweise bargeldlos geleistet werden, so dass Arbeitnehmer anhand von Zahlungsmitteilungen (Kontoauszügen) ohne weiteres feststellen können, von wem die Überweisung stammt. Dies trifft jedenfalls regelmäßig auf die genannten Entgeltzahlungen in Kleinbetrieben zu, wie in den bereits entschiedenen Fällen, in denen Zahlungen von Konten Angehöriger des Arbeitgebers, etwa der Ehefrau oder des Sohnes, erfolgten und der Zahlungsempfänger die Verhältnisse kannte. Ob die Ausnahmeregelung (Satz 3) in dem ihr zugedachten Anwendungsbereich der Entgeltzahlung durch verbundene Unternehmen oder sonst mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs beauftragte Dritte nennenswerte Bedeutung erlangen wird, bleibt abzuwarten. Zu beachten sind jedenfalls die allgemein geltenden Kriterien einer Leistung durch Dritte i.S.v. § 267 BGB.180 O 29i Gerade in Fällen, in denen auch die Neuregelung dem informierten Arbeitnehmer das Bargeschäftsprivileg bei Drittzahlungen versagt, wird es weiterhin auf die in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Kriterien für die Annahme einer dreiseitigen, auch konkludent zu treffenden Abrede ankommen, um eine schuldinhaltskonforme (kongruente) Drittleistung herbeizuführen und so die Anwendung des Bargeschäftsprivilegs zu ermöglichen.181 Eine den Betroffenen zumutbare, arbeitnehmerfreundliche Lösung ist darin freilich nicht zu erkennen, ebenso wenig wie eine Entlastung von den insoweit (fort-)bestehenden Rechtsunsicherheiten, die von der derzeitigen Praxis des Insolvenzanfechtungsrechts ausgehen und die zu beseitigen die jüngste Anfechtungsrechtsreform ursprünglich dienen sollte.182 d) Direktzahlungen im abgekürzten Leistungsweg? O 29j Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind sog. Direktzahlungen, d.h. Leistungen Dritter auf eine Verbindlichkeit des späteren Insolvenzschuldners, grundsätzlich als inkongruente Leistungen nach § 131 Abs. 1 InsO anfechtbar, falls der Zahlungsempfänger wie in der Regel keinen Anspruch darauf hat; Zahlungen Dritter sind – vorbehaltlich einer dahingehenden Abrede – nicht in der 179 Vgl. etwa Erman/Artz, BGB, 14. Aufl., § 267 Rz. 3; MK-BGB/Krüger, 7. Aufl., § 267 Rz. 10 m.w.N. 180 Vgl. BGH v. 13.3.2014 – IX ZR 147/11, WM 2014, 1002 = ZInsO 2014, 1011 = ZIP 2014, 1037 Rz. 16; s. dazu die Anm. von Eckardt, EWiR 2014, 523 (524); allg. MKBGB/Krüger, 7. Aufl., § 267 Rz. 4 ff., jeweils m.w.N. 181 Zu der ähnlichen Problematik bei Direktzahlungen im Baubereich, die der BGH bei ebenfalls konkludent möglichen Kongruenzvereinbarungen der Beteiligten zu retten sucht, und zu den damit verbundenen Unwägbarkeiten s. unten Rz. O77a ff. 182 BT-Drucks. 18/11199, S. 1 unter A. Problem, 1. Absatz.

848 Wagner

II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 29k O

Art erbracht, in der sie geschuldet sind.183 Paradigmatisch dafür sind neben den nunmehr in § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO geregelten Drittzahlungen von Arbeitsentgelt die im Hoch- und Tiefbau üblichen Direktzahlungen von Bauherrn (Auftraggeber) an Subunternehmer oder Lieferanten des Haupt- oder Generalunternehmers (Auftragnehmers), die hier im Zusammenhang mit nachträglichen Kongruenzvereinbarungen der Beteiligten eingehender behandelt werden.184 Darüber hinaus stellt sich im vorliegenden Zusammenhang aber die generelle Frage, ob Leistungen Dritter, die auf Anweisung des Schuldners mit schuldtilgender Wirkung (§§ 185 Abs. 1, 362 Abs. 2 BGB) direkt an dessen Gläubiger erbracht werden, nicht grundsätzlich dem Bargeschäftsprivileg unterfallen, wenn dem Schuldnervermögen in engem zeitlichem Zusammenhang eine gleichwertige Gegenleistung des Gläubigers (oder eines für diesen leistenden Dritten) zugeflossen ist. Nach der hier vertretenen Meinung ist dies der Fall, weil § 142 InsO nach seinem Sinn und Zweck den Zahlungsusancen im modernen arbeitsteiligen Wirtschafts- und Geschäftsverkehr nicht entgegenstehen, sondern im Gegenteil dem in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Schuldner gerade die weitere Teilnahme daran ermöglichen soll, sofern die ausgetauschten Leistungen gleichwertig sind und der Leistungsaustausch in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Voraussetzung dafür ist freilich eine Abkehr von dem seit BGH v. 30.9.1993 – IX O 29k ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (329) herrschenden Dogma, dass § 142 InsO nur auf kongruente Deckungshandlungen (§§ 130, 132 InsO), nicht aber auf inkongruente Deckungen (§ 131 InsO) anwendbar sei (s. dazu Rz. O57 ff.). Die höchstrichterliche Rechtsprechung diskriminiert nicht nur Leistungen erfüllungshalber und an Erfüllungs Statt („nicht in der Art“), sondern auch Drittzahlungen als inkongruente Leistung, weil diese – soweit nicht vereinbart – als mittelbare Zuwendungen „verdächtig“ seien.185 Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die fragliche Drittzahlung an einen Gläubiger des späteren Insolvenzschuldners als mittelbare Zuwendung auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruht. Rechtshandlungen sind als mittelbare Zuwendungen anfechtbar, bei denen eine unmittelbare Leistung an den Empfänger, die ohne weiteres anfechtbar wäre, durch Einschalten eines Leistungsmittlers umgangen wird. Davon sei insbesondere dann auszugehen, wenn der Schuldner einen Drittschuldner anweist, die von diesem geschuldete Leistung nicht ihm, sondern einem Gläubiger des Schuldners zu erbringen. Für die Anfechtbarkeit reicht es aus, dass der Gegenwert für das, was über die Mittelsperson an den Gläubiger gelangt ist, aus dem Vermögen des Leistenden stammt. Mittelbare Zuwendungen sind so zu behandeln, als habe der

183 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 16; BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 Tz. 17 m.w.N. 184 Siehe unten Rz. O77a ff. zu BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 16 mit BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rz. 25; Beschl. v. 15.9.2014 – II ZR 442/13, GmbHR 2015, 644 m. Anm. Ulrich/Schlichting = ZInsO 2015, 1216 Tz. 22. 185 Vgl. etwa Kayser/Thole, § 142 Rn. 10; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rn. 9 m.w.N. Zu Recht kritisch dagegen Klinck, Grundlagen, S. 329 ff.; Annika Röttger, Die insolvenzanfechtungsrechtliche Rückabwicklung von Anweisungsleistungen, 2013 (Diss. Münster 2012), S. 127 ff.; F. Bartels, S. 703 ff. Wagner

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O Rz. 29k

§ 142 InsO – Bargeschft

Angewiesene an den Anweisenden geleistet und dieser sodann seinen Gläubiger befriedigt.186 O 29l Die hierin liegende Diskreditierung und Diskriminierung verkehrsüblicher Drittleistungsvorgänge ist dogmatisch nicht begründbar und entspricht nicht den praktischen Bedürfnissen eines modernen Geschäftsverkehrs.187 Dogmatisch beruht sie auf einer Wortlaut und Systematik der §§ 129 ff. InsO widersprechenden Vermengung der Prüfung einer gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung (§ 129 Abs. 1 InsO) mit der anschließend und getrennt davon zu prüfenden Frage einer gleichwertigen Gegenleistung (§ 142 InsO), gleichsam auf einer antizipierten Verrechnung oder anfänglichen Saldierung von Leistung und Gegenleistung. Sie widerspricht zugleich Wortlaut, Sinn und Zweck des § 142 InsO auch mit ihrer unzulässigen Gleichsetzung von inkongruenter Deckung (§ 131 InsO) und vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO), wobei sie das gesetzliche Stufenverhältnis der Anfechtungsgründe, mithin die Unterscheidung zwischen den heterogenen Tatbeständen der besonderen und der allgemeinen Insolvenzanfechtung mithilfe des vermeintlich verbindenden Kriteriums der mittelbaren Benachteiligung, übergeht. Praktisch schränkt sie den Wirtschafts- und Zahlungsverkehr unnötig ein, indem schon ihre Prämisse, es handele sich bei inkongruenten (Dritt-)Leistungen um einen Umgehungstatbestand, mithin um ein unredliches („verdächtiges“) Verhalten des Schuldners und der übrigen Beteiligten zu Lasten der Gläubigergesamtheit, nicht bzw. nur in bereits von § 133 InsO erfassten Ausnahmefällen zutrifft.188 Es ist nicht nachvollziehbar, Umsatzgeschäfte in der Krise zu diskreditieren, nur weil sie anders als ursprünglich vereinbart abgewickelt werden, aber aufgrund einer rechtzeitigen Kongruenzvereinbarung ohne weiteres ebenso hätten abgewickelt werden können.189 Vor allem aber verstößt sie gegen das insolvenzanfechtungsrechtliche Schädigungs- und Bereicherungsverbot, indem sie unberücksichtigt lässt, dass dem Schuldnervermögen eine gleichwertige Gegenleistung zeitnah zugeflossen ist, ohne die ein Baraustausch im Sinne des § 142 InsO nicht in Betracht kommt (vgl. oben Rz. O4b). O 29m Auch in diesem Zusammenhang besteht erheblicher Diskussionsbedarf. Die aufgeworfenen Fragen betreffen schwierige und äußerst vielschichtige Fragen des Anfechtungsrechts.190 In den abschließenden Beratungen des Anfechtungsrechtsreformgesetzes vom 29.3.2017 hat namentlich Hirte zum Ausdruck ge186 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 10 (Hervorhebung d.Verf.) mit BGH v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rz. 25; Beschl. v. 15.9.2014 – II ZR 442/13, GmbHR 2015, 644 m. Anm. Ulrich/Schlichting = ZInsO 2015, 1216 Tz. 22. 187 Vgl. eingehend Klinck, Grundlagen, S. 328 ff.; F. Bartels, S. 198 ff.; s. auch Annika Röttger, Die insolvenzanfechtungsrechtliche Rückabwicklung von Anweisungsleistungen, 2013 (Diss. Münster 2012), S. 127 ff. 188 Vgl. eingehend Klinck, Grundlagen, S. 328 ff.; F. Bartels, S. 198 ff.; s. auch Annika Röttger, Die insolvenzanfechtungsrechtliche Rückabwicklung von Anweisungsleistungen, 2013 (Diss. Münster 2012), S. 127 ff. 189 Entgegen Ganter, WM 2015, 2117 (2118); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 8. 190 Sehr gute Ansätze hierfür liefern beispielhaft die Arbeiten von Klinck, Thole, Würdinger und F. Bartels (s. LitV). Zur Kasuistik s. Rz. D29 ff.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 30 O

bracht, es sei noch zu prüfen, ob die für Arbeitnehmer geschaffene Klarstellung, dass auch Drittzahlungen anfechtungsfest sein können (§ 142 Abs. 2 Satz 3 InsO), noch weiter zu verallgemeinern und gegebenenfalls in § 129 InsO zu verschieben sei.191 Auch insoweit gilt: Eine Abstandnahme von dem seit BGHZ 123, 320 herrschenden Dogma, § 142 InsO finde bei inkongruenten Leistungen des Schuldners keine Anwendung, würde genügen. Freilich ist dabei unter anderem auch zu berücksichtigen, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar ist, wenn die gegen den Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos war. Der Zuwendungsempfänger hat dann wirtschaftlich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann.192 Diese Grundsätze gelten jedoch nur in Fällen einer freiwilligen Drittleistung, nicht hingegen, wenn den Dritten gegenüber dem Zahlungsempfänger eine eigene Verbindlichkeit trifft. Denn dann tilgt er mit der fremden Schuld zugleich eine eigene. In dem Freiwerden von der eigenen Schuld liegt der Ausgleich, der die Anwendung des § 134 Abs. 1 InsO ausschließt.193 3. Gegenleistung a) Allgemeines Als Gegenleistung kommt grundsätzlich jede vermögenswerte Leistung des an- O 30 deren Teils (Anfechtungsgegners) in Betracht, die Gegenstand einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung sein kann. Das sind vornehmlich Erfüllungsleistungen aus zwei- oder mehrseitigen Rechtsgeschäften, insbesondere aus gegenseitig verpflichtenden Schuldverhältnissen. Die Leistung besteht regelmäßig in einer aktiven Handlung, etwa bei Lieferungen und Leistunge, insbesondere Arbeits-, Dienst- und Werkleistungen, kann aber auch in einem Unterlassen bestehen, soweit damit ein Vermögenszuwachs auf seiten des Schuldners verbunden ist. Das kommt etwa bei aufschiebend bedingten Übertragungsgeschäften in Betracht, wenn als Bedingung ein Unterlassen, zum Beispiel der Nichtausübung eines Gestaltungsrechts, einer Option oder dergleichen vereinbart ist.194 Im Allgemeinen wird man dazu auch die Gebrauchsgewährung und Nutzungsüberlassung rechnen dürfen, mithin die (entgeltliche) Überlassung von Gegenständen und Räumen zum Gebrauch und zur Nutzung durch den Schuldner im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen, insbesondere bei Miet- und Pachtverträgen sowie bei Leasingverhältnissen.

191 BT-Plenarprotokoll 18/218, S. 21909 (vor 7.) = ZInsO 2017, 427 (429). Vgl. etwa zur Abgrenzung von Fällen, in denen der Leistungsmittler auf Grund eigener Verpflichtung an den Leistungsempfänger leistet, BGH, Urt. v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 = NJW 2012, 1585 = ZIP 2012, 280; Uhlenbruck/Hirte/Ede § 129 Rn. 325 ff. (329); ferner K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 6 ff. m.w.N. 192 Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 35 m.w.N. 193 Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 35 mit BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 163/07, WM 2008, 1459 Rn. 13. Kritisch zur Anfechtung der Tilgung fremder Schuld gegenüber dem Zahlungsempfänger bereits Henckel, ZIP 2004, 1671 ff.; zur Anfechtung. 194 Vgl. zur Abgrenzung Rz. O47. Wagner

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O Rz. 31

§ 142 InsO – Bargeschft

O 31 Entgegen einer im Schrifttum und in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung195 stellt das sog. Stehenlassen einer Darlehensforderung nach zutreffender Ansicht des Bundesgerichtshofs keine gleichwertige Gegenleistung dar, weil dem Schuldner dadurch kein neuer Vermögenswert zugeführt wird. Der Schuldner hat den Vermögensvorteil, der in der Kapitalüberlassung zur Nutzung auf Zeit liegt, bereits durch die Darlehensgewährung erhalten. Das Stehenlassen eines valutierten Darlehens stellt anfechtungsrechtlich ein bloßes Unterlassen der Rückforderung dar und bedeutet somit keine Zuführung eines neuen Vermögenswertes in das Schuldnervermögen.196 Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gleichermaßen für Kreditverlängerungen, durch die keine Gegenleistung in das Vermögen des späteren Insolvenzschuldners gelangt.197 Hiervon zu unterscheiden ist das Offenhalten einer Kreditlinie nach Verrechnung von Gutschriften auf einem im Soll geführten Kontokorrentkonto und deren erneute Inanspruchnahme.198 O 31a Zu unterscheiden ist weiter die Frage der Anfechtbarkeit einer Stundung oder des Stehenlassens einer Gesellschafterforderung, die der Erfüllung eines Gesellschafterdarlehens wirtschaftlich gleichgestellt werden und damit der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO unterliegen kann, weil jede Stundung wirtschaftlich gesehen eine Darlehensgewährung bewirkt.199 Nach dem heutigen, von den Prinzipien des Eigenkapitalersatzrechts gelösten Verständnis ist eine Nutzungsüberlassung durch einen Gesellschafter einer Darlehensgewährung nicht (mehr) wirtschaftlich vergleichbar. Deshalb kann die Zahlung von Nutzungsentgelt an einen Gesellschafter nicht (mehr) als Darlehensrückzahlung, sondern nur im Falle einer vorherigen Stundung oder eines Stehenlassens als Befriedigung einer darlehensgleichen Forderung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO 195 LG Chemnitz v. 22.12.2006 – 2 O 208/06, WM 2007, 397, 398; Molitor, ZInsO 2006, 23, 25; Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461, 1463. 196 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (311) Rz. 41; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13c; Mitlehner, ZIP 2007, 1925 (1930); Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 21; im Ergebnis ebenso bereits BGH v. 3.12.1998 – IX ZR 313/97, WM 1999, 12 (14). 197 BGH v. 6.10.2011 – IX ZR 24/11, Rz. 3 (n.v.). Mit diesem Beschluss wurde die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des KG v. 15.11.2010 – 24 U 103/09, ZInsO 2011, 486 = ZIP 2011, 535 m. Anm. Schönfelder, WuB VI A. § 142 InsO 1.11 zurückgewiesen. Im entschiedenen Fall ging es um eine nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO von vornherein unwirksame Verrechnung im Rahmen der Rückführung eines gesamtschuldnerisch aufgenommenen Betriebsmittelkredits durch die spätere Insolvenzschuldnerin mit der Folge, dass die gesamtschuldnerische Haftung des anderen Kreditnehmers, der die Kreditlinie danach erneut in Anspruch genommenen hatte, zu keinem Zeitpunkt erloschen war (BGH, a.a.O., Rz. 2). Entscheidend war nicht die erneute Inanspruchnahme (Verlängerung) des Kredits, sondern die gesamtschuldnerische Haftung für den nach § 144 InsO wieder aufgelebten Rückzahlungsanspruch der Bank (Klägerin) nach erfolgreicher Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter. Kritisch zur engen Auslegung des § 142 InsO im Zusammenhang mit Kreditverlängerungen Riggert, Festschrift für Braun, 2007, S. 139, 155 (158). 198 Siehe dazu Rz. O136 ff. – Darauf kam es für die Entscheidung des KG v. 15.11.2010 (s. vorige Fußn.) nicht an. 199 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 50; BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 70 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 33 O

angefochten werden.200 Wird eine Leistung jedoch bargeschäftlich abgewickelt, scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führt, aus.201 Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof für Lohnzahlungen an einen Gesellschafter entschieden, dass weder eine Stundung noch ein Stehenlassen einer Lohnforderung anzunehmen ist, womit die Befriedigung einer einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderung ausscheidet, wenn die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt sind.202 b) Zuführung in das Aktivvermögen des Schuldners Ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO setzt begrifflich voraus, dass die Gegenleistung O 32 Bestandteil des Aktivvermögens des Schuldners geworden ist.203 Dieses Erfordernis ergibt sich ohne weiteres aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach die Gegenleistung „in sein Vermögen gelangt“ sein muss. Das ist in der Regel erst dann der Fall, wenn der spätere Schuldner den Leistungsgegenstand (zu eigener Verfügung) erhalten hat und frei darüber verfügen kann. Dies kann zum Beispiel auch dadurch geschehen, dass der Schuldner einen Dispositionskredit erneut in Anspruch nimmt. Hierzu hat der Bundesgerichtshof in dem bereits erwähnten Grundsatzurteil vom 7.3.2002 ausgeführt, die angefochtenen, von der beklagten Bank ins Kontokorrent eingestellten Gutschriften seien jeweils dadurch ausgeglichen worden, dass die Bank es der Schuldnerin allgemein gestattet habe, Kredit wieder in Anspruch zu nehmen. Diese erneute Kreditgewährung stelle die Gegenleistung dar, die in das Vermögen der Schuldnerin gelangt sei.204 Der gegen die kontoführende Bank gerichteten (Rück-)Zahlungsklage des Insolvenzverwalters kann gegebenenfalls mit dem Bargeschäftseinwand begegnet werden. Muss die Leistung des anderen Teils tatsächlich in das Aktivvermögen des O 33 Schuldners gelangt sein, so reicht die Aufrechnung oder Verrechnung mit einem bestehenden Anspruch gegen einen neuen Anspruch des Schuldners als Gegenleistung nicht aus.205 Der Bundesgerichtshof verweist hierzu mit Recht auf die insoweit vergleichbare Situation bei einer bloßen Verringerung der Verbindlichkeiten des Schuldners durch Erlöschen der befriedigten Forderung, wodurch ebenso wenig eine Gegenleistung im Sinne des § 142 InsO erbracht

200 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 67, 69 m.w.N. = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. Vgl. oben Rz. O18 ff. 201 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 51; BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 70 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. 202 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Ls. c mit Rz. 50 f.; s. dazu Rz. O18 ff. 203 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (130). 204 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (130). 205 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 Tz. 36. Hiervon zu unterscheiden ist die Verrechnung im ungekündigten Kontokorrent, die ein echtes Bargeschäft darstellt, vgl. Kayser, Festschrift für G. Fischer, 2008, 257, 275 ff.; s. ausführlich Rz. O136 ff. Wagner

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O Rz. 33

§ 142 InsO – Bargeschft

wird.206 Fraglich ist allerdings, ob der Bargeschäftseinwand in Fällen der Aufrechnung des Anfechtungsgegners nicht bereits am Fehlen einer Leistung des Schuldners scheitert, da die Aufrechnung durch einseitige Gestaltungserklärung des Gläubigers erfolgt mit der (gesetzlichen) Folge eines Erlöschens der beiderseitigen Forderungen (vgl. § 389 BGB). Mit anderen Worten: die Leistung wird in diesen Fällen nicht bewirkt i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB, die Verbindlichkeit des Schuldners also nicht erfüllt, sondern aufgrund eines gesetzlich anerkannten Erfüllungssurrogats getilgt.207 Dieser Vorgang ist für die Parteien vermögensmäßig neutral (vgl. § 389 BGB: „soweit sie sich decken“), falls die nominell übereinstimmenden Geldforderungen auch tatsächlich gleichwertig sind. Im Hinblick auf die materielle Insolvenz trifft dies natürlich nicht mehr zu. Der Anreiz für den Gläubiger zur Aufrechnung besteht dann gerade darin, sich trotz einer entwerteten Gegenforderung voll bezahlt zu machen. O 34 Instruktiv für das Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals ist das bereits zu § 23 Satz 1 KO a.F. ergangene Urteil des Reichsgerichts vom 12.10.1894.208 Im entschiedenen Fall hatte der spätere Gemeinschuldner nach Zahlungseinstellung eine ihm zustehende Hypothekenforderung an den späteren Anfechtungsgegner abgetreten, der im Gegenzug die einige Tage später erfüllte Verpflichtung übernahm, in gleicher Höhe zwei Gläubiger des Gemeinschuldners zu befriedigen. Das Reichsgericht hat dies trotz Gleichwertigkeit der Gegenleistung als nicht ausreichend angesehen und zur Begründung ausgeführt, um eine Gläubigerbenachteiligung auszuschließen, sei erforderlich, dass die Gläubiger „eine ebenso große Aktivmasse vorfinden wie vorher“; dies sei aber nicht der Fall, wenn durch die Gegenleistung einzelne Gläubiger befriedigt werden, „da hierdurch bei sonst unveränderter Vermögenslage die Aktivmasse vermindert wird“ und dadurch die „Befriedigungsmittel allen anderen Gläubigern entzogen“ werden. O 34a Diese Entscheidung des Reichsgerichts bildet gleichsam den rechtsprechungsgeschichtlichen Hintergrund für den anhaltenden Meinungsstreit, ob die Gegenleistung zumindest mittelbar das haftende Vermögen des Schuldners vermehrt haben muss,209 und seiner Lösung. Die hierfür maßgeblichen Kriterien liefert das Gesetz selbst: Wortlaut, Sinn und Zweck des § 142 InsO sprechen für die Auslegung, dass dem Aktivvermögen des Schuldners eine gleichwertige Gegenleistung zugeflossen ist (Rz. O32), und zwar für die seinerseits zu erbringende oder bereits erbrachte Leistung. Dass diese Leistung sein haftendes Vermögen vermindert haben muss, ergibt sich bereits daraus, dass § 142 InsO eine anfechtbare Rechtshandlung voraussetzt, woran es fehlen würde, wenn die Leistung des Schuldners das den Gläubigern haftende Vermögen nicht berühren und verringern würde. Schließlich soll der Schuldner die Möglichkeit haben, seine Krise

206 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 Tz. 36 mit MKInsO/Kirchhof, § 142 Rz. 4a; v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (311); v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 (1123) Tz. 12. 207 Vgl. zu dieser Unterscheidung Erman/Wagner, BGB, 15. Aufl., Vor § 387 Rz. 3. 208 JW 1894, 546 f. (Nr. 14). 209 Vgl. dafür K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rn. 13; dagegen Uhlenbruck/Ede/ Hirte, § 142 Rz. 25.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 34b O

durch weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr zu überwinden, indem er die dafür, insbesondere zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs notwendigen Rechtsgeschäfte tätigt und dazu nötige Mittel einwirbt (vgl. Rz. O4 ff.). Dieses Regelungsziel spricht ebenfalls für die hier vertretene Ansicht, dass die Gegenleistung des anderen Teils zumindest mittelbar das haftende Vermögen des Schuldners vermehrt haben muss. Dies trifft auch auf Arbeitsleistungen zu, die der Schuldner angenommen, aber verspätet und vermeintlich anfechtbar vergütet hat, ungeachtet des Umstands, dass sie einem unmittelbaren Gläubigerzugriff nicht zur Verfügung gestanden hätten.210 Derselbe Grundkonflikt bei der Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzun- O 34b gen des Bargeschäftseinwands ist angesprochen, wenn die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27.9.2015 vorgeschlagene Ausweitung des § 142 InsO unter anderem mit der Erwägung begründet wird, es solle „nicht mehr darauf ankommen, ob die in das Vermögen des Schuldners gelangende Gegenleistung den Gläubigern konkreten Nutzen verspricht.“211 Diese Erwägung betrifft die mit § 142 Abs. 1 InsO normierte Einschränkung der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften und zielt offensichtlich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausschluss der Vorsatzanfechtung bei bargeschäftsähnlichen Leistungen. Danach können die einen Benachteiligungsvorsatz und seine Kenntnis nahelegenden Beweisanzeichen zurücktreten, wenn der Schuldner eine kongruente Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines eigenen Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im allgemeinen nützt, wobei zu den für die Unternehmensfortführung unverzichtbaren Gegenleistungen auch die Tätigkeit der Arbeitnehmer zählt.212 Während der Bargeschäftseinwand nach bisherigem und für vor dem 5.4.2017 eröffnete Insolvenzverfahren weiter geltendem Recht im Rahmen der Vorsatzanfechtung grundsätzlich unbeachtlich ist (vgl. den Wortlaut des § 142 InsO a.F.) und nur vermittelt durch diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften und bargeschäftsähnlichen Leistungen Beachtung fand, sollen Bargeschäfte de lege ferenda nach dem Willen der Verfasser des Gesetzentwurfs grundsätzlich dem Bargeschäftsprivileg unterfallen und nur noch dann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner unlauter handelte und der Gläubiger dies erkannte (§ 142 Abs. 1 InsO).213 Da die Neufassung darüber hinaus jedoch keine Änderung der bisherigen Rechtslage bezweckt214 und die Begründung des Gesetzentwurfs auch im vorerwähnten Zusammenhang von „bargeschäftlichen

210 So zu Recht OLG Düsseldorf v. 1.10.2015 – I-6 U 169/14, NZI 2016, 642 = ZWH 2016, 330 = juris-Rn. 37 unter Bezugnahme auf BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 31 ff., wo dies allerdings nicht thematisiert, sondern als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. 211 RegE-Begr. S. 19 = BT-Drucks. 18/7054, S. 17 unten. Vgl. dazu Ganter, WM 2015, 2117 (2120). 212 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Ls. b mit Rz. 44 (s. dazu Rz. O128 ff.). 213 RegE-Begr. S. 19 = BT-Drucks. 18/7054, S. 17 unten. Vgl. dazu Rz. O127, O129c. 214 So ausdrücklich RegE-Begr. S. 19 oben = BT-Drucks. 18/7054, S. 17 zu Nr. 4, erster Absatz a.E. Wagner

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O Rz. 34b

§ 142 InsO – Bargeschft

Austauschen“ ausgeht, liegt es fern, dem Entwurfgeber eine Regelungsabsicht dahingehend zu unterstellen, es solle künftig nicht mehr darauf ankommen, dass eine gleichwertige Gegenleistung in des Schuldnervermögen fließt. c) Grenzfälle O 35 Hat der Schuldner dagegen zum Beispiel Geld nur treuhänderisch für einen Dritten entgegengenommen und nicht mit seinem eigenen vermischt,215 oder ist er als Handelsvertreter nicht Eigentümer der verkauften Handelsware geworden,216 so scheidet die Annahme eines Bargeschäfts mangels Gegenleistung aus. Als aktuelles Beispiel aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der hier sog. Tankstellenbetreiber-Fall, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.9.2010 zugrunde liegt, näher zu betrachten.217 Seine Lösung, die er in drei Instanzen erfahren hat, legt zugleich ein beredtes Zeugnis dafür ab, wie schwierig die rechtlichen Zusammenhänge und wie unsicher und unvorhersehbar die Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften sein können. Das betrifft insbesondere die gegensätzliche Beurteilung der Voraussetzungen einer Gläubigerbenachteiligung durch die befassten Gerichte. Denn in erster Instanz hatte die Anfechtungsklage Erfolg, in zweiter Instanz wurde sie abgewiesen und auf die Revision des Insolvenzverwalters hat der Bundesgerichthof das landgerichtliche Urteil wieder hergestellt und damit die Verurteilung der Mineralölgesellschaft zur Rückgewähr der an sie abgeführten Erlöse aus dem Verkauf ihrer Kraftstoffe durch die Schuldnerin gebilligt (s. dagegen Rz. O45, O248 f.). BGH-Urteil vom 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (Tankstellenbetreiber) O 36 Eine Tankstellenbetreiberin, die spätere Schuldnerin, hatte in kritischer Zeit (drei Monate vor dem Eigenantrag der Schuldnerin) ihre täglichen Einnahmen aus dem Verkauf von Kraftstoffen und Motoröl auf ihr Geschäftskonto eingezahlt und per Lastschrift an das Mineralölunternehmen überwiesen, in dessen Namen und für dessen Rechnung sie die Kraftstoffe verkauft und die Barerlöse vereinnahmt hatte.

aa) Leistung an den Schuldner O 37 Im entschiedenen Fall war das Mineralölunternehmen der Ansicht, es handele sich bei der Abwicklung des Kraftstoffvertriebs um eine dem Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO vergleichbare Sachlage, so dass schon aus diesem Grund eine Anfechtung ausscheide. Zum einen könne von einer Kreditierung aufgrund der 215 Vgl. zur Eigentumslage bei Vermengung von Bargeld, insb. zu den Eigentumsverhältnissen bei einer Kasse mit wechselndem Bestand Gehrlein, NJW 2010, 3543 ff. 216 So im Fall BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 = ZInsO 2010, 1929 = ZIP 2010, 2009. 217 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 = ZInsO 2010, 1929 = ZIP 2010, 2009 mit zust. Anm. Freudenberg, EWiR 2010, 825 sowie Blum, WuB VI A. § 129 InsO 1.11. Vgl. unten Rz. O36 ff., O246 ff.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 39 O

kurzen Lieferintervalle von Kraftstoffen und der täglichen Abführung der Verkaufserlöse (Agenturerlöse) an sie nicht gesprochen werden, zum anderen stünden sich Leistung und Gegenleistung einander gleichwertig gegenüber.218 Das OLG Hamburg ließ die Anfechtung mangels Gläubigerbenachteiligung sowie aufgrund einer „Parallelwertung zu § 142 InsO“ nicht durchgreifen. Hierzu führte es aus, zur Fortsetzung ihres Geschäftsbetriebs sei es für die Schuldnerin unabdingbar gewesen, von der Beklagten weiter beliefert zu werden. Das beklagte Mineralölunternehmen habe jedoch die Fortsetzung der Belieferung davon abhängig machen können, dass die Schuldnerin täglich die vereinnahmten Erlöse abführe. Selbst wenn insoweit ein Zeitraum von mehr als einer Woche zwischen der angefochtenen Handlung und der Gegenleistung liege, sei eine äquivalente Gegenleistung in der Einräumung der Verfügungsbefugnis zu erkennen, welche die Schuldnerin in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verkaufsvorgängen in Anspruch genommen habe.219 Dieser Beurteilung ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Die Zahlungsklage O 38 des Verwalters sei aus § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet; die nach § 129 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung sei gegeben, § 142 InsO stehe nicht entgegen. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, die Annahme eines Bargeschäfts scheitere bereits an einer dem unmittelbaren Leistungsaustausch zugrunde liegenden Parteivereinbarung (s. dazu Rz. O49), jedenfalls an einer die Zahlungen der Schuldnerin ausgleichenden Gegenleistung des beklagten Mineralölunternehmens. Den von der Schuldnerin aus ihrem Vermögen an das beklagte Unternehmen bewirkten Zahlungen stünden keine gleichwertigen Leistungen an die Schuldnerin gegenüber.220 Die an sie gelieferten Kraftstoffe und Motoröle seien nicht in ihre „Vermögenssphäre“ übergegangen, sondern von der Schuldnerin im Namen und für Rechnung des Mineralölunternehmens unmittelbar an Tankstellenkunden („Endabnehmer“) veräußert worden. Um ein Bargeschäft annehmen zu können, muss die Gegenleistung jedoch Bestandteil des schuldnerischen Aktivvermögens werden.221 Die Schuldnerin habe von der Beklagten auch keine anderen durch die Überwei- O 39 sungen vergüteten Leistungen empfangen222 Die Beklagte sei zwar verpflichtet gewesen, an die Schuldnerin als ihrer Handelsvertreterin Provisionen zu zahlen (§ 87 Abs. 1 HGB), und diese habe die fraglichen Beträge vereinbarungsgemäß von den vereinnahmten Verkaufserlösen abgezogen. Die Provisionen seien jedoch die Gegenleistung für die Mitwirkung des Handelsvertreters beim Abschluss von Geschäften (§ 86 Abs. 1 HGB) und nicht für die abgeführten Ver218 Aus dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils LG Hamburg v. 4.1.2008 – 302 O 374/05, juris-Rz. 45. 219 Aus den Gründen des BGH-Urteils v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 Tz. 7. 220 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3580) Tz. 25, 3581 Tz. 30. 221 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 30 mit BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711, 715 Tz. 36; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 14. 222 Zu deren Beachtlichkeit verweist der BGH v. 23.9.2010, Tz. 31 auf MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 3; HambK-InsO/Rogge/ Leptien, § 142 Rz. 2. Wagner

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O Rz. 39

§ 142 InsO – Bargeschft

kaufserlöse.223 Da die Schuldnerin die Kraftstoffe als von der Beklagten vergütete Handelsvertreterin in deren Namen an die Endkunden veräußert habe, hätten den Überweisungen ausschließlich die von der Schuldnerin bei dem Verkauf der Kraftstoffe eingenommenen, rechtlich der Beklagten zustehenden Entgelte zugrunde gelegen. Ihnen stehen als Gegenleistung allein die von der Beklagten an die Endkunden und nicht an die Schuldnerin übereigneten Kraftstofflieferungen gegenüber. Die – dem Vertrag des Jahres 1992 widersprechende – vorübergehende Einverleibung der Erlöse in das Vermögen der Schuldnerin zwecks Überweisung an die Beklagte führt nicht zu einem Bargeschäft zwischen der Schuldnerin und der Beklagten. Soweit die Schuldnerin mit den Überweisungen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses einschließlich der Weiterbelieferung durch die Beklagte sicherzustellen suchte, liege darin keine berücksichtigungsfähige Gegenleistung, weil die künftigen Leistungen ihrerseits wieder in Rechnung gestellt wurden.224 Folglich sei ebenso wie bei der gesetzlichen Pflicht zur Zahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auch bei der hier gegebenen Abführung der im Rahmen eines Handelsvertreterverhältnisses erlangten Zahlungen (§ 667 BGB) kein diesen Zahlungen entsprechender Wert auf Veranlassung der Beklagten in das Vermögen der Schuldnerin gelangt.225 bb) Leistung an Dritte O 40 In dem vorgenannten Tankstellenbetreiber-Fall hat der Bundesgerichtshof auch die Frage geprüft, ob eine Gegenleistung des Anfechtungsgegners im Sinne des § 142 InsO auch dann in Betracht kommt, wenn der Anfechtungsgegner (im entschiedenen Fall das verklagte Mineralölunternehmen) den betreffenden Leistungsgegenstand – vermittelt durch den Schuldner – einem Dritten (Tankstellenkunden als Endabnehmer) zugewendet hat. Das Gericht hat diese Frage eindeutig verneint und hierzu ausgeführt, die Zuwendung an einen Dritten sei nicht als Gegenleistung anzuerkennen und rechtfertige daher nicht die Annahme eines Bargeschäfts.226 Dies habe insbesondere dann zu gelten, wenn es sich bei dem Dritten um einen Gläubiger des Schuldners handelt, dessen Forderung durch die Zahlung – zum Nachteil der Gläubigergesamtheit – erfüllt werden soll.227 Erst recht müsse eine Gegenleistung unberücksichtigt bleiben, die – wie hier bei den Tankkunden – an mit dem Schuldner rechtlich nicht verbundene Dritte erbracht wird und dem Schuldner nicht einmal mittelbar zugute kommt.228 Da die von der Beklagten gelieferten Kraftstoffe in deren Namen unmittelbar an Abnehmer

223 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 32. 224 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 33 mit BGHZ 97, 87, 94; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 5. 225 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 33 mit BGHZ 157, 350 (360); BGH v. 9.6.2005 – IX ZR 152/03, WM 2005, 1474 (1476). Vgl. kritisch dazu Rz. O220, O248 f. 226 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 30 mit Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 92. 227 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 30 mit RGZ 53, 234 (235 f.); RG JW 1894, 546 Nr. 14, MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 4a. 228 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 30 mit Raschke, S. 119.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 42 O

übereignet wurden, ist eine dem Zugriff der übrigen Gläubiger offenstehende gleichwertige Gegenleistung der Beklagten nicht in das Vermögen der Schuldnerin gelangt.229 Eine wirtschaftlich neutrale,230 von einer „Vermögensverschiebung“ zu unterscheidende bloße „Vermögensumschichtung“ (BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 323) hat bei der Schuldnerin nicht stattgefunden, weil es mangels einer Übereignung der Kraftstoffe an einem die Überweisungen ausgleichenden Vermögenswert fehlt.231 Weiterführende Abgrenzungsfragen wirft auch der zum Problemkreis der An- O 41 fechtung im Mehrpersonenverhältnis (s. Rz. B104 ff.) zählende Frachtführerpfandrechtsfall der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.4.2005 auf. Danach kann eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger über die Ablösung eines Pfandrechts des Gläubigers an einem Gegenstand des Schuldners durch Zahlung eines anderen Gläubigers als unanfechtbares Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO anzusehen sein, wenn der Wert des Pfandrechts dem Wert der abgetretenen oder verpfändeten Forderung entspricht.232 cc) Aufrechnung Insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot (§§ 95 Abs. 1 Nr. 3, 96 Abs. 1 InsO) O 42 und Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) als Mittel, einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung nach Ausbruch und in Kenntnis der Krise zu verwehren, ergänzen einander, wobei die §§ 94 ff. InsO als abschließende Regelung der Aufrechnung in der Insolvenz konzipiert sind. Die beiden Materien sind unbeschadet ihrer rechtlichen Selbständigkeit233 durch § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO miteinander verknüpft, wonach die Aufrechnung unzulässig ist, wenn ein Insolvenzgläubiger diese Möglichkeit durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Eine durch Aufrechnung herbeigeführte Befriedigung konnte schon unter der Konkursordnung als kongruente Deckung gem. § 30 Nr. 1 Fall 2 KO (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO) angefochten werden, wenn die Voraussetzungen für die Aufrechnung in anfechtbarer Weise geschaffen worden waren.234 Voraussetzung war nach der prägnanten Faustformel des seinerzeit für das Insolvenzrecht zuständigen VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, dass der Anfechtungsgegner sich in Kenntnis der Krise zum Schuldner des späteren Gemeinschuldners gemacht oder eine Sicherheit erlangt hat.235 War die Aufrechnungslage schon vor Aus229 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 30 m.w.N. 230 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 30 mit BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, WM 2008, 222 (223) Rz. 9. 231 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 30 mit BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, WM 2008, 222 (223) Rz. 9. 232 Vgl. BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 24/04, ZIP 2005, 992 m. Anm. Gerhardt, EWiR 2005, 545. Siehe dazu Rz. O116b. 233 Vgl. BGH v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1 (3); BGH v. 3.3.2016 – IX ZR 132/15, BGHZ 209, 173 Rz. 23, 26; bereits zur Konkursanfechtung BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, BGHZ 58, 108 (113); v. 22.12.1982 – VIII ZR 214/81, BGHZ 86, 190 (194); v. 14.12.1983 – VIII ZR 352/82, BGHZ 89, 189 (192). 234 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, BGHZ 58, 108 (113); v. 22.12.1982 – VIII ZR 214/81, BGHZ 86, 190 (194); v. 14.12.1983 – VIII ZR 352/82, BGHZ 89, 189 (193). 235 BGH v. 14.12.1983 – VIII ZR 352/82, BGHZ 89, 189 (193). Wagner

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O Rz. 42

§ 142 InsO – Bargeschft

bruch der Krise geschaffen worden, weil die Hauptforderung bereits mit dem zeitlich früher liegenden Vertragsschluss entstanden war, wie etwa ein Vergütungsanspruch des späteren Schuldners mit dem früher erfolgten Abschluss des Werkvertrags, schied eine Anfechtung der Aufrechnung dagegen grundsätzlich aus.236 O 42a Nach den §§ 94 ff., 129 ff. InsO gilt, von der Frage des Werthaltigmachens237 der Hauptforderung abgesehen, im Wesentlichen dasselbe, allerdings mit der rechtstechnischen Besonderheit, dass die Unzulässigkeit einer Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine gesonderte Anfechtung erübrigt, d.h. dass die Anfechtungsvoraussetzungen nunmehr incidenter im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu prüfen sind und gegebenenfalls unmittelbar (ipso iure) zur Unwirksamkeit der Aufrechnung führen; der Insolvenzverwalter kann die Hauptforderung für die Masse einklagen und den Aufrechnungseinwand mit der Gegeneinrede der Anfechtbarkeit abwehren.238 Dabei kann sich die Frage der Anwendbarkeit des Bargeschäftsprivilegs dann stellen, wenn die Aufrechnungslage nach Maßgabe des § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar herbeigeführt worden ist,239 wenn also nach h.M. § 142 InsO nicht von vornherein wegen inkongruenter Deckung ausscheidet.240 Die gegebenenfalls als Deckungshandlung – in Form der Sicherung einer Insolvenzforderung (erst die Anfechtungserklärung führt zur Befriedigung, vgl. §§ 387, 389 BGB) – anfechtbare Herstellung der Aufrechnungslage ist inkongruent und daher grundsätzlich nach § 131 Abs. 1 InsO anfechtbar, wenn der Aufrechnungsgläubiger keinen Anspruch auf den Erwerb der Aufrechnungsmöglichkeit hatte, wobei die Aufrechnungslage inkongruent erlangt ist, wenn sich die Auf- oder Verrechnungsbefugnis nicht aus dem zwischen den Parteien zuerst geschlossenen Rechtsgeschäft bzw. zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt.241 236 So im Fall BGH v. 14.12.1983 – VIII ZR 352/82, BGHZ 89, 189 (193). 237 Dazu BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 = ZIP 2010, 682 Tz. 13; BGH v. 11.6.2015 – IX ZR 110/13, WM 2015, 1384 = ZInsO 2015, 1497 = ZIP 2015, 1398 Tz. 16 ff., jeweils m.w.N. 238 Dazu BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158 Rz. 16 m.w.N. Vgl. im Einzelnen Rz. C24 ff. 239 Wie etwa im Fall BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, GmbHR 2011, 769 m. Anm. Blöse = WM 2011, 1085 = NZI 2011, 536 = ZIP 2011, 1111 Tz. 13 mit BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, WM 2005, 319, (320), wonach ein Anspruch der Bank, Gutschriften mit dem Saldo eines debitorisch geführten Girokontos zu verrechnen und insoweit ihre eigene Forderung zu befriedigen, immer dann besteht, wenn sie zum jeweiligen Zeitpunkt der Verrechnung Rückzahlung des Kredits verlangen kann. Handelt es sich – wie im entschiedenen Fall – um eine lediglich geduldete Überziehung ohne vertragliche Grundlage, die dem Kunden kein Recht zur Inanspruchnahme der Kreditsumme gibt, kann die Bank Rückzahlung verlangen, ohne zuvor kündigen zu müssen. In casu scheiterte die Anfechtung möglicherweise an fehlender Kenntnis der Gläubigerin/Anfechtungsgegnerin von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin, nicht aber am – zu Recht gar nicht erwogenen – Bargeschäftseinwand, s. dazu unten Rz. O43. 240 Vgl. zur Konkursanfechtung BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, BGHZ 58, 108 (113); v. 22.12.1982 – VIII ZR 214/81, BGHZ 86, 190 (194); zur Insolvenzanfechtung ausführlich Rz. C26 ff. 241 Vgl. BGH v. 12.3.2015 – IX ZR 5/13, juris-Rz. 9 mit BGH v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03, NZI 2006, 345 Rz. 14; ebenso BSG v. 31.5.2016 – B 1 KR 38/15 R, SozR 4-7912 § 96

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 43 O

In seinem Grundsatzurteil vom 31.5.2016 hat das Bundessozialgericht – der O 42b herrschenden Auslegung des § 131 Abs. 1 InsO folgend, wonach die Herstellung einer Aufrechnungslage inkongruent ist, soweit die Aufrechnungsbefugnis sich nicht aus dem zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zuerst entstandenen Rechtsverhältnis ergibt – angenommen, die vom Insolvenzverwalter auf Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verklagte Krankenkasse habe keinen Anspruch auf Verschaffung der Gelegenheit gehabt, ihren Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge im Wege der Aufrechnung gegen den Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung aus § 1 Abs. 1 AAG durch Aufrechnung zu decken.242 Den Bargeschäftseinwand der beklagten Krankenkasse hat es schlicht mit der Begründung zurückgewiesen, dieser sei bei inkongruenter Deckung ausgeschlossen, weil es an der für ein Bargeschäft erforderlichen Vereinbarung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner über die beiderseits zu erbringenden Leistungen fehle.243 Das für die Annahme eines Bargeschäfts unverzichtbare Erfordernis einer gleich- O 43 wertigen Gegenleistung, mithin dass die Leistung des anderen Teils (Gegenleistung) tatsächlich in das Aktivvermögen des Schuldners gelangt sein muss, schließt jedoch grundsätzlich aus, auch eine Aufrechnung des anderen Teils mit einer Gegenforderung als anfechtungshindernde Gegenleistung im Sinne von § 142 InsO anzuerkennen. Ebenso wenig wie eine bloße Verringerung der Verbindlichkeiten des Schuldners durch Erlöschen der befriedigten Forderung (vgl. Rz. O33) genügt die Aufrechnung oder Verrechnung mit einem schon bestehenden Anspruch gegen einen neuen Anspruch des Schuldners als Gegenleistung.244 Das Bargeschäft setzt voraus, dass die Leistung des anderen Teils tatsächlich in das Aktivvermögen des Schuldners gelangt ist. Daher reicht – ebenso wenig wie eine bloße Verringerung der Verbindlichkeiten durch Erlöschen der befriedigten Forderung – die Aufrechnung oder Verrechnung mit einem schon bestehenden Anspruch gegen einen neuen Anspruch des Schuldners als Gegenleistung nicht aus.245

242 243 244 245

Nr. 1 = ZInsO 2016, 1853 = ZIP 2016, 2488 Rz. 28 m.w.N. sowie dazu, dass die Aufrechnung die übrigen Insolvenzgläubiger schon deshalb objektiv benachteiligt (§ 129 Abs. 1 InsO), weil die Forderung der Masse im Umfang der Aufrechnung zur Befriedigung der Forderung eines einzelnen Insolvenzgläubigers verbraucht wird (juris-Rz. 10 mit BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233, (238), wobei bereits die Herstellung der Aufrechnungslage gläubigerbenachteiligend ist (mit BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 Rz. 12). BSG v. 31.5.2016 – B 1 KR 38/15 R, SozR 4-7912 § 96 Nr. 1 = ZInsO 2016, 1853 = ZIP 2016, 2488 Rz. 28 m.w.N. BSG v. 31.5.2016 – B 1 KR 38/15 R, SozR 4-7912 § 96 Nr. 1 = ZInsO 2016, 1853 = ZIP 2016, 2488 Rz. 29 m.w.N. BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 = ZIP 2010, 682 Tz. 36 mit insoweit unzutreffendem Verweis auf BGHZ 174, 297 (311), wo es um die Auffüllung einer Globalzession ging. BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 = ZIP 2010, 682 Tz. 36 m.w.N. Hiervon zu unterscheiden ist die Verrechnung im ungekündigten Kontokorrent, die ein echtes Bargeschäft darstellt, vgl. Kayser, Festschrift für G. Fischer, 2008, 257, 275 ff.; s. ausführlich Rz. O136 ff. Wagner

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O Rz. 44

§ 142 InsO – Bargeschft

O 44 Bereits in seinem als Panzerbrücken-Fall bekannt gewordenen Urteil vom 14.12.1983 hatte der Bundesgerichtshof eine für die Deckungsanfechtung nach § 30 Nr. 1 Fall 2 KO ausreichende (mittelbare) Benachteiligung der Konkursgläubiger darin gesehen, dass der erfolgten Weggabe von Vermögenswerten des Gemeinschuldners im wirtschaftlichen Ergebnis nicht der Werklohn, sondern eine durch wirksame Aufrechnung des Bestellers erfolgte Tilgung einer (potentiellen) Konkursforderung gegenüberstand. Die Entscheidung wäre anders ausgefallen, wenn der Schuldnerin für die Lieferung der Panzerbrücken der vereinbarte Werklohn tatsächlich zugeflossen wäre.246 d) Keine erweiternde Auslegung des § 142 InsO O 45 Der Bundesgerichtshof ist in jüngerer Zeit im Anschluss an die Darlegungen von Kayser247 wiederholt einer erweiternden Auslegung des § 142 InsO entgegengetreten. So auch in dem erwähnten Tankstellenbetreiber-Fall (oben Rz. O36). Zur Begründung verweist der Gerichtshof auf den methodischen Grundsatz singularia non sunt extendenda.248 Die Vorschrift des § 142 InsO stelle eine Ausnahmeregelung dar, weil sie an sich anfechtbare Vorgänge unter den Voraussetzungen eines Bargeschäfts der Anfechtung entzieht. Für eine erweiternde Auslegung einer Ausnahmevorschrift sei jedoch kein Raum.249 Diese Begründung trägt jedoch keinen Auslegungsverzicht. Zum einen sind gesetzliche Ausnahmeregelungen wegen ihres Ausnahmecharakters keineswegs generell einer teleologischen Interpretation entzogen. Eine erweiternde oder gar analoge Anwendung hängt vielmehr von den allgemeinen methodischen Voraussetzungen, nicht zuletzt von Sinn und Zweck der Ausnahmebestimmung ab.250 Dies gilt für das Bargeschäftsprivileg im Besonderen, da sich die Funktion des § 142 InsO 246 BGH v. 14.12.1983 – VIII ZR 352/82, BGHZ 89, 189 (195 lit. bb.); vgl. dazu Rz. C34 ff. 247 Dezidiert gegen Aufweichungstendenzen, insbesondere gegen „weichere Regeln“, eine „Bargeschäftslage mit ‚fließenden Grenzen’“ oder bargeschäftsähnliche Rechtshandlungen Kayser, FS G. Fischer, 2008, 257, 275 ff. anders bei Verrechnungen im Kontokorrent, s. dazu ausführlich Rz. O136 ff.; ferner Kayser, ZIP 1997, 49 ff. zu Sanierungsleistungen, Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen durch Arbeitgeber. Vgl. auch K. Schmidt/Ganter-Weinland (19. Aufl.) § 142 Rn. 54, die in der Erstreckung des § 142 InsO auf die Vorsatzanfechtung durch den RegE vom 29.9.2014 gleichsam eine Perfektion der in der Rechtsprechung geschaffenen „Aufweichung“ des Grundsatzes (scil.: keine Bargeschäftsausnahme bei vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung) in Gestalt der bargeschäftsähnlichen Handlung sehen. 248 S. dazu D. Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, 5. Aufl., Rz. S 40; zur methodischen Frage s. etwa MK-BGB/Säcker, Einl. Rz. 112 ff. 249 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 36 unter Berufung auf Kayser, ZIP 2007, 49 (50) im Anschluss an BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (313) Rz. 43. Vgl. für das überwiegende Schrifttum Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 42 ff., 46 und öfter m.w.N. auch zur Gegenansicht. 250 Vgl. etwa BGHZ 26, 78 (83); 79, 163 (168); BGH v. 9.7.2008 – VIII ZR 280/07, NJW 2008, 2773 Tz. 12 zu § 566 BGB; v. 25.9.2009 – V ZR 36/09, NJW 2009, 3644 Tz. 16 zu § 556 Abs. 3 BGB; v. 11.8.2010 – XII ZR 60/08, FamRZ 2010, 1723 Tz. 26 zu § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG; grundsätzlich Schneider, Logik für Juristen, 5. Aufl., § 34 a.E. mit Heck, AcP 112 (1914), 186 ff.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 47 O

nicht etwa in seiner unbestrittenen Ausnahmestellung im Verhältnis zu § 130 InsO erschöpft.251 Der Bundesgerichtshof tat daher gut daran, seine Entscheidung unabhängig von O 46 seiner restriktiven Haltung in der Methodenfrage abzusichern. Im Tankstellenbetreiberfall hat er ergänzend ausgeführt, das auf Zahlung an den Insolvenzverwalter verklagte Mineralölunternehmen könne nicht verlangen, rechtlich so gestellt zu werden, als hätte es die Kraftstoffe an die Schuldnerin verkauft, so dass diese sie in eigenem Namen und auf eigene Rechnung hätte weiter veräußern und den Kaufpreis im Rahmen eines Bargeschäfts i.S.d. § 142 InsO an das Unternehmen hätte entrichten können. Für eine derartige hypothetische Betrachtungsweise sei aber, so der Bundesgerichtshof, im Anfechtungsrecht kein Raum.252 Überdies habe das Mineralölunternehmen ausdrücklich eine abweichende rechtliche Gestaltung gewählt, die ihm infolge der Stellung der Schuldnerin als (Handels-)Vertreterin unmittelbar das Eigentum an den Erlösen verschafft habe. Die gewählte Vertragsgestaltung habe dem Unternehmen ermöglicht, ohne rechtliche Einbindung der Schuldnerin in die Geschäftsabwicklung unmittelbar auf die Erlöse zuzugreifen. Der Tatbestand eines Bargeschäfts sei aber definitiv nicht erfüllt, wenn „gerade der Übergang von Werten in das Vermögen der Schuldnerin verhindert werden sollte“; für eine Anwendung des § 142 InsO sei dann kein Raum. Vielmehr hätte das beklagte Mineralölunternehmen, so lautet die Quintessenz des Tankstellenurteils, in seinem eigenen Interesse dafür Sorge tragen müssen, dass sein an den Tageseinnahmen bestehendes Aussonderungsrecht nicht durch eine Weiterleitung der in seinem Eigentum stehenden Gelder über das allgemeine Geschäftskonto der Schuldnerin untergeht.253 Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Siche- O 47 rungs-Globalzession lapidar festgestellt, ein ausreichender Schutz des Sicherungsnehmers sei dadurch gewährleistet, dass die Anfechtung zukünftiger Forderungen nur unter den Voraussetzungen des § 130 InsO Erfolg habe.254 Die damit eingetretene Gefahr einer bloßen Scheinbegründung (petitio principii) tritt freilich hinter das selbst von betroffener Seite konsentierte Ergebnis zurück. In seinem Urteil vom 17.3.2011 hat der IX. Zivilsenat seine Rechtsprechung zur Sicherungszession durch Globalzessionsverträge als kongruente Sicherheit bestätigt und auf den verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt erstreckt.255 Für die Anwendung der Bargeschäftsausnahme sieht er auch in diesem Zusammenhang allerdings zu Recht keinen Raum. Bei diesen Sicherungsformen, insbesondere beim erweiterten Eigentumsvorbehalt, fehlt es nach zutreffender Ansicht des Bundesgerichtshofs sowohl an der Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs als auch an der Gleichwertigkeit der erbrachten Gegenleistung.256 Der hierin 251 252 253 254 255 256

Zustimmend Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 12. BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 35 m.w.N. BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3581) Tz. 36. BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (312) Rz. 43. BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 (9) Rz. 36 ff. BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 (1759) = WM 2015, 1591 = ZInsO 2015, 628 = ZIP 2015, 585 Tz. 24. Bestätigt für den Fall eines sog. Kontokorrentvorbehalts im Zusammenhang mit § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO durch BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 32. Siehe dazu Rz. O129a. Wagner

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O Rz. 47

§ 142 InsO – Bargeschft

liegende Zielkonflikt ist offenbar.257 Eine vorzeitige Kündigung von zur Betriebsfortführung notwendigen Krediten im Hinblick auf eine frühzeitige (vermeintlich) geregelte Sanierung gem. § 1 Abs. 1 Alt. 2 InsO wird bewusst in Kauf genommen.258 Etwa bestehende Chancen des Kreditnehmers, seine wirtschaftliche Krise durch weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr zu überwinden, werden so entgegen dem Rechtsgedanken des § 142 InsO regelmäßig vereitelt, zumal Kreditgeber sich selten in der Lage sehen, (wenngleich insolvenzfest) neuen Kredit – gegen dann insolvenzfeste Sicherheit – auszureichen,259 also gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen, wenn sie mit dem bereits gegebenen allenfalls Aussicht auf die Insolvenzquote haben. Die Beurteilung der Kreditwürdigkeit ihrer Sicherungsgeber ist Sache der Sicherungsnehmer (Waren- oder Geldkreditgeber), die Auslegung des § 142 InsO sollte sich ihr gegenüber zumindest neutral verhalten. Demgegenüber ist die Insolvenzanfechtung nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts in der Regel ausgeschlossen, wenn erst die Freigabe einer zugunsten des Zahlungsempfängers an einem Bankguthaben des Schuldners bestellten Sicherheit dessen Verfügung über das Guthaben ermöglicht; in diesem Fall stellt die alsbaldige Zahlung des Schuldners nach Freigabe ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO dar.260 O 48 Beim AGB-Pfandrecht der Banken und Sparkassen scheidet der Bargeschäftseinwand dagegen von vornherein aus, weil es sich bei diesem um eine inkongruente Sicherheit handele, auf die § 142 InsO nach herrschender Auslegung nicht anwendbar ist (s. Rz. O9 ff., O57 ff.). In seinem Grundsatzurteil vom 7.3.2002 (BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 233/01, BGHZ 150, 122) hatte der Bundesgerichtshof dazu klargestellt, dass ein auf Nr. 14 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken (Nr. 21 Abs. 1 AGBSparkassen) gestütztes Pfandrecht der Bank an dem Anspruch ihrer Kundin aus den Gutschriften aufgrund von Zahlungseingängen (hinsichtlich der Eingänge im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag) ohne weiteres gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO als inkongruente Sicherung anfechtbar sei.261 Der IX. Zivilsenat hat seine Auffassung (betreffend die Sicherheiten nach Nr. 13 bis 15 AGB-Banken) in seiner Grundsatzentscheidung vom 17.3.2011 als Kontrast zur Rechtslage bei Globalzessionsverträgen (s. Rz. O47) dahin zusammengefasst, dass nur solche Vereinbarungen die insolvenzrechtliche Kongruenz herstellen können, welche auf bestimmte, sogleich wenigstens identifizierbare Gegenstände gerichtet sind. Absprachen, die es dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen, welche konkreten Sicherheiten erfasst werden, sind grundsätzlich nicht geeignet, die Besserstellung einzelner Gläubiger in der Insolvenz zu rechtfertigen.262 257 Vgl. zur Globalzession zutreffend bereits Cranshaw, DZWIR 2008, 221 (231); Jacoby, ZIP 2008, 385 (389 f.); auch de lege ferenda Hirte, Festschrift für Hopt, 2010, S. 141 ff. Vgl. auch Ganter, NZI 2011, 551 (553 f.); unklar de lege lata Braun/Riggert, § 142 Rz. 15. 258 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 (9) Rz. 36 ff. 259 So das Fazit von Gehrlein, ZInsO 2010, 1857 (1866). 260 BAG v. 21.2.2008 – 6 AZR 273/07, BAGE 126, 89 = ZIP 2008, 1184. 261 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (125 f.) zur Verrechnung im Kontokorrent, s. Rz. O136 ff., O225. 262 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 (9) = NJW 2011, 1506 (1508) Tz. 35 m.w.N.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 50a O

Bemerkenswert ist auch das zum Frachtführerpfandrecht ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.4.2005, das zu dem anfechtungsrechtlichen Problemkreis der Mehrpersonenverhältnisse gehört. Eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger über die Ablösung eines Pfandrechts des Gläubigers an einem Gegenstand des Schuldners durch Zahlung eines anderen Gläubigers kann als unanfechtbares Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO anzusehen sein.263 4. Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung a) Tatbestandsmerkmal „für die“ Leistung des Schuldners § 142 InsO kommt nach der Begründung des Regierungsentwurfs vom 15.4.1992 O 49 nur zur Anwendung, wenn Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft sind. Das werde durch die Worte „für die“ zum Ausdruck gebracht.264 Der Gesetzeswortlaut ist aber keineswegs eindeutig und deshalb nicht zwingend im Sinne der herrschenden Auslegung zu verstehen. Die Wendung „für die“ Leistung des Schuldners bezeichnet die Leistung des Schuldners allein als Grund für die Gegenleistung des anderen Teils, sie besagt aber nichts über die Art ihrer Rechtsgrundlage und auch nichts über die Qualität ihrer Verknüpfung. Gleichwohl wird sie der gesetzgeberischen Absicht entsprechend in herrschender Lesart als rechtsgeschäftliche Verbindung von Leistung und Gegenleistung interpretiert.265 aa) Rechtsgeschäftlicher Zusammenhang Die Annahme eines Bargeschäfts setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bun- O 50 desgerichtshofs und herrschender Lehre eine rechtsgeschäftliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung voraus.266 Dies folgt bereits aus den gesetzgeberischen Motiven zu § 142 InsO. Danach muss die konditionale oder funktionale Verknüpfung durch eine Parteivereinbarung hergestellt worden sein, mithin durch eine vertragliche Übereinkunft der Beteiligten (vgl. Rz. O1). Zwar könnte auf den ersten Blick bereits der Ausdruck „Gegenleistung“ für das Erfordernis eines gegenseitigen Vertrages sprechen. Dafür könnte auch das Regelungsziel, den Schuldner auch in kritischer Zeit nicht vom Geschäftsverkehr auszuschließen, angeführt werden. Aber weder der Ausdruck „Gegenleistung“ noch die Worte „für die“ beschränken die Anwendung der Vorschrift auf einen derart engen synallagmatischen Zusammenhang der beiderseitigen Leistungen. Nach h.M. ist die Abführung von Lohnsteuer und anderer öffentlicher Abgaben O 50a durch den Arbeitgeber nicht Teil eines Bargeschäfts, weil dies nicht aufgrund 263 Vgl. zum Frachtführerpfandrecht BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 24/04, ZIP 2005, 992 m. Anm. Gerhardt, EWiR 2005, 545. 264 BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161. 265 Vgl. eingehend zum Meinungsstand Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 49 ff. m.z.N. 266 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (312) Rz. 42; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 142 Rz. 22; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rz. 7; Kayser/Thole, § 142 Rn. 4 f. Zweifelnd dagegen auch Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 28: nicht zwingend. Wagner

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O Rz. 50a

§ 142 InsO – Bargeschft

einer privatgeschäftlichen Vereinbarung, etwa des Arbeitsvertrages, sondern aufgrund gesetzlicher Verpflichtung erfolgt.267 Wäre in der Insolvenz des Arbeitgebers maßgeblich auf dessen Rechtsverhältnis zur Sozial- oder Finanzkasse abzustellen, so würde richtigerweise bereits eine Gegenleistung des Fiskus fehlen, so dass sich die Frage der Verknüpfung gar nicht stellte (s. aber Rz. O123b ff., O221). Eine Ausnahme von diesem allgemein als unverzichtbar behandelten Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung hält der Bundesgerichtshof bei der Vergütung vorläufiger Insolvenzverwalter in nicht eröffneten Verfahren für erwägenswert (s. Rz. O75, O191). In dogmatischer Hinsicht bemerkenswert ist seine Begründung mit dem Wortlaut des § 142 InsO, der lediglich darauf abstelle, ob für die Leistung des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist.268 In der Sache ist ihm aber zuzustimmen, obwohl der Gesetzeswortlaut diese Einschränkung nicht fordert (s. Rz. O49) und der Gesetzgeber vermutlich den praktischen Regelfall vor Augen hatte, ohne nichtvertragliche Verknüpfungen gleichwertiger Gegenleistungen (bewusst) auszuschließen. O 51 Unzweifelhaft ist ein rechtsgeschäftlicher Zusammenhang beim Austausch von Leistung und Gegenleistung aufgrund eines gegenseitigen Vertrages gegeben. Das trifft idealtypisch auf Kauf-, Miet- und Werkverträge zu, aber auch auf Arbeits-, Dienst- und Geschäftsbesorgungsverträge.269 § 142 InsO setzt bei länger dauernden Vertragsbeziehungen allerdings voraus, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden.270 So ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei zeitnaher Zahlung von Miet- oder Pachtzinsen ein Bargeschäft gegeben.271 Bei länger währenden Vertragsbeziehungen liegt in Anlehnung an § 286 Abs. 3 BGB ein Baraustausch vor, wenn Leistung und Gegenleistung jeweils binnen eines Zeitraums von 30 Tagen abgewickelt werden.272

267 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (360); Kayser/Thole, § 142 Rn. 4 f.; Gehrlein, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rz. 8; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 25: mangels Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Fiskus; s. dazu Rz. O213 ff. 268 BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) = ZIP 2012, 333 (335) Rz. 22. 269 Vgl. OLG Köln v. 17.12.2003 – 2 U 87/03, OLGR 2004, 276 = juris-Rz. 44 zu Telekommunikationsleistungen aufgrund einer Zusammenschaltungsvereinbarung zweier Festnetzbetreiber: das OLG lehnte einen Anfechtungsausschluss nach § 142 InsO insoweit ab, als es für Vorleistungen der Schuldnerin aufgrund einstweiliger Verfügung an der konstitutiven Verknüpfung durch Parteivereinbarung fehlte. 270 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (83 f.) Rz. 43. Siehe Rz. O108 ff. 271 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44 mit BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 (370). Zur Bemessung s. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann = ZIP 2015, 581 Rz. 71 mit BGHZ 202, 59 Rz. 31 (binnen 30 Tagen nach Fälligkeit); s. dazu unten Rz. O83 ff. 272 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 71 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann mit BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 = WM 2014, 1488 = ZIP 2014, 1491 Rz. 31 ff. Siehe dazu Rz. O83 ff., O105 ff., O165 ff.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 53 O

Der Anwendungsbereich des § 142 InsO ist aber keineswegs auf Austauschver- O 52 träge im Sinne der §§ 320 ff. BGB beschränkt. Vielmehr können unter die Bargeschäftsausnahme nach zutreffender, bereits auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückführbarer herrschender Ansicht auch Kreditgewährungen gegen Sicherheit, insbesondere bei grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen, fallen. Die notwendige rechtsgeschäftliche Verknüpfung besteht dabei in einer sog. Sicherungsabrede, dem jeweiligen Sicherungsvertrag.273 Desgleichen bei Verrechnungen aufgrund einer Kontokorrentabrede.274 Dass die Vereinbarung im Deckungs- oder im Valutaverhältnis Teil eines Mehrpersonenverhältnisses ist, steht ebenso wenig entgegen, wie beim Vertrag zugunsten Dritter.275 Dementsprechend kann die für § 142 InsO notwendige Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung auch auf Vereinbarungen im Rahmen der Konzernfinanzierung sowie der Durchführung des Leistungs- und Zahlungsverkehrs im Konzern beruhen.276 Erfolgt der Leistungsaustausch aufgrund von Vereinbarungen in einem Dreiecksverhältnis, so kommt es für die Annahme eines Bargeschäfts darauf an, ob die vom Schuldner im Deckungsverhältnis erbrachte Leistung und die an ihn von dem Dritten erbrachte Gegenleistung wirtschaftlich gleichwertig sind.277 Dies gilt nach Ansicht des Kammergerichts auch dann, wenn auf Kreditnehmerseite mehrere Personen (Konzernunternehmen) stehen, von denen die eine den Kredit vorzeitig zurückführt, während die andere ihn weiter in Anspruch nimmt. Ein Bargeschäft liege gegebenenfalls nur vor, wenn der den Kredit vorzeitig zurückführende spätere Insolvenzschuldner von dem den Kredit weiter in Anspruch nehmenden Mitschuldner vereinbarungsgemäß eine wirtschaftlich gleichwertige Gegenleistung für die Rückführung des Kredits erhält. Ein bloßes wirtschaftliches Eigeninteresse des Insolvenzschuldners an der Kreditinanspruchnahme durch den Dritten reiche insoweit nicht aus.278 bb) Wirtschaftlicher Zusammenhang Ein lediglich wirtschaftlicher Zusammenhang genügt nach herrschender Mei- O 53 nung dagegen nicht.279 Als Beispiel dafür nennt der Bundesgerichtshof das Ste273 Vgl. dazu allgemein Ganter in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. (2011), § 90 Rz. 173 ff., § 96 Rz. 24 ff.; zur Bestellung von Sicherheiten im Besonderen s. Rz. O153 ff., O230 ff. 274 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (130); MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 5 m.w.N. 275 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 5, 9a m.w.N. 276 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 9a; zur Verrechnung Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511 (1517 f.) einerseits, Obermüller, FS Kirchhof, 2003, 355 (358 ff.) andererseits, jew. m.w.N. Vgl. Rz. O235. 277 KG v. 15.11.2010 – 24 U 103/09, WM 2011, 1184 = ZIP 2011, 535 Tz. 43 mit MK-InsO/ Kirchhof, § 142 Rz. 5 und 9a; FK-InsO/Dauernheim, § 142 Rz. 2. Ablehnend zur Frage einer konzernweiten Ausdehnung des § 142 InsO Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511 (1517 f.). 278 KG v. 15.11.2010 – 24 U 103/09, WM 2011, 1184 = ZIP 2011, 535 Tz. 43 m.w.N. Zum Vorrang der Deckungsanfechtung des Forderungsschuldners vor der Schenkungsanfechtung des Zuwendenden bei Drittleistung und Wertlosigkeit der Forderung des Zuwendungsempfängers s. BGH v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, WM 2010, 2283 Tz. 12 mit BGHZ 174, 228 (239 ff.). 279 Zweifelnd auch Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 28. Wagner

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O Rz. 53

§ 142 InsO – Bargeschft

henlassen einer Forderung, insbesondere einer ungekündigten, aber kündbaren Darlehensforderung.280 Zwingend ist jedoch auch das nicht. Denn der Fortbestand eines Schuldverhältnisses (i.e.S.) kann als Verzicht auf die Ausübung eines Gestaltungsrechts des Gläubigers durchaus rechtliche Qualität haben. Das gilt erst recht, wenn das Schuldverhältnis mangels Vereinbarung über dessen Fortbestand beendet ist, wie etwa bei Annuitätendarlehen, wenn keine Umschuldungsvereinbarung zustande kommt, oder in Fällen der sog. unechten Abschnittsfinanzierung. Dabei handelt es sich um Kredite, bei denen dem Verbraucher ein langfristiges Kapitalnutzungsrecht eingeräumt, die Zinsvereinbarung jedoch nicht für den gesamten Zeitraum, sondern zunächst nur für eine bestimmte Festzinsperiode getroffen wird; das Darlehen wird in solchen Fällen zum Ende eines Finanzierungsabschnitts nicht ohne weiteres fällig, sondern nur dann, wenn der Darlehensnehmer der vom Kreditinstitut vereinbarungsgemäß vorgeschlagenen Änderung der Konditionen widerspricht.281 O 54 Im Zusammenhang mit Verrechnungen im Kontokorrent: In seinem zur Verrechnung von Gutschriften im Kontokorrent ergangenen Grundsatzurteil vom 7.3.2002 hat der Bundesgerichtshof angenommen, die Verrechnung der Gutschriften und die erneuten Auszahlungen auf debitorischer Basis seien aufgrund der Kontokorrentabrede, also vertragsgemäß und in kongruenter Weise erfolgt. Zwar hatte die beklagte Bank die Kreditgewährung bis zur festgesetzten Obergrenze angeboten oder schuldrechtlich vereinbart; dennoch sei sogar die Erfüllung eines Zahlungsversprechens eine gesonderte Leistung im anfechtungsrechtlichen Sinne. Der Senat hatte bereits entschieden, dass eine besondere, zweiseitige Absprache über jede einzelne Gut- oder Lastschrift nicht erforderlich ist.282 O 55 Im Zusammenhang mit der Sicherungs-Globalzession: Die von § 142 InsO vorausgesetzte rechtsgeschäftliche Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung ist hier nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der ausscheidenden und der hinzukommenden Forderungen nicht gegeben; denn der Erwerb neuer Forderungen erfolgt bei der Globalzession unabhängig davon, was aus den dem Schuldner zur Einziehung überlassenen Forderungen geworden, insbesondere welcher Wert ihm daraus zugeflossen ist. Damit fehle es insoweit schon im Ansatz an einer auf einen gleichwertigen Leistungsaustausch ausgerichteten vertraglichen Vereinbarung.283 Diese Begründung überzeugt jedoch nicht. Rechtsgrundlage für die Einbeziehung neuer Kundenforderungen ist die der Globalzession zugrundeliegende Sicherungsabrede; diese genügt als rechtsgeschäftliche Verknüpfung im Sinne des „für die“ gemäß § 142 InsO (vgl. Rz. O49) und sollte einer atomisierenden anfechtungsrechtlichen Sonderbeurteilung widerstehen.

280 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (311) Rz. 41; v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 = ZIP 2009, 1122 (1123) Rz. 12 zu § 134 InsO m. Anm. Henkel, EWiR 2009, 487; Bograkos, DZWIR 2009, 462 f. 281 Vgl. z.B. BGH v. 1.3.2011 – XI ZR 135/10, WM 2011, 656 Tz. 17; v. 28.5.2013 – XI ZR 6/12, WM 2013, 1314 = ZIP 2013, 1372 Tz. 22 m.w.N. 282 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (130). 283 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (312) Rz. 42.

868 Wagner

II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 57 O

cc) Unentgeltliche Leistungen Ob auch unentgeltliche Leistungen des Schuldners § 142 InsO unterfallen kön- O 56 nen, ist strittig, aber nach zutreffender Ansicht unter bestimmten Voraussetzungen zu bejahen.284 Die Frage stellt gewissermaßen die Nagelprobe für die Tauglichkeit des eigenen systematischen Verständnisses der Insolvenzanfechtung im Allgemeinen, des Bargeschäftsprivilegs im Besonderen dar. Klarheit gewinnt, wer zwischen dem der Leistung des Schuldners zugrunde liegenden Rechtsgeschäft und dem der Gegenleistung des anderen Teils sowie ihrer Verknüpfung unterscheidet und dabei die höchstrichterliche Erkenntnis beherzigt, für die Kongruenzbeurteilung spiele der Bargeschäftseinwand keine Rolle.285 Daraus folgt jedoch entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs keine bestimmte Prüfungsreihenfolge, sondern lediglich die weitere Erkenntnis, dass Anfechtungsgrund und Einwendungstatbestand gesondert zu prüfen sind. Der Tatrichter ist daher nicht gehindert, zunächst den Bargeschäftseinwand zu prüfen. Dies kann zweckmäßig sein, weil sich dadurch gegebenenfalls eine aufwendige oder schwierige Prüfung des Anfechtungstatbestandes erübrigt.286 Dies gilt jedenfalls nach der hier vertretenen Auffassung, dass § 142 InsO auch in Fällen inkongruenter Deckung des § 131 InsO anwendbar sein kann.287 b) Anwendbarkeit bei inkongruenter Deckung? Auf die Streitfrage ob ein Bargeschäft im Rahmen des § 131 InsO erheblich ist, O 57 kommt es nur an, wenn überhaupt eine inkongruente Deckung vorliegt. So stellt die Hingabe von Kundenschecks – anders als die eigener Schecks – regelmäßig, d.h. ohne entsprechende Vereinbarung, eine inkongruente Erfüllungshandlung dar.288 Aufschlussreich ist hierzu das BGH-Urteil vom 21.12.1977 (BGHZ 70, 177). Dort hatte die kontoführende Bank (Anfechtungsgegnerin) einen Anspruch auf Ausgleich des Kontos bzw. auf Zahlung, soweit der gewährte Barkredit überschritten war. Aufgrund der Inkassovereinbarung mit dem späteren Schuldner war sie zur Hereinnahme von Lastschriften statt Barzahlung verpflichtet. Der Schuldner hatte also eine Ersetzungsbefugnis. In diesem Fall erlangt die Bank durch die Gutschrift der eingezogenen Lastschriftbeträge keine Sicherung oder Befriedigung, die sie nicht oder nicht in der Art oder in der Zeit zu beanspruchen hatte. Darf sich ein Schuldner durch eine andere Leistung als die geschuldete von seiner Schuld befreien (facultas alternativa), so fehlt es an

284 Vgl. oben Rz. O17, O20. Wie hier Kübler/Prütting/Paulus, § 142 Rz. 12. Dezidiert a.A. etwa Lwowski/Wunderlich, FS Kirchhof, S. 302; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 4 m.w.N. zum Streitstand. 285 Vgl. dazu BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, NZI 2011, 675 = WM 2011, 1523 = ZIP 2011, 1576 (1577) Tz. 8. Vgl. bereits oben Rz. O9 f. 286 So etwa in der Entscheidung BAG v. 6.10.2010 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = ZIP 2011, 2366 (2367). 287 Auch unabhängig davon in Fällen der Verrechnung im ungekündigten Kontokorrent Wazlawik, DZWIR 2009, 418 unter I. Vgl. dazu Rz. O9, O135. 288 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (324) a.E.; v. 14.5.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 (136) Rz. 11; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 60 Rz. 309, 313. Wagner

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§ 142 InsO – Bargeschft

einer inkongruenten Deckung.289 So liegt es beispielsweise, wenn eine Bank verpflichtet ist, Kundenwechsel zur Abdeckung des Kontos hereinzunehmen. Bestand nämlich eine Verpflichtung des Gläubigers, Wechsel des Schuldners in Zahlung zu nehmen, so muss als eine Sicherung oder Befriedigung, die der Gläubiger zu beanspruchen hat, auch eine solche gelten, die durch die Hingabe von Wechseln erfolgt.290 Nicht anders ist es, wenn die beklagte Bank zur Gutschrift der einzuziehenden Forderungen verpflichtet war. Die strenge Behandlung des Gläubigers gemäß § 30 Nr. 2 KO (§ 131 InsO) ist dann nicht gerechtfertigt, weil er diese Leistung annehmen musste (vgl. § 137 InsO, s. Rz. J9).291 Daran ändert sich mangels abweichender Vereinbarung nichts, wenn die Bank mehrere Konten des Schuldners führt.292 aa) § 142 InsO erfasst nur kongruente Deckungen (heute h.M.) O 58 Ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und herrschender Lehre nur bei vereinbarungsgemäß erfolgten, also kongruenten Deckungshandlungen (Befriedigung oder Sicherung) möglich.293 Als Leitentscheidung dieser Ansicht gilt das sog. Kundenscheck-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.9.1993. Danach liegt eine Bardeckung selbst dann nicht vor, wenn der Gemeinschuldner eine zwar gleichwertige, aber andersartige Leistung erbringt als vereinbart.294 BGH-Urteil vom 30.9.1993 – BGHZ 123, 320 – Kundenschecks O 59 Der Kläger war Verwalter im Konkurs über das Vermögen der S. (Gemeinschuldnerin), die einen Großhandel mit Obst und Gemüse betrieb. Die Beklagte war im selben Gewerbe tätig und lieferte der S. Waren. Zur Tilgung der Kaufpreisforderungen übersandte die S. in der Zeit vom 1. bis 9.12.1988 acht bei dieser eingegangene Kundenschecks über insgesamt 74 000 DM an die Beklagte. Diese löste die Schecks ein. Am 19.12.1988 wurde gegen die Gemeinschuldnerin Konkursantrag gestellt. Das Konkursverfahren wurde am 23.3.1989 eröffnet. Mit der Klage verlangt der Kläger noch Erstattung des Betrages von 74 000 DM 289 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (183). 290 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (183) mit RGZ 71, 89 (90). 291 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (183 f.) m. Nachw. zur Kommentarliteratur. 292 Offen gelassen von BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (183 f.). 293 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (328 f.); v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (130); v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, NJW 2007, 2324 = ZIP 2007, 924 Tz. 22 (Sicherungsabtretung); v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZInsO 2010, 673 Tz. 29; v. 24.10.2011 – IX ZR 244/09, NZI 2011, 937 Rz. 15; v. 10.10.2013 – IX ZR 319/12, WM 2013, 2142 = ZInsO 2013, 2271 Rz. 30 m.w.N.; Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.40 mit Fn. 199; Gottwald/Huber, InsR-HdB, § 46 Rz. 78; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 5. Ebenso BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZIP 2014, 91 Tz. 37 ff.; BAG v. 3.7.2014 – 6 AZR 296/13, NZI 2014, 867 = ZInsO 2014, 2040 Tz. 16 m.w.N. 294 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 Leits.a. Ebenso für die mit der Scheckbegebung verbundene Sicherungsabtretung der zugrunde liegenden Forderung BGH v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, NJW 2007, 2324 = ZIP 2007, 924 Tz. 22. Vgl. ausf. zu dieser Entscheidung oben Rz. D73 ff.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 62 O

im Wege der Konkursanfechtung. Das Berufungsgericht hat die Klage, die in erster Instanz insoweit Erfolg hatte, abgewiesen. Das Berufungsgericht hatte ausgeführt, die Hingabe der Kundenschecks könne O 60 nicht nach § 31 Nr. 2 KO (§§ 133, 138 InsO) angefochten werden, weil der Kläger eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht dargetan habe; die Gemeinschuldnerin habe für die weggegebenen Schecks eine vollwertige Gegenleistung erhalten. Und eine Anfechtung gemäß § 30 Nr. 1 KO (§§ 130, 132 InsO) sei nicht möglich, weil der Kläger nichts für eine Zahlungseinstellung der späteren Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Scheckhingabe vorgetragen habe. Auch aufgrund des § 30 Nr. 2 KO (§ 131 InsO) scheide eine Anfechtung sogar insoweit aus, als die Beklagte noch am 9.12.1988 einen Scheck über 1109 DM erhalten habe. Zwar falle diese Leistung in die Zehntagesfrist vor Eingang des ersten Konkursantrags. Die Beklagte behaupte jedoch eine Bardeckung im Sinne eines aufeinander abgestimmten Leistungsaustauschs, bei dem die Befriedigung des Gläubigers vor oder bei Begründung seiner Forderung vereinbart sei. Die Entgelte für die Lieferung seien sofort fällig gewesen. Dass die Schecks kurz nach oder vor den Lieferungen übergeben worden seien, schade nicht, weil der zeitliche Abstand nicht 14 Tage erreicht habe. Damit liege zugleich eine kongruente Erfüllung vor. Das habe der Kläger nicht widerlegt. Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Der Kläger habe ein Anfechtungs- O 61 recht gemäß § 31 Nr. 1 KO (§ 133 InsO) schlüssig dargetan. Für dessen Tatbestand komme es nicht entscheidend auf die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Vorliegen eines Bargeschäfts an.295 Die Vorschrift sei nach allgemeiner Meinung schon bei Vorliegen einer nur mittelbaren Gläubigerbenachteiligung anzuwenden, setze also anders als § 30 Nr. 1 Fall 1 KO (§ 132 InsO) und § 31 Nr. 2 KO (§§ 133, 138 InsO) nicht voraus, dass die Benachteiligung gerade durch den Abschluss des Rechtsgeschäfts selbst eintritt. Vielmehr genüge es, wenn diese sich durch das Hinzukommen weiterer Umstände bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung verwirklicht.296 Da die Beklagte sowohl die Zahlungseinstellung der S. bis zum 9.12.1988 bestritten als auch eine Benachteiligungsabsicht und ihre eigene Kenntnis davon geleugnet hatte, mussten die hierfür erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden. Hinsichtlich des Schecks über 1109 DM, den die Beklagte am 9.12.1988 erhielt, kam eine Hingabe in kritischer Zeit (damals innerhalb der Zehntagesfrist des § 30 Nr. 2 KO, anders insoweit § 131 InsO) in Betracht, so dass es auf die Frage ankam, ob der von der Beklagten geltend gemachte Bargeschäftseinwand durchgreifen konnte. Nach Maßgabe der Monatsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO wären freilich alle (neun) streitgegenständlichen Schecks von dieser Frage betroffen. Das Oberlandesgericht München war im Anschluss an die seinerzeit herr- O 62 schende Meinung der Ansicht, § 30 Nr. 2 KO (§ 131 InsO) sei keinesfalls anzuwenden (vgl. unten bb); denn der Scheck sei im Wege einer Bardeckung gegeben 295 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (322 f.) unter Verweis auf § 161 i.V.m. § 148 Abs. 1 E-InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 32, 35. 296 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (322 f.). Wagner

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O Rz. 62

§ 142 InsO – Bargeschft

worden. Dem ist der Bundesgerichtshof nunmehr entgegengetreten. Für die Neuverhandlung hat er unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs vom 15.4.1992 darauf hingewiesen, durch die Worte „für die“ werde ausgedrückt, dass eine Bardeckung nur vorliegt, wenn Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft sind. Eine Leistung, die nicht der Parteivereinbarung entspricht, stelle keine Bardeckung dar, weil weder rechtlich noch wirtschaftlich ein Anlass bestehe, Umsatzgeschäfte des Schuldners in der Krise zu begünstigen, soweit sie anders abgewickelt werden als vereinbart.297 Auch der Gesichtspunkt der Vermögensumschichtung betreffe nur das zugrunde liegende Rechtsgeschäft, nicht die davon abweichende Art der Erfüllung oder Sicherung: Im Hinblick auf den Zweck des § 30 KO, die Gleichbehandlung aller Gläubiger während der wirtschaftlichen Krise des Gemeinschuldners zu verwirklichen, sei es nicht gleichgültig, ob eine Deckung vereinbarungsgemäß gewährt wird oder nicht. Im Gegenteil stelle der Erwerb desjenigen Gläubigers, der etwas anderes erhält als vereinbart, anfechtungsrechtlich auch dann eine einseitige Begünstigung dar, wenn der Gläubiger seinerseits eine Gegenleistung von gleichem Wert erbracht hat.298 O 63 Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen einer Bardeckung in diesem Sinne ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs derjenige, in dem die zeitlich erste Leistung eines Vertragsteils erbracht wird. Bis zu diesem Zeitpunkt können die Beteiligten den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch ändern, ohne den Charakter einer Bardeckung zu gefährden. Hat hingegen eine Seite bereits vorgeleistet, betrachtet der Bundesgerichtshof jede nachträgliche Änderung allein mit Bezug auf die Art der Gegenleistung im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Gläubiger als verdächtig. Dies treffe unabhängig davon zu, ob der Gemeinschuldner oder der Gläubiger vorgeleistet hat.299 O 64 Nur eine solche Wertung entspreche der Systematik des § 30 KO im Hinblick auf die Bardeckung. Mit Bezug auf diese schränke § 30 Nr. 1 Fall 1 KO die Anfechtung von Deckungsgeschäften ein.300 Dies vermöge die Vorschrift aber nur, soweit die Deckungshandlung vereinbarungsgemäß erfolgt. Die – durch die Annahme einer Bardeckung gegebenenfalls auszuschließende – objektive Gläubigerbenachteiligung müsse also in dem Rechtsgeschäft als solchem liegen, nicht erst in der Zahlung.301 Werde hingegen die Vereinbarung geändert, nachdem ein Partner schon vorgeleistet hat, so beziehe sich der Abänderungsvertrag im Ergebnis nur noch auf die Art, wie die vom Umfang her unveränderte Gegenleistung zu erbringen ist. Eine solche Nachtragsvereinbarung betreffe gerade nicht das – von § 30 Nr. 1 Fall 1 KO erfasste – Verpflichtungsgeschäft, sondern isoliert die (abweichende) Art der Deckungshandlung, die selbständig unter 297 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (328) mit Jaeger/Henckel, § 30 Rz. 110 sowie BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 (173). 298 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (328). 299 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (328 f.) entgegen Kilger, KO, 15. Aufl., § 30 Anm. 8. 300 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (329) unter Bezugnahme auf Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 30 Rz. 8. 301 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (329) unter Bezugnahme auf Kuhn/ Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 30 Rz. 23a.

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II. Leistung und Gegenleistung

§ 30 Nr. 2 KO falle.302 Diese Einschränkung auf vereinbarungsgemäß erfolgende Leistungen hat allerdings praktisch zur Folge, dass eine der Art nach inkongruente Deckungshandlung in aller Regel keine Bardeckung darstellt.303 Zur Möglichkeit nachträglicher Kongruenzvereinbarungen s. Rz. O77a ff. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs gibt unumwunden zu, dass dieses Er- O 65 gebnis der seinerzeit herrschenden Lehre widerspricht. Diese war – wie auch der Erste Bericht der Kommission für Insolvenzrecht304 – davon ausgegangen, dass Bargeschäfte allgemein nicht der Anfechtung als inkongruente Deckungen unterliegen.305 Der Senat distanziert sich außerdem von früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Soweit das (scil. die damals herrschende Auffassung) auch in der Rechtsprechung vereinzelt pauschal ausgesprochen worden sei, habe dies jeweils nur beiläufige Bedeutung gehabt.306 Keine jener Entscheidungen beruhe auf einer solchen Ansicht. Ausdrücklich fügt er hinzu: „Nach Prüfung der Tragweite der Rechtsfrage gibt der Senat – dem nunmehr die Rechtsstreitigkeiten über Konkurse allein zur Entscheidung zugewiesen sind – die frühere gegenteilige Auffassung für andersartige als die vereinbarten Leistungen auf.“307 bb) § 142 InsO erfasst auch inkongruente Deckungen (früher h.M.) Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte noch im Kundenscheck-Urteil O 66 vom 30.4.1992 (BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171) in einem ähnlich gelagerten Fall ausgeführt: Die angefochtenen, Sicherung und Befriedigung gewährenden Rechtshandlungen seien nicht auf den alsbaldigen Austausch gleichwertiger Leistungen gerichtet gewesen. Ein derartiges „Bargeschäft“, das einer Anfechtung nach § 30 Nr. 1 Halbsatz 2 und Nr. 2 KO (§§ 130, 131 InsO) entgegenstünde,308 setze voraus, dass die Sicherung oder Befriedigung des Gläubigers vor oder bei der Begründung seiner Forderung vereinbart worden ist, wobei ein geringer zeitlicher Abstand zwischen Leistung und Gegenleistung nicht schade. Im Streitfall sei der erforderliche Zusammenhang zwischen der Leistung der Beklagten (Zurverfügungstellung zusätzlichen Kredits) und der Leistung des Schuldners (Einreichung von Kundenschecks bei der Beklagten) aber weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht dargetan. Dass die Beklagte – in der Absicht, dem Schuldner bei der Sanierung behilflich zu sein – ständig Kreditüber302 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (329). 303 Kritisch etwa Bork, Festschrift für Kirchhof, 2003, S. 57, 67; Eckardt, ZIP 1999, 1417 (1421 ff.); Lwowski/Wunderlich, Festschrift für Kirchhof, 2003, S. 301, 305; Lwowski/ Wunderlich, WM 2004, 1511 ff.; Riggert, Festschrift für Braun, 2007, S. 139, 157 f.; s. zum Meinungsstand auch Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 50 ff. m.w.N. 304 S. 410 zu Leits. 5.2.4. 305 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (329) entgegen Kilger, KO, 15. Aufl., § 30 Anm. 20 a.E.; Hess/Kropshofer, KO, 4. Aufl., § 30 Rz. 26. 306 Der Senat nennt die Entscheidungen BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (184 f.); BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 (173). 307 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (329). 308 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 (173) mit BGH v. 5.11.1964 – VII ZR 2/63, WM 1965, 84 (87); v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (184 f.); v. 27.9.1984 – IX ZR 3/84, WM 1984, 1430; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 30 Rz. 110; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 30 Rz. 23; Kilger, KO, 15. Aufl., § 30 Anm. 14, 20 a.E. Wagner

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ziehungen in nicht exakt festgelegter Höhe „toleriert“ hatte, solange ihr nur (ohne Absprache) Kundenschecks, in welcher Höhe auch immer, „avisiert“ und dann auch bei ihr eingereicht wurden, genüge nicht. Zu einem aufeinander abgestimmten Leistungsaustausch könne es zumindest in der letzten Zeit nicht mehr gekommen sein, weil es dem Schuldner nicht einmal mehr annähernd gelungen sei, den Schuldsaldo auf die vereinbarte Kreditlinie von 350 000 DM zurückzuführen.309 O 67 Die Abkehr des Bundesgerichtshofs von der damals herrschenden Dogmatik ist jedoch weder mit der den §§ 129 ff., 142 InsO zugrunde liegenden systematischen Trennung von Anfechtungsgrund und Anfechtungsausschluss zu vereinbaren noch mit dem erklärten Ziel des Gesetzgebers, dem Schuldner eine effektive Teilnahme am Rechtsverkehr auch in der wirtschaftlichen Krise und damit deren Überwindung zu ermöglichen (s. Rz. O4, O11). Ein zeitgemäß entwickeltes Verständnis des Bargeschäfts im Lichte des Teilhabe- und Sanierungsgedankens, der auch in § 1 InsO als Alternative zur allfälligen Liquidation normative Gestalt gewonnen hat, beruht auf der zutreffenden Erkenntnis des Bundesgerichtshofs, dass Kongruenz und Bargeschäft grundsätzlich gesondert zu beurteilen sind. Eine Beschränkung des Bargeschäftseinwands auf Fälle kongruenter Deckung im Sinne des § 130 InsO ist daher weder dem Wortlaut des § 142 InsO noch dessen Systematik geschuldet, geschweige denn der ratio legis dieser Bestimmung. Die Bargeschäftsausnahme ist auch aus Sicht der Gläubiger gerechtfertigt, weil deren Benachteiligung ausgeschlossen ist, soweit dem Schuldnervermögen (zeitnah) eine gleichwertige Gegenleistung zufließt.310 O 67a Darüber hinaus liegt es im allseitigen Interesse, wenn der Schuldner seine Teilnahme am Rechts- und Geschäftsverkehr fortsetzen, seinen Betrieb fortführen und so seine Krise überwinden kann.311 Das ist aber von vornherein erschwert, soweit mögliche Geschäftspartner des Schuldners oder auch dessen Arbeitnehmer (s. Rz. O174 ff.) mit anfechtungsbedingten Rückforderungen rechnen müssen. Dies gilt erst recht, wenn die Vorsatzanfechtung von Erfüllungsgeschäften, die nicht oder nicht ohne weiteres den Verdacht begründen, anderen Gläubigern werde in ungebührlicher Weise die Haftungsgrundlage entzogen, durch eine Absenkung der Anforderungen an den Nachweis der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung ausgeweitet312 und gleichsam zu einem zweckfremden Passepartout der Insolvenzanfechtungspraxis gemacht wird mit der Folge, dass der genuine Anwendungsbereich des Bargeschäftseinwands eingeschränkt und berechtigte Erwartungen und Interessen des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs enttäuscht werden, insbesondere das Vertrauen der Betroffenen in den Bestand erfüllter Verträge und eines gleichwertigen Leistungsaustauschs, mag dieser auch krisenbedingt nicht exakt so erfolgen, wie ursprünglich geplant und ver309 BGH v. 30.4.1992 – IX ZR 176/91, BGHZ 118, 171 (173). 310 Vgl. BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 – Tiefkühlkost; s. Rz. O99. Zur Gleichwertigkeit als entscheidendem Gesichtspunkt s. auch Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, 2. Aufl. (2010), Kap. 33 Rz. 36; vgl. Rz. O115. 311 Vgl. BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, NZI 2009, 723 Rz. 2 mit BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, ZIP 1997, 1551 (1553). 312 So ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs vom 29.9.2015, BT-Drucks. 18/7054, S. 10 a.E.

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einbart.313 Das damit zugleich den Interessen der Gläubigergesamtheit als auch einer möglichen Sanierung, deren Aussichten ex ante zu beurteilen sind, gedient ist, sollte unstreitig sein.314 Die ratio decidendi des zur Absichtsanfechtung ergangenen Kundenscheck-Ur- O 68 teils vom 30.9.1993 (BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320) ist darin zu sehen, dass eine ungerechtfertigte Bevorzugung einzelner Gläubiger durch Bargeschäfte, die insbesondere in kollusivem Zusammenwirken mit dem Schuldner vorgenommen und erfüllt werden, anfechtbar sein müssen. Dem hat der Gesetzgeber mit § 142 InsO gezielt Rechnung getragen. Die Argumente des Bundesgerichtshofs zum weitergehenden Ausschluss des Bargeschäftseinwands auch in Fällen des § 30 Nr. 1 Fall 2 KO (§ 131 InsO) überzeugen dagegen nicht. Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger verdient bei wertender Betrachtung, wie der Gerichtshof selbst ausführt, keinen Vorrang vor dem Sicherungs- oder Befriedigungsinteresse des einzelnen Gläubigers, der seinerseits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der empfangenen Leistung dem Gemeinschuldner eine gleichwertige Gegenleistung vereinbarungsgemäß erbracht hat.315 Erst recht darf die Insolvenzanfechtung nicht zu einer Bereicherung der Insolvenzmasse führen, die ohne die angefochtene Rechtshandlung nicht eingetreten wäre (vgl. Rz. O4b). Die „neue“ restriktive Interpretation des § 142 InsO durch die höchstrichterliche Rechtsprechung beruht auf einem Wertungswiderspruch und ist weder mit Wortlaut, Sinn und Zweck des § 142 InsO noch mit der gesetzlichen Systematik der §§ 129 ff. InsO zu vereinbaren.316 Der Gesetzgeber hat in § 142 InsO die Grenze der Bargeschäftsausnahme bei § 133 InsO gezogen. Diese Grenze darf im Hinblick auf Sinn und Zweck der Vorschrift und das zwischen den Tatbeständen der besonderen und denjenigen der allgemeinen Insolvenzanfechtung bestehende „Stufenverhältnis“ nicht verschoben werden, indem auch Deckungsgeschäfte im Sinne des § 131 InsO unter Generalverdacht gestellt und der Vorsatzanfechtung gleich behandelt werden. Soweit sich inkongruente Deckungshandlungen als „verdächtig“ erweisen, stellt § 133 InsO die durch § 142 InsO beseitigte Anfechtbarkeit bzw. Anfechtungswirkung wieder her. Demgegenüber haben sich andere oberste Bundesgerichte der inzwischen bereits O 68a als „ständige Rechtsprechung“ bezeichneten restriktiven Auslegung des § 142 InsO durch den Bundesgerichtshof angeschlossen, so dass von einer höchstrichterlichen Beschränkung des Bargeschäftsprivilegs auf kongruente Deckungsleistungen gesprochen werden kann.317 Die Fälle des § 131 InsO bei der Anwendung 313 Siehe dazu Rz. O69, O72 sowie die Ausführungen von F. Bartels, S. 198 ff.; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 31 ff. sowie bereits Klinck, Grundlagen, S. 329 ff., 398 ff. und Annika Röttger, Die insolvenzanfechtungsrechtliche Rückabwicklung von Anweisungsleistungen, 2013 (Diss. Münster 2012), S. 127 ff. (130). 314 Zutreffend Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 35 ff., 44. 315 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (323) a.E. Vgl. dazu die Nachw. bei Rz. O69. 316 Ebenso Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 31 ff. m.w.N. 317 BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZIP 2014, 91 Tz. 38 f.; BAG v. 3.7.2014 – 6 AZR 296/13, ZInsO 2014, 2014 Tz. 16; BSG v. 31.5.2016 – B 1 KR 38/15 R, ZIP 2016, 2488 Rz. 29 m.w.N. (z.V.b. in BSGE), jeweils m.w.N. Wagner

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O Rz. 68a

§ 142 InsO – Bargeschft

des Bargeschäftsprivilegs von vornherein (a priori) auszugrenzen und jedenfalls im Ergebnis wie Fälle des § 133 InsO zu behandeln, mag anwendungstaktisch zweckmäßig erscheinen, rechtlich fundiert ist es nicht, da diese Auslegung weder dem Wortlaut des § 142 InsO noch dessen Sinn und Zweck gerecht wird und auch nicht der Systematik der §§ 129 ff. InsO entspricht.318 So wird die insoweit praktizierte Gleichstellung der Deckungs- und der Vorsatzanfechtung durch Herausnahme auch der in § 142 InsO nicht genannten Fälle des § 131 InsO dem Stufenverhältnis der Anfechtungstatbestände nicht gerecht.319 Zwischen „verdächtigen“ und vorsätzlich benachteiligenden Leistungen des Schuldners besteht nicht nur eine gradueller, sondern ein qualitativer Unterschied, der in der Systematik der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommt. Das gilt erst recht seit der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.3.2017, der hier sogenannten Anfechtungsnovelle. Denn mit § 142 Abs. 1 InsO (n.F.) wird die für die Vorsatzanfechtung bestehende Ausnahme vom Bargeschäftsprivileg ausdrücklich eingeschränkt. Danach soll die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 bis 3 InsO (n.F.) bei Bargeschäften nur noch dann möglich sein, wenn der Schuldner unlauter handelte und der andere Teil dies erkannt hat. Der Gesetzgeber geht damit erklärtermaßen über die Grundsätze hinaus, welche die Rechtsprechung für die Fallgruppe des fortführungsnotwendigen Bargeschäfts entwickelt hat.320 O 68b Auch das insolvenzrechtliche Schrifttum ist der neuen Linie des Bundesgerichtshofs überwiegend gefolgt, ohne jedoch auf deren Problematik näher einzugehen.321 Soweit dies ansatzweise geschieht, erschöpft sich die Diskussion meist in einer Wiedergabe der für die höchstrichterliche Rechtsprechung leitenden Erwägung, ein Bargeschäft setze eine Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung voraus, die bei einer inkongruenten Deckung, d.h. einer Leistung, die so nicht geschuldet war (§ 131 Abs. 1 InsO), also jener Vereinbarung nicht entspricht, eben nicht gegeben sei.322 Zuweilen wird dies verbunden mit der entstehungsgeschichtlichen Erwägung, der Wortlaut des § 142 InsO beruhe auf einer unreflektierten Übernahme der herkömmlichen Auffassung, die auch inkongruente Deckungen des Schuldners als mit dem 318 Entgegen Ganter, WM 2015, 2117 (2118), der zu Unrecht eine Öffnung der Büchse der Pandora als Folge der hier vertretenen Ansicht befürchtet und die hier bereits seit der ersten Auflage favorisierte Rückkehr zu der vor dem Kundenscheckurteil BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 herrschenden Auslegung ablehnt; vgl. wie hier Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 31 ff., der (bei Rz. 33) zutreffend darauf hinweist, dass die Behauptung nicht belegt sei, der Gesetzgeber der InsO habe dieses Urteil nicht mehr berücksichtigen können. 319 Das von BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Leits. 1 mit Rz. 83 herangezogene Stufenverhältnis zwischen § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und § 133 InsO gilt gleichermaßen zwischen § 131 InsO und § 133 InsO; s. oben Rz. O68. 320 So ausdrücklich die Begründung zu § 142 Abs. 1 InsO-E, BT-Drucks. 18/7054, S. 19 zu Nr. 4, 2. Absatz. 321 Das trifft insbesondere auf die Kommentarliteratur zu, die soweit ersichtlich ausnahmslos der restriktiven Interpretation gefolgt ist, so etwa die bei Rz. O58 Genannten. Vgl. ferner dezidiert gegen die hier befürwortete, an Wortlaut, Sinn und Systematik des § 142 InsO orientierte Auslegung Ganter, WM 2015, 2117 (2118). 322 So etwa Kayser/Thole, § 142 Rn. 10; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rn. 9.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 68c O

Bargeschäft vereinbar ansehen habe.323 Zuweilen wird dies garniert mit unpassender Polemik, welche die hier befürwortete Rückkehr zu dieser Auffassung zu einer bedrohlichen Öffnung der Büchse der Pandora stilisiert.324 Dabei werden jedoch die durch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 131 InsO einerseits, des § 142 InsO andererseits vorgegebenen materiellen Schranken des bargeschäftlichen Leistungsaustauschs übersehen, so dass eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs auf inkongruente Deckungen nur dann in Betracht kommt, wenn für die Leistung des Schuldners in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine gleichwertige Gegenleistung in die Insolvenzmasse gelangt ist. Außerdem werden die hier beschriebenen negativen praktischen Folgen und dogmatischen Friktionen der (heute herrschenden) restriktiven Auslegung verkannt, so etwa wenn Ganter meint, erforderliche Ergänzungen (sprich bestehende Lücken oder Schwächen der herrschenden Meinung) könnten durch Ausnahmen vorgenommen bzw. beseitigt werden. Dem ist meines Erachtens eine dogmatisch konsistente Lösung im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit vorzuziehen.325 Das Kundenscheck-Urteil hat aber auch fundierten Widerspruch erfahren, ver- O 68c einzelt auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung.326 Diese Kritik ist umso mehr berechtigt, als auch Befürworter der restriktiven Interpretation nicht umhin können, Ausnahmen zuzugestehen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die beteiligten Vertragspartner von den ursprünglich getroffenen Vereinbarungen abweichen bzw. diese an veränderte Umstände anpassen, um eine Durchführung des bezweckten Geschäfts oder geplanten Vorhabens „im Großen und Ganzen“, mithin einen Leistungsaustausch zu ermöglichen, ohne dass die Masse des späteren Insolvenzschuldners und damit dessen Gläubiger ein finanzieller Nachteil erführe. Angesichts einer faktisch überbordenden Vorsatzanfechtung in der Insolvenzpraxis sieht sich auch der Bundesgerichtshof veranlasst, den Beteiligten praktikable Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, um eine spätere Anfechtung zu vermeiden, ihnen gleichsam einen Weg zwischen Skylla und Charybdis zu weisen, in Fällen, die zwar alle Merkmale eines Bargeschäfts oder bargeschäftsähnlichen Leistungsaustauschs haben, aber an den „Klippen“ einer Anfechtung wegen inkongruenter Deckung einerseits oder vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung andererseits zu scheitern drohen. Gemeint ist die in der jüngsten Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs und des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts anerkannte und als Ausweg aufgezeigte Möglichkeit (nachträglicher) Kongruenzvereinbarungen zur Herbeifüh323 So etwa Kayser/Thole, § 142 Rn. 10. Siehe dagegen wie hier Cranshaw/Hinkel/ Bruhn, § 142 Rz. 31 ff. mit dem zutreffenden Hinweis (Rz. 33), dass die Behauptung nicht belegt sei, der Gesetzgeber der InsO habe das Urteil BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 nicht mehr berücksichtigen können. 324 Ganter, WM 2015, 2117 (2118). 325 Vgl. Rz. O29j und zum Verhältnis der beiden Normen zueinander Rz. O11. 326 Vgl. Bork, FS Kirchhof, 2003, S. 57, 67 und FS G. Fischer, 2008, 37, 41 ff.; Eckardt, ZIP 1999, 1417 (1421 ff.); Lwowski/Wunderlich, Festschrift für Kirchhof, 2003, S. 301, 305 und WM 2004, 1511 ff.; eingehend zum Meinungsstand Bräuer, Diss. Kiel 2006, S. 50 ff.; Klinck, Grundlagen, S. 397 ff. m.w.N. Speziell zum Stehenlassen von Darlehensforderungen LG Chemnitz v. 22.12.2006 – 2 O 208/06, WM 2007, 397 (398); Molitor, ZInsO 2006, 23 (25); Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461 (1463); siehe Rz. O31. Wagner

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§ 142 InsO – Bargeschft

rung anfechtungsfester Direktzahlungen und damit letztlich zur Vermeidung wirtschaftlich sinnloser, praktisch inakzeptabler Zerschlagung (s. Rz. O77a). Diese Lösung stellt indes einen zweifelhaften Umweg dar, der den praktischen Bedürfnissen selten gerecht wird, da er, wie gezeigt, den Beteiligten häufig nicht bekannt oder faktisch verschlossen bleibt, und dogmatisch nicht überzeugt, da er zu konstruktiven Klimmzügen zwingt, etwa bei der Frage des schädlichen Eintritts eines ersten Leistungserfolgs, und überdies entbehrlich ist, sofern man mit der hier vertretenen Auslegung § 142 InsO auch bei inkongruenten Deckungen anwendet, wenn nur die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind (s. Rz. O77q). O 69 Darüber hinaus erübrigt ein Verzicht auf die selbstgewählte Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 142 InsO auf Fälle des § 130 InsO insoweit die nicht immer überzeugende oder stringent durchführbare Unterscheidung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung.327 Diese Unterscheidung zwischen § 130 InsO und § 131 InsO darf nicht mit derjenigen zwischen § 131 InsO und § 133 InsO, also zwischen inkongruenten Handlungen und vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung vermengt werden. So mögen typische „Krisengeschäfte“ sich als verdächtig im Sinne einer Inkongruenz erweisen, ohne jedoch die Schwelle zu § 133 InsO zu überschreiten. So handelt ein Schuldner nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringt, die zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern im Allgemeinen nützt,328 und zwar auch dann, wenn Schuldner und Anfechtungsgegner Vorkasse für die von diesem erbrachten Leistungen vereinbart haben.329 Selbst Direktzahlungen eines Auftraggebers (Bauherrn) an Lieferanten oder Subunternehmer des Auftragnehmers können anfechtungsresistent sein, wenn sie aufgrund einer nachträglichen Kongruenzvereinbarung vor Fälligkeit der nächsten Werklohnrate erfolgt und die Lieferung bzw. Leistung des Zahlungsempfängers unmittelbar erfolgt.330 Weshalb z.B. verkehrsübliche und zur Betriebsfortführung nötige Zahlungsziele (Stundungen), Verrechnungen konnexer Kosten, Direktzahlungen in Fällen des abgekürzten Leistungsweges,331 Kreditverlängerungen oder die Wiederauffüllung wirksam bestellter Globalsicherheiten dem Anwendungsbereich des § 142 InsO von vornherein entzogen sein sollen, lässt sich nicht überzeugend begründen. Insbesondere im Zusammenhang mit Verrechnungen im Kontokorrent wurden die Schwächen der höchstrichterlichen Dogmatik aufgezeigt. So hat namentlich Bork in vorbildlicher Klarheit herausgearbeitet, dass der Bundes327 Zustimmend Schoppmeyer, ZIP 2012, 1882 (1883) mit Klinck, Grundlagen, S. 334 ff., 400 ff. 328 Vgl. BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, NZI 2009, 723 Rz. 2 mit BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, ZIP 1997, 1551 (1553); BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Rn. 29. 329 Vgl. BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, NZI 2009, 723 Rz. 2; s. dazu Chr. Kaufmann, ZInsO 2010, 65 ff. 330 Vgl. BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Rn. 16 ff., 26, 30. Eingehend dazu unten Rz. O77a ff. 331 Vgl. aber BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Rn. 11, 17 ff., 29 f. Eingehend dazu unten Rz. O29j, O77a ff.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 71 O

gerichtshof sich mit seiner These, Bargeschäfte seien nur bei kongruenten Deckungen beachtlich, selbst in Begründungsschwierigkeiten gebracht hat. Da die Verrechnung im ungekündigten Kontokorrent inkongruent ist (weil die Bank keinen fälligen Rückführungsanspruch hat), kann der IX. Zivilsenat die (zutreffend) als richtig erkannte Anwendung des § 142 InsO auf die dennoch erfolgte Verrechnung von Ein- und Auszahlungen in kritischer Zeit nicht stringent begründen.332 Klinck hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die für gegenseitige Verträge O 70 normierte Regelung der Unsicherheitseinrede (§ 321 BGB) gegen die heute herrschende Ausgrenzung inkongruenter Deckungen i.S.d. § 131 InsO aus dem Anwendungsbereich des § 142 InsO spricht.333 Das Leistungsverweigerungsrecht des Vorleistungspflichtigen entfällt nach § 321 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit für sie geleistet wird. Der Vorleistungspflichtige kann dem anderen Teil eine Frist setzen, Zug um Zug gegen die Leistung die Gegenleistung zu erbringen oder Sicherheit zu leisten (§ 321 Abs. 2 Satz 1 BGB); einen Anspruch auf Sicherheitsleistung hat der Vorleistungspflichtige nicht, bei erfolglosem Fristablauf kann er lediglich vom Vertrag zurücktreten (§ 321 Abs. 2 Satz 2 BGB). Eine Sicherheitsleistung nach § 321 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB stellt aber eine inkongruente Deckung dar mit der Folge, dass diese Vorschrift ihre Funktion nicht erfüllen kann, wenn man der heute herrschenden Auslegung des § 142 InsO folgt, die den Vorleistungspflichtigen somit regelmäßig in eine Falle treibt.334 Gegen die hier befürwortete grundsätzliche Einbeziehung des § 131 InsO in den O 71 Anwendungsbereich des § 142 InsO wird zuweilen das Tatbestandsmerkmal „für die“ angeführt. Dieser Einwand ist aber weder systematisch noch entstehungsgeschichtlich haltbar.335 § 142 InsO kommt nach der Begründung des Regierungsentwurfs vom 15.4.1992 nur zur Anwendung, wenn Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft sind. Das soll mit den Worten „für die“ zum Ausdruck gebracht werden.336 Das Tatbestandsmerkmal „für die“ (Leistung des Schuldners) hat jedoch keinen eindeutigen Begriffsinhalt, es ist vielmehr ambivalent und bedarf der am Gesetzeszweck orientierten Auslegung. So hatte der Gesetzgeber nur das Zweipersonenverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger vor Augen. Die Vorschrift ist aber grundsätzlich auch in Mehrpersonenverhältnissen anwendbar, ungeachtet der Erfahrung, dass der Aufwand für die Darlegung der einwendungsbegründenden Um332 Bork, FS G. Fischer, 2008, S. 37, 41 ff.; s. auch Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511 (1516 ff.), jeweils m.w.N. Vgl. dagegen Kayser, FS G. Fischer, 2008, S. 267, 275 ff. 333 Klinck, Grundlagen, S. 401 f. 334 Klinck, Grundlagen, S. 401 f., auch zu § 648a BGB a.F. und BGH NZI 2007, 456 (457) sowie zu der veränderten Rechtslage durch § 648a BGB n.F., wonach dem Bauunternehmer ein Anspruch auf Stellung einer (nunmehr anfechtungsfreien) sog. Bauhandwerkersicherheit zusteht, vgl. dazu Huber, JuS 2009, 23 (25 f.). 335 Siehe dazu Rz. O69, O72 sowie die Ausführungen von F. Bartels, S. 198 ff.; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 32 ff. und bereits Klinck, Grundlagen, S. 398 ff.; s. auch Annika Röttger, Die insolvenzanfechtungsrechtliche Rückabwicklung von Anweisungsleistungen, 2013 (Diss. Münster 2012), S. 129 f. 336 BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161. Wagner

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O Rz. 71

§ 142 InsO – Bargeschft

stände in der Regel ungleich höher ausfällt.337 Dabei ist in Dreiecksverhältnissen die maßgebliche Parteivereinbarung dem jeweiligen Deckungs- oder Valutaverhältnis zu entnehmen.338 Darüber hinaus ist an die Möglichkeit nachträglicher Kongruenzvereinbarungen zu denken (s. Rz. O77a ff.). Außerdem ist zu beachten, worauf namentlich Hirte zutreffend hingewiesen hat, dass die Verknüpfung nicht notwendig in einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung bestehen muss, dass vielmehr auch gesetzliche Schuldverhältnisse in Betracht kommen, die eine Abwicklung Zug-um-Zug vorsehen.339 Daher sind Direktzahlungen eines Drittschuldners des Insolvenzschuldners an dessen Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 142 InsO anfechtungsfest, wenn diesem ein gesetzlicher Anspruch darauf zusteht. Dagegen genüge die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abführung von Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträgen für den Arbeitnehmer nicht, ebenso wenig wie ein lediglich ursächlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung.340 cc) Keine erweiternde Auslegung? O 72 Eine wesentliche Grenze für die Anwendung des § 142 InsO bildet bereits das nach herrschender Meinung bestehende Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung mit der Folge, dass ein lediglich wirtschaftlicher Zusammenhang grundsätzlich nicht genügt.341 Ein praktisches Bedürfnis für eine Anwendung des Bargeschäftseinwands und damit die Zulässigkeit einer teleologisch korrekten (vgl. Rz. O57, O66 ff.) nach heute herrschender Meinung (vgl. Rz. O58 ff.) freilich extensiven Interpretation der Norm stellt sich aber insbesondere im Zusammenhang mit Globalzessionen, Sanierungsleistungen, in Fällen fortbestehender Kreditgewährung gegen Sicherheit oder Revalutierung bestehender Sicherheit oder des abgekürzten Leistungsweges bei sog. Direktzahlungen, ferner wenn die Gegenleistung nicht aufgrund einer Vereinbarung mit dem Schuldner, sondern aufgrund gerichtlicher oder behördlicher Bestellung erfolgt, wie bei der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters. Diese Fälle zeigen, dass ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung der Norm genügt, der nicht notwendig rechtsgeschäftlicher Art sein muss (s. Rz. O75). Sie zeigen auch, dass die rechtsgeschäftliche Verknüpfung keineswegs in einem gegenseitigen Austauschver337 Vgl. Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 11; vgl. Rz. O36 ff., O41, O80, O209 ff. 338 Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 142 Rz. 6 im Anschluss an MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 5 m.w.N.; anders aber Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 21, 62: bei solch’ verkürzten Leistungswegen fehle es i.d.R. an der erforderlichen Verknüpfung durch dreiseitige Vereinbarung. 339 Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 142 Rz. 6; anders Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 18 mit der Einschränkung, dass die gesetzlichen Abwicklungsverhältnisse auf einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung bestehen, jeweils unter Bezugnahme auf Jaeger/ Henckel, § 142 Rz. 8. 340 Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 11; BK-InsO/Haas, § 142 Rz. 16; Uhlenbruck/Hirte, § 142 Rz. 6; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 5. Siehe dazu Rz. O207 ff. 341 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 Tz. 30. Vgl. zum Stehenlassen einer Forderung BGHZ 174, 297 (311) Rz. 41; v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 (1123) Rz. 12.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 74 O

trag wie bei Kauf, Miete, Geschäftsbesorgung bestehen muss, sondern zum Beispiel auch in einem mehr oder minder komplexen Sicherungsvertrag wie bei der insbesondere grundpfandrechtlichen Besicherung von Darlehen bestehen kann, in einer Kontokorrentabrede oder in einer schlichten Tilgungsvereinbarung wie bei Scheck- und Wechselzahlungen.342 Andernfalls wäre z.B auch eine bargeschäftlich privilegierte Bestellung gleichwertiger Sicherheiten gegen Gewährung neuen Kredits ausgeschlossen (s. Rz. O153 ff.). Entgegen einiger Stimmen im bankrechtlichen Schrifttum343 sieht der Bundes- O 73 gerichtshof auch bei Globalzessionen „keine Veranlassung, den Tatbestand des § 142 InsO über den von der Senatsrechtsprechung bisher abgesteckten Bereich hinaus zu erweitern“.344 Zur Begründung führt er aus, der Sicherungsnehmer sei bereits dadurch hinreichend geschützt, dass die Anfechtung zukünftiger Forderungen nur unter den Voraussetzungen des § 130 InsO Erfolg hat. Damit erwerbe dieser ein insolvenzfestes Absonderungsrecht an allen Forderungen, die werthaltig geworden sind, bevor er Umstände erfahren hat, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder den Eröffnungsantrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO). Würden solche Rechte auch noch an später entstandenen Forderungen wirksam begründet, „könnte dies für den Sicherungsnehmer einen Anreiz bilden, den Kreditvertrag mit dem insolventen Schuldner noch eine Zeitlang bis zu dem von seinem persönlichen Befriedigungsinteresse her gesehen günstigsten Zeitpunkt fortzusetzen.“ Dies widerspräche jedoch dem erklärten Ziel der Insolvenzordnung, die Beteiligten zu einer frühzeitigen Einleitung des Insolvenzverfahrens zu veranlassen, um eventuelle Sanierungsaussichten zu wahren und eine möglichst effektive Befriedigung der Gläubiger zu bewirken (vgl. § 1 Satz 1 InsO). Deren berechtigte Interessen wären, so der Bundesgerichtshof, in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt, wenn eine Globalzession dem Sicherungsnehmer die Möglichkeit gäbe, das Kreditverhältnis mit einem als insolvent erkannten Schuldner zum Nachteil der Masse fortzusetzen.345 Während der Bundesgerichtshof den Erwerb künftiger Forderungen aufgrund O 74 von Globalzessionsverträgen immerhin als kongruente Sicherheiten i.S.d. § 130 InsO qualifiziert, vermitteln Globalpfandrechte allenfalls inkongruente Sicherheiten i.S.d. § 131 InsO, so dass die Bargeschäftsausnahme von vornherein ausscheidet. Aufschlussreich ist hierzu die Argumentation des Gerichts gegenüber kritischen Stimmen. Sogar wenn man Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken (Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen) dahin auslege, dass die Bank und der Kunde sich nicht nur über 342 Vgl. die Nachw. zu Rz. O64 a.E., O68, O71. 343 Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 7. Aufl., Rz. 6.102p; Kuder, ZInsO 2006, 1065 (1069); Molitor, ZInsO 2006, 23 (25); vgl. auch Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461 (1463); LG Chemnitz v. 22.12.2006 – 2 O 208/06, WM 2007, 397 (398) zum Stehenlassen von Forderungen. Vgl. ausf. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl. (2016), Rz. 6.347 ff.; Kuszlik, Sicherheiten für künftige Forderungen, 2016 (Diss. Bielefeld 2015), S. 130 ff., jeweils m.w.N. zur Streitfrage sowie de lege ferenda Hirte, FS Hopt, 2010, S. 141 ff. 344 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (313) Rz. 43; zustimmend K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 26; Kayser/Thole, § 142 Rn. 3, jew. m.w.N. 345 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (313) Rz. 43. Wagner

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O Rz. 74

§ 142 InsO – Bargeschft

die Pfandrechtsbestellung dinglich einig sind, sondern zugleich einen schuldrechtlichen Anspruch darauf begründen, werde dieser erst in demjenigen Zeitpunkt auf einen bestimmten Pfandgegenstand konkretisiert, in dem die Sache in den Besitz der Bank gelangt oder die verpfändete Forderung entsteht. Eine frühere pauschale Einigung dahin, dass sämtliche künftig in den Besitz der Bank kommenden Sachen oder für den Kunden entstehenden Ansprüche gegen sie verpfändet sein sollen, genüge jedenfalls nicht, um im Voraus eine kongruente Sicherung im Sinne des § 130 InsO zu begründen.346 Die Gegenmeinung verkenne, dass nur solche Vereinbarungen die insolvenzrechtliche Kongruenz herstellen können, welche auf bestimmte, sogleich wenigstens identifizierbare Gegenstände gerichtet sind.347 Eine Vorverlagerung der anfechtungsrechtlichen Wirkung von dem Zeitpunkt der Konkretisierung auf denjenigen der früheren, allumfassenden Vereinbarung scheide aus.348 Dagegen kann ein länger zurückliegender Abschluss eines Globalzessionsvertrags durchaus Grundlage des Übergangs „zukünftiger“ Forderungen, mithin einer kongruenten Sicherheit sein (vgl. Rz. O47). O 75 Darüber hinaus besteht ein praktisches Bedürfnis für die Anwendung des § 142 InsO auf die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters im nicht eröffneten Verfahren (vgl. Rz. O191). Dessen Tätigwerden beruht nicht auf einem Vertrag mit dem Schuldner, sondern erfolgt aufgrund einer Bestellung durch das Insolvenzgericht (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO). Diese verschafft ihm einen materiellrechtlichen Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz gegen den Schuldner aufgrund eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, das mit dem ESUG nunmehr in § 26a InsO ausdrücklich normiert ist, aber schon vor dessen Inkrafttreten der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprach.349 Dem Bundesgerichtshof erscheint es zumindest erwägenswert, auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter das Bargeschäftsprivileg zu gewähren.350 Für die heute herrschende Auslegung des § 142 InsO ist mit der Annahme eines Bargeschäfts in diesen Fällen jedoch ein Verzicht auf das Erfordernis des rechtsgeschäftlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung in Form einer Parteivereinbarung mit dem Schuldner verbunden. Nach der hier vertretenen teleologischen Interpretation des § 142 InsO, die lediglich einen rechtlichen, nicht notwendig rechtsgeschäftlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung verlangt (oben 346 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (126) mit MK-InsO/Kirchhof, § 131 Rz. 39 u.w.N. 347 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (126) entgegen Eckardt, ZIP 1999, 1417 (1419 f.); Huth, Kreditsicherungsrecht im Lichte der neuen Insolvenzordnung, 2000, S. 65; Wischemeyer, Die Insolvenzanfechtung der Rückführung debitorischer Konten durch Einstellung von Gutschriften in der Krise, 2002, S. 31 ff. Vgl. bereits oben Rz. O48 m.w.N. 348 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (125 f.) zur Verrechnung im Kontokorrent, s. Rz. O136 ff., O225. 349 In Rechtsanalogie zu §§ 1835, 1836, 1915, 1987, 2221 BGB: BGH v. 13.12.2007 – IX ZR 196/06, BGHZ 175, 48 (53) Rz. 16 ff. m.w.N.; s. auch BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) Tz. 23 zur Gleichwertigkeit. 350 Vgl. BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) Tz. 22 sowie Tz. 23 zur Gleichwertigkeit. Der BGH konnte die Frage offen lassen, weil § 142 InsO mangels Unmittelbarkeit nicht zur Anwendung kam.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 77 O

Rz. O67 ff., O72), genügt das der Vergütungsleistung des Schuldners zugrundeliegende gesetzliche Schuldverhältnis ohne weiteres dem Tatbestandsmerkmal „für die“. Eine „weitere Aufweichung des Insolvenzanfechtungsrechts durch die arbeits- O 76 gerichtliche Rechtsprechung“ wurde im Zusammenhang mit der zwangsweisen Durchsetzung von Lohn- und Gehaltsforderungen diskutiert und befürchtet.351 Nach bislang h.M. verschafft sich ein (potentieller) Insolvenzgläubiger, der in kritischer Zeit erfolgreich die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des späteren Schuldners betreibt, eine inkongruente Deckung i.S.d. § 131 Abs. 1 InsO, deren Anfechtung er nicht mit dem Bargeschäftseinwand verhindern kann.352 Zur Pfändung beim Arbeitgeber wegen Lohn- und Gehaltsforderungen bzw. zur Anfechtung der dadurch erlangten zwangsweisen Befriedigung titulierter Lohnansprüche gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat das Bundesarbeitsgericht durch ein Urteil vom 24.10.2013 die herrschende anfechtungsrechtliche Beurteilung als inkongruente Deckung jedoch bestätigt.353 Eine im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung erfolge nicht „in der Art“, wie sie der Gläubiger zu beanspruchen hat (vgl. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Folglich könne der Insolvenzverwalter bei Vorliegen der übrigen Anfechtungsvoraussetzungen von einem Arbeitnehmer die Rückzahlung von Arbeitsvergütung zur Masse verlangen, die dieser durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangt hat.354 Das BAG beschränkt damit seine vielfach als unberechtigte Bevorzugung von Arbeitnehmern als Gläubiger rückständiger Lohnforderungen kritisierte Rechtsprechung ausdrücklich auf Fälle kongruenter Deckung, d.h. auf freiwillige Zahlungen des Arbeitgebers (vgl. Rz. O176 ff.).355 Mit Spannung wird eine weitere Entscheidung des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts zum Verhältnis von Pfändung und Bargeschäft erwartet, die aber insoweit vermutlich keine Änderung bringen wird.356 Das hier interessierende Tatbestandsmerkmal „für die“ steht der Anwendung O 77 des Bargeschäftsprivilegs auf die zwangsweise Durchsetzung von Forderungen gegen den potentiellen Schuldner nach der hier vertretenen Ansicht allerdings nicht entgegen, da es keine rechtsgeschäftliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung voraussetzt (vgl. Rz. O49 ff.). Denn der Vollstreckungsgläubiger erhält für seine Leistung zwar nicht die geschuldete Gegenleistung, wohl aber deren Gegenwert. Unabhängig davon kann der Bargeschäftseinwand indes an den übrigen Voraussetzungen des § 142 InsO scheitern. Denn ob die Gleichwertigkeit dieser „zwangsweisen Gegenleistung“ dadurch ausgeschlossen ist, dass das Schuldnervermögen zugleich mit den Vollstreckungskosten belastet wird (vgl. dazu Rz. O117 ff.), und ob ein zeitlich enger Zusammenhang zwischen Leistung und Vollstreckungsleistung gewahrt ist (s. Rz. O113), steht auf einem anderen Blatt. 351 Vgl. Stiller, ZInsO 2013, 55 ff. 352 Vgl. BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 (88 f.) Rz. 7 m.w.N.; s. Rz. O12 f. 353 BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZIP 2014, 91 Tz. 22 ff.; Vorinstanz: LAG Nürnberg v. 30.4.2012 – 7 Sa 557/11, ZIP 2012, 2263. 354 BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZIP 2014, 91 Tz. 22 ff. 355 BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZIP 2014, 91 Tz. 38. 356 Vgl. BAG 6 AZR 953/12; vgl. dazu Stiller, ZInsO 2013, 55 ff. Wagner

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O Rz. 77a

§ 142 InsO – Bargeschft

c) Nachträgliche Kongruenzvereinbarungen aa) Rechtlicher und tatsächlicher Hintergrund O 77a Keine Ausnahme von der Anfechtbarkeit wegen inkongruenter Deckung, wohl aber eine Herbeiführung der Unanfechtbarkeit kongruenter Deckungshandlungen nach § 142 InsO stellt die bereits (oben Rz. O68c) erwähnte Möglichkeit einer nachträglichen Kongruenzvereinbarung dar, deren Voraussetzungen der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seiner jüngsten Rechtsprechung zur Ermöglichung anfechtungsfester Direktzahlungen geklärt hat.357 Die in Betracht kommenden Sachverhalte und Interessenlagen sind in Theorie und Praxis hinlänglich bekannt, paradigmatisch sind Direktzahlungen des Bauherrn in der Krise des beauftragten Bauunternehmers:358 Lieferanten oder Subunternehmer eines in Zahlungsschwierigkeiten befindlichen Unternehmens sind nur gegen Barzahlung bereit, ihre zur Herstellung eines Bauvorhabens oder sonstigen Werkes notwendigen (weiteren) Lieferungen und Leistungen zu erbringen. Vor die Alternative gestellt, eine Fortsetzung und Fertigstellung des Werks zu ermöglichen oder darauf zu verzichten, erklären sich Auftraggeber, insbesondere Bauherren, meist bereit, entsprechende Forderungen der Lieferanten oder Nachunternehmer des Hauptauftragnehmers durch Zahlungen an diese (Direktzahlungen) zu bedienen und so deren Lieferungen und Leistungen herbeizuführen. § 16 Abs. 6 VOB/B (§ 16 Nr. 6 VOB/B a.F.) gibt Auftraggebern das Recht dazu; auch und besonders bei BGB-Werkverträgen, ist diese Vorgehensweise gang und gäbe. Beispielhaft seien hierzu die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 17.7.2014 einerseits und vom 20.11.2014 andererseits genannt. Während im ersten Fall der Auftraggeber in den Genuss des § 142 InsO kam, blieb ihm dies im zweiten Fall versagt, weil die behauptete Vereinbarung ebenso wie die Direktzahlung als inkongruente Deckung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar gewesen sei.359 BGH-Urteil vom 17.7.2014 – BauR 2014, 1945 – Direktzahlungen360 O 77b Die Schuldnerin, ein Hochbauunternehmen, bezog von der Beklagten in ständiger Geschäftsbeziehung Fenster und Türen. Seit Oktober 2010 bestanden erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber der Beklagten; Ratenzahlungsvereinbarungen wurden nicht eingehalten, versprochene Sicherheiten nicht erbracht. Im Februar 2011 vereinbarte die Schuldnerin bei einem Zahlungsrückstand in Höhe von 97 983,76 Euro mit der Beklagten und ihren Auftraggebern, den Bau357 Vgl. BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 16 ff.; im Ergebnis verneinend, weil die Vereinbarung ihrerseits anfechtbar wäre BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 24. 358 Vgl. etwa BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 Tz. 14 mit instruktiver Anm. Kummer, jurisPR-BGHZivilR 27/2007 Anm. 2. Siehe zu einer zeitlichen Inkongruenz Rz. O123. 359 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 24 f. 360 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = WM 2014, 1588 = WuB 2015, 36 m. Anm. Keller = ZInsO 2014, 1655 = ZIP 2014, 1595 Tz. 5 ff. m. Anm. Sorg, EWiR 2014, 653 f.; bestätigt durch BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Leits. a mit Rz. 18 ff.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 77d O

herren S und Sch, dass diese den Kaufpreis für die von der Schuldnerin einzubauenden Fenster und Türen direkt an die Beklagte zahlen sollten und die Beklagte diese Werkteile sodann an die Baustellen ausliefern sollte. Die Zahlungen erfolgten absprachegemäß am 29. März 2011 über 19 756,13 Euro (Sch) und 13 982,39 Euro (S). Nach Gutschrift der Beträge auf ihrem Konto lieferte die Beklagte die bestellten Fenster und Türen aus. Auf Antrag der Schuldnerin vom 12. April 2011 wurde am 6. Juli 2011 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Dieser verlangt von der Beklagten die Direktzahlungen der Bauherren im Wege der Insolvenzanfechtung zurück. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht (OLG Schleswig) hatte den mit der Klage geltend gemach- O 77c ten Rückzahlungsanspruch des Insolvenzverwalters mangels gläubigerbenachteiligender Wirkung der angefochtenen Zahlungen der Bauherren an die beklagte Lieferantin verneint. Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt, weil diese Zahlungen eine objektive Gläubigerbenachteiligung nach § 129 Abs. 1 InsO bewirkten, indem sie die Werklohnforderungen der Schuldnerin in entsprechender Höhe zum Erlöschen brachten und die Aktivmasse entsprechend verkürzten.361 Eine Gläubigerbenachteiligung tritt zwar dann nicht ein, wenn sich die fragliche Rechtshandlung auf einen für die Insolvenzmasse wirtschaftlich wertlosen Gegenstand bezieht, so auch wenn der Schuldner über eine wirtschaftlich wertlose Forderung verfügt. Da die Beklagte sich angesichts des bestehenden Zahlungsrückstands berechtigterweise geweigert hatte, die bereits fertiggestellten Fenster und Türen auszuliefern, und auf Barzahlung bestand, waren die Werklohnforderungen der Schuldnerin zunächst nicht durchsetzbar und damit wertlos. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts traf dies aber im maßgeblichen Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen (§ 140 Abs. 1 InsO) nicht mehr zu. Aufgrund der dreiseitigen Vereinbarung im Februar 2011 schufen die Bauherren unter Verzicht auf die Fälligkeit ihrer Teilwerklohnverbindlichkeiten die Voraussetzungen für die weitere Durchführung der bestehenden Werk- und Werklieferungsverträge der Beteiligten, was zur Werthaltigkeit der Werklohnforderungen der Schuldnerin führte mit der weiteren Folge, dass die Schuldnerin durch die Zahlung der Auftraggeber, einer mittelbaren Zuwendung, der Beklagten volle Deckung verschaffen und ihre übrigen Gläubiger insoweit benachteiligen konnte.362 bb) Direktzahlungen als inkongruente Deckung Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sind Direktzahlungen grundsätzlich als O 77d inkongruente Leistungen nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, falls die Zahlungsempfänger wie in der Regel keinen Anspruch darauf haben, so dass Zahlungen der (Haupt-)Auftraggeber an Subunternehmer oder Lieferanten des Auftragnehmers nicht in der Art erbracht werden, in der sie geschuldet sind.363 In dem durch Urteil vom 17.7.2014 entschiedenen Fall (Fenster und Türen) traf 361 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 5 ff. 362 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 8 ff. 363 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 16 ff. Wagner

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O Rz. 77d

§ 142 InsO – Bargeschft

dies nicht zu, weil die Direktzahlungen der Bauherren an die Beklagte, auch wenn sie im letzten Monat vor Insolvenzantragstellung erfolgten, kongruente Rechtshandlungen darstellten. Maßgeblich dafür war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Schuldnerin, die Beklagte und die beteiligten Bauherren die ursprünglichen Verträge durch dreiseitige Verträge dahin abänderten, dass die Bauherren für die von der Beklagten geschuldeten Lieferungen Direktzahlungen in Höhe des jeweiligen Kaufpreises an die Beklagte erbringen und die bereits fertiggestellten Fenster und Türen anschließend ausgeliefert werden sollten. Nach dieser Vereinbarung waren die Direktzahlungen der Bauherren kongruent, weil sie von der Schuldnerin nunmehr in dieser Weise geschuldet waren.364 O 77e In seinem Urteil vom 20.11.2014 (Erdarbeiten in Belgien) hat der Bundesgerichtshof dagegen eine anfechtungsfeste Direktzahlung verneint, weil die Kongruenzvereinbarung nicht rechtzeitig getroffen worden sei.365 Der entschiedene Fall betraf eine grenzüberschreitende Insolvenz eines deutschen Bauunternehmens. Streitentscheidend kam es darauf an, ob das materielle Rechtsverhältnis zwischen dem in Deutschland ansässigen Generalunternehmer und dem belgischen Subunternehmer nach belgischem Recht zu beurteilen war mit der Folge, dass dem Subunternehmer ein Direktanspruch gegen den Hauptauftraggeber nach Art. 1798 des belgische. Zivilgesetzbuchs (Code Civil/Burgerlijk Wetboek) zugestanden hätte. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt) hatte dem Kläger den geltend gemachten Rückgewähranspruch nach §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 143 Abs. 1 InsO mit der Begründung versagt, die Direktzahlung der Hauptauftraggeber habe wegen eines darauf gerichteten Anspruchs des Beklagten aus Art. 1798 des belgische. Zivilgesetzbuchs zu einer kongruenten Befriedigung geführt. Dem ist der Bundesgerichtshof entgegen getreten, weil auf den Subunternehmervertrag nach der von den Beteiligten getroffenen Rechtswahl deutsches Recht anzuwenden war. Danach sei der Beklagte zum Zahlungszeitpunkt (vgl. § 140 Abs. 1 InsO) nicht berechtigt gewesen, eine Befriedigung seiner gegenüber der Schuldnerin bestehenden Werklohnforderung von den Hauptauftraggebern zu verlangen.366 Nach deutschem Recht habe ein Subunternehmer keinen Anspruch darauf, dass seine gegen den Unternehmer bestehende Forderung durch den Hauptauftraggeber erfüllt wird. Dies gelte auch bei einer auf § 16 Abs. 6 VOB/B (§ 16 Nr. 6 VOB/B a.F.) beruhenden Direktzahlung an den Subunternehmer.367 Stattdessen stellt der Bundesgerichtshof auf seine Rechtsprechung zu (mittelbaren) Leistungen Dritter ab: Erfüllt ein Dritter auf Anweisung des Schuldners dessen Verbindlichkeit, liegt darin grundsätzlich eine nicht unerhebliche Abweichung vom normalen Zahlungsweg und damit eine nicht in der Art zu beanspruchende Be-

364 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 16 ff. 365 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 24 m. Anm. Chr. G. Paulus, EWiR 2015, 83; Barbara Völzmann-Stickelbrock, KTS 2015, 345 ff. 366 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 16 ff. 367 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 17 mit BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, ZIP 2008, 2324 Tz. 13.

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Rz. 77f O

II. Leistung und Gegenleistung

friedigung des Gläubigers i.S.v. § 131 Abs. 1 InsO.368 Die durch die Direktzahlung erlangte Befriedigung des beklagten Subunternehmers sei deshalb – vorbehaltlich einer besonderen, die Kongruenz begründenden Vereinbarung – inkongruent gewesen. Ein Anspruch auf die Direktzahlung ergab sich jedoch nach Ansicht des IX. Zivilsenats auch nicht aus der von dem Beklagten behaupteten dreiseitigen Vereinbarung einer solchen Zahlung.369 cc) Voraussetzungen einer anfechtungsfesten Kongruenzvereinbarung Ein Abänderungsvertrag stellt allerdings dann keine wirksame Kongruenzverein- O 77f barung für spätere Direktzahlungen dar, wenn er seinerseits anfechtbar ist.370 Dies hat der IX. Zivilsenat in seinem Urteil vom 20.11.2014 (Erdarbeiten in Belgien) bejaht.371 Ob eine solche, vom Insolvenzverwalter (Kläger) bestrittene Vereinbarung tatsächlich getroffen wurde, hat er offen gelassen, weil der Kläger mit Recht geltend gemacht habe, dass die behauptete Vereinbarung ebenfalls nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar gewesen wäre.372 Nach der in der Vorinstanz festgestellten Behauptung des Beklagten soll die Vereinbarung Ende Dezember 2004, mithin innerhalb des letzten Monats vor dem am 11.1.2005 gestellten Eröffnungsantrag getroffen worden sein. Einen Anspruch auf eine solche, die übrigen Gläubiger der Schuldnerin benachteiligende Sicherung seiner Vergütungsforderung habe der Beklagte aber nicht gehabt. Änderungsvereinbarungen, die getroffen werden, bevor die erste Leistung eines Vertragsteils erbracht worden ist, könnten zwar der Deckungsanfechtung entzogen sein; um eine solche Änderungsvereinbarung habe es sich aber nicht gehandelt, weil der Beklagte die seiner Vergütungsforderung zugrunde liegenden Leistungen bereits vor Abschluss der behaupteten Vereinbarung erbracht hatte.373 Die Anfechtung der Direktzahlung scheitere auch nicht am Bargeschäftseinwand nach § 142 InsO. Ein Bargeschäft setze nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner über die beiderseits zu erbringenden Leistungen voraus, die im Falle einer inkongruenten Deckung – einer Leistung, die so nicht geschuldet war – gerade fehle.374

368 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 17 mit BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, ZIP 2008, 2324 Tz. 13 m.w.N.; v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, WM 2011, 371 Tz. 17; v. 17 72014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588 Tz. 17. Vgl. dagegen oben Rz. O29j ff. 369 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 24 mit BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, WM 2007, 1181 Tz. 8; v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588 Tz. 18 ff. 370 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 19 unter Bezugnahme auf BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, NZI 2013, 888 Tz. 13. 371 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 24 f. 372 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 24 unter Bezugnahme auf BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 Tz. 13; v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 Tz. 19. 373 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 24. 374 BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = WM 2015, 53 = ZIP 2015, 42 Tz. 25. Wagner

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O Rz. 77g

§ 142 InsO – Bargeschft

O 77g In seinem Urteil vom 17.7.2014 (Fenster und Türen) ist der Bundesgerichtshof zum gegenteiligen Ergebnis gelangt.375 Die Kongruenzvereinbarung sei nicht nach §§ 130, 131 InsO anfechtbar, weil sie keine Deckungshandlung im Sinne dieser Vorschriften darstelle. Die Vertragsparteien könnten den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch abändern, ohne den Charakter der Bardeckung zu gefährden, wenn sie die Abänderungsvereinbarung treffen, bevor die erste Leistung eines Vertragsteils erbracht worden ist. In einem solchen Fall sei nach Sinn und Zweck der §§ 132, 142 InsO eine abändernde Kongruenzvereinbarung, durch die ein Bargeschäft erst ermöglicht werde, der Deckungsanfechtung entzogen. Hiervon ist der IX. Zivilsenat auch in seiner Entscheidung vom 17.7.2014 ausgegangen. Außerdem stellt der Senat darauf ab, dass das Ziel der Änderungsvereinbarung darin besteht, Bardeckungen i.S.v. § 142 InsO zu ermöglichen. Im entschiedenen Fall sollte die Schuldnerin für ihre durch die Direktzahlungen der Bauherren bewirkten Leistungen an die Beklagte in engem zeitlichem Zusammenhang eine gleichwertige Gegenleistung durch die Beklagte in ihr Vermögen erhalten. Die beklagte Werklieferantin sollte die bestellten Türen und Fenster, deren Wert dem vereinbarten Kaufpreis entsprach, unmittelbar nach den Direktzahlungen auf die Baustellen der Schuldnerin ausliefern.376 O 77h Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung vom 17.7.2014 in seinem Grundsatzurteil vom 17.12.2015 bestätigt. Dabei ging es ebenfalls um Direktzahlungen eines Bauherrn an einen Subunternehmer der Schuldnerin, der mit der Lieferung und dem Einbau eines Brückengeländers beauftragt war. BGH-Urteil vom 17.12.2015 – BGHZ 208, 243 – Kongruenzvereinbarung zur Ermöglichung eines Baraustauschs377 Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Antrag vom 21.11.2011 über das Vermögen der B. GmbH (Schuldnerin) am 1.2.2012 eröffneten Insolvenzverfahren. Die I. schloss mit der Schuldnerin einen Werkvertrag über Bauarbeiten, die den „Brückenbau H.“ betrafen. Als Subunternehmer für die von ihr geschuldete Erstellung und Montage von etwa 200 m Straßengeländer setzte die Schuldnerin durch einen eigenständigen Vertrag den Beklagten ein. Auf der Grundlage einer nachträglich getroffenen Übereinkunft, derzufolge die I. den von der Schuldnerin zu begleichenden Werklohn unmittelbar an den Beklagten entrichten sollte, überwies die I. an diesen am 18.11.2011 einen Betrag von 35 243,97 Euro. Der Kläger nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Erstattung dieser Zahlung in Anspruch. Das Berufungsgericht (OLG München) hat der erstinstanzlich abgewiesenen Klage stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. 375 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 22 unter Bezugnahme auf BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, NZI 2013, 888 Tz. 13. 376 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 22 unter Bezugnahme auf BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162 Tz. 14, 16. 377 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 = BauR 2016, 818 = NJW 2016, 1012 = NZI 2016, 311 m. Anm. Eckhoff = WM 2016, 282 = ZInsO 2016, 326 = ZIP 2016, 279 m. zust. Anm. Bork, EWiR 2016, 113 (114); Anm. Kunz, DB 2016, 579 ff. und Swierczok, WuB 2016, 358 ff.

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II. Leistung und Gegenleistung

Rz. 77i O

Das Oberlandesgericht München hatte die Klageforderung aus §§ 143 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO hergeleitet und zur Begründung ausgeführt, die dreiseitige Vertragsänderung sei hier erst in Kraft getreten, als wesentliche Teile der Leistung des beklagten Subunternehmers bereits erbracht gewesen seien. Der Beklagte habe bereits durch die Anlieferung und Lagerung der Geländerteile auf dem Brückenbau nach außen hin mit der unmittelbaren Leistungserbringung begonnen, was einer kongruenten Vertragsänderung entgegenstehe. Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Er hat die Klage als unbegründet angesehen, weil der Beklagte aufgrund einer rechtzeitig getroffenen dreiseitigen Vereinbarung eine kongruente Deckung erlangt habe (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO), die als Bargeschäft gemäß § 142 InsO der Anfechtung entzogen sei. Eine daneben allein noch in Betracht kommende Anfechtung nach § 133 Abs. 1 BGB hat er ebenfalls nicht durchgreifen lassen. Der IX. Zivilsenat hat seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer anfechtungsfreien Kongruenzvereinbarung in dreifacher Hinsicht präzisiert und seinen Grundsätzen durch Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung besondere Bedeutung beigemessen. Erstens hat er klargestellt, dass die Kongruenzvereinbarung auf die Ermöglichung O 77i eines Baraustauschs abzielen muss. Eine wirksame Kongruenzvereinbarung für spätere Direktzahlungen sei zu verneinen, wenn der Änderungsvertrag seinerseits anfechtbar sei.378 Denn grundsätzlich unterliegen Kongruenzvereinbarungen, die in kritischer Zeit getroffen werden, als Rechtshandlungen, die eine Deckung ermöglichen, nach Maßgabe der §§ 130, 131 InsO der Anfechtung.379 So habe die im entschiedenen Fall verabredete dreiseitige Vereinbarung vom 10.11.2011 an sich die Voraussetzungen der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt, weil sie im letzten Monat vor der Antragstellung zustande gekommen sei und der Beklagte keinen Anspruch auf eine solche, die übrigen Gläubiger der Schuldnerin benachteiligende Sicherung seiner Vergütungsforderung hatte.380 In gleichem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, eine das ursprüngliche Schuldverhältnis abändernde Abrede könne keine Kongruenz herstellen, wenn sie im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag getroffen wird (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Wird sie innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag getroffen, könne Kongruenz nur erreicht werden, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Änderungsvereinbarung nicht zahlungsunfähig war und der Gläubiger die benachteiligende Wirkung nicht kannte (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO). Selbst eine vor Beginn des Dreimonatszeitraums getroffene Abrede sei unter den Voraussetzungen des § 133 InsO anfechtbar.381 378 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 18 mit BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588 Rz. 19. 379 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 18 mit BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 Rz. 39 f. = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse; BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 Rz. 13. 380 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 18 mit BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 Rz. 39 f. = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse; BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 113/10, WM 2013, 1361 Rz. 13. Vgl. auch BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 Rz. 14 ff. 381 BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12, BAGE 146, 323 Rz. 17 unter Bezugnahme auf MK-InsO/Kayser, § 131 Rz. 10; Schoppmeyer in Bork, Handbuch, Rz. 8/32, 8/36. Wagner

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O Rz. 77j

§ 142 InsO – Bargeschft

O 77j Eine Deckungsanfechtung der Kongruenzvereinbarung scheidet daher nur aus, wenn sie eine Bardeckung bezweckt.382 Umgekehrt ist eine Kongruenzvereinbarung gemäß §§ 130, 131 InsO anfechtbar, wenn dadurch die Kongruenz einer Deckung hergestellt werden soll, die nicht auf der Grundlage eines privilegierten Bargeschäfts stattfindet. Die Tatbestände der §§ 130, 131 InsO sollen dagegen nicht solche Fälle erfassen, in denen ein schuldrechtlicher Vertrag im Sinne des § 132 InsO bargeschäftlich erfüllt wird. Da bei einem Bargeschäft (§ 142 InsO) eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ausscheidet, würde der Zweck des § 132 InsO verfehlt, wenn die Erfüllung eines nicht unmittelbar benachteiligenden und deshalb nach § 132 InsO unanfechtbaren Deckungsgeschäfts als Deckungshandlung anfechtbar wäre.383 Deshalb verdränge die Vorschrift des § 132 InsO bei Abschluss einer Kongruenzvereinbarung die Regelung des § 131 InsO, wenn hierdurch eine Sicherung oder Befriedigung auf der Grundlage eines privilegierten Bargeschäfts ermöglicht werde.384 Eine abändernde Kongruenzvereinbarung, die ein Bargeschäft erst ermögliche, sei daher nach Sinn und Zweck der §§ 132, 142 InsO der Deckungsanfechtung entzogen.385 Die nachträgliche Kongruenzvereinbarung unterfalle regelmäßig nicht der Anfechtung nach § 132 InsO, weil sie infolge der damit verbundenen Leistung des späteren Anfechtungsgegners die Forderung des Schuldners gegen den Auftraggeber erst werthaltig mache und deshalb die Gläubiger nicht unmittelbar benachteilige.386 O 77k Zweitens hat der IX. Zivilsenat die zeitliche Zäsur für den Abschluss einer Kongruenzvereinbarung präzisiert und klargestellt, dass unter Leistung nicht die Vornahme der Leistungshandlung, sondern der Eintritt eines ersten Leistungserfolgs zu verstehen ist, so dass eine Änderungsvereinbarung bis zu diesem Zeitpunkt wirksam getroffen werden kann. Diese zeitliche Anknüpfung von Kongruenzvereinbarungen nicht an die Leistungshandlung, sondern an den Leistungserfolg ist nach Ansicht des Senats mit Blick auf die Regelung des § 321 BGB, die den Vorleistungspflichtigen bei einem Vermögensverfall seines Vertragspartners berechtigen, seine Leistung einstweilen zu verweigern und einen bereits eingeleiteten Leistungsvorgang abzubrechen,387 allein sachge-

382 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 17. 383 Vgl. auch BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Rz. 47 = ZIP 2014, 628 Tz. 47. 384 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 19 unter Bezugnahme auf Jaeger/Henckel, InsO, § 131 Rz. 4; § 142 Rz. 2; MK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 142 Rz. 23; Ganter, ZIP 2012, 2037 (2038) oben sowie BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (323) zu § 30 Nr. 1 Fall 1 KO. Vgl. auch BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 Rz. 47 = ZIP 2014, 628 Tz. 47. 385 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 19 mit BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588 Rz. 21. 386 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 19 mit BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588 Rz. 23. 387 Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 15 IV 1, 8. Von einem Anhalte- oder Stoppungsrecht des Vorleistungspflichtigen sollte entgegen BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rn. 25 nicht gesprochen werden. Diese Bezeichnungen sind ambivalent, weil sie nicht nur die geschuldete Vorleistung in den Blick nehmen, sondern doppelperspektivisch auch die Gegenleistung; darüber hinaus können sie auf das Schuldverhältnis bezogen werden, was nicht zutrifft, weil der Gläubiger die Ge-

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recht.388 Die Vertragspartner können somit den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch anfechtungsfest abändern, um in den Genuss einer nach §§ 130, 142 InsO anfechtungsrechtlich privilegierten Bardeckung zu gelangen, wenn sie die Abänderungsvereinbarung treffen, bevor die erste Leistung eines Vertragsteils erbracht worden ist.389 Dies entspricht der herrschenden Auslegung des § 142 InsO, wonach maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Bargeschäfts derjenige ist, in dem die zeitlich erste Leistung eines Vertragsteils erbracht wird. Bis dahin können die Beteiligten den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch abändern, ohne den Charakter der Bardeckung zu gefährden.390 Hat hingegen eine Partei – gleich ob der Schuldner oder sein Gläubiger – vorgeleistet, erscheint jede nachträgliche Änderung allein mit Bezug auf die Art der Gegenleistung im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Gläubiger verdächtig.391 Im entschiedenen Fall war die dreiseitige Vereinbarung rechtzeitig zustande gekommen, da sie getroffen wurde, bevor der Beklagte durch die Montage der Geländer einen ersten Werkleistungserfolg erbracht hatte.392 Einzelfallkriterien: Ob eine Kongruenzvereinbarung rechtzeitig geschlossen O 77l wurde, mithin ob und wann der erste von einem Vertragsteil bewirkte Leistungserfolg eingetreten ist, hängt von der Vertragsart und den im Einzelfall vereinbarten Pflichten ab.393 Bei einem gegenseitigen Vertrag ist ein Leistungserfolg stets eingetreten, soweit ein Vertragspartner die von ihm geschuldete geldwerte Vergütung entrichtet hat. Fehlt es daran, kommt es darauf an, ob der Vertragsgegner einen ersten Leistungserfolg bewerkstelligt hat. Handelt es sich um einen Kaufvertrag, wird ein solcher, der Beachtlichkeit einer Kongruenzvereinbarung entgegenstehender Leistungserfolg durch den Verkäufer mit der Übergabe der Kaufsache verwirklicht (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unter Anknüpfung an den ersten Leistungserfolg kann bei einem Mietvertrag eine bargeschäftliche Kongruenzvereinbarung nicht mehr geschlossen werden, sobald der Vermieter die Mietsache bezüglich des maßgeblichen Zeitabschnitts zum Gebrauch überlassen hat (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB). Im Rahmen eines Dienstvertrages (§ 611 Abs. 1 BGB) scheidet eine Kongruenzvereinbarung ab Aufnahme der Tätigkeit durch den Dienstverpflichteten aus. Bei Abwicklung eines Werkvertrages (§ 631 BGB) ist für eine Kongruenzvereinbarung kein Raum, sobald der Unternehmer eine erste Werkleistung geschaffen hat.394 Bloße Vorbereitungshandlungen stehen daher einer wirksamen Vereinbarung nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des IX. Zi-

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genleistung weiterhin bewirken oder zumindest Sicherheit für sie leisten soll, um die Einrede der Austauschgefährdung zu beseitigen. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 25. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 20 unter Bezugnahme auf BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 328 f. (zu § 30 Nr. 1 Fall 1 KO); v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 = WM 2007, 1181 Rz. 14; BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588 Rz. 21. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 21 m.w.N.; s. dazu oben Rz. O77a. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 20 unter Bezugnahme auf BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 328 f. (zu § 30 Nr. 1 Fall 1 KO). BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 20, 22 ff. Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 24. Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 24. Wagner

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vilsenats kann eine Kongruenzvereinbarung noch geschlossen werden, wenn im Rahmen eines Werklieferungsvertrages (§ 651 BGB) bestellte Türen und Fenster zwar bereits gefertigt, jedoch noch nicht ausgeliefert worden sind.395 Ebenso bei einem Werkvertrag (§ 631 Abs. 1 BGB), sofern Trennwände gefertigt, aber noch nicht ausgeliefert und eingebaut worden sind.396 So verhielt es sich auch in dem mit Urteil vom 17.12.2015 entschiedenen Fall, in dem die Brückengeländerelemente angeliefert und aufgestellt, aber noch nicht fest mit der Brücke verbunden (vgl. § 94 BGB), d.h. verpflichtungsgemäß montiert waren.397 Dementsprechend kann bei einer nach Baufortschritt bemessenen Entlohnung eines Bauunternehmers ein Bargeschäft gegeben sein, weil die abschnittsweise gewährte Vergütung an erbrachte Werkleistungen anknüpft.398 O 77m Drittens – für die Rechtspraxis besonders bedeutsam – hat der IX. Zivilsenat klargestellt, dass auch eine zweiseitige Kongruenzvereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger (Subunternehmer, Lieferant) genügen kann, um der Vereinbarung selbst eine anfechtungsfeste Wirksamkeit zu verleihen. Maßgeblich hierfür ist die Erwägung des Senats, dass die vom Schuldner durch Anweisung einer Zwischenperson erwirkte mittelbare Zahlung an einen seiner Gläubiger unabhängig davon inkongruent ist, ob ein eigenes Forderungsrecht des Gläubigers begründet wurde.399 Begnüge sich der Gläubiger mit einer Drittzahlung aufgrund einer vorweggenommenen Zahlungsanweisung an den Auftraggeber, ohne dass für ihn ein eigenes Forderungsrecht gegen den Dritten geschaffen wird, bedürfe es lediglich des Abschlusses einer Kongruenzvereinbarung zwischen ihm und dem Schuldner.400 O 77n Anders verhalte es sich, wenn der Gläubiger weitergehend verlangt, dass durch die Kongruenzvereinbarung in seiner Person ein selbständiges Forderungsrecht gegen den Dritten geschaffen wird.401 In diesem Zusammenhang weist der IX. Zivilsenat auf ein entsprechendes praktisches Bedürfnis hin, da einem von dem Auftragnehmer beauftragten Subunternehmer – auch im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 6 VOB/B – kein Direktanspruch auf Zahlung durch den Auftraggeber zustehe.402 Die rechtzeitige Mitwirkung des angewiesenen Dritten, insbesondere des direktleistenden Bauherrn, ist demnach nur erforderlich, 395 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 23 mit BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588 Rz. 22. 396 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 23 mit BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 = WM 2007, 1181 Rz. 14. 397 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 26 ff. 398 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 23 mit BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167 (190) Rz. 34. 399 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 30 mit BGH v. 9.1.2003 – IX ZR 85/02, WM 2003, 398, 400. 400 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 30 mit BGH v. 16.10.2008 – IX ZR 2/05, WM 2008, 2377 Tz. 13. 401 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 31 mit BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 24/04, WM 2005, 1033, 1034; v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, WM 2011, 371 Tz. 13. 402 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 31 unter Bezugnahme auf BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, WM 2015, 53 Tz. 14; Jaeger/Heckel, InsO, § 131 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 131 Rn. 35a.

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II. Leistung und Gegenleistung

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wenn der Gläubiger darauf besteht, dass ihm ein eigenes Forderungsrecht gegen den angewiesenen Dritten eingeräumt wird.403 Letzteres traf im entschiedenen Fall zu, weil nach den tatrichterlichen Feststellungen der Beklagte den Abschluss der Übereinkunft davon abhängig gemacht hatte, dass zu seinen Gunsten ein eigener Zahlungsanspruch gegen die I. begründet wurde.404 Dementsprechend wurde die Kongruenzabrede zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten unter Einbeziehung der I. vereinbart, deren persönliche Verpflichtung am 10.11.2011 erfolgt war.405 Im entschiedenen Fall waren die Kongruenzvereinbarungen somit nicht nach O 77o den §§ 130, 131 InsO anfechtbar, weil sie keine Deckungshandlung im Sinne dieser Vorschriften darstellten.406 Eine Anfechtung schied in den genannten, zugunsten der beklagten Subunternehmer bzw. Lieferanten entschiedenen Bardeckungsfällen auch nach anderen Vorschriften aus.407 Die Änderungsvereinbarungen waren nicht nach § 132 InsO anfechtbar, weil sie die Gläubiger nicht unmittelbar benachteiligten. Die Werklohnteilforderungen, welche die jeweilige Schuldnerin durch die späteren Direktzahlungen der Bauherren verlor, waren zum Zeitpunkt (Februar 2011 bzw. November 2011) der vertraglichen Änderung der jeweiligen Zahlungsmodalitäten nicht durchsetzbar und damit wirtschaftlich wertlos. Die Vertragsänderungen machten diese Teilforderungen erst werthaltig und benachteiligten die Gläubiger zum Zeitpunkt der Vereinbarung deswegen nicht unmittelbar.408 Die Kongruenzvereinbarungen waren auch nicht nach § 133 InsO anfechtbar, weil sie nicht mit einem hierfür erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin getroffen wurden, sondern zur Ermöglichung eines Baraustauschs, wobei die in die Masse erbrachten Gegenleistungen (Baustofflieferungen) zur Fortführung der Bauvorhaben, mithin des Geschäftsbetriebes der Schuldnerin notwendig und für die Gläubiger im Allgemeinen nützlich waren, zumal die Schuldnerin erst dadurch die noch ausstehenden Werklohnforderungen verdienen konnte.409 dd) Unanfechtbarkeit der vereinbarten Direktzahlung Auch die Direktzahlungen der Bauherren an die beklagten Subunternehmer O 77p bzw. Lieferanten waren infolge rechtzeitig getroffener Kongruenzvereinbarungen nicht anfechtbar. Eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO schied mangels Inkongruenz der Deckung aus; die Zahlung des Dritten (Bauherrn) er403 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 31 unter Bezugnahme auf BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 24/04, WM 2005, 1033, 1034; v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, WM 2015, 53 Tz. 24; sowie BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 = WM 2007, 1181 Tz. 13; v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588 Tz. 18. 404 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 31. 405 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 31. 406 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 20 ff. 407 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, BauR 2014, 1945 = NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 23 ff.; BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 20. 408 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, BauR 2014, 1945 = NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 23 f.; BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 20. 409 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, BauR 2014, 1945 = NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 25; BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 Rz. 20. Wagner

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§ 142 InsO – Bargeschft

folgte nunmehr wie geschuldet. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 132 Abs. 1 InsO waren die Zahlungen nicht anfechtbar, weil sie jeweils aufgrund eines Bargeschäfts im Sinne von § 142 InsO über gleichwertige Leistungen erfolgten. Im entschiedenen Fall hatte die Beklagte unmittelbar nach Erhalt der Direktzahlungen die Fenster und Türen auf die Baustellen der Schuldnerin ausgeliefert.410 Daher konnten die Direktzahlungen auch nicht nach § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden, weil es an einem hierfür erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin fehlte.411 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz in aller Regel nicht gegeben, wenn der Schuldner in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringt, die zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern im Allgemeinen nützt. Dies gilt auch dann, wenn Schuldner und Anfechtungsgegner Vorkasse für die von diesem erbrachten Leistungen vereinbart haben.412 Der subjektive Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO kann also entfallen, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit den potentiell anfechtbaren Rechtshandlungen eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, also ein bargeschäftsähnlicher Leistungsaustausch stattfindet. Diese Voraussetzungen waren auch im entschiedenen Fall erfüllt. Die Schuldnerin hat im unmittelbaren Zusammenhang mit den Zahlungen an die Beklagte durch die Auslieferung der Fenster und Türen eine gleichwertige Gegenleistung erhalten. Überdies hätte sie ohne die Direktzahlungen die Bauvorhaben nicht fortsetzen können und die berechtigte Aussicht, die achte Werklohnrate oder gar alle noch ausstehenden Raten zu verdienen, verloren.413 ee) Rechtsdogmatische und rechtspolitische Bewertung O 77q Direktzahlungen an Subunternehmer und Lieferanten beschäftigen die Rechtsprechung seit langem. Auch die hier wiedergegebenen jüngsten höchstrichterlichen Entscheidungen zeigen anschaulich, dass die wirtschaftlichen Folgen der Anfechtbarkeit von Direktzahlungen als inkongruente Leistungen nicht akzeptabel sind und der höchstrichterlich akzeptierte Ausweg in Form anfechtungsfester Änderungsverträge zur Erlangung des Bargeschäftsprivilegs (§ 142 InsO) häufig nicht praktikabel ist, da er für die Beteiligten oftmals nicht erreichbar ist, insbesondere weil bereits Teilleistungen erbracht worden sind. Darüber hinaus stellen die damit verbundenen rechtlichen Anforderungen auch die Rechtspraxis, Rechtsberatung und tatrichterliche Rechtsanwendung, vor erhebliche Herausforderungen. Umso mehr ist zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof den Beteiligten aufzeigt, wie sie zu anfechtungsfreien Direktzahlungen an Subunternehmer und Lieferanten gelangen können. Besonders hervorzuheben ist dabei die Unterscheidung zwischen zweiseitigen und dreiseitigen Kongruenzvereinbarungen, insbesondere die Klarstellung, dass eine vertragliche Mitwirkung des angewiesenen Dritten (Bauherr) nur dann erforderlich ist, wenn der Zahlungsempfänger (Subunternehmer, Lieferant) ein eigenes Forderungsrecht gegen den 410 411 412 413

BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 26. BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 27 ff. BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 29 m.w.N. BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZIP 2014, 1595 Tz. 30.

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Dritten begehrt, nicht aber, wenn er nur einen im Verhältnis zum Hauptauftragnehmer schuldkonformen zweiten Leistungsweg in Gestalt der Drittzahlung (Direktzahlung) eröffnen will. Dass die hierfür erforderlichen Vereinbarungen weitgehend durch konkludentes Verhalten herbeigeführt werden können, wobei spätestens die Entgegennahme einer Direktzahlung das Einverständnis des Empfängers mit diesem Zahlungsweg zum Ausdruck bringt,414 ist so selbstverständlich, dass der Senat darauf nicht gesondert eingegangen ist. Freilich sind mit dieser rechtsgeschäftlichen Lösung auch die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen vertraglicher Willenserklärungen verbunden, die im Einzelfall den Ausweg zur Ermöglichung eines anfechtungsresistenten Baraustauschs versperren können. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs behandelt Direktzahlungen des Drit- O 77r ten (Auftraggebers), auch soweit dieser nach § 16 Abs. 6 VOB/B (§ 16 Nr. 6 VOB/B a.F.) dazu berechtigt ist, als mittelbare Leistungen des Schuldners (Hauptauftragnehmers) an dessen Gläubiger (Subunternehmer, Lieferanten) und damit – vorbehaltlich eines dahingehenden Anspruchs des Zahlungsempfängers – als inkongruente Deckung i.S.v. § 131 Abs. 1 InsO. Seit dem sog. Kundenscheck-Urteil vom 30.9.1993 (BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320)415 ist der Bargeschäftseinwand (§ 142 InsO) bei inkongruenter Deckung ausgeschlossen, weil es an der für ein Bargeschäft konstitutiven Vereinbarung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner über den unmittelbaren Austausch gleichwertiger Leistungen fehle, wenn die angefochtene Leistung nicht in der Art, wie sie erbracht wird, geschuldet ist respektive verlangt werden kann. Die genannten Schwierigkeiten und Friktionen bei der sach- und interessengerechten Lösung der Direktzahlungsfälle wie generell bei berechtigten Drittleistungen entfielen ohne weiteres, wenn der Bundesgerichtshof zur früheren Rechtsprechung zurückkehren und mit der auch hier vertretenen Auffassung die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 142 InsO auch bei inkongruenten Deckungshandlungen bejahen würde. Dies gebieten bereits Wortlaut und Systematik dieser Vorschrift. Auch Sinn und Zweck des § 142 InsO stehen einer restriktiven Auslegung des Tatbestandsmerkmals „für die“ entgegen.416 Auch die vorstehend wiedergegebenen Fälle zeigen eindringlich, dass die jeweilige Gegenleistung des Zahlungsempfängers (Subunternehmers, Lieferanten) für die erhaltene Zahlung erfolgte, mithin für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Schuldners und umgekehrt. Dass es sich dabei um den unmittelbaren Austausch gleichwertiger Leistungen handelte, kann schwerlich bestritten werden. Auch die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu den subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei

414 Vgl. bereits BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 = WM 2007, 1181 Tz. 13; v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588 Tz. 18. Weitergehend BAG v. 22.10.2015 – 6 AZR 538/14, BAGE 153, 163 Rz. 18 ff., wo der gezielten, dem Zahlungsempfänger bekannten Nutzung eines Girokontos des Sohnes als Geschäftskonto des Schuldners im Wege des Onlinebanking eine stillschweigende dreiseitige Vereinbarung entnommen wird, auf die es in casu aber gar nicht ankam, weil das BAG eigene Zahlungen des Schuldners von einem fremden Konto annahm und damit eine Drittzahlung verneinte; s. oben Rz. O29e. 415 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (329). Siehe dazu Rz. O66 ff. 416 Siehe im Einzelnen Rz. O66 ff. Wagner

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bargeschäftlichem Leistungsaustausch bestätigen dies. Schließlich dürfte den Gläubiger im Allgemeinen wie allen Beteiligten mehr gedient sein, wenn Direktzahlungen auch ohne vorherige (rechtzeitige) Kongruenzvereinbarung mit dem Schuldner das Bargeschäftsprivileg genössen, wenn nur zeitnah eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des späteren Schuldners gelangt, was in den entschiedenen Fällen zutraf. O 77s Die jüngsten Entscheidungen lassen erkennen, dass der Bundesgerichtshof den gebräuchlichen Leistungsmodalitäten einer arbeitsteilig organisierten Wirtschaft, insbesondere der geschäftsüblichen Einschaltung Dritter in schuldrechtliche Leistungsvorgänge, zumindest punktuell auch im Insolvenzanfechtungsrecht gerecht werden möchte und zu verhindern sucht, dass das Anfechtungsrecht mehr schadet als nützt. So zeugen die jüngsten Entscheidungen von der Erkenntnis, dass Subunternehmer und Lieferanten Schutz verdienen vor insolvenzbedingten Forderungsausfällen, auch und gerade weil sie auf Vorkasse bzw. Direktzahlung bestehen, wenn der Hauptauftragnehmer in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist. Ob sich die Bauwirtschaft gegen die Insolvenz des Generalunternehmers nunmehr wirksam selbst schützen kann,417 wird freilich auch davon abhängen, ob und in welchem Maße es ihr gelingt, die Beteiligten für (nachträgliche) Kongruenzvereinbarungen zu gewinnen und die zeitliche Schranke hierfür zu beachten. O 77t

Entsprechendes gilt für den vom Bundesarbeitsgericht für Lohnzahlungen über Dritte beschrittenen Ausweg dreiseitiger Änderungsverträge zur Vermeidung der Inkongruenzanfechtung, der trotz Einführung eines Drittzahlungsschutzes für Arbeitsentgelt in § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO Bedeutung behalten dürfte (s. Rz. O29g). Vorzugswürdig erscheint dagegen die hier vertretene prinzipielle Einbeziehung inkongruenter Leistungen in den Kreis privilegierter Bargeschäfte (s. Rz. O29j). Eine von Vertretern der herrschenden Gegenansicht befürchtete Ausuferung der Bargeschäftsausnahme zu Lasten der Gläubigergemeinschaft steht dadurch nicht zu erwarten, weil auch hier an den strikten Voraussetzungen des bargeschäftlichen Leistungsaustauschs (§ 142 InsO) festgehalten wird mit der Folge, dass nur solche inkongruenten Leistungen in den Genuss der Bargeschäftsausnahme kommen können, für die im engen zeitlichen Zusammenhang eine gleichwertige Gegenleistung in die spätere Insolvenzmasse erbracht worden ist.418

417 Bork, EWiR 2016, 113 (114) a.E.; s. auch bereits Huber, EWiR 2007, 471 (472) zu BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, WM 2007, 1181 = ZIP 2007, 1162 Rz. 14 sowie M. Schönfelder, WuB VI A § 131 InsO 5.07. 418 Entgegen Ganter, WM 2015, 2117 (2118), der diese materiellen Schranken übersieht, wenn er eine Öffnung der Büchse der Pandora als Folge der hier vertretenen Ansicht befürchtet und die hier bereits seit der ersten Auflage favorisierte Rückkehr zu der vor dem Kundenscheckurteil BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 herrschenden Auslegung grundsätzlich ablehnt. Vgl. im Ergebnis wie hier Cranshaw/ Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 31 ff., 42 ff.; im Einzelnen Rz. O11 ff., O66 ff.

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III. Unmittelbarkeit

Rz. 80 O

III. Unmittelbarkeit 1. Enger zeitlicher Zusammenhang a) Grundsatz aa) § 142 InsO a.F. Unerlässliche Voraussetzung einer Privilegierung nach § 142 InsO ist, dass das O 78 Vermögen des Schuldners unmittelbar für dessen Leistung einen gleichwertigen Zuwachs erfährt. Dieses Erfordernis folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Nach herrschender Meinung ist der Begriff „unmittelbar“ i.S.d. § 142 InsO in zeitlicher Hinsicht zu verstehen, und zwar im Sinne eines engen zeitlichen Zusammenhangs.419 Dieses Kriterium ist jedoch auslegungsbedürftig und gibt damit Raum für eine gewisse Flexibilität bei der interessengerechten Lösung des Einzelfalls. Dabei kann auch die allgemeine Vorschrift des § 184 BGB zur Rückwirkung der Genehmigung anwendbar sein, anders als bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Vornahme der Rechtshandlung des Schuldners gemäß § 140 InsO.420 Die Begründung des Regierungsentwurfs vom 15.4.1992 beschränkt sich auf den O 79 knappen Hinweis, das Wort „unmittelbar“ besage, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen muss, wobei eine „gewisse Zeitspanne“ zwischen den beiden Leistungen nicht schade. Sie dürfe „aber nicht so lang sein, daß das Rechtsgeschäft unter Berücksichtigung der üblichen Zahlungsbräuche den Charakter eines Kreditgeschäfts annimmt.“421 Weitere Ausführungen enthalten die Motive dazu nicht. Entgegen der früher herrschenden engen Auslegung müssen Leistung und Ge- O 80 genleistung nach heute herrschender Meinung nicht mehr Zug um Zug erbracht werden; es genügt, wenn Leistung und Gegenleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht werden.422 Der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum lässt sich freilich nicht allgemein festlegen. Seine Bemessung hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon ab, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht (nunmehr § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO).423 Dieser 419 Vgl. BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 (3580) Tz. 24. 420 Vgl. BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, MDR 2010, 1420 = ZIP 2010, 2105 ff. Rz. 21 zur Genehmigung einer vom Schuldner veranlassten Lastschrift. S. auch Gehrlein, ZInsO 2010, 1857 (1865) m.w.N. 421 BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161; vgl. bereits RG v. 26.4.1932, RGZ 136, 152, (158): „kurze Zeitspanne“; s. Rz. O92. 422 BGH v. 13.4.2006 – ZR 158/05, BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199) Rz. 31; anders noch RGZ 100, 62 (64); vgl. dazu Rz. O78 und ausführlich zur Entwicklung Raschke, Diss. Hamburg 1999, S. 7 ff.; Klinck, Grundlagen, S. 369 ff. m.w.N. 423 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199) Rz. 31; v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 Tz. 31; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 16; HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 5; Kayser/Thole, § 142 Rz. 6; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 29; Lwowski/Wunderlich, Festschrift für Kirchhof, S. 308; Ganter, ZIP 2012, 2037 (2039) mit Fn. 37, jew. m.w.N. Insoweit übereinstimmend BAG v. 6.10.2010 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = ZIP 2011, 2366; krit. dazu Klinck, AP § 130 InsO Nr. 2. Siehe nunmehr § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO und dazu Rz. O87a ff. Wagner

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O Rz. 80

§ 142 InsO – Bargeschft

Rechtsgedanke sollte bei der Bestimmung des unschädlichen Zeitraums auch dann Berücksichtigung finden, wenn längere Zahlungsfristen – z.B. quartalsweise, halbjährlich oder gar jährlich zu entrichtende Zinsen, Prämien oder sonstige Gegenleistungen – üblicherweise vereinbart und die Leistungen vertragsgemäß ausgetauscht werden. Zutreffend meint daher Kirchhof, § 142 InsO solle nicht im Interesse der Insolvenzgläubiger verkehrsübliche Vertragsgestaltungen beschränken; eine Durchbrechung insolvenzfest vereinbarter längerer Zahlungstermine durch Anwendung einer starren 30-Tage-Frist sei abzulehnen, weil der Gläubiger sich von einer solchen Regelung allenfalls unter den Voraussetzungen des § 321 BGB lösen könne, die meist nicht in diesem Zeitraum festzustellen seien.424 O 81 Demgegenüber haben sich kritische Stimmen (zu Recht) nicht durchgesetzt. Das betrifft einmal die namentlich von Häsemeyer vertretene Auffassung, zur Bestimmung der Unmittelbarkeit komme es auf die Vorleistung des Gläubigers an.425 Ihr ist zwar zuzugeben, dass das in § 142 InsO verwendete Kriterium der Unmittelbarkeit „unpräzise“ ist; indessen schränkt ihre eigene Interpretation den Anwendungsbereich der Bargeschäftsausnahme unnötig ein, was dem Normzweck nicht entspricht. So hindert z.B. eine regelmäßig bestehende Vorleistungspflicht (vgl. § 614 Satz 1 BGB) nicht die Unmittelbarkeit der Gegenleistung, weil sie keine Kreditfunktion hat.426 Entsprechendes gilt gegenüber der im bankrechtlichen Schrifttum gegebenen Anregung, die durch die herrschende Auslegung des Unmittelbarkeitskriteriums hervorgerufenen Unsicherheiten durch einen Verzicht „auf den geforderten zeitlichen Zusammenhang“ zu beseitigen. Ihr Gegenvorschlag, „allein darauf abzustellen, ob von vornherein ein einheitlicher Leistungsaustausch vereinbart worden war“,427 ist eher kontraproduktiv, weil die damit verbundene Deflexibilisierung den möglichen Gewinn an Rechtssicherheit kompensieren dürfte. – Mit dem historischen Gesetzgeber (Rz. O79) ist vielmehr davon auszugehen, dass das Unmittelbarkeitserfordernis die zeitliche Grenze zwischen Baraustausch und Kreditgewährung bestimmen und damit verhindern soll, dass die Haftungsmasse trotz Gleichwertigkeit der (verzögert) ausgetauschten Leistungen beeinträchtigt wird.428

424 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 19a (Rz. 19 in der 2. Aufl.), dies sei nach der Rechtsprechung des BGH offen. Das Urteil BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201 f.) steht in der Tat nicht entgegen, da es zur Vergütung anwaltlicher Dienstleistungen ergangen ist. Allerdings bemerkt der Senat a.a.O. Rz. 33 grundsätzlich, einem vorleistenden Gläubiger stehe im Allgemeinen nur eine Insolvenzforderung zu. 425 Vgl. dafür Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.40 mit Fn. 198 m.w.N.; Häsemeyer, JuS 1986, 851 (855). 426 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 36 f.; ebenso für vorschüssig zu zahlende Mieten BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 71 (s. dazu Rz. O84, O167) = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. 427 Federlin in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rz. 12.160 im Anschluss an Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl., Rz. 6.101 mit Harm Peter Westermann, KTS 1982, 165. 428 H.M., vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 37 m. zust. Anm. Ganter, WuB VI A § 142 InsO 1.14; Kayser/Thole, § 142 Rz. 7; F. Bartels, S. 194 f. mit zahlr. w. Nachw.

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III. Unmittelbarkeit

Rz. 83 O

Mangels abweichender Regelungen ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass O 82 der Schuldner zu Teilleistungen nicht berechtigt (§ 266 BGB) und der Gläubiger vor Fälligkeit und Zugang einer Rechnung nicht leisten muss, um nicht in Verzug zu geraten (§§ 271, 286 Abs. 3 BGB). Bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen dürfen zwischen Leistung und Gegenleistung jedenfalls nicht mehr als 30 Tage liegen. Der Bundesgerichtshof hat dies in einem Urteil vom 21.6.2007 entschieden und zur Begründung auf sein Grundsatzurteil vom 13.4.2006 (BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190) verwiesen, in welchem es freilich um Vorschusszahlungen für anwaltliche Leistungen ging.429 In seiner zur Aufrechnung ergangen Entscheidung vom 11.2.2010 hat der Bundesgerichtshof auch das Unmittelbarkeitserfordernis verneint, weil der Anfechtungsgegner nicht mit Ansprüchen aufgerechnet hatte, die aus denselben technischen Vorgängen herrührten wie die Hauptforderungen der Schuldnerin, sondern zunächst mit Zinsen und sodann mit den ältesten Forderungen gemäß gesonderter Aufstellung (das erinnert an § 396 BGB).430 Hiervon zu unterscheiden ist die Verrechnung im ungekündigten Kontokorrent, die ein echtes Bargeschäft darstellt.431 Für die Einhaltung des Unmittelbarkeitserfordernisses kommt es nicht auf den O 83 Abstand zwischen Vertragsschluss und Leistung an, sondern auf die zeitnahe Leistung zum vereinbarten Termin,432 darauf, dass der Leistungsaustausch in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt (s. Rz. O80). Lohn- und Gehaltszahlungen erfolgen vertragsgemäß nach Erbringung der geschuldeten Arbeits- oder Dienstleistung pro rata temporis (vgl. § 614 Satz 2 BGB). Verkehrsüblich sind monatliche Zahlungen, je nach Tätigkeit und Branche aber auch kürzere oder längere Phasen. Der von § 142 InsO geforderte zeitliche Zusammenhang von Arbeitsleistung und Vergütung ist bis zu einem Monat nach Fälligkeit in der Regel noch gewahrt (vgl. § 286 Abs. 3 BGB: 30 Tage nach Fälligkeit und Rechnung bzw. Empfang der Gegenleistung),433 während zwei Monate nach Beendigung der Tätigkeit, jedenfalls mangels dahingehender Fälligkeits-

429 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, WM 2007, 1616 = ZIP 2007, 1469 Tz. 51 unter Bezugnahme auf BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201), s. dazu Rz. O103, O105 ff. 430 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 Tz. 35. 431 Vgl. Kayser, FS G. Fischer, 2008, 257, 275 ff.; ausführlich zu dieser Fallgruppe s. Rz. O136 ff. Zur vermehrten Anfechtung nach § 133 InsO s. Kirstein, ZInsO 2012, 709 ff. 432 Vgl. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 (370 f.) zu § 112 InsO; v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, NJW 2002, 3252 f. zu §§ 614, 675 BGB (zwei Monate); v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZInsO 2006, 1210 (1211) zu § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO (drei Wochen); detailliert Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 28 ff.; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 19; Kayser/Thole, § 142 Rz. 6; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 27 ff., jew. m.w.N. 433 Ebenso BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Ls. a mit Rz. 31 ff. m. zust. Anm. Ganter, WuB VI A § 142 InsO 1.14 (s. dazu Rz. O84, O174, O240c) für Gehaltzahlungen an Gesellschafter und im Anschluss daran BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 (109) Rz. 71 für Mietzahlungen an Gesellschafter (s. dazu Rz. O84, O167) = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. Wagner

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O Rz. 83

§ 142 InsO – Bargeschft

bestimmung, zu lang sind.434 Bei der Vergütung von Dienstleistungen beginnt der maßgebliche Zeitraum dagegen nicht mit der Beendigung der Tätigkeit, sondern mit deren Beginn. Liegen z.B. zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage, ist ein Bargeschäft nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zu verneinen.435 Praktisch besonders bedeutsam ist die Anfechtung verspäteter, rückständiger Lohnzahlungen, die sich häufig außerhalb des von § 142 InsO geforderten zeitlichen Zusammenhangs bewegen (vgl. Rz. O174 ff.). O 84 Demgegenüber hat das Bundesarbeitsgericht, das seit dem kontrovers diskutierten Beschluss des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27.9.2010436 in letzter Instanz zuständig ist für Anfechtungsklagen auf Herausgabe arbeitsvertraglicher Vergütungen, eine von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichende anfechtungsrechtliche Privilegierung von Lohn- und Gehaltszahlungen in kritischer Zeit vorgenommen.437 Danach liegt ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO vor, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für vom Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbrachte Arbeitsleistungen zahlt. Diese arbeitsgerichtliche Auslegung ist im insolvenzrechtlichen Schrifttum ganz überwiegend auf Ablehnung gestoßen, weil sie arbeits- und sozialpolitisch motiviert sei und den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten anfechtungsrechtlichen Grundsätzen widerspreche; außerdem richte sie den Fokus unnötigerweise wieder auf die Vorsatzanfechtung.438

434 Vgl. BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, NJW 2002, 3252 f. zu §§ 614, 675 BGB (zwei Monate); v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) (30 Tage); Uhlenbruck/ Ede/Hirte, § 142 Rz. 31; Kupka in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, § 142 Rz. 12. Im Ergebnis wie hier Ganter, ZIP 2012, 2037 (2040): ein Monat und 30 Tage nach Beginn der Tätigkeit. 435 Vgl. BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 = ZIP 2011, 232 Tz. 20; s. im Einzelnen, insbesondere zu der von K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 33 für notwendig erachteten Korrektur Rz. O172, O182 ff. 436 Beschl. v. 27.9.2010 – GmS-OGB 1/09, BGHZ 187, 105 = NJW 2011, 1211 = NZA 2011, 534 = ZInsO 2010, 2400 = ZIP 2010, 2418 m. krit. Anm. Bork, EWiR 2010, 765; m. zust. Anm. Windel, AP § 2 ArbGG Nr. 14; ergangen auf Vorlagebeschluss des BGH v. 2.4.2009 – IX ZB 182/08, NJW 2009, 1968 = ZIP 2009, 825 m. Anm. Jacoby, EWiR 2009, 415. Eingehend zu Vorgeschichte und Problematik der damit provozierten Rechtswegspaltung s. Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197, 199 ff.; in der Sache zu Recht strikt ablehnend Kreft, ZIP 2013, 241 ff.: Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3, 101 Abs. 1 S. 2 GG; Ries, ZInsO 2012, 1751 ff.; ihnen folgend Huber in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Rz. IV/572 ff.; jew. m.w.N. Zum dogmatischen Verständnis des Anfechtungsrechts s. Rz. P11 ff. 437 BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330 = NZI 2011, 981 = ZInsO 2011, 37 = ZIP 2011, 2366 m. krit. Anm. Huber, EWiR 2011, 817; Klinck, AP § 130 InsO Nr. 2; v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10; v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10; v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10. Eingehend dazu Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197, 201 ff.; Huber, ZInsO 2013, 1049 ff.; Klinck, DB 2014, 2455 ff.; Krause, Festschrift für Henckel, 2015, S. 163 ff., jew. m.w.N. 438 Zu den Einzelheiten s. Rz. O176 ff.; zur neuen Rechtslage seit 5.4.2017 s. Rz. O87d ff.

900 Wagner

III. Unmittelbarkeit

Rz. 86 O

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Grundsatzurteil vom 10.7.2014 (BGHZ O 84a 202, 59) der Auslegung des Bundesarbeitsgerichts widersprochen und entschieden, dass Lohnzahlungen des insolventen Arbeitgebers an vorleistungspflichtige Arbeitnehmer das Bargeschäftsprivileg nur genießen, wenn sie innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit bewirkt werden.439 Dabei schadet es nicht, wenn die Fälligkeit entsprechend (kollektiv-)vertraglicher Übung anstelle des ersten Tages des Folgemonats nicht länger als bis zum 15. Tag des Folgemonats hinausgeschoben wird.440 Der IX. Zivilsenat hält vertragliche Fälligkeitsregelungen zu Recht für maßgeblich, soweit diese sich im Rahmen des Üblichen halten und nicht in Wahrheit eine Kreditierung bezwecken. Die höchstrichterliche Kontroverse um die Behandlung rückständiger Lohnzahlungen hat indes zur Neuregelung in § 142 Abs. 2 InsO geführt, wonach ein Baraustausch gegeben ist, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Entgeltzahlung drei Monate nicht übersteigt (s. unten Rz. O87d). Ungeachtet der höchstrichterlichen Kontroverse hinsichtlich des maßgeblichen O 85 Zeitraums unanfechtbarer Arbeitsentgeltzahlungen genügt es zur Annahme eines Bargeschäfts im Allgemeinen nicht, dass die den Leistungen zu Grunde liegenden gegenseitigen Ansprüche in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Vielmehr muss der zeitliche Zusammenhang zwischen den ausgetauschten Leistungen gewahrt sein.441 Diese Erkenntnis folgt unmittelbar aus dem Wortlaut des § 142 InsO, der ausdrücklich auf die Leistung des Schuldners und die Gegenleistung des anderen Teils (Anfechtungsgegners) abstellt und nichts über die zugrunde liegenden Schuldverhältnisse (Ansprüche) besagt. Dem widerspricht es nicht, wenn der Bundesgerichtshof die Anfechtbarkeit von Kongruenzvereinbarungen am Maßstab der §§ 132, 142 InsO prüft (s. Rz. O77f). Denn diese Prüfung beschränkt sich darauf, ob die fragliche Vereinbarung abweichend von den bis dahin getroffenen Regelungen einen bargeschäftlichen Leistungsaustausch ermöglichen soll. Im Zusammenhang mit der Abbuchung von Leasingraten vom Schuldnerkonto O 86 hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass bei zeitnaher Zahlung von Mietoder Pachtzinsen ein Bargeschäft gegeben ist.442 Hierfür räumt der Bundesgerichtshof dem Mieter bei der Geschäftsraummiete ebenfalls (wie bei Lohnzahlungen) einen Zeitraum von 30 Tagen nach Fälligkeit ein. Ein Baraustausch, so der IX. Zivilsenat, liegt bei länger währenden Vertragsbeziehungen in Anleh-

439 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Ls. a mit Rz. 31 ff. (s. dazu Rz. O84, O174, O239) für Gehaltzahlungen an Gesellschafter; im Anschluss daran BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 (109) Rz. 71 für Mietzahlungen an Gesellschafter (s. dazu Rz. O84, O167) = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. Zustimmend Bograkos/Rissmann, ZInsO 2014, 2213 f.; Ganter, WuB VI A § 142 InsO 1.14; kritisch Klinck, DB 2014, 2455 ff.; Ries, EWiR 2014, 561 (562). 440 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 (72) Rz. 37; zust. Ganter, WuB VI A § 142 InsO 1.14; kritisch Klinck, DB 2014, 2455 ff. 441 Vgl. BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 Tz. 34; MKInsO/Kirchhof, § 142 Rz. 15. 442 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44 mit BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 (370). Wagner

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O Rz. 86

§ 142 InsO – Bargeschft

nung an § 286 Abs. 3 BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung binnen eines Zeitraums von 30 Tagen abgewickelt werden.443 BGH-Urteil vom 29.1.2015 – BGHZ 204, 83 – Verspätete Mietzahlungen444 Die Klägerin (eine GbR, gebildet von zwei Brüdern, die zugleich Kommanditisten der Schuldnerin und Gesellschafter-Geschäftsführer der KomplementärGmbH sowie hälftige Miteigentümer der vermieteten Betriebsgrundstücke waren) nahm als Vermieterin den beklagten Insolvenzverwalter, der im Laufe des Rechtsstreits Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte, auf Zahlung von Mieten und einer Nutzungsentschädigung in Anspruch. Der Beklagte rechnete gegen die Klageforderung hilfsweise mit Ansprüchen aus Insolvenzanfechtung hinsichtlich der von der Schuldnerin an die Klägerin im Zeitraum Dezember 2009 bis April 2010 gezahlten Mieten auf. Die Miete war nach § 6 des Mietvertrags monatlich im Voraus, spätestens am 15. Werktag eines Kalendermonats (des laufenden Monats) fällig und für Dezember 2009 statt dem 15. Dezember 2009 am 4. Januar 2010, für Januar 2010 statt dem 15. Januar 2010 am 4. Februar 2010, für Februar 2010 statt dem 15. Februar 2010 am 12. März 2010, für März 2010 statt dem 15. März 2010 am 8. April 2010 und für April 2010 statt dem 15. April am 20. April 2010 beglichen worden. Die Aufrechnung war unbegründet. Der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum von 30 Tagen war in keinem Fall überschritten und somit von einem Baraustausch auszugehen. O 86a Entscheidend für die Anwendung des Unmittelbarkeitskriteriums ist die rechtliche Bedeutung der vertraglichen Fälligkeitsbestimmung. Für den hier vereinfacht wiedergegebenen Sachverhalt hatte das Berufungsgericht die Festlegung der Fälligkeit der Miete auf den jeweils 15. Werktag des Monats der Nutzung als Stundung angesehen. Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof schon im Hinblick auf die unterschiedlichen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte für die Geschäftsraummiete einerseits, für die Grundstücksmiete andererseits zu Recht nicht gefolgt. Während bis zur Mietrechtsreform 2001 der Vermieter vorleistungspflichtig und die Miete erst am Monatsende geschuldet war (§ 551 BGB a.F.), sehen die §§ 556b, 579 Abs. 2 BGB für Räume und damit auch für Geschäftsräume – abweichender vertraglicher Übung entsprechend – eine Fälligkeit zum dritten Werktag des jeweiligen Monats vor. Bei der Miete von Grundstücken und beweglichen Sachen bestimmt dagegen § 579 Abs. 1 BGB in Übereinstimmung mit dem früheren Recht weiterhin den ersten Werktag des Folgemonats zum Fälligkeitszeitpunkt. Darüber hinaus weist der Senat auf die verbreitete Annahme im mietrechtlichen Schrifttum hin, der Gesetzgeber habe mit den Neuregelungen nur der vertraglichen Praxis entsprechen wollen, ohne mit der Fest-

443 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 (109) Rz. 71 mit BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 (70) Rz. 31. 444 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann = NJW 2015, 1109 = NZI 2015, 331 m. zust. Anm. J. Schmidt = WM 2015, 581 = ZInsO 2015, 559 = ZIP 2015, 589 m. zust. Anm. Spliedt, EWiR 2015, 453; eingehend K. Schmidt, NJW 2015, 1057 ff. und Kayser, WM 2015, 1973 ff.

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legung des Zahlungszeitpunkts auch das gesetzliche Leitbild der grundsätzlichen Vorleistungspflicht des Vermieters zu modifizieren. Überdies weist er zu Recht darauf hin, dass diese Regelungen nicht zwingend und deshalb abweichende Vereinbarungen zulässig sind.445 Im entschiedenen Fall umfasste die Vermietung Räume und Grundstücke, wo- O 86b zu auch individualisierbare Teilflächen gehören, sowie – hinsichtlich der Maschinen – bewegliche Sachen. Mit Rücksicht auf die unterschiedlichen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte und die Unsicherheit einer Bewertung, welcher Mietgegenstand den Schwerpunkt des Vertrages bildet und damit den Fälligkeitszeitpunkt vorgibt, stellt der Bundesgerichtshof klar, dass im Einklang mit der von dem Gesetzgeber ausdrücklich betonten Möglichkeit, abweichende individuelle Vereinbarungen zu treffen, ein Bedürfnis für eine vertragliche Fälligkeitsabrede anzuerkennen ist. Da die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in Umsetzung der von dem Gesetzgeber vorgefundenen Vertragspraxis auf bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, müsse der vereinbarte Fälligkeitszeitpunkt auch nicht von dem Gedanken einer generellen Vorleistungspflicht des Mieters getragen sein. Vielmehr sei den Vertragspartnern bei der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts ein gewisser Gestaltungsspielraum zuzubilligen. In Würdigung der unterschiedlichen für die einzelnen Mietgegenstände maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkte könne die von den Vertragspartnern gewählte Festsetzung des Zahlungstermins auf die Monatsmitte als angemessener Interessenausgleich bewertet werden, dem keine Stundung innewohne.446 Entsprechendes gilt für die Zahlung von Leasingraten, zumal sie Miet- und O 86c Pachtzahlungen vergleichbar sind.447 Nach Ziffer IV. 1. des Leasingvertrages in dem der Grundsatzentscheidung vom 10.6.2008 zugrunde liegenden Fall waren von der Schuldnerin monatliche Raten als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeuges zu erbringen. Es lag daher eine Rechtslage vor, die der bei Miet- und Pachtzahlungen vergleichbar ist,448 so dass das Unmittelbarkeitskriterium nach Übung und Auffassung des Rechtsverkehrs unproblematisch erfüllt war. Im Zusammenhang mit der Rückführung eines Überziehungskredits durch O 87 Gutschriften von im Lastschriftverfahren eingezogenen Beträgen hatte der Bundesgerichtshof den Fall zu beurteilen, dass die Beklagte (Anfechtungsgegnerin) die Gemeinschuldnerin etwa zur gleichen Zeit erhebliche Beträge zur Verfügung stellte, indem sie die Schuldnerin alsbald wieder über die gutgeschriebenen Beträge verfügen ließ, wobei die von der Beklagten beanspruchten geringer waren. Ein Anspruch auf Sicherung, so der Bundesgerichtshof, hindert die Anwendbarkeit des § 30 Nr. 2 KO (§ 131 InsO) dann, wenn er zwar in der kritischen Zeit, aber gleichzeitig mit der Forderung – Kredit gegen Sicherung – be-

445 Vgl. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 (109 f.) Rz. 73 mit BT-Drucks. 14/4553, S. 52, 74 und weiteren Nachw. = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. 446 Vgl. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 (110) Rz. 74 mit Nachw. = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann. 447 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44 m.z.N. 448 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44. Wagner

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gründet wurde.449 Insoweit greift ebenfalls der Grundsatz der Bardeckung auch dann ein, wenn zwischen der Begründung der Forderung gegen den späteren Gemeinschuldner und der Gewährung von Sicherheiten eine kurze Zeitspanne liegt.450 bb) Legaldefinition in § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO (n.F.) O 87a Die Neufassung des § 142 InsO durch Gesetz vom 29.3.2017 entspricht mit Ausnahme des § 142 Abs. 2 Satz 3 InsO (dazu Rz. O29a ff.) dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29.9./16.12.2015. Sie enthält in § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO nunmehr eine Legaldefinition des Unmittelbarkeitskriteriums. Danach ist der Austausch von Leistung und Gegenleistung unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Dies entspricht dem bisherigen Verständnis des Unmittelbarkeitserfordernisses in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich das Bundesarbeitsgericht dem Grundsatz nach angeschlossen hat. Gleichwohl war es zu den beschriebenen Auslegungsdivergenzen gekommen in der Frage, wie lange sich der Arbeitgeber Zeit lassen konnte mit fälligen Lohn- und Gehaltszahlungen. Die hierdurch entstandene Rechtsunsicherheit war ein Motiv für die von der Bundesregierung konzipierte Anfechtungsrechtsreform. Dabei nahm sie ihr Ziel, die bestehenden Normanwendungszweifel zu beseitigen, zum Anlass, „das bislang gesetzlich nicht näher definierte Unmittelbarkeitskriterium im Lichte der Vorstellungen des historischen Gesetzgebers und der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu konkretisieren.“451 Die Begründung des Gesetzentwurfs nimmt hierzu auf die Motive zu § 142 InsO Bezug, indem sie die (oben Rz. O79 wiedergegebene) Erwägung des historischen Gesetzgebers aufgreift und meint, dies mit der Definition in Absatz 2 Satz 1 lediglich zu verdeutlichen.452 Dass sich die Gesetz gewordene Formulierung nur rudimentär in den Gesetzesmaterialien zur Insolvenzordnung wiederfindet, indem dort von „üblichen Zahlungsbräuche(n)“ die Rede ist, wohl aber wortgetreu in der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs und von ihm herangezogener Kommentarliteratur, sei nur am Rande vermerkt.453 O 87b Der Bundesrat hatte indes auch insoweit eine Änderung vorgeschlagen.454 Danach sollte der Passus „und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ gestrichen werden.455 Zur Begründung wurde ausgeführt, die gesetzliche Bezugnahme auf die „Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ sei

449 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (186) mit BGH v. 5.11.1964 – VII ZR 2/63, WM 1965, 84 (87); Mentzel/Kuhn, KO, 8. Aufl., § 30 Rz. 55 m.w.N. 450 BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (186) mit VI 2c (richtig b) S. 183 f. 451 BT-Drucks. 18/7054, S. 13 a.E., 20 Absatz 2, 33 oben zu Nr. 5. 452 BT-Drucks. 18/7054, S. 13 a.E., 20 Absatz 2. 453 BT-Drucks. 18/7054, S. 20 Absatz 3. Vgl. dazu Rz. O79 f. mit Nachw. 454 BR-Drucks. 495/1/15, S. 15 f. unter Nr. 11. 455 BR-Drucks. 495/15 (Beschluss), S. 7 f. unter Nr. 5.

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abzulehnen, weil sie vermutlich zu Lasten des Wirtschaftsverkehrs und der Justiz zu Rechtsunsicherheiten und Verfahrensverzögerungen führe, die mit dem Gesetzentwurf gerade vermieden werden sollen. Die Begründung des Gesetzentwurfs enthalte keine Kriterien, wie der unbestimmte Rechtsbegriff der „Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ auszulegen sei. Vergleichbar mit dem Begriff des Handelsbrauchs in § 346 HGB seien diese Gepflogenheiten künftig jeweils nur im Einzelfall und mit sachverständiger Hilfe gerichtlich feststellbar. Dabei sei möglicherweise erschwerend zu berücksichtigen, dass diese Gepflogenheiten branchen- und gegebenenfalls sogar regional- oder saisonabhängig differenziert ermittelt werden müssten. Im Ergebnis führe dies zu spürbaren Verfahrensverzögerungen und erheblichen Mehrkosten für die beteiligten Parteien sowie zu einer Mehrbelastung der entscheidenden Gerichte und damit zu Effekten, die gerade verhindert werden sollten. Die Streichung des unbestimmten Rechtsbegriffs in § 142 Absatz 2 Satz 1 InsO-E führe auch nicht zu unbilligen Ergebnissen, weil die „Unmittelbarkeit“ des Leistungsaustauschs noch immer einen „engen zeitlichen Zusammenhang“ erfordere und sich an der „Art der ausgetauschten Leistung“ orientiere. Diese Begriffe ließen der Rechtsprechung angemessenen und ausreichenden Spielraum, um über die Unmittelbarkeit eines Leistungsaustauschs unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ohne zusätzliche zeit- und kostenintensive Ermittlungen anstellen zu müssen.456 Im weiteren Gesetzgebungsverfahren hat dieser Korrekturvorschlag keine Ge- O 87c folgschaft gefunden. Die Expertenanhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundestages am 24.2.2016 hat die Einwände des Bundesrates nicht bestätigt. Namentlich Huber ist dem Gesetzentwurf zu Abs. 2 Satz 1 nicht entgegengetreten, sondern hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs dieses Kriterium bereits anwendet.457 Dementsprechend hat die Bundesregierung die Befürchtung zurückgewiesen, die beanstandete Formulierung könne zu Rechtsunsicherheiten und Verfahrensverzögerungen führen, und den Änderungsvorschlag des Bundesrates abgelehnt. Sie ist vielmehr der Auffassung, dieses Definitionsmerkmal habe durchaus eigenständige Bedeutung. So habe das Bundesarbeitsgericht zur Begründung des Dreimonatszeitraums als Grenze eines unmittelbaren Leistungsaustauschs bei Arbeitsleistungen maßgeblich auf die Verkehrsauffassung abgestellt.458 Angesichts der abweichenden Auslegung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Lehre vermag dieses Argument allerdings nicht zu überzeugen, ungeachtet bestehender Zweifel am

456 BR-Drucks. 495/15, S. 8 oben. 457 Huber, Gutachten S. 15 (BT-ARV-Prot. 18/92, S. 70). Die hierzu beispielsweise in Bezug genommene Entscheidung vom 16.4.2015 betrifft allerdings nicht das Unmittelbarkeitskriterium, sondern die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die ständige Rspr. hierzu, dass die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit ist, wenn sie sich – wie im entschiedenen Fall – im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, vgl. BGH v. 16.4.2015 – IX ZR 6/14, NJW 2015, 1959 = ZInsO 2015, 898 = ZIP 2015, 937 m.w.N. 458 Vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 33 zu Nr. 5 (zu § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO-E). Wagner

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tatsächlichen Bestehen einer dahingehenden Verkehrsauffassung.459 Soweit die Replik der Bundesregierung zusätzlich darauf verweist, dass auch der Bundesgerichtshof für eine Reihe von weiteren Fallgruppen die Zeiträume und Anknüpfungspunkte für deren Beginn mit Blick auf die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs konkretisiert habe,460 ist hingegen nichts zu erinnern. cc) Ausnahme für Arbeitsentgelt in § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO (n.F.) O 87d

§ 142 Abs. 2 Satz 2 InsO enthält eine besondere Regelung für Lohn- und Gehaltszahlungen. Danach ist ein für die Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs erforderlicher enger zeitlicher Zusammenhang anzunehmen, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Die Vorschrift geht auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29.9./16.12.2015 zurück. Mit Satz 2 der neugeschaffenen Bestimmung wurde erklärtermaßen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Bargeschäft bei Lohn- und Gehaltszahlungen übernommen.461 Ihre dogmatische Bedeutung ist freilich noch zu klären, ebenso wie der von ihr erfasste Bargeschäftszeitraum. M.E. bedient sich der Gesetzgeber hier nicht der Regelbeispielstechnik, sondern fixiert eine zeitliche Grenze für den Baraustausch ausschließlich für die Zahlung rückständigen Arbeitsentgelts. Satz 2 bezeichnet kein Regelbeispiel für die Anwendung des in Satz 1 normierten Unmittelbarkeitskriteriums, an dem sich dessen Konkretisierung, genauer: die Annahme eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung in anderen Fällen orientieren könnte. Der Gesetzgeber normiert vielmehr eine spezielle Ausnahme (lex specialis) von dem allgemeinen Maßstab der Unmittelbarkeit, d.h. von dem ansonsten nach Satz 1 (lex generalis) kürzer zu bemessenden Zeitraum für eine anfechtungsfreie Zahlung rückständigen Arbeitsentgelts, indem er der Rechtsanwendung zwingend vorgibt, dass Lohn- und Gehaltszahlungen – vorbehaltlich eines erkannt unlauteren Verhaltens des Arbeitgebers (oder eines für ihn zahlenden Dritten gemäß Satz 3) – von der Anfechtung ausgenommen sind, wenn der zeitliche Rahmen von drei Monaten nicht überschritten wird.

O 87e Im Gesetzgebungsverfahren war diese Neuregelung nicht (mehr) umstritten; die zuvor bestehende rechtsdogmatische und rechtspolitische Kontroverse, markiert durch die gegensätzlichen höchstrichterlichen Entscheidungen von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof, war gleichsam durch Zeitablauf erledigt. Auch in der Expertenanhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundestages am 24.2.2016 wurde die Kontroverse nicht mehr aufgegriffen.462 Selbst Michael Huber, der die Auslegung des Unmittelbarkeitskriteriums durch das Bundesarbeitsgericht vehement kritisiert hatte, hielt den Regelungsvorschlag zu Abs. 2 Satz 2 459 Zum vermeintlichen Ende des Branchenüblichkeitseinwands mit der Rechtsprechung des BGH v. 10.7.2014 (BGHZ 202, 59) s. auch die zust. Anm. von Bograkos/ Rissmann, ZInsO 2014, 2213 (2214). 460 BT-Drucks. 18/7054, S. 33 oben zu Nr. 5 mit BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199) Rz. 31 ff. Vgl. Rz. O78 ff. m.w.N. 461 Vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 14 oben, 19 f., 20 Mitte. 462 Das Ergebnis der Anhörung nebst Stellungnahmen der Sachverständigen ist auf der homepage des Bundestages unter http://www.bundestag.de/ausschuesse/protokolle, hier Prot. der 92. Sitzung v. 24.2.2016, BT-ARV, Prot. 18/92, S. 31 ff. abrufbar.

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im Hinblick auf eine durch die Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts „bereits eingetretene Verfestigung“ für nicht mehr abwendbar.463 Diese Begründung mag man angesichts des relativ kurzen Zeitraums, der seit dem Paukenschlag aus Kassel verstrichen war, als verblüffend zur Kenntnis nehmen, an dem politischen Konsens lässt sich indes nicht zweifeln, anders als in der Frage des Netto- oder Bruttolohnansatzes (s. dazu Rz. O123b). Klärungsbedarf besteht auch hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale dieser Neu- O 87f regelung. Einmal bezüglich des Entgeltbegriffs (s. dazu Rz. O123a), zum anderen hinsichtlich der konkreten Bestimmung des Dreimonatszeitraums. Während dessen Ende durch die Gewährung der Vergütung markiert ist und sich mit deren Zahlung (in der Regel mit Gutschrift auf dem Bankkonto des Arbeitnehmers) klar bestimmen lässt, könnten sich Auslegungszweifel in Bezug auf den Beginn des anfechtungsfesten Zeitraums ergeben. Die insoweit maßgebliche Arbeitsleistung umfasst sowohl deren Anfang als auch deren Ende, ungeachtet einer bestehenden Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers (vgl. § 614 Satz 1 BGB). Der Begründung des Gesetzentwurfs vom 16.12.2015 ist zu entnehmen, dass die notwendige Unmittelbarkeit des Austauschs im Rahmen von Arbeitsverträgen zu bejahen ist, wenn der Zeitraum zwischen dem Beginn der Arbeitsleistung, deren Vergütung streitig ist, und der Auszahlung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt.464 Demgegenüber hatte der Bundesgerichtshof den Beginn des Bargeschäftszeit- O 87g raums zu Recht an die Fälligkeit der nachschüssig zu leistenden Lohnzahlung geknüpft (Rz. O84a). Aufschlussreich ist insoweit auch die konkrete Bemessung des Bargeschäftszeitraums in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die dem Gesetzgeber vermeintlich als Blaupause für seine Neuregelung diente.465 In seiner Ausgangsentscheidung vom 6.10.2011 (BAGE 139, 235) hat das Gericht den maßgeblichen Zeitraum praktischerweise ausgehend vom Zeitpunkt der Zahlung rückwärts berechnet, indem es Arbeitsentgelt für vom Arbeitnehmer in den vorangegangenen drei Monaten erbrachte Arbeitsleistungen von der Anfechtung ausnahm (vgl. Rz. O84). Zu erwähnen bleibt, dass der Bundesrat (ebenfalls ohne Erfolg) die Bitte ausge- O 87h sprochen hatte, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine klare zeitliche Festlegung des „engen zeitlichen Zusammenhangs“ in § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO zu prüfen. In die Prüfungen sollten – neben der Angleichung an die Frist von drei Monaten (§ 142 Absatz 2 Satz 2 InsO) – auch kürzere Fristen einbezogen werden, soweit sie den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht werden. Zur Begründung heißt es, im Gesetzentwurf werde der enge zeitliche Zusammenhang lediglich für die Frage der Anfechtbarkeit von Arbeitsentgeltzahlungen näher konkretisiert (§ 142 Absatz 2 Satz 2 InsO-E). Weiterhin undefiniert sei der enge zeitliche Zusammenhang bei allen übrigen Bargeschäften (§ 142 Absatz 2 Satz 1 InsO-E). Aus der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung sei eine klare zeitliche Vorgabe nicht erkennbar, so dass Rechtsuntersicherheiten bei allen Betei463 Huber, Gutachten S. 15 (BT-ARV, Prot. 18/92, S. 70). 464 Vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 14, 1. Absatz. 465 Siehe oben Rz. O84 und ausf. Rz. O174 ff. mit Nachw. Wagner

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ligten fortbestünden. Anstelle des unbestimmten Rechtsbegriffs sollte auch für alle übrigen Bargeschäfte (§ 142 Absatz 2 Satz 1 InsO-E) eine klare gesetzliche Regelung aufgenommen werden.466 O 87i Diesen Vorschlag hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates ebenfalls verworfen. Unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Erkenntnis, dass sich der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum kaum allgemein festlegen lasse, ist sie der Auffassung, ob ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe, hänge wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs ab.467 Dem ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu Recht nicht mehr widersprochen worden. Der Gesetzgeber befindet sich insoweit im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die auch im Schrifttum ganz überwiegend Zustimmung gefunden hat.468 Die Bundesregierung verweist im Übrigen darauf, dass die Rechtsprechung die Zeiträume und Anknüpfungspunkte für deren Beginn für eine Reihe von Fallgruppen bereits hinreichend konkretisiert habe, so dass Rechtsunsicherheiten und Verfahrensverzögerungen nicht zu gewärtigen seien.469 O 87j Hinsichtlich des weiteren sachlichen Anwendungsbereichs des § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO, d.h. zum Begriff des „Arbeitsentgelts“ und insbesondere zu der Frage, ob damit der Nettolohn oder der Bruttolohn von der Anfechtung ausgenommen sein soll, ist auf die Erläuterung im Rahmen ihres sachlichen Zusammenhangs, mithin der Gleichwertigkeit der Gegenleistung, einzugehen.470 b) Reihenfolge von Leistung und Gegenleistung O 88 Auf die Reihenfolge von Leistung und Gegenleistung kommt es grundsätzlich nicht an.471 Auch eine etwaige Vorleistungspflicht des Schuldners schließt daher die Annahme eines Bargeschäfts nicht aus.472 Die Begründung des Regie466 BT-Drucks. 18/7054, S. 30 unter 6. zu Art. 1 Nr. 4. 467 BT-Drucks. 18/7054, S. 33 zu Nr. 6. 468 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199) Rz. 31; v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZInsO 2010, 673 Tz. 31; insoweit übereinstimmend BAG v. 6.10.2010 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235; vgl. bereits E. Wagner in Kummer/Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 1. Aufl. (2012), Rz. O68; 2. Aufl. (2014), Rz. O80; O92 ff.; ebenso F. Bartels, S. 195 f. m.w.N. 469 BT-Drucks. 18/7054, S. 33 zu Nr. 5, 6; s. aber Thole, ZIP 2017, 401, 408 (vor 3.3). 470 Rz. O123a ff.; zum Arbeitnehmerbegriff vgl. Thole, ZIP 2017, 401, 409. 471 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 (329); MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 16; vgl. aber BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 153/07, DZWIR 2010, 290. Vgl. zusammenfassend BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Umdruck Rz. 4 mit BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, WM 2001, 689 (691) zur kontokorrentmäßigen Verrechnung und allgemein zu § 142 InsO: BGHZ 167, 190 (202) (inkongruente Leistung bei Vorschusszahlung an den Anwalt nach Fälligkeit der Anwaltsgebühr in einer abgeschlossenen Angelegenheit); BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, WM 2007, 1181 (1182) (Direktzahlung des Bauherrn an den Subunternehmer nach Ablauf der dem insolventen Unternehmer gesetzten Frist zur Beibringung einer Sicherheit; unanfechtbares Bargeschäft trotz Vertragsänderung durch die Beteiligten). 472 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 Tz. 31. Zur Gegenansicht im Schrifttum vgl. oben Rz. O81.

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III. Unmittelbarkeit

Rz. 90 O

rungsentwurfs vom 15.4.1992 hat zwar nur die umgekehrte Konstellation im Blick, indem sie eine gewisse Zeitspanne „zwischen der Leistung des Vertragspartners und der Gegenleistung des Schuldners“ als unschädlich bezeichnet. Erfasst sind damit Vorleistungen des Gläubigers, etwa als Mieter, Arbeitnehmer, Auftragnehmer oder Dienstleister. Der Gesetzeswortlaut des § 142 InsO ist jedoch entgegengesetzt formuliert, so dass Vorleistungen des Schuldners geradezu als der Normalfall erscheinen, wie etwa als Verkäufer, Auftragnehmer oder vorschussleistender Auftraggeber.473 Auf die (zeitliche) Abfolge von Leistung und Gegenleistung kommt es jedoch bei Dauerschuldverhältnissen mit wiederkehrenden, nach Zeitabschnitten bemessenen und zu vergütenden Leistungen an.474 Die Feststellung, dass es für die Beurteilung als Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO O 89 nicht auf die Reihenfolge von Leistung und Gegenleistung ankommt, hat besondere Relevanz bei Verrechnungen im Kontokorrent. Die in der Rechtsprechung wiederholt gemachte Aussage, es komme auf die Reihenfolge von Gutschriften und Belastungsbuchungen nicht an,475 bezieht sich – wie der Bundesgerichtshof in einem Hinweisbeschluss vom 14.1.2010 klargestellt hat – auf das Merkmal der Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs.476 Bei genauerer Betrachtung ist dieser Gesichtspunkt hier jedoch vorbehaltlich abweichender gesetzlicher (z.B. § 133 InsO i.V.m. § 142 InsO) oder vertraglicher Regelungen weder für die Unmittelbarkeit noch für die Gleichwertigkeit des Leistungsaustauschs im Rahmen des § 142 InsO von Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger per saldo benachteiligt wird. Hiervon zu unterscheiden sind freilich die Fälle, in denen wie bei Dauerschuldverhältnissen mit wiederkehrenden Leistungen, insbesondere bei Arbeits- oder Gebrauchsüberlassungsverträgen, auch die Gegenleistung nach Zeitabschnitten bemessen ist. In diesen Fällen verbietet sich eine zeitabschnittübergreifende (perpetuierende oder kontinuierliche) Saldierung: ein Bargeschäft scheidet regelmäßig aus, wenn im Zeitpunkt der Zahlung bereits die Vergütung für den nächsten Zeitabschnitt fällig ist.477 Dementsprechend hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in dem ge- O 90 nannten Hinweisbeschluss vom 14.1.2010 klargestellt, dass „unabhängig davon stets gefordert (wurde), dass die Verrechnung einer Gutschrift nicht der letzte Akt sein darf, bevor das Kreditinstitut das Konto des Schuldners schließt.“ Es müssten vielmehr weitere Verfügungen zugelassen werden, woran es in dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt gefehlt habe.478 Der Einwand, in Höhe der 473 Vgl. zum systematischen Hintergrund bereits Eckardt, ZIP 1999, 1417 (1423). 474 Siehe dazu Rz. O86, O89, O105 f., O165 ff., O181a ff. 475 Vgl. BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (202) Rz. 39; v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, WM 2001, 689 (691); v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, WM 2007, 1181 (1182) Rz. 15. 476 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Rz. 2; v. 14.1.2010 – IX ZR 153/07, DZWIR 2010, 290. 477 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 37; s. dazu Rz. O83 ff., O86, O165 ff., O181a ff. 478 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Tz. 2; v. 14.1.2010 – IX ZR 153/07, DZWIR 2010, 290 Tz. 2. Vgl. im Einzelnen unten Rz. O136 ff., O144. Wagner

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O Rz. 90

§ 142 InsO – Bargeschft

Rückführung des höchsten Sollstandes habe die beklagte Bank gerade keine erneuten Verfügungen zugelassen, berücksichtige nicht, dass es im Rahmen eines Bargeschäfts nicht auf die Reihenfolge von Leistung und Gegenleistung ankommt. – Dagegen scheidet die Rückzahlung eines Darlehens durch den Schuldner als Gegenstand eines Bargeschäfts grundsätzlich aus, zumal nicht die Rückzahlung, sondern die Verzinsung im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Gewährung des Darlehens steht.479 Indes wird man auch die vereinbarungsgemäße Zahlung von Kreditzinsen durch den Schuldner streng genommen nicht als anfechtungsfreie Gegenleistung i.S.d. § 142 InsO ansehen können,480 obwohl der Schuldner gerade in der Krise auf die weitere Kapitalnutzung angewiesen ist. Denn die in der fortdauernden Kapitalüberlassung liegende Leistung des Kreditinstituts steht zwar im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Zinszahlung, führt dem Schuldner aber kein neues Vermögen zu.481 2. Weiterungen und Grenzen O 91 Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die kontokorrentmäßige Verrechnung,482 sondern zum Beispiel auch im Zusammenhang mit der Annahme einer inkongruenten Leistung bei Vorschusszahlungen an einen Rechtsanwalt nach Fälligkeit der Anwaltsvergütung in einer abgeschlossenen Angelegenheit;483 ferner bei Direktzahlungen des Bauherrn an den Subunternehmer nach Ablauf der dem insolventen Unternehmer gesetzten Frist zur Beibringung einer Sicherheit.484 Ein unanfechtbares Bargeschäft kann selbst bei einer Vertragsänderung durch die Beteiligten gegeben sein.485 Der besondere Schutz des funktionellen Synallagmas, den die Vorschrift bezweckt,486 kann eben auch durch eine nachträgliche, d.h. im Anschluss an die (Vor-)Leistung des Schuldners getroffene Vereinbarung hergestellt worden, solange die (zeitliche) Grenze zum inäquivalenten Kreditgeschäft nicht überschritten wird. Bei wertäquivalenten Gegenleistungen ist die Gläubigergesamtheit durch § 133 InsO ausreichend geschützt (vgl. Rz. O67).

479 Vgl. im Zusammenhang mit der Rückführung von Gesellschafterdarlehen BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 Tz. 2; vgl. Rz. O153; ebenso in der Vorinstanz OLG Celle v. 8.10.2012 – 13 U 95/12, ZInsO 2012, 2150 = ZIP 2012, 2114 Tz. 18. Zur Rückführung und erneuten Inanspruchnahme einer Kreditlinie s. aber Rz. O136 ff. 480 Str., a.A. bei Verrechnung fälliger Kosten und Zinsansprüche der Bank im Kontokorrent: MünchKomm/Kirchhof, § 142 Rz. 13b m.w.N.; ihm folgend Kupka, in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, § 142 Rz. 10. 481 Vgl. dazu Rz. O32 ff.; zur Frage der Teilbarkeit und zeitnahen Teilleistungen s. Rz. O108 ff. 482 Vgl. bereits BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, WM 2001, 689 (691). 483 Vgl. allgemein zu § 142 InsO BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (202). 484 Vgl. BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, WM 2007, 1181 (1182). 485 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Rz. 4; BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 153/07, DZWIR 2010, 290. Zu vertragsändernden (nachträglichen) Kongruenzvereinbarungen s. Rz. O77a ff. 486 Häsemeyer, InsR, 4. Aufl., Rz. 21.40 a.E.

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Rz. 94 O

III. Unmittelbarkeit

a) Fallbeispiele Das Reichsgericht hatte zunächst solche Geschäfte als Bargeschäfte angesehen, O 92 bei denen Leistungen Zug um Zug ausgetauscht wurden (RGZ 100, 62, 64), aber bereits ausgesprochen, dass ein Rechtsgeschäft den Charakter eines Bargeschäfts nicht verliert, wenn zwischen Vertragsschluss und Zahlung eine kurze Zeitspanne liegt (RGZ 136, 152, 159). Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung fortgesetzt.487 Ob ein Bargeschäft vorliegt, richte sich nach der Verkehrsauffassung.488 In einem besonders gelagerten Fall, in dem ein Auftrag zur Fertigung von Unterlagen für den Antrag auf Eröffnung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens erteilt worden war, hat der Bundesgerichtshof angenommen, ein zeitlicher Abstand von etwa drei Wochen zwischen der Auftragserteilung und einer Forderungsabtretung zur Vergütung des Auftrags schließe die Annahme eines Bargeschäfts nicht aus.489 In Fällen der Darlehensgewährung gegen Bestellung einer Hypothek oder Grundschuld als Sicherung für die Darlehensforderung steht der Annahme eines Bargeschäfts nicht entgegen, wenn die Eintragung der Hypothek oder Grundschuld einen Monat oder gar zweieinhalb Monate nach der Darlehensgewährung erfolgt. Denn in diesen Fällen muss berücksichtigt werden, dass zur Eintragung der Hypothek oder Grundschuld die Mitwirkung eines Notars und des Grundbuchamtes erforderlich ist.490 Bemerkenswert ist hierzu folgender Umschuldungs-Fall. BGH-Urteil vom 26.1.1977 – NJW 1977, 718 (Grundschuldbestellung) Der spätere Gemeinschuldner und seine Ehefrau hatten zur Sicherung eines O 93 Darlehens der B. Bank AG eine Grundschuld bestellt und bei der Umschuldung dieses Darlehens von der B. Bank AG auf die Beklagte die Übertragung der Grundschuld auf die Beklagte veranlasst. Das Grundbuchamt hatte den Antrag auf Eintragung der Grundschuld am 24.11.1971 zunächst zurückgewiesen, weil der Gemeinschuldner und seine Ehefrau zu dieser Zeit noch nicht als Eigentümer des Grundstücks eingetragen waren. Dieses Hindernis haben sie durch ihren Antrag vom 23.12.1971 auf Umschreibung des Eigentums am Grundstück ausgeräumt, so dass dem am 27.12.1971 von der Beklagten gestellten neuerlichen Antrag auf Eintragung der Grundschuld stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht hatte im Gegensatz zum Landgericht ein anfechtbares O 94 Bargeschäft bejaht, weil der Gemeinschuldner nicht unverzüglich alles getan habe, um der Beklagten die für ihre Darlehensgewährung vereinbarte grund-

487 Vgl. zusammenfassend BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 – Tiefkühlkost – unter III 2 m.w.N. 488 BGH v. 9.2.1955 – IV 173/54, LM Nr. 2 zu § 30 KO = WM 1955, 404 (Hypothekenbestellung); v. 21.5.1980, a.a.O. 489 BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 (347) – Vergütung für Vergleichsantrag. 490 BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718 = WM 1977, 254 (Grundschuld) mit BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/74, WM 1955, 404 = LM KO § 30 Nr. 2 (Hypothek). Wagner

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§ 142 InsO – Bargeschft

pfandrechtliche Sicherung zu verschaffen. Dagegen hatte die Revision gerügt, dass die Abtretung der Grundschuld an die Beklagte Zug um Zug mit der Darlehensgewährung an den Gemeinschuldner und der Ablösung seines Kredits bei der B. Bank AG erfolgt und als einheitliches Ganzes gewollt gewesen sei. Dem (übereinstimmenden) Willen der Beklagten und des Gemeinschuldners habe es daher entsprochen, die Grundschuldbestellung und Darlehenshingabe als einheitlichen Vorgang – als Bardeckung – durchzuführen. Der Umstand, dass infolge der zunächst noch fehlenden Eintragung des Gemeinschuldners und seiner Ehefrau als Eigentümer und durch die Arbeitsbelastung des Grundbuchamtes eine Verzögerung der Grundschuldbestellung um zweieinhalb Monate eingetreten sei, habe die Eigenschaft der Vereinbarung als Bargeschäft nicht aufgehoben. O 95 Der Bundesgerichtshof teilt diese Ansicht. Dagegen habe das Berufungsgericht den Begriff des Bargeschäfts zu eng ausgelegt, indem es das Vorliegen eines solchen im Hinblick darauf verneint habe, dass der erste Antrag auf Eintragung der Grundschuld zurückgewiesen wurde mit der Folge, dass zwischen Antrag und Eintragung ein Zeitraum von zweieinhalb Monaten lag. Der Bundesgerichtshof hat zunächst unter Bezugnahme auf das bereits erwähnte Hypotheken-Urteil vom 9.2.1955 klargestellt, dass es sich um eine der Anfechtung nicht unterliegende Bardeckung auch dann handeln kann, wenn der Anfechtungsgegner dem späteren Gemeinschuldner einen Darlehensbetrag ausgehändigt hat in der Erwartung, dass dieser unverzüglich die vereinbarte Bestellung einer Hypothek als Sicherheit für die Darlehensforderung in die Wege leiten werde, und wenn der Gemeinschuldner sich dementsprechend verhalten hat und die Eintragung der Hypothek daraufhin ungefähr einen Monat später erfolgt ist.491 Übliche Bearbeitungszeiten hindern die Unmittelbarkeit des Leistungsaustausch generell nicht.492 O 96 Bezogen auf den entschiedenen Fall führt der Bundesgerichtshof aus: Der Gemeinschuldner hatte hier zusammen mit seiner Ehefrau zur Sicherung des Darlehens der B. Bank AG eine Grundschuld bestellt und bei der Umschuldung dieses Darlehens von der B. Bank AG auf die Beklagte die Übertragung der Grundschuld auf die Beklagte veranlasst. Mit dem dazu gestellten Eintragungsantrag beim Grundbuchamt waren von seiten des Gemeinschuldners die Voraussetzungen für das Entstehen der Grundschuld durch Eintragung geschaffen (§§ 1192, 1116, 873 Abs. 2 BGB). Der Gemeinschuldner und seine Ehefrau waren an ihre Einigung über die Grundschuldbestellung und deren Übertragung auf die Beklagte gebunden (§§ 1192, 1154 Abs. 3, 873 Abs. 2 BGB). Sie hatten der Beklagten eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt, was daraus hervorgeht, dass die Beklagte unstreitig selbst am 27.12.1971 den Antrag stellte, der zur Eintragung der Grundschuld führte. Damit, so der VIII. Zivilsenat, habe die Übertragung des Rechts auf die künftig entstehende Grundschuld auf die Beklagte gegen die Darlehensgewährung an den Ge491 BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718 = WM 1977, 254 (II 1b) mit BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/74, WM 1955, 404 = LM KO § 30 Nr. 2. 492 Vgl. näher zu den praktischen Ausprägungen der Verkehrsanschauung Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl., Rz. 6.96 ff. m.w.N.

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III. Unmittelbarkeit

Rz. 98 O

meinschuldner alle Merkmale eines Bargeschäfts, auch wenn die Grundschuld ohne Brief erst mit der Eintragung im Grundbuch zur Entstehung kam. Dass bis zur Eintragung der Grundschuld zwangsläufig noch eine Zeitspanne verging, zerstöre den Charakter einer Bardeckung im entschiedenen Fall nicht, nachdem der Gemeinschuldner und seine Ehefrau entsprechend der Vereinbarung mit der Beklagten zunächst die für die Grundschuldbestellung notwendigen Maßnahmen in die Wege geleitet hatten.493 Verallgemeinerbar führt der Bundesgerichtshof weiter aus, ein zeitlicher Ab- O 97 stand zwischen den einzelnen Akten eines Leistungsaustausches stehe der Annahme eines Bargeschäfts nicht notwendig entgegen.494 Eine feste Zeitspanne, innerhalb derer die Abwicklung eines Rechtsgeschäfts dessen Charakter als Bargeschäft nicht beeinträchtigt, lasse sich vor allem dann nicht bestimmen, wenn die vom Gemeinschuldner zu erbringende Leistung in der Bestellung eines Grundpfandrechts besteht. In casu hätten der Gemeinschuldner und seine Ehefrau der Beklagten vereinbarungsgemäß die unwiderrufliche Eintragungsbewilligung für die Grundschuld als Gegenleistung für deren Darlehensgewährung verschafft. Der Umstand, dass der entsprechende Eintragungsantrag beim Grundbuchamt zunächst an der fehlenden Voreintragung der Grundschuldbesteller als Eigentümer des Grundstücks gescheitert war, sei unerheblich, weil dieses Eintragungshindernis einen Monat später beseitigt und sodann unverzüglich die Eintragung der Grundschuld erneut beantragt und vorgenommen worden sei. Von der bis zur Eintragung verstrichen Zeit von zweieinhalb Monaten habe das Grundbuchamt allein einen Monat für den Vollzug des Eintragungsantrags (27.12.1971 bis 27.1.1972) in Anspruch genommen. Die bis zur Abwicklung des Geschäfts verflossene Zeit sei nicht geeignet, den von den Parteien gewollten und durch ihr Verhalten angestrebten Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung und der Grundschuldbestellung zu beseitigen. Es seien tatsächlich gleichwertige Leistungen, nämlich die Kreditgewährung der Beklagten gegen die Grundschuldbewilligung, Zug um Zug ausgetauscht worden. Eine Benachteiligung der Gläubiger des Gemeinschuldners sei deshalb nicht eingetreten, so daß die Anfechtungsklage keinen Erfolg haben könne.495 Im Mittelpunkt der für die Anwendung des § 142 InsO auf Honorarzahlungen O 98 maßgebenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 13.4.2006 und vom 6.12.2007 steht dagegen die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Erfüllung anwaltlicher Honorarforderungen.496 Hierzu hat Pape mit Recht hervorgehoben, dass es sich dabei regelmäßig um eine „Gratwanderung“ zwischen der Befriedigung berechtigter Ansprüche und einer Ausplünderung im Vorfeld des Insolvenzverfahrens handelt, zumal den Beteiligten die wirtschaftliche 493 BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718 = WM 1977, 254 (II 2a). 494 BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718 = WM 1977, 254 (II 2a) mit BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/74, WM 1955, 404 = LM KO § 30 Nr. 2 (Hypothek) und RGZ 136, 152 (159). 495 BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718 f. = WM 1977, 254 (II 2b). 496 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (Leits. a) m. Anm. Pape, EWiR 2007, 117 = BGH-Report 2006, 1133 m. Anm. Ringstmeier; v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 = NZI 2008, 173 = ZInsO 2008, 101 m. Anm. Gundlach, BGH-Report 2008, 304; Freudenberg, EWiR 2008, 409. S. dazu Rz. O105 ff., O236 ff. Wagner

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O Rz. 98

§ 142 InsO – Bargeschft

Krise des Mandanten nicht verborgen geblieben sein kann.497 Dabei spielt für § 142 InsO auch die Gleichwertigkeit der Gegenleistung eine Rolle (s. Rz. O118 f., O197 ff.). Bei der Bestimmung des Unmittelbarkeitskriteriums ist hingegen maßgeblich und seit der Anfechtungsrechtsnovelle ausdrücklich in § 142 Abs. 2 Satz 1 InsO geregelt der Art der ausgetauschten Leistungen sowie den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs (Rz. O80) Rechnung zu tragen. O 99 Ein Beispiel für eine sehr kurz bemessene Zeitspanne zwischen Leistung und Gegenleistung im Zusammenhang mit Warenlieferungen im Großhandel stellt der Tiefkühlkost-Fall aus dem Jahre 1980 dar. BGH-Urteil vom 21.5.1980 – NJW 1980, 1961 – Tiefkühlkost Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen einer Warenhauskette (Gemeinschuldnerin), die von der Beklagten in der Zeit vom 14. bis 22.7.1976 mit Waren beliefert wurde. Hierfür erteilte sie der Gemeinschuldnerin unter dem 27. bis 30.7.1976 Einzelrechnungen und in dem gleichen Zeitraum der der Gemeinschuldnerin angeschlossenen Einkaufsgesellschaft D. Sammelrechnungen, in denen die Einzelrechnungen zusammengefasst waren. Am 6.8.1976 erhielt die Beklagte zum Ausgleich der Rechnungen von der Gemeinschuldnerin einen Scheck über 104 414,28 DM. Dieser Betrag wurde dem debitorisch geführten Konto der Gemeinschuldnerin bei der bezogenen Bank am 9.8.1976 belastet. Auf den Konkursantrag der Gemeinschuldnerin vom 6.8.1976 wurde am 13.9.1976 das Konkursverfahren über deren Vermögen eröffnet. Der Kläger macht geltend, die Einkaufsgesellschaft, nicht die Beklagte, sei Vertragspartnerin und Gläubigerin der Gemeinschuldnerin gewesen. Er nimmt die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung und infolge Konkursanfechtung auf Zahlung von 104 414,28 DM nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte behauptete, zwischen den Parteien hätten unmittelbare Vertragsbeziehungen bestanden, sie bestritt die angeblichen Ansprüche des Klägers und beantragte Klagabweisung. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Der Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung über den geltend gemachten Bereicherungsanspruch zurück. O 100 Unter Geltung der Konkursordnung war allgemein anerkannt, daß Bargeschäfte, bei denen gleichwertige Leistungen ausgetauscht werden, der Anfechtung weder nach § 30 Nr. 1 KO (§§ 130, 132 InsO) noch nach § 30 Nr. 2 KO (§ 131 InsO) unterliegen, weil die Konkursgläubiger nicht benachteiligt werden, wenn dem Vermögen des Gemeinschuldners alsbald ein entsprechender Gegenwert zufließt.498 Was für die genannten Fälle gilt, lasse sich allerdings nicht ohne weiteres auf einen Kaufvertrag über bewegliche Sachen übertragen. Der Bundesgerichtshof teilt die Ansicht der Revision, daß bei einem derartigen Belieferungsvertrag engere Grenzen gezogen werden müssen. Dennoch sei nach der 497 Pape, EWiR 2007, 117 unter 1. S. dazu unten Rz. O206. 498 Vgl. RGZ 100, 62 (64 und 136, 152, 158 f.); BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 – Tiefkühlkost – unter III 1 m.w.N.

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III. Unmittelbarkeit

Rz. 103 O

Verkehrsauffassung im entschiedenen Fall ein Bargeschäft anzunehmen.499 Obgleich auch bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen der für die Annahme eines Bargeschäfts i.S.d. § 142 InsO unschädliche Zeitraum nicht generell bestimmt werden könne, sei jedenfalls unter den gegebenen Umständen eine Zeitspanne von je einer Woche zwischen Lieferung und Rechnungsstellung und zwischen Rechnungsstellung und Scheckbegebung nicht zu lang, um ein Bargeschäft anzunehmen.500 Der Bundesgerichtshof hat im Tiefkühlkostfall unter den gegebenen Umständen eines Großunternehmens mit Filialbetrieb jedenfalls eine Zeitspanne von jeweils rund einer Woche zwischen Lieferung und Rechnungsstellung und zwischen Rechnungsstellung und Scheckbegebung als nicht zu lang angesehen, um ein Bargeschäft anzunehmen.501 Maßgeblich für die Bemessung des zeitlichen Zusammenhangs zwischen den O 101 Lieferungen der Beklagten und der Scheckzahlung durch die Schuldnerin ist die Begebung des Schecks, nicht dessen Gutschrift, weil und soweit der Scheckgeber auf letztere keinen Einfluss hat. – Im normalen Geschäftsverkehr werden derartige Geschäfte, insbesondere wenn es sich um Großbetriebe handelt, nicht in wenigen Tagen abgewickelt. In Großbetrieben wie demjenigen der Beklagten des entschiedenen Falles werden die Rechnungen im allgemeinen nicht mit der Lieferung oder sofort danach erteilt, weil mit der Lieferung und der Rechnungsstellung verschiedene Abteilungen befasst sind. Die Bezahlung einer Lieferung erfolgt auch und gerade im kaufmännischen Verkehr in der Regel erst nach Rechnungserteilung. So lagen auch im Großbetrieb der Gemeinschuldnerin zwischen dem Eingang der Rechnungen und deren Bezahlung „etliche Tage, weil für die Bezahlung eine andere Abteilung zuständig war als diejenige, die die Lieferung entgegennahm.“ Diese Konstellation liegt erst recht vor, wenn die Lieferung wie im entschiedenen Fall an Filialen des Unternehmens erfolgte, die Zahlung aber von der Zentrale vorgenommen wird. Eine sofortige Bezahlung der Lieferungen der Beklagten war somit schon aus organisatorischen Gründen nicht möglich.502 Im Ergebnis würde auch dann nichts anderes gelten, wenn, wie der Kläger im O 102 entschiedenen Fall behauptet hatte, vertragliche Beziehungen nicht zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten, sondern zwischen der Gemeinschuldnerin und der Einkaufsgesellschaft einerseits und der Einkaufsgesellschaft und der Beklagten andererseits bestanden hätten. Angesichts der dargestellten Umstände und des festgestellten Zeitablaufs wäre auch dann ein Bargeschäft anzunehmen, so dass der Bundesgerichtshof offen lassen konnte, ob bei jener Fallgestaltung die Konkursanfechtung gegen die Einkaufsgesellschaft hätte gerichtet werden müssen.503 Obgleich der für die Annahme eines Bargeschäfts unschädliche Zeitraum zwischen Leistung und Gegenleistung nicht generell bestimmt werden kann, erscheint heute bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen ungeachtet des Einsat499 500 501 502 503

BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 unter III 3. BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 unter III 3b. BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 unter III 3b. BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 unter III 3a. BGH v. 21.5.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 unter III 3c. Wagner

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O 103

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§ 142 InsO – Bargeschft

zes moderner Datenverarbeitungssysteme eine Zahlungsfrist von nur einer Woche als sehr knapp bemessen. Verkehrsüblich sind im kaufmännischen Geschäftsverkehr Zahlungsziele von zwei bis vier Wochen oder 30 Tage (vgl. § 286 Abs. 3 BGB), im Rahmen des Factoring von 30 bis 90 Tagen, bei Verbraucherverträgen zumindest von 14 Tagen in Anlehnung an die gesetzliche Widerrufsfrist (§ 355 Abs. 2 BGB). O 103a Dementsprechend ist bei einem Kaufvertrag über bewegliche Sachen nach der jüngeren, nach Inkrafttreten der InsO ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Unmittelbarkeitserfordernis noch genügt, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung nicht mehr als 30 Tage liegen.504 Im Anschluss daran hat auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Urteil vom 10.3.2016 zu der in Lieferverträgen verbreiteten Abrede Zahlung 30 Tage nach Lieferung mittels Bankabbuchungsauftragsverfahren zutreffend für maßgeblich erachtet, ob die Leistung des anderen bereits als Gewährung eines Kredits oder noch als übliche Erfüllung aufgefasst wird.505 Im entschiedenen Fall hatten der Schuldner, der einen Brennstoffhandel betrieb, und der auf Rückzahlung in Anspruch genommene Beklagte einen Rahmenvertrag über die Lieferung von Diesel und Heizöl geschlossen und vereinbart, dass Rechnungen 30 Tage nach Lieferung fällig sind und die Zahlung mittels Bankabbuchungsauftragsverfahren erfolgt. Der Schuldner hatte seiner Bank nach Maßgabe ihrer Bedingungen für Zahlungen im Lastschriftverkehr einen Abbuchungsauftrag zugunsten der Beklagten erteilt. Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass die Parteien des Liefervertrages eine im Geschäftsverkehr durchaus übliche, an § 286 Abs. 3 S. 1 BGB ausgerichtete Zahlungsvereinbarung getroffen hatten, bei deren Einhaltung noch die Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs gewahrt ist. Dabei hat es für die Frage, ob mit der streitgegenständlichen Lastschrift die 30-Tage-Frist eingehalten war, nicht auf den nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Zeitpunkt der Einlösung der Lastschrift abgestellt, sondern auf den Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs. O 103b Der Bundesgerichtshof hat bereits für das Einzugsermächtigungsverfahren als auch für das SEPA-Verfahren ausdrücklich entschieden, dass es für die Frage, ob ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO vorliegt, weil der Zahlung eine auch in zeitlicher Hinsicht unmittelbare Gegenleistung des Zahlungsempfängers gegenübersteht, in beiden Lastschriftverfahren auf den Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs ankommt.506 Maßgebend hierfür ist die Erwägung, dass der Gläubiger schon vorher über den gutgeschriebenen Betrag tatsächlich verfügen kann und 504 BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, WM 2007, 1616 = ZIP 2007, 1469 Tz. 51 unter Bezugnahme auf BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201). S. dazu oben Rz. O82. 505 OLG Düsseldorf v. 10.3.2016 – I-12 U 36/15, ZInsO 2016, 968 = ZIP 2016, 1176 unter II 1.2 = juris Rn. 31 unter Bezugnahme auf Kupka in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 2. Aufl., Teil III, § 142 InsO Rn. 12. 506 Für das Einzugsermächtigungsverfahren BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 Rz. 47; BGH v. 29.5.2008 – IX ZR 42/07 = WM 2008, 1327 Tz. 13 ff. (15); v. 2.4.2009 – IX ZR 171/07, WM 2009, 958 Tz. 10; für das SEPA-Lastschriftverfahren: BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rz. 34 = WM 2010, 1546 mit Obermüller/Kuder, ZIP 2010, 349 (355), jeweils m.w.N.

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III. Unmittelbarkeit

Rz. 105 O

dem Schuldner wegen der unmittelbar mit der Gutschrift korrespondierenden Belastung seines Kontos vom Gläubiger kein Kredit gewährt wird. Für das Abbuchungsauftragsverfahren gelten diese Erwägungen erst recht.507 In dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedenen Fall war die Lieferung am 27.1.2012 erfolgt und das Ende der Zahlungsfrist auf einen Sonntag (26.2.2012) gefallen, so dass die Zahlung am 27.2.2012 fällig war. An diesem Tag war ungeachtet der erst zwei Tage später eingetretenen Einlösung auch der Lastschrifteinzug erfolgt.508 An dem für das Bargeschäft erforderlichen unmittelbaren Austausch zwischen O 104 Leistung und Gegenleistung fehlt es auch in Fällen des erweiterten Eigentumsvorbehalts, in denen der Schuldner Zahlungen auf Kaufpreisforderungen erbringt, ohne im Gegenzug das Eigentum an der bezahlten Ware zu erhalten, weil dieses vereinbarungsgemäß auch andere noch offene Forderungen sichern soll, sei es desselben Lieferanten (so beim Kontokorrentvorbehalt), sei mit diesem verbundener Unternehmen (so beim Konzernvorbehalt) oder sonstiger bezeichneter Dritter.509 An einem unmittelbaren Leistungsaustausch fehlt es auch bei unregelmäßigen Abschlagszahlungen, die nicht auf konkrete erfolgte oder zukünftige Leistungen oder Lieferungen bezogen sind und der Gläubiger mangels einer von der gesetzlichen Regelung in § 366 Abs. 2 BGB im Sinne eines Baraustauschs abweichenden Leistungsbestimmung seitens des Schuldners auf die älteste aufgelaufene Verbindlichkeit verrechnet.510 Eine Zahlungsvereinbarung, wonach der Schuldner Lieferungen erst im Zusammenhang mit Neubestellungen bei dem Gläubiger zu bezahlen hat, führt gegebenenfalls zu einer Kreditgewährung, bei der es typischerweise an einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt.511 b) Vorleistungen bei Dauerschuldverhältnissen BGH-Urteil vom 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 – Anwaltshonorar (Vorschusszahlungen) Der Beklagte war seit Anfang/Mitte Oktober 2001 für die in finanziellen Schwie- O 105 rigkeiten befindliche A. GmbH (Schuldnerin) anwaltlich tätig. Als Honorar erhielt er von der Schuldnerin zunächst – jeweils in bar – am 1.11.2001 5000 DM und am 8.11.2001 10 000 DM. Am 9.11.2001 stellte der Geschäftsführer der 507 OLG Düsseldorf v. 10.3.2016 – I-12 U 36/15, ZInsO 2016, 968 = ZIP 2016, 1176 unter II 1.2 = juris Rn. 31 unter Bezugnahme auf MüKoInsO/Kirchhof, § 142 Rz. 17 mit Fn. 140. 508 OLG Düsseldorf v. 10.3.2016 – I-12 U 36/15, ZInsO 2016, 968 = ZIP 2016, 1176 unter II 1.2 = juris Rn. 31 unter Bezugnahme auf BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, NZI 2007, 517 (521) Tz. 51. 509 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 (1759) = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 628 = ZIP 2015, 585 Rz. 24; v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZInsO 2016, 2474 = ZIP 2016, 2423 Rz. 32, jeweils zu einer Kombination von verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt in Form des Kontokorrentvorbehalts. 510 BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 32 mit Kayser, NJW 2014, 422 (427). 511 BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 2, 32 a.E. Wagner

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O Rz. 105

§ 142 InsO – Bargeschft

Schuldnerin im Beisein des Beklagten beim Amtsgericht – Insolvenzgericht – einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Nach dem Vortrag des Beklagten geschah dies mit dem Ersuchen, den Antrag erst zu bearbeiten, wenn bis zum 12.11.2001 eine erwartete Kapitaleinlage der französischen Muttergesellschaft ausbleiben sollte. Am 12.11.2001 erhielt der Beklagte – wiederum in bar – von der Schuldnerin eine weitere Zahlung von 35 764,62 DM. Über den Gesamtbetrag von 50 764,62 DM existiert eine auf den 12.11.2001 datierte Rechnung des Beklagten. Zu der Kapitaleinlage kam es nicht. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.2.2002 eröffnet. Der zum Insolvenzverwalter bestellte Kläger nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung des erhaltenen Honorars in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Auf die Revision des Insolvenzverwalters hat der Bundesgerichtshof das landgerichtliche Urteil teilweise wieder hergestellt.

aa) Maßgeblicher Bezugspunkt O 106 Bei längerfristig angelegten Schuldverhältnissen ist die Begriffsbestimmung des Tatbestandsmerkmals „unmittelbar“ von besonderer Bedeutung. So können sich zum Beispiel freiberufliche, insbesondere anwaltliche Dienstleistungen über einen längeren Zeitraum hinziehen. Selbst wenn es sich dabei nicht um Dauermandate handelt, sind Zeitspannen von Monaten oder Jahren nicht selten.512 Dies wäre unter dem Gesichtspunkt des engen zeitlichen Zusammenhangs von Leistung und Gegenleistung nicht problematisch, wenn auf den Zeitraum zwischen der Beendigung der Dienstleistung und der Zahlung des Honorars abzustellen wäre. Der Bundesgerichtshof hält den dahingehenden Auslegungsvorschlag von Lwowski/Wunderlich513 jedoch für unzutreffend. Zwar habe der Rechtsanwalt, der von dem Mandanten alsbald nach Fälligkeit der Vergütung bezahlt wird, dem Mandanten keinen „Kredit durch Stundung“ gewährt. Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Bargeschäft nicht in Betracht komme, rechtfertige aber nicht den Umkehrschluss, ein Bargeschäft sei immer dann anzunehmen, wenn kein Kredit gewährt werde. Vielmehr erbringe der Dienstleistende eine Vorleistung, wenn seine Vergütung erst nach Beendigung seiner Dienste fällig werde.514 O 107 Wer an den Schuldner Vorleistungen erbracht hat, hat wegen seines Anspruchs auf die Gegenleistung grundsätzlich nur eine Insolvenzforderung.515 Die dem § 142 InsO zugrunde liegende gesetzgeberische Erwägung, dass dem in der Krise befindlichen Schuldner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr ermöglicht werden soll, falls dies die Gläubigergesamtheit nicht beeinträch-

512 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (200) Rz. 32 a.E. 513 FS Kirchhof S. 312; ähnlich Kirchhof, ZInsO 2005, 340 (344). Ihnen folgend bei der Vergütung vorläufiger Insolvenzverwalter in nicht eröffneten Verfahren Budnik, EWiR 2012, 247 (248 unten); s. dazu Rz. O191. 514 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (200) Rz. 33. 515 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (200) Rz. 33 mit BGHZ 135, 25 (27).

918 Wagner

III. Unmittelbarkeit

Rz. 108a O

tigt, betreffe, so der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 13.4.2006, nicht Fälle, in denen über längere Zeit vorgeleistet wird. Wer zum Beispiel für den Schuldner ein Gebäude errichtet und sich darauf einlässt, dass der Werklohn insgesamt erst nach Abschluss der Bauarbeiten zu entrichten ist, könne sich, wenn der Schuldner ihn in der Krise bezahlt, nicht darauf berufen, der Bauvertrag sei ein Bargeschäft gewesen. Mit Dienstverträgen verhalte es sich nicht anders. Dementsprechend stellt der Bundesgerichtshof bei der Prüfung, ob der Vertrag über die Dienstleistung eines anwaltlichen oder steuerlichen Beraters ein privilegiertes Bargeschäft darstellt, grundsätzlich auf den Zeitraum zwischen der Annahme des Auftrags oder dem Beginn der Tätigkeit und der Gegenleistung ab.516 bb) Zeitliche oder gegenständliche Teilbarkeit Deshalb verlangt der Bundesgerichtshof bei länger dauernden Vertragsbeziehun- O 108 gen für die Annahme eines Bargeschäfts, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden.517 Das ist praktisch ubiquitär und in besonders bedeutsamen Wirtschaftsbereichen häufig der Fall, wie etwa im Rahmen der Durchführung von Bauverträgen, des Zahlungsverkehrs nach Maßgabe von Girovertrag und Kontokorrentabrede, bei der vorschussweisen Vergütung in Dienstleistungs- und Geschäftsbesorgungsverhältnissen und nicht zuletzt im Rahmen der Energieversorgung, insbesondere bei der abschlagsweisen Bezahlung von Wasser-, Strom- und Gaslieferungen. So stellt die Versorgung mit Wasser, Strom, Gas, Fernwärme etc. keine Gegen- O 108a leistung für die Bezahlung bereits verbrauchter Lieferungen dar.518 Bei der Bezahlung rückständiger Stromrechnungen durch den Schuldner lässt die h.M. den Bargeschäftseinwand wegen vermeintlich fehlender Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen scheitern.519 Richtigerweise ist die Bezahlung rückständiger Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen auch in diesem Kontext jedoch deshalb kein Bargeschäft, weil die Unmittelbarkeit, also ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt.520 Die maßgebliche zeitliche Verknüpfung zwischen Leistung und Vergütung erfolgt beim Dauerbezug von Versorgungsleistungen, insbesondere von Wasser, Strom und Gas, in der Regel nach Zeitabschnitten und wird durch die vereinbarte Vergütung der im jeweiligen Zeitabschnitt (Monat, Quartal etc.) bezogenen Lieferungen konkretisiert. Bei nachschüssig zu leistenden Abschlägen fehlt es daher an einem Baraustausch, wenn im Zeitpunkt der Zahlung bereits das Entgelt für den nächsten Zeitabschnitt fällig geworden ist. Unter Berücksichtigung der spezi516 517 518 519

BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (200 f.) Rz. 33 mit Nachw. BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 34. Vgl. Rz. O170 mit Nachw. BGH v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87 (94) = NJW 1986, 1496 (1498); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 48; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rz. 18; vgl. Rz. O116a m.w.N. 520 Zutr. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 31 unter Bezugnahme auf BGH v. 13.3.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201/202). Vgl. oben Rz. O83 ff., O165 ff. Wagner

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O Rz. 108a

§ 142 InsO – Bargeschft

fischen Regelungen des konkreten Versorgungsvertrages kann auch insoweit an die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zahlung rückständiger Löhne und Mieten angeknüpft werden.521 cc) Zeitnahe Teilleistungen O 109 Demnach können zum Beispiel Zahlungen, mit denen ein Bauunternehmer nach Baufortschritt entlohnt wird, Bargeschäfte sein, falls der Abstand zwischen den einzelnen Raten nicht zu groß wird (s. Rz. O188). Entsprechendes gilt für die Saldierung von Soll- und Habenbuchungen im Rahmen eines debitorisch geführten Kontos (s. Rz. O136 ff.); hier ist der erforderliche unmittelbare Leistungsaustausch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gegeben, wenn zwischen den Buchungen weniger als zwei Wochen vergehen; die Abrechnungsperiode des Kontokorrents sei dagegen zu lang.522 O 110 Angewandt auf Vorschussleistungen zieht der Bundesgerichtshof in dem der Grundsatzentscheidung vom 13.4.2006 zugrunde liegenden Anwaltshonorarfall die zeitliche Grenze bei 30 Tagen: Wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen, handelt es sich somit nicht mehr um ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO. Diese Grenze entspricht der gesetzlichen Verzugsfrist (§ 286 Abs. 3 BGB), die in Ermangelung anderer Anhaltspunkte als Maßstab für einen unmittelbaren Leistungsaustausch dienen könne. Rechtsanwälte werden dadurch nach Ansicht des auch für das Haftungsrecht der Rechtsanwälte und Steuerberater zuständigen IX. Zivilsenats nicht unangemessen benachteiligt, da sie jederzeit Vorschüsse verlangen können.523 O 111 In diesem Zusammenhang erteilt die höchstrichterliche Rechtsprechung der im Schrifttum kontrovers diskutierten Ansicht von Kirchhof, der Maßstab des engen zeitlichen Zusammenhangs sei weniger streng, wenn der Schuldner (wie im entschiedenen Fall durch die Gewährung von Vorschüssen) vorgeleistet hat,524 eine Absage.525 Das Argument, anders als bei einer Vorleistung des Gegners, der dem Schuldner damit Kredit gewährt, treffe dies bei einer Vorleistung des Schuldners nicht zu, lässt der Bundesgerichtshof nicht gelten. Die Annahme, wegen des Normzwecks könne der Zeitraum zwischen Leistung und Gegenleistung größer sein, wenn der Schuldner selbst vorleiste, treffe nicht zu. Für eine Privilegierung des Gegners bestehe kein Anlass, wenn der Schuldner vorgeleistet hat. Denn dies sei für die künftige Masse sogar nachteiliger als der umgekehrte Fall. Außerdem könne eine anfechtungsrechtliche Privilegierung der Kreditgewährung durch den Schuldner für einen Geschäftspartner, der einen 521 Vgl. BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 (109) Rz. 71 mit BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 (70) Rz. 31. Siehe dazu Rz. O86, O167 ff., O181a. 522 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 34. 523 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 35. 524 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 16. 525 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (202 f.) Rz. 39 im Anschluss an HK-InsO/Kreft, 4. Aufl., § 142 Rz. 6; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 142 Rz. 15; Kübler/Prütting/Paulus, § 142 Rz. 7.

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III. Unmittelbarkeit

Rz. 113 O

Anspruch auf Vorschuss hat (andernfalls komme ein Bargeschäft ohnehin nicht in Betracht), Anreiz bieten, möglichst frühzeitig auf einem solchen zu bestehen. Dies liege jedoch nicht im Interesse der Gläubigergesamtheit.526 Zumindest das letztgenannte Gegenargument überzeugt jedoch nicht, zumal auch die vom Senat gezogene Zeitgrenze für die Geltendmachung des Vorschussanspruchs keinen Anreiz, wohl aber einen gewissen Zwang dazu entfaltet. Allerdings ist zu beachten, dass die Voraussetzungen eines Bargeschäfts wieder- O 112 um nicht erfüllt sind, wenn die geltend gemachte Höhe des Vorschusses die wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage überschreitet. Dies gilt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ungeachtet des Umstands, dass die Gebührentatbestände möglicherweise bereits verwirklicht sind. Es sei einem Rechtsanwalt, der in den Genuss der Bargeschäftsausnahme kommen will, möglich und zumutbar, in regelmäßigen Abständen Vorschüsse einzufordern, die in etwa dem Wert seiner inzwischen entfalteten oder der in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Tätigkeit entsprechen. Außerdem könne vereinbart werden, Teilleistungen gegen entsprechende Vergütung zu erbringen.527 c) Verzögerungen Unschädlich sind Verzögerungen des Leistungsaustauschs bis zur Grenze der O 113 Kreditgewährung.528 Ungeachtet des Entstehungsgrundes entsprechen einem Darlehen alle aus Austauschgeschäften herrührenden Forderungen, die dem Schuldner rechtlich oder rein faktisch gestundet werden, weil jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirkt.529 Daher kann ein nennenswerter Zahlungsaufschub durch Stundung den für die Annahme eines Bargeschäfts notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang unterbrechen.530 Der Bundesgerichtshof hat dies für die Vergütung anwaltlicher Tätigkeiten auf die prägnante Formel gebracht: Zwar habe der Rechtsanwalt, der von dem Mandanten alsbald nach Fälligkeit der Vergütung bezahlt wird, dem Mandanten keinen Kredit durch Stundung gewährt. Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Bargeschäft nicht in Betracht kommt, rechtfertige jedoch nicht

526 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (202 f.) Rz. 39. 527 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201 f.) Rz. 36. – Aus berufspraktischer Sicht kann damit ein tatsächlicher, insbesondere personeller Mehraufwand verbunden sein, der die Grenze des Zweckmäßigen und Zumutbaren überschreitet. Dies steht freilich auf einem anderen Blatt. 528 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (200) Rz. 33; HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 6; Kayser/Thole, § 142 Rz. 7; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rz. 17; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 27; Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 13; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 15; eingehend F. Bartels, S. 194 ff., jew. m.w.N. 529 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 (109) Rz. 70 zu § 135 InsO unter Bezugnahme auf BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 (76) = WM 2014, 1488 Tz. 50 zu rückständigen Lohnzahlungen. Vgl. dazu Rz. O18a, O18b, O83 ff. 530 BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZInsO 2003, 324 (328 f.) = ZIP 2003, 488 (Stundung um eine Woche); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rz. 17; MKInsO/Kirchhof, § 142 Rz. 15; HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 6; Kayser/Thole, § 142 Rz. 7; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 27, jew. m.w.N. Wagner

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O Rz. 113

§ 142 InsO – Bargeschft

den Umkehrschluss, ein Bargeschäft liege immer dann vor, wenn kein Kredit gewährt werde.531 Grundsätzlich ist jedoch mit dem Bundesgerichtshof davon auszugehen, dass weder eine Stundung noch ein Stehenlassen einer Forderung anzunehmen ist, wenn die Leistung bargeschäftlich (§ 142 InsO) abgewickelt, d.h. innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit bewirkt wird.532 O 114 Die Praxis verfährt in diesem Zusammenhang meist großzügig und entspricht damit in der Regel den Verkehrsbedürfnissen sowie speziellen Gegebenheiten in der wirtschaftlichen Krise des Schuldners.533 Dabei vermag sie durchaus diverse Erscheinungsformen der Krediterschleichung ebenso zu erkennen wie schuldhaft dilatorisches Verhalten eines Gläubigers.534 Strittig ist, ob bei der Beurteilung der Bargeschäftsschädlichkeit von Verzögerungen nach deren Verursacher zu differenzieren ist.535 Zwar ist Kirchhof zuzugeben, dass es nach dem Zweck des § 142 InsO grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob und wer die Verzögerung zu vertreten hat. Entscheidend ist vielmehr, ob die Leistungsverzögerung die Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen zu Lasten der Gläubigergesamtheit erheblich beeinträchtigt. Unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes ist aber auch die Erwägung von Lwowski und Wunderlich beachtenswert, dass Verzögerungen des Schuldners, soweit sie als sog. Krediterschleichung die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, nicht zu Lasten des Gläubigers gehen dürfen. Hat ein Gläubiger vorgeleistet, ist dies den übrigen Gläubigern nur günstig.

IV. Gleichwertigkeit 1. Begriff a) Objektiver Maßstab O 115 Die Gesetzesmaterialien zu § 142 InsO enthalten zu diesem für die Unanfechtbarkeit von Bargeschäften entscheidenden536 Kriterium lediglich die Aussage, die Gleichwertigkeit sei nach objektiven Maßstäben zu beurteilen, weil die Benachteiligung ein objektives Erfordernis darstelle. Ergänzt wird dies durch den Hinweis, an der Gleichwertigkeit fehle es „nicht schon deshalb, weil die Leis531 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (200) Rz. 33; zu weiteren Einzelheiten s. etwa die in der vorigen Fußnote Genannten, jew. jew. m.w.N. 532 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Ls. a mit Rz. 31 ff., 50 f. (s. dazu Rz. O83 ff.) für rückständige Gehaltzahlungen an Gesellschafter; daran anschließend BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann = ZIP 2015, 589 Rz. 71 für Mietzahlungen an Gesellschafter. Vgl. dazu Rz. O83 ff. 533 Vgl. im Einzelnen MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 15 mit Nachw.; tendenziell strenger Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rz. 17 mit BGH v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZInsO 2002, 324 (328 f.): Stundung um eine Woche; Vgl. auch BGH v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, WM 2013, 1044 Tz. 32: Verzögerung quartalsweise geschuldeter Versicherungsprämien um ca. 6 Wochen ist schädlich; s. dazu E. Wagner, WuB VI A § 133 InsO 12.13 unter III 1. 534 Vgl. dazu Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511 (1514 f.). 535 Dafür Lwowski/Wunderlich, Festschrift für Kirchhof, 2003, S. 301, 312 ff. und zusammenfassend in WM 2004, 1511 (1514 f.); dagegen MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 15. 536 Zutreffend Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, 2. Aufl. (2010), Kap. 33 Rz. 36.

922 Wagner

IV. Gleichwertigkeit

Rz. 116 O

tung an den Schuldner in Bargeld erfolgt, das leicht dem Zugriff der Gläubiger entzogen werden kann.“537 Unbestritten ist die daraus abgeleitete Verallgemeinerung, der Gleichwertigkeit stehe nicht entgegen, dass die an den Schuldner erbrachte Leistung dem Gläubigerzugriff leichter entzogen werden könne als die vom weggegebene.538 Diesem Negativbeispiel kann zudem entnommen werden, dass der Gesetzgeber, wie gezeigt, nicht nur Geldleistungen des Schuldners im Rahmen des Erwerbs von Waren und Lieferungen vor Augen hatte, sondern auch Sachleistungen des Schuldners vom Anwendungsbereich des Bargeschäftsprivilegs erfasst sah (vgl. Rz. O21). Unerheblich ist auch, ob die Gegenleistung an den Schuldner der Pfändung unterliegt, da andernfalls Lieferanten unpfändbarer Gegenstände zunächst als Anfechtungsgegner benachteiligt würden.539 – Zu beachten ist jedenfalls, dass die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht genügt, um den Bargeschäftseinwand zu begründen. Vielmehr handelt es sich um ein kumulatives Erfordernis, das zusätzlich zu der Feststellung einer das Aktivvermögen des Schuldners erhöhenden Gegenleistung erfüllt sein muss (s. Rz. O34). Für die Gleichwertigkeit – möglich, aber nicht erforderlich ist Gleichartigkeit540 O 116 – kommt es entscheidend auf die wirtschaftliche Neutralität von Leistung und Gegenleistung für die Insolvenzmasse an, und zwar im Sinne eines Mindesterfordernisses dahingehend, dass dem haftenden Vermögen des Schuldners aus dem betreffenden Geschäft per saldo kein Nachteil, wohl aber ein Vorteil erwachsen darf.541 Das kann auch bei erneuter Gewährung von Kredit gegeben sein, indem die kontoführende Bank ihren Kunden (Schuldner) erneut verfügen lässt und die Auszahlung ausschließlich einem Dritten zugute kommt.542 Das ist aber nicht der Fall, wenn mit der erneuten Inanspruchnahme eines Dispositionskredits eine Forderung getilgt wird, für die sich die kreditgewährende Bank verbürgt hat, mit anderen Worten: wenn die Auszahlung, sei es auch nur mittelbar, ihr selbst zugute kommt.543 Geringfügige Wertschwankungen sind unschädlich. Der Wert der aus dem Schuldnervermögen abfließenden Leistung darf aber nicht wesentlich höher sein, als der Wert der zufließenden Gegenleistung. Dabei kommt es regelmäßig auf den Marktwert an, soweit ein solcher vorhanden ist. Subjektive Bewertungen, etwa aus einem Affektionsinteresse, sind unbeachtlich.544 Ob die gleichwertige Gegenleistung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch im Ver537 BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161. 538 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, NZI 2004, 491, 492 = WM 2004, 1575 = ZInsO 2004, 874; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 9, 12; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 46, 50; Kayser/Thole, § 142 Rz. 8 m.w.N. 539 Str., wie hier HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 Rz. 2; BK-InsO/Haas, § 142 Rz. 27; a.A. Bork/Ehricke, Handbuch, Kap. 4 Rz. 43. 540 Braun/Riggert, § 142 Rz. 3; näher Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511 (1513 f.), jew. m.w.N. 541 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, NZI 2004, 491, 492 = WM 2004, 1575 = ZInsO 2004, 874; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 9, 12; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 46, 50; Kayser/Thole, § 142 Rz. 8 m.w.N. 542 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, ZInsO 2008, 163 Tz. 6 ff. m. Anm. Bitter/Rauch, WuB VI A § 142 InsO 1.08; Gehrlein, ZInsO 2010, 1857 (1861). 543 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, ZInsO 2008, 163 Tz. 9 m. Anm. Bitter/Rauch, WuB VI A § 142 InsO 1.08; Gehrlein, ZInsO 2010, 1857 (1861). 544 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 9 m.w.N. Wagner

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O Rz. 116

§ 142 InsO – Bargeschft

mögen des Schuldners vorhanden ist, ist ohne Belang.545 Unschädlich ist auch, wenn die Vorleistung des Anfechtungsgegners im Zeitpunkt der Leistung des Schuldners nicht mehr vorhanden ist.546 Eine Teilanfechtung wird ausnahmsweise für möglich gehalten in Fällen, in denen eine Sicherungsabrede auch Altverbindlichkeiten erfasst, beschränkt auf diese, im Übrigen nur, wenn das anzufechtende Rechtsgeschäft selbst teilbar ist.547 b) Einzelfragen O 116a Bei der Bezahlung rückständiger Stromrechnungen durch den Schuldner fehlt es an der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, wenn der Lieferant dadurch vollen Ausgleich für eine bloße Insolvenzforderung erhielte, mit anderen Worten: die Weiterbelieferung mit Energie stellt keine Gegenleistung für die Bezahlung bereits verbrauchter Energie-, insbesondere Stromlieferungen dar, zumal sie ihrerseits in Rechnung gestellt wird.548 Doch ist dies streng genommen keine Frage der Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen, sondern eine Frage der zutreffenden Verknüpfung von Leistung und Vergütung nach Zeitabschnitten beim Dauerbezug von Lieferungen und Leistungen, die durch den vereinbarten Abrechnungszeitraum bzw. die jeweilige (Abschlags-)Rechnung hergestellt wird, mithin eine Frage der Unmittelbarkeit, d.h. des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung.549 O 116b Eine Vereinbarung zur Ablösung eines Pfandrechts des Gläubigers an einem Gegenstand des Schuldners durch Zahlung eines anderen Gläubigers kann als unanfechtbares Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO anzusehen sein.550 In dem höchstrichterlich entschiedenen Fall ging es um ein Frachtführerpfandrecht. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hatten die Schuldnerin und die beklagte Frachtführerin in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang gleichwertige Gegenleistungen ausgetauscht, so dass es an einer Gläubigerbenachteiligung fehlte. Der Wert des Pfandes, das abgelöst worden ist, hat denjenigen der Forderung, welche die Schuldnerin übertragen oder verpfändet hatte, zumindest erreicht.551 Dabei orientiert sich die Bemessung des Wertes an dem Preis, der bei freihändiger Veräußerung zu erzielen ist.552 545 BGH v. 6.4.1995 – IX ZR 61/94, BGHZ 129, 236 (240); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, § 142 Rz. 3, 18 m.w.N. 546 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 24 m.z.N.; ferner MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 4a; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 Rz. 2. 547 Vgl. MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 12; BK-InsO/Haas, § 142 Rz. 31; Cranshaw/Paulus/Michel, § 142 Rz. 37; Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511 (1513 f.). 548 BGH v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87 (94) = NJW 1986, 1496 (1498); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 48; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rz. 18; Kayser/Thole, § 142 Rz. 8. Zur Fallgruppe „Energielieferung“ siehe Rz. O170. 549 Siehe oben Rz. O108a mit Nachw. 550 Vgl. zum Frachtführerpfandrecht BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 24/04, ZIP 2005, 992 m. Anm. Gerhardt, EWiR 2005, 545. 551 BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 24/04, ZIP 2005, 992 (II 3) m. Anm. Gerhardt, EWiR 2005, 545. 552 Vgl. zum Frachtführerpfandrecht BGH v. 21.4.2005 – IX ZR 24/04, ZIP 2005, 992 (II 3) m. Anm. Gerhardt, EWiR 2005, 545; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 9.

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IV. Gleichwertigkeit

Rz. 118 O

Eine objektive Benachteiligung der Konkursgläubiger kann ausgeschlossen sein, O 117 wenn ein Lieferant sich zwar in Kenntnis der Zahlungseinstellung des Gemeinschuldners befriedigen lässt, dafür aber auf die Geltendmachung eines Vorbehaltseigentums im Werte der empfangenen Leistung an den gelieferten Sachen verzichtet. Das überzeugt nicht ohne weiteres, da der Eigentumsvorbehalt vertragsgemäß mit Zahlung des Kaufpreises erlischt und dies als aufschiebende Bedingung für den Eigentumsübergang vereinbart ist. Zur Beurteilung, ob eine Schädigung der Konkursgläubiger eingetreten ist, müssen die in Frage stehenden Vermögensverschiebungen in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung erfasst werden.553 Bei der Vereinbarung eines erweiterten Eigentumsvorbehalts in der Form, dass der Schuldner Eigentum an den erstandenen Sachen erst erwerben soll, wenn er nicht nur den Kaufpreis bezahlt, sondern auch alle anderen oder zumindest bestimmte andere Ansprüche aus der Geschäftsverbindung tilgt, fehlt es jedoch nach zutreffender Ansicht des Bundesgerichtshofs sowohl an der Unmittelbarkeit (s. Rz. O104) als auch an der Gleichwertigkeit der erbrachten Gegenleistung.554 Dasselbe gilt, wenn bei einem verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des Kontokorrentvorbehalts sämtliche Forderungen des Lieferanten gesichert sind.555 Im Zusammenhang mit der Sicherungs-Globalzession hat der Bundesgerichts- O 118 hof (im Anschluss an die Ablehnung einer rechtsgeschäftlichen Verknüpfung zwischen den ausscheidenden und den hinzukommenden Forderungen beim Auffüllen einer Globalsicherheit) zur Gleichwertigkeit ausgeführt, das Entstehen neuer Forderungen könne allenfalls dann eine gleichwertige Sicherheit darstellen, wenn diese nicht nur betragsmäßig, sondern auch in ihrem wirtschaftlichen Wert den untergegangenen Forderungen gleichkämen, so dass bei vergleichender Betrachtung eine Schmälerung des Schuldnervermögens ausgeschlossen wäre.556 Diese Voraussetzungen seien bei Globalzessionen typischerweise nicht gegeben, weil der Sicherungswert von vielen Faktoren, insbesondere der Qualität der Leistung des Schuldners sowie der Vertragstreue und finanziellen Leistungsfähigkeit seines Kunden abhängt und deshalb nicht generell, sondern nur bezogen auf die jeweilige Einzelforderung bestimmt werden kann. Die dem Schuldner überlassenen Altforderungen können nicht nur durch Erfüllung, sondern auch durch Verzicht, Vergleich, Klageabweisung, Verjährung

553 BGH v. 3.3.1960 – VIII ZR 86/59, LM Nr. 8 zu § 30 KO = WM 1960, 381 f. (Verzicht auf Eigentumsvorbehalt) mit BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, LM Nr. 2 zu § 30 KO = WM 1955, 404. 554 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 (1759) Rz. 24 = WM 2015, 591 mit OLG Saarbrücken, ZInsO 2010, 92 (95); MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13d; Zeuner in Leonhardt/Smid/Zeuner, § 142 Rz. 4; Bräuer, S. 149 f. Ebenso BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 32. 555 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 (1759) = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 628 Rz. 24 mit BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161 RegE; BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 Rz. 48 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse; v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rz. 31 f. Ebenso BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 32. 556 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (312) Rz. 42; Gehrlein in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rz. 6. Wagner

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oder Insolvenz des Drittschuldners wertlos geworden sein. Der für die Voraussetzungen eines Bargeschäfts darlegungs- und beweispflichtige Sicherungsnehmer557 sei zudem in den weitaus meisten Fällen nicht einmal ansatzweise in der Lage, die Tatsachen vorzutragen, die zur Beurteilung des Wertverhältnisses zwischen untergegangenen und neu entstandenen Forderungen notwendig sind. Schon aus diesen Gründen sei es nicht möglich, das Untergehen und Neuentstehen gesicherter Forderungen aus Globalzessionen bei der Prüfung von § 142 InsO rechtlich ebenso einzuordnen wie die kontokorrentmäßige Verrechnung vereinnahmter Zahlungseingänge mit erneuten vertragsmäßigen Verfügungen des Schuldners, die ohne weiteres die Feststellung ermöglichen, in welchem Umfang ein gegenseitiger Leistungsaustausch in engem zeitlichem Zusammenhang erfolgt ist.558 Freilich könnte der darlegungs- und beweisbelasteten Partei in Beweisnot nach allgemeinen Regeln geholfen werden, ohne ihm von vornherein den Bargeschäftseinwand zu nehmen. O 118a Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle einfacher Sicherungszession, auch dann, wenn diese mehrere Forderungen erfasst, wie in dem der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.1.2010 (BGHZ 184, 101) zugrundeliegenden Sachverhalt. Dort standen der Abtretung von Forderungen auf Vergütung von Mutter-Kind-Kuren durch die Kostenträger in Höhe tatsächlich gezahlter 520 423,66 Euro die Gewährung von Darlehen in Höhe von 500 000 Euro und bis zu 650 000 Euro gegenüber.559 Der Bundesgerichtshof hat die Gleichwertigkeit von Abtretung und Darlehen im Ergebnis zu Recht bejaht, wobei es allerdings nicht auf die zugrunde liegenden Vereinbarungen, sondern auf den konkreten Leistungsaustausch ankommt. Denn Bewertungsgegenstand ist die jeweilige Leistung;560 § 142 InsO erfordert nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck die Gleichwertigkeit der gegenseitigen Leistungen, nicht die der ihnen zugrundeliegenden Schuldverhältnisse. Die Bestimmung der für einen bargeschäftlichen Leistungsaustausch schädlichen Höhe des Wertes der zu leistenden Sicherheit ist mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung an den geschäftsüblichen Sicherungsmargen zu orientieren. Danach wird bei beweglichen Sicherheiten ein Risikozuschlag von 50 % auf den Nennwert des Darlehens als angemessen angesehen.561 O 118b An der Gleichwertigkeit der Sicherheit fehlt es allerdings, wenn sie nicht nur die Rückzahlungsverbindlichkeit aus dem (neu) gewährten Darlehen sichern 557 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (312) Rz. 42 mit BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, WM 2002, 2369 (2372); v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, WM 2007, 1181 (1182). 558 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (312) Rz. 42. 559 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (105) Rz. 13 mit ausf. Bspr. von Gundlach/Frenzel/Jahn, NZI 2010, 336 ff.; Smid, DZWIR 2010, 309 ff. Vgl. dazu Rz. O153, O231 ff. 560 Vgl. auch MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13e; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 57; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 46. 561 Vgl. BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1/97, BGHZ 137, 212, 233 ff. = WM 1998, 227 = ZIP 1998, 235; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13c; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 61; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 45. Eingehend zur Problematik der Übersicherung bereits Ganter, WM 2001, 1 ff.; Tetzlaff, ZIP 2003, 1826 ff.

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IV. Gleichwertigkeit

Rz. 118c O

soll, sondern auch bereits bestehende (Alt-)Verbindlichkeiten.562 So mag bei einem Sicherheiten-Poolvertrag zwar der Wert sicherungsübereigneter Sachen denjenigen des ausgezahlten Darlehens nicht nennenswert übersteigen. Die gegenseitig erbrachten Leistungen sind dennoch nicht gleichwertig, wenn aufgrund des Poolvertrages die übertragenen Gegenstände nicht nur den Rückzahlungsanspruch aus dem neu gewährten Darlehen, sondern zugleich alle übrigen Forderungen der beklagten Kreditinstitute absichern sollte.563 Eine praktische interessante Unterscheidung bietet das zur Anfechtung einer Sacheinlage ergangene Grundsatzurteil BGH-Urteil vom 15.12.1994 – BGHZ 128, 184 – Finanzierte Sacheinlage564 Der Schuldner hatte das von der klagenden Sparkasse finanzierte Grundstück erworben und sich gegenüber der im entschiedenen Rechtsstreit auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG in Anspruch genommenen GmbH, deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter er war, verpflichtet, seine Einlage durch Übereignung des finanzierten Grundstücks zu leisten. Der Bundesgerichtshof sieht eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung bereits in dem notariell beurkundeten Vertrag, mit dem der Schuldner das Grundstück lastenfrei als Stammeinlage in die Gesellschaft einbrachte (zugleich waren die Auflassung des Grundstücks erklärt, eine Auflassungsvormerkung bewilligt und die Eintragung dieser Rechtsänderungen beantragt worden). Der Schuldner, so die Argumentation des IX. Zivilsenats, habe für das Eigentum am Grundstück, das er als Sacheinlage einzubringen hatte, in Form des Gesellschaftsanteils keine vollwertige Gegenleistung erhalten.565 Der Schuldner habe dafür, daß er der Beklagten das Anwartschaftsrecht auf das Grundeigentum einräumte, keine gleichwertige Gegenleistung erlangt. Der Bundesgerichtshof verweist hierzu auf die (rechtsfehlerfreien) Feststellungen des Berufungsgerichts, wonach sich kein vollwertiger Ausgleich daraus ergeben habe, daß der Schuldner – mit der Eintragung der beklagten GmbH im Handelsregister – den im Gesellschaftsvertrag festgeleg562 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, WM 1993, 265 = ZIP 1993, 271 (273 f.) = juris Rz. 32 zur Sicherungsübereignung im Rahmen eines Sicherheitenpoolvertrags; MKInsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13f; Kayser/Thole, § 142 Rz. 8; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 46; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 63. Zur Bestimmung einer vertraglichen Rangfolge in der Sicherungszweckvereinbarung zwecks Vermeidung einer insgesamt inkongruenten Besicherung s. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 6.138. 563 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, WM 1993, 265 = ZIP 1993, 271 (273 f.) = juris Rz. 32. 564 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (189) = JZ 1995, 731 m. krit. Anm. Henckel = NJW 1995, 659 = WM 1995, 450 m. zust. Anm. Smid, WuB VI D § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG 1.95 = ZIP 1995, 134 m. krit. Anm. Gerhardt, EWiR 1995, 109; diff. im Zusammenhang mit § 878 BGB Ganter, DNotZ 1995, 517 ff. Ebenso zur Bestimmung der objektiven Gläubigerbenachteiligung BGH, Beschl. v. 21.12.2010 – IX ZA 14/10, WM 2011, 276 Rn. 2 m. Anm. Schulz, WuB VI A § 129 InsO 6.11; eingehend oben Rz. B237 ff. 565 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (187). Wagner

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ten Geschäftsanteil erworben hatte. Ein solcher Gesellschaftsanteil sei schon schwerer zu verwerten als ein Grundstück, so der Senat. Außerdem hätten einem Zugriff auf den Geschäftsanteil die vom Berufungsgericht festgestellten Rechtshindernisse entgegengestanden.566 Eine Beurteilung deutet der Bundesgerichtshof für den Fall an, dass sich die Beklagte im Gegenzug zur Bestellung einer Grundschuld zur Absicherung des aufgenommenen Darlehens verpflichtet hätte.567 O 118d Als problematisch im Hinblick auf das Äquivalenzerfordernis kann sich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung auch beim Sanierungskredit darstellen.568 Wie beim gewöhnlichen Darlehen scheidet die Rückzahlung als äquivalente Leistung des Schuldners aus; vielmehr kann die Valutierung auch bei einem zu Sanierungszwecken gewährten Darlehen eine voll ausgleichende Gegenleistung für die vom Schuldner zu erbringenden Zinszahlungen und vertragsmäßige Bestellung angemessener Sicherheiten darstellen.569 So verhielt es sich z.B. bereits in dem vom Bundesgerichtshof durch Urteil vom 17.6.2004 entschiedenen Fall. Die Beklagte hatte eine Kreditlinie von 150 000 DM offengehalten und darüber hinaus laufend neue Kredite gewährt, um das Unternehmen des Schuldners zu „sanieren“. Durch die von ihr vorgenommenen Verrechnungen hatte sie ganz überwiegend Ausgaben des Schuldners ermöglicht, welche dieser nach eigenem Ermessen zugunsten Dritter vornahm. Insofern hatte die Beklagte ihre Pflichten aus dem Girovertrag erfüllt. Soweit eine Belastungsbuchung von 38 000 DM zum Ausgleich eigener Zinsforderungen der Beklagten erfolgt war, fiel dieser Umstand in Anbetracht der Höhe der Kreditausweitung nicht ins Gewicht.570 O 118e Bei der Bewertung der Sicherheit und damit der Bargeschäftstauglichkeit von Sanierungskrediten soll nach verbreiteter Ansicht entscheidend zu berücksichtigen sein, ob es sich um ernsthafte, nicht von vornherein aussichtlose Sanierungsbemühungen gehandelt hat.571 Das ist jedoch abzulehnen. Zum einen scheidet eine solche Bewertung schon mangels Inkommensurabilität der Bewertungsgrundlagen aus. Zum anderen kommt es für die Gleichwertigkeit des Leistungsaustauschs auf den objektiven Wert der in die Masse fließenden Gegenleistung an, der in der Regel dem Nominalwert des Darlehens entspricht. Eine objektive Sanierungseignung der Kreditmittel (genauer: des kreditnehmen566 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (189). 567 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (189); Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rn. 4. Siehe dazu Rz. O156a. 568 Vgl. zu Begriff und Erscheinungsformen des Sanierungskredits eingehend Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 5.90 ff. 569 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13f; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 57; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 45. Zur Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes für den Schuldner s. auch Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 5.142. Zur Problematik von Zinszahlungen im Hinblick auf das Unmittelbarkeitserfordernis s. aber Rz. O90. 570 BGH v. 17.6.2004 – IX ZR 2/01, NZI 2004, 491, 492 = WM 2004, 1575 = ZInsO 2004, 874 = juris Rz. 17. 571 Kayser/Thole, § 142 Rz. 8; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 58, jeweils unter Bezugnahme auf die Rspr. zur Vergütung von Sanierungsbemühungen insb. anwaltlicher Berater; s. dazu sogleich Rz. O119 f.

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den Betriebs) ist dagegen für ihre Gleichwertigkeit i.S.d. § 142 InsO im Regelfall unerheblich. Außerdem kommt es, vorbehaltlich einer besonderen Zweckbestimmung, nicht darauf an, wie der Kreditnehmer die Kreditmittel verwendet. Der Kreditgeber hat das Risiko eines Scheiterns der Sanierung jedenfalls in anfechtungsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht zu tragen.572 Besonders heikle Abgrenzungsfragen werfen die sog. Sanierungsberatungsfälle O 119 auch im Zusammenhang mit der Frage der Gleichwertigkeit der Gegenleistung auf. Paradigmatisch hierfür ist das Beraterhonorar-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6.12.2007 (s. Rz. O202 ff.).573 Der Bundesgerichtshof hält den Berater in casu für verpflichtet, die geleisteten Zahlungen in voller Höhe zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. Zwar hält er daran fest, dass die Zahlung eines angemessenen Honorars für ernsthafte und nicht von vornherein als aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen ein Bargeschäft sein kann, und zwar selbst dann, wenn diese gescheitert sind.574 Dazu müsse die Masse jedoch zumindest teilweise eine gleichwertige Gegenleistung erhalten haben. Hierfür komme nach den zeitlichen Grenzen des Bargeschäfts nur derjenige Teil der Leistungen in Frage, den der Beklagte innerhalb von 30 Tagen nach dem Erhalt der Vergütungen erbracht hat.575 Das von dem Beklagten in dieser Zeit vorgelegte Konzeptpapier eines künftigen Sanierungsplanes hatte nach den Feststellungen des Landgerichts keinen praktischen Nutzen. Ein solcher Nutzen habe ungeachtet der Gründe, aus denen die Verträge mit dem Beklagten von den Auftraggeberinnen gekündigt wurden, von vornherein erst in Aussicht gestanden, wenn ein aus dem Konzept weiter zu entwickelnder Insolvenzplan die Zustimmung der Gläubiger habe erwarten lassen. Bis dahin hätten sich die Möglichkeiten der Gläubigerbefriedigung durch die Leistung des Beklagten noch nicht so verbessert, dass dadurch auch nur ein Teil des abgeflossenen Honorars wertgleich in das Schuldnervermögen zurückgelangt wäre.576 Damit sind freilich hohe, im Einzelfall unüberwindliche Hürden aufgestellt. Auch die Stellung der Insolvenzanträge durch den Beklagten habe das Vermö- O 120 gen seiner Auftraggeberinnen nicht angereichert. Insoweit kommt es nach An-

572 Vgl. mit Unterschieden in der Begründung MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13f; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 47; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 55; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rz. 5.142. Eingehend Dominic Roth, Insolvenzanfechtungsrechtliche Privilegierungen von Sanierungsbemühungen, 2015 (= Diss. Freiburg 2015), S. 95 ff. (104). 573 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 = NZI 2008, 173 = ZInsO 2008, 101 m. Anm. Gundlach, BGH-Report 2008, 304; Freudenberg, EWiR 2008, 409. Bestätigt durch BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 80/08, Rz. 4. 574 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (661) Tz. 23 mit BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, WM 2002, 1808; im Erg. zust. Meyer, DZWIR 2003, 6 ff.; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 14; FK-InsO/Dauernheim, § 142 Rz. 3; Uhlenbruck/ Ede/Hirte, § 142 Rz. 43; Kübler/Prütting/Paulus, § 142 Rz. 10. 575 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (661) Tz. 23. Vgl. Rz. O182, O197 ff. 576 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (661) Tz. 24. Vgl. dazu Dominic Roth, Insolvenzanfechtungsrechtliche Privilegierungen von Sanierungsbemühungen, 2015 (= Diss. Freiburg 2015), S. 105 ff. (111 f.). Wagner

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§ 142 InsO – Bargeschft

sicht des Bundesgerichtshofs nicht auf den Vergütungsanspruch des Beklagten an, sondern darauf, ob die Schuldnerin durch die Leistung des Beklagten Aufwendungen erspart hatte, um deren Wert die Masse noch nach § 144 Abs. 2 InsO bereichert ist. Der Bundesgerichtshof hat dies im entschiedenen Fall verneint. Zur Begründung führt er aus, dass die Schuldnerin und die GmbH die Insolvenzanträge auf der Grundlage der eingeholten Gutachten auch ohne Hinzuziehung eines anwaltlichen Beraters hätten stellen können.577 Unter solchen Umständen könne nicht darauf verwiesen werden, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Konkursordnung die objektiv angemessene Vergütung bar erbrachter teilbarer Leistungen eines Sanierungsberaters der Anfechtung entzogen war.578 Er konnte deshalb offen lassen, inwieweit an dieser Rechtsprechung festzuhalten sei.579 2. Bewertungszeitpunkt a) Grundsatz O 121 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Gleichwertigkeit ist der des Leistungsaustauschs.580 Bei unschädlichem zeitlichem Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung kommt es nach herrschender Ansicht auf den Zeitpunkt an, zu dem die erste Vertragsleistung erbracht worden ist.581 Nach anderer Ansicht soll grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen sein.582 Die beiden letztgenannten Ansichten führen indes zu einer Vermengung der Bewertungsfrage mit der hiervon zu unterscheidenden Frage nach der Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der dem Leistungsaustausch zugrunde liegenden Vereinbarung (s. dazu Rz. O77a ff., O123). Beachtet man, dass die Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt sein muss, beachtet man weiter, dass die Bargeschäftsausnahme deshalb greift, weil dem Schuldner ein äquivalenter Vermögenswert zugeflossen ist, so muss der Wertvergleich folgerichtig in dem Zeitpunkt vorgenommen werden, in welchem der Ausgleich stattgefunden hat, mithin bei Zugang der Gegenleistung in das Schuldnervermögen. Erst ab diesem Zeitpunkt können nämlich zwischen-

577 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 Tz. 25. Kritisch dazu Riggert, Festschrift für S. Beck, 2016, S. 451 (465/466). 578 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 Tz. 26 mit BGHZ 77, 250 (255 f.); bestätigt durch BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 80/08, Rz. 4; s. auch BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093 (1094 f.); zustimmend MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 14; Kübler/Prütting/Paulus, § 142 Rz. 8; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 Rz. 22. 579 Abschließend weist der BGH in seiner Entscheidung v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, Tz. 27 m.w.N. unter Bezugnahme auf die sachlich übereinstimmende Rechtsprechung des BGH zu § 55 Nr. 1 KO darauf hin, dass eine Aufrechnung des Beklagten mit einem etwaigen Teilvergütungsanspruch aus § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den Rückgewähranspruch aus § 143 InsO bereits nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig wäre. 580 Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 6. 581 BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 Tz. 14; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 10; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 Rz. 12; Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 6. 582 Leonhardt/Smid/Zeuner, § 142 Rz. 2; Zeuner, Anfechtung, Rz. 53.

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IV. Gleichwertigkeit

Rz. 123a O

zeitliche, d.h. zwischen Vereinbarung und Vollzug des Leistungsaustauschs eingetretene Wertveränderungen der beiderseitigen Leistungen festgestellt werden.583 b) Nachträgliche Änderungen Unschädlich für die Annahme eines Bargeschäfts sind auch unter dem Aspekt O 122 der Gleichwertigkeit solche Änderungen der versprochenen Leistung oder Gegenleistung, die aufgrund der ursprünglich getroffenen Vereinbarung der Parteien erfolgen. Das betrifft Fälle, in denen von einer Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) Gebrauch gemacht wird.584 Das trifft aber auch auf die Ausübung eines Optionsrechts zu, bei dessen Vereinbarung die Parteien typischerweise von einer Änderung des Wertes der Gegenleistung ausgehen. Die Gläubiger werden dadurch nicht benachteiligt. Wird ein Vertrag geändert, bevor Leistungen erbracht worden sind, steht die O 123 Änderung allein der Annahme einer Bardeckung nicht entgegen.585 Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Bargeschäfts ist nach herrschender Meinung wie gezeigt derjenige, in dem die zeitlich erste Leistung eines Vertragsteils erbracht wird. Bis dahin können die Beteiligten den Inhalt ihrer Vereinbarungen noch abändern, ohne den Charakter der Bardeckung zu gefährden.586 Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ermöglicht dies in den praktisch bedeutsamen Fällen einer Direktzahlung des Auftraggebers an Subunternehmer seines „kriselnden“ Auftragnehmers eine rettende dreiseitige Vereinbarung, vorausgesetzt, dass noch kein Vertragsteil geleistet hat.587 Mit anderen Worten neben einer modalen Inkongruenz („nicht in der Art“ in § 131 Abs. 1 InsO)588 kann auch eine mögliche zeitliche Inkongruenz („nicht zu der Zeit“ in § 131 Abs. 1 InsO), deren grundsätzliche Schädlichkeit für § 142 InsO vorausgesetzt, durch nachträgliche Vereinbarung der Parteien beseitigt werden, etwa durch eine Abänderung der Reihenfolge der zu erbringenden Leistungen.589 3. Arbeitsentgelt (§ 142 Abs. 2 Satz 2 InsO) a) Begriff Die Neuregelung des Bargeschäftsprivilegs durch das Gesetz vom 29.3.2017 er- O 123a fordert eine Klärung des personalen wie des sachlichen Anwendungsbereichs des 583 Vgl. dazu MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 10. 584 Vgl. BGH v. 21.12.1977 – VIII ZR 255/76, BGHZ 70, 177 (183) (Lastschriften); RGZ 71, 89 (90 f.) (Wechsel); MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 7. 585 BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 Tz. 14 = ZInsO 2007, 662 m. Anm. Huber, EWiR 2008, 471 zur Inkongruenz einer Direktzahlung des Auftraggebers an den Subunternehmer. Ausführlich dazu Rz. O77a ff. 586 BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 Tz. 14 = ZInsO 2007, 662 m. Anm. Huber, EWiR 2008, 471; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 8 m.w.N. Vgl. eingehend Rz. O77a ff. 587 So im Fall BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 Tz. 14; vgl. Huber, EWiR 2008, 471 (472 unter 3.2.). Vgl. eingehend Rz. O77a ff. 588 Siehe dazu Rz. O77a ff. 589 Zutreffend MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 8. Wagner

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O Rz. 123a

§ 142 InsO – Bargeschft

§ 142 Abs. 2 Satz 2 InsO. Dies betrifft neben der Unmittelbarkeit der Erfüllung rückständiger Lohn- und Gehaltsforderungen auch die Gleichwertigkeit der Arbeitgeberleistung und überschneidet sich mit Fragen der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung (Tatbestandsmerkmal „für die“) sowie der Anfechtung gegenüber Finanzbehörden und Sozialkassen, werden aber der Übersichtlichkeit halber im vorliegenden Zusammenhang behandelt. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Begriff Arbeitsentgelt i.S.d. § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO (ebenso in Satz 3) im sozialversicherungsrechtlichen Sinne zu verstehen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16.12.2015 nimmt hierzu ausweislich des Besonderen Teils seiner Begründung ausdrücklich auf § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV Bezug. Unter Arbeitsentgelt sind somit alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer abhängigen Beschäftigung, also auch Fälle der Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub, zu verstehen.590 § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat folgenden Wortlaut: „Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.“ b) Bruttolohn oder Nettolohn? O 123b Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs ist zu beachten, dass unter Arbeitsentgelt der Nettolohn zu verstehen ist. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift, wohl aber aus ihrer Entstehungsgeschichte. Denn eine vom Bundesrat vorgeschlagene ausdrückliche Einbeziehung der Zahlung von Teilen des Arbeitsentgelts an Dritte, womit die vom Arbeitgeber abzuführende Lohnsteuer und die Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen gemeint waren (Bruttolohn), ist nicht Gesetz geworden (dazu unten Rz. O87j). Nach der vom Bundesrat vorgeschlagenen Ergänzung (nachstehend kursiv hervorgehoben) sollte § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO n.F. wie folgt lauten: Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder führt er Teile des Arbeitsentgelts aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen an Dritte ab7, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang6 gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts oder der Abführung von Teilen an Dritte7 drei Monate nicht übersteigt.591 Zur Begründung wurde ausgeführt, der Gesetzentwurf mache das gezahlte Arbeitsentgelt zwar insolvenzfester. Klarstellend seien aber die auf den Bruttoarbeitslohn entfallende und vom Arbeitgeber abgeführte Lohnsteuer und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung einzubeziehen, weil diese zum Arbeitsentgeltanspruch des Arbeitnehmers und damit zur adäquaten Gegenleistung gehörten. Die Lohnsteuer und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung seien nämlich als Teil des Bruttolohns zugleich auch Teil der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers; der arbeitsrechtliche Anspruch des Arbeitnehmers umfasse den gesamten Bruttolohn. Unter das Bargeschäftsprivileg fielen da-

590 Vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 20, 3. Absatz. 591 BT-Drucks. 18/7054, S. 30 a.E. unter 7. (zu Art. 1 Nr. 4).

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IV. Gleichwertigkeit

Rz. 123d O

her auch die Teile des Arbeitsentgelts, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen an Dritte (Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung) abgeführt werden. Der Arbeitgeberanteil sei davon nicht umfasst.592 Dieser Vorschlag hatte im weiteren Gesetzgebungsverfahren keinen Erfolg. Die O 123c Bundesregierung äußerte sich dazu mit der lapidaren Bemerkung, sie halte diesen Vorschlag für „nicht zielführend“. Im Übrigen verwies sie darauf, dass die Interessen der öffentlich-rechtlichen Gläubiger durch die anderweitigen Regelungen ihres Gesetzentwurfs hinreichend gewahrt seien.593 Im Schrifttum ist namentlich Hirte (MdB) dem Ansinnen der Länderkammer, die Bargeschäftsausnahme des § 142 InsO auf den „Bruttolohn“ zu erstrecken, entgegengetreten.594 Seiner Ansicht nach sind die Argumente des Bundesrates schon im rechtlichen Ausgangspunkt unzutreffend; die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sei in der Insolvenz des Arbeitgebers als gläubigerbenachteiligende Deckung anfechtbar, weil sie dessen Vermögen vermindere, ohne dass ihm eine gleichwertige Gegenleistung zuflösse. Dies gelte auch bezüglich der Arbeitnehmeranteile; der Bundesgerichtshof sei der abweichenden Vorgabe in § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV zu Recht nicht gefolgt. Die nunmehr vorgeschlagene Freistellung des Bruttolohns von der Anfechtung sei ordnungspolitisch verfehlt und verfassungsrechtlich nicht unbedenklich.595 Dem kann, ungeachtet des bemerkenswerten Umstands, dass sich ein Mitglied O 123d des Bundestags, das zugleich als Berichterstatter im federführenden Ausschuss fungiert, vorab öffentlich positioniert und die höchstrichterliche Missachtung der sozialgesetzlichen Regelung (§ 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV) gutheißt, auch in der Sache nicht gefolgt werden. Zum einen ist dem Regelungsziel, die Arbeitnehmeranteile in der Insolvenz des Arbeitgebers anfechtungsfrei zu stellen, Rechnung zu tragen. Eine alternative Inanspruchnahme der Arbeitnehmer scheitert an § 142 InsO, weil auch Arbeitnehmeranteile als Teil der Entgeltforderung am Baraustausch teilnehmen.596 Dies entspricht dem Grundsatz der Unteilbarkeit oder Einheitlichkeit des Bruttolohnanspruchs, den der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der vorbereitenden Sanierung im Schutzschirmverfahren (vgl. § 270b InsO) zutreffend herausgestellt hat,597 und dem auch hier Rechnung zu tragen ist. Zum anderen trifft die der Stellungnahme des Bundesrates zugrunde liegende Ansicht, auch die an Dritte abzuführenden (Bruttolohn-)Beträge seien Teil des durch die Arbeitsleistung verdienten Arbeitsentgelts, sehr wohl zu. Die in das Vermögen des Arbeitgebers fließende Gegenleistung ist entgegen Hirte nicht in einer Leistung des Fiskus oder der Sozialversicherungsträger zu su-

592 BT-Drucks. 18/7054, S. 31 oben (Begründung zu 7.). 593 BT-Drucks. 18/7054, S. 33 unten zu Nr. 7. 594 ZInsO 2016, 2027 ff. Vgl. auch bereits das kurze Statement von Brinkmann/Jacoby/ Thole, ZIP 2015, 2001 f.; eingehnder Sämisch, ZIP 2016, 2459 ff. sowie die Ausführungen und Stellungnahmen der Sachverständigen im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 24.2.2016 (s. oben Fn. 7). Differenzierend zum Vollstreckungserwerb dagegen Jungclaus, KTS 2016, 45 ff. 595 ZInsO 2016, 2027 (2028), 2029 unter III. Vgl. dagegen Rz. O212b. 596 Im Ergebnis wie hier Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 42 ff. (44). 597 BGH v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15, ZIP 2016, 1295 Rz. 26 f. (z.V.b. in BGHZ). Wagner

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O Rz. 123d

§ 142 InsO – Bargeschft

chen,598 sondern in der (im engen zeitlichen Zusammenhang) bereits erbrachten Arbeitsleistung der Arbeitnehmer zu finden. Dies kommt auch in § 14 Abs. 2 SGB IV zum Ausdruck.599 O 123e Gleichwohl waren sich bei den Beratungen im Bundestag die Berichterstatter der Fraktionen ebenso wie die angehörten Experten einig in der Überzeugung, dass ein auch mit der Bruttolohnmethode verbundenes, vom Finanzministerium gewünschtes sog. Fiskusprivileg (richtiger wäre: Finanz- und Sozialkassenprivileg) unbedingt zu verhindern sei.600 Einmal weil auch im Insolvenzverfahren gleiches Recht für alle gelten müsse (Fechner), was einer vorzugsweisen Befriedigung der Finanzämter und Sozialkassen im Wege der unbegrenzten Selbstexekution entgegenstehe, und zum andern weil sonst in vielen Fällen ein Insolvenzverfahren mangels Masse gar nicht eröffnet werden könne mit der weiteren Folge, dass aussichtsreiche Sanierungen verhindert und viele Arbeitsplätze gefährdet würden.601 Der Rechtsausschuss des Bundestages hat daher der an § 131 Absatz 1 Satz 2 InsO-E von Seiten der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung geäußerten Kritik, die vorgeschlagene Regelung bewirke aufgrund der Möglichkeit der Selbsttitulierung eine ungerechtfertigte Privilegierung hoheitlicher Rechtsträger gegenüber privaten Gläubigern, erklärtermaßen Rechnung getragen und die Regelung gestrichen.602 O 123f Neben der Streichung des § 131 Abs. 1 Satz 2 InsO-E wurde auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Aufnahme des Bruttolohnprinzips im Rahmen des Bargeschäftsprivilegs verworfen.603 Den damit verbundenen Begründungsmangel des Gesetzentwurfs hat der Ausschuss allerdings nicht bedacht, zumindest ist er ihm nicht gerecht geworden. Die Argumentationsgrundlage für die Ablehnung der Bruttolohnmethode ist eben durch die Streichung der in § 131 InsO-E vorgesehenen Privilegierung von im Wege der Zwangsvollstreckung erlangter oder zu deren Abwendung erfolgter Sicherungen oder Befriedigungen weggefallen. Die Bundesregierung hatte ihre Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates mit der Erwägung begründet, die Interessen der öffentlichen Gläubiger seien durch den Entwurf anderweitig geschützt (gemeint war § 131 Abs. 1 Satz 2 InsO-E).604

598 Siehe oben Rz. O123c. 599 § 14 Abs. 2 SGB IV lautet: „Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.“ 600 BT-ARV, Prot. 18/92, S. 30 ff.; Anlage 2 = Reden zu Zusatzpunkt 7 der 2. und 3. Beratung des RegE am 16.2.2017, Plenarprotokoll 18/218, S. 21905, 21907 ff. 601 Plenarprotokoll 18/218 vom 16.2.2017, S. 21905, 21909 (Hirte), 21911 f. (Fechner), 21912 f. (Keul). 602 BT-Drucks. 18/11199, S. 4 mit Begründung S. 11 unter IV zu Nr. 2. 603 Plenarprotokoll 18/218 v. 16.2.2017, S. 21905, 21909 (Hirte) = ZInsO 2017, 427 (429) unter 6. 604 BT-Drucks. 18/7054, S. 33 zu Nr. 7.

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V. Rechtsfolgen des Bargeschfts

Rz. 124 O

Der Bundesgerichtshof geht im Zusammenhang mit der vorbereitenden Sanie- O 123g rung im Schutzschirmverfahren (vgl. § 270b InsO) zutreffend von der grundsätzlichen Unteilbarkeit oder Einheitlichkeit des Bruttolohnanspruchs aus. Dabei hat er klargestellt, dass der einheitliche Bruttolohnanspruch des Arbeitnehmers für denselben Zeitraum nicht teilweise Insolvenzforderung, teilweise Masseverbindlichkeit sein kann. Die Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen teilen als Bestandteil des Bruttolohnanspruchs der Arbeitnehmer die Rechtsnatur des an den Arbeitnehmer auszuzahlenden Bruttolohnanspruchs.605 Dieser zutreffenden Ansicht ist auch im vorliegenden Zusammenhang Rechnung zu tragen. Der Bundesgerichtshof selbst sieht allerdings keinen Widerspruch zu seiner von ihm beiläufig bestätigten Rechtsprechung zur Anfechtung der Zahlung von Arbeitnehmeranteilen an die Einzugsstellen der Sozialversicherungsträger, sofern es sich dabei nicht um eine Masseverbindlichkeit, sondern um eine Insolvenzforderung handelt.606

V. Rechtsfolgen des Bargeschäfts 1. Anfechtungsausschluss Die Rechtsfolgenbestimmung des § 142 InsO ist irreführend,607 weil nach dem O 124 Gesetzeswortlaut nur die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 bis 3 InsO möglich, bei allen übrigen Anfechtungstatbeständen dagegen ausgeschlossen ist. Die Auslegung der Vorschrift durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der § 142 InsO auch in Fällen des § 131 InsO ausgeschlossen sei, scheint dem zu widersprechen. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass § 142 InsO keine Anwendung finden kann, soweit sich seine Tatbestandsvoraussetzungen und diejenigen der §§ 130 ff. InsO gegenseitig ausschließen. Konsens besteht auch insoweit, als das Hauptanwendungsgebiet der Bargeschäftsausnahme das der Anfechtung wegen kongruenter Deckung i.S.d. § 130 InsO darstellt. Im Übrigen fällt die Einzelabgrenzung im Schrifttum recht uneinheitlich aus, worin zum Ausdruck kommen mag, dass die erheblichen Auslegungsunterschiede auf disparaten rechtsdogmatischen Ausgangspunkten beruhen. Deshalb wurde hier eine Einzelabgrenzung im Rahmen der systematischen Einordnung des § 142 InsO in das System der §§ 129 ff. InsO zu Beginn vorgenommen (Rz. O7 ff.). Konsens herrscht allenthalben darin, dass schadensrechtliche Ausgleichsregeln, insbesondere zur Vorteilsanrechnung, keine Anwendung finden können, da § 142 InsO keine Haftungsnorm im schadensersatzrechtlichen Sinne ist.608

605 BGH v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15, ZIP 2016, 1295 Rz. 26 f. (z.V.b. in BGHZ). Vgl. auch Geiger, NZI 2014, 644 ff. (Anm. zu LG Dresden v. 9.5.2014 – 10 O 2237/13, NZI 2014, 654). 606 BGH v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15, ZIP 2016, 1295 Rz. 26 (z.V.b. in BGHZ). 607 Zutreffend MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 21. 608 Vgl. Braun/Riggert, § 142 Rz. 26 mit Verweis auf Henckel, Gläubigeranfechtung im Konkurs, Festschrift für Deutsch, 1999, S. 967, 979 ff. Wagner

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O Rz. 125

§ 142 InsO – Bargeschft

2. Grenze: Unlautere Gläubigerbenachteiligung (§ 142 Abs. 1 InsO) a) Überblick – Verschärfte Form der Unredlichkeit O 125 Sind die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt, ist damit noch nicht über die Anfechtbarkeit der Rechtshandlung (Leistung) des Schuldners entschieden. Im Anfechtungsprozess greift der Bargeschäftseinwand erst durch, wenn auch eine Vorsatzanfechtung ausscheidet. Hierzu verweist § 142 Abs. 1 InsO auf § 133 Abs. 1 bis 3 InsO als Schranke. Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung, sondern – wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt („wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind“) – um eine Rechtsgrundverweisung. Liegt ein Bargeschäft vor, so muss geprüft werden, ob darüber hinaus auch die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung i.S.d. § 133 Abs. 1 bis 3 InsO erfüllt sind.609 Ist diese Frage zu bejahen, so unterliegt die betreffende Schuldnerleistung nach der alten, für vor dem 5.4.2017 eröffnete Insolvenzverfahren fortgeltenden Fassung des § 142 InsO selbst dann der Rückabwicklung im Rahmen der §§ 143 ff. InsO, wenn eine gleichwertige Gegenleistung in die Masse gelangt ist. Für ab dem 5.4.2017 eröffnete Insolvenzverfahren ist dies nach § 142 Abs. 1 InsO (n.F.) nur noch dann der Fall, wenn der Schuldner unlauter handelte und der Anfechtungsgegner dies erkannt hat (s. Rz. O129c ff.). Diese mit der Neuregelung des § 142 InsO durch das Gesetz vom 29.3.2017 normierte Verschärfung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung von Bargeschäften ist rechtspolitisch sehr umstritten, führt sie doch nach Einschätzung ihrer Kritiker im Regelfall zu einem Ausschluss der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften. Richtiger Ansicht nach ist diese Verschärfung jedoch zu begrüßen, da die Masse grundsätzlich kein Recht hat, eine Leistung des Schuldners zurückzuholen, für die sie bereits eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat (vgl. Rz. O4b, O131e). O 126 Umtritten ist, ob auch unmittelbar benachteiligende entgeltliche Verträge des Schuldners mit nahen Angehörigen nach Maßgabe des § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.) anfechtbar sind, obwohl die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt sind. Folgte man der Regel singularia non sunt extendenda (vgl. Rz. O45), wäre die Frage zu verneinen. Zum gleichen Ergebnis gelangt, wer § 142 InsO wörtlich auslegt und so die Gegenausnahme auf Äquivalenzgeschäfte mit Nichtangehörigen (§ 133 Abs. 1 InsO) beschränkt,610 ebenso wer unmittelbare Gläubigerbenachteiligung und Bargeschäft als begrifflichen Gegensatz begreift.611 Die überwiegende Ansicht im Schrifttum befürwortet dagegen zu Recht die Anwendbarkeit des § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.) auch im 609 Vgl. zum subjektiven Tatbestand der Vorsatzanfechtung BGH v. 30.6.2011 – XI ZR 134/10, ZInsO 2011, 1410 Tz. 8 m.w.N.; HK-InsO/Kreft, § 133 Rz. 9 ff.; eingehend Gehrlein, Festschrift für Ganter, 2010, S. 169, 177 ff.; Gehrlein, DB 2013, 2843 ff. zur BGH-Rspr. in den Jahren 2012–2013; Kayser, WM 2013, 293 ff.; Foerste, ZInsO 2013, 897 ff.; Thole, ZIP 2013, 2081 ff.; Ganter, WM 2014, 49 ff.; Kayser, NJW 2014, 422 ff. 610 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 22; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 Rz. 13; Gottwald/Huber, § 46 Rz. 80 entgegen Nerlich/Römermann, § 142 Rz. 14. 611 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 22; Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 7 (anders aber Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. (2000), Rz. 47); Gottwald/Huber, § 46 Rz. 80 a.E.; Andres/Leithaus, § 142 Rz. 8; Cranshaw/Paulus/Michel, § 142 Rz. 38; wohl auch BK-InsO/Haas, § 142 Rz. 37 (regelmäßig).

936 Wagner

V. Rechtsfolgen des Bargeschfts

Rz. 127 O

Rahmen des § 142 InsO.612 Das gilt ohne weiteres für diejenigen, die § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.) (dies allerdings zu Unrecht) nur als Beweislastregel verstehen.613 Auch unter Berücksichtigung des Normzwecks des § 142 InsO ist nicht ersichtlich, weshalb die im Vergleich zu anderen Rechtshandlungen des Schuldners im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO bereits nach § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.) privilegierten entgeltlichen Verträge mit nahen Angehörigen bei Bargeschäften erneut, insgesamt also doppelt, zu begünstigen und der Anfechtung ganz entzogen sein sollen. Die Gegenausnahme zu § 142 InsO knüpft vielmehr an die insoweit einheitliche, de lege lata jedenfalls zu beachtende gesetzliche Diskriminierung vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung an. b) Benachteiligungsvorsatz des Schuldners aa) Rechtslage nach § 142 InsO a.F. – § 133 Abs. 1 InsO Auch das Vorliegen einer kongruenten Deckung schließt eine Prüfung ihrer O 127 Anfechtbarkeit wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 Abs. 1 InsO nicht aus.614 Der hierfür erforderliche Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge, sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils, erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz, weil er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen.615 Dem Schuldner fehlt in diesen Fällen der Benachteiligungsvorsatz ausnahmsweise dann, wenn er aufgrund konkreter Umstände – etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können – mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann.616 Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird,617 d.h. wenn der 612 FK-InsO/Dauernheim, § 142 Rz. 1; HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 12 a.E.; Kayser/Thole, § 142 Rz. 14 a.E.; Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 19, 22; Braun/Riggert, § 142 Rz. 17 (Redaktionsversehen); Nerlich/Römermann, § 142 Rz. 14 (Redaktionsversehen). 613 Vgl. dafür Henckel in Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. (2000), Rz. 47; Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511, 1515; Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 22; Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 142 Rz. 17; Cranshaw/Paulus/Michel, § 142 Rz. 72; Klinck, Grundlagen, S. 369 Fn. 3, jew. m.w.N. Gegen die Annahme einer Beweislastregel zutreffend Gottwald/Huber, § 46 Rz. 80; Andres/Leithaus, § 142 Rz. 8 m.w.N. 614 BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 (421) Rz. 18; v. 10.1.2008 – IX ZR 33/07, ZIP 2008, 467 (468) Rz. 13; BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 = ZInsO 2010, 673 Tz. 28 – Aufrechnung – m.w.N. 615 BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, GmbHR 2015, 803 m. Anm. Blöse = NJW 2015, 2113 = WM 2015, 1202 = ZInsO 2015, 1262 = ZIP 2015, 1234 Rn. 11 m.w.N. 616 BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, GmbHR 2015, 803 m. Anm. Blöse = NJW 2015, 2113 = WM 2015, 1202 = ZInsO 2015, 1262 = ZIP 2015, 1234 Rn. 11 m.w.N. 617 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 628 = ZIP 2015, 585 Tz. 22; BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, GmbHR 2015, 803 m. Anm. Blöse = NJW 2015, 2113 = WM 2015, 1202 = ZInsO 2015, 1262 = ZIP 2015, 1234 Tz. 11, jew. m.w.N. Wagner

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O Rz. 127

§ 142 InsO – Bargeschft

nach herrschender Meinung auf kongruente Deckungen beschränkte Anwendungsbereich des § 142 InsO eröffnet ist. O 127a Der notwendige Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, setzt nach § 133 Abs. 1 (bis 3) InsO jedoch kein unlauteres Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger voraus; nach ständiger Rechtsprechung genügt auch bei kongruenter Deckung bedingter Vorsatz (dolus eventualis).618 Danach genügt die Feststellung, der Schuldner habe sich eine Benachteiligung nur als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen.619 Einem Schuldner, der weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der Gläubiger im allgemeinen in Kauf.620 O 128 Bei einem kongruenten Deckungsgeschäft, bei dem der Schuldner mit der anfechtbaren Rechtshandlung dem Gläubiger nur das gewährt, worauf dieser einen Anspruch hatte, sind im Anfechtungsprozess nach zutreffender Ansicht des Bundesgerichtshofs allerdings erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis des Benachteiligungsvorsatzes zu stellen.621 Dem Insolvenzverwalter kommt dabei eine – von der Vermutung der spiegelbildlichen Vorsatzkenntnis des Anfechtungsgegners nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu unterscheidende – zusätzliche Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes zugute. Danach ist der Benachteiligungsvorsatz zu vermuten, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Zahlung (vgl. § 140 InsO) zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt.622 Ein Benachteiligungsvorsatz des anderen Teils, also des Anfechtungsgegners, ist dagegen nicht erforderlich.623 Der Tatrichter muss daher beachten, dass die Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen sein kann, wenn die Umstände ergeben, dass der Schuldner von einer anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willensrichtung geleitet war und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger infolgedessen in den Hintergrund getreten ist.624 618 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (Leits. c) (84) – Zahlung zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen; ergänzend zu § 802b ZPO (§ 806b ZPO a.F.) BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, NJW 2010, 1671 Tz. 10, 26 m.w.N.; vgl. auch BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 (421) Rz. 18. 619 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (Leits. c) (84); HK-InsO/Kreft, § 133 Rz. 10, jew. m.w.N. Vgl. auch BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 (421) Rz. 18. 620 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (Leits. d) (84). 621 BGH v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512 (II 3b) m. Anm. Pape, EWiR 2005, 85 – Scheckzahlungen; v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 (421) Rz. 19. 622 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (83 f.); v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 (421) Rz. 19; HK-InsO/Kreft, § 133 Rz. 14, jew. m.w.N. 623 BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (83 f.); v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420 (421) Rz. 19; HK-InsO/Kreft, § 133 Rz. 14, jew. m.w.N. 624 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 43; v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 31.

938 Wagner

V. Rechtsfolgen des Bargeschfts

Rz. 128b O

Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die Rechtshandlung Bestandteil eines O 128a ernsthaften, letztlich aber gescheiterten Sanierungsversuchs war.625 Dabei trägt der Gläubiger, der die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Benachteiligung der Gläubiger kennt, die Darlegungs- und Beweislast, dass er spätere Zahlungen auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzeptes erlangt hat626 (Gegenindikation eines schlüssigen Sanierungskonzeptes). Der Bundesgerichtshof hat in seinem Grundsatzurteil vom 12.5.2016 im Einzelnen dargelegt, dass der Gläubiger nur dann von einem schlüssigen Sanierungskonzept des Schuldners ausgehen kann, wenn er in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzeptes informiert ist; dazu gehören die Ursachen der Insolvenz, die Maßnahmen zu deren Beseitigung und eine positive Fortführungsprognose.627 Außerdem kann dem Schuldner im Falle einer bargeschäftsähnlichen Lage infol- O 128b ge des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eintretende mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden sein.628 Deshalb handelt ein Schuldner in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Leistung für eine zur Fortführung seines eigenen Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nützt.629 Diese Gegenindikation einer bargeschäftsähnlichen Lage beruht auf der einigermaßen spekulativen Erwägung, dem Schuldner sei in diesem Fall infolge des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung möglicherweise nicht bewusst geworden.630 In dieser Begründung der judikativen Beweisanzeichen-Lösung, bestehend aus Indizien und Gegenindizien, liegt zugleich ihre Schwäche, die bei einer Anwendung subjektiver Tatbestandsmerkmale freilich kaum zu vermeiden ist. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof eine Grenze gezogen für Fälle, in denen 625 Vgl. (in casu verneinend) BGH v. 3.4.2014 – IX ZR 201/13, NJW 2014, 1963 (1966) Tz. 39 ff. m.w.N. Obiter BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 43 m.w.N. 626 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, BGHZ 210, 249 = NZI 2016, 636 m. Anm. Lenger = WM 2016, 1182 = ZInsO 2016, 1251 = ZIP 2016, 1235 = EWiR 2016, 403 (Jacoby). Eingehend dazu Pape, ZInsO 2017, 114 ff. 627 BGH v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, BGHZ 210, 249 = NZI 2016, 636 m. Anm. Lenger = WM 2016, 1182 = ZInsO 2016, 1251 = ZIP 2016, 1235 = EWiR 2016, 403 (Jacoby). Eingehend dazu Pape, ZInsO 2017, 114 ff. 628 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 44; v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 (1759) = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 628 = ZIP 2015, 585 Rz. 22; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZInsO 2016, 214 Rz. 36; v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 31; Kayser, WM 2013, 293 (298); NJW 2014, 422 (427); Fischer, NZI 2008, 588 (594), jew. m.w.N. 629 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 44; v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 628 = ZIP 2015, 585 Rz. 22; auch für zuvor vereinbarte Direktzahlungen BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, ZIP 2014, 1595 Rz. 29, jew. m.w.N. Ebenso OLG Celle v. 8.10.2015 – 16 U 17/15, ZInsO 2015, 2444 (2447) = juris-Rz. 39 im Zusammenhang mit der Rückforderung des Honorars für die Erstellung eines Sanierungskonzepts. 630 Vgl. BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 44; v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 628 = ZIP 2015, 585 Rz. 25; Kayser, WM 2013, 293 (298); NJW 2014, 422 (427); Fischer, NZI 2008, 588 (594), jew. m.w.N. Wagner

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O Rz. 128b

§ 142 InsO – Bargeschft

der Schuldner nicht mehr von einer Überwindung seiner Krise ausgehen darf. Selbst wenn eine bargeschäftsähnliche Situation in dem genannten Sinne bejaht werden könne, sei die Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nicht ausgeschlossen, wenn sich der Schuldner der eintretenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung gleichwohl bewusst ist, so etwa wenn er weiß, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei Fortführung seines Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäuft, welche die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich besteht.631 O 128c

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Begrenzung in seinem für die Kreditsicherungspraxis im Warenverkehr wichtigen Urteil vom 12.2.2015 vorgenommen und konkretisiert: Die dortige Schuldnerin, eine Bezieherin von Backzutaten, habe nicht davon ausgehen können, dass der durch die angefochtenen Zahlungen ermöglichte weitere Bezug der Zutaten den Gläubigern auch nur im Allgemeinen genutzt hätte. Die Fortführung der Produktion sei dann für die Gläubiger ohne Nutzen, weil die Schuldnerin nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers unwirtschaftlich arbeitete und damit die Zahlungsrückstände ständig erhöhte. Die betriebswirtschaftliche Unterdeckung der Schuldnerin habe sich von Mitte bis zum Ende des Jahres 2006 von 289 653,57 Euro auf 585 820,55 Euro vergrößert. Angesichts ihrer Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit habe der Schuldnerin die berechtigte Erwartung gefehlt, durch die Fortsetzung der Produktion die eigene Insolvenz noch abwenden oder einen anderen Nutzen für ihre Gläubiger erzielen zu können.632

O 129 Festzuhalten ist, dass der subjektive Tatbestand einer Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO entfallen kann, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt. Dies gilt vor allem dann, wenn der Schuldner seine Leistungen unter den Voraussetzungen des § 142 InsO erbracht hat.633 So handelt ein Schuldner in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringt, die zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern im Allgemeinen nützt.634 Das trifft insbesondere auf Entgeltzahlungen zu, die der Arbeitgeber für 631 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 = WM 2015, 591 = ZIP 2015, 585 = ZInsO 2015, 628 Rz. 25 m. insoweit zust. Anm. Hiebert, S. 621. Kritisch dagegen Foerste, Zwischenruf: Künftig Selektion der Bargeschäfte, ZInsO 2015, 832 f. 632 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 = WM 2015, 591 = ZIP 2015, 585 = ZInsO 2015, 628 Rz. 25 m. insoweit zust. Anm. Hiebert, S. 621. Kritisch dagegen Foerste, Zwischenruf: Künftig Selektion der Bargeschäfte, ZInsO 2015, 832 f. 633 Vgl. BGH v. 24.9.2007 – IX ZR 178/07, Rz. 4 mit BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, NZI 2009, 723 Rz. 2; s. dazu Chr. Kaufmann, ZInsO 2010, 65 ff.; BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 44 m.w.N. 634 Vgl. BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, NZI 2009, 723 Rz. 2 mit BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, ZIP 1997, 1551 (1553); BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 = ZInsO 2014, 659 = ZIP 2014, 628; BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 44 m.w.N.

940 Wagner

V. Rechtsfolgen des Bargeschfts

Rz. 129a O

die zur Fortführung des Unternehmens nötigen Arbeitsleistungen erbringt635 und gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn Schuldner und Anfechtungsgegner Vorkasse für die von diesem erbrachten Leistungen vereinbart haben.636 Weitere Beispiele sind: Mietzahlungen für betrieblich genutzte Grundstücke.637 Zahlungen eines Energiehändlers für die Nutzung eines Strom- und Gasnetzes des Zahlungsempfängers zur Energieversorgung von Endkunden, auch soweit diese Zahlungen als vertraglich vereinbarte Sicherheitsleistung in Form einer Vorauszahlung nach Maßgabe der Lieferantenverträge erfolgen.638 Diese Wertung ist auch im Rahmen des § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.)639 zu berücksichtigen (s. Rz. O135). Voraussetzung für die Berücksichtigung als gegenläufiges Indiz ist jedoch stets, O 129a dass der Leistungsaustausch in einer zumindest bargeschäftsähnlichen Lage stattgefunden hat. Das ist nicht der Fall, wenn es bereits an elementaren Tatbestandsmerkmalen eines Bargeschäfts i.S.d. § 142 InsO fehlt, für deren Vorliegen der Anfechtungsgegner darlegungs- und beweisbelastet ist.640 So hat der Bundesgerichtshof in seinen für die Kreditsicherungspraxis im Warenverkehr wichtigen Urteilen vom 12.2.2015 und 17.11.2016 entschieden: Mit Blick auf den in Lieferungs- und Zahlungsbedingungen vorgesehenen verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des sogenannten Kontokorrentvorbehalts fehlt es für die Annahme einer bargeschäftsähnlichen Lage an dem für das Bargeschäft erforderlichen unmittelbaren Austausch zwischen Leistung und Gegenleistung.641 Bei der Vereinbarung eines erweiterten Eigentumsvorbehalts in der Form, dass der Schuldner Eigentum an den erstandenen Sachen erst erwerben soll, wenn er nicht nur den Kaufpreis bezahlt, sondern auch alle anderen oder zumindest bestimmte andere Ansprüche aus der Geschäftsverbindung tilgt,

635 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 = ZInsO 2014, 659 = ZIP 2014, 628; insoweit ebenso BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rz. 44 m.w.N. 636 Vgl. BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 28/07, NZI 2009, 723 Rz. 2; BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, NJW 2014, 2956 = ZInsO 2014, 1655 = ZIP 2014, 1595 Rz. 29 = WuB 2015, 36 m. Anm. Chr. Keller. 637 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 71 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann = NJW 2015, 1109 m. Bspr. K. Schmidt, S. 1057 = WuB 2015, 350 m. Anm. Bitter. 638 So in den TelDaFax-Fällen, in denen der Insolvenzverwalter des Energiehändlers diverse Netzbetreiber (Stadtwerke u.a.) auf Rückzahlung von Netznutzungsentgelten in Anspruch nahm; vgl. BGH v. 15.9.2016 – IX ZR 152/15, juris-Rz. 2 f. (Vorinstanz: OLG Frankfurt a.M. v. 14.7.2015 – 14 U 154/14, n.v.: Klage abgewiesen); BGH v. 6.7.2017 – IX ZR 178/15: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen (Vorinstanz: OLG Oldenburg v. 23.7.2015 – 1 U 94/14, ZIP 2015, 1988: Klage stattgegeben). 639 Zu dessen Anwendbarkeit im Rahmen des § 142 InsO s. Rz. O126. 640 Vgl. OLG Celle v. 8.10.2015 – 16 U 17/15, ZInsO 2015, 2444 (2447) = juris-Rz. 39 im Zusammenhang mit der Rückforderung des Honorars für die Erstellung eines Sanierungskonzepts. Zur Darlegungs- und Beweislast im Einzelnen s. Rz. O135. 641 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 (1759) = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 628 Rz. 24. Ebenso BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 32. Wagner

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O Rz. 129a

§ 142 InsO – Bargeschft

fehlt es zudem an der Gleichwertigkeit der erbrachten Gegenleistung.642 Dasselbe gilt, wenn bei einem verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des Kontokorrentvorbehalts, wie in den entschiedenen Fällen, sämtliche Forderungen des Lieferanten gesichert sind.643 O 129b Im Schrifttum ist diese Entscheidung vor allem im Hinblick auf ihre namentlich für Vorbehaltslieferanten befürchteten wirtschaftlichen Konsequenzen auf Kritik gestoßen. Mit dem Fazit, der redliche Lieferant sei wieder einmal der Leidtragende, wird unter Hinweis auf die verbreitete Praxis der Kreditsicherung mittels verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalts ausgeführt, Lieferanten, die sich dieses Sicherungsmittels bedienten, sei es fortan versagt, sich mit Erfolg auf die bargeschäftsähnliche Lage zu berufen, obwohl sie unstreitig einen Anspruch auf die Gegenleistung hatten.644 Dieser Kritik kann nicht zugestimmt werden, wenngleich zuzugeben ist, dass Warenkreditgeber sich für Zahlungen ihrer Abnehmer nicht mehr auf das Bargeschäftsprivileg berufen können, wenn sie an ihrer übermäßigen Kreditsicherungspraxis festhalten, wonach das Eigentum an der gelieferten Ware nicht mit deren Bezahlung auf den Erwerber übergehen, sondern noch andere Forderungen sichern soll. Abzulehnen ist auch in diesem Zusammenhang eine undifferenzierte Gleichstellung von verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt bzw. deren Kombination. Unter dem Aspekt des Bargeschäfts verdienen nur gleichwertige und in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauschte Leistungen Vorrang vor der par condicio creditorum. Diese Kriterien sind – wie der Bundesgerichtshof richtig entschieden hat – nicht erfüllt, wenn das geschuldete Eigentum an der gelieferten Ware wie bei einem erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des Kontokorrentvorbehalts oder einer Kombination von verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt nicht mit deren Bezahlung, gegebenenfalls unter Einhaltung verkehrsüblicher Zahlungsziele, sondern erst später, mit dem Eintritt weiterer Bedingungen wie der Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber dem Lieferanten und gegebenenfalls mit ihm verbundenen Unternehmen oder sonstigen Dritten erfolgen soll.645 bb) Rechtslage nach § 142 Abs. 1 InsO (n.F.) – Unlauterkeit O 129c

Mit der Neuregelung des § 142 InsO durch das Gesetz vom 29.3.2017 wurde die Vorsatzanfechtung von Bargeschäften erheblich eingeschränkt, indem eine bargeschäftlich erbrachte Leistung des Schuldners nicht mehr stets anfechtbar ist,

642 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 (1759) Rz. 24 = WM 2015, 591 mit OLG Saarbrücken, ZInsO 2010, 92 (95); MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13d; Zeuner in Leonhardt/Smid/Zeuner, § 142 Rz. 4; Bräuer, S. 149 f. Ebenso BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 32. 643 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 (1759) = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 628 Rz. 24 mit BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161 RegE; BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 Rz. 48 = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse; v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rz. 31 f. Ebenso BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 32. 644 Hiebert, S. 621, 623 f. 645 Vgl. Rz. O129a mit Nachw.

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V. Rechtsfolgen des Bargeschfts

Rz. 129d O

wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO erfüllt sind, sondern nur noch dann, wenn der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. Diese im Referentenentwurf vom 16.3.2015 noch nicht enthaltene Verschärfung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung von Bargeschäften wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29.9./16.12.2015 damit begründet, dass nach den in der Rechtsprechung zum fortführungsnotwendigen Bargeschäft entwickelten Grundsätzen unklar bleibe, ob und unter welchen Voraussetzungen der Baraustausch einer Vorsatzanfechtung überhaupt noch entgegenstehen könne, da es im Vorfeld der meisten Verfahrenseröffnungen zur Fortschreibung von Verlusten komme, es mithin zweifelhaft sei, ob der Schuldner erkennt, dass die Fortführung des Unternehmens unrentabel ist.646 Anlass für die gesetzliche Einschränkung der Vorsatzanfechtung von Bargeschäften war mit anderen Worten ein selbstverursachtes Scheitern einer alternativen Beschränkung des § 133 InsO via „bargeschäftsähnlicher Lage“, indem der BGH dieses mögliche Korrektiv dadurch entwertete, dass er bei einer gerade in Krisensituationen typischen Verlustfortführung eine bargeschäftliche Lage verneinte.647 Im Zuge der Gesetzesberatungen wurden Bedenken laut, ob das Problem nicht O 129d besser bei § 133 InsO zu lösen sei.648 Da es um eine nur für die Anfechtung von Bargeschäften geltende Verschärfung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung geht, liegt der Gesetzgeber nicht falsch, wenn er dies bei der Ausnahmevorschrift (§ 142 InsO) regelt und nicht der ohnehin komplexen allgemeinen Vorschrift (§ 133 InsO) auch noch eine Ausnahmeregelung für Bargeschäfte integriert. Dies mag indes offen bleiben, da ungeachtet etwaiger Zweifel an ihrer systematischen Verortung die Frage nach ihrem sachlichen Gehalt im Vordergrund steht. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dieser Einschränkung der Vorsatzanfechtung von Bargeschäften keine Rückkehr zur konkursrechtlichen Absichtsanfechtung verbunden ist, soweit diese sich mit einem vom Gegner erkannten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners im Sinne eines dolus eventualis begnügte, also mit einem eventuellen Wollen der als mög-

646 BT-Drucks. 18/7054, S. 19 Mitte zu Nr. 4 (§ 142 InsO-E) unter Bezugnahme auf BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, Rz. 25; s. dazu oben Rz. O128c, O129a 647 Vgl. die prägnante Umschreibung von Riggert, in Braun/Riggert, § 142 Rz. 22 unter Bezugnahme auf BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 (588); s. dazu oben Rz. O128c, O129a. 648 Huber, Gutachten S. 15 f. (BT-ARV, Prot. 18/92, S. 70 f.) hält dieses Merkmal für systematisch verfehlt, das Problem sei bei § 133 InsO zu lösen. Hierzu schlug er im Rahmen des von ihm (a.a.O., S. 15 f.) unterbreiteten Kompromissvorschlags zur Begrenzung der Vorsatzanfechtung für kongruente Deckungshandlungen vor, das Kriterium eines vom anderen Teil erkannten unlauteren Handelns des Schuldners dem für Zahlungsvereinbarungen vorgesehenen § 133 Abs. 3 S. 2 n.F. anzufügen. Zum gleichen Ergebnis war der Bund Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) gelangt, der in seiner Stellungnahme vom 9.6.2015 zum RefE (abrufbar auf der Internetseite des BDIU oder des BT-ARV-Prot. 18/92) vorgeschlagen hatte, die Einschränkung zu streichen und Abs. 1 wie folgt zu fassen: „(1) Eine Leistung des Schuldners, …, ist nicht anfechtbar.“ Dem liegt allerdings die unzutreffende Erwägung zugrunde, die Anwendung des § 133 InsO sei auf inkongruente Deckungshandlungen beschränkt (a.a.O. S. 3). Wagner

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O Rz. 129d

§ 142 InsO – Bargeschft

liche Folge erkannten Gläubigerbenachteiligung.649 Für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Unlauterkeit des Schuldners in § 142 Abs. 1 InsO wird man aber die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 31 Nr. 1 KO bei Erfüllungsgeschäften erkenntnisfördernd heranziehen können.650 Die Willensrichtung des Schuldners muss sich in der Haftungsvereitelung manifestieren, wobei einerseits dolus eventualis nicht genügt, andererseits eine Schädigungsabsicht im Rahmen eines kollusiven Zusammenwirkens zwar ohne weiteres ausreichend, aber nicht erforderlich ist (s. unten Rz. O129g ff.).651 O 129e Aufschlussreich mag ein Blick in die Begründung des Gesetzentwurfs sein.652 Danach setzt ein unlauteres Verhalten mehr voraus als die Vornahme einer Rechtshandlung in dem Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, um in dem vollzogenen Baraustausch einen für die Annahme eines unlauteren Handelns erforderlichen besonderen Unwert zu erkennen. Dies ist nach Ansicht der Verfasser der Fall, wenn es dem Schuldner in erster Linie darauf ankommt, durch die Befriedigung des Leistungsempfängers andere Gläubiger zu schädigen. So auch wenn er Vermögen für Leistungen verschleudert, die den Gläubigern keinerlei Nutzen bringen, wie etwa bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter. Ferner beim Abstoßen unverzichtbaren Betriebsvermögens, wenn der Schuldner den vereinnahmten Gegenwert seinen Gläubigern entziehen will. Nicht ausreichend sei dagegen, wenn der Schuldner erkennt, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig ist, solange er Geschäfte führt, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind.653 O 129f Das Unlauterkeitserfordernis ist jedenfalls unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Motivs auszulegen, bestehende Zweifel und Unsicherheiten bei der Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze zur Vornahme vorsatzausschließender fortführungsnotwendiger Geschäfte und Leistungen, die den Gläubigern im Allgemeinen nützlich sind, zu erübrigen und Bargeschäfte weitergehend von der Vorsatzanfechtung auszunehmen als dies bisher der Fall war (s. oben Rz. O16a, O129c). Die subjektive Anfechtungsvoraussetzung der erkannten Unlauterkeit soll sicherstellen, dass bargeschäftlich erbrachte Leistungen des Schuldners grundsätzlich nicht mehr angefochten werden können, und zu-

649 Vgl. etwa BGH v. 11.11.1993 – IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76 (81 f.); Kilger/ K. Schmidt, § 31 KO Anm. 4 m.w.N. 650 Vgl. etwa BGH v. 18.4.1991 – IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144 (2145) m. Anm. Gerhardt, EWiR 1991, 597 f.; BGH v. 18.2.1993 – IX ZR 129/92, NJW 1993, 1640 (1641); Kilger/K. Schmidt, § 31 KO Anm. 4, jew. m.w.N. Siehe dazu Rz. O127a. 651 Vgl. Kayser/Thole, § 142 Rn. 15, der zwar keine Absicht i.e.S., aber unter objektiv normativen Gesichtspunkten eine besondere Zurücksetzung der Gläubigerinteressen verlangt; Braun/Riggert, § 142 Rn. 22 f. mit dem zutreffenden Hinweis, die 2003 aufgegebene Rspr. des BGH zu § 133 (richtig: zu § 31 Nr. 1 KO; vgl. BGH NJW 1991, 2144, 2145 = ZIP 1991, 807, 809; WM 1984, 625, 630; JZ 1954, 387, 388) gewinne nun wieder an Aktualität. 652 BT-Drucks. 18/7054, S. 19 Mitte zu Nr. 4 (§ 142 InsO-E). Darauf nimmt die Bundesregierung in ihrer Replik zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates selbst Bezug (BT-Drucks. 18/7054, S. 32 unten zu Nr. 4 – § 142 Abs. 1 InsO). 653 BT-Drucks. 18/7054, S. 19 Mitte zu Nr. 4 (§ 142 InsO-E).

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V. Rechtsfolgen des Bargeschfts

Rz. 131 O

gleich gewährleisten, dass missbräuchliche Vermögensdispositionen im Gewand von Bargeschäften auch künftig rückgängig gemacht werden können.654 Richtigerweise wird man das Bargeschäftsprivileg ohnehin nicht davon abhängig machen können, wie der Schuldner die gleichwertige Gegenleistung verwendet,655 weil es nach § 142 InsO allein darauf ankommt, dass sie zeitnah in die Masse gelangt. c) Kenntnis des Anfechtungsgegners aa) Rechtslage nach § 142 InsO a.F. – § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO Eine Rechtshandlung des Schuldners wegen vorsätzlicher Benachteiligung seiner O 130 Gläubiger setzt nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO weiter voraus, dass der andere Teil (Anfechtungsgegner), zur Zeit der Handlung (§ 140 InsO) den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte. Allerdings streitet zugunsten des Insolvenzverwalters auch insoweit eine Beweiserleichterung (vgl. Rz. F62 ff.). Denn die Vorsatzkenntnis des Anfechtungsgegners wird gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn er („der andere Teil“) – bezogen auf § 142 InsO bei Vornahme der Leistung des Schuldners, genauer: bei Eintritt des Leistungserfolgs – wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte (§ 18 Abs. 2 InsO) und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Feststellungen zur Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes sind nur dann entbehrlich, wenn die Voraussetzungen der Vermutung in § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO gegeben sind und es dem Beklagten nicht gelingt, diese zu widerlegen. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern; der Anfechtungsgegner kennt mithin regelmäßig den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners.656 Der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die vom Insolvenzverwalter zu beweisenden tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt.657 Diese Voraussetzungen können schon dann gegeben sein, wenn die Verbind- O 131 lichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen wurden und jenem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt.658 Greift die Vermutung des 654 BT-Drucks. 18/7054, S. 32 unten zu Nr. 4 (§ 142 Abs. 1 InsO). 655 Ebenso K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rn. 55; anders Kayser/Thole, § 142 Rn. 15, der sich „cum grano salis“ an der Fortführungs-Rspr. des BGH orientiert. 656 BGH, Urt. v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, GmbHR 2015, 803 m. Anm. Blöse = NJW 2015, 2113, Rn. 17 m.w.N. 657 Vgl. BGH, Urt. v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, GmbHR 2015, 803 m. Anm. Blöse = NJW 2015, 2113, Rn. 17; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 Rn. 23 ff. m.w.N. 658 Zur schlüssigen Darlegung dieser Voraussetzungen s. BGH v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 (85 f.); v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, ZInsO 2016, 2474 = ZIP 2016, 2423 Rz. 13 ff.; Kayser/Thole, § 133 Rz. 29 ff., jew. m.w.N. Wagner

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O Rz. 131

§ 142 InsO – Bargeschft

§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ein, bewirkt dies eine Umkehr der Beweislast. Es obliegt dann dem Anfechtungsgegner, gegenläufige Indizien darzulegen und wenn nötig zu beweisen, dass er von Zahlungsunfähigkeit und Benachteiligungsvorsatz nichts wusste bzw. seine Kenntnis aufgrund nachträglich eingetretener Umstände entfallen ist.659 O 131a Eine Vorsatzanfechtung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch möglich, wenn Entgelt als Gegenleistung für die in engem zeitlichem Zusammenhang erbrachte gleichwertige Arbeitsleistung gezahlt wird und damit ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO vorliegt.660 Ob der Arbeitgeber mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat und der Arbeitnehmer davon Kenntnis hatte, kann ebenfalls nur aus Indizien hergeleitet werden. Ein Indiz von besonderer Bedeutung ist auch in diesem Zusammenhang die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Allerdings sind die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach Ansicht des BAG nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste.661 Vielmehr muss auch dieses Indiz einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich der Wille des Arbeitgebers auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit darauf beschränken, eine gleichwertige Gegenleistung für die zur Fortführung des Unternehmens nötige Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dass ihm eine damit verbundene Gläubigerbenachteiligung bewusst wird.662 O 131b Überschreitet eine Bank bei der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ihre Rolle als bloße Zahlungsmittlerin, kann sie einer Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) ausgesetzt sein mit der Folge, dass der an sich mögliche Bargeschäftseinwand nicht durchgreift.663 Beschränkt sie sich dagegen auf die Funktion als Zahlstelle und die zahlungstechnische Umsetzung erteilter Zahlungsaufträge, kommt eine Vorsatzanfechtung vielfach nicht in Betracht, weil sie als Leistungsmittlerin nicht erkennen kann, ob die vom Schuldner veranlassten Zahlungsvorgänge überhaupt rechtlich zu beanstanden sind. Denn bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs handelt es sich um alltägliche Geschäftsvorgänge, denen ein Wille des Überweisenden, seine Gläubiger zu benachteiligen, in der Regel nicht entnommen werden kann.664 Der IX. Zivilsenat des Bundesge659 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173 Rz. 27 ff. (Zahlungwiederaufnahme, Sanierungsversuch, Bardeckung); v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, zVb in BGHZ – Leits. a mit Rz. 23 (Sanierungsversuch); v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, ZInsO 2016, 2474 Rz. 25 ff. (Zahlungswiederaufnahme, Bardeckung). S. dazu Kayser, NJW 2014, 422, 427 f. (s. auch Rz. O16). 660 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172; s. Rz. O3b, O15, O16, O240a. 661 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172. Im entschiedenen Fall ging es um Entgeltzahlungen an die Alleinbuchhalterin der Schuldnerin. 662 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172. Die Anfechtungsklage hatte keinen Erfolg, weil das LAG die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung fehlerfrei verneint hatte. Vgl. dazu Kayser, NJW 2014, 422, 427 f. 663 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 = NJW 2012, 1959 = WM 2012, 999 = ZInsO 2012, 924 = ZIP 2012, 1038 Tz. 21 ff., 24. Vgl. unten Rz. O136 ff. 664 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 = NJW 2012, 1959 = WM 2012, 999 = ZInsO 2012, 924 = ZIP 2012, 1038 Tz. 24 mit BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rz. 37.

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V. Rechtsfolgen des Bargeschfts

Rz. 131c O

richtshofs verdeutlicht diesen zutreffenden Befund in seinem Grundsatzurteil vom 26.4.2012 (BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129) zur Vorsatzanfechtung gegen Leistungsmittler anhand unterschiedlicher Situationen, in denen die Ausführung eines Zahlungsauftrags trotz Zahlungsunfähigkeit des Kontoinhabers keinen anfechtungsrechtlichen Bedenken begegnet.665 Ebenso könne eine Zahlung mit der Erledigung eines Bargeschäfts verknüpft sein. Unter Bezugnahme auf die ratio legis des § 142 InsO führt der Senat zu Recht aus, die mit dieser Bestimmung eröffnete Möglichkeit, auch zahlungsunfähigen Schuldnern beim unmittelbaren Austausch gleichwertiger Leistungen ohne Anfechtungsrisiken für deren Vertragspartner die Teilnahme am allgemeinen Geschäftsverkehr zu erhalten, würde angesichts der Verbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ausgehöhlt, wenn bei Ausführung darauf bezogener Zahlungsaufträge anstelle der Vertragspartner die mitwirkenden Banken eine Anfechtung zu befürchten hätten.666 Dies gilt nach zutreffender Ansicht des Senats bei der Ausführung von Überweisungsaufträgen ebenso wie bei der Einlösung von Lastschriften und selbst dann, wenn eine Kreditlinie bereits überschritten ist, so dass es zu einer Erweiterung derselben hinsichtlich der geduldeten Zahlung kommt. Auch in diesem Fall könne allein aus der Vornahme der Handlung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners keine Kenntnis seines Benachteiligungsvorsatzes hergeleitet werden. Durch eine Kreditgewährung an einen zahlungsunfähigen Schuldner erhöhe sich etwa das Ausfallrisiko der Bank, für ihre Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sei dies jedoch ohne Belang.667 bb) Rechtslage nach § 142 Abs. 1 InsO (n.F.) – Kenntnis der Unlauterkeit Nach der Neuregelung der Bargeschäftsausnahme durch das Gesetz vom O 131c 29.3.2017 sind die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung auch für den Anfechtungsgegner („andere Teil“) verschärft, indem dieser zusätzlich zur Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der gläubigerbenachteiligenden Wirkung seiner Handlung auch erkannt haben muss, dass der Schuldner unlauter handelte. Die in § 133 Abs. 3 Satz 1 InsO in Verbindung mit § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO normierte Vermutung betrifft nur die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners; die insoweit vom Insolvenzverwalter zu beweisenden Anknüpfungstatsachen (s. oben Rz. O130) genügen nicht, um auf die Kenntnis eines unlauteren Verhaltens des Schuldners im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO schließen zu können.668 Mit dem Begriff der „erkannten Unlauterkeit“ knüpft der Gesetzentwurf an die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vorsatzanfechtung kongruenter Deckungshandlungen an.669 665 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 = NJW 2012, 1959 = WM 2012, 999 = ZInsO 2012, 924 = ZIP 2012, 1038 Tz. 24 mit Nachw. 666 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 = NJW 2012, 1959 = WM 2012, 999 = ZInsO 2012, 924 = ZIP 2012, 1038 Tz. 24 mit BT-Drucks. 12/2443, S. 167. 667 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 = NJW 2012, 1959 = WM 2012, 999 = ZInsO 2012, 924 = ZIP 2012, 1038 Tz. 23, 25 m.w.N. 668 BT-Drucks. 18/7054, S. 19 a.E. (zu Nr. 4 – § 142 InsO-E). 669 BT-Drucks. 18/7054, S. 32 zu Nr. 4 (§ 142 Abs. 1 InsO). Wagner

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O Rz. 131d

§ 142 InsO – Bargeschft

O 131d In seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29.9.2015 hatte der Bundesrat vorgeschlagen, diese Einschränkung abzuschwächen und das subjektive Tatbestandsmerkmal unter Verzicht auf das Merkmal der Unlauterkeit dahingehend zu formulieren, dass der andere Teil (Anfechtungsgegner) erkennen musste, dass die Gegenleistung weder zur Sicherung des Lebensbedarfs erforderlich ist noch der Fortführung oder Sanierung des Unternehmens dient. Nach Auffassung des Bundesrats reduziert die im Gesetzentwurf vorgesehene, nunmehr Gesetz gewordene Einschränkung die Anwendbarkeit der Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften auf die Fälle nachweisbaren kollusiven Zusammenwirkens von Schuldner und Leistungsempfänger; dies führe zu einer den Zielen der Insolvenzordnung widersprechenden Gefährdung der Insolvenzmasse und verfestige selbst strafbare Vermögensverschiebungen. Die vorgeschlagene Korrektur beschränke die Vorsatzanfechtung unter Verzicht auf den unbestimmten Rechtsbegriff der Unlauterkeit auf Fälle, in denen der Zahlungsempfänger nicht schutzwürdig sei, weil er erkennen musste, dass das gläubigerbenachteiligende Bargeschäft die Krise weiter verschärft und er mit seinem Handeln die Gläubigergemeinschaft sowie kostendeckend wirtschaftende Mitbewerber schädigt.670 O 131e Eine solche Einschränkung der Einschränkung des Bargeschäftseinwands hat die Bundesregierung jedoch zu Recht abgelehnt.671 In ihrer Replik führte sie hierzu aus, der Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten darauf vertrauen können, dass Leistungen des Schuldners, für die zeitnah eine gleichwertige Gegenleistung in dessen Vermögen gelangt ist, grundsätzlich nicht mehr angefochten werden können; das Merkmal der „erkannten Unlauterkeit“ stelle dies sicher, gewährleiste aber zugleich, dass missbräuchliche Vermögensdispositionen im Gewand von Bargeschäften auch künftig rückgängig gemacht werden können.672 Dem ist im Ergebnis zu folgen. Denn der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung fehlte eine überzeugende Begründung. Die ihm zugrunde liegende Besorgnis ist bei Lichte betrachtet nicht begründet. Sie geht von der nicht näher erläuterten, geschweige denn erwiesenen Annahme aus, der Bargeschäftseinwand werde in der Praxis dazu genutzt, erhebliche Vermögenswerte bis hin zu dem gesamten für die erfolgreiche Fortführung des Unternehmens notwendigen Betriebsvermögen dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Die Befürchtung, Unternehmer in Zahlungsschwierigkeiten könnten das Bargeschäftsprivileg in dieser Weise „nutzen“, verkennt, dass das Bargeschäftsprivileg eine zeitnah zu erbringende gleichwertige Gegenleistung in das Schuldnervermögen voraussetzt, wie sich aus dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut ergibt. 3. Schicksal der Gegenleistung O 132 Die Vorschrift des § 142 InsO enthält dazu keine Regelung, so wenig wie die der Anfechtungstatbestände der §§ 130 ff. InsO, insbesondere die der Verweisungsnorm des § 133 InsO. Die Auswirkungen auf die Forderung des Anfech670 BT-Drucks. 18/7054, S. 29 (unter 4. zu Art. 1 Nr. 4 – § 142 Abs. 1 InsO-E). 671 BT-Drucks. 18/7054, S. 32 zu Nr. 4 (§ 142 Abs. 1 InsO). 672 BT-Drucks. 18/7054, S. 32 zu Nr. 4 (§ 142 Abs. 1 InsO).

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VI. Darlegungs- und Beweislast

Rz. 133 O

tungsgegners sind vielmehr der allgemeinen Anfechtungsfolgenregelung des § 144 InsO zu entnehmen. Danach hat der Insolvenzverwalter die Gegenleistung aus der Masse zu erstatten, Unterscheidbarkeit oder Wertbereicherung vorausgesetzt. Eine weitergehende Geltendmachung kommt nur als Insolvenzforderung in Frage (§ 144 Abs. 2 InsO).673 Zu § 144 InsO ist anerkannt, dass der Anfechtungsgegner daneben auch Ausgleichs- oder Regressansprüche aus anderen Rechtsgründen haben kann.674

VI. Darlegungs- und Beweislast 1. Grundsätze Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen eines O 133 Bargeschäfts ist der Anfechtungsgegner,675 so dass bei einem non liquet ein Bargeschäft zu verneinen ist.676 Entsprechend der allgemeinen Beweisregel, dass jede Partei die ihr günstigen Tatsachen darzulegen und falls erforderlich zu beweisen hat, trägt im Anfechtungsrechtsstreit der Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast für alle Anfechtungsvoraussetzungen.677 In § 142 InsO normiert das Gesetz hingegen einen Ausschluss der Insolvenzanfechtung, ein Anfechtungshindernis, indem es Leistungen des Schuldners, für die er unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat, der Deckungsanfechtung entzieht, obwohl deren Voraussetzungen erfüllt sind. Aufgrund dieses Ausnahmecharakters der Vorschrift hat nach allgemeiner Meinung der Anfechtungsgegner ihre Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Das ist selbstverständlich, wenn man auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis der §§ 130, 142 InsO abstellt. Bezieht man hingegen das Verhältnis zwischen § 129 InsO und § 142 InsO, insbesondere den Gedanken der Vermögensumschichtung (s. Rz. O4), in die Betrachtung mit ein, so handelte es sich nicht um einen Ausnahmetatbestand, sondern um eine bloße Abgrenzung des Anfechtungstatbestandes, gleichsam um ein negatives Tatbestandsmerkmal der Insolvenzanfechtung. Hieraus abzuleiten, der Insolvenzverwalter habe auch die Voraussetzungen eines Bargeschäfts zu widerlegen, widerspräche indes der gesetzgeberischen Konzeption, wonach zwischen Anfechtungsgrund und Anfechtungsausschluss zu unterscheiden ist (s. Rz. O8 ff.). 673 Vgl. zu den Einzelheiten die einschlägigen Kommentare, etwa Kayser/Thole, § 144 Rz. 4 f. und hier Rz. Q12 ff. m.w.N. auch zur Abgrenzung von Abs. 1 und Abs. 2; ferner Eckhardt, ZInsO 2004, 892 ff. zu der Konstellation, dass die Anwendung des § 142 InsO an fehlender Gleichwertigkeit scheitert. 674 Vgl. dazu Köhn, NZI 2008, 412 ff.; HK-InsO/Kreft, § 144 Rz. 1; Kayser/Thole, § 144 Rz. 1. 675 BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, ZInsO 2007, 662 = ZIP 2007, 1162 Tz. 17; v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 Rz. 42; v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 Rz. 15; v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517 = WM 2012, 1200 = ZIP 2012, 1301 Tz. 41; Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 46; HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 11; Kayser/Thole, § 142 Rz. 13; Kayser, ZIP 2007, 49 (50). 676 Graf-Schlicker/Huber, § 142 Rz. 14; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 92. 677 Vgl. etwa BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (312) Rz. 42 – Globalzession; v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (106) Rz. 15 – Sicherungszession; HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 11, jew. m.w.N. Wagner

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O Rz. 134

§ 142 InsO – Bargeschft

O 134 Dementsprechend gehört zu den – vorbehaltlich einer Beweislastumkehr nach § 138 InsO – vom Insolvenzverwalter darzulegenden und zu beweisenden Anfechtungsvoraussetzungen auch das für alle Anfechtungstatbestände vorausgesetzte Erfordernis einer objektiven Benachteiligung der Insolvenzgläubiger i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO.678 Im Anfechtungsrechtsstreit trägt daher der Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die angefochtene Rechtshandlung des Schuldners die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse vermindert und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert hat.679 – Aus der zutreffenden Erkenntnis, dass der Bargeschäftseinwand weder für das Erfordernis der objektiven Gläubigerbenachteiligung noch für die Kongruenzbeurteilung erheblich ist (s. Rz. O9), folgt jedoch keine bestimmte Prüfungsreihenfolge, sondern nur die weitere Erkenntnis, dass Anfechtungsgrund und Einwendungstatbestand gesondert zu prüfen sind. Der Tatrichter ist daher nicht gehindert, zunächst den Bargeschäftseinwand zu prüfen. Dies kann zweckmäßig sein, wenn sich dadurch eine schwierige oder aufwendige Prüfung des Anfechtungstatbestandes und damit die häufig komplizierte und nicht immer widerspruchsfrei durchführbare Abgrenzung von kongruenter und inkongruenter Deckung im Sinne der §§ 130, 131 InsO erübrigt. Dies gilt jedenfalls nach der hier vertretenen Auffassung, die § 142 InsO auch in Fällen inkongruenter Deckung des § 131 InsO für grundsätzlich anwendbar hält.680 O 135 Hat der Anfechtungsgegner die spezifischen Kriterien des Bargeschäfts nachgewiesen, ist also der Bargeschäftseinwand begründet, muss nach der allgemeinen Beweislastregel wiederum der Insolvenzverwalter die Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO darlegen und beweisen.681 Dabei hat er erhöhte Anforderungen zu bestehen, weil die Bardeckung gleichermaßen gegen das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners wie gegen eine Kenntnis des Anfechtungsgegners spricht.682 Dies gilt auch im Rahmen des § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.), sofern man § 142 InsO nicht wörtlich auslegt und jene Vorschrift bei Bargeschäften für unanwendbar hält (s. Rz. O126). Daher kann nicht ohne weiteres angenommen werden, der Insolvenzverwalter sei in diesem Zusammenhang seiner Beweislast hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen der Gegenausnahme enthoben,683 dies unabhän678 BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, NJW 2000, 3777 = ZInsO 2000, 410 = ZIP 2000, 1061; OLG Stuttgart v. 15.7.2008 – 10 U 147/07, ZInsO 2011, 232 ff. (= 2. Berufungsurteil in der Sache BGH v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, s. bei § 137 InsO), NZB zurückgewiesen durch BGH v. 16.12.2010 – XI ZR 150/08; Jaeger/Henckel, § 130 Rz. 153 f. 679 Vgl. dazu etwa BGH v. 20.11.2014 – IX ZR 13/14, ZInsO 2014, 2568 = ZIP 2015, 42 Tz. 22 m.w.N. 680 Rz. O11 f., O57 ff., O66 ff. Auch unabhängig davon bei Verrechnungen im ungekündigten Kontokorrent Wazlawik, DZWIR 2009, 418 unter I.; vgl. dazu Rz. O9, O135. 681 Vgl. etwa BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 153/07, DZWIR 2010, 290; Schäfer, Insolvenzanfechtung, 4. Aufl., Rz. 884; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 93 m.w.N. 682 Vgl. BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028 (3029 unter 3); zutreffend MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 26; HR-InsO/Kreft, § 133 Rz. 14; Kayser/Thole, § 133 Rz. 15 f., jew. m.w.N. 683 A.A. Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, § 142 Rz. 22; Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 142 Rz. 17; Cranshaw/Paulus/Michel, § 142 Rz. 75; HambK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 Rz. 13; Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511, 1515, jew. m.w.N. Gegen die Annah-

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VI. Darlegungs- und Beweislast

Rz. 135b O

gig davon, dass die verbreitete Einordnung dieser Bestimmung als bloßer Beweislastregelung nicht zutrifft (vgl. Rz. O126). Angesichts der Funktion der Vorschrift, das Erfordernis einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (s. oben Rz. O1) für bestimmte Fälle zu konkretisieren, gelangt man zumindest zu der Erkenntnis, dass eine differenzierende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast möglich ist. Dementsprechend ist der Anfechtungsgegner darlegungs- und beweispflichtig O 135a für die Voraussetzungen einer bargeschäftsähnlichen Lage, mithin für eine hinreichend schlüssige und detaillierte Darstellung des für ein Bargeschäft erforderlichen unmittelbaren Austauschs von Leistung und Gegenleistung und deren Gleichwertigkeit zum jeweiligen Leistungszeitpunkt.684 Dabei ist zu beachten, dass die Darlegungs- und Beweislast für den Bargeschäftseinwand den Beklagten trifft.685 Dieser Nachweis ist nicht geführt, wenn es an jeder Darlegung fehlt, wann welche Zahlungen für welche Zeitabschnitte stattfanden und ob eine von § 366 Abs. 2 BGB im Sinne eines Baraustauschs abweichende Leistungsbestimmung getroffen worden ist.686 2. Beispiele In dem der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.1.2010 zur O 135b Sicherungszession zugrunde liegenden Fall, kam es auf die von der Revision des beklagten Insolvenzverwalters geltend gemachten Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes an. Tatsächlichen Vortrag zum Werthaltigmachen der abgetretenen Forderungen, das eine eigene Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO darstellt und deshalb selbständig anfechtbar ist, hatte der Beklagte in den Tatsacheninstanzen jedoch nicht gehalten,687 so dass es insoweit auf den Bargeschäftseinwand gar nicht ankam, da dessen Voraussetzungen erst erheblich werden, wenn ein Anfechtungsgrund nachgewiesen ist.688 – Bei der Anfechtung von Verrechnungen im Kontokorrent trifft die auf Erstattung in Anspruch genommene Bank die Darlegungs- und Beweislast dafür, ob sie dem Insolvenzschuldner das Bestimmungsrecht hinsichtlich der von ihr eingewandten Belastungsbuchungen belassen hat und durch vorgenommene Vermögensumschichtungen auch nicht mittelbar Kreditforderungen der Bank zurückgeführt worden sind.689 Hierzu muss die darlegungs- und beweisbelastete Bank aussagekräftige Unterlagen (Kontoauszüge) vorlegen, aus denen sich zuverlässig ergibt, welche Verfügungen des Kun-

684 685 686 687 688 689

me einer Beweislastregel zutreffend Gottwald/Huber, § 46 Rz. 80; Andres/Leithaus, § 142 Rz. 8 m.w.N. Vgl. OLG Celle v. 8.10.2015 – 16 U 17/15, ZInsO 2015, 2444 (2447) = juris-Rz. 39. Siehe oben Rz. O128b, O129a. Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, WM 2012, 1200 Tz. 41; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZInsO 2016, 214 Rz. 39. Vgl. BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, NJW 2015, 1756 (1759) = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 628 = ZIP 2015, 585 Rz. 24; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZInsO 2016, 214 Rz. 39. BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (106) Rz. 15. Vgl. BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, NZI 2011, 675 Tz. 8. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517 = WM 2012, 1200 = ZIP 2012, 1301 Tz. 41. Wagner

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O Rz. 135b

§ 142 InsO – Bargeschft

den (Schuldners) sie über verrechnete Zahlungseingänge im gesamten anfechtungsrelevanten Zeitraum ausgeführt hat.690 – Im Anfechtungsrechtsstreit über Direktzahlungen an Subunternehmer oder Lieferanten des Schuldners muss der Anfechtungsgegner die Voraussetzungen einer dreiseitigen Vereinbarung über die Direktzahlungen beweisen, wenn der Insolvenzverwalter (Kläger) das Vorliegen einer dreiseitigen Vereinbarung bestreitet.691

VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelfälle 1. Bankgeschäfte I – Zahlungsverkehr a) Verrechnungen im Kontokorrent O 136 Eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen betrifft Verrechnungen von Ein- und Auszahlungen im Kontokorrent. Hinsichtlich des Bargeschäftsprivilegs berühren sie sämtliche Einwendungsvoraussetzungen des § 142 InsO, insbesondere Fragen der Unmittelbarkeit und Gleichwertigkeit der fraglichen Leistungen und deren Verknüpfung. Diese Fallgruppe verdeutlicht die enorme wirtschaftliche Bedeutung des Girokontos, sei es als Geschäfts- oder als Privatkonto, gerade in der wirtschaftlichen Krise des späteren Insolvenzschuldners. O 136a Den rechtlichen Ausgangspunkt bildet das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 7.3.2002 (BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 233/01, BGHZ 150, 122) mit dem Leitsatz: „Stellt eine Bank Zahlungseingänge ins Kontokorrent ein, kann in dem Umfang ein unanfechtbares Bargeschäft vorliegen, in dem sie ihren Kunden (Schuldner) wieder über den Gegenwert verfügen läßt. Ob der Schuldner den vereinbarten Kreditrahmen voll ausnutzt, ist grundsätzlich unerheblich.“692 Den vorläufigen Schlusspunkt im Zusammenhang mit der Verrechnung von Gutschriften stellt ein Urteil vom 26.4.2012 dar, in dem der IX. Zivilsenat seine Ansicht wie folgt zusammenfasst: „Ein unanfechtbares Bargeschäft setzt voraus, dass die Bank ihrem Kunden gestattet, den durch Zahlungseingänge eröffneten Liquiditätsspielraum wieder auszuschöpfen, indem die vereinbarte Kreditlinie offen gehalten und vom Kunden nach eigenem Ermessen erteilte Zahlungsaufträge ausgeführt werden.693 Setzt die Bank auf diese Weise den Girovertrag fort, so handelt sie kongruent, wodurch die Möglichkeit des Bargeschäftseinwands gemäß § 142 InsO eröffnet wird. Voraussetzung des Bargeschäfts ist dabei ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Zahlungseingängen und -ausgängen, während es auf deren Reihenfolge nicht ankommt. Ein unanfechtbares Bargeschäft kann auch dann vorliegen, wenn die Bank nur noch einzelne Belastungsver-

690 BGH v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, BKR 2002, 1047 = NJW 2003, 360 = NZI 2003, 34 = WM 2002, 2369 = ZInsO 2002, 1136 = ZIP 2002, 2182 Tz. 32 f. 691 BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, BauR 2007, 1412 = DB 2007, 1407 = MDR 2007, 1096 f. = NZI 2007, 456 = ZInsO 2007, 662 = ZIP 2007, 1162 Tz. 17. 692 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 Leits. 4. 693 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517 = NZI 2012, 667 = WM 2012, 1200 = ZInsO 2012, 1429 = ZIP 2012, 1301 Tz. 13 mit Kayser, Festschrift für G. Fischer, 2008, S. 267, 277. Vgl. auch BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, NZI 2013, 249 = WM 2013, 361 = ZInsO 2013, 384 = ZIP 2013, 371 Rz. 15; s. dazu unten Rz. O137.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 138 O

fügungen des Schuldners ausführt, sofern dessen eigenes Bestimmungsrecht gewahrt wird und Verrechnungen nicht gegen seinen Willen stattfinden“.694 Ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO kommt nach heute herrschender Meinung nur O 137 in Betracht, soweit es um die Anfechtung einer kongruenten Deckung geht (vgl. Rz. O58). Als rechtshindernder Einwand ist es daher im Anfechtungsprozess nur relevant und nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (Rz. O9) auch erst zu prüfen, nachdem die gesetzlichen Voraussetzungen dafür festgestellt sind, insbesondere also eine Rechtshandlung des Schuldners oder eines Dritten im kritischen Zeitraum, die einem Insolvenzgläubiger in Kenntnis der Zahlungseinstellung oder des Insolvenzantrags die ihm geschuldete Befriedigung oder Sicherung verschafft oder ermöglicht hat (vgl. § 130 Abs. 1 InsO). Im ungekündigten Kontokorrentverhältnis betrifft dies zunächst die Herstellung der Aufrechnungslage, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als kongruente Erfüllung der Kontokorrentabrede zu werten sein kann. Der damit eröffnete Bargeschäftseinwand nach § 142 InsO greift durch, soweit die Bank dem Schuldner aufgrund der Kontokorrentabrede allgemein gestattet, den durch die Gutschriften eröffneten Liquiditätsspielraum wieder in Anspruch zu nehmen, wenn und soweit der Schuldner den ihm versprochenen Kredit auch tatsächlich wieder abruft. Dient die erneute Inanspruchnahme des Kredits der Erfüllung von Forderungen von Fremdgläubigern, ist die Deckungsanfechtung einzelner Gutschriften mit dem Ziel, den Gegenwert nach § 143 Abs. 1 InsO zur Masse zu ziehen, ausgeschlossen. Anfechtbar ist dann nur die Rückführung des ausgereichten Dispositionskredits, zu dem es dadurch kommt, dass die Summe der in das Kontokorrent eingestellten Einzahlungen die der fremdnützigen Auszahlungen übersteigt.695 Dabei ist zu beachten, dass die Bank grundsätzlich zur Ausführung von Zahlungsaufträgen verpflichtet ist (vgl. §§ 675f Abs. 1, 2, 675o Abs. 2 BGB), sofern ein Guthaben oder eine offene Kreditlinie vorhanden ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Bank von einem Insolvenzantrag oder der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erfahren hat.696 Der Bargeschäftseinwand greift allerdings nicht durch, wenn die Bank dabei ihre Funktion als Zahlstelle oder Leistungsmittlerin des Schuldners überschreitet; dann kann auch sie insbesondere einer Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) ausgesetzt sein.697 Dementsprechend sind Verrechnungen im Kontokorrent, welche die kontofüh- O 138 rende Bank zur unberechtigten Befriedigung ihrer eigenen Forderungen gegen den Kunden nutzt, nach Maßgabe des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO inkongruent und daher nach h.M. anfechtbar, ohne dass der Bargeschäftseinwand aus § 142 InsO 694 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, WM 2012, 1200 = ZIP 2012, 1301 Tz. 13 m.w.N. 695 BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, NZI 2013, 249 = WM 2013, 361 = ZInsO 2013, 384 = ZIP 2013, 371 Rz. 15 m.w.N. 696 Vgl. BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rz. 23 = NJW 2012, 1959 = WM 2012, 999 = ZInsO 2012, 924 = ZIP 2012, 1038 Tz. 23; BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, NZI 2013, 249 = WM 2013, 361 = ZInsO 2013, 384 = ZIP 2013, 371 Tz. 30. 697 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rz. 21 ff. = NJW 2012, 1959 = WM 2012, 999 = ZInsO 2012, 924 = ZIP 2012, 1038 Tz. 21 ff.; BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, NZI 2013, 249 = WM 2013, 361 = ZInsO 2013, 384 = ZIP 2013, 371 Tz. 30 f.; vgl. oben Rz. O125 ff., 130 f. Wagner

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O Rz. 138

§ 142 InsO – Bargeschft

entgegenstünde.698 Soweit die Verrechnungen dagegen eine kongruente Erfüllung eigener Forderungen der Bank i.S.d. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellen, scheidet eine Anfechtung nach dieser Vorschrift aus, wenn die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllt sind.699 Ein Anspruch der Bank, Gutschriften mit dem Saldo eines debitorisch geführten Girokontos zur Befriedigung eigener Forderungen zu verrechnen, besteht jedenfalls insoweit, wie sie im Zeitpunkt der Verrechnung Zahlung kontobezogener Zinsen und Gebühren700 oder Rückzahlung des (gekündigten) Kredits verlangen kann.701 Handelt es sich um eine lediglich geduldete Überziehung, die dem Kunden kein Recht zur Inanspruchnahme der Kreditsumme gibt, kann die Bank Rückzahlung verlangen, ohne zuvor kündigen zu müssen.702 Die bankmäßige Verrechnung von Gutschriften im ungekündigten Kontokorrent mit Überziehungskredit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit kongruent, als die Bank erneute Verfügungen des Schuldners über diese Deckungsmasse zugelassen hat. Die Kongruenzfrage kann hierbei innerhalb des Anfechtungszeitraums für den gleichen Betrag nur einheitlich beantwortet werden.703 Dabei spielt die Reihenfolge von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich keine Rolle, so dass ein Bargeschäft auch dann in Betracht kommen kann, wenn die Bank der Schuldnerin vor dem Eingang der verrechneten Zahlungen gestattet hat, die vereinbarte Kreditlinie nach eigenem Ermessen durch Belastungsverfügungen zu Gunsten Dritter wieder in Anspruch zu nehmen.704 Dagegen führt die Verrechnung in kritischer Zeit gutgeschriebener Zahlungseingänge, denen keine Belastungsbuchungen gegenüberstehen, bei ungekündigter Kreditlinie wegen der damit verbundenen Kredittilgung zu einer inkongruenten Deckung, weil die Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs noch nicht verlangt werden konnte.705 698 Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 4/11, WM 2012, 516 = ZInsO 2012, 438 = ZIP 2012, 537 Tz. 9 m.w.N.; im Einzelnen Rz. O139 ff. 699 Vgl. OLG Koblenz v. 27.5.2010 – 2 U 907/09, ZIP 2010, 1615 (1616) = Vorinstanz zu BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, WM 2011, 1523; s. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Rz. O52, O54, O67, O89 f. 700 Vgl. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl., Rz. 3.184 m.w.N. 701 BGH v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, GmbHR 2011, 769 m. Anm. Blöse = WM 2011, 1085 = ZIP 2011, 1111 Rz. 13. 702 BGH v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, WM 2005, 319 (320); v. 19.5.2011 – IX ZR 9/10, GmbHR 2011, 769 m. Anm. Blöse = WM 2011, 1085 = ZIP 2011, 1111 Rz. 13. 703 BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, WM 2011, 1523 = ZIP 2011, 1576 = NZI 2011, 675 m. Anm. Leithaus. Ebenso in der Vorinstanz OLG Koblenz v. 27.5.2010 – 2 U 907/09, ZIP 2010, 1615 (1616 f. mit Leits. 2). 704 Vgl. Rz. O74 ff.; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, WM 2012, 1200 = ZIP 2012, 1301 Rz. 14; BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Umdruck Rz. 4 mit BGH v. 25.1.2001 – IX ZR 6/00, WM 2001, 689 (691) zur kontokorrentmäßigen Verrechnung; allgemein zu § 142 InsO: BGHZ 167, 190 (202): inkongruente Leistung bei Vorschusszahlung an den Anwalt nach Fälligkeit der Anwaltsgebühr in einer abgeschlossenen Angelegenheit; BGH v. 10.5.2007 – IX ZR 146/05, WM 2007, 1181 (1182): Direktzahlung des Bauherrn an den Subunternehmer nach Ablauf der dem insolventen Unternehmer gesetzten Frist zur Beibringung einer Sicherheit; unanfechtbares Bargeschäft trotz Vertragsänderung durch die Beteiligten. 705 Vgl. BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 11/12, NZI 2013, 249 = WM 2013, 361 = ZInsO 2013, 384 = ZIP 2013, 371 Rz. 15 m.w.N.; im Einzelnen hierzu Rz. C45, C49, C51 ff.; umfassend Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl., Rz. 3.141 ff., 3.170 ff. m.w.N.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 141 O

Instruktiv zusammenfassend und für das forensische Vorgehen des Insolvenz- O 139 verwalters wie für die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht gem. § 543 Abs. 2 ZPO bedeutsam sind hierzu ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.4.2012706 und bereits sein Hinweisbeschluss gem. § 552a ZPO vom 27.3.2008 mit der Bemerkung, die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht dürfte auf einem Missverständnis beruhen. Soweit der Bundesgerichtshof „Verrechnungen, mit denen eigene Forderungen der Gläubigerbank getilgt wurden, im Ergebnis der Anfechtung unterstellt“ hat, gehe es nicht um die Darlehensforderung aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern um die Forderung, welche der Belastung zugrunde lag. Wenn die Bank das Konto des Schuldners etwa mit Gebühren oder mit Kreditraten belastet, fehle es an einer Verfügung des Schuldners.707 BGH-Beschluss vom 27.3.2008 – IX ZR 29/07 Der klagende Insolvenzverwalter verlangt von der beklagten Bank gem. §§ 675, O 140 667 BGB die Auszahlung von Gutschriftsbeträgen, deren Verrechnung seiner Ansicht nach anfechtbar ist mit der Folge, dass er sich unmittelbar auf die Unwirksamkeit der Verrechnung (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) berufen und den Anspruch aus der Gutschrift geltend machen kann.708 Die Forderung ergibt sich nach Ansicht des Verwalters aus der Differenz zwischen dem niedrigsten Kontostand (dem höchsten Sollstand) im Anfechtungszeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO und dem Sollstand im Zeitpunkt des Eröffnungsantrags. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil unklar sei, „wie der Betrag, durch den eigene Forderungen der Gläubigerbank getilgt wurden, zu berechnen sei“.709 Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil für im Ergebnis zutreffend gehal- O 141 ten. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hätten die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht vorgelegen. Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Bank, welche den Kunden weiter in der vereinbarten Weise Verfügungen vornehmen lässt und ihm den vertraglich eingeräumten Kreditrahmen offen hält, vertragsgerecht und damit kongruent handelt. Inkongruent sind Verrechnungen nur insoweit, als durch sie im Ergebnis innerhalb des Anfechtungszeitraums der Kredit zurückgeführt worden ist. Der von § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfasste Zeitraum beginnt, wie sich aus dem Gesetz ergibt, einen Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und endet im Zeitpunkt der Antragstellung. Innerhalb dieses Zeitraums zurückgeführt wird ein Kredit dann, wenn der Sollstand zu Beginn des Anfechtungszeitraums höher war als an dessen Ende. Diese Voraussetzung war im ent-

706 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517 = NZI 2012, 667 = WM 2012, 1200 = ZInsO 2012, 1429 = ZIP 2012, 1301. 707 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Umdruck Rz. 5 mit Nachw. – Die Revision wurde daraufhin zurückgenommen. 708 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, WM 2012, 1200 = ZIP 2012, 1301 Rz. 10. 709 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Umdruck Rz. 1. Wagner

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O Rz. 141

§ 142 InsO – Bargeschft

schiedenen Fall nur bei einem der fraglichen Konten erfüllt; die Beklagte hatte den Differenzbetrag vorprozessual gezahlt.710 O 142 Entgegen der Ansicht des Klägers ist nicht auf den höchsten Sollstand im Anfechtungszeitraum abzustellen. Auch dies hatte der Bundesgerichtshof bereits entschieden.711 Der Einwand der Revision, in Höhe der Rückführung des höchsten Sollstandes habe die beklagte Bank gerade keine erneuten Verfügungen zugelassen, berücksichtige nicht, dass es im Rahmen eines Bargeschäfts nicht auf die Reihenfolge von Leistung und Gegenleistung ankommt.712 Der Senat hält nach erneuter Prüfung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.713 – Vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat Persch überzeugend herausgearbeitet, dass Banken Kontokorrentkredite in der Krise ihres Kunden nicht voreilig kündigen sollten; bestehe die Aussicht, dessen Insolvenz noch abzuwenden, empfehle es sich, die Kreditlinie offenzuhalten bzw. die Zahlungsunfähigkeit des Kunden durch zusätzliche Kreditgewährung zu beseitigen. Dies im Hinblick auf die Befugnis der Bank, Zahlungseingänge bei der Zahlung auf sicherungszedierte Forderungen sowie im Rahmen von Bargeschäften insolvenzfest zu verrechnen.714 O 143 In seinem Grundsatzurteil vom 26.4.2012 hat der Bundesgerichtshof noch einmal klargestellt, dass ein Bargeschäft ausgeschlossen ist, soweit durch Kontobelastungen unmittelbar oder mittelbar Forderungen der kontoführenden Bank getilgt werden.715 Eine solche mittelbare Tilgung eigener Forderungen der Bank kommt z.B. dann in Betracht, wenn die im fraglichen Zeitraum vorgenommenen Kontobelastungen überwiegend Zahlungsvorgänge innerhalb einer Unternehmensgruppe betreffen, welcher der Schuldner (Bankkunde) angehört, und es deshalb möglich erscheint, dass durch die Zahlungen an die Schwestergesellschaften zugleich deren Kredit bei der Bank zurückgeführt worden ist.716 Diese Möglichkeit ergab sich im entschiedenen Fall daraus, dass die Bank nicht mehr sämtliche Zahlungsaufträge der Schuldnerin ausführen konnte, ohne dass dies

710 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Umdruck Rz. 1. Zu § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO s. BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, NZI 2011, 675 f. 711 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Umdruck Rz. 4 mit BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 233/01, BGHZ 150, 122 (130 ff.) (Abgrenzung kongruenter und inkongruenter); BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06, WM 2008, 169 (Inkongruenz der Rückführung eines Kontokorrentkredits). 712 Vgl. Rz. O88 ff., O138; BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, WM 2012, 1200 = ZIP 2012, 1301 Rz. 14; BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Umdruck Rz. 4. 713 BGH v. 27.3.2008 – IX ZR 29/07, Umdruck Rz. 4 mit Nachw.; s. auch BGH v. 14.1.2010 – IX ZR 153/07, DZWIR 2010, 290. 714 Persch, Die Insolvenzanfechtung von Kontokorrentverrechnungen, 2008 (= Diss. Berlin 2007), S. 134 ff. zum Bargeschäft, S. 164 Resümee. In der Sache ebenso, im Fazit zurückhaltender meint Gehrlein, ZInsO 2010, 1857, 1866, Banken könnten ihre Interessen am ehesten durch die Bestellung insolvenzfester Sicherungen wahren. Umfassend nunmehr Würdinger, Insolvenzanfechtung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2012 (Habil. Regensburg 2010), S. 201 ff. 715 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517 = NZI 2012, 667 = WM 2012, 1200 = ZInsO 2012, 1429 = ZIP 2012, 1301 Tz. 13. 716 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, WM 2012, 1200 = ZIP 2012, 1301 Tz. 15 f.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 144a O

zu einer Überschreitung des vereinbarten Kreditlimits geführt hätte, insbesondere wurden im fraglichen Zeitraum die monatlichen Daueraufträge wie Mietund Gehaltszahlungen nicht mehr ausgeführt. Der Bargeschäftseinwand war deshalb ausgeschlossen, weil nicht festgestellt war, nach welchem Maßstab die Bank die innerhalb des vereinbarten Kreditrahmens noch ausgeführten Zahlungsaufträge ausgewählt hatte und es deshalb offen blieb, ob die Bank das eigene Bestimmungsrecht des Kunden (Schuldners) über die Verwendung der eingeräumten Kreditlinie gewahrt hatte.717 Der Bargeschäftseinwand greift ferner nicht durch, wenn die Bank bei der Ausführung von Zahlungsaufträgen ihre Funktion als Leistungsmittlerin des Schuldners überschreitet, etwa indem sie im Eigen- oder Fremdinteresse an einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung mitwirkt.718 Hiervon zu unterscheiden ist die Rechtslage in Fällen der Konzernverrechnung, O 144 insbesondere beim Cash-Pool-Verfahren, dem sog. Cash-Pooling. Hier ist der meist am selben Tag („taggleich“) durchgeführte Ausgleich auf dem Zielkonto der Konzernmutter oder eines hiermit beauftragten Konzernunternehmens (Poolführers) – genauer: die Erfüllung des aus Belastungsbuchungen resultierenden Aufwendungsanspruchs der kontoführenden Bank aus § 670 BGB durch Abbuchung des entsprechenden Betrages vom Zielkonto – nach zutreffender Ansicht als Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO zu qualifizieren.719 Der in der Abbuchung liegende Ausgleich stellt eine kongruente Deckung dar, weil sie der Cash-Pool-Vereinbarung entspricht. In der Insolvenz eines am Cash-PoolVerfahren teilnehmenden Unternehmens (Schuldnerin) scheidet eine Anfechtung gegenüber der kontoführenden Bank aus, weil und soweit diese dabei nur in ihrer Funktion als Leistungsmittlerin tätig wird.720 Die zur Anfechtbarkeit von Gutschriften im ungekündigten Kontokorrentkredit entwickelten Grundsätze (Rz. O136 ff.) finden keine Anwendung, wenn dem teilnehmenden Unternehmen wie beim Cashpooling üblich (Schuldnerin) ein Kontokorrentkredit auf seinem Konto nicht eingeräumt ist.721 Dagegen scheidet der Bargeschäftseinwand nach Ansicht des Bundesgerichtshofs bei der Erfüllung von Entgeltforderungen der im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland tätigen privaten Betreiberin des Systems zur Einziehung der

717 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517 = WM 2012, 1200 = ZIP 2012, 1301 Tz. 15 f. 718 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rn. 21, 26 = NJW 2012, 1959 = WM 2012, 999 = ZInsO 2012, 924 = ZIP 2012, 1038 Tz. 21, 26 ff. m.w.N. 719 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, NZI 2013, 896 = WM 2013, 1793 = ZInsO 2013, 1898 = ZIP 2013, 1826 Tz. 20 m. Anm. Korno, BB 2013, 2385 ff.; Cranshaw/Hinkel/ Bruhn, § 142 Rz. 54; Kamm/Kropf, ZInsO 2014, 689 ff. Vgl. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl. (2011), Rz. 3.1106 ff.; a.A. Zahrte, NZI 2010, 596 (597 f.), jew. m.w.N. 720 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, NZI 2013, 896 = WM 2013, 1793 = ZInsO 2013, 1898 = ZIP 2013, 1826 Tz. 21, 31 m. Anm. Korno, BB 2013, 2385 ff.; Kamm/Kropf, ZInsO 2014, 689 ff. 721 BGH v. 13.6.2013 – IX ZR 259/12, NZI 2013, 896 = WM 2013, 1793 = ZInsO 2013, 1898 = ZIP 2013, 1826 Tz. 20 m. Anm. Korno, BB 2013, 2385 ff.; Kamm/Kropf, ZInsO 2014, 689 ff. Wagner

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O 144a

O Rz. 144a

§ 142 InsO – Bargeschft

LKW-Maut (Mauteinziehungsstelle) aus, weil es sich bei den – im entschiedenen Fall von Dritten auf Weisung des Schuldners geleisteten – Einzahlungen auf das Guthabenkonto des mautpflichtigen Schuldners (Nutzers) jeweils um eine inkongruente Deckung handele, auf die § 142 InsO von vornherein nicht anwendbar sei.722 Die unstreitige Tatsache, dass der Betreiber die abgebuchten Beträge pflichtgemäß an das Bundesamt für Güterverkehr ausgekehrt und damit simultan seine Abführungspflicht gegenüber dem Nutzer und seine Zahlungspflicht gegenüber dem Bundesamt erfüllt hatte, hält der IX. Zivilsenat für unerheblich. Entgegen der Auffassung des Kammergerichts, das die Anfechtungsklage in der Berufungsinstanz abgewiesen hatte, sei der Betreiber nicht lediglich als Leistungsmittler oder Zahlstelle des Schuldners tätig geworden, sondern habe die eingezahlten Beträge als Gläubiger der Entgeltforderung aus dem privatrechtlichen Einziehungsvertrag erhalten.723 Mit dieser Entscheidung erstreckt der Senat seine zur Anfechtung von Direktzahlungen entwickelte Rechtsprechung auf die Betreiber von Mauteinzugsstellen und begegnet damit denselben rechtsdogmatischen Bedenken (s. Rz. O66 ff.), auch soweit er die Sach- und Rechtslage bei den Einzugsstellen für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge als ähnlich erachtet.724 O 144b Der Bargeschäftseinwand scheidet ferner aus bei der Rückführung von Gesellschafterdarlehen (§ 135 InsO), die in der Art eines Kontokorrentkredits jeweils vor Erhalt des Nachfolgedarlehens (z.B. mittels öffentlicher Beihilfen) abgelöst werden. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt sich die Frage der Anwendbarkeit des Bargeschäftseinwands nach § 142 InsO auf die Rückzahlung des Darlehens eines Gesellschafters innerhalb des nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO maßgeblichen Zeitraums von vornherein nicht, weil die Rückzahlung eines Darlehens nicht als Bargeschäft gewertet werden kann.725 Dem ist zuzustimmen, soweit es sich dabei um eine einseitige Deckungshandlung der Schuldnerin handelt, der keine ausgleichende Gegenleistung des Gläubigers gegenübersteht.726 Auch die Tilgung kurzfristiger Überbrückungskredite, die der Gesellschafter im entschiedenen Fall zur Vorfinanzierung der von der Gesellschaft monatlich zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge gewährt hatte, ist nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.727 Dabei ist die Anfechtbarkeit wie bei einem Kontokorrentkre722 BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 319/12, DB 2013, 2556 = NZI 2013, 1068 = WM 2013, 2142 = ZInsO 2013, 2271 = ZIP 2013, 2210 Tz. 30. 723 BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 319/12, DB 2013, 2556 = NZI 2013, 1068 = WM 2013, 2142 = ZInsO 2013, 2271 = ZIP 2013, 2210 Tz. 26. 724 BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 319/12, DB 2013, 2556 = NZI 2013, 1068 = WM 2013, 2142 = ZInsO 2013, 2271 = ZIP 2013, 2210 Tz. 27 ff.; s. dazu Rz. O207 ff. 725 Vgl. BGH Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 Tz. 2 unter Bezugnahme auf BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, ZInsO 2006, 712 Tz. 33. 726 Vgl. BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, GmbHR 2013, 464 m. Anm. Bormann = NZI 2013, 483 = WM 2013, 708 = ZInsO 2013, 717 = ZIP 2013, 734 Tz 27 mit OLG Celle ZInsO 2012, 2050, 2051. 727 Vgl. BGH Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 Tz. 2 unter Bezugnahme auf BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, GmbHR 2013, 464 m. Anm. Bormann = NZI 2013, 483 = WM 2013, 708 = ZInsO 2013, 717 = ZIP 2013, 734 Tz. 16, 26 mit dem klarstellenden Hinweis, dass es nach der anfechtungsrechtlichen Ausgestaltung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO durch das MoMiG nicht mehr darauf ankommt, in welcher Höhe die wiederkehrenden Darlehen eigenkapitalersetzend waren.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 146 O

dit auf die Verringerung des Schuldsaldos im Anfechtungszeitraum beschränkt. Denn Zahlungsmittel sind der Insolvenzmasse (nur) im Umfang des höchsten zurückgeführten Darlehensstandes entzogen werden; mehr war im Schuldnervermögen zu keiner Zeit vorhanden und daher für die Gläubigerbefriedigung auch nicht einsetzbar.728 b) Lastschriften Der Bundesgerichtshof hatte sich bis in die jüngste Zeit wiederholt mit der O 145 Anfechtung von Lastschriftabbuchungen auf dem Schuldnerkonto zu befassen. Ausgangspunkt im Zusammenhang mit der Bargeschäftsausnahme ist das Grundsatzurteil des XI. Zivilsenats vom 10.6.2008. BGH-Urteil vom 10.6.2008 – BGHZ 177, 69 (Widerspruch des Insolvenzverwalters) Der Insolvenzverwalter nimmt die beklagte Bank auf Rückzahlung eines im Einzugsermächtigungsverfahren eingezogenen Lastschriftbetrages in Anspruch. Die Schuldnerin hatte dem beklagten Leasingunternehmen für ihr Girokonto bei der Sparkasse eine Einzugsermächtigung für die fälligen Leasingraten erteilt. Am 20.9.2005 wurde die fällige Leasingrate für Oktober 2005 in Höhe von 566,08 Euro von dem – debitorisch geführten – Konto der Schuldnerin bei ihrer Bank (Schuldnerbank) abgebucht und der Beklagten kurz danach vorbehaltlos gutgeschrieben. Das geleaste Fahrzeug wurde von der Schuldnerin im Monat Oktober vertragsgemäß genutzt. Mit Beschluss vom 31.10.2005 wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Er widersprach mit Telefax vom 11.11.2005 gegenüber der Beklagten dem Lastschrifteinzug vom September 2005 und forderte Rückzahlung. Gegenüber der Schuldnerbank wurde weder von der Schuldnerin noch von dem Kläger ein Widerspruch erklärt, weil dies wegen des negativen Kontosaldos nicht zu einem Auszahlungsanspruch zugunsten der Masse geführt hätte. Am 27.1.2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. In der Folgezeit lehnte er die Erfüllung des Leasingvertrages gemäß § 103 InsO ab. Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung von 566,08 Euro nebst Zinsen abgewiesen. Berufung und Revision des Klägers blieben ohne Erfolg. Zum Verständnis des zu § 142 InsO ergangenen Leitsatzes dieses Urteils – auch O 146 im Falle der Genehmigungsfiktion nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken ist für die Frage der Bardeckung im Rahmen des § 142 InsO der Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs maßgebend –729 ist zunächst wichtig zu wissen, dass im Falle einer Abbuchung aufgrund einer Einziehungsermächtigung die anzufechtende Rechts-

728 Vgl. BGH v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, GmbHR 2013, 464 m. Anm. Bormann = NZI 2013, 483 = WM 2013, 708 = ZInsO 2013, 717 = ZIP 2013, 734 Tz 16, 26; bestätigt durch BGH Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 Tz. 2. 729 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 f. Leits. d. Wagner

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O Rz. 146

§ 142 InsO – Bargeschft

handlung in der Genehmigung des Schuldners liegt, die einen mehraktigen Zahlungsvorgang abschließt.730 O 147 Eine im Einziehungsermächtigungsverfahren über das Konto des Schuldners mittels Lastschrift bewirkte Zahlung wird wirksam genehmigt, wenn der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter eine nach Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen a.F. fingierte Genehmigung des Schuldners entweder nach Ablauf der dort bestimmten Sechs-Wochen-Frist genehmigt oder ihr vor dem Ablauf der Frist zustimmt. Eine solche Erklärung ist gegenüber dem Schuldner oder der Schuldnerbank (Zahlstelle), nicht aber gegenüber dem Zahlungsempfänger abzugeben.731 Eine vom Schuldner im Lastschriftweg veranlasste Zahlung gilt als genehmigt, wenn ihr der danach bestellte, mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter bis zum Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen a.F. nicht widerspricht.732 Wenngleich ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Belastungsbuchungen nicht aus eigenem Recht genehmigen kann, so ist er doch in der Lage, die Genehmigung des Schuldners und den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern, indem er – wie der Kläger im entschiedenen Fall am 11.11.2005 – solchen Belastungsbuchungen widerspricht.733 O 148 Allerdings ist auch die Möglichkeit einer vorherigen, auch konkludenten Genehmigung der Abbuchung durch den Schuldner möglich. Jedenfalls im unternehmerischen Geschäftsverkehr, in dem Lastschriftbuchungen von dem Kontoinhaber im Allgemeinen zeitnah nachvollzogen werden, besteht bei regelmäßigen Lastschriften aus laufenden Geschäftsbeziehungen, denen der Schuldner niemals widersprochen hat, mit dessen Kenntnis von einem neuen in der Höhe nicht wesentlich abweichenden Lastschrifteinzug nach einer angemessenen Überlegungsfrist bei der kontoführenden Bank die berechtigte Erwartung, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben.734 O 149 Vor diesem bankrechtlichen Hintergrund hat der Bundesgerichtshof wie schon das Landgericht in der Berufungsinstanz den Bargeschäftseinwand durchgreifen lassen und hierzu im Einzelnen ausgeführt, dass unabhängig von der für das Valutaverhältnis maßgeblichen Rechtsauffassung ein Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO vorliegt. Nach der Erfüllungstheorie sei dies der Fall, weil mit vorbehaltlos gewordener Gutschrift der dem Konto der Schuldnerin am 20.9.2005 belasteten fälligen Leasingrate für Oktober 2005 erfüllt worden ist, die das an-

730 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 = ZInsO 2010, 2089 = ZIP 2010, 2105 Tz. 11 m.w.N. zur Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO. 731 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 = ZInsO 2010, 2089 = ZIP 2010, 2105 Tz. 16 f. m.w.N. 732 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 = ZInsO 2010, 2089 = ZIP 2010, 2105 Tz. 19 unter Aufgabe von BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 (92 ff.) Rz. 21 ff. im Anschluss an BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (81 ff.) Rz. 30 ff. 733 BGH v. 25.1.2011 – XI ZR 172/09, BKR 2011, 127 Tz. 11 m.w.N. 734 So in Fortführung auch des Urteils vom 30.9.2010 BGH v. 25.1.2011 – XI ZR 172/09, BKR 2011, 127 Tz. 20 m.w.N.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 150 O

gemessene Entgelt für die von der Schuldnerin gezogene Nutzung des Fahrzeugs für denselben Zeitraum darstellt.735 Entgegen der Ansicht der Revision sei die Anwendung von § 142 InsO nicht deswegen ausgeschlossen, weil Leistung und Gegenleistung von der Schuldnerin und der Beklagten nicht zeitabschnittsweise ausgetauscht worden seien. Bei einer länger dauernden Vertragsbeziehung setzt § 142 InsO voraus, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden.736 Das ist hier der Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei zeitnaher Zahlung von Miet- oder Pachtzinsen ein Bargeschäft gegeben.737 Gleiches gilt für die Zahlung von Leasingraten, die Miet- und Pachtzahlungen vergleichbar sind.738 Nach Ziffer IV. 1. des Leasingvertrages waren von der Schuldnerin monatliche Raten als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeuges zu erbringen. Es liegt daher eine Rechtslage vor, die der bei Miet- und Pachtzahlungen vergleichbar ist.739 Nach der (nunmehr maßgeblichen) Genehmigungstheorie ändert sich an diesem O 150 Ergebnis nichts.740 Im Falle der gemäß Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken fingierten Genehmigung der Belastungsbuchung vom 20.9.2005 ist der Leistungsaustausch bereits mit der vorbehaltlosen Gutschrift der fälligen Leasingrate erfolgt. Genehmigt der Schuldner die Belastungsbuchung, ist für die Feststellung des Leistungsaustauschs im Rahmen von § 142 InsO nicht der Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung, sondern der des Lastschrifteinzugs maßgeblich.741 Denn im Fall der Genehmigung der Belastungsbuchung durch den Zahlungspflichtigen steht die Zahlung per Lastschrift der Barzahlung wirtschaftlich gleich. Der Beklagten, die hier sowohl erste Inkassostelle also auch Zahlungsempfängerin war, stand der Betrag ab Einlösung der Lastschrift zur Verfügung, und das Vermögen der Schuldnerin als Zahlungspflichtigen ist bereits mit der Belastungsbuchung, hier also seit dem 20. September 2005, vermindert, weil die Zahlstelle wegen der nach § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Belastungsbuchung rückwirkenden Genehmigung einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Schuldner aus § 670 BGB erwirbt.742 Kraft der gesetzlichen Rückwirkungsfiktion gilt die Zahlung des Schuldners nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich als im Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs als erbracht. War der Leistungsaustausch danach mit dem Lastschrifteinzug rechtsverbindlich abgeschlossen, ist folgerichtig auch im Rahmen des § 142 InsO eine Bardeckung erfolgt.743

735 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (85 f.) Rz. 42 ff. 736 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (83 f.) Rz. 43. 737 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44 mit BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 (370). 738 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44 m.z.N. 739 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44. 740 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (87 f.) Rz. 46 ff. 741 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (87) Rz. 47 m.z.N. 742 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (87) Rz. 47 m.z.N. 743 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (87 f.) Rz. 47 mit BGH v. 29.5.2008 – IX ZR 42/07, WM 2008, 1327, 1329 Tz. 16 m. Anm. Keller, WuB VI A § 142 InsO 1.09; Bork, Festschrift für Gerhardt, S. 69, 73. A.A. nunmehr Würdinger, Insolvenzanfechtung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2012 (Habil. Regensburg 2010), S. 345 f. Wagner

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O Rz. 151

§ 142 InsO – Bargeschft

O 151 Für den entschiedenen Fall bedeutete dies, dass es sich bei der am 20.9.2005 abgebuchten Leasingrate um eine kongruente Befriedigung der Beklagten handelte. Eine kongruente Deckung ist auch dann anzunehmen, wenn eine fällige Schuld nicht bar, sondern per Überweisung, Scheck oder Lastschrift gezahlt wird.744 Der Anspruch der Beklagten aus dem Leasingvertrag auf Zahlung der hier streitgegenständlichen Leasingrate für Oktober 2005 war am 20.9.2005 fällig, wovon beide Parteien auch in der Revisionsinstanz ausgingen. Das entsprach der Regelung in Ziffer V. 1. des Leasingvertrages. Da die Rate bei Fälligkeit mit Erfüllungswirkung eingezogen worden war und der Beklagten auch für die tatsächlich gewährte Nutzung des Fahrzeuges zugestanden hatte, liegt eine kongruente Leistung vor, die gemäß § 142 InsO nicht angefochten werden kann.745 O 152 Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsprechung zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt für den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung abzustellen ist,746 allein die Auslegung von § 142 InsO betrifft, nicht aber die für den Zeitpunkt der Rechtshandlung im Sinne der Anfechtungsvorschriften maßgebliche Vorschrift des § 140 InsO.747 Der im Schrifttum vorgeschlagenen einheitlichen Anknüpfung an den Zeitpunkt der Einlösung der Lastschrift auf der Grundlage der sog. modifizierten Genehmigungstheorie748 kann schon aus diesem Grund nicht gefolgt werden. Sie wird aber auch dem Umstand nicht gerecht, dass der Leistungsaustausch mit dem Lastschrifteinzug rechtsverbindlich abgeschlossen ist (vgl. oben Rz. O150). Im Fall der Genehmigung der Belastungsbuchung durch den Zahlungspflichtigen steht die Zahlung per Lastschrift der Barzahlung wirtschaftlich gleich.749 Dies gilt nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.7.2010 (BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269) auch im SEPA-Verfahren.750 Hier wie dort ist die ursprüngliche Schuldnererklärung nicht nur als Einziehungsermächtigung des Zahlungsempfängers zu verstehen, sondern zugleich als Autorisierung des eigenen Zahlungsdienstleisters. Unterschiedliche Deutungen sind jedenfalls mit Wegfall des bis zum 1.2.2016 eingeschränkt (für das POZ) fortbestehenden Einzugsermächtigungsverfahrens überholt.751

744 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 45 mit Nobbe, KTS 2007, 397 (416) m.w.N. 745 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 45. 746 BGH v. 29.5.2008, a.a.O. Rz. 16. 747 BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, WM 2010, 2023 = ZInsO 2010, 2089 = ZIP 2010, 2105 Tz. 21 im Anschluss an Uhlenbruck/Hirte, 12. Aufl., § 140 InsO Rz. 5b. 748 Vgl. dafür Würdinger, Insolvenzanfechtung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2012 (Habil. Regensburg 2010), S. 339 ff., 344 ff. m.w.N. 749 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69, 87 Rz. 47 m.z.N. 750 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (285) Rz. 34 = WM 2010, 1546 = WuB I D 2.-5.10 m. Anm. W. Hadding. S. unten Rz. O228, O229. Eingehend zur Insolvenz des Lastschriftschuldners Ralph v. Olshausen, Die SEPA-Lastschrift: Erfüllung – Aufrechnung – Insolvenz, 2015, S. 233 ff. 751 Vgl. zu Erscheinungsformen und Entwicklung des Lastschriftverfahrens sowie der materiellrechtlichen Qualifikation der Schuldnererklärung(en) Grundmann, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2015), BankR Rn. II 168 ff., II 171 m.w.N.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 153 O

2. Bankgeschäfte II – Kreditsicherung a) Mobiliarsicherheiten – Sicherungszession, insbesondere Globalzession Anders als die Rückzahlung eines Darlehens, die als Gegenstand eines Barge- O 153 schäfts grundsätzlich ausscheidet,752 kann der Bargeschäftseinwand im Rahmen der Kreditsicherung, auch bei einer Sicherungszession zu beachten sein. BGH-Urteil vom 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (Sicherungszession im Eröffnungsverfahren) Die Parteien stritten um den Erlös aus sicherungshalber abgetretenen Forderungen, die während des (am 1.11.2002 eingeleiteten) Eröffnungsverfahrens eingezogen wurden. Die Klägerin hatte dem Schuldner zur Durchführung von Mutter-Kind-Kuren im Oktober 2002 zwei Darlehen von 500 000 Euro und „bis zu 650 000 Euro“ gewährt. Der Schuldner sollte seine zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche gegen die Kostenträger einziehen und den Erlös unverzüglich an die Klägerin weiterleiten. Für die Kuren waren im fraglichen Zeitraum Zahlungen in Höhe von insgesamt 520 423,66 Euro eingegangen. Das Geld wurde nicht an die Klägerin weitergeleitet. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.2.2003 auf Eigenantrag vom 25.9.2002 eröffnet. Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin von insgesamt 790 124,35 Euro wurde zur Tabelle angemeldet und nicht bestritten. Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin festzustellen, dass der beklagte Insolvenzverwalter verpflichtet sei, an sie 520 426,55 Euro nebst Zinsen zu zahlen.753 In dem der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.1.2010 zugrunde liegenden Fall ging es um eine mögliche Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Die Abtretung war nach dem Insolvenzantrag vom 25.9.2002 erfolgt, und der Zessionarin (Klägerin) war bekannt, dass der Sicherungsgeber (Schuldner) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt hatte. Die Anfechtung war jedoch gemäß § 142 InsO ausgeschlossen, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner in engem zeitlichem Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Das hat der Bundesgerichtshof im entschiedenen Fall bejaht, da der Forderungsabtretung Vereinbarungen über die Gewährung von Darlehen in Höhe von 500 000 Euro und bis zu 650 000 Euro gegenüber standen.754 Der Beklagte hatte nicht beweifelt, dass der erforderliche zeitliche, rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Abtretung und den Darlehen bestand. Er war jedoch der Ansicht, es komme entscheidend auf die Werthaltigmachung der abgetretenen Forderung an; diese müsse im zeitlichen Zusammenhang mit 752 BGH v. 7.5.2013 – IX ZR 271/12, NZI 2013, 816 Tz. 2 mit BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (200) Rz. 33 = NJW 2006, 2701 = ZInsO 2006, 712 (s. Rz. O182, 236), wo es aber nicht um Darlehen, sondern um Vorleistungen des Gläubigers („Kredit durch Stundung“) geht und beiläufig ausgeführt wird, im Falle einer Kreditgewährung komme ein Bargeschäft nicht in Betracht, vgl. Rz. O144b. Zur Rückführung und erneuten Inanspruchnahme einer Kreditlinie s. aber Rz. O89, O90, O136 ff. 753 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (105) Rz. 13 mit ausf. Bspr. von Gundlach/Frenzel/Jahn, NZI 2010, 336 ff.; Smid, DZWIR 2010, 309 ff. 754 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (105 f.) Rz. 13 f. Wagner

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O Rz. 153

§ 142 InsO – Bargeschft

der Darlehensgewährung erfolgt sein, wobei eine Gegenüberstellung der einzelnen Valutierungsakte einerseits und der Zeitpunkte der Werthaltigmachung der einzelnen Forderungen andererseits vorzunehmen sei.755 Der Bundesgerichtshof hat diesen Einwand verworfen mit der Begründung, das Werthaltigmachen der abgetretenen Forderungen sei als eigenständige Rechtshandlung im Sinne von § 129 InsO selbständig anfechtbar, der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Insolvenzverwalter (Beklagte) habe jedoch den dafür notwendigen Tatsachenvortrag nicht gehalten.756 Indem der Bundesgerichtshof angenommen hat, die Anfechtung der Abtretung sei nach § 142 InsO ausgeschlossen, hat er im entschiedenen Fall implizit auch die Gleichwertigkeit von Abtretung und Darlehen bejaht, und dies zu Recht, da es insoweit unschädlich ist, wenn der Wert der dem Schuldner zufließenden Leistung den der von ihm erbrachten Gegenleistung übersteigt.757 O 153a Auch in der Krise sanierungswilliger und sanierungsfähiger Unternehmen ist bei der Bestellung von Sicherheiten für Kredite, die dem Unternehmen neu gewährt werden (Sanierungskredite) die Anfechtung unter den Voraussetzungen des § 142 InsO regelmäßig ausgeschlossen.758 Dabei weist Kirchhof mit Recht darauf hin, ein Sanierungsversuch sei für sich anfechtungsrechtlich nicht schlechter zu behandeln als jede neutrale Kreditgewährung.759 Die Einbeziehung bereits bestehender Kredite in den Sicherungszweck (Nachbesicherung) steht dagegen der Annahme eines Bargeschäfts in der Regel entgegen.760 O 153b Unter Wahrung der Voraussetzungen im Übrigen kann nicht nur bei der Kreditgewährung gegen Sicherheit, sondern auch beim Tausch gleichwertiger Sicherheiten ein Bargeschäft vorliegen.761 Das kommt insbesondere bei Verlängerungsund Erweiterungsformen der Sicherungsübereignung sowie des Eigentumsvorbehalts in Betracht, soweit der Vorbehaltseigentümer anstatt des Eigentums an den gelieferten Waren die zur Sicherheit abgetretenen Forderungen aus deren bedingungsgemäßem Weiterverkauf in entsprechender Höhe erhalten hat.762 Der (Aus-)Tausch bestehender Sicherheiten ist allerdings von deren Begründung in anfechtungsrelevanter Zeit zu unterscheiden. Dies gilt vor allem bei der Sicherung des Warenkredits. So fehlt es nach zutreffender Ansicht des Bundesgerichtshofs insbesondere beim erweiterten Eigentumsvorbehalt, gegebenenfalls auch in der Kombinationsform verlängerter und erweiterter Eigentumsvorbehalt, sowohl an der Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs als auch an der Gleichwer755 756 757 758 759 760 761 762

BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (106) Rz. 14. BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (106) Rz. 15. Vgl. Rz. O116, O118a sowie zum maßgeblichen Bewertungszeitpunkt Rz. O121. Vgl. Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 85 Rz. 87b m.w.N. MK-InsO/Kirchhof, § 142 InsO Rz. 13f sowie Rz. 14 mit zutreffender Abgrenzung gegenüber der Rechtslage für Sanierungsberatungsleistungen. Vgl. eingehend Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 9. Aufl., Rz. 6.88 ff. m.w.N. Differenzierend Riggert, Festschrift für Braun, 2007, S. 139, 155, 157 f. Vgl. Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 90 Rz. 491; Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 61. Vgl. zum Eigentumsvorbehalt BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 (8 f.) = NJW 2011, 1506 Tz. 31 ff. m.w.N.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 155 O

tigkeit der erbrachten Gegenleistung, weil das geschuldete Eigentum an der gelieferten Ware nicht mit deren Bezahlung, gegebenenfalls unter Einhaltung verkehrsüblicher Zahlungsziele, sondern erst mit dem Eintritt weiterer Bedingungen wie der Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber dem Lieferanten und gegebenenfalls mit ihm verbundenen Unternehmen oder sonstigen Dritten erfolgen soll.763 Dementsprechend scheitert auch die Insolvenzanfechtung von global abgetrete- O 154 nen, zukünftig entstehenden Forderungen grundsätzlich nicht am Bargeschäftsprivileg. Denn, so die Begründung des Bundesgerichtshofs, die Voraussetzungen eines Bargeschäfts sind bezüglich künftiger von der Globalzession erfasster Forderungen in aller Regel nicht gegeben: dem Schuldner fließe insoweit kein feststellbarer neuer Vermögenswert zu, das Stehenlassen der Darlehensforderung genüge nicht; außerdem stelle weder die Einziehungsermächtigung des Zedenten noch das Wiederauffüllungsrecht der Zessionarin eine ausreichende rechtsgeschäftliche Verknüpfung dar.764 Auf die damit zusammenhängenden Fragen der Unmittelbarkeit der Gegenleistung und ihrer (vertraglichen) Verknüpfung mit der Leistung des Schuldners aufgrund einer Parteivereinbarung ist an parater Stelle einzugehen (s. Rz. O63 ff.). Hinsichtlich des Anfechtungsgrundes ist zu beachten, dass das Werthaltigma- O 155 chen zukünftiger Forderungen aus Globalzessionen grundsätzlich als selbständige Rechtshandlung anfechtbar ist, wenn es dem Vertragsschluss zeitlich nachfolgt; insoweit handelt es sich aber ebenfalls um eine kongruente Deckung, wenn dies für das Entstehen der Forderung zutrifft. Was für das Entstehen zukünftiger Forderungen aus einer Globalzession gilt, trifft in gleicher Weise für das Werthaltigmachen dieser Forderungen zu. Auch dieses ist nach § 130 InsO anfechtbar.765 Darin sieht der Bundesgerichtshof bereits einen hinreichenden Schutz des Sicherungsnehmers, so dass es einer zusätzlichen Privilegierung nach § 142 InsO nicht bedürfe. Hinter dieser strengen Auslegung des § 142 InsO steht die Sorge, berechtigte Gläubigerinteressen könnten in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt sein, wenn eine Globalzession dem Sicherungsnehmer die Möglichkeit gäbe, das Kreditverhältnis mit einem erkanntermaßen insolventen Schuldner zum Nachteil der Masse fortzusetzen. Dies wäre aber der Fall, wenn das Stehenlassen der gesicherten Darlehensforderung als gleichwertige Gegenleistung angesehen würde und der Bank als Sicherungsnehmerin ein insolvenzfestes Absonderungsrecht auch an Forderungen zustünde, die werthaltig geworden sind, nachdem sie Umstände erfahren hat, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder den Eröffnungsantrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO). Denn dies könnte, so die erkenntnisleitende Erwägung des Bundesgerichtshofs, für den Sicherungsnehmer einen Anreiz bilden, den Kreditvertrag mit dem insolventen Schuldner noch eine Zeitlang 763 BGH v. 12.2.2015 – IX ZR 180/12, ZInsO 2015, 628 = ZIP 2015, 585 Tz. 24. Ebenso BGH v. 17.11.2016 – IX ZR 65/15, GmbHR 2017, 82 = ZIP 2016, 2423 Rz. 32. 764 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (313) Rz. 43; Gehrlein, ZInsO 2010, 1857, 1862. A.A. (für Privilegierung nach § 142 InsO). Nina Kuszlik, Sicherheiten für künftige Forderungen, 2016, S. 130 ff. m.w.N. S. dazu oben Rz. O47, O55. 765 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 Leits. b (309) Rz. 35. A.A. Kuszlik, a.a.O. (vorige Fn.). Wagner

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O Rz. 155

§ 142 InsO – Bargeschft

bis zu dem von seinem persönlichen Befriedigungsinteresse her gesehen günstigsten Zeitpunkt fortzusetzen.766 – Im Fall der „einfachen“ Sicherungszession hatte der auf Herausgabe des Einziehungserlöses verklagte Insolvenzverwalter eingewandt, es komme nicht auf die Abtretung, sondern auf deren Werthaltigmachung an. Die Klägerin habe nicht einmal behauptet, dass diese im zeitlichen Zusammenhang mit der Darlehensgewährung erfolgt sei. Ihr (unbestrittener) Vortrag dazu, wann die Darlehen ausgereicht worden seien, genüge insoweit nicht. Zu fordern sei eine Gegenüberstellung der einzelnen Valutierungsakte einerseits und der Zeitpunkte der Werthaltigmachung der einzelnen Forderungen andererseits. Dem ist der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht gefolgt: Tatsächlichen Vortrag zum Werthaltigmachen der abgetretenen Forderungen habe der hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (Insolvenzverwalter) in den Tatsacheninstanzen nicht gehalten.767 – Zu beachten ist ferner, dass der Bundesgerichtshof in Fortführung jener Entscheidung durch Urteil vom 17.3.2011 entschieden hat, dass auch erweiterte und verlängerte Eigentumsvorbehalte hinsichtlich der abgetretenen zukünftig entstehenden oder zukünftig werthaltig gemachten Forderungen grundsätzlich nur als kongruente Deckung anfechtbar sind.768 b) Immobiliarsicherheiten – Grundpfandrechte O 156 Ein Bargeschäft kommt auch im Rahmen einer Grundschuldbestellung in Betracht, wenn diese für die Masse nicht nachteilig ist.769 Eine Anfechtung nach § 130 InsO ist ausgeschlossen, wenn die Sicherung oder Befriedigung sich als Bardeckung darstellt. Das gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung selbst dann, wenn die Forderung, für die Sicherung oder Befriedigung gewährt worden ist, erst begründet wurde, nachdem der Gemeinschuldner seine Zahlungen eingestellt hatte.770 Leitentscheidung hierzu ist das zur Umschuldung und Besicherung eines Kredits ergangene BGH-Urteil vom 26.11.1977, das bei einer Grundschuldbewilligung gegen Krediteinräumung die Annahme eines unanfechtbaren Bargeschäfts bestätigt.771 Für die Bestellung einer Hypothek gilt dasselbe.772 In dem alltäglichen Fall der Bestellung eines Grundpfandrechts zu Lasten des finanzierten Grundstücks, dessen Erwerb der besicherte Kredit dient, wird also regelmäßig der zur Annahme eines Bargeschäfts notwendige Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung in funktioneller (konsensuale Ver766 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (313) Rz. 43. Noch am selben Tag, an dem sie von der Überschuldung der Kundin/Zedentin erfuhr, kündigte die Bank den bestehenden Kontokorrentkredit fristlos und forderte die Kundin zur sofortigen Rückzahlung auf. 767 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (106) Rz. 14. 768 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1, 8 (9) = NJW 2011, 1506 Tz. 31, 36 = Fortführung von BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (302) Rz. 18 ff., (304) Rz. 25 ff. 769 Epp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 94 Rz. 500. 770 Vgl. bereits BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, LM Nr. 2 zu § 30 KO = NJW 1955, 709 = WM 1955, 404 Leits. 2. 771 BGH v. 26.1.1977 – VIII ZR 122/75, NJW 1977, 718 – Grundschuldbestellung. 772 Vgl. bereits BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, LM Nr. 2 zu § 30 KO = NJW 1955, 709 = WM 1955, 404.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 160 O

knüpfung) wie in zeitlicher Hinsicht (enger zeitlicher Zusammenhang) gegeben sein.773 Gleichwohl ist auch hier das Unmittelbarkeitskriterium nicht völlig unbeachtlich; die für § 142 InsO unschädliche Zeitspanne zwischen Darlehensgewährung und Besicherung kann im Einzelfall auch mehrere Monate dauern, wenn dies auf Gründen beruht, die für die Parteien nicht beeinflussbar sind, was vor allem auf behördliche Bearbeitungsfristen zutrifft.774 Ein instruktives Beispiel bietet das zur Anfechtung einer Sacheinlage ergangene O 156a Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 15.12.1994 (BGHZ 128, 184).775 Im zugrundeliegenden Fall hatte der Schuldner das von der klagenden Sparkasse finanzierte Grundstück erworben und sich gegenüber der beklagten GmbH, deren Alleingeschäftsführer und -gesellschafter er war, verpflichtet, seine Einlage durch Übereignung des Grundstücks zu leisten. Der Bundesgerichtshof sieht in dem Erwerb des Gesellschaftsanteils keine vollwertige Gegenleistung für das Eigentum am Grundstück, das als Sacheinlage einzubringen er sich verpflichtet hatte.776 In einem obiter dictum fügt der Senat die im vorliegenden Kontext wesentliche Bemerkung hinzu, eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung läge nicht vor, wenn sich die Beklagte verpflichtet hätte, gegen Einbringung des Grundstücks als Sacheinlage Zug um Zug eine Grundschuld zu bestellen, die den vom Schuldner zur Finanzierung des Grundstückskaufpreises aufgenommenen Kredit absicherte.777 Für eine dahingehende Vereinbarung hatte die Beklagte im entschiedenen Fall aber nichts vorgetragen. c) Personalsicherheiten – Bürgschaft, Garantie, persönliche Haftungsübernahme Auch die Übernahme einer Bürgschaft durch die Bank kann ein Bargeschäft im O 157 Sinne des § 142 InsO sein, wenn sie daraus in Anspruch genommen wird.778 Eine gleichwertige Gegenleistung im Sinne dieser Vorschrift scheidet jedoch aus, wenn die Bank stattdessen einen Kredit zur Ablösung der gesicherten Forderung gewährt.779 Dasselbe gilt, wenn sie nach erfolgter Inanspruchnahme ihren Regressanspruch im Kontokorrent verrechnet.780 Einstweilen frei.

O 158–O 160

773 Vgl. Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 90 Rz. 491; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rn. 4 zu BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (189), dazu sogleich im Text. 774 Vgl. oben Rz. O92 ff. OLG Brandenburg v. 21.3.2002 – 8 U 71/01, ZIP 2002, 1902 (1906) hält einen Zeitraum von sechs Monaten für zu lang; zustimmend MK-InsO/ Kirchhof, § 142 Rz. 18. 775 Vgl. oben Rz. O118c. 776 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (187). 777 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 (189); Gehrlein, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, § 142 Rn. 4. Gegebenenfalls wären die miteinander verknüpften gegenseitigen Leistungen gleichwertig, s. oben Rz. O118c. 778 Vgl. Gehrlein, ZInsO 2010, 1857 (1862) m. Nachw. 779 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 195/04, ZInsO 2008, 163 Tz. 10 m. krit. Anm. Bitter/ Rauch, WuB VI A § 142 InsO 1.08. 780 BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZInsO 2009, 1054 Tz. 13. Wagner

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O Rz. 161

§ 142 InsO – Bargeschft

3. Finanzdienstleistungen – Factoring a) Echtes Factoring O 161 Elementare Grundlage des Factoringgeschäfts ist die Globalzession und deren Insolvenzfestigkeit. Hierzu ist der Bundesgerichtshof, wie gezeigt, der Ansicht, dass die Insolvenzanfechtung von global abgetretenen, zukünftig entstehenden Forderungen grundsätzlich nicht am Vorliegen eines Bargeschäfts scheitert.781 Verlängerte und erweiterte Eigentumsvorbehalte sind hinsichtlich der abgetretenen zukünftig entstehenden oder zukünftig werthaltig gemachten Forderungen grundsätzlich nur als kongruente Deckung anfechtbar.782 Beim Factoring ist die Übertragung der jeweiligen Debitorenforderung des Factoringkunden durch deren Ankauf aufschiebend bedingt, so dass die Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs regelmäßig gewahrt ist. Besondere Aufmerksamkeit kommt hingegen der Frage der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 142 InsO zu. O 162 Nach herrschender Meinung stellt das echte Factoring ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO dar.783 Strittig ist jedoch, ob dies nur eingeschränkt gelten kann, nämlich nur insoweit, als der Gegenwert der angekauften Kundenforderungen „dem Kunden voll gutgebracht und nicht dem ‚Sperrkonto’ zugeführt worden ist“,784 was aber regelmäßig in Höhe von 10 % der Forderungen der Fall ist.785 Dass dieser „Sicherheitseinbehalt“ dem Anschlusskunden (Insolvenzschuldner) auch ohne Factoring erst bei Fälligkeit der Forderung zur Verfügung stünde, ist als hypothetische Erwägung unerheblich.786 Auch das namentlich von Hirte angeführte Argument, dieser Einbehalt werde banküblich verzinst, so dass es auch insoweit nicht zu einer Gläubigerbenachteiligung komme,787 erscheint ange-

781 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (311 ff.) Rz. 40 ff. Vgl. Rz. O47, O55, O72 ff., O118, O153 ff., O230. 782 BGH v. 17.3.2011 – IX ZR 63/10, BGHZ 189, 1 (8 f.) = NJW 2011, 1506 Tz. 31, 36 = Fortführung von BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (302) Rz. 18 ff., (304) Rz. 25 ff. 783 Vgl. Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 60 mit Nachw. zur KO; E. Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2015), Bankrecht, Rz. V 30; Bette/Wessel in Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und Europäisches Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. (2017), § 31 Rz. 60; Martinek in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, 4. Aufl., § 102 Rz. 138 mit dem zutreffenden Hinweis, es komme maßgeblich darauf an, „wie streng oder großzügig die Rechtsprechung den Begriff der Gleichwertigkeit in § 142 InsO auslegt.“ 784 So etwa Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 20 im Anschluss an Canaris, Bankrecht, 3. Aufl., Rz. 1676. 785 Vgl. zur Funktionsweise des Factoring etwa E. Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 3. Aufl. (2015), Bankrecht, Rz. V 2, V 16 ff.; instruktiv im Zusammenhang mit dem Eröffnungsverfahren BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 1/09, WM 2010, 222 Tz. 24. 786 Das übersehen Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 60 (ebenso bereits Hirte in 13. Aufl., dort Rz. 11). 787 Uhlenbruck/Hirte, 13. Aufl., § 142 Rz. 11; ebenso Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 142 Rz. 60.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 165 O

sichts der Delkrederefunktion des echten Factoring problematisch. Denn in der Verzinsung des Sicherheitseinbehalts kommt nicht der Kaufaspekt, sondern ein Finanzierungscharakter des Geschäfts zum Ausdruck. Insoweit wird gerade nicht der volle Gegenwert der angekauften Forderungen vergütet, wenn man diese einzeln betrachtet. Berücksichtigt man dagegen das für die Funktionsweise des Factoring konstitutive Siloprinzip, kommt – bezogen auf das dingliche Rechtsgeschäft – eine dem Ausscheiden und Auffüllen bei Globalzessionen vergleichbare Bewertung in Betracht.788 Einstweilen frei.

O 163

b) Unechtes Factoring Der Ankauf von Forderungen im Rahmen des unechten Factoring ist nach herr- O 164 schender Meinung ein Darlehensgeschäft. Gleichwohl soll die Finanzierungsleistung des Factoringunternehmens wie beim echten Factoring als Bardeckung unanfechtbar sein, jedenfalls soweit dies unter marktüblichen Bedingungen geschieht.789 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, soweit die nach richtiger Ansicht als Kaufpreiszahlung zu verstehende Leistung des Factors und die angekaufte Forderung gleichwertig sind.790 4. Dauerschuldverhältnisse a) Grundsätzliches Unter die Bargeschäftsausnahme können gegenseitige Verträge jeder Art bzw. O 165 deren Erfüllung fallen.791 Auch Leistungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen scheiden nicht von vornherein als Bargeschäft aus, weil sie an dem Unmittelbarkeitserfordernis scheiterten. So kommen zum Beispiel Dienstleistungen eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts als Bargeschäfte i.S.d. § 142 InsO in Betracht.792 Anwaltliche Dienstleistungen etwa ziehen sich nicht selten über einen längeren Zeitraum hin. Selbst wenn es sich nicht um Dauermandate handelt, sind Zeitspannen von Monaten oder Jahren nicht selten, § 142 InsO erfordert jedoch zwischenzeitliche Abrechnungen (s. dazu Rz. O166, O236 ff.).793 Auch Gebrauchsüberlassungsverträge wie Miete, Pacht und Leasing oder lang-

788 Vgl. näher Martinek in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 102 Rz. 136 ff. mit der notwendigen Differenzierung zwischen der Insolvenz des Factoringunternehmens und der des Anschlusskunden. 789 MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 13d; BK-InsO/Haas, § 142 Rz. 32, jew. m.w.N. 790 Vgl. E. Wagner in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2015), Bankrecht, Rz. V 8, V 30; anders für die h.M. Martinek in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 102 Rz. 138, 142, der insoweit auf die Anfechtung nicht eingeht. 791 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199 f.) Rz. 32 mit MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 4; HK-InsO/Kreft, § 142 Rz. 3; Kayser/Thole, § 142 Rz. 3 m.w.N. 792 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199 f.) Rz. 32. 793 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199 f.) Rz. 32. Wagner

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O Rz. 165

§ 142 InsO – Bargeschft

fristige und unbefristete Lieferverträge, insbesondere zur Energieversorgung, unterfallen grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 142 InsO. O 166 Wichtig für die betreffenden Wirtschaftsbereiche sowie für die Rechtspraxis sind dabei die Vorgaben des Bundesgerichtshofs für länger dauernde Vertragsbeziehungen im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des Bargeschäfts i.S.d. § 142 InsO. Danach müssen die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sein und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden (s. Rz. O83, O108 ff.).794 Bei länger währenden Vertragsbeziehungen liegt in Anlehnung an § 286 Abs. 3 BGB ein Baraustausch vor, wenn Leistung und Gegenleistung binnen eines Zeitraums von 30 Tagen abgewickelt werden.795 Das trifft paradigmatisch auf Miet-, Pacht- und Leasingsverhältnisse zu.796 b) Gebrauchsüberlassung (Miete, Pacht, Leasing) O 167 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei zeitnaher Zahlung von Miet- oder Pachtzinsen ein Bargeschäft gegeben (s. Rz. O86).797 Gleiches gilt für die Zahlung von Leasingraten, die Miet- und Pachtzahlungen vergleichbar sind.798 Nach Ziffer IV. 1. des Leasingvertrages in dem der Grundsatzentscheidung vom 10.6.2008 zugrunde liegenden Fall waren von der Schuldnerin monatliche Raten als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeuges zu erbringen. Es lag daher eine Rechtslage vor, die der bei Miet- und Pachtzahlungen vergleichbar ist.799 Nichts anderes kann für die korrespondierende Leistung der Gegenseite, d.h. die Gebrauchsüberlassung, gelten. O 168 Im Zusammenhang mit der Problematik einer eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung im Konzern hat der Bundesgerichtshof in seinem dazu ergangenen Grundsatzurteil vom 2.2.2006 ausgeführt: Die Voraussetzungen einer Anfechtung (scil. der Mietzinszahlung durch Hingabe eigener Schecks) als kongruente Deckung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO seien nicht festgestellt. Sie scheitere im Übrigen schon deshalb, weil es sich um ein Bargeschäft handelte (§ 142 InsO). Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Mietzinszahlung gewährte die Klägerin der Schuldnerin weiterhin den Mietgebrauch. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die für den relevanten Monat Oktober 1999 auf etwa ein Drittel des vertraglichen Mietzinses geminderte Mietzahlung nicht dem Wert der Gebrauchsüberlassung entsprochen hätte. Da die Scheckzahlung

794 BGH v. 18.9.2008 – IX ZR 134/05, NZG 2008, 902 m.w.N. Für Miet-, Pacht- und Leasingsverhältnisse s. BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (83 f.) Rz. 43. 795 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 71 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann mit BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 = WM 2014, 1488 = ZIP 2014, 1491 Rz. 31 ff. 796 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44 mit BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 (370). 797 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44 mit BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 (370). 798 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44 m.z.N. 799 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 (86) Rz. 44.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 170 O

zu Beginn des Nutzungszeitraums erfolgte (der Scheck wurde am 21.9.1999 ausgestellt), habe der für § 142 InsO erforderliche enge zeitliche Zusammenhang vorgelegen. Der zwischen Klägerin und Schuldnerin vorgenommene Leistungsaustausch – Mietzahlung gegen Gebrauchsüberlassung – habe sich in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht im Rahmen des Mietvertrages vollzogen.800 In ähnlichem Zusammenhang, nämlich bei der Frage eines eigenkapitalerset- O 169 zenden Gesellschafterdarlehens durch entgeltliche Nutzungsüberlassung von im Eigentum der Gesellschafter stehenden Betriebsgrundstücken an die Gesellschaft, einer GmbH, hat der Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil vom 29.1.2015 entschieden: Wird ein Baraustausch durchgeführt, handelt es sich nicht um eine stehen gelassene und damit einem Darlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung, die gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung zugänglich ist.801 Wird eine Leistung bargeschäftlich abgewickelt, scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führt, aus.802 Mit Rücksicht auf diese Erwägung war in dem mit Urteil vom 29.1.2015 entschiedenen Fall von einem bargeschäftlichen Leistungsaustausch auszugehen, die geltend gemachte Anfechtung daher nicht begründet. Die Miete war nach § 6 des Mietvertrags zum jeweils 15. Werktag des laufenden Monats fällig und wurde für Dezember 2009 statt dem 15. Dezember 2009 am 4. Januar 2010, für Januar 2010 statt dem 15. Januar 2010 am 4. Februar 2010, für Februar 2010 statt dem 15. Februar 2010 am 12. März 2010, für März 2010 statt dem 15. März 2010 am 8. April 2010 und für April 2010 statt dem 15. April am 20. April 2010 beglichen. Mithin war der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum von 30 Tagen nicht überschritten.803 c) Energielieferung Die oben wiedergegebenen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung O 170 für die Annahme eines Bargeschäfts im Sinne des § 142 InsO sind im Bereich der betreffenden Energieversorgungsverträge regelmäßig erfüllt, soweit Versorgungsunternehmen – wie allgemein üblich – wiederkehrende, nach kürzeren Zeiträumen berechnete (monatliche) Abschlagszahlungen erheben, die sich am Verbrauch im zurückliegenden Bezugszeitraum orientieren, oder von der Möglichkeit Gebrauch machen, Teilleistungen gegen entsprechende Vergütungen

800 BGH v. 2.2.2006 – IX ZR 67/02, BGHZ 166, 125 (139) Rz. 48 (Nutzungsüberlassung im Konzern) m. Anm. Servatius = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse, WuB VI A § 135 InsO 2.06. 801 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 (109) Rz. 70 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann mit BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 (70) = WM 2014, 1488 Tz. 51. Zur Frage der Unmittelbarkeit in diesem Zusammenhang s. Rz. O86. 802 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 (109) Rz. 70 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann mit BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 (76) = WM 2014, 1488 Tz. 51. 803 BGH v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83 Rz. 71 = GmbHR 2015, 420 m. Anm. Bormann mit BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 = WM 2014, 1488 = ZIP 2014, 1491 Rz. 31 ff. Wagner

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O Rz. 170

§ 142 InsO – Bargeschft

(Abschlagszahlungen) zu erbringen.804 Vgl. dazu § 25 AVB Fernwärme, § 13 GasGVV, § 13 StromGVV, § 25 AVBWasser. Bei Bezahlung rückständiger Stromrechnungen durch den Schuldner fehlt es nach herrschender Meinung an der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung.805 Richtigerweise fehlt in solchen Fällen bereits die Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs.806 5. Arbeits-, Dienst- und Werkleistungen, Geschäftsbesorgungen a) Sachleistung O 171 Erfüllungshandlungen des Schuldners wie die Übergabe der Kaufsache, aber auch die Erbringung von Dienstleistungen oder die Herstellung eines geschuldeten Werkes, sind grundsätzlich als Rechtshandlungen i.S.d. § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar (vgl. Rz. O21 ff. zur Leistung des Schuldners).807 Die selbständige Anfechtbarkeit „wertschöpfender“ Erfüllungshandlungen gilt nicht nur, soweit diese zur Werthaltigkeit einer Aufrechnungslage oder einer abgetretenen Forderung führen,808 sondern darüber hinaus generell. So sind zum Beispiel Werkleistungen, die der spätere Schuldner – gegebenenfalls im Eröffnungsverfahren mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters – vornimmt, um sein Unternehmen aufrechtzuerhalten, unter den übrigen Voraussetzungen des § 142 InsO als Bargeschäfte regelmäßig der Anfechtung entzogen.809 b) Vergütung aa) Grundsatz O 172 Als Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO werden Leistungen des Schuldners privilegiert, für die unmittelbar, d.h. in einem engen zeitlichen Zusammenhang, eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist. Das Unmittelbarkeiterfordernis (s. Rz. O78 ff.) schließt auch bei Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen erbracht werden, die Annahme eines engen zeitlichen Zusammenhangs nicht von vornherein aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber bei länger währenden Vertragsbeziehungen für die Annahme eines Bargeschäfts zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden. Ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch ist daher nach bisheriger Rechtsprechung in der Regel zu verneinen, wenn zwischen dem Beginn einer anwaltlichen Tätigkeit und der

804 Im Ergebnis wie hier MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 19 mit Stengel, Energiesicherungsverträge in der Kundeninsolvenz, 2010, S. 86 f. 805 BGH v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87 (94) = NJW 1986, 1496 (1498). Vgl. dazu OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2006 – 2 U 86/06, ZIP 2007, 137 = juris-Rz. 2. 806 Siehe oben Rz. O108a, O116a. 807 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (309) Rz. 36 m.z.N. 808 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (309) Rz. 36 m.z.N. 809 Vgl. zu Zahlungen eines Werftunternehmers an Subunternehmer BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028 (3029) unter 3.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

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Erbringung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen.810 Außerdem können die Vertragsparteien vereinbaren, dass Teilleistungen gegen entsprechende Vergütungen zu erbringen sind.811 So sind Zahlungen des späteren Schuldners – gegebenenfalls im Eröffnungsverfahren mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters – zur Aufrechterhaltung seines Unternehmens unter den übrigen Voraussetzungen des § 142 InsO als Bargeschäfte regelmäßig der Anfechtung entzogen.812 Diese zur Vergütung anwaltlicher Beratungsleistungen entwickelten Rechtspre- O 173 chungsgrundsätze sind jedoch nicht unverändert auf die Entlohnung der in aller Regel vorleistungspflichtigen Arbeitnehmer zu übertragen (unten Rz. O174 ff.) und bedürfen auch im Bereich der Vergütung selbständiger Tätigkeiten einer Korrektur, da sie weder der anwaltlichen Gebührenpraxis im Normalfall gerecht werden noch den Rechtsgrundlagen und Gepflogenheiten anderer Dienstleistungsbereiche entsprechen und sich deshalb nicht ohne weiteres auf diese übertragen, geschweige denn verallgemeinern lassen. Zwar soll es insoweit für die Bemessung des maßgeblichen Zeitraums grundsätzlich nicht auf die Fälligkeit der geschuldeten Leistung ankommen, ungeachtet sachlich nicht gerechtfertigter Rechtsfolgenunterschiede in den Fällen des § 614 BGB.813 Ob auf den Beginn der Tätigkeit des Auftragnehmers abgestellt werden kann,814 hängt aber von Art und Inhalt der Tätigkeit sowie von den üblichen Vergütungsvereinbarungen der betreffenden Branche ab, insbesondere von der Möglichkeit, Vorschüsse und Abschläge zu verlangen.815 Andernfalls zeigt sich die bereits von Lwowski und Wunderlich vorgeschlagene Anknüpfung an die Beendigung der Tätigkeit überlegen (s. Rz. O83, O106). Hält man am Beginn der Tätigkeit fest, erscheint eine Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums unter Berücksichtigung des § 286 Abs. 3 BGB vorzugswürdig, zumal die Vergütung erst ab Fälligkeit und Zugang einer (prüfbaren) Rechnung verzugsrelevant geschuldet wird. Dabei erscheint die Annahme eines engen zeitlichen Zusammenhangs, wenn der Leistungsaustausch innerhalb von einem Monat und 30 Tagen erfolgt, wie von Ganter vorgeschlagen, als sach- und interessengerecht.816

810 BGH v. 18.9.2008 – IX ZR 134/05, NZG 2008, 902. 811 BGH v. 18.9.2008 – IX ZR 134/05, NZG 2008, 902 mit BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 36; v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (661) Rz. 20. 812 Vgl. BGH v. 10.7.1997 – IX ZR 234/96, NJW 1997, 3028 (3029 unter 3) – Werft. 813 Vgl. näher dazu Ganter, ZIP 2012, 2037 (2039 f.); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 33; s. aber allgemein oben Rz. O83 f. 814 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 35; v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, ZIP 2002, 1540 (1541). Vgl. dazu Ganter, ZIP 2012, 2037 (2039 f.); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 33. 815 Vgl. BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 35. Dazu, dass selbst dann praktische Schwierigkeiten der wertäquivalenten Erfassung und Abrechnung bestehen können s. Rz. O161a. 816 Ganter, ZIP 2012, 2037 (2039 f.); vgl. unten Rz. O181, O192. Wagner

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§ 142 InsO – Bargeschft

bb) Lohnzahlungen an Arbeitnehmer O 174 Eine wirtschaftlich wie anfechtungsrechtlich besonders bedeutsame Frage ist die nach der Insolvenzfestigkeit von Lohnzahlungen in der Insolvenz des Arbeitgebers und schon im Vorfeld seiner wirtschaftlichen Krise. Eine besondere Rolle spielt dabei die Insolvenzanfechtung rückständiger Lohnzahlungen an Arbeitnehmer.817 Geradezu idealtypisch ist der Sachverhalt des BGH-Urteil vom 19.2.2009 – BGHZ 180, 63 – Elektroinstallateur Der Schuldner betrieb ein Bauunternehmen mit 40 Arbeitnehmern. Der Beklagte war bei ihm bis Mitte August 2004 als Elektroinstallateur beschäftigt. Ab Herbst 2003 geriet der Schuldner mit den Lohn- und Gehaltszahlungen zunehmend in Rückstand. Spätestens ab Mai 2004 war er zahlungsunfähig. Der Beklagte erhielt restlichen Lohn für Februar 2004 sowie anteiligen Lohn für März 2004 (1500 Euro) am 14.5.2004, den restlichen Lohn für März 2004 sowie Lohn für April 2004 (2350 Euro) am 27.7.2004. Das Insolvenzverfahren wurde auf Gläubigerantrag vom 2.8.2004 am 14.10.2004 eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat beide Zahlungen vor dem Arbeitsgericht als kongruente Deckung angefochten. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Amtsgericht verwiesen. Das Amtsgericht hat die Anfechtung der Zahlung aus Mai 2004 als unbegründet angesehen, der Klage hinsichtlich der Zahlung vom 27.7.2004 hingegen stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage ergänzend auf die Vorsatzanfechtung gestützt. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos. In diesem Fall ging es ausschließlich um den subjektiven Anfechtungstatbestand, den das Berufungsgericht nach Maßgabe des § 130 Abs. 2 InsO verneint hatte. Danach kommt es entscheidend darauf an, ob der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (vgl. Rz. C102 ff.). Gegebenenfalls kann sich der Insolvenzgläubiger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er den an sich zwingenden Schluss von den Tatsachen auf den Rechtsbegriff der Zahlungsunfähigkeit selbst nicht gezogen hat.818 Der Bundesgerichtshof teilt die Ansicht des Berufungsgerichts und hält die tatrichterliche Würdigung auch hinsichtlich der zweiten Zahlung für noch vertretbar. Zu § 130 Abs. 2 InsO unterscheidet er zwischen institutionellen, typischerweise informierten Gläubigern einerseits und den „in der Informationshierarchie auf unterster Ebene“ stehen817 Eingehend dazu Huber, NJW 2009, 1928 ff.; Vollrath, ZInsO 2011, 1665 ff. Zur Kenntnis des Arbeitnehmers von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers s. BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 (66 ff.) m. zust. Anm. Bork, EWiR 2009, 275 f.; Siegmann, WuB VI A § 130 InsO 1.09, S. 558 f.; kritisch Huber, NJW 2009, 1928 (1932); Klinck, AP § 130 InsO Nr. 1 und Smid, DZWIR 2010, 45 (53 f.) (die Entscheidung hinterlasse einen üblen Nachgeschmack). S. dazu im Folgeverfahren BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08, ZInsO 2009, 2244 Rz. 10 ff. m.w.N. Zur abweichenden Rspr. des BAG s. Rz. O158b ff. 818 BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08, ZInsO 2009, 2244 Rz. 11 m. Bspr. Ries, S. 2367 ff. und Anm. Stiller, EWiR 2009, 779 f.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 176 O

den Arbeitnehmern wie dem Anfechtungsgegner andererseits.819 Wäre es hingegen auf den Bargeschäftseinwand angekommen, hätte der Beklagte weder bezüglich der ersten noch der zweiten Zahlung Erfolg gehabt, da keine der beiden Zahlungen noch als unmittelbar i.S.d. § 142 InsO hätte angesehen werden können (vgl. Rz. O83). Zur Abgrenzung bot sich ein Parallelfall desselben Insolvenzverfahrens an, welcher der Folgeentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.10.2009 zugrunde lag; hier hatte die Anfechtungsklage Erfolg.820

O 175

Der Beklagte war bis Mitte August 2004 als Projekt- und Bauleiter beschäftigt. Er erhielt in dem Zeitraum vom 1.2.2004 bis zum 4.8.2004 keinerlei Lohn. Am 5.8.2004 zahlte der Schuldner den restlichen Lohn für den Monat Dezember 2003 in Höhe von 1514,63 Euro sowie den restlichen Lohn für den Monat Januar 2004 in Höhe von 1556,02 Euro, insgesamt 3070,65 Euro. Das Insolvenzverfahren wurde auf Gläubigerantrag vom 2.8.2004 am 14.10.2004 eröffnet. Für den Zeitraum ab dem 1.2.2004 meldete der Beklagte Lohnforderungen in Höhe von 7356,84 Euro zur Tabelle an. Die Anfechtungsklage hatte Erfolg. Der Arbeitnehmer, ein langjähriger Bauleiter des Schuldners, kannte nicht nur seinen eigenen Lohnrückstand von mehr als sechs Monaten, sondern auch betriebliche Hintergründe und Interna. Der Bargeschäftseinwand wäre – falls erhoben – wiederum unbegründet gewesen, da der zeitliche Zusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Vergütung eindeutig zu weit war (vgl. Rz. O83). Dies selbst nach Maßgabe der Rechtsprechung des nunmehr für die Insolvenzanfechtung von Lohn- und Gehaltszahlungen zuständigen Bundesarbeitsgerichts (vgl. Rz. O84), auf die im Folgenden einzugehen ist. Große Aufmerksamkeit und mitunter heftige Kritik in Wissenschaft und Praxis O 176 entfachten vier Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 6.10.2011, mit denen das Gericht eine von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichende anfechtungsrechtliche Privilegierung von Lohn- und Gehaltszahlungen in kritischer Zeit vornahm. Danach liegt grundsätzlich ein Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO vor, wenn der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für vom Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbrachte Arbeitsleistungen zahlt.821 Dies stellt eine für Theorie und Praxis der Insolvenzanfechtung glei819 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 (66 ff.) Zur Abgrenzung in einem Folgeverfahren gegen den Bau- und Projektleiter des Schuldners derselben Insolvenz, in dem die Anfechtungsklage Erfolg hatte, s. BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08, ZInsO 2009, 2244 Rz. 10 ff., 14. Siehe dazu unten Rz. O175. 820 BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08, ZInsO 2009, 2244 Rz. 11 m. Bspr. Ries, S. 2367 ff. und Anm. Stiller, EWiR 2009, 779 f. 821 BAG v. 6.10.2010 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 (Leits. 1) = ZIP 2011, 2366 m. krit. Anm. Huber, EWiR 2011, 817; Klinck, AP § 130 InsO Nr. 2; BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10; v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10; v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10.– Zur Anfechtung der Pfändung aufgrund von Lohn- und Gehaltsforderungen wegen inkongruenter Deckung s. BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZIP 2014, 91; ferner zum Az. 6 AZR 953/12; vgl. dazu Stiller, ZInsO 2013, 55 ff. Wagner

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§ 142 InsO – Bargeschft

chermaßen bedeutsame Ausdehnung des für den Anfechtungsausschluss nach § 142 InsO, genauer: für die Annahme eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung maßgeblichen Zeitraums dar, mithin eine partielle Neubestimmung des Unmittelbarkeitskriteriums mit der aus § 130 Abs. 1 InsO ableitbaren Folge, dass der Arbeitgeber (rückständige) Arbeitsvergütung auch nachträglich für bis zu sechs Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtungsfrei zahlen kann. O 177 Dieses gegenüber den anderen Insolvenzgläubigern beachtliche „Sonderinsolvenzrecht für Arbeitnehmer“ (Brinkmann) veranschaulicht der Fall des BAG-Urteil vom 6.10.2010 – BAGE 139, 235 – handwerklicher Betriebsleiter822 Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in einem am 10.9.2007 aufgrund eines Antrags vom 10.7.2007 eröffneten Insolvenzverfahren. Der Kläger war bei der Schuldnerin seit dem 13.11.2003 als handwerklicher Betriebsleiter beschäftigt. Ab 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Am 4.5.2007 erhielt der Kläger Gehalt für Januar 2007 i.H.v. 900,00 Euro netto und am 7.5.2007 i.H.v. 310,12 Euro netto. Ebenfalls am 7.5.2007 zahlte ihm die Schuldnerin Gehalt für Februar 2007 i.H.v. 2342,19 Euro netto und am 10.5.2007 Gehalt für März 2007 i.H.v. 2310,89 Euro netto. Der Beklagte focht mit Schreiben vom 1.10.2007 diese Gehaltszahlungen i.H.v. insgesamt 5863,20 Euro netto an und forderte den Kläger ohne Erfolg auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten. Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass er den vom Beklagten beanspruchten Betrag nicht zurückzahlen muss. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der negativen Feststellungsklage stattgegeben. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hat den nach § 142 InsO erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bejaht, soweit die Gehaltszahlungen der Schuldnerin im Mai 2007 erfolgten, um die vom Kläger in den vorausgehenden drei Monaten erbrachten Arbeitsleistungen zu vergüten, und ihre Anfechtung nach §§ 130 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO abgelehnt. Indem es einen festen Zeitraum von drei Monaten vor der Entgeltleistung annimmt, postuliert das Bundesarbeitsgericht einen eigenständigen neuen Unmittelbarkeitsbegriff und weicht damit von der oben dargestellten Auslegung des § 142 InsO durch den Bundesgerichtshof und der im Schrifttum mehrheitlich wie auch hier befürworteten 30-Tage-Frist zwischen Fälligkeit und Zahlung823 erheblich ab mit der Folge, dass die Lohnnachzahlungen für bis zu sechs Monate vor dem

822 BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330 = NZI 2011, 981 = ZInsO 2012, 37 = ZIP 2011, 2366 m. krit. Anm. Huber, EWiR 2011, 817; Klinck, AP § 130 InsO Nr. 2. Eingehend dazu Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197 (201 ff.); Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618 ff.; Plathner/Sajogo, ZInsO 2012, 581 ff.; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2043 f.; Huber, ZInsO 2013, 1049 ff. m.w.N. 823 Vgl. Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197, 208 mit Fn. 44; s. Rz. O83 f., O172 ff. m.w.N.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 179 O

Insolvenzantrag824 anfechtungsfrei bleiben, sofern nicht § 133 InsO eingreift.825 Das Gericht motiviert seine Auslegung vor allem aus dem Zweck des § 142 InsO, dem potentiellen Schuldner, hier dem Arbeitgeber, eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr und damit eine mögliche Sanierung zu ermöglichen, wozu es unerlässlich sei, dass der Betrieb als funktionale Einheit fortbesteht und seine Arbeitnehmer „bei der Stange“ bleiben.826 Diese Auslegung des BAG lenkt den Blick verstärkt auf den subjektiven Tat- O 178 bestand der Deckungsanfechtung sowie auf die subjektiven Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung und deren Nachweis. Dabei spielt das mit der jeweiligen Funktion des Arbeitnehmers im Betrieb üblicherweise verbundene, im Anfechtungsprozess konkret festzustellende Wissen, insbesondere Kenntnisse von der wirtschaftlichen Lage des Betriebs, eine wesentliche Rolle (vgl. Rz. O174 f.), so etwa aussagekräftige Erkenntnisse über die Liquidität des Unternehmens aufgrund eines Einblicks in die Finanzbuchhaltung. Drei der vier Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 6.10.2011 betreffen dasselbe Insolvenzverfahren; Anfechtungsgegner waren dort zwei Monteure, von denen einer auch als Lagerarbeiter mit der Warenannahme beschäftigt war, sowie ein kaufmännischer Angestellter, der im Einkauf tätig war.827 Das Bundesarbeitsgericht geht dabei von den im Elektroinstallateur-Fall (Rz. O174) entwickelten Grundsätzen des Bundesgerichtshofs aus.828 Im Betriebsleiterfall hat das Bundesarbeitsgericht die Annahme des Landesar- O 179 beitsgerichts Nürnberg gebilligt, der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Insolvenzverwalter (Beklagte) habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Arbeitnehmers (Klägers) von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen im Mai 2007 abgeleitet werden könnte. Ohne Rechtsfehler habe es auch die Kenntnis des Klägers von Umständen verneint, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen. Die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände sowie von dem Umstand, dass die Schuldnerin gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit Vergütungszahlungen in Rückstand geraten war, reiche dafür nicht aus. Diese Kenntnis habe noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zugelassen. Auch sei zu Recht berücksichtigt worden, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte, dass er kei824 Der anfechtungsfreie Maximalzeitraum ergibt sich aus einer Zusammenschau der Vorgabe des BAG mit dem gesetzlichen Zeitraum der Deckungsanfechtung, der sog. kritischen Zeit, m.a.W.: 3 Monate aus § 130 Abs. 1 InsO plus 3 Monate aus BAGE 139, 235. Vgl. mit Sachverhaltsskizzen Huber, ZInsO 2013, 1049 (1052 ff.); Huber in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Teil IV Rz. 584 f. 825 Vgl. zur Begründung im Einzelnen die Vorgenannten; s. dazu Rz. O179 f. 826 Vgl. BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 Tz. 18 mit Windel, AP § 2 ArbGG Nr. 14; Abele, FA 2009, 133 (135); entgegen Wegener, NZI 2009, 225 (226). 827 BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 585/10; v. 6.10.2011 – 6 AZR 731/10; v. 6.10.2011 – 6 AZR 732/10; Berufungsgericht war jeweils das Thüringer LAG. 828 BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 Rz. 22 ff. mit BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 m. Anm. Bork, EWiR 2009, 275; Klinck, AP § 130 InsO Nr. 1; s. dazu die Kritik der Vorgenannten sowie unten Rz. O179. Wagner

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O Rz. 179

§ 142 InsO – Bargeschft

ne Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hatte und dass der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden war. Ebenso wenig sei zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht auch die Kenntnis des Klägers von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO) verneint hat. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht folgenden Leitsatz ausgestellt: Ob der Arbeitnehmer bei einer Entgeltzahlung seines Arbeitgebers wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte (§ 133 Abs. 1 InsO), kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden und ist deshalb vom Tatrichter nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden. Diese Leitlinie ist nicht zu beanstanden. Dennoch hat das Bundesarbeitsgericht auch insoweit Kritik erfahren.829 Darauf ist jedoch hier nicht weiter einzugehen (s. Rz. C101 ff., F21 ff.). O 180 Die Auslegung des Bundesarbeitsgerichts hat ungewohnt heftige Ablehnung im insolvenzrechtlichen Schrifttum hervorgerufen,830 die namentlich von Brinkmann unter dem Etikett „Sonderinsolvenzrecht für Arbeitnehmer“ und von Huber eingehend begründet und von letzterem mit den Worten zusammengefasst wurde, diese Auslegung ebne die Grenzlinien zwischen Insolvenzgeld, Kongruenzanfechtung und Bargeschäft ein, sei unvereinbar mit dem Prinzip der Gläubigergleichbehandlung, widerspreche dem Willen des Gesetzgebers und sei in der Sache selbst unnötig.831 Unabhängig von der mit einer Rechtswegzersplitterung verbundenen Gefahr für die gebotene Einheitlichkeit der Rechtsprechung (vgl. Rz. O84) ist dieser Kritik zuzugeben, dass das Bargeschäftsprivileg weder geeignet ist, arbeits- und sozialpolitische Probleme zu lösen, noch säumigen Arbeitgebern einen Freibrief gibt, offene Lohn- und Gehaltsforderungen vor sich herzuschieben;832 daran vermag eine allgemein verschlechterte Zahlungsmoral nichts zu ändern, eine Unsitte wird dadurch, dass sie mehr und mehr einreißt noch nicht zur Verkehrssitte (Ganter).833 Außerdem trifft die Liquiditätsklemme des Arbeitgebers infolge schlechter Zahlungsmoral seiner Auftraggeber und sonstigen Schuldner seine übrigen Gläubiger in gleicher Weise.834 Dabei ist

829 Vgl. wiederum Huber in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Teil IV Rz. 587 ff., 595 ff., der (in EWiR 2011, 817 (818)) den prozessualen Ausgangspunkt des BAG zwar in dogmatischer Hinsicht nicht in Frage stellt, aber dahinter versteckte, nicht einfach zu bereinigende Differenzen zwischen BGH und BAG ausmacht. 830 Vgl. die ablehnenden Stellungnahmen von Huber, ZInsO 2013, 1049 (1052 ff.); Huber in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Teil IV Rz. 583 ff.; s. auch bereits Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197, 208 ff.; Ganter, ZIP 2012, 2037 (2043 f.); Klinck, AP § 130 InsO Nr. 2; ablehnend auch K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 40; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 19, jew. m.w.N. 831 Huber, in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Teil IV Rz. 586 und ausführlich in ZInsO 2013, 1049 (1053 ff.) m.w.N. 832 Vgl. Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618 (624); Ganter, ZIP 2012, 2037 (2043) mit Fn. 84; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 40. 833 So der zutreffende Hinweis von Ganter, ZIP 2012, 2037 (2043) nach Fn. 84. 834 Vgl. Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197 (208 f.): Die verzögerte Zahlung von Löhnen und Gehältern sei insofern durchaus ein Krisenzeichen; eine allgemein verschlechterte Zahlungsmoral betreffe aber das gesamte Wirtschaftsleben und müsste folglich

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 181 O

kaum bestreitbar, dass häufig auch freie Mitarbeiter, kleinere Subunternehmer und Kleingewerbetreibende von einer Insolvenz ihres Auftraggebers noch härter getroffen werden als „gewöhnliche“ Arbeitnehmer, da sie weder in den Genuss von Insolvenzgeld gemäß §§ 165 ff. SGB III kommen835 noch faktisch die Möglichkeit haben, ihre Forderungen insolvenzfest abzusichern. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat die frühere Privilegierung einzelner Gläubigergruppen jedoch beseitigt, um dem Grundsatz der par condicio creditorum größere praktische Bedeutung zu verschaffen. Nicht zu widerlegen ist auch die Erfahrung, dass Arbeitnehmer ihre Entscheidung, weiterzuarbeiten, d.h. „bei der Stange“ zu bleiben, in der Regel nicht davon abhängig machen, dass ihre Lohnoder Gehaltsansprüche durch Insolvenzgeld gesichert sind; denn die künftig zu erbringenden Arbeitsleistungen sind nicht die Gegenleistung für rückständigen Lohn, der Arbeitgeber schuldet für sie vielmehr neuen Lohn.836 Richtig ist aber auch, dass eine konsistente Anwendung des Unmittelbarkeits- O 181 kriteriums bislang nicht gewährleistet ist. Die Vorschläge im insolvenzrechtlichen Schrifttum sind vielfältig,837 wobei das beachtliche Plädoyer von Ganter, einen Leistungsaustausch innerhalb von einem Monat und 30 Tagen als zeitnah zu betrachten, der Lösung des Bundesarbeitsgerichts im Ergebnis nicht mehr fern ist. Eine überzeugende, im Folgenden zusammengefasst wiedergegebene Klarstellung und Vorgabe hat der Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil vom 10.7.2014 (BGHZ 202, 59) präsentiert, mit dem er der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in ungewöhnlich scharfer Form entgegen getreten ist (vgl. bereits Rz. O84). Die höchstrichterliche Kontroverse war ein wesentlicher Anlass für die mit Gesetz vom 29.3.2017 geschaffene Neuregelung des Bargeschäftsprivilegs in § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO, die jedoch der Auslegung des Bundesarbeitsgerichts insoweit ausdrücklich den Vorzug gegeben hat (vgl. Rz. O78). In der Vorauflage dieser Kommentierung war darauf hingewiesen worden, dass die damit verbundene Privilegierung abhängig Beschäftigter nur durch den Gesetzgeber und nur unter partieller Preisgabe des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen könne.838 Dies ist mit der Neuregelung geschehen. Dass der Gesetzgeber

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zu einer mit § 130 InsO nicht zu vereinbarenden generellen Ausdehnung des anfechtungsfreien Zeitraums führen. Vgl. Stiller, ZInsO 2013, 55 (56), dessen Ausführungen zur Privilegierung von Geldund Warenkreditgebern als (aus- und absonderungsberechtigter) typischer Kreditsicherungsnehmer übersehen, dass auch ohne Arbeitnehmer „nichts läuft“, so dass eine Benachteiligung des Faktors Arbeit auch in der Insolvenz vermieden werden sollte. Eine andere, vom Gesetzgeber zu beantwortende Frage ist, mit welchen spezifischen Mitteln dies zu geschehen hat. Vgl. Ganter, ZIP 2012, 2037 (2043 f.); K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 40 mit BGH v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87 (94). Vgl. BAG v. 6.10.2011 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 Tz. 15; Ganter, ZIP 2012, 2037 (2040) unter 3.1, jeweils mit Nachw.; s. auch Rz. O83 f., O172 ff., O182 ff. E. Wagner in Kummer/Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Aufl., 2012, Rz. O181. Vgl. eingehend Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197 (214 ff.); Ganter, ZIP 2012, 2037 (2043 f.); Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618 (627); auch bereits Klinck, AP § 130 InsO Nr. 2 und AP § 130 InsO Nr. 1: es sei nicht Sache der Rechtsprechung, den Gesetzgeber zu korrigieren. Wagner

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O Rz. 181

§ 142 InsO – Bargeschft

hierfür § 142 InsO als den richtigen Ort angesehen hat,839 stieß bereits vor und während des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere im Rahmen der Beratungen des Gesetzesentwurfs im Bundestag, auf Kritik und erscheint systematisch verfehlt (vgl. §§ 38, 39 InsO).840 Gleichwohl erfordert die Neuregelung eine konsistente rechtsdogmatische Erfassung des bargeschäftlichen Leistungsaustauschs. Hierbei dürfte unstrittig sein, dass § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO kein Regelbeispiel darstellt, sondern als gesetzliche Ausnahme vom Regelverständnis des Unmittelbarkeitserfordernisses zu behandeln ist. BGH-Urteil vom 10.7.2014 – BGHZ 202, 59 – kaufmännischer Leiter und Mitgesellschafter841 O 181a Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 24.3.2011 über das Vermögen der e. GmbH (Schuldnerin) am 21.4.2011 eröffneten Insolvenzverfahren. Der Beklagte war am Stammkapital der Schuldnerin über 25 000 Euro mit einem Geschäftsanteil von 8250 Euro beteiligt. Außerdem war er bei der Schuldnerin als kaufmännischer Leiter für den Unternehmensbereich zentrale Dienste zu einem nach dem Inhalt des Dienstvertrages spätestens am zehnten Tag des Folgemonats fälligen Gehalt von 5500 Euro angestellt und mit einer Kontovollmacht versehen. Nachdem das Arbeitsentgelt für die Monate November und Dezember 2010 nicht vollständig entrichtet worden war, überwies die Schuldnerin am 5.1.2011 einen Betrag von 2000 Euro an den Beklagten. Der Kläger nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Erstattung dieser Zahlung in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage in Anwendung von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Revision hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof ist mit dieser Entscheidung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in ungewöhnlich scharfer Form entgegen getreten. Er präzisiert das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit eines bargeschäftlichen Leistungsaustauschs unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Dabei lässt sich als Leitgedanke festhalten, dass bei einer nach Zeitabschnitten bemessenen Vergütung (§ 614 839 Ebenso Wroblewski, NJW 2012, 894 ff., der wie Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197 (214 ff.) eine Einschränkung der Anfechtung von Lohnnachzahlungen rechts- und sozialpolitisch begrüßt, im Unterschied zu diesem aber der Auslegung des § 142 InsO durch das BAG zustimmt. 840 Vgl. etwa Berner, ZInsO 2015, 2457, 2470 f.; Ganter, WM 2015, 905 (910) und WM 2015, 2117 (2121); grundlegend BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 Rn. 20 ff., 29 mit Nachw. zu den im Schrifttum diskutierten alternativen Möglichkeiten zum Schutz berechtigter Arbeitnehmerinteressen, etwa der von Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197 (215 f.) vorgeschlagenen sozialrechtlichen Lösung durch Schaffung eines ergänzenden Sonderanspruchs im Rahmen der §§ 165 ff. SGB III. 841 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 = NJW 2014, 2579 = ZInsO 2014, 1602 = ZIP 2014, 1491 m. zust. Anm. Bograkos/Rissmann, ZInsO 2014, 2213 f.; Ganter, WuB VI A § 142 InsO 1.14; kritisch Klinck, DB 2014, 2455 ff.; Ries, EWiR 2014, 561 (562).

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 182 O

Satz 2 BGB) ein Bargeschäft grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn zum Zeitpunkt der Zahlung bereits der Lohn für den nächsten Zeitabschnitt fällig war. Die Leitsätze der Grundsatzentscheidung lauten:

O 181b

1. Ist der Arbeitnehmer vorleistungspflichtig, genießen Lohnzahlungen seines insolventen Arbeitgebers, die binnen 30 Tagen nach Fälligkeit bewirkt werden, das Bargeschäftsprivileg (entgegen BAG, 6. Oktober 2011, 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 und BAG, 29. Januar 2014, 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628). 2. Die einen Benachteiligungsvorsatz und seine Kenntnis nahelegenden Beweisanzeichen können zurücktreten, wenn der Schuldner eine kongruente Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines eigenen Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nützt. Zu den für die Unternehmensfortführung unverzichtbaren Gegenleistungen gehört auch die Tätigkeit der Arbeitnehmer. 3. Wird eine Gehaltsforderung an einen Gesellschafter nach den Grundsätzen des Bargeschäfts gedeckt, liegt darin keine Befriedigung einer einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung. Mit diesem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung O 181c zur Vergütung von Dienstleistungen, die zur Vergütung anwaltlicher und steuerlicher Beratungsleistungen ergangen war (s. Rz. O105 ff., O182 ff.), im Hinblick auf die Vorleistungspflicht der Arbeitnehmer gemäß § 614 BGB modifiziert und auf Lohn- und Gehaltszahlungen erstreckt. Er hat dabei das Unmittelbarkeitskriterium wie aus dem ersten Leitsatz ersichtlich präzisiert und der zwischenzeitlich ergangenen abweichenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden widersprochen (s. Rz. O84). Dessen Auffassung hat sich gleichwohl, ungeachtet der anfänglich ganz überwiegenden Ablehnung im insolvenzrechtlichen Schrifttum,842 durchgesetzt und wurde – von der Bundesregierung zum Anlass für die Novellierung des § 142 InsO genommen – Inhalt des Gesetzentwurfs vom 27.9./16.12.2015843 und schließlich mit Gesetz vom 27.3.2017 in § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO seit 5.4.2017 geltendes Recht. cc) Vergütung freiberuflicher Tätigkeiten (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer u.a.) Auch Dienstleistungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern können Bar- O 182 geschäfte sein.844 Dabei kommt es nicht auf den Auftrag, der mehrere Angele842 Eingehend Blank, Insolvenzanfechtung gegenüber Arbeitnehmern, 2016 (Diss. Saarbrücken 2015); Doebert, Die Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, 2016 (Diss. Hamburg 2015). 843 Vgl. etwa Berner, ZInsO 2015, 2457, 2470 f. und zu Recht kritisch Ganter, WM 2015, 905 (910); 2015, 2117 (2121); hier im Einzelnen Rz. O87a ff. 844 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199 f.) Rz. 32; v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, WM 2008, 229 (230) Rz. 20; s. auch BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) = ZIP 2012, 333 (335) Rz. 21. Wagner

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O Rz. 182

§ 142 InsO – Bargeschft

genheiten umfassen kann, sondern auf die jeweilige Angelegenheit an. Denn sowohl die Gebühren- als auch die Vorschussforderung des Rechtsanwalts ist auf die jeweilige Angelegenheit – und nicht auf den Auftrag – bezogen.845 Die Gebühren entgelten die Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit (§ 15 Abs. 1 RVG); in derselben Angelegenheit kann der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal fordern (§ 15 Abs. 2 BRAGO). Das Recht auf Vorschüsse (§ 9 RVG) dient der Sicherung des späteren Vergütungsanspruchs des vorleistungspflichtigen Rechtsanwalts. O 183 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Bargeschäft aber zu verneinen, wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung der Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen. Mit anderen Worten: Erbringt ein Rechtsanwalt üblicherweise Vorleistungen, die der inzwischen in der Krise befindliche Mandant mehr als 30 Tage später vergütet, handelt es sich nicht mehr um ein anfechtungsrechtlich privilegiertes Bargeschäft.846 Rechtsanwälte werden dadurch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht unangemessen benachteiligt, da sie jederzeit Vorschüsse verlangen können (vgl. § 9 RVG). Allerdings sollen die Voraussetzungen eines Bargeschäfts nicht erfüllt sein, wenn der Rechtsanwalt einen Vorschuss in einer Höhe geltend macht, der die wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage überschreitet. Einem Rechtsanwalt, der in den Genuss der anfechtungsrechtlichen Bargeschäftsausnahme kommen wolle, so die erkenntnisleitende Erwägung des IX. Zivilsenats, sei es möglich und zumutbar, in regelmäßigen Abständen Vorschüsse einzufordern, die in etwa dem Wert seiner inzwischen entfalteten oder in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Tätigkeit entsprechen. Außerdem könne vereinbart werden, Teilleistungen gegen entsprechende Vergütung zu erbringen.847 O 184 Diese Zumutbarkeitserwägung mag auf Sanierungsberater zutreffen,848 verkehrsüblich (vgl. Rz. O68) ist eine mit ihr verbundene kurzatmige Einforderung von Vergütungsforderungen oder auch nur die wiederholte Anforderung partieller Vorschusszahlungen gewiss nicht. Auch das die Insolvenzanfechtung beherrschende Prinzip der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung vermag solche Einwirkungen in die Vertragswirklichkeit kaum zu rechtfertigen. Dies ist auch dem zugleich für das Anwaltsrecht zuständigen IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bewusst. Wenn er gleichwohl eine solche Atomisierung der Abrechnungs- und Vergütungspraxis ansinnt, will er sicher keine Atmosphäre des Misstrauens provozieren, die einer gedeihlichen Entfaltung von Mandatsverhältnissen, die genuin auf gegenseitigem Vertrauen und der Bereitschaft zu Vorleistungen aufbauen, abträglich wäre. Daher ist der anfechtungsrechtliche Zusammenhang jener Präjudizien zu erinnern. Der Bargeschäftseinwand wird nur dann relevant, wenn der Schuldner zur Zeit der fraglichen Zahlung zahlungs-

845 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199) Rz. 22; v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, WM 2008, 229 (230) Tz. 20. 846 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Leits. c. 847 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201 f.) Rz. 36; v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 = ZInsO 2008, 101 Tz. 19 (Sanierungsberatung). 848 So etwa in den Fällen BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (s. dort Rz. 1, 6); v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 = ZInsO 2008, 101.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 185 O

unfähig war und der Anfechtungsbeklagte zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte (§ 130 Abs. 1 InsO).849 Die aufgeworfene Problematik und die mit der Auslegung des § 130 Abs. 2 InsO verbundenen Fragen (s. Rz. C102 ff.) bedürfen jedenfalls einer eingehenden Diskussion.850 Für Honorarzahlungen an Steuerberater in der Krise des Auftraggebers gelten die O 185 zur Zahlung von Anwaltsgebühren in der Krise des Mandanten entwickelten Grundsätze des Bundesgerichtshofs entsprechend.851 Dies ist hinsichtlich der weitgehend übereinstimmenden Gebühren- bzw. Vergütungsstrukturen richtig. Die Vergütung des Steuerberaters wird gem. § 7 StBVV fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendigt ist. Nach § 8 StBVV kann er von seinem Auftraggeber für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss verlangen. Die Gebühren entgelten, soweit die Vergütungsverordnung nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Steuerberaters vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit (§ 12 Abs. 1 StBVV). Der Steuerberater kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern (§ 12 Abs. 2 StBVV). – Entsprechendes gilt für die Vergütung anderer freiberuflicher Tätigkeiten und ähnlicher Dienstleistungen, insbesondere für Wirtschaftsprüfer, Investitions- und Kapitalanlageberater, jedenfalls insoweit, als es sich um Dauermandate handelt und Vorschuss- oder Teilleistungen üblich und vereinbart sind.852 Hat der Dienstleister dagegen keinen Anspruch auf Vorschuss, so kommt er bei Vorleistungen des Schuldners nach Ansicht des Bundesgerichtshofs von vornherein nicht in den Genuss des Bargeschäftsprivilegs.853 Andererseits scheidet eine anfechtungsfreie Vergütung nicht schon deshalb aus, weil der Schuldner mit der Auftragserteilung zugleich eine gesetzliche Pflicht erfüllt. Daher ist ein Wirtschaftsprüfer keineswegs schon mangels vermögenswerter Gegenleistung gehindert, dem Honorarrückzahlungsbegehren des Insolvenzverwalters den Bargeschäftseinwand entgegenzusetzen.854

849 Im Fall BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (s. Rz. O236 ff.) erhielt der anwaltliche Berater Zahlungen wenige Tage vor und nach dem in seinem Beisein gestellten Eröffnungsantrag (Eigenantrag); auf die spätere Zahlung hat der Senat in derselben Entscheidung § 133 Abs. 1 InsO angewandt (Rz. 8 ff.). 850 Vgl. zunächst MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 19b mit C. Paulus, WuB VI A. § 133 InsO 1.06; Ganter, ZIP 2012, 2037 (2040 f.) m.w.N. 851 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (199 f.) Rz. 32 mit Nachw. Vgl. beiläufig BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, WM 2008, 229 (230) Tz. 20; v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) = ZIP 2012, 333 (335) Tz. 21. Allg. zur Anfechtung von Steuerberaterhonoraren i.Z.m. §§ 130 Abs. 3, § 133 Abs. 4 InsO (= § 133 Abs. 2 a.F.), 138 Abs. 2 InsO s. BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, BGHZ 195, 358 = NJW 2013, 694 m. Anm. Dahl/Thomas. 852 Für Wirtschaftsprüfer: BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZInsO 2006, 1210 (1211) Tz. 10 f.; Kupka in Haarmeyer/Huber/Schmittmann, § 142 Rz. 14. Grundlegend zu Bargeschäften von Dienstleistern Ganter, ZIP 2012, 2037 (2039 ff.) m.w.N. 853 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (202 f.) Rz. 39 mit Nachw. 854 A.A. Schmittmann in Haarmeyer/Huber/Schmittmann Teil IV Rz. 544, der aber verkennt, dass das Testat nicht umsonst zu haben ist und deshalb den Gegenwert des gezahlten Honorars verkörpert. Wagner

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O Rz. 186

§ 142 InsO – Bargeschft

dd) Vergütung ärztlicher Leistungen O 186 Ärzte pflegen ihre Individualleistungen nach Abschluss der Behandlung in Rechnung zu stellen.855 Dies entspricht der gesetzlichen Regelung (§ 614 Satz 1 BGB), setzt die Rechnungssteller in der Insolvenz ihrer Patienten aber der Gefahr aus, die erhaltene Vergütung an den Verwalter zurückgewähren zu müssen, wenn die Kriterien des § 142 InsO nicht gewahrt sind, insbesondere das Unmittelbarkeitserfordernis nicht eingehalten ist.856 Der hiernach maßgebliche Zeitraum ist in der Regel gewahrt, wenn der Arzt einmalige Leistungen (Diagnose, Therapie, Beratung) sogleich abrechnet und der Schuldner zeitnah, innerhalb von 30 Tagen, zahlt (vgl. Rz. O83). Zieht sich die Behandlung dagegen wie häufig länger hin, oft über mehrere Monate und Quartale, genügt die übliche Abrechnungspraxis (eine einheitliche Rechnung nach Abschluss der Behandlung) jedenfalls nicht den für Anwälte und Steuerberater entwickelten Kriterien der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Diese lassen sich auf die Vergütung ärztlicher Leistungen schon deshalb nicht übertragen, weil in den ärztlichen Honorarordnungen (GOÄ, GOZ) Vorschussleistungen nicht vorgesehen sind und der Patient mangels gesonderter Vereinbarung nicht dazu verpflichtet ist.857 Eine solche Übertragung ist gegenwärtig auch weder sach- noch interessengerecht (vgl. Rz. O184). Im Hinblick auf § 614 Satz 1 BGB ist außerdem zweifelhaft, ob man für die Bemessung des anfechtungsfreien (engen) zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung auf den Beginn der Behandlung abstellen kann. Der üblichen Abrechnungspraxis folgend müsste grundsätzlich auch hier auf das Ende der Behandlung abgestellt werden. Auch in diesem Zusammenhang sollte die Fälligkeit der Vergütungsleistung berücksichtigt werden.858 – Unabhängig davon kann auch das Erfordernis objektiver Gleichwertigkeit problematisch werden kann, wenn der Patient nicht anerkannte Heilmethoden akzeptiert, die ihr Geld nicht wert sind.859 O 187 Auf die äußerst komplexe Sach- und Rechtslage der Entgeltung von Krankenhausleistungen kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden.860 Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass das Krankenhaus nach § 8 Abs. 7 KHEntgG eine angemessene Vorauszahlung verlangen kann, wenn und soweit ein Krankenversicherungsschutz nicht nachgewiesen wird (Satz 1), und dass es ab dem achten Tag des Krankenhausaufenthalts eine angemessene Abschlagszahlung verlangen kann, deren Höhe sich an den bisher erbrachten Leistungen in Ver855 Die Besonderheiten der Abrechnung kassenärztlicher Leistungen nach den Vorschriften des SGB V und den hierzu ergangenen Verordnungen und getroffenen Vereinbarungen mit den Trägern der GKV bleiben hier außer Betracht. Zu Sozialversicherungsbeiträgen s. unten Rz. O207 ff. 856 Vgl. näher Ganter, ZIP 2012, 2037 (2042 f.) m.w.N. 857 Vgl. OLG Zweibrücken v. 20.11.2001 – 5 U 20/01, OLGR 2002, 170 (171) = MedR 2002, 201 f.; Ganter, ZIP 2012, 2037 (2042). 858 Vgl. Ganter, ZIP 2012, 2037 (2040), der generell bezweifelt, ob eine darin liegende Schlechterstellung gegenüber den Fällen abschnittsweiser Vergütung des § 614 Satz 2 BGB zu rechtfertigen ist. K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 36 verlangen Teilrechnungen, mit denen die Leistungen innerhalb des jeweils letzten Monats abgerechnet werden. 859 Vgl. Ganter, ZIP 2012, 2037 (2043). 860 Vgl. Ganter, ZIP 2012, 2037 (2042).

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 189 O

bindung mit der Höhe der voraussichtlich zu zahlenden Entgelte zu orientieren hat (Satz 2). Diese Bestimmungen gelten nicht, soweit andere Regelungen über eine zeitnahe Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen in für das Krankenhaus verbindlichen Regelungen nach den §§ 112 bis 114 SGB V oder in der Vereinbarung nach § 11 Abs. 1 KHEntgG getroffen werden (Satz 3). Hieraus zieht Ganter das im Prinzip zutreffende Fazit, weil eine zeitnahe Vergütung möglich sei, müsse sie auch erfolgen, wenn § 142 InsO greifen soll.861 ee) Vergütung von Werkleistungen (Bau, Transport u.a.) Nach § 641 BGB ist die Vergütung des Werkunternehmers bei der Abnahme des O 188 Werks (Abs. 1), dem Nachunternehmer mit der Zahlung an den Hauptunternehmer (Abs. 2) zu entrichten. Diese Regelung betrifft die Schlussvergütung beim Bauvertrag und gilt auch für VOB-Verträge.862 Der Werkunternehmer erbringt wie Dienstleistende typischerweise eine Vorleistung, weil seine Vergütung erst nach Beendigung seiner Dienste bzw. Abnahme des Werks fällig wird. Lässt sich ein Bauunternehmer darauf ein, dass der Werklohn insgesamt erst nach Abschluss der Bauarbeiten zu entrichten ist, kann sich, wenn der Schuldner ihn in der Krise bezahlt, nicht darauf berufen, der Bauvertrag sei ein Bargeschäft gewesen.863 Für Dienst- wie Werkleistungen generell, für Bauverträge im Besonderen gilt der Rechtsprechungsgrundsatz, dass bei länger währenden Vertragsbeziehungen für die Annahme eines Bargeschäfts zu verlangen ist, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden. Daher können Zahlungen, mit denen ein Bauunternehmer nach Baufortschritt entlohnt wird, Bargeschäfte sein, falls der Abstand zwischen den einzelnen Raten nicht zu groß wird.864 Nach § 632a BGB kann der Unternehmer vom Besteller Abschlagszahlungen verlangen für in sich abgeschlossene Teile des Werkes, die in das Eigentum des Bestellers übergegangen sind (s. dazu unten Rz. O196). Die hiervon abweichende Regelung des § 3 Abs. 2 MaBV ermöglicht dem Bauträger für die hier interessierenden werkvertraglichen Elemente der Planung und Errichtung des Bauwerks eine sachgerechte Auswahl von Raten,865 deren Erfüllung auch den zeitlichen Vorgaben des § 142 InsO entsprechen kann. Die Anfechtbarkeit der Vergütung von Transportleistungen ist differenziert zu O 189 betrachten, je nachdem, ob ein Frachtvertrag (§§ 407 ff. HGB) oder ein Speditionsvertrag (§§ 453 ff. HGB) zugrunde liegt. Der Absender hat dem Frachtführer die vereinbarte Fracht (§ 407 Abs. 2 HGB) bei Ablieferung des Gutes zu zahlen (§ 420 Abs. 1 Satz 1 HGB); angesichts der damit normierten Zug um Zug-Fällig-

861 Vgl. Ganter, ZIP 2012, 2037 (2042). 862 Vgl. ausführlich, auch zu den vielfältigen Ausnahmetatbeständen Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. (2014), Rz. 5/202 ff. 863 Ausdrücklich zu dieser Parallele von Dienstverträgen: BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (200) Rz. 33. 864 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 34. Zur Vergütung beim Bauträgervertrag, insb. zu Ratenzahlungen und unwirksamen Ratenvereinbarungen, s. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. (2014), Rz. 11/497 ff., 510 ff. 865 Vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. (2014), Rz. 11/497, 510 ff. Wagner

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O Rz. 189

§ 142 InsO – Bargeschft

keit des Frachtanspruchs866 erfüllt die zeitnahe Zahlung der Fracht geradezu idealtypisch das Unmittelbarkeitskriterium des § 142 InsO.867 – Der mit Abschluss des Speditionsvertrags entstandene Vergütungsanspruch des Spediteurs (§ 453 Abs. 2 HGB) wird entsprechend den eine Vorleistungspflicht des Dienstleisters bzw. Werkunternehmers normierenden Regelungen für Dienst- und Werkvertrag (§§ 614, 641 BGB) fällig, wenn das Transportgut dem Frachtführer oder Verfrachter übergeben worden ist (§ 456 HGB), wobei die Übergabe nicht durch den Spediteur persönlich erfolgen muss, sondern auch wie häufig direkt beim Versender erfolgen kann.868 Mit diesem Zeitpunkt endet regelmäßig die Vorleistungspflicht des Spediteurs.869 Dieser Zeitpunkt wird üblicherweise in den Frachtdokumenten fixiert und eignet sich daher im Regelfall, d.h. bei zügiger Abwicklung des Transportauftrags, als Beginn des für § 142 InsO maßgeblichen Zeitraums. Demgegenüber ist der Beginn der Speditionstätigkeit meist nicht exakt zu bestimmen. Ein Zeitraum von 30 Tagen zwischen der Disposition des Frachtführers und dem Zahlungseingang erscheint nicht zu lang, um ein Bargeschäft anzunehmen.870 O 190 Für die Vergütung sonstiger Werkleistungen gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Ob dabei die zur Anwaltsvergütung bei Sanierungsmandaten entwickelten Grundsätze (s. Rz. O182 ff.) herangezogen werden können, insbesondere ob entgegen § 286 Abs. 3 BGB auf den Beginn der Tätigkeit des Auftragnehmers abgestellt werden kann,871 hängt von Art und Inhalt der Tätigkeit sowie von den üblichen Vergütungsvereinbarungen der betreffenden Branche ab, insbesondere von der Möglichkeit, Vorschüsse und Abschläge zu verlangen.872 Andernfalls zeigt sich die von Lwowski und Wunderlich vorgeschlagene Anknüpfung an die Beendigung der Tätigkeit (s. Rz. O83, O106) oder an die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs auch praktisch überlegen, zumal die Vergütung erst ab Fälligkeit und Zugang einer (prüfbaren) Rechnung verzugsrelevant geschuldet wird (vgl. § 286 Abs. 3 BGB). ff) Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters O 191 Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in einem nicht zur Eröffnung gelangten Verfahren kann in einem später eröffneten Insolvenzverfahren 866 Vgl. Reuschle in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2015), § 420 Rz. 7 f. 867 A.A. Ganter, ZIP 2012, 2037 (2041 f.), der auch in diesem Zusammenhang auf den Beginn der Transportleistung abstellen will („Entsprechendes gilt …“). 868 Vgl. Rinkler in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2015), § 456 Rz. 5, 8, 23. 869 Vgl. Rinkler in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. (2015), § 456 Rz. 8, 10. 870 A.A. LG Bonn ZInsO 2001, 232 (234); vgl. wiederum Ganter, ZIP 2012, 2037 (2041 f.). 871 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 35; v. 18.7.2002 – IX ZR 480/00, ZIP 2002, 1540 (1541); vgl. dazu Ganter, ZIP 2012, 2037 (2039 f.); K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 142 Rz. 33. 872 Vgl. BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 35. Dazu, dass selbst dann praktische Schwierigkeiten der wertäquivalenten Erfassung und Abrechnung bestehen können s. Rz. O197.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 192 O

als kongruente Deckung anfechtbar sein.873 Anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist die zu einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung führende Entnahme aus der Masse, insbesondere durch Überweisung der festgesetzten Vergütung von dem im Eröffnungsverfahren geführten Anderkonto auf ein eigenes Konto des vorläufigen Verwalters.874 Die Anfechtung kann wie bei der Vergütung von Rechtsanwälten und Steuerberatern unter dem Gesichtspunkt des Bargeschäfts ausgeschlossen sein.875 Dem Umstand, dass der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters kein Vertrag mit dem Schuldner zugrunde liegt, sondern eine Bestellung durch das Insolvenzgericht gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO, misst der Bundesgerichtshof mit Recht keine den Bargeschäftseinwand ausschließende Bedeutung bei. In seinem Urteil vom 15.12.2011 deutet er seine Bereitschaft an, sich in diesen Fällen über das sonst als unverzichtbar behandelte Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung (s. Rz. O50) hinwegzusetzen. Zur Begründung verweist er lapidar auf den Wortlaut des § 142 InsO, der lediglich darauf abstelle, ob für die Leistung des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist.876 Auch die Annahme einer gleichwertigen Gegenleistung hält der Bundesgerichtshof für möglich, weil der vorläufige Insolvenzverwalter bei nicht eröffnetem Verfahren einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz gegen den Schuldner hat.877 Im entschiedenen Fall waren die Voraussetzungen des Bargeschäfts jedoch man- O 192 gels Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs nicht erfüllt; der Beklagte (vormalige vorläufige Insolvenzverwalter) hatte seine Leistungen mit seiner Bestellung am 31.3.2006 begonnen, seine Vergütung aber der Schuldnerin erst am 8.8.2006 in Rechnung gestellt, nachdem er zuvor am 16.6.2006 gegenüber dem Amtsgericht abgerechnet hatte; die Entnahme (Überweisung) der festgesetzten Vergütung erfolgte am 9.8.2006. Somit war die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof maßgebliche 30-Tage-Frist seit Beginn seiner Tätigkeit (s. Rz. O182) nicht gewahrt.878 Damit wird die in Fällen der Vorleistung des Gläubigers der Vergütungsforderung zu Tage tretende Sinnwidrigkeit einer starren Anwendung dieses Kriteriums offenbar (vgl. Rz. O105 ff.). Die Entscheidung ist wegen ihrer unbefriedigenden Folgen für vorläufige Insolvenzverwalter in nicht eröffneten Verfahren zu Recht überwiegend kritisch bis ablehnend aufgenommen worden. Während Budnik und Tetzlaff bei der Auslegung des § 142 InsO 873 BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) m. abl. Anm. Tetzlaff, WuB VI A § 129 InsO 3.12 = ZIP 2012, 333 (335) Tz. 22 m. krit. Anm. Graeber/Graeber, NZI 2012, 129 ff. und Budnik, EWiR 2012, 247 f.; s. dazu Ries, ZInsO 2012, 1751 ff.; Zimmer, ZInsO 2012, 1658 ff. sowie unten Rz. O192. 874 So im Fall BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (277) = ZIP 2012, 333 (334) Tz. 8. 875 Zur Vergleichbarkeit der Tätigkeiten ausdrücklich BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) = ZIP 2012, 333 (335) Tz. 21. 876 So im Fall BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) = ZIP 2012, 333 (335) Tz. 22. 877 So im Fall BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) = ZIP 2012, 333 (335) Tz. 23 m.w.N. 878 So im Fall BGH v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276 (278) = ZIP 2012, 333 (336) Tz. 26. Wagner

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O Rz. 192

§ 142 InsO – Bargeschft

ansetzen, insbesondere am Unmittelbarkeitserfordernis (s. Rz. O78 ff.),879 plädieren Graeber und Graeber de lege ferenda dafür, die Kosten und Vergütungen eines Insolvenzantragsverfahrens aus dem Anwendungsbereich der §§ 130, 131 InsO herauszunehmen; einstweilen empfehlen sie den Betroffenen, d.h. allen vorläufigen Insolvenzverwaltern, monatliche Vorschussanträge zu stellen, die vom Insolvenzgericht kurzfristig zu bescheiden wären.880 c) Vorschuss- und Abschlagszahlungen O 193 Zeitnah erfolgte Vorschuss- und Abschlagszahlungen des Schuldners in kritischer Zeit sind in der Regel nach § 142 InsO anfechtungsfest; hat der Auftragnehmer einen Anspruch darauf, muss er ihn allerdings geltend machen, um dieses Privileg zu wahren. Die Abrechnungspraxis wird durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Bei Anforderung eines Vorschusses ist eine anfechtungsrechtliche Bargeschäftsausnahme nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nur dann anzunehmen, wenn in regelmäßigen Abständen Vorschüsse eingefordert werden, die in etwa dem Wert der inzwischen entfalteten oder in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Tätigkeit des Dienstleisters entsprechen.881 O 194 Bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 13.4.2006 hat der Bundesgerichtshof zur Insolvenzfestigkeit von Vorleistungen und Vorschusszahlungen im Rahmen anwaltlicher Mandatsverhältnisse eingehend Stellung genommen882 und hierzu folgende Leitsätze entwickelt: Für Rechtsanwaltsgebühren ist von deren Fälligkeit auszugehen, sobald die betreffende Angelegenheit beendet ist, selbst wenn der Auftrag – der auch noch andere Angelegenheiten umfassen kann – insgesamt noch nicht erledigt sein mag. Ein Vorschussanspruch besteht insoweit jedenfalls nicht mehr.883 Die im vorliegenden Zusammenhang relevanten Leitsätze des Urteils lauten:884

Soweit an einen Rechtsanwalt Vorschusszahlungen in einer abgeschlossenen Angelegenheit erfolgen, für die bereits der Vergütungsanspruch fällig geworden, jedoch nicht geltend gemacht ist, sind die Leistungen inkongruent. Erbringt ein Rechtsanwalt Vorleistungen, die der inzwischen in der Krise befindliche Mandant mehr als 30 Tage später vergütet, handelt es sich nicht mehr um ein anfechtungsrechtlich privilegiertes Bargeschäft. 879 Budnik, EWiR 2012, 247 f.; Tetzlaff, WuB VI A § 129 InsO 3.12. 880 Graeber/Graeber, NZI 2012, 129 ff.; zu Recht kritisch hinsichtlich der Praktikabilität im gerichtlichen Verfahren Budnik, EWiR 2012, 247 (248) a.E. 881 BGH v. 18.9.2008 – IX ZR 134/05, NZG 2008, 902 mit BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (201) Rz. 36; v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, WM 2008, 229 (230) Tz. 20. 882 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 ff. m. Anm. Pape, EWiR 2007, 117 = BGH-Report 2006, 1133 m. Anm. Ringstmeier. 883 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (Leits. a) m. Anm. Pape, EWiR 2007, 117 = BGH-Report 2006, 1133 m. Anm. Ringstmeier. 884 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Leits. b–d.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 196 O

Hat der insolvente Mandant durch die Gewährung von Vorschüssen vorgeleistet, gilt für das Vorliegen eines Bargeschäfts derselbe Maßstab wie bei einer Vorleistung des Rechtsanwalts. Hiergegen wird im Schrifttum zu Recht geltend gemacht, diese Auffassung O 195 bedürfe einer Korrektur.885 Zum einen erscheint es vom Normzweck des § 142 InsO her nicht gerechtfertigt, den Vorauszahlenden anfechtungsrechtlich schlechter zu stellen als den zu nachschüssiger Entgeltzahlung verpflichteten Dienstleister. Zum anderen sei die Bemessung des Vorschusses nicht einfach, wenn die mangelnde Teilbarkeit der Dienstleistung einer wertäquivalenten Vorschussforderung entgegensteht. Die Zumutbarkeitserwägung des Bundesgerichtshofs, es könnten Teilleistungen gegen entsprechende Vergütung vereinbart werden, sei daher nur von begrenztem Wert.886 Die alternativ vorgeschlagene zeitabhängige Abrechnung, bei Rechtsanwälten aufgrund einer Vergütungsvereinbarung gemäß § 3a RVG,887 ist indes ebenfalls kein Allheilmittel. Sie mag den tatsächlichen Zeitaufwand des Dienstleisters widerspiegeln, sie erfasst aber häufig nicht den wirtschaftlichen Wert der Angelegenheit; außerdem erübrigt sie nicht die wiederholte Anforderung der Vorschussleistung. Zumindest gebieten auch hier die Art der zu erbringenden Leistung und die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs sachgerechte Unterscheidungen. Die durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen eingefügte disposi- O 196 tive Regelung des § 632a BGB gibt dem Unternehmer für seine vertragsmäßigen Leistungen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen für in sich abgeschlossene Teile des Werkes, die in das Eigentum des Bestellers übergegangen sind. Beim VOB-Vertrag sieht § 16 Nr. 1 bis 3 VOB/B erhebliche Abweichungen zugunsten des Auftragnehmers vor.888 Der Auftragnehmer kann Abschlagszahlungen in möglichst kurzen Zeitabständen oder zu den vereinbarten Zeitpunkten beanspruchen, und zwar in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen. Die Leistungen sind durch eine rasch und sicher nachprüfbare Aufstellung nachzuweisen (§ 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B). Die Ansprüche auf Abschlagszahlungen werden binnen 18 Werktagen nach Zugang der Aufstellung fällig (§ 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B). – Selbst für die ärztliche Behandlung im Krankenhaus kann dieses gem. § 8 Abs. 7 Satz 2 KHEntgG ab dem achten Tag des Krankenhausaufenthalts eine angemessene Abschlagszahlung verlangen, deren Höhe sich an den bisher erbrachten Leistungen in Verbindung mit der Höhe der voraussichtlich zu zahlenden Entgelte zu orientieren hat (vgl. Rz. O183 f.).

885 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 33 mit Ganter, ZIP 2012, 2037 (2040); vgl. oben Rz. O158 ff. 886 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 35 mit Ganter, ZIP 2012, 2037 (2040). 887 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 35 mit Ganter, ZIP 2012, 2037 (2040). 888 Vgl. hierzu den prägnanten Überblick und Vergleich bei Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. (2014), Rz. 5/267 ff.; im Übrigen die einschlägigen Werke der Spezialliteratur. Wagner

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O Rz. 197

§ 142 InsO – Bargeschft

6. Sanierungsleistungen a) Beraterhonorar O 197 In diesem Zusammenhang sind eine jüngere und eine ältere Entscheidung des Bundesgerichtshofs von Interesse, die jeweils Vergütungszahlungen für Beratungsleistungen im Vorfeld eines möglichen Insolvenzverfahrens zum Gegenstand haben, einmal an einen mit der Erstellung eines Insolvenzplans beauftragten Rechtsanwalt (s. unten Rz. O204), zum anderen an einen Wirtschaftsprüfer, der mit der Anfertigung eines Antrags auf Eröffnung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens befasst war. BGH-Urteil vom 17.11.1958 – BGHZ 28, 344 – Vergütung für Vergleichsantrag O 198 Die Firma S. erstrebte ein gerichtliches Vergleichsverfahren und beauftragte einen Wirtschaftsprüfer mit den vorbereitenden Arbeiten, insbesondere mit der Anfertigung des Antrages auf Eröffnung des Verfahrens nebst Anlagen und den Verhandlungen mit den Gläubigern zwecks Zustimmung zu einem Vergleichsvorschlag. Nachdem S. die Zahlungen eingestellt hatte, trat sie zur „Sicherung der Honoraransprüche“ eine Forderung gegen die W. GmbH an den Auftragnehmer ab. Das Amtsgericht lehnte den Vergleichsantrag ab und eröffnete das Anschlusskonkursverfahren. Der Konkursverwalter hat die Abtretung angefochten und den beklagten Wirtschaftsprüfer auf Rückabtretung in Anspruch genommen mit der Begründung, diesem sei durch die Abtretung nach Zahlungseinstellung eine Sicherheit gewährt worden, die er nicht zu beanspruchen gehabt habe. Der Masse entstehe aus der Arbeit des Beklagten kein Vorteil. O 199 Dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist folgender Leitsatz vorangestellt: Hat der Gemeinschuldner eine geeignete Persönlichkeit (z.B. einen Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer) beauftragt, den Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens nebst den nötigen Unterlagen anzufertigen, so benachteiligt die nach der Zahlungseinstellung erfolgte Leistung der angemessenen Vergütung für diese Arbeiten die Konkursgläubiger auch dann nicht in anfechtbarer Weise, wenn der Antrag alsbald abgelehnt wird und die Arbeiten für das Anschlusskonkursverfahren keinen Nutzen bringen. O 200 Auch in diesem Fall hatte der Konkursverwalter die auftragsgemäß erfolgten Leistungen als für die Masse wertlos qualifiziert. Dagegen war nach Ansicht des Berufungsgerichts die in Rechnung gestellte Vergütungsforderung des Wirtschaftsprüfers der Höhe nach nicht zu beanstanden. Auch der Konkursverwalter hatte als Kläger im Anfechtungsprozess die Rechnung des beklagten Anwalts nicht im einzelnen moniert, sondern nur geltend gemacht, der Aufwand sei im Ergebnis nutzlos gewesen.889 Dies hat der Bundesgerichtshof jedoch als nicht entscheidend angesehen und hierzu ausgeführt: Die Konkursgläubiger seien nicht bereits deshalb benachteiligt, weil in der Masse kein greifbarer Ausgleich für die an den Beklagten abgetretene Forderung vorhanden ist. Das Reichsgericht (RGZ 162, 292, 295) habe bezüglich der Anfechtung der Ver889 BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 (347).

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 202 O

gütung für einen vom Gemeinschuldner beauftragten Abwickler nach § 31 KO die Ansicht vertreten, es komme für die Frage, ob die Gläubiger durch die Honorarzahlung benachteiligt seien, nicht darauf an, ob die Tätigkeit des Abwicklers rückschauend gewürdigt für die Masse einen bleibenden Wert hinterlassen habe und sich ein ihm zu erstattender Gegenwert (§ 38 KO) darin befinde. Es sei vielmehr darauf abzustellen, ob die Leistungen des Abwicklers im Rahmen einer zweckmäßigen Sacherledigung zu erbringen und deshalb von Wert gewesen seien.890 Der Bundesgerichtshof hat diesen Gesichtspunkt im Einklang mit dem Schrift- O 201 tum herangezogen, um die Anfechtbarkeit (nach § 30 KO) von Verträgen oder Leistungen des späteren Gemeinschuldners bezüglich einer Tätigkeit der streitgegenständlichen Art zu beurteilen.891 Die sachgemäße Vorbereitung des Versuches, den Konkurs durch ein gerichtliches Vergleichsverfahren abzuwenden, liege im wohlverstandenen Interesse der Gläubiger und könne vom Schuldner allein nicht geleistet werden. Der angemessene Kostenaufwand stelle selbst dann keine zur Anfechtung nach § 30 KO berechtigende Benachteiligung der Gläubiger dar, wenn der Antrag später abgelehnt und das Anschlusskonkursverfahren eröffnet wird. Diese Auffassung sei unabhängig davon gerechtfertigt, ob die Vorarbeiten ganz oder teilweise vom späteren Konkursverwalter verwertet werden können und ob durch sie der Masse Kosten erspart werden. Eine andere Beurteilung hält das Gericht allerdings dann für geboten, wenn der Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens von vornherein als aussichtslos hätte erkannt werden müssen. Dafür fehlte im entschiedenen Fall aber jeder Anhaltspunkt.892 BGH-Urteil vom 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 – Anwaltshonorar (Sanierungsberatung)893 Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main als Berufungsgericht hatte angenom- O 202 men, der Kläger könne Rückzahlung des gesamten an den Beklagten gezahlten Honorars unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung wegen inkongruenter Deckung verlangen.894 Zur Begründung hat es ausgeführt, der Grundgedanke des Insolvenzrechts, eine Benachteiligung von Gläubigern durch einseitige Begünstigungen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Insolvenz zu vermeiden, erlaube lediglich eine leistungskongruente Bezahlung von Sanierungsberatungen, weil ansonsten eine Bevorzugung dieser Berater auf Kosten der Insolvenzmasse erfolgen würde. Die Zahlung des vereinbarten Honorars drei Tage vor Stellung des Insolvenzantrags des Auftragnehmers für die Auftrag890 891 892 893

BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 (347 f.). BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 (347 f.). BGH v. 17.11.1958 – II ZR 224/57, BGHZ 28, 344 (348). BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 = NZI 2008, 173 = ZInsO 2008, 101 m. Anm. Gundlach, BGH-Report 2008, 304; Freudenberg, EWiR 2008, 409. Kritisch dazu Riggert, Festschrift für S. Beck, 2016, S. 451 (465/466). Vgl. eingehend Dominic Roth, Insolvenzanfechtungsrechtliche Privilegierungen von Sanierungsbemühungen, 2015 (= Diss. Freiburg 2015), S. 105 ff. (111 f.). 894 OLG Frankfurt v. 19.5.2006 – 24 U 203/05, juris-Rz. 38; zusammengefasst in NJW 2008, 659 (660) Tz. 10 f. Wagner

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O Rz. 202

§ 142 InsO – Bargeschft

geber (Schuldner) habe die Insolvenzgläubiger benachteiligt. Der Beklagte habe dadurch im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag eine Befriedigung erlangt, die er nicht in der Art und auch nicht zu der Zeit zu beanspruchen gehabt habe. Das Gericht hat die Voraussetzungen des § 142 InsO geprüft und verneint. Eine Bargeschäftsausnahme scheide bei inkongruenter Deckung bereits begrifflich aus, da es an einer „unmittelbaren gleichwertigen Gegenleistung“ fehle. O 203 Der Bundesgerichtshof hielt die Klage hinsichtlich der von der Schuldnerin auf eigene Schuld geleisteten Zahlung über 116 000 Euro jedenfalls nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO für begründet. Dabei hat er zugunsten des Beklagten unterstellt, dass ein Vertragsverhältnis mit der Schuldnerin bereits vor dem Zeitpunkt der Zahlung bestand und die Schuldnerin hiernach vorleistungspflichtig war. Die Voraussetzungen eines Bargeschäfts seien nicht erfüllt, auch bei einer vereinbarten Vorleistungspflicht der Schuldnerin. Auf die in den Vorinstanzen umstrittene Frage, ob die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens von vornherein aussichtslos war, komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Leistung des Schuldners und die bare Gegenleistung bestünden zwar vielfach in der Erfüllung gegenseitiger Verträge. Der Zahlung der Schuldnerin stehe in casu jedoch keine Gegenleistung gegenüber. Das bloße Versprechen, eine Leistung zu erbringen, stelle entgegen der Auffassung der Revision noch keine Gegenleistung dar.895 O 204 Der Bundesgerichtshof hat an seinen zur Anwaltsvergütung entwickelten Grundsätzen auch in sog. Sanierungsfällen trotz kritischer Stimmen in der Literatur896 und nach nochmaliger Überprüfung festgehalten.897 Beauftragt der Schuldner in der Krise auf eigene Kosten einen Rechtsanwalt mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans, um diesen in Verbindung mit der Antragstellung dem Insolvenzgericht vorzulegen, so kann der Anwalt seinen Honoraranspruch dadurch absichern, dass er jeweils Vorschüsse in Höhe der wertäquivalenten Vergütung für die nächsten 30 Tage seiner Arbeit verlangt.898 Der Bundesgerichtshof sieht durchaus, dass bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Eröffnungsverfahren und anschließender Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weitere Vorschussanforderungen für die Vertretung des Schuldners in diesen Verfahrensabschnitten möglicherweise ohne Erfolg bleiben. Der Rechtsanwalt könne sich gegen einen Ausfall aber schützen, indem er seine Tätigkeit einstellt und gegebenenfalls – wenn das Mandat nicht bereits durch den Auftraggeber oder den (vorläufigen) Verwalter beendet wird – nach § 627 Abs. 2 BGB kündigt. Gehe der Auftrag des Schuldners dahin, einen Insolvenzplan erst nach Antragstellung bzw. Verfahrenseröffnung auszuarbeiten, könne der Rechtsanwalt genauso vorgehen. Er müsse in diesem Fall von vornherein damit rechnen, seine Tätigkeit nicht

895 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660 f.) = ZInsO 2008, 101 Tz. 17, 19. 896 Vgl. de Bra, LMK 2006, 36; Lwowski/Wunderlich, Festschrift für Kirchhof, S. 314 ff. 897 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (661) Tz. 20 mit BGHZ 167, 190 (199 ff.). 898 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (661) Tz. 22 mit BGHZ 167, 190 (201).

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 206a O

fortführen zu können, wenn die Zustimmung des (vorläufigen) Verwalters und der Organe der Gläubiger zu dem Plan ausbleibt.899 b) Wertungsfragen und Wertungswidersprüche Dieser Problemkreis hat in jüngster Zeit besondere Aufmerksamkeit gefunden. O 205 Die hiermit zusammenhängenden anfechtungsrechtlichen Fragen sind noch nicht befriedigend beantwortet. Den durchaus nachvollziehbaren Interessen auf Beraterseite, komplexe und aufwendige Beratungsleistungen nur gegen adäquate Vergütung leisten zu müssen, steht eine tendenziell restriktive Auslegung des § 142 InsO durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gegenüber. Die von ihr befürchtete Aufweichung900 stringenter Rechtsbegriffe und klarer Anwendungsgrundsätze sind im Interesse der Rechtssicherheit, insbesondere der Voraussehbarkeit justizieller Beurteilungen disparater Sach- und Rechtslagen ebenfalls ohne weiteres nachvollziehbar. Im Interesse einer allseits akzeptablen praktischen Konkordanz der konkurrierenden Belange verbietet sich aber ein höchstrichterlicher Auslegungsverzicht. Das gilt umso mehr, als die praktische Anwendung der relevanten Tatbestandsmerkmale der Unmittelbarkeit und Gleichwertigkeit des Leistungsaustauschs, sowie der Kriterien ihrer rechtlichen Verknüpfung nicht frei von Wertungswidersprüchen ist und angesichts der Aufgabe, den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden, auch gar nicht sein kann. Die Frage, wie Personen, die sich professionell um die Rettung notleidender Un- O 206 ternehmen bemühen, gegen eine anfechtungsbedingte Rückgewähr ihrer Vergütung zur Haftungsmasse sichern können, ist so alt wie die Konkursordnung.901 Dass es sich dabei zuweilen um eine „Gratwanderung“ zwischen der Befriedigung berechtigter Ansprüche und einer Ausplünderung im Vorfeld des Insolvenzverfahrens902 handeln kann, rechtfertigt keine Schlechterstellung der Sanierer gegenüber den Liquidatoren. 7. Privatversicherungsbeiträge BGH-Urteil vom 7.4.2016 – VersR 2016, 998 – Beiträge in der privaten Krankenversicherung903 Der Kläger ist Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des T. O 206a (Schuldner). Der Schuldner hatte bei der Beklagten einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen. Das Amtsgericht erließ am 28. Juli 2010 auf Antrag der Beklagten einen Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner wegen 899 BGH v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 Tz. 22. 900 Dezidiert Kayser, Festschrift für G. Fischer, 2008, S. 267 ff. insb. zu Sanierungsberatungsleistungen; Kayser, ZIP 2007, 49 ff. im Zusammenhang mit der Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen durch Arbeitgeber. 901 Vgl. Jaeger, JW 1915, 1253 ff. zur anwaltlichen „Ausgleichsvergütung“ und dagegen RGZ 136, 152 (159). 902 Pape, EWiR 2007, 117; vgl. Riggert, Festschrift für Braun, 2007, S. 139, 150 ff. 903 BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, NZI 2016, 584 = VersR 2016, 988 = WM 2016, 1127 = ZInsO 2016, 1206 = ZIP 2016, 1174. Wagner

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O Rz. 206a

§ 142 InsO – Bargeschft

rückständiger Versicherungsprämien. Die Beklagte führte die Zwangsvollstreckung durch; am 20. Januar 2011 zahlte der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher 300 Euro in bar. Aufgrund eines bereits am 2. September 2010 gestellten Insolvenzantrags eröffnete das Insolvenzgericht am 2. Mai 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Kläger verlangt von der Beklagten die gezahlten 300 Euro im Wege der Insolvenzanfechtung zurück. Klage und Berufung des Klägers hatten keinen Erfolg. Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hatte einen Anfechtungsanspruch des Klägers mit der Begründung verneint, das private Krankenversicherungsverhältnis sei als insolvenzfreies Schuldverhältnis zu qualifizieren, wofür auch § 193 Abs. 3 VVG spreche. Die Prämienforderungen des Versicherers unterfielen nicht dem Insolvenzbeschlag. Die Forderungen aus dem Krankenversicherungsvertrag seien gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO unpfändbar. Außerdem sei § 850e Nr. 1 Satz 2 lit. b ZPO anzuwenden. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die Prämienforderungen in die Insolvenzmasse fallen sollten, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, aber insolvenzfrei bleiben sollten, wenn sie danach entstanden sind.904 O 206b Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Zahlung von Versicherungsprämien an einen privaten Krankenversicherer eine anfechtbare Rechtshandlung darstellt, die diesem im entschiedenen Fall eine inkongruente Befriedigung im Sinne des § 131 InsO verschaffte.905 Ansprüche eines Versicherers auf Versicherungsprämien aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung sind somit bloße Insolvenzforderungen gemäß §§ 38, 39 InsO. Der vom SchleswigHolsteinischen Oberlandesgericht für Ansprüche auf Versicherungsprämien in der privaten Krankenversicherung vertretenen Gegenansicht ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt.906 Maßgeblich dafür sind folgende Erwägungen: Ausnahmebestimmungen für Ansprüche auf rückständige Versicherungsprämien gibt es nicht. Auf die Vorschriften der §§ 850b Abs. 1 Nr. 4, 850e Nr. 1 Satz 2 lit. b ZPO kommt es nicht an, weil sie die Pfändbarkeit von Ansprüchen des Schuldners betreffen, nicht solcher des Versicherers.907 Dass ein zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehender Krankenversicherungsvertrag nicht von § 103 InsO erfasst wird,908 gilt unabhängig davon, ob es sich bei Ansprüchen auf Zahlung der Versicherungsprämie um Insolvenzforderungen handelt und ob gezahlte Versicherungsprämien deshalb der Insolvenzanfechtung unter-

904 Vgl. BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, VersR 2016, 988 Rz. 5. 905 Vgl. BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, VersR 2016, 988 Rz. 7. 906 Vgl. BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, VersR 2016, 988 Rz. 9 mit OLG Hamm, NZI 2012, 922; Koch, KTS 2013, 80 (82); Busch, VuR 2015, 272 (273); entgegen OLG Schleswig, Beschl. v. 30.12.2014 – 16 W 168/14, ZInsO 2015, 802 = ZIP 2015, 1040. 907 Vgl. BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, VersR 2016, 988 Rz. 10. 908 Vgl. BGH v. 19.2.2014 – IV ZR 163/13, VersR 2014, 452.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 207 O

liegen.909 Auch die nach § 193 Abs. 3 VVG bestehende Versicherungspflicht stehe einer Anfechtung nicht entgegen. Eine erfolgreiche Anfechtung bereits gezahlter Versicherungsprämien führe nicht zum Erlöschen des Krankenversicherungsvertrags und berechtige den Versicherer nicht, den Krankenversicherungsvertrag zu beenden.910 Der Bundesgerichtshof tritt damit auch der Meinung entgegen, § 193 VVG stelle O 206c Ansprüche des Versicherers auf rückständige Versicherungsprämien insolvenzfrei. Diese Vorschrift verschaffe einem Versicherer, dessen Ansprüche auf (rückständige) Versicherungsprämien lediglich einfache Insolvenzforderungen gemäß §§ 38, 39 InsO darstellen, in der Insolvenz des Versicherungsnehmers nicht die Stellung eines bevorzugten Gläubigers.911 Dafür bestehe auch kein Bedarf, weil ein Versicherungsnehmer die Versicherungsprämien entweder im Rahmen eines Bargeschäfts (§ 142 InsO) zahlen könne oder aber aus pfändungsfreiem und damit nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegendem Vermögen, insbesondere von einem Pfändungsschutzkonto (§ 850k ZPO). Damit sei er in der Lage, anfechtungsfest seinen bestehenden Krankenversicherungsschutz zu wahren. Ein darüber hinausgehender Schutz des Versicherers widerspreche dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung.912 Der Verweis auf die Möglichkeit einer bargeschäftlichen Leistung wirft die Frage auf, ob und in welchem Umfang dem Versicherer bei der Zahlung rückständiger Beiträge das Bargeschäftsprivileg überhaupt zukommt. Eine analoge Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO dürfte am Ausnahmecharakter dieser nur für Lohnzahlungen geschaffenen Regelung scheitern. Nach Maßgabe der allgemeinen Kriterien wird man annehmen müssen, dass bei Verpflichtung zu monatlicher Beitragszahlung die zeitliche Grenze für die Annahme eines Bargeschäfts bereits bei Fälligkeit der Folgeprämie erreicht ist.913 8. Öffentliche Abgaben I – Sozialversicherungsbeiträge a) Krankenkassenbeiträge – BGHZ 149, 100914 Zahlungen der Gesamtvollstreckungsschuldnerin haben deren Gläubiger auch O 207 insoweit objektiv benachteiligt, als sie auf Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung entfallen. Die von der Schuldnerin überwiesenen Beträge gehörten in vollem Umfang zu ihrem eigenen Vermögen. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist der Arbeitgeber alleiniger Schuldner der Krankenkasse. Diese gesetzliche Zah909 Vgl. BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, VersR 2016, 988 Rz. 11 entgegen der Ansicht des Landgerichts in der Vorinstanz, das sich zu Unrecht auf die Entscheidung des IV. Zivilsenats zu § 103 InsO bezogen hatte. 910 Vgl. BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, VersR 2016, 988 Rz. 12 f. 911 Vgl. BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, VersR 2016, 988 Rz. 13 a.E. 912 Vgl. BGH v. 7.4.2016 – IX ZR 145/15, VersR 2016, 988 Rz. 14: Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung sei darin nicht zu erkennen. 913 Vgl. Rz. O78 ff. 914 BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (105 f.) = NJW 2002, 512 = ZInsO 2001, 1150 m. weitgehend zust. Anm. Gundlach/Frenzel, DZWIR 2002, 89 ff.; v. 10.7.2003 – IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666 (1667 f.); in Bezug genommen von BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (358) m.w.N. Wagner

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§ 142 InsO – Bargeschft

lungspflicht gehört auch hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge zu den Hauptpflichten des Arbeitgebers und gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seiner arbeitsrechtlichen Lohnzahlungspflicht an den Arbeitnehmer bereits nachgekommen ist oder nicht. Die Krankenkasse erlangt damit auch im Umfang des Arbeitnehmeranteils zum Beitrag gegen den Arbeitgeber nur einen schuldrechtlich wirkenden Anspruch, der in dessen Gesamtvollstreckung keine Vorrechte gegenüber allen anderen Gläubigern verschafft. Genauso wie der Arbeitnehmer selbst unterliegt der Sozialversicherer im Insolvenzverfahren dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger.915 O 208 Das Interesse der Arbeitnehmer daran, dass die auf sie entfallenden vom Arbeitgeber einzubehaltenden Sozialversicherungsanteile tatsächlich an den Sozialversicherer abgeführt werden, begründe in der Insolvenz des Arbeitgebers, so der Bundesgerichtshof, nicht ohne weiteres eine rechtlich geschützte Position. Eine solche wäre seiner Ansicht nach nur im Wege eines Treuhandverhältnisses gerade mit Bezug auf bestimmte, abzuführende Vermögenswerte möglich. Dafür müssten aber besondere Voraussetzungen erfüllt sein, die im Regelfall nicht vorliegen. Denn der Arbeitgeber zahlt die Sozialversicherungsbeiträge – genauso wie den Lohn – aus seinem gesamten eigenen Vermögen. Daran bestehe aber keine treuhänderische Mitberechtigung Dritter.916 Gundlach/Frenzel führen dazu aus, der Bundesgerichtshof habe eine treuhänderische Bindung bezüglich der Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen überzeugend verneint, zu widersprechen sei ihm lediglich darin, dass eine haftungsrechtlich relevante Vermögenstrennung durch die entsprechende Buchung der Sozialversicherungsbeiträge als Arbeitnehmerguthaben bewirkt werden könne.917 b) Arbeitnehmeranteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen aa) Das Grundsatzurteil BGHZ 183, 86 O 209 Mit seinem Urteil vom 5.11.2009 (BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86) hatte der Bundesgerichtshof erstmals zu der am 1.1.2008 in Kraft getretenen Neuregelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV zu entscheiden.918 Nach dieser Vorschrift gilt die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht. Gleichwohl bestätigt der Bundesgerichtshof die in seiner Entscheidung vom 22.1.2004 zur Darstellung eines Gleichlaufs von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen (s. unten Rz. O216) beiläufig ausgesprochene Ansicht, dass Beitragszahlungen des Arbeitgebers (Schuldners) an Sozialversicherungsträger die Gläubigergesamtheit auch insoweit benachteiligen, als sie die Arbeitnehmeranteile betreffen. Auch diesen Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (vgl. § 28d SGB IV) leiste der Arbeitgeber aus seinem Vermögen. Das Interesse der Arbeitnehmer an der Abführung der Beiträge begründe keine in 915 916 917 918

BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (104 f.). BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 (105). DZWIR 2002, 89 ff. BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (358) m.w.N. Siehe Rz. O241 ff.

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VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 211 O

der Insolvenz des Arbeitgebers geschützte Rechtsposition. Eine solche lasse sich nur im Wege eines Treuhandverhältnisses begründen, das aber nicht allein durch die gesetzlichen und vertraglichen Pflichten des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis begründet werde.919 Der Bundesgerichtshof hat seit diesem Grundsatzurteil wiederholt entschieden, O 210 dass die Zahlung der Arbeitnehmeranteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen, und zwar als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden kann.920 Dabei hat er schon in der Ausgangsentscheidung vom 5.11.2009 klargestellt, dass auch solche Vermögensverschiebungen, welche die gesetzlichen Einzugsstellen der Sozialversicherung im Vollstreckungswege erzwingen, Zahlungen im Sinne des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV darstellen.921 Im Ergebnis misst der IX. Zivilsenat dieser Neuregelung, welche die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht fingiert, aber keine anfechtungsrechtliche Bedeutung bei. Er tut dies unter Hinweis auf bestehende Unklarheiten des Gesetzeswortlauts, so etwa ob die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als unmittelbar oder mittelbar aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht gelten und welche Rechtshandlung hierfür maßgeblich sein soll. Daraus und aus weiteren Umständen könnten sich erhebliche insolvenzrechtliche Unterschiede ergeben.922 Bei Annahme einer unmittelbaren Zahlung aus dem Vermögen des Beschäftigten O 211 führt der Bundesgerichtshof zu § 142 InsO aus, dass ein Bargeschäft bei der Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung der Arbeitnehmeranteile an die Einzugsstelle durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist. Da von den Sozialversicherungsträgern in das Vermögen der Arbeitgeber keine Leistung gelangt, komme ein Bargeschäft nur für das Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Betracht. Der Anfechtungsgegner müsse jedoch bei einer mittelbaren Zuwendung so stehen, als habe er den Leistungsgegenstand vom Insolvenzschuldner erworben. Selbst wenn man dies im Grundsatz anders sehen wolle, so der Senat,923 wäre der Bargeschäftseinwand im entschiedenen Fall durch die Inkongruenz der Einzelzwangsvollstreckung innerhalb des Dreimonatszeitraums

919 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (358) m.w.N. 920 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Leits.u. Rz. 6. Bestätigt durch BGH v. 30.9.2010 – IX ZR 237/09, ZIP 2010, 2209 Rz. 4; BGH v. 7.4.2011 – IX ZR 118/10, ZInsO 2011, 916 = ZIP 2011, 966 Rz. 3; BGH v. 7.4.2011 – IX ZR 137/10, NZS 2011, 547 Rz. 3; BGH v. 16.6.2016 – IX ZR 114/15, ZIP 2016, 1295, z.V.b. in BGHZ. 921 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Rz. 6. 922 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Rz. 12 ff.; s. näher dazu Rz. B381 ff.; O241 ff. sowie nachfolgend Rz. O212. 923 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Rz. 14 erwähnt Kreft, Festschrift für Samwer [2008] S. 261 (273); ebenso Schäfer, oben Rz. B386; vgl. ferner Bräuer, ZInsO 2008, 169 (175); v. d. Heydt, ZInsO 2008, 178 (183), die eine fiktive Begründung einer eigennützigen Treuhand des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers annehmen. Wagner

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O Rz. 211

§ 142 InsO – Bargeschft

ausgeschlossen.924 Diese aus der restriktiven Interpretation des § 142 InsO durch die heute h.M. (keine Anwendung auf inkongruente Deckungsleistungen) abgeleitete Besonderheit erübrigt indes nicht eine hiervon unabhängige generelle Lösung des Problems unter Beachtung des gesetzgeberischen Regelungswillens. bb) Anfechtungsrechtliche Umsetzung der sozialgesetzlichen Vorgabe O 212 Die Weigerung des Bundesgerichtshofs, die sozialgesetzliche Neuregelung anfechtungsrechtlich umzusetzen, ist ein in rechtsstaatlicher Hinsicht (vgl. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) bemerkenswerter Vorgang, der sich mit der pseudomethodologischen Argumentation, angesichts uneinheitlicher insolvenzrechtlicher Konsequenzen könne der gesetzlich fingierte Tatbestand nur beschränkt nach dem verfolgten Regelungsziel ausgelegt werden,925 schwerlich rechtfertigen lässt. Richtig ist, dass der Wortlaut des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV verschiedene Auslegungen des fingierten Tatbestandes (Zahlung aus dem Vermögen des Beschäftigten) zulässt, so dass insolvenzrechtlich eine uneinheitliche, den Geboten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit abträgliche Anwendungspraxis zu besorgen wäre, der jedoch durch eine überzeugende höchstrichterliche Rechtsprechung entgegengewirkt werden könnte. Richtig ist aber auch, dass der Bruttolohnanspruch des Arbeitnehmers die Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages durch den Arbeitgeber umfasst, soweit er gemäß § 28g SGB IV vom Lohn des Beschäftigten einbehalten worden ist,926 und dass der vom Gesetzgeber intendierte Normzweck, die Erfüllung dieses Leistungsteils als Besitzstand des Arbeitnehmers auch im Insolvenzfall zu sichern, einer Anfechtung nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung entgegensteht. O 212a Es sind verschiedene Möglichkeiten einer gesetzeskonformen Implementierung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV im Recht der Insolvenzanfechtung denkbar, und zwar de lege lata, ohne vorherige Änderung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV und etwaige Anpassung an die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Insolvenzanfechtungsrecht. So ließe sich die sozialgesetzliche Fiktion schlicht als Anfechtungshindernis begreifen dahingehend, dass es insoweit an der für alle Anfechtungstatbestände erforderlichen objektiven Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO fehlt. Darüber hinaus kann dem beschriebenen Regelungsziel im Rahmen des § 142 InsO Rechnung getragen werden, indem die Zahlung der Arbeitnehmeranteile an die Einzugsstelle zugleich (simultan) als Erfüllung des Entgeltanspruchs (Bruttolohnanspruchs) berücksichtigt, mithin als Leistungen des Arbeitsentgelts an den Beschäftigten, für die der Arbeitgeber gleichwertige Gegenleistungen in Form der Arbeitsleistung erhalten hat.927 Dies ist unproblematisch und gilt erst recht, wenn man wie hier 924 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Rz. 14 m.w.N. 925 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Rz. 20. 926 Vgl. BT-Drucks. 16/6540; ebenso BAGE 97, 150 ff.; s. dagegen BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Rz. 10 f. Wie hier Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 42 ff. (44). 927 Vgl. Kreft, Festschrift für Samwer, 2008, S. 261, 272 f.; ihm folgend Schäfer, oben Rz. B386, B394; vgl. ferner Bräuer, ZInsO 2008, 169 (175); v. d. Heydt, ZInsO 2008, 178 (183). Dagegen erwägt der BGH, der Gesetzgeber habe eine Lösung im Dreipersonenverhältnis wie beim echten Vertrag zugunsten Dritter verworfen, andernfalls

998 Wagner

VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 212c O

schuldtilgende Drittleistungen entgegen der h.M. nicht a priori als inkongruente Deckungshandlungen dem Bargeschäftsprivileg entzieht, mit anderen Worten: wenn man den Einwand aus § 142 InsO grundsätzlich auch gegenüber Anfechtungen aus § 131 InsO grundsätzlich für anwendbar hält.928 Somit kann die Zahlung der Arbeitnehmeranteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Hinblick auf die Regelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers nicht als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle angefochten werden (entgegen BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Rn. 13). cc) Rechtspolitische Kontroverse („Bruttolohnfrage“) im Zuge der Neuregelung des § 142 InsO Im Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung des Insolvenzanfechtungsrechts O 212b aufgrund des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 29.9.2015 hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vorgeschlagen, nicht nur den Nettolohn von der Anfechtung auszunehmen, sondern weitergehend das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO auf den Bruttolohn zu erstrecken, um so in der Insolvenz des Arbeitgebers auch eine Rückforderung der an den Fiskus abgeführten Lohnsteuer sowie der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zu verhindern.929 Das ist während der Beratungen im Bundestag unter Verweis auf ablehnende Stellungnahmen im Rahmen der Expertenanhörung vor dem Rechtsausschuss auf massive Kritik gestoßen.930 Befremdlich erscheint dabei, wenn auch ein Mitglied des Bundestags, namentlich eines Berichterstatters des federführenden Rechtsausschusses, die höchstrichterliche Weigerung, die sozialgesetzliche Vorgabe anfechtungsrechtlich umzusetzen, gutheißt und dafür plädiert, entgegen der weitergehenden Stellungnahme des Bundesrats am „Nettoprinzip“, mithin an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs festzuhalten.931 Die gilt umso mehr, als deren Begründung auch in der Sache nicht überzeugt.932 Die Bundesregierung hatte in ihrer Gegenäußerung lapidar erklärt, sie halte den O 212c Vorschlag des Bundesrates für nicht zielführend. Ihrer Auffassung nach seien die Interessen der öffentlich-rechtlichen Gläubiger durch anderweitige Regelungen

928 929 930 931 932

hätte die Abführung der Arbeitnehmeranteile an die Einzugsstellen der Sozialversicherung regelmäßig als Doppeldeckung nur dann angefochten werden können, wenn die Voraussetzungen dazu gegenüber beiden Gläubigern bestanden hätten (BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 Rz. 11). Eine dem gleichlautenden Entwurf eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG entsprechende Wirkungsweise von § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV sei dagegen nicht anzunehmen. Dies setze ein Beitragsteilschuldverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Einzugsstelle voraus, das durch die Fiktion einer (mittelbaren) Zahlung aus dem Vermögen des Arbeitnehmers nicht ersetzt werden könne, sondern eine Änderung des § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV erfordere (BGHZ 183, 86 Rz. 18). Vgl. oben Rz. O11, O66 ff. BT-Drucks. 18/7054, S. 30 f. (Anlage 3). Vgl. BT-Drucks. 18/11199, S. 10 f.; Hirte, ZInsO 2016, 2027 ff. m.w.N. Hirte, ZInsO 2016, 2027 (2028) mit Blank, Insolvenzanfechtung gegenüber Arbeitnehmern, Diss. Saarbrücken 2016. Entgegen Hirte, ZInsO 2016, 2027 (2028). Vgl. wie hier Cranshaw/Hinkel/Bruhn, § 142 Rz. 42 ff. (44); s. auch Rz. O123d, O212 f. Wagner

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O Rz. 212c

§ 142 InsO – Bargeschft

des Gesetzentwurfs hinreichend gewahrt.933 Als anderweitige Regelung war vor allem die im Regierungsentwurf vorgesehene Ergänzung des § 131 Abs. 1 InsO um einen Satz 2 angesprochen. Danach sollte eine Rechtshandlung nicht allein dadurch zu einer inkongruenten Deckungshandlung werden, dass die Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erwirkt oder zu deren Abwendung bewirkt worden ist.934 Dieser Änderungsvorschlag wurde jedoch vom Rechtsausschuss gestrichen mit der Begründung, dadurch werde der an § 131 Abs. 1 Satz 2 InsO-E von Seiten der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung geäußerten Kritik, dass diese Regelung aufgrund der Möglichkeit der Selbsttitulierung eine ungerechtfertigte Privilegierung hoheitlicher Rechtsträger gegenüber privaten Gläubigern bewirke, Rechnung getragen.935 Die Gesetzesänderung wurde wie vom Rechtsausschuss empfohlen, d.h. ohne Änderung des § 131 InsO, beschlossen. Dass mit der fraktionsübergreifend begrüßten Streichung des sog. Fiskusprivilegs und der damit verbundenen „Rückkehr zur alten Regelung“936 auch ein „Sozialversicherungsprivileg“ gekippt wurde mit Folge, dass die in der Unternehmenskrise gezahlten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung der bisherigen Rechtsprechung folgend weiterhin der Rückforderung durch den Insolvenzverwalter unterliegen, wurde offenbar als quantité negligeable hingenommen. Die eingangs erwähnte Gegenäußerung der Bundesregierung wurde entweder übersehen oder übergangen. 9. Öffentliche Abgaben II – Lohnsteuer, Umsatzsteuer a) Gesetzliche Grundlagen der Abführung von Lohnsteuer O 213 Anders als bei den Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Schuldner der Lohnsteuer allein die Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Steuer hat der Arbeitgeber für Rechnung der Arbeitnehmer bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und sie spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums – in der Regel ist das der Kalendermonat – an das Finanzamt weiterzuleiten (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Diese Beträge sind nach bürgerlichem Recht (§ 611 BGB) Teil des dem Arbeitnehmer zustehenden Lohns, auf den er einen arbeitsvertraglichen Anspruch hat.937 Dennoch ist die Anfechtbarkeit von Lohnsteuerzahlungen in der Insolvenz des Arbeitgebers strittig.938 b) Bundesfinanzhof: Bargeschäft O 214 Der Bundesfinanzhof vertritt in seinem Beschluss vom 11.8.2005 im Anschluss an einen ebenfalls im summarischen Verfahren ergangenen Beschluss vom 21. Dezember 1998 die Auffassung, dass die Abführung von Lohnsteuer durch 933 BT-Drucks. 18/7054, S. 33 zu Nummer 7. 934 BT-Drucks. 18/7054, S. 7, 14; BT-Drucks. 18/11199, S. 4 – Synopse unter Art. 1 Nr. 2. 935 BT-Drucks. 18/11199, S. 11 zu Nummer 2. 936 BT-Drucks. 18/11199, S. 10 vorletzter Absatz. 937 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (358) a.E. mit BFH v. 21.12.1998 – VII B 175/98, GmbHR 1999, 881 = NV 1999, 745 (747). 938 Vgl. ausführlich zum Meinungsstand Erkis/Schneider, DStZ 2015, 167 ff. m.w.N.

1000 Wagner

VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 216 O

den Arbeitgeber nur unter den Voraussetzungen des § 133 InsO im Falle vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung angefochten werden kann.939 Der Bundesfinanzhof lehnt eine Unterscheidung danach, ob die Steuerzahlung ihren Weg über das Vermögen des steuerpflichtigen Arbeitnehmers erfolgt oder direkt vom Arbeitgeber abgeführt wird ab. Die Abzugsbeträge, mithin der entsprechende Bruttolohnanteil, gehöre zum Arbeitslohn, auf die Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch haben. Die Lohnsteuer stelle daher ein – aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften – nicht an den Arbeitnehmer auszuzahlendes (vertragliches) Entgelt für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung dar. Deshalb stelle die gesetzlich vorgeschriebene Abführung an das Finanzamt wie die Auszahlung des Nettolohns keine objektive Benachteiligung der übrigen Gläubiger des Arbeitgebers (späteren Insolvenzschuldners) dar. Vielmehr sei die Abführung der entsprechenden Beträge Teil eines Bargeschäfts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.940 c) Bundesgerichtshof: Kein Bargeschäft Demgegenüber nimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an, O 215 die Abführung von Lohnsteuer an das Finanzamt wirke in der Insolvenz des Arbeitgebers regelmäßig gläubigerbenachteiligend, auch soweit die von seinen Arbeitnehmern geschuldete Lohnsteuer betroffen sei.941 BGH-Urteil vom 22.1.2004 – BGHZ 157, 350942 Das Grundsatzurteil vom 22.1.2004 betrifft eine Pfändungs- und Einziehungs- O 216 verfügung des Finanzamts für rückständige Ansprüche des Schuldners auf Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschlag, mit der das beklagte Land alle Ansprüche des Schuldners gegen seine Bank aus dem mit dieser bestehenden Kontokorrentkreditvertrag pfändete. Die Verfügung wurde der Drittschuldnerin am 17.11.1998 zugestellt. Einen am 18.11.1998 eingegangenen Überweisungsauftrag des Schuldners zugunsten der Beklagten in Höhe von 5652,29 DM führte die Bank am 20.11.1998 aus. Durch zwei spätere Überweisungen wurde die Forderung des Beklagten bis zum 27.11.1998 vollständig getilgt. Die Klägerin verlangt als Verwalterin in dem Insolvenzverfahren über den 939 BFH v. 11.8.2005 – VII B 244/04, BFHE 210, 410 (414 f.) = GmbHR 2005, 1514 = NJW 2005, 3807 (3808) = ZIP 2005, 1797 mit BFH v. 21.12.1998 – VII B 175/98, GmbHR 1999, 881 = NV 1999, 745. 940 BFH v. 11.8.2005 – VII B 244/04, BFHE 210, 410 (414 f.) = GmbHR 2005, 1514 mit BFH v. 21.12.1998 – VII B 175/98, GmbHR 1999, 881 = NV 1999, 745. Ebenso Erkis/ Schneider, DStZ 2015, 167 (171 ff.). 941 Für die Rechtslage vor dem 1.1.2008: BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (357 ff.); vgl. dazu eingehend Kayser, ZIP 2007, 49 ff. m.w.N. Überwiegend zustimmend die Kommentarliteratur zu § 142 InsO, vgl. etwa MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 5b; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 24 lehnen ein Bargeschäft mangels Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Fiskus ab; s. Rz. O219, O221a. 942 Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (360) = NJW 2004, 1444 = WM 2004, 517; BGH v. 17.2.2004 – IX ZR 318/01, WM 2004, 669 = ZIP 2004, 669 zum Zeitpunkt der Entstehung des Pfandrechts bei Pfändung der Ansprüche aus einem Dispositionskredit („offene Kreditlinie“). Wagner

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O Rz. 216

§ 142 InsO – Bargeschft

Nachlass des am 6.5.1999 verstorbenen Schuldners Rückgewähr der bezeichneten Zahlungen. Die Klage hatte erst in letzter Instanz Erfolg. O 217 Ausgehend von seiner Rechtsprechung zu den Beitragszahlungen des Arbeitgebers (Schuldners) an einen Sozialversicherungsträger, welche die Gläubigergesamtheit auch insoweit benachteiligen, als sie die Arbeitnehmeranteile betreffen,943 hat der Bundesgerichtshof ausführlich dargelegt, dass die Leistung der von den Arbeitnehmern geschuldeten Lohnsteuer anfechtungsrechtlich nicht anders zu beurteilen sei als die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Die Leistung der Lohnanteile an das Finanzamt erfolge ebenso wie die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge aus dem Vermögen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer habe lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung des ihm rechtlich zustehenden Arbeitslohns sowie auf Abführung des gesetzlich vorgeschriebenen Anteils an das Finanzamt. An diesen Lohnanteilen sei vor deren Zahlung an das Finanzamt keine treuhänderische Berechtigung des Arbeitnehmers und somit kein Aussonderungsrecht in der Insolvenz des Arbeitgebers begründet worden. Die steuerrechtliche Verpflichtung zur Führung von Lohnkonten (§ 41 Abs. 1 EStG, § 4 LStDV) diene allein dem Zweck, die Erfüllung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht zu belegen und dadurch die Nachprüfung zu erleichtern. Sie bewirke zugunsten der Arbeitnehmer kein in der Insolvenz zu beachtendes Aussonderungsrecht. Sonstige Tatsachen, die geeignet wären, eine Treuhandstellung der Arbeitnehmer zu begründen, habe die Beklagte nicht vorgetragen.944 O 218 Außerdem, so führt der Bundesgerichtshof ergänzend aus, habe der Schuldner die angefochtene Zahlung zur Erfüllung einer eigenen Haftungsschuld erbracht.945 Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer einbehalten, so kann der Arbeitnehmer vom Finanzamt nicht mehr in Anspruch genommen werden, sofern die in § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG normierten Ausnahmetatbestände nicht erfüllt sind. Der Arbeitgeber muss jedoch für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer einstehen. Dieser Haftungsanspruch des Beklagten war vor Insolvenzeröffnung entstanden, als der Schuldner die Lohnsteuer nicht binnen der gesetzlich vorgeschriebenen Frist abgeführt hatte (§ 41a Abs. 1 und 2, § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG). Mitentscheidend ist die Erwägung, dass das beklagte Land ohne die erhaltene Befriedigung die Haftungsschuld nur als Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO hätte geltend machen können. Die Vorschrift des § 41 Abs. 1 EStG sei auch nicht geeignet, für ihn ein Vorzugsrecht in der Insolvenz des Schuldners zu begründen (vgl. vorige Rz.). Die angefochtene Zahlung habe daher in jedem Falle die der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehende Masse gemindert. Dies entspreche der schon bis der bisherigen Rechtsprechung des Senats, die im Schrifttum Zustimmung gefunden habe.946

943 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (358) m.w.N. 944 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (359). 945 Vgl. dazu und zum Folgenden BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (358 f.) mit Nachw. 946 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (359 f.) mit Nachw.

1002 Wagner

VII. Wichtige Fallgruppen und Einzelflle

Rz. 221 O

Der gegenteiligen Auffassung des Bundesfinanzhofs zu § 142 InsO, die Abfüh- O 219 rung der Lohnanteile sei Teil eines Bargeschäfts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und deshalb nicht gläubigerbenachteiligend, vermochte der Senat nicht zuzustimmen. Der Bundesfinanzhof habe insoweit nicht beachtet, dass nur Leistungen des Schuldners, für die dieser aufgrund einer Parteivereinbarung mit dem anderen Teil, also dem Anfechtungsgegner, eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen erhalten hat, als Bargeschäfte im Sinne des § 142 InsO gelten. Der Schuldner habe mit dem beklagten Land weder eine Vereinbarung getroffen noch von ihm eine Gegenleistung erhalten. Im übrigen würde es selbst in der – hier nicht maßgeblichen – Rechtsbeziehung zum Arbeitnehmer an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang fehlen, wenn eine Arbeitsleistung erst Monate später vergütet wird.947 d) Kritische Stellungnahme Entscheidend gegen die Anwendung des § 142 InsO spricht nach Ansicht des O 220 Bundesgerichtshofs, dass der Arbeitgeber keine Treuhandstellung an den Bruttolohnbeträgen innehat, dass keine vertragliche Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung erkennbar sei und dass die zur anfechtungsrechtlichen Behandlung von Mehrpersonenverhältnissen entwickelten Grundsätze des Bundesgerichtshofs durchbrochen wären. Dagegen unterbleibt eine Gesamtabwägung der beteiligten Interessen und eine sozialverträgliche Würdigung der praktischen Folgen dieser Ansicht. Denn es ist nicht zu verkennen, dass sich die Auslegung des Bundesgerichtshofs zu Lasten des Arbeitnehmers auswirkt. Das ließe sich jedenfalls nicht rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer eine quasidingliche Rechtsposition an den einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuerbeträgen im Verhältnis zu Arbeitgeber und Fiskus erworben hätte. Aber auch unterhalb dieser Schwelle ist die Zuordnung zum Vermögen des Arbeitnehmers zu beachten.948 Die hier im Zusammenhang mit den Einnahmen eines Tankstellenbetreibers aus dem Verkauf von Mineralölprodukten im Namen und auf Rechnung des Mineralölunternehmens vorgeschlagene Annahme einer treuhänderischen Zweckgebundenheit der betreffenden Mittel könnte zur Lösung der komplexen Problematik beitragen (s. Rz. O35, O39, O248 f.). Andererseits hat jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr das Insolvenzrisiko seines O 221 Vertragspartners zu tragen. Ordnet der Gesetzgeber Vorwirkungen der materiellen Insolvenz an, wie dies mit den Regeln des Insolvenzanfechtungsrechts in dem festgelegten zeitlichen Rahmen geschehen ist, so muss dies selbstverständlich auch innerhalb des jeweiligen Schuldverhältnisses gelten, und zwar grundsätzlich mit allen Einschränkungen und Erweiterungen. Das betrifft also nicht nur den Regeltatbestand, hier das Anfechtungsrisiko nach § 130 Abs. 1 InsO,949 sondern auch den Ausnahmetatbestand des § 142 InsO. Demnach ist 947 BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (360); vgl. K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 Rz. 24, die ein Bargeschäft mangels Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Fiskus ablehnen. A.A. Erkis/Schneider, a.a.O. (Fn. 951). 948 Zu Recht kritisch Schäfer, NZI 2008, 151 (152 f.) im Zusammenhang mit Prämienzahlungen an eine Direktversicherung und hier in Rz. A61b. 949 Vgl. die Herleitung bei Kayser, ZIP 2007, 49. Wagner

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O Rz. 221

§ 142 InsO – Bargeschft

zu klären, ob dem Arbeitnehmer das Bargeschäftsprivileg zugute gekommen wäre, wenn nicht der Fiskus respektive der Sozialversicherungsträger die jeweiligen Bruttolohnanteile erhalten hätte, sondern der Arbeitnehmer als Vertragspartner des Schuldners (Arbeitgebers), wenn man also den Dritten (Zuwendungsempfänger) hinweg denkt.950 Dabei handelt es sich nicht um eine – im Insolvenzanfechtungsrecht grundsätzlich irrelevante – hypothetische Erwägung, sondern um die materielle Zuordnung zum haftenden Vermögen. Insoweit ist m.E. wie bei den Arbeitnehmeranteilen am Gesamtsozialversicherungsbeitrag darauf abzustellen, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Gegenleistung für dessen Arbeitsleistung schuldet. Diese Gegenleistung umfasst jedoch nicht nur den an den Arbeitnehmer direkt ausgezahlten Nettolohn, sondern unstreitig auch die an die Einzugsstelle und die Finanzkasse abgeführten Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung sowie die von ihm geschuldete Lohnsteuer, mithin den (gesamten) Bruttolohn. Die Überlagerung des privatrechtlichen Anspruchs durch das öffentliche Abgabenverhältnis, mithin der Umstand, dass der Arbeitgeber kraft Gesetzes verpflichtet ist, diese Lohnanteile seines Arbeitnehmers einzubehalten und für diesen an die Sozial- bzw. Finanzkasse abzuführen, ändert nichts an der materiellen Zuordnung dieser Lohnanteile zum Vermögen des Arbeitnehmers. Sie hat lediglich regelungstechnische Bedeutung und ist Ausdruck des gesetzgeberischen Bestrebens, einen effektiven Abgabenfluss bestmöglich sicherzustellen und damit ein reales Steueraufkommen zu gewährleisten. Entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs ist daher auch insoweit auf den Bruttolohn abzustellen mit der Folge, dass neben den Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung auch die Lohnsteuerbeträge im Rahmen des bargeschäftlichen Leistungsaustauschs anfechtungsfrei sind.951 e) Umsatzsteuer O 221a Wie bei Zahlungen von Arbeitgebern auf die von den Arbeitnehmern geschuldete Lohnsteuer952 kann die Begleichung der Umsatzsteuer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegenüber dem Finanzamt als eine gläubigerbenachteiligende Leistung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO angefochten werden.953 Dies hat der IX. Zivilsenat mit einem Beschluss vom 22.10.2015 unter Fortführung seiner bis dahin ergangenen Entscheidungen bestätigt.954 Für die Anwendbarkeit des Bargeschäftsprivilegs ergeben sich entsprechende Fragestellungen.

950 Vgl. näher Huber, ZInsO 2010, 977 ff.; unten Rz. O243 ff. sowie Rz. A61b. 951 Im Ergebnis ebenso BFH v. 11.8.2005 – VII B 244/04, BFHE 210, 410 (414) mit BFH v. 21.12.1998 – VII B 175/98, GmbHR 1999, 881 = NV 1999, 745; eingehend Erkis/ Schneider, DStZ 2015, 167 (171 ff.), die allerdings (S. 172) zu Unrecht eine Parteivereinbarung im Dreiecksverhältnis bejahen, im Ergebnis aber zu Recht auf die gesetzlich vorgesehene Simultanleistung abstellen. Vgl. Rz. O123b ff.; Rz. A61b. 952 Vgl. etwa BGH v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (358); v. 9.12.2004 – IX ZR 108/04, BGHZ 161, 315 (317); obiter BGH, Beschl. v. 22.10.2015 – IX ZR 74/15, ZInsO 2016, 341 Rz. 2. 953 Vgl. BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221; BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 125/11, WM 2012, 1208; BGH, Beschl. v. 22.10.2015 – IX ZR 74/15, ZInsO 2016, 341 Rz. 2. 954 BGH, Beschl. v. 22.10.2015 – IX ZR 74/15, ZInsO 2016, 341 Rz. 2 mit Nachw.

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Rz. 226 O

VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im berblick

VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im Überblick 1. BGH-Urteil vom 30.9.1993 – BGHZ 123, 320 – Kundenschecks Die Leitsätze lauten: a) Eine Bardeckung liegt nicht vor, wenn der Gemein- O 222 schuldner eine zwar gleichwertige, aber andersartige Leistung erbringt als vereinbart. b) Eine Anfechtung nach § 31 Nr. 1 KO (§ 133 InsO) kommt auch in Betracht, wenn eine Bardeckung vorliegt. Diese Entscheidung stellt, wie bereits gezeigt, eine wichtige Zäsur dar für die O 223 Auslegung des § 142 InsO, weil sie in Abkehr von der bis dahin herrschenden Auslegung die Vorschrift nur bei kongruenten Leistungen für anwendbar hält, nicht auch bei inkongruenter Deckung, also im Rahmen des § 131 InsO. Hierzu ist auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung zu verweisen (oben Rz. O57 ff.). Das Urteil vom 30.9.1993 hat im Schrifttum zunächst ein geteiltes Echo gefun- O 224 den. In der Folge hat sie aber zu einem Meinungsumschwung geführt, der als Paradigmenwechsel bezeichnet werden darf: Die früher herrschende Meinung ist heute Minderheit und umgekehrt. Kritische Stimmen sind zwar deutlich in der Minderzahl, aber nie ganz verstummt. Dagegen hat sich namentlich die Kommentarliteratur heute fast einhellig der neuen Linie des Bundesgerichtshofs angeschlossen. Stellvertretend für die heute herrschende Lehre sei die Urteilsanmerkung von Henckel erwähnt, der es früh unternommen hat, der neuen, restriktiven Auslegung des § 142 InsO eine dogmatisch vertretbare Grundlage zu geben.955 Zu nennen ist auch die teilweise kritische Anmerkung von Marotzke und Kick, die mit Recht dafür plädieren, dem Schuldner auch in der Krise ein „Mindestmaß an Flexibilität bei der Geschäftsführung“ zuzugestehen, und im übrigen den Schutz der Gläubiger durch die §§ 30 Nr. 2, 31 Nr. 1 KO (§§ 131, 133 InsO) für ausreichend erachten.956 2. BGH-Urteil vom 7.3.2002 – BGHZ 150, 122 – Verrechnungen im Kontokorrent Stellt eine Bank Zahlungseingänge ins Kontokorrent ein, kann in dem Umfang O 225 ein unanfechtbares Bargeschäft vorliegen, in dem sie ihren Kunden (Schuldner) wieder über den Gegenwert verfügen läßt. Ob der Schuldner den vereinbarten Kreditrahmen voll ausnutzt, ist grundsätzlich unerheblich.957 Diese Grundsatzentscheidung bildet den Ausgangspunkt für zahlreiche weitere O 226 Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu Verrechnungen im (debitorischen) Bankenkontokorrent.958 Sie hat elementare Bedeutung im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs des Schuldners und damit für seine Handlungsfähigkeit in der 955 Henckel, EWiR 1994, 325; Jaeger/Henckel, § 142 Rz. 8 f. 956 Marotzke/Kick, JR 1995, 106 (108). 957 BGH v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 (Leits. 4) = NJW 2002, 1722 m. Bespr. Bruckhoff, S. 3304 ff.; Ringstmeier/Rigol, EWiR 2002, 685; Rigol/Homann, ZIP 2003, 17 ff.; Stiller, ZInsO 2002, 651 ff. 958 Vgl. etwa BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, NZI 2011, 675 m. Anm. Leithaus = ZIP 2011, 1576 f. m.z.N. Wagner

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§ 142 InsO – Bargeschft

Krise. Dies betrifft wiederum den Kernbereich des Bargeschäftsprivilegs. Soweit Verrechnungen zu einer inkongruenten Deckung führen, ist für dessen Anwendung dagegen kein Raum.959 Für die Einzelheiten ist auf die Ausführungen zu den betreffenden Tatbestandsmerkmalen zu verweisen (vgl. Rz. O136 ff.). 3. BGH-Urteil vom 10.6.2008 – BGHZ 177, 69 – Widerspruch des Verwalters im Lastschriftverfahren O 227 Das Urteil vom 10.6.2008 ist Ausgangspunkt für eine ganze Reihe weiterer Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit der Anfechtung von Lastschriftabbuchungen auf dem Schuldnerkonto. Der Insolvenzverwalter nimmt die beklagte Bank auf Rückzahlung eines im Einzugsermächtigungsverfahren eingezogenen Lastschriftbetrages in Anspruch. Der zu § 142 InsO ergangene Leitsatz des Urteils lautet: Auch im Falle der Genehmigungsfiktion nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken ist für die Frage der Bardeckung im Rahmen des § 142 InsO der Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs maßgebend.960 Hierzu ist auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Fallgruppe Bankgeschäfte I – Zahlungsverkehr zu verweisen (s. Rz. O145 ff.). 4. BGH-Urteil vom 20.7.2010 – BGHZ 186, 269 – Lastschrift in der Insolvenz O 228 Der Bundesgerichtshof stellt in diesem Urteil klar, dass Zahlungen, die mittels des im November 2009 neu eingeführten SEPA-Lastschriftverfahrens bewirkt werden, insolvenzfest sind und dass dies auch für Zahlungen gilt, die im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren erfolgen, das rechtswirksam in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem SEPA-Basis-Lastschriftverfahren nachgebildet worden ist (vgl. § 675j Abs. 1, § 675x Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 BGB).961 Für die Beurteilung der streitgegenständlichen Lastschriftbuchungen im Jahr 2004 war jedoch im Deckungsverhältnis weiterhin die Genehmigungstheorie zugrunde zu legen. Entscheidungserheblich war daher, ob die Schuldnerin die zunächst unberechtigte Belastung ihres Kontos nachträglich genehmigt hat. Wäre eine solche Genehmigung zeitlich vor Anordnung des Zustimmungsvorbehalts i.S.d. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO erfolgt, wäre der vom Kläger einen Tag später erklärte Widerspruch wirkungslos gewesen. Der Bundesgerichtshof tritt jedoch der Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Genehmigung der Schuldnerin durch schlüssiges Verhalten abgelehnt hat, entgegen.962 O 229 Für § 142 InsO ist die Feststellung von Interesse, dass die Insolvenzfestigkeit der Zahlungen – auch in dem Fall, dass vor Ablauf der Acht-Wochen-Frist des § 675x Abs. 4 BGB das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Zahlungspflichtigen eröffnet wird oder in einem Eröffnungsverfahren entsprechende Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden – nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Insolvenzgläubiger führt. Selbst wenn der Insolvenzverwalter den Zahlbetrag 959 Vgl. nur BGH v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, NZI 2011, 675 m. Anm. Leithaus = ZIP 2011, 1576 f. m.z.N. 960 BGH v. 10.6.2008 – IX ZR 283/07, BGHZ 177, 69 f. Leits. d. 961 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Leits. a und b (287) Rz. 37 ff. 962 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (289 ff.) Rz. 41 ff.

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Rz. 232 O

VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im berblick

in entsprechender Anwendung des § 377 Abs. 1 BGB nicht durch Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 675x BGB zur Masse ziehen kann, bleibt doch sein Anfechtungsrecht nach §§ 129 ff. InsO hiervon unberührt. Für die Frage, ob ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO vorliegt, weil der Zahlung eine auch in zeitlicher Hinsicht unmittelbare Gegenleistung des Zahlungsempfängers gegenübersteht, kommt es auch im SEPA-Verfahren auf den Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs an, nicht erst auf denjenigen der Genehmigung.963 5. BGH-Urteil vom 29.11.2007 – BGHZ 174, 297 – Globalzessionen Diese zur Anfechtbarkeit von Globalzessionsverträgen als kongruente Deckung, O 230 zum Werthaltigmachen von Forderungen und zur Anfechtung global zedierter künftiger Forderungen ergangene Entscheidung ist hier verschiedentlich Gegenstand einschlägiger Fragen der Insolvenzanfechtung. Ihre Kernaussage zu § 142 InsO lautet: Die Insolvenzanfechtung von global abgetretenen, zukünftig entstehenden Forderungen scheitert grundsätzlich nicht am Vorliegen eines Bargeschäfts, die Voraussetzungen eines Bargeschäfts sind bezüglich künftiger von der Globalzession erfasster Forderungen in aller Regel nicht gegeben. Hierfür fehle es sowohl an einem Austausch gleichwertiger Leistungen als auch an einer darauf gerichteten vertraglichen Vereinbarung.964 6. BGH-Urteil vom 21.1.2010 – BGHZ 184, 101 – Sicherungszession im Eröffnungsverfahren Der Beklagte des entschiedenen Rechtsstreits war im Eröffnungsverfahren be- O 231 reits zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt und unter anderem ermächtigt worden, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen; die Drittschuldner sollten nur noch unter Beachtung dieser Anordnung leisten. Die Parteien stritten um den Erlös aus sicherungshalber abgetretenen Forderungen, die während des Eröffnungsverfahrens eingezogen wurden.965 Die Abtretung war nicht nach den Vorschriften der §§ 129 ff. InsO anfechtbar. O 232 In Betracht kam insoweit nur eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Die Abtretung erfolgte nach dem Insolvenzantrag und der Klägerin war bekannt, dass der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt hatte. Die Anfechtung war jedoch gemäß § 142 InsO ausgeschlossen. Ein Bargeschäft liegt dann vor, wenn der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Der Abtretung der Forderungen standen die Vereinbarungen über die Gewährung von Darlehen in Höhe von 500 000 Euro und bis zu 650 000 Euro gegenüber.966

963 BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (285) Rz. 34. 964 BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 (Leits. c) (311) Rz. 40 ff. 965 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (105) Rz. 13 mit ausf. Bspr. von Gundlach/Frenzel/Jahn, NZI 2010, 336 ff.; Smid, DZWIR 2010, 309 ff. 966 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 f. Wagner

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O Rz. 233

§ 142 InsO – Bargeschft

O 233 Die Revision zog nicht in Zweifel, dass der erforderliche zeitliche, rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Abtretung der Forderung und den Darlehensverträgen bestand, sie rügte aber, es komme nicht auf die Abtretung der Forderung, sondern auf deren Werthaltigmachung an. Dass diese im zeitlichen Zusammenhang mit der Darlehensgewährung erfolgt sei, habe die Klägerin nicht einmal behauptet. Ihr (unbestrittener) Vortrag dazu, dass die Darlehen in einem bestimmten Zeitraum ausgereicht worden seien, genüge insoweit nicht. Zu fordern sei eine Gegenüberstellung der einzelnen Valutierungsakte einerseits, der Zeitpunkte der Werthaltigmachung der einzelnen Forderungen andererseits.967 Deren Voraussetzung waren aber nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht nachgewiesen (vgl. dazu Rz. O153). O 234 Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Bargeschäfts ist der Anfechtungsgegner.968 Die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes sind demgegenüber vom Insolvenzverwalter darzulegen und zu beweisen. Tatsächlichen Vortrag zum Werthaltigmachen der abgetretenen Forderungen, das eine eigene Rechtshandlung im Sinne von § 129 InsO darstellt und folglich selbständig anfechtbar ist, hat der Beklagte in den Tatsacheninstanzen jedoch nicht gehalten. Die Revision hat keinen entsprechenden Vortrag nachgewiesen.969 7. BGH-Urteil vom 19.3.1998 – BGHZ 138, 291 – Kreditbesicherung im Konzern O 235 Diese Entscheidung betrifft (schlagwortartig verkürzt) die Besicherung im Konzern. Der dritte Leitsatz lautet: Tritt ein selbständiges Unternehmen einem Sicherheitenpoolvertrag erst bei, nachdem einem anderen Poolmitglied der Kredit, der durch den Poolvertrag gesichert werden sollte, bereits ausgereicht war, kann der Beitritt gleichwohl anfechtungsrechtlich ein Bargeschäft darstellen, wenn das beitretende Unternehmen keine Wahl hatte, ob es dem Pool beitrat, weil es vom Kreditnehmer beherrscht wurde und der Poolvertrag den Beitritt voraussetzte.970 Als Kontrast hierzu ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.11.1992 von Interesse.971 Dort hatten die Gläubigerbanken mit der Gemeinschuldnerin einen Sicherheiten-Poolvertrag geschlossen, der sämtliche Maschinen sowie die ge-

967 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (106) Rz. 14. 968 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (106) Rz. 15 mit BGHZ 174, 297 (312) Rz. 42. 969 BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 (106) Rz. 15. 970 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 (292, 304 ff., 310 f.) = GmbHR 1998, 935 = NJW 1998, 2592 (2599) m. Anm. Eckardt, EWiR 1998, 699 f. und eingehend Becker-Eberhard, DZWiR 1998, 376 ff.; vgl. dazu sowie zur möglichen Vereitelung konkurrierender Gläubigerrechte durch Poolbildung s. Martinek in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 97 Rz. 49, 52 ff., 54 und ausführlich Burgermeister, Der Sicherheiten-Pool im Insolvenzrecht, 2. Aufl., S. 211 ff. sowie Zahrte, NZI 2010, 596 ff. 971 BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, WM 1993, 265 ff. (II 5b) m. Anm. Smid, WuB VI B § 30 Nr. 2 KO 1.93 = ZIP 1993, 271 m. Anm. Gerhardt, EWiR 1993, 61 f.

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VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im berblick

Rz. 237 O

samte Betriebs- und Geschäftsausstattung der Betriebsstätte Britanniahütte erfasste. Die auf Freigabe der Sicherheiten verklagten Kreditinstitute waren der Ansicht, bei der Sicherungsübereignung der Geschäftsausstattung habe es sich um ein Bargeschäft gehandelt. Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt, weil es seiner Ansicht nach an der hierfür erforderlichen Gleichwertigkeit der Gegenleistung fehlte, selbst wenn der Wert der sicherungsübereigneten Sachen denjenigen des ausgezahlten Darlehens nicht nennenswert überstiegen hätte. Die gegenseitig erbrachten Leistungen seien nicht gleichwertig, weil aufgrund des Poolvertrages die übertragene Geschäftsausstattung nicht nur den Rückzahlungsanspruch aus dem neu gewährten Darlehen, sondern zugleich alle übrigen Forderungen der teilnehmenden Gläubigerbanken – unabhängig davon, wann und aus welchem Anlass sie entstanden waren – absichern sollte. Da der Sicherungsübereignung insoweit keine Gegenleistung entsprach, stellte die Einbeziehung der an die Poolführerin übereigneten Gegenstände in den Poolvertrag insgesamt kein Bargeschäft dar. Diese Entscheidung ist im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Insolvenzfestigkeit des verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalts zu würdigen; auch sie berücksichtigt die Bargeschäftsausnahme nicht (s. Rz. O47). 8. BGH-Urteil vom 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 – Anwaltshonorar (Vorschusszahlungen) Im Mittelpunkt dieser für die Anwendung des § 142 InsO auf Honorarzahlungen O 236 grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. Rz. O182 ff.) steht die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Erfüllung anwaltlicher Honorarforderungen. Der mit einer Sanierungsprüfung beauftragte anwaltliche Berater erhielt Zahlungen wenige Tage vor und nach dem in seinem Beisein gestellten Eröffnungsantrag (Eigenantrag); auf die spätere Zahlung hat der Senat § 133 Abs. 1 InsO angewandt.972 Wie Pape mit Recht hervorhebt, handelt es sich dabei regelmäßig um eine „Gratwanderung“ zwischen der Befriedigung berechtigter Ansprüche und einer Ausplünderung im Vorfeld des Insolvenzverfahrens, zumal den Beteiligten die wirtschaftliche Krise des Mandanten in Fällen der Sanierungsberatung nicht verborgen geblieben sein kann.973 Für Rechtsanwaltsgebühren ist dabei von deren Fälligkeit auszugehen, sobald die betreffende Angelegenheit beendet ist, selbst wenn der Auftrag – der auch noch andere Angelegenheiten umfassen kann – insgesamt noch nicht erledigt sein mag. Ein Vorschussanspruch besteht insoweit jedenfalls nicht mehr.974 Das Urteil ist von zentraler Bedeutung für die Bestimmung der Unmittelbar- O 237 keit der Gegenleistung im Sinne des § 142 InsO (s. Rz. O105 ff.). Die insoweit relevanten Leitsätze lauten:975

972 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Rz. 8 ff. 973 Pape, EWiR 2007, 117 unter 1. 974 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 (Leits. a) m. Anm. Pape, EWiR 2007, 117 = BGH-Report 2006, 1133 m. Anm. Ringstmeier. 975 BGH v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190 Leits. b–d. Wagner

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O Rz. 237

§ 142 InsO – Bargeschft

Soweit an einen Rechtsanwalt Vorschusszahlungen in einer abgeschlossenen Angelegenheit erfolgen, für die bereits der Vergütungsanspruch fällig geworden, jedoch nicht geltend gemacht ist, sind die Leistungen inkongruent. Erbringt ein Rechtsanwalt Vorleistungen, die der inzwischen in der Krise befindliche Mandant mehr als 30 Tage später vergütet, handelt es sich nicht mehr um ein anfechtungsrechtlich privilegiertes Bargeschäft. Hat der insolvente Mandant durch die Gewährung von Vorschüssen vorgeleistet, gilt für das Vorliegen eines Bargeschäfts derselbe Maßstab wie bei einer Vorleistung des Rechtsanwalts. O 238 Die Vergütung einer anwaltlichen Dienstleistung kann die Voraussetzungen eines Bargeschäfts erfüllen, so dass ein Rechtsanwalt auch eine in der wirtschaftlichen Krise eines Mandanten, des späteren Schuldners, erhaltene Vergütung nicht an die Masse zurückgewähren muss. Dieser Grundsatz gilt auch im Anwendungsbereich des RVG.976 Anfechtungsrechtlich bedeutsam ist dabei die vergütungsrechtliche Unterscheidung zwischen dem (umfassenden) Auftrag und der einzelnen Angelegenheit. Der Rechtsanwalt kann erst nach Beendigung der Angelegenheit und Mitteilung einer unterzeichneten Berechnung die Vergütung verlangen, andernfalls ist eine gleichwohl geleistete Zahlung inkongruent. Der Anwalt kann daher nach Erteilung des Auftrages, aber vor Beendigung einer Angelegenheit als kongruente Befriedigung nur einen Vorschuss verlangen. Bei mehreren Angelegenheiten innerhalb eines Auftrages, muss er jeweils gesondert Vorschuss anfordern. Ein zur Annahme einer Bardeckung notwendiger enger zeitlicher Zusammenhang ist nicht mehr gegeben, wenn zwischen Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und Erbringung der Gegenleistung mehr als 30 Kalendertage liegen. Um anfechtungsfest abzurechnen, muss der Anwalt daher spätestens nach 30 Tagen eine Zwischenabrechnung erstellen.977 9. BAG-Urteil vom 6.10.2011 – BAGE 139, 235 – Lohnzahlungen978 O 239 Auch dieses Urteil ist von zentraler Bedeutung für die Bestimmung der Unmittelbarkeit der Gegenleistung im Sinne des § 142 InsO (s. Rz. O105 ff.), und zwar für Lohn- und Gehaltszahlungen in der Krise des Arbeitgebers (s. Rz. O174 ff.). Die Leitsätze dieser Grundsatzentscheidung lauten:

976 Zutreffend Ringstmeier, BGH-Report 2006, 1135 f. 977 Vgl. BGH v. 18.9.2008 – IX ZR 134/05, NZG 2008, 902; Ringstmeier, BGH-Report 2006, 1135 f.; vgl. zur Kritik an dieser Auslegung des Unmittelbarkeitskriteriums oben Rz. O192. 978 BAG v. 6.10.2010 – 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 = NZI 2011, 981 = ZInsO 2012, 37 = ZIP 2011, 2366 m. krit. Anm. Huber, EWiR 2011, 817. Eingehend dazu Brinkmann, ZZP 125 (2012), 197 (201 ff.); Jacobs/Doebert, ZInsO 2012, 618 ff.; Plathner/ Sajogo, ZInsO 2012, 581 ff.; Ganter, ZIP 2012, 2037 (2043 f.); Huber, ZInsO 2013, 1049 (1052 ff.) m.w.N.

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VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im berblick

Rz. 240b O

Zahlt der Arbeitgeber in der Krise Arbeitsentgelt für vom Arbeitnehmer in den vorhergehenden drei Monaten erbrachte Arbeitsleistungen, liegt grundsätzlich ein Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO vor. Ob der Arbeitnehmer bei einer Entgeltzahlung seines Arbeitgebers wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte (§ 133 Abs. 1 InsO), kann regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden und ist deshalb vom Tatrichter nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden. Die von derjenigen des Bundesgerichtshofs abweichende Auslegung des Bun- O 240 desarbeitsgerichts hat unter dem Etikett „Sonderinsolvenzrecht für Arbeitnehmer“ heftige Ablehnung im insolvenzrechtlichen Schrifttum hervorgerufen. Das Urteil ist darüber hinaus bedeutsam für die Auslegung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 130, 133 InsO bei der Anfechtung von Zahlungen rückständiger Arbeitsvergütung (s. Rz. O180 f.). 10. BAG-Urteil vom 29.1.2014 – BAGE 147, 172 – bargeschäftliche und bargeschäftsähnliche Lohnzahlungen979 Mit diesem weiteren Grundsatzurteil hat das Bundesarbeitsgericht seine Recht- O 240a sprechung zur Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen bestätigt und hinsichtlich der insbesondere subjektiven Voraussetzungen einer gleichwohl möglichen Vorsatzanfechtung trotz Vorliegens eines Bargeschäfts ergänzt. Seine Leitsätze lauten:

Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss das Indiz der Zahlungsunfähigkeit und ihrer Kenntnis einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das gilt sowohl für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners als auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon. Bei Zahlung im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt und das dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 133 InsO) Rechnung getragen wird. Die in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze stimmen mit denjeni- O 240b gen des Bundesgerichtshofs im Ausgangspunkt weitgehend überein (s. dazu

979 BAG v. 29.1.2014 – 6 AZR 345/12, BAGE 147, 172 = ZInsO 2014, 659 = ZIP 2014, 628 m. krit. Anm. Huber, EWiR 2014, 291; Zwanziger, DB 2014, 2391. Vgl. auch BAG v. 22.10.2015 – 6 AZR 538/14, BAGE 153, 163 Tz. 25 f.; s. dazu Rz. O29f. Wagner

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O Rz. 240b

§ 142 InsO – Bargeschft

Rz. O124 ff.). Das BAG greift jedoch die an einer ausufernden Anfechtungspraxis geübte Kritik im insolvenzrechtlichen Schrifttum auf und versucht einer schematischen Anwendung von Beweisanzeichen, insbesondere der Indizwirkung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung entgegenzuwirken. 11. BGH-Urteil vom 10.7.2014 – BGHZ 202, 59 – Lohnzahlungen980 O 240c

Die Leitsätze der Grundsatzentscheidung lauten:

1. Ist der Arbeitnehmer vorleistungspflichtig, genießen Lohnzahlungen seines insolventen Arbeitgebers, die binnen 30 Tagen nach Fälligkeit bewirkt werden, das Bargeschäftsprivileg (entgegen BAG, 6. Oktober 2011, 6 AZR 262/10, BAGE 139, 235 und BAG, 29. Januar 2014, 6 AZR 345/12, ZIP 2014, 628). 2. Die einen Benachteiligungsvorsatz und seine Kenntnis nahelegenden Beweisanzeichen können zurücktreten, wenn der Schuldner eine kongruente Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines eigenen Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im allgemeinen nützt. Zu den für die Unternehmensfortführung unverzichtbaren Gegenleistungen gehört auch die Tätigkeit der Arbeitnehmer. 3. Wird eine Gehaltsforderung an einen Gesellschafter nach den Grundsätzen des Bargeschäfts gedeckt, liegt darin keine Befriedigung einer einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung. O 240d Mit diesem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur Vergütung von Dienstleistungen, die zur Vergütung anwaltlicher und steuerlicher Beratungsleistungen ergangen war (s. Rz. O105 ff., 182 ff.), im Hinblick auf die Vorleistungspflicht der Arbeitnehmer gemäß § 614 BGB modifiziert und auf Lohn- und Gehaltszahlungen erstreckt. Er hat dabei das Unmittelbarkeitskriterium wie aus dem ersten Leitsatz ersichtlich präzisiert und der zwischenzeitlich ergangenen abweichenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden widersprochen (s. Rz. O84). Dessen Auffassung hat sich gleichwohl, ungeachtet der anfänglich ganz überwiegenden Ablehnung im insolvenzrechtlichen Schrifttum,981 durchgesetzt und wurde von der Bundesregierung zum Anlass für die Novellierung des § 142 InsO a.F. mit § 142 Abs. 2 Satz 2 InsO genommen.982

980 BGH v. 10.7.2014 – IX ZR 192/13, BGHZ 202, 59 = NJW 2014, 2579 = ZInsO 2014, 1602 = ZIP 2014, 1491 m. zust. Anm. Bograkos/Rissmann, ZInsO 2014, 2213 f.; Ganter, WuB VI A § 142 InsO 1.14; kritisch Klinck, DB 2014, 2455 ff.; Ries, EWiR 2014, 561 (562). 981 Eingehend Blank, Insolvenzanfechtung gegenüber Arbeitnehmern, 2016 (Diss. Saarbrücken 2015); Doebert, Die Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, 2016 (Diss. Hamburg 2015). 982 Vgl. etwa Berner, ZInsO 2015, 2457, 2470 f. und zu Recht kritisch Ganter, WM 2015, 905 (910); 2015, 2117 (2121); hier im Einzelnen Rz. O89d, O174 ff.

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VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im berblick

Rz. 243 O

12. BGH-Urteil vom 5.11.2009 – BGHZ 183, 86 – Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung Der Insolvenzverwalter verlangt von der Beklagten, einer gesetzlichen Kran- O 241 kenkasse, Rückzahlung des Arbeitnehmeranteils an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Die Parteien streiten darüber, ob insoweit der seit 1.1.2008 geltende § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV entgegensteht. Am 17.1.2008 hatte die Beklagte wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 5333,43 Euro eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen die Schuldnerin erlassen, mit der sie auch deren Anspruch auf fortlaufende Auszahlung eines Bankguthabens pfändete. Die Schuldnerin beantragte am 28.1.2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die Bank der Schuldnerin überwies am 7.2.2008 von dem gepfändeten, damals kreditorisch geführten Konto den rückständigen Betrag in voller Höhe. Am 22.2.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Verwalter ernannt. Der Kläger hat die Rechtshandlung der Beklagten unter Berufung auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO angefochten. Die Beklagte ist der Anfechtung nicht entgegengetreten, soweit sie den auf die Schuldnerin entfallenden Arbeitgeberanteil an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen betrifft, und hat deshalb schon vorprozessual die Hälfte des erlangten Betrages an den Kläger zurücküberwiesen. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewie- O 242 sen.983 Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Krankenkasse zurückgewiesen. Der Leitsatz seiner Entscheidung lautet: Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen kann als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden. Zur Begründung hat er zunächst den rechtlichen Ausgangspunkt des Landgerichts bestätigt, dass die Pfändung und Einziehung des Bankguthabens der Schuldnerin nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO angefochten werden konnte. Die Beklagte hatte ihre Pfändungs- und Überweisungsverfügung elf Tage vor Einreichung des Insolvenzantrags erlassen und der Bank als Drittschuldnerin zugestellt; sie erhielt das Guthaben zehn Tage nach Antragstellung ausgezahlt. Die während der kritischen Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung ist inkongruent; weitere Voraussetzungen einer erfolgreichen Anfechtung verlangt § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht.984 Danach war im entschiedenen Fall für eine Anwendung des § 142 InsO von O 243 vornherein kein Raum, da diese Vorschrift nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur bei Anfechtungen wegen kongruenter Deckung in Betracht kommt (s. Rz. O58). Im Hinblick auf den Rechtsstandpunkt der be-

983 LG Schwerin v. 11.7.2008, NZI 2009, 185. 984 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86, 88 f. Rz. 7 m.w.N.; zur Anfechtung von Lohn- und Gehaltspfändungen wegen inkongruenter Deckung, s. BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, DB 2014, 129 = ZInsO 2014, 141 = ZIP 2014, 91; ferner zum Az. 6 AZR 953/12; vgl. dazu Stiller, ZInsO 2013, 55 ff. Wagner

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O Rz. 243

§ 142 InsO – Bargeschft

klagten Krankenkasse, wonach der Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen, soweit es sich um die Arbeitnehmeranteile handelt, seit dem 1.1.2008 gemäß § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV der Insolvenzanfechtung entzogen sei, geht der IX. Zivilsenat gleichwohl ausführlich auf diese von ihm bis dahin offen gelassene und nunmehr verneinte Frage ein. Dabei stellt er den Unterschied zur alten, vor dem 1.1.2008 bestehenden Rechtslage heraus, wonach die Insolvenzanfechtung von Zahlungen der Arbeitgeber an die Einzugsstellen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als Rückgewähr (§ 143 InsO) im Zweipersonenverhältnis aufzufassen war und es nicht darauf ankam, ob dem in der Leistungskette ein Lohnabzug gemäß § 28g SGB IV vorausging.985 Selbst wenn man darin eine Leistung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber sehen würde, käme es darauf anfechtungsrechtlich gegenüber den Einzugsstellen der Sozialversicherungsträger nicht an. Denn in der Leistungskette vollziehe sich die Anfechtung für jede Leistungshandlung der Kette getrennt. O 244 In der Insolvenz des Arbeitgebers kann die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages – zur Hälfte als mittelbare Zuwendung – gegenüber den Einzugsstellen im Ergebnis so angefochten werden wie bisher, falls § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Zahlung unmittelbar aus dem Vermögen des Arbeitnehmers fingiert. Denn durch die Erfüllung des Bruttolohnanspruchs gegenüber dem Arbeitnehmer erbringe der Arbeitgeber auch bei dieser fingierten Fallgestaltung ein eigenes Vermögensopfer, das seine Gläubiger i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO benachteilige.986 Zu § 142 InsO führt der Senat sodann aus, ein Bargeschäft im Sinne dieser Vorschrift sei bei der Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung der Arbeitnehmeranteile an die Einzugsstelle durch den Arbeitgeber ausgeschlossen. Da von den Sozialversicherungsträgern in das Vermögen der Arbeitgeber keine Leistung gelangt, komme ein Bargeschäft nur für das Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Betracht. Der Anfechtungsgegner stehe jedoch bei einer mittelbaren Zuwendung so, als habe er den Leistungsgegenstand vom Insolvenzschuldner erworben. Der Bargeschäftseinwand sei jedenfalls durch die Inkongruenz der Einzelzwangsvollstreckung innerhalb des Dreimonatszeitraums ausgeschlossen.987 O 245 Der Bargeschäftseinwand wäre allerdings, seine Entscheidungserheblichkeit vorausgesetzt (also im Rahmen einer kongruenten Deckung bei regelmäßiger Abführung des jeweiligen Arbeitnehmeranteils durch den Arbeitgeber), auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als mittelbar aus seinem Vermögen erbracht gelten soll. Denn dann liefe die mittelbare Zuwendung vom Arbeitnehmer über den Arbeitgeber an die Einzugsstelle; der unmittelbar zahlende Arbeitgeber wäre als Zahlungsmittler des Arbeitnehmers zu behandeln. Die Anfechtung dieser Leistungen fände dann innerhalb der einzelnen Teilstücke der Leistungskette statt. Erhielte die Einzugsstelle den Arbeitnehmeranteil

985 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 (89) Rz. 9; zusammengefasst in BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 ff. m.w.N. 986 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 (91) Rz. 13. 987 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 (92) Rz. 14.

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Rz. 247 O

VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im berblick

– wie das Finanzamt die Lohnsteuer nach dem Entwurf eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG – durch mittelbare Zuwendung aus dem Vermögen des Arbeitnehmers, durch die zugleich die Beitragsschuld (Steuerschuld) des Arbeitnehmers getilgt und sein Bruttolohnanspruch erfüllt wird, so würde die Anfechtung der Beitragszahlungen (Lohnsteuerzahlungen) nicht mehr in der Arbeitgeberinsolvenz, sondern in der Insolvenz des Arbeitnehmers stattfinden müssen. Allerdings wäre, wie der IX. Zivilsenat zutreffend hervorhebt, auch diese Verlagerung nur um den Preis einer nicht stets unanfechtbaren Bruttolohnzahlung an den Arbeitnehmer im Falle der Arbeitgeberinsolvenz möglich. Eine dem Entwurf eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG entsprechende Wirkungsweise von § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV sei jedoch abzulehnen, weil es an einem Beitragsteilschuldverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Einzugsstelle fehle. Dieses könne, so der Bundesgerichtshof, durch die Fiktion einer (mittelbaren) Zahlung aus dem Vermögen des Arbeitnehmers nicht ersetzt werden.988 In der Insolvenz des Arbeitgebers bleibt indessen die Erfüllung des Bruttolohnanspruchs als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung eine nach § 130 Abs. 1 InsO anfechtbare Deckung, deren Anfechtung gegenüber dem Arbeitnehmer dieser mit dem Bargeschäftseinwand begegnen kann.989 13. BGH-Urteil vom 23.9.2010 – IX ZR 212/09, NJW 2010, 3578 – Tankstelleneinnahmen990 Diese Entscheidung ist hier bereits unter dem Aspekt der Gegenleistung sowie O 246 deren rechtsgeschäftlichen Verknüpfung mit der angefochtenen Leistung des Schuldners eingehend erörtert worden (s. Rz. O37 ff.); ihre Leitsätze lauten:

1. Begegnet ein Vollstreckungszugriff dritter Gläubiger auf den entäußerten Vermögenswert faktischen Hindernissen, steht das einer Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen. 2. Veräußert ein Tankstellenbetreiber im Namen und für Rechnung eines Mineralölunternehmens in dessen Eigentum stehende Kraftstoffe an Endkunden und überweist er die zunächst für fremde Rechnung vereinnahmten Barerlöse nach Einzahlung auf seinem allgemeinen Geschäftskonto an das Mineralölunternehmen, so scheidet ein Bargeschäft aus. Im Hinblick auf das bereits Ausgeführte soll an dieser Stelle nur eine zusam- O 247 menfassende Würdigung erfolgen. Die Entscheidung wurde im Schrifttum kontrovers aufgenommen, wobei sich die Stellungnahmen auf kurze Anmerkungen

988 BGH v. 5.11.2009 – IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86 (93 f.) Rz. 16 ff. 989 Vgl. dazu Rz. O174 ff., O239 ff. sowie zur weiteren Kritik dieser Rspr. oben Rz. O123 ff., O212 ff. 990 BGH v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, MDR 2010, 1487 = NJW 2010, 3578 = NZI 2010, 897 = WM 2010, 1986 m. abl. Anm. Blum, WuB VI A. § 129 InsO 1.11 = ZInsO 2010, 1929 = ZIP 2010, 2009 mit zust. Anm. Freudenberg, EWiR 2010, 825. Wagner

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O Rz. 247

§ 142 InsO – Bargeschft

oder Darstellungen beschränken.991 Hervorzuheben ist die kritische Besprechung von Blum, der das „dogmatisch feinsinnige“ Urteil sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung, soweit sie unser Thema betrifft, beanstandet.992 Anders als der Bundesgerichtshof ist Blum der Ansicht, dass im entschiedenen Fall die Abführung der Bareinnahmen an das Mineralölunternehmen keine Gläubigerbenachteiligung darstellt, weil diese den Insolvenzgläubigern unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur zu einem geringen Bruchteil zugestanden hätten; außerdem seien die Voraussetzungen eines Bargeschäfts in direkter Anwendung des § 142 InsO erfüllt.993 Die Urteilsbegründung ist aber, was den Bargeschäftseinwand angeht, entgegen der Ansicht von Blum nicht zu beanstanden (s. oben Rz. O37 ff.). Im Ergebnis und hinsichtlich der Frage der Gläubigerbenachteiligung, darin ist Blum zuzustimmen, überzeugt sie jedoch nicht. O 248 Der Bundesgerichtshof hat zwar den Bargeschäftseinwand, wie gezeigt, mit zutreffender Begründung zurückgewiesen (s. Rz. O38 f.). Sein Ergebnis widerspricht jedoch dem Grundsatz, dass die Insolvenzgläubiger im Wege der Insolvenzanfechtung nur auf das ihnen haftende Vermögen des Schuldners zugreifen können (§§ 1, 35 InsO). Der Insolvenzverwalter darf mit anderen Worten nichts zur Masse holen, was ihr und damit den Gläubigern nicht zusteht. Die Anfechtung dient ausschließlich der Rückholung dessen, was in kritischer Zeit aus dem Vermögen des Schuldners weggegeben worden ist. Sie legitimiert dagegen keinesfalls eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse. Darauf läuft jedoch das Tankstellenbetreiber-Urteil vom 23.9.2010 hinaus. Die von der Schuldnerin als Handelsvertreterin erzielten Tageseinnahmen aus dem Verkauf der im Eigentum des Mineralölunternehmens stehenden Produkte standen unstreitig dem beklagten Unternehmen zu und waren nach Abzug von Aufwendungen und Provisionen der Schuldnerin unmittelbar an das Unternehmen abzuführen. Die Weiterleitung der Einnahmen erfolgte vereinbarungsgemäß vom Geschäftskonto der (späteren) Schuldnerin durch Lastschriftabbuchungen zugunsten des Unternehmens. Die mit der Einzahlung auf das Geschäftskonto verbundene kurzzeitige Umwandlung des Bargeldes in eine Forderung der Schuldnerin gegen die kontoführende Bank vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass die Deckung nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten nicht der Schuldnerin, sondern der Beklagten zustand. O 249 Daher hätte entweder eine analoge Anwendung des § 392 Abs. 2 HGB nahe gelegen oder eine (fortbestehende) treuhänderische Zweckgebundenheit der betreffenden Mittel abzüglich Aufwendungen und Provision. Eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger ist somit zu verneinen. Dies wäre zumindest zu erwägen gewesen. Denn wertungsmäßig überzeugt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht, wohl aber die Abweisung der Zahlungsklage des Insolvenzverwalters durch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg in der Vorinstanz. Zu Recht wird im Schrifttum darauf hingewiesen, diese Rechtsprechung lege der Praxis 991 Zustimmend Biehl, NJ 2011, 33 (34); Freudenberg, EWiR 2010, 825. Ablehnend Blum, WuB VI A. § 129 InsO 1.11. 992 Blum, WuB VI A. § 129 InsO 1.11 unter 1 a.E. 993 Blum, WuB VI A. § 129 InsO 1.11 unter 2 und 3.

1016 Wagner

VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im berblick

Rz. 249c O

weitreichende Sorgfaltspflichten zur Sicherung anfechtungsfester interner Zahlungsströme auf und zwinge den Prinzipal „zur tatsächlichen Durchsetzung aufwändiger Auskunftsmodelle und Anderkontenlösungen“, wenn er nicht Gefahr laufen wolle, durch eine praxisübliche Vermischung der Einnahmen seines Aussonderungsrechts verlustig zu gehen.994 Daher mag die Entscheidung, hätte sie nicht lediglich eine Zahlungsklage zum Gegenstand, an die Parömie summum ius, summa iniuria erinnern.995 14. BGH-Urteil vom 17.7.2014 – BauR 2014, 1945 – Direktzahlungen996 Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet:

O 249a

Trifft ein zahlungsunfähiger Schuldner mit seinem Auftraggeber (Bauherrn) und seinem Lieferanten vor der Fälligkeit der nächsten Werklohnrate die Vereinbarung, dass der Kaufpreis für die von dem Lieferanten zu liefernden Bauteile von dem Auftraggeber vor der Lieferung direkt gezahlt werde, kann in der vom Schuldner veranlassten Direktzahlung eine kongruente Deckung liegen und der Schuldner trotz erkannter Zahlungsunfähigkeit ohne Benachteiligungsvorsatz handeln. Mit diesem Urteil, das wegen seiner grundsätzlichen Aussagen einen Platz in O 249b der Amtlichen Entscheidungssammlung verdient hätte, versucht der Bundesgerichtshof einen in der Praxis gangbaren Weg gleichsam zwischen Skylla und Charybdis zu beschreiten, zwischen seiner Ablehnung einer Anwendung des § 142 InsO bei inkongruenten Deckungshandlungen einerseits und den praktischen Erfordernissen einer sinnvollen Fortführung begonnener Bauvorhaben andererseits. Mit seinem nachstehend genannten Urteil vom 17.12.2015 setzt der IX. Zivilsenat diese Linie fort. 15. BGH-Urteil vom 17.12.2015 – BGHZ 208, 243 – Kongruenzvereinbarungen997 Diese Entscheidung betrifft die Anfechtung einer in kritischer Zeit geschlosse- O 249c nen Kongruenzvereinbarung zur Ermöglichung eines Baraustauschs sowie der daraufhin erfolgten Direktzahlungen. Wie schon im Urteil vom 10.7.2014 ging es um eine Vereinbarung zwischen einem zahlungsunfähigen Bauunternehmer, einem Subunternehmer und dem Auftraggeber (Bauherrn) über die Direktzahlung von Werklohn an den Subunternehmer und um den spätesten Zeitpunkt 994 Zutreffend Biehl, NJ 2011, 33 (34). 995 S. dazu D. Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, 5. Aufl., Rz. S 79. 996 BGH v. 17.7.2014 – IX ZR 240/13, BauR 2014, 1945 = DB 2014, 1858 = NJW 2014, 2956 = NZI 2014, 762 = WM 2014, 1588 = ZInsO 2014, 1655 = ZIP 2014, 1595 m. Anm. Sorg, EWiR 2014, 653. 997 BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BGHZ 208, 243 = BauR 2016, 818 = DB 2016, 336 = NJW 2016, 1012 = NZI 2016, 311 = WM 2016, 282 = ZInsO 2016, 326 = ZIP 2016, 279 m. Anm. Bork, EWiR 2016, 113. Wagner

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O Rz. 249c

§ 142 InsO – Bargeschft

einer wirksamen Kongruenzvereinbarung. Außerdem befasst sie sich mit der Unsicherheitseinrede des Vorleistungspflichtigen (§ 321 BGB). Die Leitsätze der Entscheidung lauten:

1. Eine in der kritischen Zeit geschlossene Kongruenzvereinbarung, die einen Baraustausch ermöglichen soll, kann als solche nicht Gegenstand der Deckungsanfechtung sein (Bestätigung von BGH, Urteil vom 17. Juli 2014, IX ZR 240/13, WM 2014, 1588). 2. Eine Kongruenzvereinbarung kann bis zu dem Zeitpunkt getroffen werden, zu dem einer der Vertragspartner nicht nur eine erste Leistungshandlung vorgenommen, sondern einen ersten Leistungserfolg herbeigeführt hat. Werden im Rahmen eines Werkvertrages Baumaterialien von dem Auftragnehmer lediglich an die Baustelle gebracht, aber nicht eingebaut, fehlt es an einem ersten Leistungserfolg. 3. Die Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse seines Vertragspartners berechtigt den Vorleistungspflichtigen, nicht nur eine schon in Gang gesetzte Leistung zu unterbrechen, sondern sie rückgängig zu machen, solange der Leistungserfolg noch nicht eingetreten ist. O 249d Mit diesem Urteil entwickelt der Bundesgerichtshof seine Ausnahme-Rechtsprechung zur (nachträglichen) Herstellung eines Kongruenzverhältnisses zwischen Leistung und Direktzahlung fort und präzisiert diese dahingehend, dass als maßgeblicher Zeitpunkt, bis zu dem eine Kongruenzabrede geschlossen werden kann, nicht die Ausführung der ersten Leistungshandlung, sondern der Eintritt eines ersten Leistungserfolgs ist. Trotz dieses Zugeständnisses an den Gestaltungswillen der Parteien im entschiedenen Fall zeigt diese Ergänzung doch die praktische Unzulänglichkeit des dogmatischen Gesamtansatzes. Die Notwendigkeit einer dreiseitigen Vereinbarung, die rechtzeitig, d.h. vor Eintritt eines ersten Leistungserfolgs, getroffen worden sein muss, setzt der Praktikabilität des judikativen Postfaktum-Konzepts erhebliche Grenzen, führt damit zu weiterer Rechtsunsicherheit und leistet pragmatischem Anpassungsverhalten und Umgehungsversuchen in den betroffenen Wirtschaftsbereichen, insbesondere durch Rückdatierung etwaiger Abreden Vorschub. Vorzugswürdig erscheint dagegen die hier vertretene prinzipielle Einbeziehung inkongruenter Leistungen in den Kreis privilegierter Bargeschäfte. Eine Ausuferung zu Lasten der Gläubigergemeinschaft steht dadurch nicht befürchten, weil auch hier an den strikten Voraussetzungen des bargeschäftlichen Leistungsaustauschs festgehalten wird, so dass nur solche inkongruenten Leistungen in Betracht kommen, für die im engen zeitlichen Zusammenhang gleichwertige Gegenleistungen in die spätere Insolvenzmasse erbracht worden sind.998 998 Entgegen Ganter, WM 2015, 2117 (2118), der diese materiellen Schranken übersieht, wenn er eine Öffnung der Büchse der Pandora als Folge der hier vertretenen Ansicht befürchtet und die hier bereits seit der ersten Auflage favorisierte Rückkehr zu der vor dem Kundenscheckurteil BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 herrschenden Auslegung ablehnt. Vgl. im Einzelnen Rz. O68a f., O72, O77t.

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VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im berblick

Rz. 252 O

16. BGH-Urteil vom 11.2.2010 – WM 2010, 711 – Aufrechnung999 Amtl. Leitsatz: Ist zumindest eine der gegenseitigen durch Rechtsgeschäft ent- O 250 standenen Forderungen bedingt oder befristet, kommt es für die Anfechtbarkeit des Erwerbs der Aufrechnungslage auf den Zeitpunkt an, zu dem die spätere Forderung entstanden und damit das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden ist. Die mit Abschluss eines Vertrages entstandene Forderung ist erst ab dem Zeitpunkt und nur insoweit zu berücksichtigen, als sie – etwa durch Erbringung der versprochenen Leistung – werthaltig geworden ist und dem Gläubiger durch die Aufrechnung eine tatsächliche Befriedigung seiner Forderung ermöglicht.

Der Kläger war Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 2.4.2001 am 1.6.2001 eröff- O 251 neten Insolvenzverfahren. Die Beklagte erbrachte Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation; ihr wurde der Eröffnungsantrag der Schuldnerin noch am 2.4.2001 bekannt. Die Schuldnerin bot ebenfalls die Möglichkeit an, Telefongespräche zu führen. Nach einem Fakturierungs- und Inkassovertrag war die Beklagte verpflichtet, die ihr von der Schuldnerin gemeldeten Kommunikationsfälle den Kunden der Schuldnerin in Rechnung zu stellen, das Entgelt zu kassieren und den Erlös an die Schuldnerin abzuführen. Der Schuldnerin standen gegen die Beklagte unstreitig Forderungen in Höhe von 17 516 283,96 Euro aus Telefongesprächen im „Call-by-Call-Verfahren“ zu. In der Folgezeit rechnete die Beklagte gegen die Ansprüche der Schuldnerin mit Gegenforderungen auf, die ihr gegen die Schuldnerin aus der Nutzung ihres Telefonnetzes zustanden und die sie auf knapp 100 Mio. DM bezifferte, wovon sie gut 71 Mio. DM zur Tabelle anmeldete. Der Kläger hält die Aufrechnung für unzulässig und hat die Beklagte auf Auszahlung der Erlöse von 17 516 283,96 Euro nebst Zinsen verklagt. Das Berufungsgericht hat im zweiten Durchgang dem Kläger erneut – über den rechtskräftig zuerkannten Betrag von 10 268 204,02 Euro hinaus – den Betrag von 7 248 079,94 Euro nebst Zinsen zugesprochen. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hält die Aufrechnung für insolvenzrechtlich unzulässig, O 252 wenn die Voraussetzungen einer anfechtbaren Rechtshandlung im Zeitpunkt des Werthaltigwerdens der Forderungen der Schuldnerin gegeben waren. Diese Forderungen sind nach den Bestimmungen des Inkasso- und Fakturierungsvertrages im Zeitpunkt der Bestätigung der Kommunikationsfälle durch die Beklagte werthaltig geworden. Zur Feststellung der maßgeblichen Zeitpunkte hat er die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für die weitere Beurteilung hat der IX. Zivilsenat auf die anfechtungsrechtlich relevanten Gesichtspunkte hingewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Das Berufungsgericht sei im Ausgangspunkt zutreffend von der Anfechtung wegen kongruenter Deckung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO) ausgegangen. Die Herstellung der Aufrech999 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 m. Anm. Nassall, WuB VI A. § 96 InsO 2.10 = ZInsO 2010, 673 = ZIP 2010, 682 m. Anm. Siepmann/Knapp, EWiR 2010, 497; m. Bspr. v. Olshausen, ZIP 2010, 2073 ff. Wagner

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O Rz. 252

§ 142 InsO – Bargeschft

nungslage hätte zu einer inkongruenten Deckung geführt, wenn der Aufrechnende vorher keinen Anspruch auf die Vereinbarung hatte, die die Aufrechnungslage entstehen ließ.1000 Die Prüfung einer Anfechtbarkeit wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung sei dadurch nicht ausgeschlossen.1001 Das Berufungsgericht habe das Vorliegen eines – nur bei kongruenten Rechtshandlungen möglichen – Bargeschäfts i.S.d. § 142 InsO mit Recht verneint. Die Voraussetzungen dafür seien in mehreren Punkten nicht erfüllt.1002 O 253 Für die Annahme eines Bargeschäfts sei eine rechtsgeschäftliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung erforderlich, ein lediglich wirtschaftlicher Zusammenhang genüge nicht.1003 Daran fehle es im entschiedenen Fall. Wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt habe, könne die Beklagte eine Gegenleistung im Sinne von § 142 InsO nicht durch Aufrechnung ihrer Entgeltforderung aus der Zusammenschaltungsvereinbarung gegen die an sie gerichtete Forderung der Schuldnerin bewirken.1004 Entgegen der Ansicht der Revision seien die Forderungen der Schuldnerin und die Gegenforderungen der Beklagten weder aus demselben Rechtsverhältnis noch zeitgleich entstanden. Der Fakturierungs- und Inkassovertrag einerseits und die Zusammenschaltungsvereinbarung, aus der die Beklagte ihre Gegenforderungen herleitete, andererseits stellten zwei getrennte Verträge dar. Diese stünden zwar in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang, jedoch ohne die rechtliche Verknüpfung im Sinne von Leistung und Gegenleistung. Beide Ansprüche hätten vielmehr rechtlich selbständig nebeneinander gestanden.1005 O 254 Darüber hinaus fehle es an der Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs. Leistung und Gegenleistung müssen beim Bargeschäft zwar nicht Zug um Zug erbracht werden. Es genügt, wenn Leistung und Gegenleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht werden. Der hierfür unschädliche Zeitraum lasse sich aber nicht allgemein festlegen, sondern hänge wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon ab, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht. Auf die Reihenfolge der Leistungen kommt es aber grundsätzlich nicht an. Folglich schließt auch eine etwaige Vorleistungspflicht des Schuldners ein Bargeschäft nicht aus.1006 O 255 Dabei stellt der Bundesgerichtshof klar, dass es für § 142 InsO nicht genügt, wenn nur die den Leistungen zu Grunde liegenden wechselseitigen Ansprüche in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Vielmehr muss der zeitliche Zusam-

1000 1001 1002 1003

BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 27. BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 28. BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 29 ff. BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 30 mit BGHZ 174, 297 (312) Rz. 42 und für das Stehenlassen einer Forderung BGHZ 174, 297 (311) Rz. 41; v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 (1123) Rz. 12. 1004 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 32. 1005 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 33. 1006 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 31 m.w.N.

1020 Wagner

VIII. Wichtige Grundsatzentscheidungen im berblick

Rz. 256 O

menhang zwischen den Leistungen selbst gewahrt bleiben.1007 Im entschiedenen Fall habe es an diesem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der beiden Leistungen gefehlt, weil die Beklagte keineswegs mit den aus demselben technischen Vorgang herrührenden Ansprüchen aufgerechnet hatte, sondern zunächst mit Zinsen aus einer Anmeldung in Höhe von 603 307,88 Euro und sodann mit den jeweils ältesten Forderungen, deren Belegdaten sich für die Verzugszinsen vom 4.5.1999 bis 24.4.2001 und für die ältesten Forderungen der Beklagten vom 10.11.1999 bis 12.4.2001 erstreckten.1008 Schließlich stehe der Annahme eines Bargeschäfts entgegen, dass die Leistung O 256 des anderen Teils nicht tatsächlich in das Aktivvermögen des Schuldners gelangt ist. Ebenso wenig wie eine bloße Verringerung der Verbindlichkeiten des Schuldners durch Erlöschen der befriedigten Forderung reiche die Aufrechnung oder Verrechnung mit einem schon bestehenden Anspruch gegen einen neuen Anspruch des Schuldners als Gegenleistung nicht aus.1009

1007 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 34 mit MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 15. 1008 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 35. 1009 BGH v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Tz. 36 mit BGHZ 174, 297 (311); BGH v. 7.5.2009 – IX ZR 71/08, ZIP 2009, 1122 (1123) Rz. 12; MK-InsO/Kirchhof, § 142 Rz. 4a. Wagner

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P. § 143 InsO – Rechtsfolgen § 143 Rechtsfolgen (1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen. (2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt. (3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt. Rz. I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . .

P1

II. Gesetzesinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . .

P6

III. Rechtsnatur, Entstehung und Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P11 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P11a 2. Anfechtungsgegner . . . . . . . . . . . . . P23 3. Verhältnis zu § 64 GmbHG. . . . . . . P24 4. Verhältnis zur Einzelgläubigeranfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P32 5. Entstehung des Anspruchs . . . . . . . P38 6. Keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P40a 7. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P40e IV. Inhalt des Anfechtungsanspruchs (Primäranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Primärer Gegenstand der Rückgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übereignung von beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1022 Kummer

P47 P47 P51 P52

Rz. b) Übertragung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und beschränkten dinglichen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abtretung von Forderungen . . . . d) Übertragung von sonstigen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Übertragung eines Unternehmens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Dienstleistungen u.Ä. . . . . . . . . g) Barzahlungen. . . . . . . . . . . . . . . . h) Begründung von schuldrechtlichen Beziehungen. . . . . . . . . . . i) Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Anweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Vertrag zugunsten Dritter . . . . . l) Erfüllung fremder Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . m)Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . n) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . o) Sicherheitsleistung für Schulden p) Prozesshandlungen . . . . . . . . . . . q) Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . r) Unterlassungen . . . . . . . . . . . . . .

P53 P55 P58 P59 P60 P61 P62 P65 P66 P67 P71 P72 P73 P77 P78 P79 P85

Rz. 4 P

I. Gesetzgebungsgeschichte Rz. V. Inhalt der Sekundäransprüche (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO) . . . . . . . P87 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . P87 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . P90 a) Surrogation . . . . . . . . . . . . . . . . P90 b) Nutzungen bis 4.4.2017 . . . . . . P99 c) Nutzungen ab 5.4.2017 . . . . . . . P107a d) Wertersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . P108 e) Verwendungen . . . . . . . . . . . . . . P113 VI. Rückgewähr unentgeltlicher Leistungen (§ 143 Abs. 2 InsO) . . . P114 1. Unentgeltlichkeit der Leistungen P114 2. Besserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . P120a 3. Guter Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . P122 4. Haftungssystem für den gutgläubigen Empfänger . . . . . . . . . . . P125

Rz. 5. Scheingewinne aus Kapitalanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Haftungssystem für den bösgläubigen Empfänger . . . . . . . . . . .

P129a P149

VII. Rückgewähr bei gesellschafterbesicherten Drittdarlehen an eine Gesellschaft (§ 143 Abs. 3 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfung an § 135 Abs. 2 InsO 3. Anfechtungsanspruch . . . . . . . . . . 4. Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . .

P152 P152 P154 P158 P165

VIII. Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . .

P170

IX. Prozessführung . . . . . . . . . . . . . . .

P172

I. Gesetzgebungsgeschichte § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO entspricht wörtlich § 37 Abs. 1 KO.

P1

§ 143 Abs. 1 Satz 2 enthält eine Rechtsfolgenverweisung1 auf § 819 BGB und ist P 2 neu. Die Verweisung bezweckt für den Fall, dass der Anfechtungsgegner zur Rückgewähr außerstande ist oder sich der anfechtbar erworbene Gegenstand verschlechtert hat, die Zufallshaftung des Anfechtungsgegners auszuschließen.2 Er haftet nur für die schuldhafte Unmöglichkeit der Herausgabe oder die schuldhafte Verschlechterung (§§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB). § 143 Abs. 1 Satz 3 ist durch Gesetz vom 29.3.2017 mit Wirkung ab 5.4.2017 eingefügt (dazu unten Rz. P107a und P107b). § 143 Abs. 2 InsO ist an die Stelle von § 37 Abs. 2 KO getreten. Die Neufassung P 3 sucht erstmals den bösen Glauben des Anfechtungsgegners zu definieren (dazu unten Rz. P122 ff.). Im Gegensatz zu § 37 Abs. 2 KO, wonach sich der Anfechtungsgegner insoweit zu entlasten hatte, erlegt § 143 Abs. 2 InsO die Beweislast für diesen bösen Glauben dem Insolvenzverwalter auf. Der Gesetzgeber begründet dies mit der Überlegung, dass der Zuwendungsempfänger vielfach einen Negativbeweis führen müsste, was ihn zu hart träfe und den Verlust der ihm „aus überzeugenden Gründen zuerkannten Begünstigungen“ bewirken würde.3 § 143 Abs. 3 InsO ist durch das MoMiG vom 23.10.20084 mit Wirkung ab P 4 1.11.2008 in das Gesetz eingefügt worden. Nach der Übergangsvorschrift in Art. 103d EGInsO sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.11.2008 eröffnet worden sind, die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Auch wenn das Insolvenzverfahren ab 1.11.2008 eröffnet worden ist, sind auf die vorher vorgenommenen Rechtshandlungen die bis dahin geltenden Vorschriften 1 2 3 4

BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rz. 14. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 167. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 167. BGBl. 2008 I 2026. Kummer

1023

P Rz. 4

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

der InsO über die Anfechtung von Rechtshandlungen anzuwenden, soweit diese nach dem bisherigen Recht der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfang unterworfen sind; es handelt sich um einen Anwendungsfall des Vertrauensschutzes wie in der grundlegenden Vorschrift bei Art. 106 EGInsO. P 5 § 143 Abs. 3 InsO regelt die Folgen einer Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO. Die Vorschrift entspricht weitgehend § 32b GmbHG a.F., welcher die Folgen aus der insolvenznahen Rückzahlung eines gesellschaftergesicherten Gesellschaftsdarlehens (§ 32a Abs. 2 und 3 GmbHG a.F.) normiert hatte; diese Rückzahlung ist ihrerseits zum Anfechtungstatbestand in § 135 Abs. 2 InsO geworden. Damit ist die Materie der sogenannten mittelbaren Kreditierungen5 insgesamt dort geregelt, wo sie hingehört, nämlich im Insolvenzrecht.

II. Gesetzesinhalt P 6 § 143 InsO regelt die wichtigste Rechtsfolge aus einer nach §§ 129 bis 142 InsO begründeten Anfechtung, nämlich die Rückgewährpflicht des Anfechtungsgegners.6 P 7 Für den Regelfall, bei dem der Empfänger eine entgeltliche Leistung erhalten hat, statuiert Abs. 1 Satz 1 seine Pflicht, dasjenige zur Masse zurück zu geben, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Dabei deutet letzteres Wort an, dass die Minderung des Schuldnervermögens nicht auf einer „Leistungsbewegung“ beruhen muss. Die Abgrenzung im Einzelfall zwischen den drei genannten Varianten ist jedoch unerheblich. Die Vorschrift will alles erfassen, was dem Schuldnervermögen entzogen worden ist.7 Der Gegensatz zu Abs. 1 Satz 2 ergibt, dass das Entzogene grundsätzlich in natura zurück zu gewähren ist. P 8 Demgemäß greift Abs. 1 Satz 2 ein, wenn der Empfänger den erlangten Gegenstand nicht mehr in natura zurückgeben kann oder wenn dieser sich wesentlich verschlechtert hat. Für diese Fälle erklärt Abs. 1 Satz 2 die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, für entsprechend anwendbar. Diese Rechtsfolgenverweisung macht aber den Anfechtungsanspruch nicht zu einem Bereicherungsanspruch.8 P 9 Abs. 2 enthält eine Ausnahmeregelung für den Empfänger unentgeltlicher Leistungen. Er kann sich, solange er gutgläubig ist, auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen, was dem Empfänger einer entgeltlichen Leistung wegen der Verweisung in § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO auf § 819 Abs. 1 und § 818 Abs. 4 BGB verwehrt ist. Allerdings endet dieses Privileg des Empfängers unentgeltlicher Leistungen, sobald er seinen guten Glauben verliert; von da an

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HK-InsO/Kreft, 5. Aufl., § 135 Rz. 19. Grundsätzlich zu den Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung Kayser, ZIP 2015, 449. MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 1. Siehe unten Rz. P14.

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III. Rechtsnatur, Entstehung und Durchsetzung des Anspruchs

Rz. 13 P

haftet er wie der Empfänger einer entgeltlichen Leistung nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB. Abs. 3 enthält eine Sonderregelung für eine erfolgreiche Anfechtung aus § 135 P 10 Abs. 2 InsO. Es handelt sich um eine Konsequenz aus der überfälligen Überführung der §§ 32a und 32b GmbHG a.F. in das Insolvenzrecht. In diesen Fällen ist die zu erstattende Leistung keinesfalls in natura im Vermögen des Anfechtungsgegners vorhanden, da sie dem Vertragspartner der Gesellschaft gewährt worden ist und der Gesellschafter als Anfechtungsgegner nur seine Enthaftung ausgleichen muss. Hierfür gelten von vornherein über § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO die §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB, etwa für die Verzinsung (§§ 818 Abs. 4, 291 BGB).

III. Rechtsnatur, Entstehung und Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs Hier darf zunächst auf die Erläuterungen bei Rz. A36 ff. vor § 129 InsO und P 11 B664 ff. zu § 129 InsO verwiesen werden. Es handelt sich um einen originären gesetzlichen Anspruch, wobei die Möglichkeit der Rückforderung nur dem Insolvenzverwalter eingeräumt, nach materiellem Recht aber dem Verfügenden selbst verwehrt ist.9 1. Rechtsnatur Seiner Rechtsnatur nach ist er ein zivilrechtlicher Anspruch; dies etwa auch, wenn er die Rückgewähr von Steuern zum Gegenstand hat, die in anfechtbarer Weise gezahlt worden sind.10

P 11a

Innerhalb de. Zivilrechts ist er ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch.11 P 12 Er ist auf die Rückführung des weggegebenen Gegenstandes zur Masse gerichtet.12 Zur Darstellung bei § 129 InsO ist zu ergänzen, dass die schuldrechtliche Theorie auch durch § 146 Abs. 1 und 2 InsO gestützt wird.13 Dort ist an die Stelle der Ausschlussfrist nach § 41 Abs. 1 KO die Verjährungsfrist für schuldrechtliche Ansprüche getreten. Aus der Rechtsnatur des Anspruchs als eines schuldrechtlichen Verschaffungs- P 13 anspruchs folgt auch, dass er die Vollstreckungsabwehrklage nicht begründet.14 Diese schuldrechtliche Natur des Anspruchs wird aber in der Rechtsprechung des BGH nicht konsequent durchgehalten, insbesondere nicht in der Insolvenz des Anfechtungsgegners: Wird auch der Anfechtungsgegner insolvent, so be9 BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 Rz. 15. 10 BFH v. 12.11.2013 – VII R 15/13, ZIP 2014, 690 Rz. 6; deshalb darf das Finanzamt auch über die Rückabwicklung einer nachträglich als unberechtigt erkannten Anfechtung nicht durch Verwaltungsakt entscheiden, sondern muss dazu den Zivilrechtsweg beschreiten (ZIP 2014, 690 Leitsatz 3 und Rz. 7). 11 BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 Rz. 14 ff. 12 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114 Rz. 7. 13 BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 Rz. 16. 14 BGH v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, NJW 1990, 990 (992). Kummer

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§ 143 InsO – Rechtsfolgen

gründet nur der Wertersatzanspruch dort eine Insolvenzforderung;15 der Anspruch auf Rückgewähr in natura hat dagegen Aussonderungskraft.16 P 14 Gleichwohl ist der Anfechtungsanspruch weder ein Bereicherungs-17 noch ein Deliktsanspruch. Vielmehr soll er der Vermehrung der Masse dienen,18 nach späterer Diktion19 ihrer Erhaltung mit der aus § 38 KO = § 144 InsO abgeleiteten Maßgabe, dass ihr durch die Anfechtung kein unberechtigter Vorteil zufließen, sondern nur der Nachteil ausgeglichen werden soll, der den Gläubigern durch die anfechtbare Handlung entstanden ist. Zwar sind im Regelfall aufgrund der Rechtsfolgenverweisung in § 143 Abs. 1 Satz 2 BGB die §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB anwendbar. Unanwendbar ist hingegen die bereicherungsrechtliche Saldotheorie, soweit sie insolvenzrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den Vorschriften über die Aufrechnung, widerspricht.20 Erst Recht ist kein Raum für die Anwendung der §§ 814 und 817 Satz 2 BGB,21 die nicht die Rechtsfolgen, sondern die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs betreffen. P 15 Die §§ 823 ff. BGB sind nicht einmal analog anwendbar.22 Insbesondere unanwendbar sind die zum Vorteilsausgleich einschließlich der Berücksichtigung der Möglichkeit zum Vorsteuerabzug entwickelten Regeln;23 mithin umfasst der Rückgewähranspruch die in der gewährten Leistung enthaltene Mehrwertsteuer unabhängig davon, ob das Finanzamt dem Insolvenzschuldner die Vorsteuer erstattet hat. Indessen können Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB bestehen, wenn die anfechtbare Rechtshandlung zugleich gegen ein Schutzgesetz verstößt.24 BGH-Urteil vom 24.6.2003 – BGHZ 155, 199 P 16 Der Kläger war Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Bauunternehmung. Diese führte ein Bauvorhaben für eine Bauherrin aus und bezog zu diesem Zweck Baustoffe von einer Lieferantin. Zahlungen auf derartige Lieferungen erhielt die Lieferantin unmittelbar von der Bauherrin. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Bauunternehmung nahm der Verwalter die Lieferantin auf Zahlung empfangener Geldbeträge mit der Begründung in Anspruch, zur Zeit der angefochtenen Leistungen der Bauherrin sei die Bauunternehmung schon zahlungsunfähig gewesen und die Lieferantin 15 BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 228/02, BGHZ 155, 199 (202); v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rz. 44. 16 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (358); zur Problematik Haas/Müller, ZIP 2003, 49; HK-InsO/Thole, § 129 Rz. 89. 17 BGH v. 29.1.1964 – Ib ZR 197/62, BGHZ 41, 98 (103). 18 BGH v. 3.12.1954 – V ZR 96/53, BGHZ 15, 333 (337). 19 BGH v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, NJW 1990, 990 (991). 20 BGH v. 20.12.2001 – IX ZR 401/99, BGHZ 149, 326 (333) = ZIP 2002, 309 (mit Anm. Ringstmeier/Hermann, EWiR 2002, 397); v. 2.12.2004 – IX ZR 200/03, ZIP 2005, 126 (mit krit. Anm. Naraschewski, EWiR 2005, 565). 21 BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 53/08, ZIP 2009, 2073 LS; MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 10. 22 BGH v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, NJW 1990, 990 (991). 23 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093 (1095). 24 MK-InsO/Kirchhof, vor § 129 Rz. 87.

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habe das gewusst. Der Rechtsstreit endete mit einem Prozessvergleich, wonach sich die Lieferantin verpflichtete, an den Kläger 50 000 DM in fünf monatlichen Raten zu zahlen. Nachdem die Lieferantin eine Rate von 10 000 DM gezahlt hatte, wurde auch über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger verlangte daraufhin vom Insolvenzverwalter über das Vermögen der Lieferantin die restlichen 40 000 DM aus der Insolvenzmasse. Das LG hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch sei nur ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch, der in der Insolvenz des Anfechtungsgegners nur eine Insolvenzforderung begründe. Das OLG hat den Beklagten aufgrund der sogenannten haftungsrechtlichen Theorie nach dem Klageantrag verurteilt. Der BGH hat das Urteil des LG wieder hergestellt. Er vermochte dem OLG wegen der besonderen Gestaltung des Streitfalles nicht zu folgen. Diese sah er darin, dass die Lieferantin von vornherein nur auf Wertersatz gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO haftete. Die Wirkung eines solchen Wertersatzanspruchs in der Insolvenz des Anfech- P 17 tungsgegners sei gesetzlich nicht besonders geregelt, in Rechtsprechung und Literatur nicht besonders untersucht, und könne nicht unmittelbar aus einzelnen Theorien abgeleitet werden. Stattdessen sei auf die Wertungen abzustellen, die den einschlägigen Gesetzesnormen erkennbar zugrunde liegen. Dies betreffe vor allem § 145 Abs. 1 InsO. Es möge zwar viel für eine mindestens entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den Insolvenzverwalter eines Anfechtungsgegners sprechen, der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis für den Anfechtungsgegner über dessen gesamtes pfändbares Vermögen zugunsten der Gläubigergemeinschaft ausübt. Jede Rechtsnachfolge im Sinne von § 145 InsO setze jedoch voraus, dass der Nachfolger den anfechtbar weggegebenen Gegenstand selbst erlangt. Die Norm sei insgesamt nicht anwendbar, wenn schon dem Ersterwerber die Rückgewähr in Natur vor Eintritt der „Rechtsnachfolge“ unmöglich geworden war. Andere Vorschriften der InsO sähen eine Haftung der Insolvenzmasse für solche Schulden aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung ebenfalls nicht vor. BGH-Urteil vom 23.10.2003 – BGHZ 156, 350 (dieselbe Entscheidung wie unten bei Rz. P68 ff.) Danach gewährt der Anfechtungsanspruch in der Insolvenz des Anfechtungs- P 18 gegners im Allgemeinen ein Aussonderungsrecht. Der Insolvenzverwalter hatte dort die Bezugsberechtigung der Ehefrau hinsichtlich einer Lebensversicherung angefochten und von ihr die Freigabe der hinterlegten Lebensversicherungssumme verlangt. Über das Vermögen der beklagten Witwe wurde ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat dann den Klageantrag auf Aussonderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der bisherigen Beklagten umgestellt. Der BGH hat dem anfechtenden Insolvenzverwalter ein Aussonderungsrecht P 19 nach § 47 InsO zuerkannt. Zur Begründung heißt es, der Senat habe zwar früKummer

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her25 bei der Prüfung, ob der Anfechtungsanspruch ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne von § 771 ZPO gewährt, ausgeführt, der entsprechende Rückgewähranspruch könne in der Insolvenz des Anfechtungsgegners nur als Konkursforderung geltend gemacht werden. Entsprechend habe der VIII. Zivilsenat angenommen, der Anspruch aus § 7 AnfG a.F. stelle nur eine Konkursforderung dar.26 Diese Auffassung sei hauptsächlich mit der schuldrechtlichen Natur der Anfechtungsansprüche begründet worden. Dies habe in der Literatur Zustimmung gefunden, sei jedoch in neuerer Zeit verstärkt auf Kritik gestoßen. Nach einer in der Literatur zunehmend vertretenen Ansicht setze sich der Anfechtungsanspruch auch in der Insolvenz des Anfechtungsgegners durch. Überwiegend werde dem Insolvenzverwalter ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO zugebilligt. Teilweise gelange man unter Berufung auf den Rechtsgedanken des § 145 Abs. 1 InsO zu diesem Ergebnis. P 20 Die Rechtsfrage könne aber, wie bereits früher zum Ausdruck gebracht,27 mit dem Hinweis auf die Rechtsnatur des Anfechtungsanspruchs nicht hinreichend beantwortet werden; vielmehr sei auf die Wertungen abzustellen, die den einschlägigen Gesetzesnormen zugrunde liegen. Danach müsse man unabhängig davon, ob man den Anfechtungsanspruch als obligatorischen Rückgewähranspruch versteht, grundsätzlich ein Aussonderungsrecht des Insolvenzverwalters in der Insolvenz des Anfechtungsgegners annehmen. P 21 Auch schuldrechtliche Ansprüche könnten bei einer den Normzweck beachtenden Betrachtungsweise zu einer vom dinglichen Recht abweichenden Vermögenszuweisung führen,28 etwa zu einem Aussonderungsrecht des Treugebers in der Insolvenz des Treuhänders.29 Das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters bewirke ebenfalls eine solche Änderung der Vermögenszuordnung. Die ihr unterliegenden Gegenstände würden als ein dem Zugriff der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehendes Objekt der Vermögensmasse des insolventen Schuldners behandelt, obwohl sie schuld- und sachenrechtlich wirksam in das Eigentum des Anfechtungsgegners übergegangen sind. Auch in § 145 Abs. 1 InsO komme zum Ausdruck, dass sich die Zuordnung zur Haftungsmasse im allgemeinen unabhängig von der Wirksamkeit des Erwerbs durch den Gesamtrechtsnachfolger durchsetzen soll. Schließlich sei nicht einzusehen, warum die Gläubiger des insolvent gewordenen Anfechtungsgegners von Rechtshandlungen sollten profitieren können, die im Hinblick auf die beiderseitige Insolvenz als ungerechtfertigte Vermehrung der Vermögensmasse des Empfängers erscheinen. P 22 Bei dieser Argumentation überzeugen die Überlegung, dass auch schuldrechtliche Beziehungen die Vermögenszuordnung beeinflussen können, und der Hinweis auf potentiell ungerechtfertigte Vorteile für die Gläubiger im zweiten Insolvenzverfahren. Weniger einsichtig ist die Heranziehung von § 145 Abs. 1 InsO. Alle diese Überlegungen beschränken sich aber auf das Verhältnis zwischen den beiden Insolvenzmassen. Der Grundsatz, dass der anfechtungsrecht25 26 27 28 29

BGH v. 11.1.1990 – IX ZR 27/89, NJW 1990, 990 (991). BGH v. 10.5.1978 – VIII ZR 32/77, BGHZ 71, 296 (302). BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 228/02, BGHZ 155, 199. BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 228/02, BGHZ 155, 199. BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, ZIP 2003, 1613; Flöther/Korb, ZIP 2012, 2033.

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lich begründete Rückgewähranspruch ein schuldrechtlicher ist, steht nicht zur Diskussion. Es sollte auch dabei verbleiben, dass er die Vollstreckungsabwehrklage nicht begründet. 2. Anfechtungsgegner Hinsichtlich der Anfechtungsgegner sind die Ausführungen bei § 129 InsO (vgl. P 23 Rz. B702 ff.) dahin zu ergänzen, dass im Fall des § 143 Abs. 3 InsO zwangsläufig der Leistungsempfänger nicht Anfechtungsgegner ist. Die Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf den Anfechtungstatbestand des § 135 Abs. 2 InsO, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Gesellschaft ein gesellschaftergesichertes Darlehen aus ihrem Vermögen an den dritten Darlehensgeber zurückzahlt. Anfechtbar ist nicht diese Darlehensrückzahlung, sondern die dadurch mittelbar bewirkte Befreiung des Gesellschafters von der möglichen Inanspruchnahme der Sicherheit, die er gestellt hat. 3. Verhältnis zu § 64 GmbHG In der Insolvenz der GmbH ist der Schadensersatzanspruch aus § 64 Abs. 2 P 24 GmbHG a.F. = § 64 GmbHG n.F. nicht subsidiär gegenüber der Insolvenzanfechtung. Der Insolvenzverwalter kann den Geschäftsführer vielmehr auf Schadensersatz für die in der Krise bewirkten Leistungen von vornherein in Anspruch nehmen und muss nicht erst versuchen, diese anzufechten.30 Der Geschäftsführer kann dann seinerseits den Anfechtungsanspruch gegen den Empfänger weiter verfolgen. Die Anwendung von § 255 BGB zugunsten des Geschäftsführers sollte insoweit keine Schwierigkeiten mehr machen, seit der BGH den Anfechtungsanspruch für abtretbar erklärt hat;31 ansonsten müsste der Insolvenzverwalter den Geschäftsführer entsprechend ermächtigen. BGH-Urteil vom 18.12.1995 – BGHZ 131, 325 Der Kläger hat dort als Konkursverwalter vom Beklagten Schadensersatz nach P 25 § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. verlangt, weil er als Geschäftsführer der insolventen Gesellschaft nach der Gesellschafterversammlung, worin er auf die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hingewiesen hatte und mit der Stellung eines Konkursantrags beauftragt worden war, noch weitere Zahlungen verfügt hatte. Das OLG hatte die Klage in Höhe von 12 357,62 DM mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe es als Konkursverwalter unterlassen, diesen Betrag im Wege der Anfechtung innerhalb der Jahresfrist des § 41 Abs. 1 KO von den Empfängern zurück zu fordern. Dies hat der BGH missbilligt. Danach läuft diese Auffassung zu Lasten der P 26 Konkursgläubiger auf eine im Gesetz nicht vorgesehene und vor allem nicht interessengerechte Subsidiarität des Ersatzanspruchs gegen den Geschäftsführer gegenüber der Konkursanfechtung hinaus. Vielmehr dienten alle diese Ansprü30 BGH v. 18.12.1995 – II ZR 277/94, BGHZ 131, 325 (328). 31 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114. Kummer

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che gleichermaßen ausschließlich dem Zweck, eine vor Konkurseröffnung eingetretene Schmälerung der Konkursmasse zugunsten der Konkursgläubiger auszugleichen. Allein von ihrem Interesse habe sich deshalb der Konkursverwalter bei seiner Entscheidung, ob er mögliche Anfechtungsrechte ausüben will, leiten zu lassen. Infolge dessen dürfe er auch Zweckmäßigkeitserwägungen Raum geben, die sich zu Lasten des Geschäftsführers auswirken. Entscheidet er sich dabei gegen die Konkursanfechtung, indem er die dafür gesetzlich vorgesehene Frist ungenutzt verstreichen lässt, so verletze er damit allenfalls die Befriedigungsaussichten der Gläubigergemeinschaft, nicht aber rechtlich geschützte, ihm anvertraute Interessen des Geschäftsführers. P 27 Im Übrigen würden die Anfechtungsmöglichkeiten der Masse vom Gesetz ausschließlich im Interesse ihrer Gläubiger zugebilligt. Diesem gesetzgeberischen Anliegen widerspräche es, den der Masse eingeräumten Vorteil nicht ihren Gläubigern, sondern stattdessen einem ihrer weiteren Schuldner, nämlich dem ihr nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. haftenden Geschäftsführer zugute kommen zu lassen. Dies gelte umso mehr, als dieser gerade die Person ist, die die Verantwortung für die anfechtbare Fortgabe von Vermögenswerten der anschließend in Konkurs gefallenen Gesellschaft trägt. P 28 Auch im Verhältnis zur Masse bestehe kein Anspruch des Geschäftsführers auf vorrangige Anfechtung. Mit der Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 GmbHG habe der Gesetzgeber der Masse vielmehr ein zusätzliches Mittel zur rationellen Wiederauffüllung der ihr vorher entzogenen Vermögenswerte zur Verfügung gestellt. Anstatt eine unter Umständen erhebliche Vielzahl von Prozessen gegen verschiedene Anfechtungsgegner führen zu müssen, brauche der Konkursverwalter bei Durchsetzung des Ersatzanspruchs gegen den Geschäftsführer nur einen einzigen Rechtsstreit gegen nur einen Prozessgegner zu führen. Darüber hinaus seien Anfechtungsprozesse vielfach mit erheblichen, im Voraus nur schwer abwägbaren Prozessrisiken belastet, die vor allem darauf beruhen, dass die Tatbestände der §§ 30 ff. KO zu einem großen Teil subjektive, auf die Person des Anfechtungsgegners bezügliche Merkmale enthalten, welche eine verlässliche Beurteilung der Erfolgsaussichten selbst dort erschweren, wo das Gesetz eine Umkehr der Beweislast vorsieht. P 29 Dies alles betrifft die Rechtslage nach dem Ende der Ausschlussfrist des § 41 KO, dem nunmehr der Ablauf der Verjährungsfrist aus § 146 Abs. 1 InsO gleichzustellen ist. Nach Anpassung dieser Verjährungsfrist an die allgemeine, auch für den Anspruch aus § 64 GmbH n.F. geltende Verjährungsfrist wird sich künftig häufiger die Frage nach der Rechtslage während des Fristenlaufes stellen. Dazu hat sich der BGH nur kurz geäußert. Er zitiert die Vertreter der herrschenden Auffassung in der Literatur, die dem Geschäftsführer der GmbH ein aufschiebendes Leistungsverweigerungsrecht zubilligt, solange die Masse neben dem Ersatzanspruch gegen ihn noch realisierbare und erfolgversprechende Anfechtungsmöglichkeiten gegenüber den Leistungsempfängern besitzt. Diese Rechtsauffassung möge zutreffen, vor allem deshalb, weil es zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse führte, wenn sie neben der Rückgewähr der anfechtbar weggegebenen Vermögenswerte zusätzlich Ersatz für deren Weggabe von dem dafür verantwortlichen Geschäftsführer erhielte. 1030 Kummer

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Für den Fall, dass tatsächlich schuldhafte Versäumnisse oder Fehleinschätzun- P 30 gen des Verwalters zur Unterlassung der Anfechtung geführt haben, wird abschließend ausgeführt, dass der Geschäftsführer die Konkursgläubiger auch nicht auf den Ersatzanspruch aus § 82 KO (= § 60 Abs. 1 InsO) gegen den Verwalter verweisen könne. Vielmehr bestehe insoweit Anspruchskonkurrenz. Für den Insolvenzverwalter bedeutet dies in der Praxis insbesondere nach Ver- P 31 längerung der Verjährungsfrist in § 146 Abs. 1 KO, dass er sich bei der Klage gegen den Geschäftsführer auf das oben dargestellte zeitlich befristete Leistungsverweigerungsrecht einstellen muss, darüber hinaus aber vom Geschäftsführer nicht auf die Anfechtung verwiesen werden kann. 4. Verhältnis zur Einzelgläubigeranfechtung Der Rückgewähranspruch nach Insolvenzanfechtung unterscheidet sich von den P 32 Rechtsfolgen einer Einzelgläubigeranfechtung32 nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG. Bei letzterer muss dasjenige, was aus dem Schuldnervermögen veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, dem Gläubiger „zur Verfügung gestellt“ werden. Der Anfechtungsgegner schuldet bei der Einzelanfechtung also nicht etwa die Rückgewähr an den Schuldner, die mangels einer vom Schuldnerwillen unabhängigen Verwaltungsperson auch kontraproduktiv wäre. Er schuldet vielmehr ausschließlich die Duldung der Zwangsvollstreckung, wie wenn sich der Gegenstand noch im Schuldnervermögen befände. Der Anspruch geht auf Wiederherstellung der Zugriffslage; der Anfechtungsgegner muss den Gegenstand zum zwangsweisen Zugriff durch den Gläubiger zur Verfügung stellen.33 Hat also etwa der Schuldner ein Grundstück anfechtbar veräußert, so muss es P 33 der Anfechtungsgegner nicht auf den Schuldner zurück übertragen, sondern die Zwangsvollstreckung durch den anfechtenden Gläubiger in das Grundstück über sich ergehen lassen. Daraus folgen weitere Sonderheiten für den Anspruch des anfechtenden Einzelgläubigers, etwa die Unzulässigkeit einer Vormerkung zu seinen Gunsten34 und die Pflicht des Erwerbers, den anfechtbaren Erwerb eines beschränkten dinglichen Rechts an einem Grundstück oder den anfechtbaren Erwerb einer Vormerkung durch eine Vorrangerklärung zugunsten des anfechtenden Gläubigers (§ 880 BGB) auszugleichen.35 BGH-Urteil vom 13.7.1995 – BGHZ 130, 314 Die Klägerin hatte gegen die Beklagten Vollstreckungstitel über Zahlungsansprü- P 34 che erwirkt; Vollstreckungsversuche blieben zunächst erfolglos. Den Beklagten gehörte eine Eigentumswohnung, die sie in anfechtbarer Zeit an ihre Tochter aufließen. Diese räumte den Beklagten ein lebenslängliches, unentgeltliches Woh32 Instruktiv zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden: Kirchhof, ZInsO 2013, 1813. 33 Huber, AnfG, § 11 Rz. 8. 34 BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 219/05, BGHZ 172, 360; RGZ 60, 423; stattdessen ist nach RGZ 67, 39 (42) eine Sicherung durch allgemeines Verfügungsverbot möglich. 35 BGH v. 13.7.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 (322 ff.); danach ginge der Löschungsantrag zu weit. Kummer

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nungsrecht ein. Weiter verpflichtete sich die Tochter, die Immobilie zu Lebzeiten der Beklagten nicht ohne deren Zustimmung zu veräußern oder zu belasten; im Falle eines Verstoßes sollten die Beklagten von ihr die Rückübereignung verlangen dürfen; zur Sicherung dieses Rückauflassungsanspruchs wurde eine Vormerkung eingetragen. Die Klägerin erwirkte alsdann gegen die Tochter gemäß dem Anfechtungsgesetz Urteile auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum. In einem weiteren Rechtsstreit verlangte die Klägerin von den Beklagten, die Löschung des Wohnungsrechts und der Rückauflassungsvormerkung zu bewilligen. P 35 Der BGH hat zunächst festgestellt, dass eine Sonderrechtsnachfolge im Sinne von § 11 Abs. 2 AnfG (entsprechend § 145 Abs. 2 InsO) schon vorliegen kann, wenn aus dem anfechtbar Erworbenen ein neues, beschränktes Recht geschaffen oder eine besondere Befugnis abgezweigt wird. Er hat weiter ausgesprochen, Rechtsnachfolger müsse nicht ein Dritter sein; vielmehr könne auch der Schuldner des Anfechtungsgläubigers selbst Rechtsnachfolger im anfechtbaren Erwerb werden (vgl. dazu unten bei § 145 InsO Rz. R10). P 36 Alsdann wird ausgeführt: Die Klägerin könne als Anfechtungsfolge allerdings nicht die Löschung des eingetragenen Wohnungsrechts oder der Auflassungsvormerkung verlangen. Nach § 7 Abs. 1 AnfG habe der Empfänger das anfechtbar Erlangte „als noch zu demselben (d.h. zu dem Vermögen des Schuldners) gehörig“ zurück zu gewähren. Es sei also zugunsten des Anfechtungsgläubigers die Zugriffslage so wieder herzustellen, wie sie ohne die anfechtbare Weggabe bestehen würde. Dagegen könne der Gläubiger nicht die tatsächliche Rückgabe oder Rückübertragung des veräußerten Gegenstandes beanspruchen. Regelmäßig sei in der Weise zurück zu gewähren, dass der Anfechtungsgegner dem Gläubiger die Zwangsvollstreckung gemäß §§ 803 ff. ZPO in das anfechtbar verkürzte Vermögensgut uneingeschränkt ermöglicht. P 37 An die Stelle von § 7 Abs. 1 AnfG a.F. ist seit 1.1.1999 nunmehr § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG n.F. getreten. Diese Vorschrift drückt dieselbe Rechtsfolge noch klarer aus, indem sie anordnet, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, müsse „dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden“, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Nach der InsO kommt dieser Duldungsanspruch nur dann in Betracht, wenn der Verwalter ausnahmsweise darauf rekurriert; regelmäßig aber wird er die Rückgewähr zur Masse verlangen (siehe unten Rz. P52 und P53). P 37a Soweit der Anfechtungsgegner den Anspruch aus dem AnfG erfüllt hat, kann er nicht mehr aufgrund einer Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr in Anspruch genommen werden. Nach § 16 Abs. 2 AnfG kann der Insolvenzverwalter aber vom Anfechtungsgläubiger die Rückgewähr des aus dem Schuldnervermögen stammenden Gegenstandes zur Masse verlangen, wenn § 130 InsO erfüllt ist.36

36 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 173/09, ZIP 2013, 131.

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III. Rechtsnatur, Entstehung und Durchsetzung des Anspruchs

Rz. 40c P

5. Entstehung des Anspruchs Das Anfechtungsrecht entsteht erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die P 38 es tatbestandsmäßig voraussetzt.37 Dies gilt auch dann, wenn zuvor aufgrund desselben Sachverhalts eine Einzelgläubigeranfechtung möglich gewesen wäre.38 Gleichzeitig wird damit der Rückgewähranspruch fällig,39 denn nach neuerer P 39 Rechtsprechung bedarf die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung.40 Gleichzeitig beginnt die Pflicht des Anfechtungsgegners zur Zahlung von Pro- P 40 zesszinsen.41 Die frühere Rechtsprechung, wonach der Zinsanspruch der Masse bereits mit Vornahme der Rechtshandlung entstehen sollte,42 ist aufgegeben.43 6. Keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten Die Rechtsfolgen der erfolgreichen Anfechtung beschränken sich auf das Rechts- P 40a verhältnis zwischen dem Anfechtungsgegner und der Masse. Sie treten nicht im Verhältnis zu einem Dritten ein. Insbesondere hat die Anfechtung einer Rechtshandlung nicht deren Unwirksamkeit zur Folge. Demgemäß kann etwa der Zwangsverwalter eines vermieteten Grundstücks eine Räumungsklage nicht auf die insolvenzrechtliche Anfechtung des Mietvertrages stützen.44 BGH-Urteil vom 16.10.2014 – ZIP 2014, 2303 Der Zwangsverwalter eines vermieteten Grundstücks kann eine Räumungskla- P 40b ge auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters nicht auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit des Mietvertrags stützen. Die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Anfechtung ergeben sich aus § 143 InsO P 40c (Rückgewähr). Die Insolvenzanfechtung hat also nicht die Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung zur Folge. Wird eine auf Abschluss eines gegenseitigen Vertrages gerichtete Willenserklärung angefochten, hat dies zur Folge, dass der Anfechtungsgegner sich nicht auf die angefochtene Erklärung berufen kann. Einer weitergehenden Rückgewähr bedarf es nicht. Folge der Anfechtung ist also, dass der Vertrag als nicht bestehend behandelt wird.

37 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04 – BGHZ 171, 38 Rz. 20; v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (105); v. 3.12.1954 – V ZR 96, 53, BGHZ 15, 333 (337). 38 BGH v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, ZIP 1995, 1204. 39 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rz. 20. 40 Grundlegend BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 gegen BGH v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47 (54). 41 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rz. 20. 42 BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11. 43 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rz. 20. 44 BGH v. 16.10.2014 – IX ZR 282/13, ZIP 2014, 2303 mit zust. Anm. Krüger, EWiR 2015, 119. Kummer

1033

P Rz. 40d

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

P 40d Diese Rechtswirkung tritt jedoch ausschließlich im Verhältnis zur Insolvenzmasse ein, nicht im Verhältnis zu Dritten. Dies war in § 29 KO ausdrücklich ausgesprochen; danach konnten Rechtshandlungen „als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam“ angefochten werden. Der Gesetzgeber der InsO hat diese Worte zwar bewusst nicht übernommen. Damit sollte aber nur zum Ausdruck gebracht werden, dass die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nicht als relative Unwirksamkeit aufzufassen ist, sondern im Regelfall einen obligatorischen Rückgewähranspruch begründet. Nicht aber war bezweckt, dass sich neben dem Insolvenzverwalter auch Dritte auf die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäfts berufen dürfen. 7. Sonstiges P 40e Der Rückgewähranspruch unterliegt dem Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters (§ 80 InsO).45 Dieser kann einen Vergleich darüber schließen oder ihn erlassen.46 Er kann auch den Schuldner ermächtigen, ihn als Prozessstandschafter einzuklagen.47 Entgegen einer früher vielfach und auch vom BGH48 vertretenen Ansicht kann er ihn auch abtreten.49 Die Abtretung widerspricht nicht dem Zweck des Anfechtungsrechts, sofern eine gleichwertige Gegenleistung zur Masse gelangt.50 Nach einer späteren Entscheidung51 schadet sogar nur der offensichtliche Widerspruch gegenüber dem Zweck des Insolvenzverfahrens; ein solcher ist nicht gegeben, wenn die Masse den halben Erlös aus dem vom Zessionar zu führenden Anfechtungsprozess erhält. Offen ist, ob auch im Fall der Abtretung das Anfechtungsrecht mit dem Ende des Insolvenzverfahrens erlischt.52 P 41 Im Rechtsstreit ist ein Grundurteil über den Anfechtungsgrund möglich, wenn der Verwalter die Zahlung eines Geldbetrages verlangt.53 BGH-Urteil vom 17.2.2011 – ZIP 2011, 1114 P 42 Der aus Insolvenzanfechtung folgende Rückgewähranspruch kann abgetreten werden. P 43 Nach Auffassung des BGH widerspricht die Rückgewähr des Vermögensgegenstandes an einen Dritten nicht dem Zweck des Anfechtungsrechts. Aufgabe

45 Einzelheiten bei Thole, ZIP 2014, 1653 (1654 ff.). 46 BGH v. 4.2.2016 – IX ZR 42/14, ZIP 2016, 478, Rz. 21. 47 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114 Rz. 7; v. 19.3.1987 – III ZR 2/86, BGHZ 100, 217 (218). 48 BGH v. 10.2.1982 – VIII ZR 158/80, BGHZ 83, 102 (105). 49 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114 (mit vorsichtig zust. Anm. Huber, EWiR 2011, 433). 50 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114, Rz. 9. 51 BGH v. 10.1.2013 – IX ZR 177/11, ZIP 2013, 531. 52 BGH v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114, Rz. 12 f. 53 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093 (1095).

1034 Kummer

III. Rechtsnatur, Entstehung und Durchsetzung des Anspruchs

Rz. 46 P

der Insolvenzanfechtung sei es, den Bestand des den Gläubigern haftenden Schuldnervermögens dadurch wieder herzustellen, dass bestimmte Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden. Dieser Zweck könne auch dann erreicht werden, wenn der Insolvenzverwalter nicht den anfechtbar weggegebenen Vermögensgegenstand zurück erlange, sondern den Rückgewähranspruch verwertet. Voraussetzung sei nur, dass eine gleichwertige Gegenleistung zur Masse gelangt. Die dem Insolvenzverwalter obliegende Verwertung der Masse könne – etwa dann, wenn die Masse die Prozesskosten nicht aufbringen kann, die Gläubiger keinen Prozesskostenvorschuss leisten oder der Anfechtungsprozess schwierig und langwierig zu werden verspricht – durch die Abtretung des Anfechtungsanspruchs sogar erleichtert und beschleunigt werden. Das Reichsgericht habe die Abtretung (auch) deshalb für unzulässig gehalten, P 44 weil die Valuta der Abtretung, also die zur Masse zu zahlende Gegenleistung, regelmäßig hinter dem Wert des Anspruchs zurückbleiben müsse. Dieses Argument spricht jedoch nicht gegen eine Abtretung schlechthin, sondern nur gegen eine Abtretung ohne hinreichende Gegenleistung. Eine Abtretung ohne Gegenleistung werde in der Regel insolvenzzweckwidrig und damit nichtig sein; eine „Verschleuderung“ zu einem in Anbetracht aller Umstände (Kosten der Rechtsverfolgung; Prozessrisiko) unangemessen niedrigen Preis eröffnet den Anwendungsbereich des § 60 InsO. Das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters erlösche mit der vorbehaltlosen P 45 Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens. Ob dies auch nach einer Abtretung gelte, werde in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Im vorliegenden Fall bedürfe diese Frage keiner Entscheidung, da die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht vorgetragen sei. Diese Entscheidung löst das Problem sehr pragmatisch unter dem Aspekt einer P 46 schnelleren und einfacheren Verwertung der Masse. Sie lässt auch ersehen, dass die Gegenleistung auch dann gleichwertig ist, wenn sie nicht dem Nennbetrag der zurück zu gewährenden Zahlung bzw. dem Verkehrswert der zurück zu gewährenden Leistung entspricht, sondern einen Abschlag im Hinblick auf das Risiko berücksichtigt, das mit dem Prozess gegen den Anfechtungsgegner verbunden ist. Unklar bleibt aber, ob die Abtretung auch dann wirksam ist, wenn die Gegenleistung dieses Niveau unterschreitet. Für die Wirksamkeit der Abtretung auch in diesem Fall könnte aber der Hinweis sprechen, dass dann der Verwalter nach § 60 InsO haftbar ist. Auch Gesichtspunkte der Rechtssicherheit können hierfür herangezogen werden: Die Aktivlegitimation des Zessionars braucht nicht unter den unsicheren Gesichtspunkten der Werthaltigkeit der Gegenleistung nachgeprüft zu werden; Missgriffe des Verwalters lösen hier wie auch sonst bei Verwertung der Masse einen Schadensersatzanspruch aus.

Kummer

1035

P Rz. 47

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

IV. Inhalt des Anfechtungsanspruchs (Primäranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO) 1. Grundsatz P 47 Zurück zu gewähren ist, was weggegeben usw. ist (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dies muss aber auch außerhalb des § 145 Abs. 3 InsO nicht identisch mit dem sein, was der Anfechtungsgegner aus dem Vermögen des Schuldners erlangt hat.54 Dies gilt etwa für Aufwendungen des späteren Insolvenzschuldners für einen Hausbau auf dem Grundstück des Anfechtungsgegners;55 soweit das Vermögen des Insolvenzschuldners vermindert ist, ohne dass der Anfechtungsgegner etwas erlangt hätte, schuldet dieser Wertersatz.56 Dagegen sind mittelbare Zuwendungen so zu behandeln, als habe die zwischengeschaltete Person an den Schuldner geleistet und dieser sodann den Anfechtungsgegner befriedigt; bei Zuwendung des Bezugsrechts für eine Lebensversicherung schuldet der Anfechtungsgegner folglich nicht Rückgewähr der vom Insolvenzschuldner geleisteten Prämie, sondern die Auszahlung der Versicherungssumme (siehe unten Rz. P67 ff.). P 48 Ob der Anfechtungsgegner noch bereichert ist, ist zunächst einmal unerheblich.57 Kann er den erlangten Gegenstand nicht in natura herausgeben und hat dieser sich wesentlich verschlechtert, so löst dies die Sekundäransprüche aus (siehe unten Rz. P87 ff.). P 49 Der Wegfall der Bereicherung ist nur für den Empfänger einer unentgeltlichen Leistung relevant (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO), und dies auch nur, solange er seinerseits nicht bösgläubig ist (§ 143 Abs. 2 Satz 2 InsO). Für den „Normalfall“ des Empfangs einer entgeltlichen Leistung ist auch das Verschulden des Empfängers unerheblich; fehlendes Verschulden kann nur die Sekundäransprüche beschränken.58 P 50 Gemeint ist stets die Rückübertragung an den Insolvenzschuldner als Rechtsträger der Masse, nicht an den Insolvenzverwalter. Mit der Rückübereignung an den Schuldner unterliegt der Gegenstand aber als Massegegenstand der Verwaltung und der Verfügungsbefugnis des Verwalters.59

54 BGH v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, WM 1955, 407 (410); v. 15.10.1969 – VIII ZR 136/07, NJW 1970, 44 (46); v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (63). 55 BGH v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, WM 1955, 407 (410); v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (63). 56 BGH v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, WM 1955, 407 (410); v. 15.10.1969 – VIII ZR 136/07, NJW 1970, 44 (46). 57 BGH v. 29.1.1964 – Ib ZR 197/62, BGHZ 41, 98 (103); v. 15.10.1969 – VIII ZR 136/67, NJW 1970, 44 (46). 58 Siehe unten Rz. P87 ff. 59 BGH v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, ZIP 1986, 787 (789).

1036 Kummer

Rz. 55 P

IV. Inhalt des Anfechtungsanspruchs

2. Primärer Gegenstand der Rückgewähr Dies ist der erlangte Gegenstand in natura. Angesichts einer Vielzahl anfecht- P 51 barer Rechtshandlungen60 sind die Rückgewähransprüche in der Praxis entsprechend vielgestaltig. a) Übereignung von beweglichen Sachen Der Anfechtungsanspruch geht, da schuldrechtlich ausgestaltet, auf Rücküber- P 52 eignung dieser Sachen; es handelt sich nicht um einen Herausgabeanspruch. Stattdessen ist eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung möglich, wenn der Insolvenzverwalter den Gegenstand nicht selbst, sondern durch ein Staatsorgan verwerten lassen möchte.61 b) Übertragung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und beschränkten dinglichen Rechten Der Anfechtungsanspruch geht auf Rückübertragung durch Rückauflassung P 53 (bzw. Einigung über diese Rückübertragung) und Eintragung,62 nicht auf Grundbuchberichtigung.63 Auch hier ist stattdessen eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung möglich. Die Rückübertragung kann durch Vormerkung gesichert werden,64 die auch Gegenstand einer einstweiligen Verfügung sein kann (§ 885 Abs. 1 BGB). Die Löschung von beschränkten dinglichen Rechten kann nur verlangt werden, wenn keine nachrangigen Belastungen eingetragen sind; andernfalls kommt nur die Abtretung des Rechts an die Masse oder – bei Grundpfandrechten – ein rangwahrender Verzicht nach §§ 1168, 1177, 1192 Abs. 1 BGB in Betracht.65 Eine anfechtbar begründete Vormerkung hindert die Zwangsvollstreckung in das Grundstück nicht. Der Klageantrag auf deren Duldung enthält das Begehren, dass der Anfechtungsgegner von der Vormerkung keinen Gebrauch machen darf.66

P 54

c) Abtretung von Forderungen Der Anfechtungsanspruch geht auf Rückabtretung.67 Vorher darf der Insolvenz- P 55 verwalter die Forderung nicht verwerten; vielmehr bleibt der Anfechtungsgeg60 Siehe auch oben Rz. B40 ff. zu § 129. 61 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 20 und 26; Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 53, 16, 28, 29; RGZ 56, 142; RGZ 67, 20 (22); nur so bei der Einzelanfechtung nach dem AnfG. 62 BGH v. 22.3.1982 – VIII ZR 42/81, ZIP 1982, 856; v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, ZIP 1986, 787 (789). 63 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 31. 64 MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 44; anders als nach dem AnfG, das nur einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gewährt: BGH v. 14.6.2007 – IX ZR 219/05, BGHZ 172, 360 (363). 65 BGH v. 3.12.1998 – IX ZR 113/97, NJW 1999, 645 (646); HK-InsO/Kreft, § 143 Rz. 14. 66 BGH v. 11.7.1996 – IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147 zum AnfG. 67 BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 Rz. 18 und 20 (mit zust. Anm. Homann, EWiR 2007, 149); v. 1.12.1988 – IX ZR 112/88, BGHZ 106, 127 (129). Kummer

1037

P Rz. 55

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

ner bis zur Rückabtretung Gläubiger der Forderung.68 Das stattgebende Urteil wird den Anfechtungsgegner verpflichten, die Rückabtretung zu erklären; für die Vollstreckung gilt dann § 894 ZPO. P 56 Hatte ein Gläubiger zuvor die Forderung gepfändet und war die Pfändung wegen der Abtretung unwirksam, so wird sie nicht durch die Anfechtung wirksam, denn der Insolvenzverwalter ficht nicht im Interesse dieses einzelnen Gläubigers an, sondern zwecks Vermehrung der Masse.69 Bei bloßer Sicherungszession kann der Insolvenzverwalter die Forderung auch ohne Anfechtung nach § 166 Abs. 2 InsO verwerten und den Anspruch des Sicherungsnehmers auf den Erlös mit der Anfechtungseinrede (§ 146 Abs. 2 InsO) abwehren.70 P 57 Ist die Forderung in einem Orderpapier verbrieft, so ist der Anfechtungsanspruch auch auf dessen Rückgabe gerichtet. Ist sie in einem Inhaberpapier verbrieft, so geht er auf dessen Rückübereignung. In beiden Fällen kann der Insolvenzverwalter die Forderung auch ohne Anfechtung verwerten, wenn sich das Wertpapier noch im Besitz des Schuldners befindet, und Ersatzansprüche des Anfechtungsgegners mit der Anfechtungseinrede abwehren.71 d) Übertragung von sonstigen Rechten P 58 Der Anfechtungsanspruch geht grundsätzlich auf Rückübertragung des Rechtes.72 e) Übertragung eines Unternehmens P 59 Da es sich um einen Inbegriff von Sachen und Rechten handelt und auch die Unpfändbarkeit einzelner von ihnen in Betracht kommt, muss der Klageantrag auf die einzelnen Geschäftsbestandteile (Räume, Inventar, Betriebsmittel usw.) aufgegliedert werden.73 f) Dienstleistungen u.Ä. P 60 Hier ist in der Regel eine Rückgewähr in natura nicht möglich. Folglich muss der Anfechtungsgegner Wertersatz leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). g) Barzahlungen P 61 Der Anfechtungsanspruch geht auf Zahlung eines entsprechenden Geldbetrages. Streng genommen handelt es sich dabei ebenfalls um Wertersatz, da der Anfechtungsgegner das bar bezahlte Geld mit eigenem vermischt haben wird.74 68 BGH v. 21.9.2006 – IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 Rz. 18. 69 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 37; Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 54; aber bestritten, vgl. Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 54, Fn. 145. 70 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 36. 71 Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 54. 72 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 39a für Immaterialgüterrechte. 73 BGH v. 24.10.1962 – VIII ZR 126/61, WM 1962, 1316. 74 Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 68.

1038 Kummer

IV. Inhalt des Anfechtungsanspruchs

Rz. 65a P

h) Begründung von schuldrechtlichen Beziehungen Hat der Schuldner eine noch unerfüllte schuldrechtliche Verpflichtung begrün- P 62 det, so kann der Insolvenzverwalter einfach darüber hinweg sehen; der Anfechtungsgegner kann aus dieser Verpflichtung keine Rechte herleiten.75 Dogmatisch sauberer erscheint es aber, dem Insolvenzverwalter hier die Einrede der Anfechtbarkeit zu gewähren (§ 146 Abs. 2 InsO). Dasselbe gilt für einseitige Akte des Schuldners wie das Anerkenntnis (einer P 63 Gegenforderung durch den Schuldner), die Verbürgung (durch den Schuldner), die Quittung und ähnliche Rechtshandlungen, die nicht mit einer „Leistungsbewegung“ verbunden sind.76 Dasselbe gilt weiter für schuldrechtliche Rechtshandlungen des Schuldners, die dessen Rechte verkürzen, etwa den Erlass oder die Stundung einer Forderung, deren Gläubiger er ist. Der Insolvenzverwalter kann die Forderung geltend machen, wie wenn sie nicht erlassen, gestundet usw. wäre. Auch hier handelt es sich richtigerweise darum, dass der Insolvenzverwalter gegenüber der Einrede der Stundung usw. die Gegeneinrede der Anfechtbarkeit erhebt. Umstritten ist, ob das auch für einen Verzicht auf ein Grundpfandrecht gilt77 P 64 oder ob hier der Insolvenzverwalter im Wege der Anfechtung die Übertragung der Eigentümergrundschuld, die durch den Verzicht (§ 1168 BGB) entstanden ist, auf sich verlangen muss,78 und die Neubegründung des Grundpfandrechts, falls der Schuldner in anfechtbarer Weise an der Aufhebung seines Grundpfandrechts (§ 1183 BGB) mitgewirkt hat.79 i) Treuhand Hat der Schuldner in anfechtbarer Weise einen Treuhänder eingesetzt, so ist dieser als Anfechtungsgegner verpflichtet, seine Treuhänderstellung aufzugeben und das als Treugut verwaltete Geld an den Verwalter auszuzahlen.80

P 65

Hat der uneigennützige Treuhänder nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit P 65a des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weitergeleitet, so unterliegt er der Vorsatzanfechtung; er ist zum Wertersatz (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO) verpflichtet, ohne sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen zu können.81

75 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, ZIP 2007, 1120 Rz. 30 ff. für den Heimfallanspruch beim Erbbaurecht; allgemein HK-InsO/Thole,§ 143 Rz. 4. 76 HK-InsO/Kreft, § 143 Rz. 4. 77 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Fn. 320; Gerhardt, Gläubigeranfechtung S. 137. 78 § 1177 BGB. 79 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 49; Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 48. 80 BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 105/05, ZIP 2007, 1274. 81 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 74/11, ZIP 2012, 1038. Kummer

1039

P Rz. 65b

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

BGH-Urteil vom 26.4.2012 – ZIP 2012, 1038 P 65b Die beklagte Steuerberatersozietät hatte in kritischer Zeit vom späteren Insolvenzschuldner einen Geldbetrag erhalten, womit sie weisungsgemäß Beitragsrückstände des Schuldners bei verschiedenen Krankenkassen und Lohnforderungen verschiedener Arbeitnehmer des Schuldners tilgte. Der BGH hielt für möglich, dass die Überweisung an die Beklagte der Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO) unterliegt; der erforderliche Benachteiligungsvorsatz war indessen noch tatrichterlich festzustellen. Der BGH qualifiziert die Steuerberatersozietät als uneigennützigen Verwaltungstreuhänder und stellt zunächst fest, dass bereits die Weitergabe von Geldern an einen solchen die Gläubiger des Insolvenzschuldners benachteiligt. Die Deckungsanfechtung gegen den Insolvenzgläubiger schließt aber die Vorsatzanfechtung gegen einen die Zahlung vermittelnden Treuhänder nicht mehr aus.82 Vielmehr ist dieser nicht schutzwürdig, wenn er infolge seiner Kenntnis von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, der sich nicht auf die Begründung der Verwaltungstreuhand beschränkt, sondern eine Masseverkürzung durch die auf diesem Wege ermöglichten mittelbaren Zahlungen an bestimmte Insolvenzgläubiger einschließt, sich auch die weitere Gläubigerbenachteiligung zurechnen lassen muss. Unter diesen Umständen ist der unentgeltliche Verwaltungstreuhänder gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger der mittelbaren Zahlungen zur Herausgabe der mittelbar von ihm geleisteten Gelder verpflichtet; im Innenverhältnis schuldet aber Letzterer die Rückgewähr zur Masse allein.83 P 65c

Zur subjektiven Seite hält der BGH fest, dass eine Vorsatzanfechtung gegen einen Zahlungsmittler vielfach nicht in Betracht kommen wird, wenn er als bloße Zahlstelle die Zahlungsaufträge des Schuldners nur rein technisch umsetzt, was insbesondere bei Kreditinstituten in Betracht kommt. Dagegen erkennt ein Leistungsmittler den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, wenn er bei Ausführung von Zahlungsaufträgen nicht nur über dessen Zahlungsunfähigkeit unterrichtet ist, sondern im Wege der Verfolgung von Sonderinteressen in eine vom Schuldner angestrebte Gläubigerbenachteiligung eingebunden ist. Dies kam bei der dort beklagten Steuerberatersozietät in Betracht, weil sie nicht allgemein in die Abwicklung des Zahlungsverkehrs für den Schuldner eingeschaltet war, sondern ihr bestimmte Beträge mit der Weisung zugewandt worden waren, sie zur Tilgung von bestimmten Schulden zu verwenden. Sie muss aber auch erkannt haben, dass dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit zumindest drohte, dass es sich nicht etwa um bevorrechtigte Gläubiger handelte und dass keine Bargeschäfte vorlagen.

82 Dazu oben § 129 Rz. B705. 83 Dazu unten § 144 Rz. Q5.

1040 Kummer

IV. Inhalt des Anfechtungsanspruchs

Rz. 69 P

j) Anweisung Hier kommt in der Insolvenz des Anweisenden nur Wertersatz (§ 818 Abs. 1 P 66 BGB) in Betracht, da der Anweisungsempfänger, selbst wenn er den erhaltenen Gegenstand an den Angewiesenen zurückgibt, die Forderung des Anweisenden gegen diesen nicht wieder herstellen kann.84 In der hierfür als Beleg angeführten Entscheidung85 wurde aber der primäre Rückgewähranspruch deshalb abgelehnt, weil der Gemeinschuldner keinen Anspruch auf dasjenige gehabt hatte, was aufgrund der anfechtbaren Vorgänge in das Vermögen des Anfechtungsgegners gelangt war – im konkreten Fall eine Grundschuld, welche die Erbengemeinschaft, der der Gemeinschuldner angehörte, zugunsten des Beklagten auf ein Nachlassgrundstück bestellt hatte. k) Vertrag zugunsten Dritter Der BGH sieht die dem Dritten gewährte Leistung in der Insolvenz des Verspre- P 67 chensempfängers als eine durch Einschaltung des Versprechenden gewährte mittelbare Leistung an, die der unmittelbaren gleichsteht. Demnach hat der Dritte die Leistung zur Masse zurück zu gewähren. Dies gilt insbesondere für Lebensversicherungen. Dabei ist nicht zurück zu gewähren, was der Schuldner (Versprechensempfänger) aufgewendet hat (Summe der Prämien), sondern die Zuwendung, die er dem Dritten (Begünstigten) damit und folglich zu Lasten der Masse „erkauft“ hat, also die Versicherungssumme.86 BGH-Urteil vom 23.10.2003 – BGHZ 156, 350 (dieselbe Entscheidung wie oben bei Rz. P18 ff.) Der Insolvenzschuldner hatte 1986 einen Lebensversicherungsvertrag geschlos- P 68 sen und unter dem 15.6.1999 seine Ehefrau als Bezugsberechtigte in widerruflicher Weise eingesetzt. Er verstarb am 10.11.1999. Am 10.2.2000 wurde das Insolvenzverfahren über seinen Nachlass eröffnet. Der Versicherer hinterlegte sodann die Lebensversicherungssumme. Der Nachlassinsolvenzverwalter focht die Bezugsberechtigung nach § 134 Abs. 1 InsO an und verlangte von der Ehefrau die Freigabe des hinterlegten Betrages. Die Vorinstanzen gaben der Klage nur in Höhe der Prämien statt, die der Schuldner in den letzten vier Jahren vor dem Insolvenzantrag entrichtet hatte. Der BGH verurteilte die Ehefrau auch zur Freigabe des Restbetrages. Er behandelte sie als Empfängerin einer unentgeltlichen mittelbaren Zuwendung. Unter dieser Prämisse sprach er dem Insolvenzverwalter die gesamte Versicherungssumme zu. Zur Begründung ist ausgeführt, es komme anfechtungsrechtlich grundsätzlich P 69 nicht darauf an, welche Mittel der Versprechensempfänger (Schuldner) aufgebracht, sondern welche Leistungen der Versprechende (Versicherer) nach dem Inhalt seiner Vertragsbeziehung zum Schuldner bei Eintritt der Fälligkeit zu er84 Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 67. 85 BGH v. 14.6.1978 – VIII ZR 149/77, BGHZ 72, 39 (42). 86 BGH v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (355). Kummer

1041

P Rz. 69

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

bringen hatte, mit anderen Worten, welche Zuwendung an den Dritten (Ehefrau) der Versprechensempfänger mit den von ihm aufgewendeten Vermögenswerten „erkauft“ hat. Diese Zuwendung sei durch die Leistung an den Dritten der Masse entzogen worden. Übertragen auf den Lebensversicherungsvertrag bedeute dies, dass die anfechtbare Leistung nicht in der Summe der vom Versicherungsnehmer aufgebrachten Prämien, sondern in der dem Dritten ausbezahlten Versicherungssumme zu sehen ist. P 70 Im folgenden wird noch ausgeführt, dass Leistungszeitpunkt im Sinne der §§ 140 Abs. 1 InsO der Versicherungsfall, also der Todesfall, sei, da die Beklagte nur widerruflich als Bezugsberechtigte eingesetzt war. Dies führt bei Verfahrenseröffnung vor dem Todesfall dazu, dass der Insolvenzverwalter gar nicht erst anfechten muss, sondern die Wirkungen der Bezugsberechtigung beseitigen kann, indem er das Widerrufsrecht des Schuldners ausübt, welches auf ihn übergegangen ist.87 l) Erfüllung fremder Verbindlichkeiten P 71 Der Anfechtungsanspruch geht, soweit er sich gegen den Schuldner der erfüllten Forderung richtet, auf Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB). Zu ersetzen ist der Wert der erlangten Schuldbefreiung.88 Das ist grundsätzlich der vom Insolvenzschuldner an den Gläubiger bezahlte Betrag.89 m) Hinterlegung P 72 Der Anfechtungsanspruch richtet sich auf die Einwilligung des Anfechtungsgegners in die Auszahlung des hinterlegten Betrages oder in die Herausgabe der hinterlegten Sache an die Masse.90 n) Aufrechnung P 73 Anfechtbar begründete Aufrechnungslagen machen die Aufrechnung unwirksam (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Der Insolvenzverwalter braucht aber die Anfechtung als solche nicht im Wege der Klage aus § 143 Abs. 1 InsO geltend zu machen. Vielmehr kann er alsbald die Forderung (des Insolvenzschuldners) einklagen und dem Aufrechnungseinwand mit der (Gegen-)einrede der Anfechtbarkeit (§ 146 Abs. 2 InsO) begegnen.91 Dies gilt etwa für eine Gutschrift, die die Bank in kritischer Zeit auf einem im Soll geführten Konto des späteren Insolvenzschuldners zur Erfüllung einer gegen sie selbst gerichteten Forderung erteilt hat; der Verwalter kann den Betrag aus der Gutschrift verlangen, ohne dass

87 88 89 90 91

BGH v. 4.3.1993 – IX ZR 169/92, NJW 1993, 1994. MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 50a. MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 94. Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 45. BGH v. 29.6.2004 – IV ZR 195/03, BGHZ 159, 388; v. 2.6.2005 – IX ZB 235/04, NJW-RR 2005, 1138 (1139); v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588, Rz. 8; v. 24.9.2015 – IX ZR 55/15, ZIP 2016, 30, Rz. 12.

1042 Kummer

IV. Inhalt des Anfechtungsanspruchs

Rz. 77 P

die Bank mit ihrer Kreditforderung aufrechnen könnte.92 Auf den Zeitpunkt der Aufrechnung durch den Anfechtungsgegner kommt es hiernach nicht mehr an.93 BGH-Urteil vom 29.6.2004 – BGHZ 159, 388 Die Schuldnerin hatte einen Vermarktungsvertrag mit der Beklagten geschlos- P 74 sen, die ein Hotel betrieb. Danach standen dem Schuldner Provision für die Vermittlung von Reisegesellschaften sowie eine Monatspauschale zu. Unter dem 8.8.2000 buchte die Schuldnerin Zimmer bei der Beklagten für die Zeit vom 7. bis 10. und vom 14. bis 17.12.2001, die auch in Anspruch genommen wurden. Am 14.11.2001 reichte die Schuldnerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ein. Dieses wurde am 4.1.2002 eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter machte die Provision für die genannten Buchungen und die Monatspauschale für Dezember 2001 geltend. Die Beklagte rechnete dagegen mit unstreitigen Gegenansprüchen auf, die spätestens am 15.5.2001 fällig gewesen waren. Der BGH hat die Aufrechnung zugelassen. Maßgebender Zeitpunkt im Sinne P 75 von § 140 InsO für die Vornahme der Rechtshandlung, hier die Herbeiführung der Aufrechnungslage im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, sei der Zeitpunkt, zu dem das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden ist. Dies sei aber als der Zeitpunkt zu verstehen, zu dem der Rechtsgrund für den Anspruch der Schuldnerin sowie die zur Aufrechnung gestellten Forderungen gelegt war; dies war unstreitig spätestens im Mai 2001 der Fall. In diesem Zusammenhang führt der BGH aus, schon nach früherem Recht P 76 (§§ 30, 31 KO, 10 GesO) sei der Verwalter berechtigt gewesen, mit der Anfechtungsklage die Rückgewähr der Aufrechnungslage in der Weise zu verlangen, dass er die Forderung des Gemeinschuldners geltend machte und dem Anfechtungsgegner die Aufrechnung versagt blieb.94 Die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO verfolge das gleiche wirtschaftliche Ziel wie die frühere Regelung. Sie setze voraus, dass die Aufrechnungslage in einer von §§ 130 ff. InsO beschriebenen Weise anfechtbar erworben wurde. Die wesentliche Neuerung liege nur darin, dass der Verwalter in einem solchen Fall keine Anfechtungsklage zu erheben brauche, sondern sich unmittelbar auf die Unwirksamkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO berufen könne. o) Sicherheitsleistung für Schulden Beim anfechtbaren Mobiliarpfand kann der Insolvenzverwalter die Rückgabe P 77 der verpfändeten Sache oder den Verzicht auf das Pfandrecht oder dessen Rück92 BGH v. 14.10.2010 – IX ZR 160/08, ZIP 2010, 2460 = WM 2010, 2368. 93 Anders noch BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 254/81, BGHZ 86, 349 (353) zu § 41 Abs. 1 KO. 94 BGH v. 28.9.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 (253 ff.); v. 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (236 f.). Kummer

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P Rz. 77

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

übertragung verlangen.95 Für Sicherungsübereignungen siehe oben Rz. P52, für Grundpfandrechte siehe oben Rz. P53 f., für Sicherungsabtretungen siehe oben Rz. P55 ff., für Bürgschaften siehe oben Rz. P63. Hat der Anfechtungsgegner die Sicherheit für eine fremde Schuld bestellt und der Sicherungsnehmer sie verwertet, so schuldet der Anfechtungsgegner als Surrogat die Abtretung der persönlichen Forderung, die dadurch (etwa nach §§ 774 Abs. 1 Satz 1, 1143, 1225 BGB) auf ihn übergegangen ist.96 p) Prozesshandlungen P 78 Die Anfechtung ergreift nicht die daraufhin (etwa nach Säumnis oder Anerkenntnis) ergangene gerichtliche Entscheidung, sondern nur deren materiellrechtliche Wirkungen.97 Der Inhalt des Anfechtungsanspruchs richtet sich nach dem Inhalt der Entscheidung. Ist etwa der Schuldner zur Zahlung verurteilt und das Urteil vollstreckt worden, so ist der Anfechtungsgegner zur Rückgewähr der Zahlung verpflichtet. Ist dem Insolvenzschuldner eine Forderung aberkannt worden, so gilt sie zugunsten der Masse als fortbestehend und kann vom Insolvenzverwalter durchgesetzt werden. Hat der Insolvenzschuldner ein Anerkenntnis abgegeben, so bindet es den Insolvenzverwalter nicht. Über all dies ist nicht durch Fortsetzung des alten Prozesses, sondern in einem selbständigen Anfechtungsprozess zu befinden.98 q) Zwangsvollstreckung P 79 Hier gelten keine Besonderheiten. Beigetriebene Geldbeträge muss der Anfechtungsgegner zurückzahlen (siehe oben Rz. P61), erlangte Sicherheiten zurückgewähren (siehe oben Rz. P77). Zusätzlich muss er auf Pfändungspfandrechte verzichten (§ 843 ZPO), um die damit verbundene öffentlich-rechtliche Verstrickung zu beseitigen.99 Eine Vorpfändung (§ 845 ZPO) tritt automatisch außer Kraft, wenn die nachfolgende Hauptpfändung erfolgreich angefochten wird.100 BGH-Urteil vom 23.3.2006 – BGHZ 167, 11 P 80 Die beklagte Sparkasse brachte gegen die Schuldnerin zwei Vorpfändungen aus, die den Drittschuldnern am 15.3.1999 zugestellt wurden. Die Zustellung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse geschah vom 25.3. bis 7.4.1999. Die Drittschuldner überwiesen daraufhin am 13.4. bzw. 23.4.1999 an die Beklagte insgesamt 200 183,33 DM. Auf Antrag vom 21.6.1999 wurde am 1.10.1999 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Insolvenz-

95 96 97 98 99 100

Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 69. BGH v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, ZIP 1986, 787 (791). MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 56. MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 56. MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 57. BGH v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11; die Entscheidung hat in der Literatur Zustimmung gefunden (Uhlenbruck, BGH-Report 2006, 879; Eckhardt, EWiR 2006, 537 (538); Biehl, NJ 2006, 411).

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IV. Inhalt des Anfechtungsanspruchs

Rz. 85 P

verwalter hat die Pfändungen angefochten und die Rückgewähr des genannten Betrages verlangt. Diese hat ihm der BGH zugesprochen. Wird nämlich die Vorpfändung früher P 81 als drei Monate vor Eingang des Insolvenzantrages ausgebracht, fällt dagegen die Hauptpfändung in den von § 131 InsO erfassten Bereich, so richtet sich die Anfechtung insgesamt nach § 131 InsO. Hiernach begründen die außerhalb der kritischen Zeit ausgebrachten Vorpfän- P 82 dungen auch kein nach § 50 Abs. 1 InsO insolvenzgeschütztes Sicherungsrecht, denn sie sind nur Teil mehraktiger Rechtshandlungen, und die Erfüllung des letzten Teilakts hiervon fällt in die gesetzliche Krise. Um eine mehraktige Rechtshandlung handle es sich deshalb, weil die Pfändungsankündigung (Vorpfändung) nach § 845 Abs. 1 ZPO zu ihrer Wirksamkeit der Pfändung der Forderung binnen eines Monats bedarf (§ 845 Abs. 2 ZPO). Ohne die nachfolgende Pfändung könne kein Pfandrecht entstehen, welches den Gläubiger zur abgesonderten Befriedigung nach § 50 Abs. 1 InsO berechtigt. Damit das Pfändungspfandrecht insolvenzfest ist, müssten alle dafür notwendigen Voraussetzungen schon eingetreten sein, bevor des Schutz des § 131 InsO einsetzt. Nach einer Vorpfändung sei dies erst der Fall, wenn die Hauptpfändung wirksam geworden ist. Dieses Ergebnis werde durch den Sinn und Zweck des § 845 ZPO bestätigt. Ein P 83 Vorrang des Vorpfändenden sei insolvenzrechtlich nur gerechtfertigt, wenn zur Zeit der Hauptpfändung das Prioritätsprinzip noch gilt. Unbegründet sei der Einwand der Beklagten, dass die Vorpfändung auch insolvenzrechtlich der Arrestpfändung nach § 930 Abs. 1 Satz 1 ZPO gleichzustellen sei; die Vorpfändung habe die Wirkung einer Arrestpfändung auch nur, sofern die Hauptpfändung innerhalb eines Monats bewirkt wird. Dem ist unter dem Gesichtspunkt der sogenannten mehraktigen Rechtshand- P 84 lungen sicherlich zuzustimmen. Die rechtzeitig nachfolgende rechtswirksame Hauptpfändung ist Voraussetzung dafür, dass das Pfändungspfandrecht bereits mit Zustellung der Vorpfändung begründet wird.101 Die Situation ist mithin nicht anders als bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften, die der BGH ebenfalls als mehraktig ansieht.102 r) Unterlassungen Hier muss sich der Anfechtungsgegner so behandeln lassen, als hätte der Schuld- P 85 ner die unterlassene Handlung vorgenommen.103 Hat der Schuldner durch die anfechtbare Unterlassung ein Recht verloren, so ist der Rechtsverlusts als gegenüber der Masse unwirksam zu behandeln.104 Der Insolvenzverwalter kann das Recht geltend machen und dem Einwand der Verjährung (wenn es unterlassen 101 Zöller/Stöber, 31. Aufl., § 845 ZPO Rz. 5. 102 BGH v. 20.9.1978 – VIII ZR 142/77, NJW 1979, 103 (104); v. 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488 (490). 103 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 55. 104 Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 73. Kummer

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P Rz. 85

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

wurde, das Recht rechtzeitig geltend zu machen) oder des Fristablaufs für die Anfechtung (§§ 121, 124 BGB) oder der Versäumung von Kündigungsfristen oder der unterlassenen Mängelrüge (§ 377 HGB) den (Gegen-)Einwand der Anfechtbarkeit entgegenhalten.105 P 86 Hat der Anfechtungsgegner durch die anfechtbare Unterlassung seinerseits ein Recht erlangt, so hat er dieses zurück zu gewähren.106

V. Inhalt der Sekundäransprüche (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO) 1. Allgemeines P 87 § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO ergänzt Abs. 1 Satz 1, indem er die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, für analog anwendbar erklärt. Diese Ergänzung greift in den Fällen, in denen der Erwerber den erlangten Gegenstand nicht in Natura herausgeben kann oder dieser sich wesentlich verschlechtert hat. P 88 Für analog anwendbar erklärt ist zunächst § 819 Abs. 1 BGB, der eine Verweisungskette in Gang setzt. Sie führt im ersten Schritt zu § 818 Abs. 4 BGB und im zweiten Schritt zu den „Allgemeinen Vorschriften“. Dies sind primär die §§ 291, 292 BGB, welche allgemein die Haftung des Schuldners nach Eintritt der Rechtshängigkeit regeln, doch ist ein Rückgriff auf weitere Vorschriften aus §§ 280 ff. BGB möglich, soweit Gründe der Spezialität nicht entgegenstehen.107 § 292 BGB verweist alsdann im dritten Schritt bei schuldrechtlichen Ansprüchen auf Herausgabe eines Gegenstandes,108 und als solche werden die Rückgewähransprüche aus Insolvenzanfechtung hier von jeher behandelt, auf die §§ 987 ff. BGB und hier wiederum auf die Vorschriften, die ab Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs für das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gelten. Dasselbe gilt109 für die Ansprüche des Verwalters auf Herausgabe von Nutzungen und für die Ansprüche des Schuldners auf Ersatz von Verwendungen (§ 292 Abs. 2 BGB). P 89 Nicht verwiesen ist somit auf § 818 Abs. 1 bis 3 BGB. Sie gehören nicht zu den allgemeinen Vorschriften im Sinne des §§ 818 Abs. 4 BGB. Insbesondere kann sich der Anfechtungsgegner nicht einfach auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen. Dies gilt auch für den uneigennützigen Treuhänder, der das Treugut in anfechtbarer Weise erlangt und dann an den Schuldner (Treugeber) zurückübertragen hat. Andernfalls könnte der Schuldner die Gläubigeranfechtung auf einfachstem Wege unterlaufen.110 105 106 107 108 109

Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 73. MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 55. Staudinger/Lorenz, Bearb. 2007, § 818 BGB Rz. 50. PWW/Schmidt-Kessel, 10. Aufl., § 292 BGB Rz. 2. Seit 5.4.2017 mit den unten bei Rz. P107a und P107b dargestellten Einschränkungen. 110 BGH v. 10.9.2015 – IX ZR 215/13, ZIP 2015, 2085 (Leitsatz 2 und Rz. 27).

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V. Inhalt der Sekundransprche (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO)

Rz. 94 P

2. Einzelheiten a) Surrogation Der Anfechtungsgegner muss Surrogate herausgeben. Dies ergibt sich aus § 285 P 90 BGB n.F. (= § 281 BGB a.F.), der neben den §§ 291, 292 BGB zu den allgemeinen Vorschriften im Sinne von § 818 Abs. 4 BGB gehört.111 Hat also der Anfechtungsgegner infolge eines Umstandes, aufgrund dessen er das Erlangte nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB (Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit) nicht herauszugeben braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch erlangt, so kann der Insolvenzverwalter von ihm die Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder die Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen. Dazu gehört auch eine rechtsgeschäftlich erworbene Gegenleistung.112 Diese Regelung verdrängt § 818 Abs. 1 BGB, wonach der Schuldner dasjenige P 91 herauszugeben hat, was er aufgrund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes erworben hat. Hierzu würde eine rechtsgeschäftlich erworbene Gegenleistung nicht gehören.113 BGH-Urteil vom 11.10.1979 – BGHZ 75, 203 Ist der nach den §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB verschärft haftende Bereiche- P 92 rungsschuldner außerstande, den von ihm geschuldeten Gegenstand herauszugeben, weil er ihn veräußert hat, so kann der Gläubiger gemäß § 281 BGB den erzielten Erlös herausverlangen. Zur Begründung wird ausgeführt, nach § 281 BGB könne der Gläubiger nach bei P 93 nachträglicher Unmöglichkeit der Leistung die Herausgabe dessen verlangen, was der Schuldner infolge des Umstandes, welcher die Leistung unmöglich gemacht hat, als Ersatz für den geschuldeten Gegenstand erlangt hat. Die Vorschrift umfasse auch das rechtsgeschäftliche Surrogat.114 Sie sei auf alle Schuldverhältnisse anwendbar, soweit nicht Sonderregelungen bestehen, die dann vorgehen. Eine solche sei zwar für die ungerechtfertigte Bereicherung in § 818 Abs. 1 BGB P 94 getroffen worden. Danach erstrecke sich die Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger aufgrund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes erwirkt. Dazu gehöre jedoch gerade nicht, was der Bereicherungsschuldner durch besonderen Vertrag anstelle des ursprünglich Erlangten einhandelt.115 111 Staudinger/Lorenz, Bearb. 2007, § 818 BGB Rz. 50. 112 BGH v. 11.10.1979 – VII ZR 285/78, BGHZ 75, 203; PWW/Schmidt-Kessel, § 285 BGB Rz. 5. 113 Staudinger/Lorenz, Bearb. 2007, § 818 BGB Rz. 17 aufgrund der Rechtsprechung des Reichsgerichts. 114 BGH v. 23.12.1966 – V ZR 26/64, BGHZ 46, 260 (264). 115 BGH v. 11.4.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106 (110 f.). Kummer

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P Rz. 95

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

P 95 § 818 Abs. 1 BGB sei indessen wie § 818 Abs. 3 BGB nur auf den gutgläubigen Bereicherungsschuldner zugeschnitten. Mit Eintritt der verschärften Haftung aus §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB erweitere sich durch die Verweisung auf die „Allgemeinen Vorschriften“ der Haftungsumfang gegenüber § 818 Abs. 1 BGB wesentlich. So habe beispielsweise der Empfänger dann gemäß §§ 292, 987 Abs. 2 BGB nicht nur tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben, sondern auch Nutzungen zu ersetzen, die er schuldhaft nicht gezogen hat. Gemäß §§ 292, 989 BGB sei er nun auch für den Schaden verantwortlich, der dadurch entsteht, dass infolge seines Verschuldens der Gegenstand der Bereicherung verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann. P 96 Es sei nur folgerichtig, unter den verschärften Voraussetzungen der §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB den Bereicherungsschuldner auch nach § 281 BGB über § 818 Abs. 1 BGB hinaus haften zu lassen und die rechtsgeschäftlichen Surrogate in die Herausgabepflicht einzubeziehen. § 281 BGB sei einer der „Allgemeinen Vorschriften“, auf die in § 818 Abs. 4 BGB verwiesen wird, um dem Schuldner die ihm nach Bereicherungsrecht zugute kommenden Vergünstigungen zu nehmen und ihn wieder den Schuldnern aus anderen Rechtsgründen gleichzustellen. P 97 Die Anwendung des § 281 BGB sei insbesondere nicht deswegen ausgeschlossen, weil § 292 BGB auf die §§ 987 ff. BGB verweist. § 292 BGB betreffe nur Ansprüche des Gläubigers auf Schadensersatz und auf Herausgabe und Vergütung von Nutzungen sowie Ansprüche des Schuldners auf Ersatz von Verwendungen. Es spreche nichts dafür, dass mit der genannten Verweisung auch der auf Herausgabe der Surrogate gerichtete Anspruch aus § 281 BGB ausgeschlossen werden sollte, der gar kein Schadensersatzanspruch ist und dem Umfang nach über Schadensersatz hinausgehen kann. P 98 Diese Entscheidung stammt vom VII. Zivilsenat des BGH, dem damals das Bereicherungsrecht als eigenständige Rechtsmaterie zugewiesen war. Sie greift vielfach auf reichsgerichtliche Rechtsprechung zurück. Die Deduktion sollte auch nach dem Gesetz vom 29.3.2017 Bestand haben, welches die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen aus empfangenen Geldbeträgen beschränkt hat. b) Nutzungen bis 4.4.2017 P 99 Der Anfechtungsgegner hat die tatsächlich gezogenen Nutzungen herauszugeben, ferner diejenigen, die er nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft hätte ziehen können, aber schuldhaft nicht gezogen hat. Dies ergibt sich aus § 987 Abs. 1 und 2 BGB am Ende der bei § 819 Abs. 1 BGB beginnenden Verweisungskette. Darin liegt eine verschärfte Haftung im Vergleich zu § 818 Abs. 1 BGB, der den gutgläubigen Bereicherungsschuldner nur zur Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen verpflichtet. P 100 Herauszugeben sind die Nutzungen vom Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlungen an. Dies beruht darauf, dass das Anfechtungsrecht an

1048 Kummer

V. Inhalt der Sekundransprche (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO)

Rz. 104 P

die Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungsnorm anknüpft.116 Der Fiskus schuldet ebenfalls die Herausgabe der Nutzungen, die er ab Rechts- P 100a hängigkeit aus wirksam angefochtenen Steuerzahlungen gezogen hat. Als solche herauszugeben sind Zinserträge von Einnahmeüberschüssen, die im Haushaltsvollzug ausnahmsweise zeitweilig nicht benötigt werden, und ersparte Zinsen für Kassenverstärkungskredite oder andere staatliche Refinanzierungsinstrumente, die infolge des Eingangs wirksam angefochtener Steuerzahlungen zurückgeführt oder vermieden worden sind.117 Es wird vertreten,118 dass es mit dem Anfechtungszweck nicht vereinbar sei, P 101 vom Anfechtungsgegner auch die Herausgabe derjenigen Nutzungen zu verlangen, die der Insolvenzschuldner selbst hätte nicht ziehen können,119 oder die der Anfechtungsgegner nur aufgrund eigener Verwendungen auf den herauszugebenden Gegenstand hat ziehen können.120 Wurde Geld anfechtbar weggegeben, so erfasst schon der Rückgewähranspruch P 102 als solcher die marktüblichen Darlehenszinsen als Nutzung von der Weggabe an. Dies ergibt sich wiederum aus § 987 Abs. 1 BGB am Ende der bei § 819 Abs. 1 BGB beginnenden Verweisungskette und hat mit dem durch § 291 BGB begründeten Anspruch auf Prozesszinsen als Nebenforderung ab Verfahrenseröffnung nichts zu tun.121 BGH-Urteil vom 1.2.2007 – BGHZ 171, 38 Die beklagte Bank führte für die Insolvenzschuldnerin ein Girokonto, wofür P 103 ein Kreditrahmen von 10 Mio. DM bestand. Am 28.1.2000 wies das Konto einen Sollsaldo von 9 928 350,02 DM auf. Bis zum Kontoschluss am 16.2.2000 wurden Gutschriften in Höhe von insgesamt 9 936 510,48 DM vorgenommen. Am 28.2.2000 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Am 1.6.2000 wurde das Verfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 8.8.2001 forderte er die Beklagte auf, den Kontokorrentbetrag von 9 936 510,48 DM als inkongruente Deckung abzuführen. Die Beklagte zahlte den Betrag am 3.4.2002 an den Kläger. Dieser beansprucht Zinsen für die Zeit ab 17.2.2000. Der BGH stellt zunächst fest, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten ein P 104 Rückgewähranspruch hinsichtlich der Gutschriften zustand. In kritischer Zeit 116 117 118 119

BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 Rz. 22. BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 125/11, ZIP 2012, 1299. Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 136; siehe auch Breutigam/Tanz, ZIP 1998, 717 (723 f.). So aber BGH v. 25.3.1963 – VII ZR 270/61, BGHZ 39, 186 (187) in einem EigentümerBesitzer-Fall. 120 BGH v. 22.11.1991 – V ZR 160/90, NJW 1992, 892; v. 14.7.1995 – V ZR 45/94, JZ 1996, 151 mit Anm. Medicus. 121 BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 96/04, BGHZ 171, 38 (mit zust. Anm. Gundlach/Frenzel, EWiR 2007, 313. Kummer

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P Rz. 104

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

vorgenommene Verrechnungen eines Kreditinstituts von Ansprüchen seines Kunden aus Gutschriften aufgrund von Überweisungen mit Forderungen, die dem Institut gegen den Kunden aus der in Anspruch genommenen Kreditlinie eines Kontokorrentkredits zustehen, seien grundsätzlich nach §§ 130, 131 InsO anfechtbar und deshalb nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig. Alsdann führe die Anknüpfung des Anfechtungsrechts an die Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungsnorm dazu, dass vom Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlungen an Nutzungen gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 987 BGB zurück zu gewähren sind. Es lasse sich mit dem verfahrenseigenen Hauptzweck einer optimalen gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung nicht vereinbaren, dass dem Anfechtungsgegner die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Rückgewährbetrag gezogenen Zinsen verbleiben sollen. P 105 Von der Eröffnung des Verfahrens an schulde die Beklagte Prozesszinsen.122 Die entsprechende Zinspflicht beginne gemäß § 291 Satz 1 Hs. 2 BGB mit Fälligkeit der in Rede stehenden Geldschuld. Der Rückgewähranspruch werde mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig. Das Anfechtungsrecht setze tatbestandsmäßig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus. Es entstehe deshalb erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.123 Zugleich werde damit der Rückgewähranspruch fällig, weil nach neuerem Verständnis die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf.124 P 106 Die Frage, in welcher Höhe Prozesszinsen entstehen, beantworte sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Zu dieser Vorschrift führe die bei § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO beginnende Verweisungskette, der zu folgen sei, weil diese Vorschrift eine Rechtsfolgenverweisung auf § 819 Abs. 1 BGB enthalte. Die Verweisungskette führe zu § 291 Satz 1 BGB, der wiederum auf § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB verweist. Geschuldet werden also 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, nicht die gesetzlichen Zinsen von 4 % gemäß § 246 BGB. P 107 Diese Entscheidung besagt zunächst, dass Prozesszinsen nicht etwa erst ab Zustellung einer Rückgewährklage, sondern bereits ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefordert werden können. Dabei ist jedoch übersehen, dass nach § 291 Satz 1 Hs. 2 BGB die Fälligkeit des Anspruchs den Lauf der Prozesszinsen nur dann in Gang setzt, wenn sie nach Erhebung der Klage eintritt; klassisches Beispiel ist die Klage auf künftige Leistung.125 Im Übrigen differenziert der BGH hier klar zwischen Prozesszinsen gemäß § 291 Satz 1 BGB und Zinsen als Nutzungen gemäß § 987 BGB. Der BGH deutet nur an, was das Berufungsgericht126 in zutreffender Weise ausgesprochen hatte, nämlich dass der Verwal122 Ebenso jetzt für den Fall, dass der Verwalter unter Berufung auf die insolvenzrechtliche Unwirksamkeit einer Aufrechnung (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) die ursprüngliche Forderung des Insolvenzschuldners einklagt: BGH v. 24.9.2015 – IX ZR 55/15, ZIP 2016, 30 (Leitsatz). 123 Ebenso jetzt BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 125/11, ZIP 2012, 1300 Rz. 6. 124 BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 (151); v. 11.12.2003 – IX ZR 336/01, ZIP 2004, 671 (672). 125 PWW/Schmidt-Kessel, § 291 BGB Rz. 4. 126 OLG Karlsruhe, ZIP 2004, 2064 (mit Anm. Müller-Feyen, EWiR 2005, 33).

1050 Kummer

V. Inhalt der Sekundransprche (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO)

Rz. 109 P

ter letztere ab Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung nicht nur bis zum Eröffnungsbeschluss, sondern bis zur Rückgewähr fordern könne, natürlich für den Zeitraum ab Verfahrenseröffnung nicht neben, sondern anstelle der Prozesszinsen. Soweit indessen der Verwalter für die Zeit zwischen Eröffnungsbeschluss (richtigerweise: Klageerhebung) und Rückgewähr nicht Nutzungszinsen, sondern Prozesszinsen verlangt, erspart er sich den Nachweis dazu, in welcher Höhe der Anfechtungsgegner (im entschiedenen Fall eine Bank) konkret Zinsen erzielt hat oder hätte erwirtschaften können. c) Nutzungen ab 5.4.2017 Die bei P99-107 dargestellte großzügige Regelung für die Herausgabe von Nut- P 107a zungen konnte den Insolvenzverwalter veranlassen, die Anfechtung möglichst aufzuschieben, um Zinsen für die Masse zu generieren. Dem will das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.3.2017 (BGBl. 2017 I 654) entgegentreten. Die dortige Neuregelung gilt für alle Insolvenzverfahren, die ab 5.4.2017 eröffnet worden sind (arg. Art. 103j Abs. 1 EGInsO). Sie gilt aber auch in den früher eröffneten Verfahren für die Zinsen und sonstigen Nutzungen ab 5.4.2017 (Art. 103j Abs. 2 EGInsO). Allerdings betrifft die Neuregelung nur Zinsen aus Geldschulden und Nutzungen aus erlangten Geldbeträgen. Für andere Nutzungen verbleibt es auch ab dem 5.4.2017 bei der oben (P99–107) dargestellten Rechtslage. Nach der Neuregelung ist eine Geldschuld nur zu verzinsen, wenn die Vorausset- P 107b zungen des Schuldnerverzuges oder des § 291 BGB (Prozesszinsen) vorliegen. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrages ist ausgeschlossen. Somit ist insbesondere ausgeschlossen, dem Schuldner Zinsen als gezogene oder schuldhaft nicht gezogene Nutzungen (aus einem Geldbetrag) abzuverlangen. Im Ergebnis kann er nur auf Zinsen in Anspruch genommen werden, soweit er einem berechtigten Herausgabeverlangen des Insolvenzverwalters nicht nachgekommen ist. Der Lauf der Zinsen beginnt mit der Rechtshängigkeit des Anfechtungsanspruchs, nicht etwa mit der angefochtenen Rechtshandlung (siehe oben Rz. P40), aber entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs auch nicht mit dem Eröffnungsbeschluss.127 d) Wertersatz Der Anfechtungsgegner muss den Schaden ersetzen, der dadurch entsteht, dass P 108 infolge seines Verschuldens die erlangte Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann. Das ergibt sich aus § 989 BGB am Ende der bei § 819 Abs. 1 BGB beginnenden Verweisungskette. Es handelt sich danach eindeutig – abweichend von § 818 Abs. 2 BGB – um einen P 109 Schadensersatzanspruch. Gleichwohl kann er als Wertersatzanspruch durchgehen. Zu ersetzen ist nämlich der Wert, der sich in der Masse befände, wenn der 127 Thole, ZIP 2017, 401, 409; dazu auch oben Rz. P107. Kummer

1051

P Rz. 109

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

Gegenstand nicht anfechtbar weggegeben, sondern darin noch vorhanden wäre.128 Wertsteigerungen und -minderungen, die auch eingetreten wären, wenn der Gegenstand im Vermögen des Schuldners verblieben wäre, sind zu berücksichtigen.129 P 110 Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts130 und zunächst auch des BGH erstreckte sich der Wertersatzanspruch auf den Wert des Gegenstandes zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz; der Verwalter brauchte sich nicht mit einem geringeren Erlös zu begnügen, den der Anfechtungsgegner bei Weiterveräußerung des Gegenstandes erzielt hatte.131 Dies hat der BGH später korrigiert: Jedenfalls wenn schon bei Eröffnung des Verfahrens der Anfechtungsgegner nur noch Wertersatz schuldete, entscheidet dieser Gesichtspunkt auch für die Bewertung.132 P 111 Im Übrigen liegt in § 989 BGB eine Besserstellung des Anfechtungsgegners im Vergleich zu § 818 Abs. 2 BGB. Nach letzterer Vorschrift ist der Wertersatzanspruch schon dann begründet, wenn die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande ist. Dies ist bei § 818 Abs. 2 BGB verschuldensunabhängig zu prüfen und begründet somit eine Zufallshaftung des Bereicherten.133 Es war ein wesentliches Anliegen der Insolvenzrechtsreform, die Rechtsstellung des Anfechtungsgegners insoweit zu verbessern.134 P 112 Der Unmöglichkeit der Rückgewähr des Erlangten steht deren Unverhältnismäßigkeit gleich, die durch besondere Schwierigkeiten oder besondere Kosten begründet sein kann.135 Auch in diesen Fällen besteht also (nur) ein sekundärer Ersatzanspruch. e) Verwendungen P 113 Hier gelten die am Ende der Verweisungskette stehenden §§ 994 bis 996 BGB.136 Da aber der Anfechtungsgegner wie ein Besitzer nach Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs zu behandeln ist, beschränken sich seine Ansprüche auf den Ersatz notwendiger Verwendungen, und auch dies nur nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 994 Abs. 2 BGB). Sie sind Masseverbindlichkeiten.137 128 BGH v. 20.2.1980 – VIII ZR 48/79, ZIP 1980, 250; Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 123. 129 RGZ 106, 163 (167); Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 123. 130 RGZ 106, 163 (167). 131 BGH v. 20.2.1980 – VIII ZR 48/79, ZIP 1980, 250. 132 BGH v. 9.7.1987 – IX ZR 167/86, ZIP 1987, 1132 (1134). 133 Staudinger/Lorenz, Bearb. 2007, § 818 BGB Rz. 24. 134 HK-InsO/Kreft, § 143 Rz. 2. 135 BGH v. 19.3.1992 – IX ZR 14/91, NJW-RR 1992, 733 (734); MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 77; Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 119; HK-InsO/Thole, § 143 Rz. 19. 136 Einzelheiten bei MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 64 ff. und Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 144 f. 137 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 64a.

1052 Kummer

Rz. 117 P

VI. Rckgewhr unentgeltlicher Leistungen (§ 143 Abs. 2 InsO)

VI. Rückgewähr unentgeltlicher Leistungen (§ 143 Abs. 2 InsO) 1. Unentgeltlichkeit der Leistungen Die Norm knüpft an § 134 InsO an, wonach unentgeltliche Leistungen des P 114 Schuldners anfechtbar sind, wenn sie nicht früher als vier Jahre vor Insolvenzantrag erbracht worden sind. Die Haftung des Anfechtungsgegners wird nur gemindert, wenn die Anfechtung ausschließlich auf § 134 InsO gestützt worden ist.138 Unentgeltlich ist eine Leistung, wenn der Empfänger (Anfechtungsgegner) für P 115 sie vereinbarungsgemäß keine ausgleichende Gegenleistung (an den Insolvenzschuldner oder einen Dritten) zu erbringen hat.139 Entgeltlich ist dagegen eine Verfügung, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder dies jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte,140 freilich nicht nur nach den einseitigen Vorstellungen des Leistungsempfängers (siehe sogleich bei Rz. P119). Ist eine Gegenleistung zwar vereinbart, aber ausgeblieben, so kann die Leistung des Insolvenzschuldners nicht schon deshalb als unentgeltlich angefochten werden.141 In zeitlicher Hinsicht entscheidet für die Frage, ob der Leistungsempfänger eine werthaltige Gegenleistung erbringt, der Zeitpunkt der Vollendung seines Rechtserwerbs (§ 140 InsO).142 Hat der Anfechtungsgegner vom späteren Insolvenzschuldner Zahlungen auf P 116 eine Forderung gegen einen Dritten erhalten, so liegt eine ausgleichende Gegenleistung auch darin, dass er durch die Leistung des Insolvenzschuldners einen eigenen werthaltigen Anspruch gegen den Dritten verliert.143 Unentgeltlich ist eine solche Zahlung demgemäß, wenn die Forderung des Empfängers gegen seinen Schuldner wertlos war, unabhängig davon, ob der Empfänger diese Wertlosigkeit gekannt hat.144 Eine solche Leistung wird auch nicht dadurch entgeltlich, dass sich der Insolvenzschuldner gegenüber dem Schuldner der Forderung zu deren Tilgung verpflichtet hat. Maßgeblich ist allein das Rechtsverhältnis zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Empfänger der Zuwendung. Nur wenn dieser gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf die Leistung gehabt hat, etwa aus Schuldbeitritt, ist sie auch dann entgeltlich, wenn die Forderung des Empfängers gegen den Dritten wertlos war.145 Hat der spätere Insolvenzschuldner dem Anfechtungsgegner etwas im Wege der P 117 Leistung an einen Dritten zugewendet, so hängt die Unentgeltlichkeit allein davon ab, ob ersterer eine Leistung schuldet, die den Erwerb des Letzteren aus-

138 139 140 141 142 143

MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 101. BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279). BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 225/09, ZIP 2010, 1455 Rz. 10. BGH v. 21.1.1999 – IX ZR 429/97, ZIP 1999, 316 (317). BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (281). BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228. 144 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276. 145 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (282). Kummer

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P Rz. 117

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

gleicht.146 Anwendungsfall ist ein Befreiungsanspruch des Anfechtungsgegners gegen den späteren Insolvenzschuldner, den dieser durch Leistung von dem Dritten erfüllt hat. P 118 Ausgleichend in diesem Sinne sind Gegenleistungen, die dem aufgegebenen Vermögenswert entsprechen.147 Hierüber entscheidet grundsätzlich das Verhältnis der ausgetauschten Werte.148 Ein Vergleich, der die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigen soll, enthält im Regelfall keine unentgeltlichen Leistungen.149 P 119 Eine Einigung über die Unentgeltlichkeit ist nicht erforderlich;150 es genügt eine objektive Wertdifferenz. Der Schenkungsbegriff des § 516 BGB ist zur Abgrenzung untauglich.151 Einseitige Vorstellungen des Leistungsempfängers über die Entgeltlichkeit sind unerheblich, selbst wenn sie vom Schuldner hervorgerufen worden sind.152 P 120 Ausgenommen von allem sind gewöhnliche Gelegenheitsgeschenke (§ 134 Abs. 2 InsO). 2. Besserstellung P 120a Der gutgläubige Empfänger der unentgeltlichen Leistung wird im Vergleich zu anderen Anfechtungsgegnern besser gestellt. Die Besserstellung besteht darin, dass dieser Anfechtungsgegner nur herausgeben muss, was er noch hat. Er haftet generell nur nach § 818 Abs. 1 bis 3 BGB,153 also begrenzt auf seine Bereicherung. Ausgeschlossen ist jegliche Haftung, die an ein Verschulden anknüpft. Dies gilt für alle Verästelungen des Herausgabeanspruchs, die oben bei Rz. P47 ff. dargestellt sind, und wird sogleich unten bei Rz. P125 ff. näher ausgeführt. Die Beweislast für den Wegfall der Bereicherung liegt beim Anfechtungsgegner.154 P 121 Die Gründe für diese Besserstellung sind darin zu suchen, dass beim Empfänger einer unentgeltlichen Leistung im Gegensatz zu den Erwerbern, deren Erwerb nach den anderen Vorschriften in §§ 130 ff. InsO anfechtbar ist, nicht von vornherein der böse Glaube vermutet werden kann.155 Deshalb entfällt auch gemäß § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO seine Besserstellung, sobald er seinen guten Glauben verliert.

146 BGH v. 4.3.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96. 147 BGH v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, ZIP 2008, 1291 Rz. 11. 148 BGH v. 9.11.2006 – IX ZR 285/03, ZIP 2006, 2391 Rz. 15; v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, ZIP 2008, 1291 Rz. 11. 149 BGH v. 9.11.2006 – IX ZR 285/03, ZIP 2006, 2391 Rz. 15. 150 BGH v. 3.3.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280). 151 BGH v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 76, 61 (68). 152 BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 Rz. 6. 153 HK-InsO/Thole, § 143 Rz. 30 ff. 154 BGH v. 17.12.2009 – IX ZR 16/09, ZIP 2010, 531. 155 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 100.

1054 Kummer

VI. Rckgewhr unentgeltlicher Leistungen (§ 143 Abs. 2 InsO)

Rz. 125 P

3. Guter Glaube Der gute Glaube des Empfängers muss sich darauf beziehen, dass die unentgelt- P 122 liche Leistung die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt, der böse Glaube mithin darauf, dass eine solche Benachteiligung eintritt. Heftig umstritten ist, ob dem Empfänger außer dem Vorsatz (positive Kenntnis) P 123 nur grobe156 oder auch einfache157 Fahrlässigkeit schadet. Der BGH hat diese Frage noch nicht entschieden.158 Wortlaut und Amtliche Begründung159 scheinen für Letzteres zu sprechen, die besseren Argumente jedoch für Ersteres. Dies war insbesondere die zu § 37 Abs. 2 KO einhellig vertretene,160 mit der Definition in § 932 Abs. 2 BGB übereinstimmende Auffassung. Es ist nicht ersichtlich und auch vom Gesetzgeber nicht näher begründet, dass er hier eine Verschärfung zu Lasten des Empfängers hätte eintreten lassen wollen; für eine solche gibt es auch keine Sachgründe. Für die Bedürfnisse der Praxis ist der böse Glaube dahin zu definieren, dass der P 124 Anfechtungsgegner Umstände kennt, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprechen, und deren Kenntnis auch einem Empfänger mit durchschnittlichem Erkenntnisvermögen ohne gründliche Überlegung die Annahme nahelegt, dass die Befriedigung der Gläubiger infolge der Freigebigkeit verkürzt wird.161 Der böse Glaube kann nicht nachträglich wieder wegfallen. Es hilft insbesonde- P 124a re dem Anfechtungsgegner nicht, wenn er zwischen Erhalt der Leistung und Wegfall der Bereicherung die Überzeugung gewonnen hat, der Schuldner könne nunmehr seine Gläubiger befriedigen.162 4. Haftungssystem für den gutgläubigen Empfänger Der gutgläubige Empfänger einer unentgeltlichen Leistung haftet wie folgt: Ist das Empfangene noch in natura vorhanden, so hat er es zurück zu geben. Davon ist auch ein solcher Anfechtungsgegner nicht befreit.163 Die Beweislast dafür, dass die Rückgewähr in natura unmöglich ist, liegt bei ihm.164

156 HK-InsO/Thole, § 143 Rz. 31 ff.; Gerhardt, Festschrift für Brandner, 1995, S. 605 (608). 157 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 107 und 107a; Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 155. 158 Auch BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 159/15, ZIP 2016, 1034, Rz. 17 lässt dies offen. 159 BT-Drucks. 12/2443 S. 167 zu § 162 EInsO. 160 Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 37 KO Rz. 129; unergiebig hierzu RGZ 92, 227 (229) und BGH v. 15.2.1956 – IV ZR 266/55, WM 1956, 703 (706); nach BGH v. 22.3.2001 – IX ZR 373/98, ZIP 2001, 889 (892) schließt „mindestens“ die grob-fahrlässige Unkenntnis den guten Glauben aus. 161 BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 159/15, ZIP 2016, 1031 (Leitsatz); ebenso HK/Thole, § 143 Rz. 34. 162 BGH v. 15.11.2012 – IX ZR 173/09, ZIP 2013, 131 Rz. 11 f. 163 BGH v. 17.12.2009 – IX ZR 16/09, ZIP 2010, 531 Rz. 15; v. 24.3.2016 – IX ZR 159/15, ZIP 2016, 1034 Rz. 11. 164 BGH v. 17.12.2009 – IX ZR 16/09, ZIP 2010, 531 Rz. 17; v. 24.3.2016 – IX ZR 159/15, ZIP 2016, 1034 Rz. 11. Kummer

1055

P 125

P Rz. 126

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

P 126 Surrogate hat er ebenfalls zurück zu gewähren. Der für den gutgläubigen Empfänger geltende § 818 Abs. 3 BGB bewirkt, dass er noch als bereichert anzusehen ist, soweit er etwa durch die Weggabe des Erlangten eigene Ausgaben erspart oder eigene Schulden getilgt hat;165 dies kann man zumindest wirtschaftlich als eine Erweiterung der Surrogation ansehen. Rechtsgeschäftlich erworbene Surrogate sind allerdings hier nicht herauszugeben.166 P 127 Nutzungen hat ein solcher Anfechtungsgegner herauszugeben, soweit er sie selbst tatsächlich gezogen hat und sie sich noch in seinem Vermögen befinden167 oder er sonst noch dadurch bereichert ist.168 In der Literatur wird auch hierzu die Einschränkung vertreten, dass er auch solche Nutzungen nicht herauszugeben hat, wenn der Schuldner selbst sie nicht gezogen hätte.169 Keinesfalls hat er Ersatz für Nutzungen zu leisten, die er – aus welchen Gründen auch immer – nicht gezogen hat. Das Gesetz vom 29.3.2017 mit der Beschränkung der Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen aus angefangenen Geldbeträgen bezieht sich nach seinem Wortlaut nicht auf den gutgläubigen Empfänger einer unentgeltlichen Leistung gemäß § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO. Die Rechtsprechung wird klären müssen, ob es angeht, ihn schlechter zu stellen als den Empfänger einer Geldsumme, die ein Entgelt darstellt, ihn etwa auch auf der Grundlage des § 818 Abs. 1 BGB zur Herausgabe von Zinsen zu verpflichten, ohne dass die Voraussetzungen des Schnuldnerverzuges oder des § 291 BGB vorliegen. P 128 Wertersatz schuldet ein solcher Anfechtungsgegner ebenfalls,170 aber auch nur, soweit er noch bereichert ist. Allerdings spielen Gesichtspunkte des Verschuldens hier anders als § 989 BGB (entgeltlicher Erwerb, oben Rz. P108) keine Rolle. Er wird also von der Wertersatzpflicht frei, soweit der erlangte Gegenstand – aus welchen Gründen auch immer – untergegangen oder in seinem Zustand verschlechtert ist; dies schließt sogar seine unentgeltliche Veräußerung ein.171 P 129 Verwendungen jeder Art mindern die Bereicherung des Empfängers;172 sie müssen aber nach Empfang der unentgeltlichen Leistung vorgenommen worden sein.173

165 BGH v. 17.6.1992 – XII ZR 119/91, BGHZ 118, 383 (386); MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 104; gelegentlich kleidet der BGH das in die Worte, nach dem Rechtsgedanken des § 818 Abs. 3 BGB sei der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet, soweit eine Bereicherung noch vorhanden ist: BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 159/15, ZIP 2016, 1034, Rz. 11; zu Einzelheiten der Entreicherung BGH v. 27.10.2016, ZIP 2016, 2326. 166 Dies wäre durch § 818 Abs. 1 BGB nicht gedeckt, siehe oben Rz. P91 und Jaeger/Henckel, § 143 InsO Rz. 158. 167 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 102. 168 Surrogationsgedanke, Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 158. 169 Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 158. 170 Aus § 818 Abs. 2 BGB: Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 159. 171 Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 159. 172 Jaeger/Henckel, § 143 Rz. 161. 173 BGH v. 24.3.2016 – IX ZR 159/15, ZIP 2016, 1034, Rz. 11.

1056 Kummer

VI. Rckgewhr unentgeltlicher Leistungen (§ 143 Abs. 2 InsO)

Rz. 132 P

5. Scheingewinne aus Kapitalanlagen Eine besondere Rolle haben im Rahmen der Rechtsprechung zu § 143 Abs. 2 InsO die Fälle gespielt, in denen gutgläubige Kapitalanleger von einem späteren Insolvenzschuldner betrogen worden waren, der ein Anlagemodell nach dem Schneeballprinzip betrieb (Stichwort: Phoenix).174

P 129a

Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist die Überlegung, dass Anlagegewinne, P 130 welche der spätere Insolvenzschuldner tatsächlich nicht erzielt hat, aber als erzielt behauptet und aufgrund des von ihm betriebenen Schneeballsystems auch auszahlen kann und auszahlt (sogenannte Scheingewinne), eine unentgeltliche Leistung an die gutgläubigen Anleger im Sinne von § 134 Abs. 2 InsO darstellen. Da der spätere Insolvenzschuldner nur vorgespiegelt hat, diese Gewinne erzielt zu haben, sind sie ohne objektive Gegenleistung der Anleger ausgezahlt worden. Der BGH hatte zunächst entschieden, in einem solchen Fall sei der Anleger P 131 (Empfänger) nicht zur Rückgewähr der Scheingewinne verpflichtet, da er mit einem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB aufrechnen könne; diese Aufrechnung sei konkursrechtlich nicht ausgeschlossen, was der BGH wenig überzeugend mit einem Wertungswiderspruch zwischen § 55 KO und § 814 BGB begründet hat.175 Diese Entscheidung ist alsbald auf Kritik gestoßen.176 Der BGH hat denn auch P 131a gegenteilig entschieden, sobald er mit der Rechtsfrage wiederum konfrontiert war.177 Danach hat der Insolvenzverwalter den auf eine Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gestützten Rückgewähranspruch auch dann, wenn der daneben bestehende Bereicherungsanspruch der Masse nur an der Kenntnis des Schuldners von der Nichtschuld der Leistung scheitert und dem Anfechtungsgegner „vorkonkursliche“ Schadensersatzansprüche gegen den Schuldner zustehen. Dies hat der BGH damit begründet, dass nunmehr auch § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine solche Aufrechnung hindere und diese Bestimmung nicht in einem Wertungswiderspruch zu § 814 BGB stehe. Konsequenterweise wird der Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung auch nicht durch den Einwand aus § 817 Satz 2 BGB (beiderseitiger Gesetz- oder Sittenverstoß) beschränkt.178 Hinsichtlich der Einzelheiten hat der BGH seine Rechtsprechung in der Folge P 132 weiterentwickelt. Danach sind nur die Auszahlungen, die auf die Scheingewinne geleistet worden sind, nach §§ 134, 143 InsO als unentgeltliche Leistungen anfechtbar, nicht aber die Rückzahlung von Einlagen. Hierbei handelt es sich nicht um unentgeltliche Leistungen; vielmehr stellt die Rückzahlung der Einlage den Gegenwert für die Einlage dar.179 Dabei werden Ausschüttungen in der Regel zunächst auf die angewiesenen Scheingewinne und dann erst auf die 174 Zur Gesamtproblematik Bitter/Heim, ZIP 2010, 1568. 175 BGH v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (105). 176 MK-InsO/Kirchhof, § 134 Rz. 45; FK/Dauernheim, § 143 Rz. 44; Gerhardt, EWiR 2002, 1055 (1056) zu einem Urteil des LG Wuppertal gleichen Inhalts. 177 BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137. 178 BGH v. 16.7.2009 – IX ZR 53/08, ZIP 2009, 2073 LS. 179 BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 225/09, ZIP 2010, 1455. Kummer

1057

P Rz. 132

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

geleisteten Einlagen erbracht.180 Hinsichtlich der Einlagen kann sich der Insolvenzverwalter nicht darauf berufen, sie seien durch Verluste und Verwaltungsgebühren aufgebraucht; angesichts des vom Schuldner betriebenen Schneeballsystems verstieße gegen dies gegen Treu und Glauben.181 Andererseits kann der Anleger den auf die Scheingewinne bezogenen Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters nicht mit seinem Anspruch auf Rückzahlung der Einlage saldieren; im Insolvenzrecht ist die Saldotheorie nur eingeschränkt anwendbar und kann nicht Masseforderungen aus Forderungen machen, die ohne die Saldierungsmöglichkeit Insolvenzforderungen sind.182 BGH-Urteil vom 29.11.1990 – BGHZ 113, 98 P 133 Der Kläger war Verwalter in Konkurs über das Vermögen einer Gesellschaft für Anlagenbetreuung mbH. Diese hatte damit geworben, Termingeschäfte zu besorgen, deren Gegenstand an den Börsen in Chicago, New York und London gehandelte Terminkontrakte sein sollten. Die Kunden (Beklagten) hatten einen sogenannten Einschuss zu leisten, der zur Begleichung von Trade- und Brokerkosten sowie als Sicherheit für Verluste dienen und auf einem bei dem Broker unterhaltenen Namenskonto geführt werden sollte. Die Gesellschaft verwendete die Einschüsse der Beklagten ebenso wie diejenigen einer Vielzahl anderer Kunden nicht für Termingeschäfte, sondern für vertragsfremde Zwecke. Um dies zu verschleiern, leitete sie ihren Kunden Kontoauszüge zu, auf denen Geschäftsvorfälle fingiert und frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Beklagten ließen sich auf die ihnen gutgeschriebenen Gewinne insgesamt 7000 DM auszahlen. Der Konkursverwalter verlangte diese aus dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung zurück. P 134 Der BGH begründet zunächst, dass diese Auszahlungen unentgeltliche Verfügungen im Sinne von § 32 Nr. 1 KO darstellten. Dies deshalb, weil es objektiv an einer Gegenleistung der Beklagten gefehlt habe. Deren Einschuss habe nach dem Vertrag allein der Abgeltung von Trade- und Brokerkosten und der Abdeckung von Verlusten aus Börsengeschäften gedient. Derartige Kosten und Verluste seien hier nicht angefallen. Die Gemeinschuldnerin sei für die Beklagten überhaupt nicht tätig geworden. Insbesondere habe sie Gewinne aus für sie besorgten Börsengeschäften nicht erzielt, sondern ihnen nur vorgespiegelt. Indessen sei für die Frage, ob ein Gegenwert in das Vermögen des Gemeinschuldners geflossen sei, in erster Linie der objektive Sachverhalt maßgebend. Ferner sei anerkannt, dass der Begriff der unentgeltlichen Verfügung zum Schutz der Gläubiger „eine weitgehende Ausdeutung“ erfordere183 und insbesondere eine Einigung über die Unentgeltlichkeit nicht verlange. Dann könne auch der von den tatsächlichen Gegebenheiten und dem wirklichen Willen des Gemeinschuldners abweichende 180 BGH v. 10.2.2011 – IX ZR 18/10, ZIP 2011, 674. 181 BGH v. 9.12.2010 – IX ZR 60/10, ZIP 2011, 390 (mit zust. Anm. Kirstein, EWiR 2011, 291). 182 BGH v. 22.4.2010 – IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253 (mit zust. Anm. Hofmann, EWiR 2010, 619); v. 22.4.2010 – IX ZR 160/09, ZIP 2010, 1457. 183 BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182 (1184).

1058 Kummer

VI. Rckgewhr unentgeltlicher Leistungen (§ 143 Abs. 2 InsO)

Rz. 138 P

objektive Erklärungswert seines Handelns für die Frage der Entgeltlichkeit einer von ihm erbrachten Leistung im Anfechtungsrecht allein nicht ausschlaggebend sein. Im Ergebnis bestehe gleichwohl kein anfechtungsrechtlicher Rückgewähran- P 135 spruch. Die Gemeinschuldnerin hätte, wenn sie nicht in Konkurs gefallen wäre, die Zahlung nicht zurückfordern können, weil sie wusste, dass sie nicht verpflichtet war, Gewinne an die Beklagten auszuschütten, die sie gar nicht erzielt hatte (§ 814 BGB). Gäbe es diese Norm aber nicht und hätte der Gemeinschuldnerin ein Bereicherungsanspruch zugestanden, so hätten die Beklagten, wenn der Konkursverwalter ihn geltend gemacht hätte, hiergegen mit ihrem vor Konkurseröffnung entstandenen Anspruch (aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, aus Verschulden bei Vertragsschluss oder nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung aus § 812 BGB) auf Rückzahlung des Einschusses aufrechnen können. Dann wäre ein anfechtungsrechtlicher Rückgewähranspruch des Klägers ausgeschlossen, da Anhaltspunkte für eine Anfechtungsmöglichkeit nach §§ 30 und 31 KO fehlen. Dieses Ergebnis könne sich allein wegen § 814 BGB nicht zu Lasten des Beklag- P 136 ten ändern. Diese Norm beruhe auf dem Gedanken der Unzulässigkeit widersprüchlichen Verhaltens. Sie wolle den Leistenden benachteiligen, während der Empfänger darauf vertrauen dürfe, dass er eine Leistung, die bewusst zur Eröffnung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit erbracht worden ist, behalten darf.184 Im Streitfall wirke sich § 814 BGB aber entgegen seinem Normzweck zum Nachteil des Empfängers aus. Dies sei auch durch den Gedanken des Gläubigerschutzes im Anfechtungsrecht nicht zu rechtfertigen. Vielmehr erscheine es zur Vermeidung eines Normwiderspruchs im Interesse der Einheit der Rechtsnorm geboten, den Anfechtungsgegner so zu stellen, als hätte er nach § 55 KO aufrechnen können. Dann stünde dem Kläger ein Rückgewähranspruch nach § 37 Abs. 1 KO nicht zu. BGH-Urteil vom 11.12.2008 – BGHZ 179, 137 Dort hatte die Schuldnerin ihren Kunden die Möglichkeit angeboten, am Erfolg P 137 oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Der Beklagte erklärte seinen Beitritt. Tatsächlich erlitt die Schuldnerin im Zeitraum seiner Beteiligung Verluste. Um diese zu verschleiern, leitete sie den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden nur zu einem geringen Teil und später überhaupt nicht mehr in Termingeschäften angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines Schneeballsystems für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden. Nach der Insolvenz der Schuldnerin forderte der Insolvenzverwalter die Auszahlungen zurück, die der Beklagte erhalten hatte. Der BGH bestätigt zunächst, dass der Insolvenzverwalter die Auszahlung von Scheingewinnen, die der spätere Insolvenzschuldner im Schneeballsystem „er184 BGH v. 18.1.1979 – VII ZR 165/78, BGHZ 73, 202 (205). Kummer

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P 138

P Rz. 138

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

zielt“ hat, als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten könne. Die einschlägige Rechtsprechung insbesondere in BGHZ 113, 98 sei jedenfalls insoweit überwiegend auf Zustimmung gestoßen, als hiernach einseitigen Vorstellungen des Leistungsempfängers über eine Entgeltlichkeit der Leistung selbst dann keine Bedeutung zukommt, wenn es der Schuldner war, der den Irrtum hervorgerufen hat. P 139 Nach der InsO könne der Beklagte indessen nicht mehr so gestellt werden, als könne er mit seinen Schadensersatzansprüchen gegen den Rückgewähranspruch aufrechnen. Vielmehr habe sich die Rechtslage in dem hier maßgeblichen Punkt geändert. Nunmehr werde durch § 814 BGB kein Normwiderspruch mehr hervorgerufen. Auch wenn es diese Vorschrift nicht gäbe und sich bereits vor Insolvenzeröffnung ein Bereicherungsanspruch der Schuldnerin und der Schadensersatzanspruch des Beklagten gegenübergestanden hätten, wäre eine wirksame Aufrechnung nicht in Betracht gekommen. Dies beruhe auf § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO. P 140 Nach der Rechtsprechung zur KO sei nur der Gesamtvorgang aus Herstellung der Aufrechnungslage und Aufrechnung anfechtbar gewesen.185 Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO könne aber die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, selbständig angefochten werden. Anders als nach § 55 Satz 1 Nr. 3 KO komme es für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch nicht mehr darauf an, in welcher zeitlichen Reihenfolge die gegenseitigen Forderungen entstanden sind. Nach der Rechtsprechung zur KO sei die Anfechtung nur unter den Voraussetzungen des § 30 oder des § 31 KO möglich gewesen.186 Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO kämen indessen alle Anfechtungstatbestände in Betracht, auch die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO. Danach wäre eine Aufrechnung durch den Beklagten auch dann insolvenzrechtlich unwirksam, wenn der Schuldnerin ein nicht an § 814 BGB scheiternder Bereicherungsanspruch zugestanden hätte. Der in BGHZ 113, 98 angenommene Wertungswiderspruch sei durch die InsO beseitigt worden. P 141 Auch aus anderen Gründen sei die Einschränkung des Rückgewähranspruchs nicht zu rechtfertigen. Der Normzweck des § 814 BGB als solcher fordere keine Einschränkung. Die Insolvenzanfechtung eröffne dem Insolvenzverwalter eine Rückforderungsmöglichkeit, die nach dem materiellen Recht dem Verfügenden selbst verwehrt ist. Eine Einschränkung dieses originären gesetzlichen Anspruchs allein durch Normzweck des § 814 BGB sei abzulehnen. P 142 Gegen die Einbeziehung der Wertungen des § 814 BGB spreche schließlich der insolvenzrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger. Damit sei unvereinbar, dass in Schneeballsystemen die früheren Gläubiger, an die zur Aufrechterhaltung des Systems Ausschüttungen geleistet wurden, besser gestellt werden als diejenigen, die ihre Einlagen erst später erbringen und infolge des bald danach eintretenden Zusammenbruchs der Gesellschaft leer ausgehen.

185 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, BGHZ 58, 108 (113 f.). 186 BGH v. 2.2.1972 – VIII ZR 152/70, BGHZ 58, 108 (113 f.).

1060 Kummer

VI. Rckgewhr unentgeltlicher Leistungen (§ 143 Abs. 2 InsO)

Rz. 146 P

BGH-Urteil vom 22.4.2010 – ZIP 2010, 1455 Hiernach erstreckt sich der aus der Anfechtung von Ausschüttungen im Rahmen P 143 eines Schneeballsystems resultierende Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters mangels Unentgeltlichkeit nicht auf Auszahlungen, mit denen – etwa nach einer Kündigung der Mitgliedschaft in der Anlegergemeinschaft – vom Anleger erbrachte Einlagen zurückgewährt worden sind. In den Entscheidungsgründen definiert der BGH zunächst noch einmal, dass eine P 144 unentgeltliche Verfügung vorliegt, wenn ein Vermögenswert des Schuldners zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Schuldner ein entsprechender Gegenwert zufließen soll. Entgeltlich ist dagegen eine Verfügung, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte. Erhalte der Anleger, der sich an einem nach dem Schneeballsystem konzipier- P 145 ten betrügerischen Kapitalanlagemodell beteiligt hat, Auszahlungen, die sowohl auf Scheingewinne als auch auf die Einlage geleistet werden, so seien diese nur gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit es um Auszahlungen auf Scheingewinne geht. Auszahlungen auf die Einlage – etwa nach einer Kündigung der Beteiligung – seien mangels unentgeltlicher Leistung nicht anfechtbar. Die Rückzahlung der Einlage stelle in diesen Fällen den Gegenwert für die vom Anleger erbrachte Einlage dar. Durch die Auszahlung verliere der Anleger seinen Anspruch auf Rückzahlung der (noch vorhandenen) Einlage; darin liege seine Gegenleistung. BGH-Urteil vom 22.4.2010 – ZIP 2010, 1253 Hiernach ist der aus der Anfechtung der Auszahlung von Scheingewinnen resul- P 146 tierende Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters nicht mit den als Einlage des Anlegers erbrachten Zahlungen zu saldieren. Zur Begründung wird ausgeführt, im Insolvenzrecht sei die Saldotheorie nur eingeschränkt anwendbar. Ein nichtiger Vertrag solle in der Insolvenz des Vertragspartners keine stärkeren Wirkungen äußern als ein rechtsgültiger.187 Die Saldotheorie biete keine Grundlage dafür, Forderungen, die ohne eine Saldierungsmöglichkeit Insolvenzforderungen wären, zu Masseforderungen zu erheben. Leistungen, die nicht in einem synallagmatischen Verhältnis stehen, sollten nicht durch Saldierung in ein Gegenseitigkeitsverhältnis gebracht werden können, welches dem anderen Teil mehr Rechte verschafft als ihm nach Insolvenzrecht zustünden.

187 BGH v. 20.12.2001 – IX ZR 401/99, BGHZ 149, 326 (333 f.). Kummer

1061

P Rz. 147

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

P 147 Diese Grenzen der Saldotheorie müssten auch gelten, wenn es bei der Rückforderung ausgezahlter Scheingewinne um die Berücksichtigung der erbrachten Einlage des Anlegers geht. Die Einlage sei Gegenleistung für die vom Anleger erworbene Beteiligung. Ob überhaupt Beträge ausgezahlt werden können, hänge davon ab, ob Gewinne erzielt werden. Beruhe – wie vorliegend – das gesamte Anlagemodell auf einer Täuschung der Anleger, so könne ein innerer Zusammenhang zwischen der Einzahlung der Anlage und der Ausschüttung von Scheingewinnen erst recht nicht angenommen werden. Diese diene vielmehr dem Zweck, das System in Gang zu halten, um die Beteiligung für neue Anleger interessant zu machen. P 148 Gegen die Möglichkeit einer Saldierung spreche auch der insolvenzrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger. Die Saldierung würde dazu führen, dass in betrügerischen Anlagesystemen die Gläubiger mit älteren Forderungen, an die zur Aufrechterhaltung des Schneeballsystems Ausschüttungen geleistet werden, besser gestellt werden als diejenigen, die ihre Einlage erst später erbringen und die infolge des bald danach eingetretenen Zusammenbruchs der Gesellschaft leer ausgehen. Erstere dürften die von ihnen erbrachte Einlagezahlung auf die ihnen geleisteten „Ausschüttungen“ verrechnen und damit diese selbst dann behalten, wenn sie innerhalb der Anfechtungsfrist geleistet worden sind. P 148a Ebenso unentgeltlich erlangt und nach den gleichen Grundsätzen zurückzugewähren sind Provisionen für die Vermittlung solcher Kapitalanlagen, soweit sie auf der Einbeziehung von Scheingewinnen beruhen. Da das Anlagemodell wegen seines betrügerischen Charakters von vornherein keine tatsächlichen Gewinne erwirtschaftet hat, waren auch die Betreuungsdienste des Vermittlers objektiv ohne Wert.188 6. Haftungssystem für den bösgläubigen Empfänger P 149 Dieser haftet wie der Empfänger einer entgeltlichen Leistung. Dies ist der Inhalt des § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO. P 150 Die Haftung beginnt, sobald er den bösen Glauben erlangt (dazu oben Rz. P121 ff.). Die Darlegungs- und Beweislast für den bösen Glauben des Anfechtungsgegners liegt beim Insolvenzverwalter.189 P 151 Demgemäß kann der Fall eintreten, dass der Anfechtungsgegner erst geraume Zeit nach dem Empfang der anfechtbaren Leistung bösgläubig wird. Dann wird eine Zäsur erforderlich. Er hat nicht herauszugeben, worum er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bereichert war. Verwendungen vor diesem Zeitpunkt mindern seine Bereicherung stets; spätere nur, soweit § 994 Abs. 2 BGB eine Ersatzpflicht des Eigentümers hierfür begründet.

188 BGH v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, ZIP 2011, 484 Rz. 13; BGH v. 22.9.2011 – IX ZR 209/10, ZIP 2011, 2264 Rz. 14. 189 MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 118; HK-InsO/Kreft, § 143 Rz. 33.

1062 Kummer

VII. Rckgewhr bei gesellschafterbesicherten Drittdarlehen

Rz. 155 P

VII. Rückgewähr bei gesellschafterbesicherten Drittdarlehen an eine Gesellschaft (§ 143 Abs. 3 InsO) 1. Allgemeines Es handelt sich um eine spezielle Vorschrift, die an die Anfechtung aus § 135 P 152 Abs. 2 InsO anknüpft und für diesen Fall die Rückgewähr regelt. Sie ist ebenso wie § 135 Abs. 2 durch das MoMiG in die InsO eingefügt worden, wohin sie auch gehört.190 Die vorhergehende Bestimmung war § 32b GmbHG a.F. Darüber hinaus hatten die fortgeführten191 Rechtsprechungsregeln zu §§ 30 und 31 GmbHG a.F. der Gesellschaft einen Freistellungsanspruch gegen den Gesellschafter gegeben, der für einen Drittkredit unter den Voraussetzungen des Kapitalersatzes eine Sicherheit gestellt hatte;192 dieser Freistellungsanspruch war unabhängig von der bei §§ 32a und 32b GmbHG a.F. vorgesehenen Jahresfrist und unabhängig davon, ob ein Anfechtungstatbestand verwirklicht war. Nach der Übergangsvorschrift in Art. 103d EGInsO gilt die Neuregelung für alle P 153 Insolvenzverfahren, die ab 1.11.2008 eröffnet worden sind. Allerdings sind auch in diesen Verfahren auf Rechtshandlungen aus der Zeit vor dem 1.11.2008 die bis dahin geltenden Vorschriften der InsO über die Anfechtung anzuwenden, soweit danach die Rechtshandlungen der Anfechtung entzogen oder in geringerem Maße unterworfen waren. Dies gilt mithin insbesondere für die Fälle, in denen die Gesellschaft ein gesellschafterbesichertes Drittdarlehen zurückgezahlt hat, welches nicht eigenkapitalersetzender Natur gewesen war; sie waren von §§ 32a und 32b GmbHG a.F. nicht erfasst.193 2. Anknüpfung an § 135 Abs. 2 InsO Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, mit der eine Gesellschaft einem P 154 Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem Antrag Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Darlehensforderung eine Sicherheit gestellt hatte oder als Bürge haftete. Der Tatbestand ist also dadurch gekennzeichnet, dass ein Gesellschafter das Darlehen eines Dritten an die Gesellschaft durch eine Sicherheit aus seinem eigenen Vermögen, auch seine Bürgschaft, abgesichert hat (gesellschafterbesichertes Drittdarlehen, mittelbares Gesellschafterdarlehen) und die Gesellschaft das Darlehen in der Krise an den Dritten zurückzahlt. Der Darlehensrückzahlung gleichgestellt sind Leistungen der Gesellschaft auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen, etwa gestundete

190 Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rz. 180. Hinsichtlich des früheren Rechtszustandes rechnet der BGH die Novellenregeln, nicht aber die Rechtsprechungsregeln zum Insolvenzrecht, insbesondere im Sinne von Art. 4 EuInsVO: BGH v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10, ZIP 2011, 1775 Rz. 27 ff. 191 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370. 192 BGH v. 9.12.1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 108. 193 Altmeppen, ZIP 2011, 641 (647). Kummer

1063

P 155

P Rz. 155

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

Forderungen194 und Leasingraten beim Finanzierungsleasing.195 Den Gesellschaftern gleich zu behandeln sind Mittelspersonen (mittelbare Stellvertreter, verbundene Unternehmen) und gesellschaftergleiche Dritte (namentlich Treugeber, Unterbeteiligte und Nießbraucher). Insoweit sollte die Neuregelung an § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbH196 nichts ändern.197 P 155a Der BGH wendet die §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 Satz 1 InsO analog auf den Fall an, dass eine am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt wird; dann ist der Gesellschafter verpflichtet, den an den Gläubiger ausgekehrten Betrag zur Insolvenzmasse zu erstatten.198 BGH-Urteil v. 1.12.2011 – ZIP 2011, 2417 P 155b Zur Sicherung von Krediten, die die Sparkasse dem Schuldner gewährte, hatte der beklagte Gesellschafter Grundschulden an ihm allein gehörenden Grundstücken bestellt; die Kredite waren außerdem durch Sicherungseigentum an Fahrzeugen der Schuldnerin gesichert (sog. Doppelsicherung an Gesellschaftsund Gesellschaftervermögen). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft verwertete der Insolvenzverwalter die Fahrzeuge und verlangte vom Gesellschafter die Erstattung des hiernach an die Sparkasse ausgezahlten Betrages. P 155c

Der BGH hat der Klage stattgegeben. Er hat für den Fall der Verwertung einer der beiden Sicherheiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Regelungslücke angenommen, weil sich § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wegen § 129 InsO nur auf die Befriedigung von Darlehensforderungen vor Eröffnung des Verfahrens bezieht und § 44a InsO dem Gläubiger ein Wahlrecht zwischen der Befriedigung aus einer der beiden Sicherheiten einräumt, das nicht ohne eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers im Sinne einer Pflicht zur vorrangigen Verwertung der Gesellschaftersicherheit eingeschränkt werden kann. Der BGH löst den Fall durch analoge Anwendung des § 135 Abs. 2 und des § 143 Abs. 3 InsO, der nach seinem Kerngehalt nur verlangt, dass Mittel der Gesellschaft aufgewendet worden sind und die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit hierdurch frei geworden ist. Damit überwindet der BGH auch die durch § 129 Abs. 1 InsO gesetzte zeitliche Schranke.

P 156 Als Gesellschaft in Betracht kommen alle Gesellschaften mit Haftungsbeschränkungen, also neben der GmbH alle anderen Kapitalgesellschaften mit Haftungs-

194 Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rz. 110. 195 BGH v. 22.10.1990 – II ZR 248/89, ZIP 1990, 1593; Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rz. 117. 196 Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rz. 142 bis 153. 197 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2148) anhand der amtlichen Begründung. 198 BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, ZIP 2011, 2417.

1064 Kummer

VII. Rckgewhr bei gesellschafterbesicherten Drittdarlehen

Rz. 161 P

beschränkungen sowie die Genossenschaft, ferner atypische Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet.199 Dass das Darlehen ein eigenkapitalersetzendes sein muss, wird in § 135 Abs. 2 P 157 InsO nicht mehr verlangt.200 Mithin kommt es auf das Merkmal der Krise im Zeitpunkt der Gewährung oder des Belassens des Darlehens nicht mehr an. Indessen ist der Unterschied deshalb nicht groß, weil nunmehr die Jahresfrist des § 135 Abs. 2 InsO die unwiderlegliche Vermutung einer Krisenfinanzierung begründet.201 3. Anfechtungsanspruch Anfechtbar ist die Rechtshandlung der Gesellschaft, die dem Darlehensgeber P 158 Befriedigung gewährt (§ 135 Abs. 2 InsO). Zur Rückgewähr verpflichtet ist aber der Gesellschafter, der das Darlehen besichert hatte (§ 143 Abs. 3 Satz 1 InsO). Rückgängig gemacht wird die Befreiung des Gesellschafters von seiner (potentiellen) Haftung, die durch die Leistung der Gesellschaft an den Dritten eingetreten ist.202 Der BGH hat dem Kapitalerhaltungsgrundsatz bei „folgerichtiger Fortent- P 159 wicklung des Rechtsgedankens der §§ 30, 31 GmbHG a.F. und der dazu ergangenen Rechtsprechung“ (Rechtsprechungsregeln) entnommen und durch § 32b GmbHG a.F. bestätigt gefunden, dass ein ordentlicher Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise Eigenkapital zugeführt, zumindest aber das Darlehen aus eigenen Mitteln getilgt hätte.203 Nachdem die Beschränkung auf eigenkapitalersetzende Darlehen weggefallen ist, wird die Anfechtbarkeit aus dem Prinzip der Haftungsbeschränkung selbst gerechtfertigt, dessen missbräuchlicher Ausnutzung durch den Gesellschafter begegnet werden soll.204 Demgemäß ist die Anfechtungsklage gegen den Gesellschafter zu richten. Er P 160 hat die Leistung der Gesellschaft in die Masse zu erstatten. Der außenstehende Darlehensgeber bleibt befriedigt.205 BGH-Urteil vom 22.12.2005 – ZIP 2006, 243 Danach kann, wenn die schuldende GmbH mit Mitteln des Gesellschafts- P 161 vermögens einen von einem Gesellschafter eigenkapitalersetzend besicherten Kredit tilgt und sie anschließend vorgefasster Absicht gemäß nach Sitzver-

199 200 201 202 203

BGH v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, ZIP 2011, 2417. Vgl. hierzu und zum Folgenden: Habersack, ZIP 2007, 2145. Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602 f.) und ZIP 2011, 741 (747). Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rz. 156 f. Grundlegend BGH v. 13.7.1981 – II ZR 256/79, BGHZ 81, 252 (259 f.); später etwa BGH v. 9.12.1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 108; v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, ZIP 2006, 243 (244). 204 Habersack, ZIP 2007, 2145 (2147). 205 Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, §§ 32a/b GmbHG, Rz. 157. Kummer

1065

P Rz. 161

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

legung ins Ausland sofort still liquidiert wird, eine anfechtbare Rechtshandlung der Schuldnerin darin bestanden haben, dass sie es unterlassen hat, einen Anspruch auf Freistellung oder Erstattung nach den Rechtsprechungsregeln zum Kapitalersatzrecht gegen ihren Gesellschafter geltend zu machen. P 162 Die Entscheidung ist zum Anfechtungsgesetz ergangen. Der Kläger hatte einen Titel gegen die GmbH erwirkt, deren Gesellschafter die Beklagte zu 1) und der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2) waren. Die GmbH hatte einen Kontokorrentkredit zurückgeführt, für den die Beklagte zu 1) Grundschulden bestellt und der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2) die persönliche Mithaft übernommen hatte. Im folgenden Monat veräußerten sämtliche Gesellschafter der GmbH ihre Geschäftsanteile an einen gewissen G., damit dieser die Schuldnerin in Spanien „verschwinden“ lasse. Dieser wurde zum neuen Geschäftsführer bestellt, verlegte den Sitz der Schuldnerin nach Spanien und stellte ihren Geschäftsbetrieb ein. Vollstreckungsversuche des Klägers waren vergeblich. Der BGH hält die Gläubigeranfechtung für begründet, falls, was noch zu klären blieb, die Besicherung des getilgten Darlehens kapitalersetzend im Sinne der § 30, 31 GmbHG a.F. gewesen ist. P 163 Dann liegt eine Rechtshandlung der Schuldnerin (GmbH) darin, dass sie es unterlassen hat, einen Anspruch auf Freistellung oder Erstattung entsprechend § 30, 31 GmbHG a.F. gegen die Gesellschafter geltend zu machen. Dieser Anspruch ergab sich aus der Darlehenstilgung und dem dadurch ausgelösten Freiwerden der von den Gesellschaftern gestellten Sicherheiten. Nach dem fortbestehenden richterrechtlich entwickelten Kapitalersatzrecht (sogenannte Rechtsprechungsregeln) stelle eine Rückführung des gesellschaftergesicherten Kredits aus Mitteln des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögens eine Auszahlung an den besichernden Gesellschafter dar, die nach § 31 Abs. 1 GmbHG eine Erstattungspflicht auslöst. Der Begriff der Gesellschaftersicherheit sei weit zu verstehen. Es fielen alle Arten dinglicher und persönlicher Absicherung darunter. In einem solchen Fall sei der Gesellschafter sogar gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, es gar nicht erst zu der Auszahlung kommen zu lassen. Demgemäß habe er die Gesellschaft von der Rückzahlungsforderung des Darlehensgebers freizustellen.206 Die Schuldnerin habe es unterlassen, diesen Freistellungs- oder Ersatzanspruch geltend zu machen. Unterlassungen stünden anfechtungsrechtlich den Rechtshandlungen gleich (§ 1 Abs. 2 AnfG, § 129 Abs. 2 InsO). P 164 Der Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung folge bereits aus dem Vortrag der Beklagten, die Gesellschaft habe beseitigt werden sollen, um so alle Verbindlichkeiten zu „erledigen“. Die objektive Benachteiligung liege auch dann vor, wenn durch die Rechtshandlung der Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert wird. Davon sei hier – insbesondere im Hinblick auf den Erstattungsanspruch der GmbH gegen ihre Gesellschafter – auszugehen, denn durch ihr „Verschwindenlassen“ sei sie faktisch nicht mehr existent. Die

206 BGH v. 9.12.1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 108.

1066 Kummer

VII. Rckgewhr bei gesellschafterbesicherten Drittdarlehen

Rz. 168 P

zur Vollstreckung in diesen Anspruch erforderliche Nachtragsliquidation begegne zumindest erheblichen Schwierigkeiten. 4. Beschränkungen Schon aus § 135 Abs. 2 InsO ergibt sich die Einschränkung, dass die Anfech- P 165 tung nur auf solche Leistungen der Gesellschaft gestützt werden kann, mit der sie den Darlehensgeber im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem Antrag (bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens) befriedigt hat. Nach § 143 Abs. 3 Satz 2 InsO kann der Gesellschafter nur bis zur Höhe des Be- P 166 trages in Anspruch genommen werden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der Sicherheit bei Rückzahlung des Darlehens entsprach. Dies war so bereits in § 32b Satz 2 GmbHG a.F. geregelt und beruht auf der Überlegung, dass der Gesellschafter nicht besser, aber auch nicht schlechter stehen soll, als wenn er aus der Bürgschaft oder der sonstigen Sicherheit in Anspruch genommen worden wäre. Unerheblich ist die Zahlungsfähigkeit des Gesellschafters als Bürgen.207 Der Gesellschafter hat die Beweislast für den – hinter der Darlehensforderung zurückbleibenden – Wert seiner Sicherheit.208 Indessen ist nicht nur die Verpflichtung des Gesellschafters aus § 143 Abs. 3 P 166a Satz 1 auf die Höhe der Bürgschaft bzw. den Wert der Sicherheit begrenzt, sondern die Eintrittspflicht des Gesellschafters insgesamt. Führt also die Gesellschaft das besicherte Drittdarlehen nur teilweise zurück und kann es deshalb weiterhin zur Inanspruchnahme des Gesellschafters durch den Gläubiger der Gesellschaft kommen, so darf die Summe aus dem Anspruch gemäß § 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 InsO und der fortbestehenden Verpflichtung des Gesellschafters aus der Sicherheit dessen ohne die teilweise Rückführung bestehende Verpflichtung nicht überschreiten.209 Nach § 143 Abs. 3 Satz 3 InsO wird der Gesellschafter von der Verpflichtung P 167 frei, wenn er der Masse das Sicherungsgut zur Verfügung stellt. Dies entspricht § 32b Satz 3 GmbH a.F. Die Vorschrift begründet eine Ersetzungsbefugnis des Gesellschafters.210 Der Rückgewähranspruch entfällt aber nicht dadurch, dass der Darlehensgeber P 167a den Gesellschafter aus der Sicherheit entlässt.211 BGH-Urteil vom 2.6.1997 – NJW 1997, 3171 Der Kläger war Konkursverwalter über das Vermögen einer GmbH, die Beklag- P 168 ten deren Gesellschafter. Sie hatten Bürgschaften für Kredite an die GmbH übernommen; diese Bürgschaften hat der BGH als eigenkapitalersetzende Leis-

207 208 209 210 211

Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rz. 187. Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rz. 187. BGH v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629. Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rz. 188. BGH v. 2.6.1997 – II ZR 211/95, NJW 1997, 3171 (3172). Kummer

1067

P Rz. 168

§ 143 InsO – Rechtsfolgen

tungen gewertet. In den sieben Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zahlte die GmbH aus eigenen Mitteln die Darlehen teilweise zurück. Die Gesellschafter, aus §§ 32a und 32b GmbHG und nach den Rechtsprechungsregeln zu §§ 30 und 31 GmbHG auf Erstattung zur Masse in Anspruch genommen, wandten ein, die Bank habe die Bürgschaften teilweise schon freigegeben, noch bevor die Gemeinschuldnerin die Tilgungsleistungen erbracht habe. P 169 Diesen Einwand hat der BGH nicht gelten lassen. Die Beklagten seien durch die Tilgungsleistungen der Gesellschaft nicht befreit worden. Da ihre Bürgschaften eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hatten, seien sie gehalten gewesen, die Gemeinschuldnerin von der Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung freizustellen.212 Hätten sie dies getan, so hätten sie keinen Rückgriff nehmen können. Im Innenverhältnis hätten also die Beklagten in Höhe der jeweils gewährten Sicherheit für die Rückzahlung der Darlehen aufkommen müssen. Daran habe die Freigabe der Sicherheiten nichts geändert. Die kreditgebende Bank habe zwar auf ihre Rechte aus den Bürgschaften verzichten können, die Beklagten jedoch nicht von der Verantwortung entlasten können, die sie (gegenüber der GmbH) mit ihren eigenkapitalersetzenden Leistungen übernommen hatten.

VIII. Auskunftsanspruch P 170 Der Insolvenzverwalter ist primär auf die Aufklärungsmöglichkeiten verwiesen, die ihm die InsO gegen den Schuldner gewährt (§§ 55 Abs. 1, 97–99, 101 InsO). Als weitere Informationsquelle kommen landesrechtliche Informationszugangsgesetze in Betracht, die allerdings ein Verwaltungsverfahren vorsehen.213 P 171 Ansonsten kann gegen Dritte ein Auskunftsanspruch nur auf der Grundlage des § 242 BGB bestehen; er setzt also eine Sonderbeziehung voraus.214 Demgemäß versagt die Rechtsprechung dem Verwalter einen solchen Anspruch gegenüber Personen, die nur im Verdacht stehen, sie könnten etwas vom Insolvenzschuldner in anfechtbarer Weise erworben haben.215 Vielmehr ist der Anfechtungsgegner zur Auskunft nur verpflichtet, wenn der Rückgewähranspruch ihm gegenüber dem Grunde nach feststeht und nur der Anspruchsinhalt noch offen ist, es also nur noch um dessen nähere Bestimmung nach Art und Umfang geht.216 Sind einzelne anfechtbare Rechtshandlungen festgestellt, so begründet dies keinen Auskunftsanspruch zu weiteren selbstständigen Rechtshandlungen.217 In ande-

212 BGH v. 9.12.1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 108. 213 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZIP 2000, 1823 für Sachsen-Anhalt; MK-InsO/ Kirchhof, § 143 Rz. 146. 214 Jaeger/Henckel, 9. Aufl., § 143 Rz. 165. 215 BGH v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZIP 2009, 1823 (mit zust. Anm. Blank, EWiR 2010, 27). 216 BGH v. 6.6.1979 – VIII ZR 255/78, BGHZ 74, 379; v. 21.1.1999 – IX ZR 429/97, ZIP 1999, 316 (mit Anm. Gerhardt, EWiR 1999, 367); MK-InsO/Kirchhof, § 143 Rz. 14a. 217 BGH v. 15.1.1987 – IX ZR 4/86, ZIP 1987, 244; v. 13.8.2009 – IX ZR 58/06, ZIP 2009, 1823.

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IX. Prozessfhrung

Rz. 172 P

ren Rechtsbereichen macht die Rechtsprechung hiervon aber eine Ausnahme für den Fall, dass eine große Wahrscheinlichkeit für weitere inhaltlich vergleichbare oder ergänzende Handlungen besteht.218

IX. Prozessführung Zur gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs, zur Beweislast und zu den möglichen Einwendungen des Anfechtungsgegners ist bereits oben bei § 129 InsO (Rz. B633 ff., B698 und B715 ff.) ausgeführt.

218 BGH v. 13.8.1985 – I ZR 35/83, BGHZ 95, 285 (292). Kummer

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P 172

Q. § 144 InsO – Ansprüche des Anfechtungsgegners § 144 Ansprüche des Anfechtungsgegners (1) Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf. (2) Eine Gegenleistung ist aus der Insolvenzmasse zu erstatten, soweit sie in dieser noch unterscheidbar vorhanden ist oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist. Darüber hinaus kann der Empfänger der anfechtbaren Leistung die Forderung auf Rückgewähr der Gegenleistung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Rz. I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . .

Q1

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Q2

III. Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners (§ 144 Abs. 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . . .

Q5

Rz. IV. Vertragliche Gegenleistung (§ 144 Abs. 2 InsO). . . . . . . . . . . . . .

Q12

I. Gesetzgebungsgeschichte Q 1 § 144 Abs. 1 InsO entspricht § 39 KO, § 144 Abs. 2 InsO dem § 38 KO.

II. Allgemeines Q 2 Die Vorschrift ergänzt § 143 InsO. Sie regelt in Abs. 1 für den Fall, dass der Empfänger der anfechtbaren Leistung den Rückgewähranspruch erfüllt, das Schicksal seiner Forderung, aufgrund deren die anfechtbare Leistung bewirkt worden war. Danach lebt die Forderung des Anfechtungsgegners wieder auf. Hat er seine eigene Gegenleistung bereits erbracht und strebt er deren Rückgewähr an, so hat er hierauf nur eine Insolvenzforderung; dies rechtfertigt sich dadurch, dass er eine Vorleistung erbracht hat, für die er das Insolvenzrisiko tragen muss.1 In weiterer Konsequenz greift § 144 Abs. 1 InsO nur ein, wenn die der angefochtenen Leistung zugrundeliegende Verpflichtung ihrerseits nicht anfechtbar war oder nicht angefochten worden ist.2 Q 3 Für den Fall der Anfechtung des Vertrages selbst regelt Abs. 2 das Schicksal einer vom Anfechtungsgegner erbrachten Gegenleistung. Nach Abs. 2 Satz 1 ist diese aus der Masse zu erstatten, soweit sie dort noch unterscheidbar vorhanden oder die Masse um ihren Wert bereichert ist; damit soll eine Bereicherung der Masse ausgeschlossen werden. Nach Abs. 2 Satz 2 hat der Anfechtungsgeg-

1 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 5. 2 HK-InsO/Thole, § 144 Rz. 2; MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 5a.

1070 Kummer

III. Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners

Rz. 5b Q

ner aber, falls keine dieser beiden Voraussetzungen besteht, hinsichtlich der Rückgewähr seiner Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung. Die beiden Absätze schließen sich gegenseitig aus. Nach überwiegender Auffas- Q 4 sung in der Literatur3 greift Abs. 2 nur ein, wenn der Abschluss eines schuldrechtlich verpflichtenden Vertrages selbst angefochten worden ist. Dies ist etwa bei § 132 Abs. 2 InsO der Fall, kann aber auch bei den anderen Anfechtungstatbeständen, insbesondere § 132 Abs. 1 und § 133 InsO, eintreten, wenn die Insolvenzgläubiger wegen des Inhalts der vertraglichen Verpflichtungen schon durch den Vertragsabschluss selbst benachteiligt werden. Wird dagegen die Leistung angefochten, die zur Erfüllung des gegenseitigen Vertrages erbracht worden ist, so fällt dies unter § 144 Abs. 1 InsO.

III. Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners (§ 144 Abs. 1 InsO) Voraussetzung ist, dass er die zunächst empfangene, erfolgreich angefochtene Q 5 Leistung des Insolvenzschuldners tatsächlich zur Masse zurückgewährt hat.4 Es reicht nicht, dass er sich zur Rückgewähr verpflichtet hat oder dazu verurteilt worden ist.5 Entsprechendes gilt, wenn die gesicherte Forderung nicht durch Leistung des Schuldners, sondern durch Verwertung einer von ihm anfechtbar gestellten Sicherheit getilgt und der Verwertungserlös an den Anfechtenden herausgegeben worden ist.6 Entsprechendes gilt auch, wenn der Empfänger einer mittelbaren Leistung das Erlangte aufgrund des Gesamtschuldnerausgleichs an den als mithaftenden Anfechtungsgegner in Anspruch genommenen Leistungsmittler herausgegeben hat.7 BGH-Urteil vom 8.1.2015 – ZIP 2015, 485 Der Grundstücksverkäufer, dessen Kaufpreisforderung durch Zahlungen eines Q 5a Dritten erfüllt worden ist, welche der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Dritten nach Verfahrenseröffnung angefochten hat, kann dem Grundstückskäufer erst dann eine Frist zur Erfüllung der wieder aufgelebten Kaufpreisforderung setzen und den Rücktritt vom Vertrag androhen, wenn der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch erfüllt ist. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma E hatte Massegrundstü- Q 5b cke an die Beklagte verkauft; zugunsten der Beklagten wurde eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Einen Teil des Kaufpreises zahlte deren Tochtergesell3 Eingehend Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 4 ff.; ferner Jaeger/Henckel, § 144, Rz. 23; MK-InsO/ Kirchhof, § 144 Rz. 13; HK-InsO/Thole, § 144 Rz. 4. 4 BGH v. 8.1.2015 – IX ZR 300/13, ZIP 2015, 485 mit zust. Anm. Bürk, EWiR 2015, 253; v. 4.2.2016 – IX ZR 42/14, ZIP 2016, 478, Rz. 29. 5 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 10. 6 Ganter, WM 2011, 245 mit Hinweis auf RGZ 86, 99 (102). 7 BGH v. 26.4.2012 – IX ZR 76/11, ZIP 2012, 1038 Rz. 15; dazu auch oben Rz. P65a bis P65c. Kummer

1071

Q Rz. 5b

§ 144 InsO – Ansprche des Anfechtungsgegners

schaft A. Diese wurde ebenfalls insolvent; deren Insolvenzverwalter focht die Zahlungen gegenüber dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma E an. Dieser hatte kurz zuvor die Grundstücke erneut verkauft, und zwar an die Kläger; zu deren Gunsten wurde ebenfalls eine Auflassungsvormerkung (nachrangig) eingetragen. Kurz darauf trat er im Hinblick auf die erklärte Anfechtung vom Kaufvertrag mit der Beklagten zurück. Q 5c

Die Kläger verlangten von der Beklagten die Löschung von deren Auflassungsvormerkung und scheiterten damit bei OLG und BGH. Der IX. Zivilsenat handelt dies in seinem Urteil vom 8.1.2015 geradezu schulmäßig ab. Danach entfaltet die Vormerkung zugunsten der Kläger insoweit zwar dingliche Wirkung, doch ist das Grundbuch nicht unrichtig im Sinne von § 894 BGB. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma E den Erfüllungsanspruch der Beklagten zu Fall gebracht hätte. Er ist von diesem Vertrag aber nicht wirksam zurückgetreten. Dazu hätte er der Beklagten nach Fälligkeit der Kaufpreisforderung eine Nachfrist setzen müssen (§ 323 Abs. 1 BGB). Letzteres hatte er zwar getan. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die Kaufpreisforderung gegen die Beklagte noch nicht wieder aufgelebt und deshalb auch noch nicht fällig. Dazu hätte der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma E nämlich den Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Firma A erfüllen müssen. Dass dies geschehen wäre, hatten die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal behauptet.

Q 6 Mit der Rückgewähr lebt die der Leistung zugrundeliegende und auf diese Leistung gerichtete Forderung ohne weiteres wieder auf. In der Regel kann der Anfechtungsgegner sie aber nur als Insolvenzforderung geltend machen.8 Eine Aufrechnung mit dem Rückgewähranspruch selbst ist durch § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen.9 Q 6a Im Fall der Konkurrenz von Deckungs- und Schenkungsanfechtung bei mittelbarer Leistung lebt die Forderung des Anfechtungsgegners gegen seinen Schuldner insoweit wieder auf, als er auf die Deckungsanfechtung an den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Zahlungsmittlers tatsächlich leistet. Er kann sie dann insoweit im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leistungsmittlers anmelden. Andererseits ist (nur) insoweit die Schenkungsanfechtung durch dessen Insolvenzverwalter ausgeschlossen.10 Q 7 Die Forderung lebt in derselben Form wieder auf, in der sie vor Erfüllung bestanden hatte,11 z.B. als bedingte oder als befristete Forderung. Vor allem aber lebt sie mit Rückwirkung wieder auf. Diese soll sich auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehen, doch ist nicht einzusehen, weshalb sie nicht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt ihrer Erfüllung wieder aufleben sollte, wenn diese die Rechtshandlung ist, die der erfolgreichen Anfechtung unterlag.12 Die Rückwirkung führt etwa dazu, dass der Anfech8 9 10 11 12

MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 9. MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 9. BGH v. 4.2.2016 – IX ZR 42/14, ZIP 2016, 478 (Leitsatz und Rz. 10, 11). MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 9. MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 8; Ganter, WM 2011, 245 (246).

1072 Kummer

III. Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners

Rz. 9 Q

tungsgegner als Gläubiger auch für die Zwischenzeit Zinsen beanspruchen kann. Sie stellt eine Aufrechnungslage, die zuvor bestanden hatte, wieder her. Sie bewirkt, dass die Zwischenzeit bis zur Rückgewähr der angefochtenen Leistung nicht in die Verjährungsfrist für den zugrundeliegenden Anspruch eingerechnet wird.13 Auch die Sicherheiten, die für die betreffende Forderung bestanden hatten, tre- Q 8 ten wieder in Kraft, sofern sie unanfechtbar begründet waren.14 Automatisch geschieht dies freilich nur bei der Bürgschaft, nämlich analog § 401 Abs. 1 BGB, und zwar auch dann, wenn die Bürgschaftsurkunde dem Bürgen zurückgegeben und damit nach ihrem Inhalt die Bürgschaft erloschen ist.15 Für andere akzessorische Sicherheiten, nämlich solche, zu deren Begründung ein dingliches Verfügungsgeschäft erforderlich ist (Hypothek, Pfandrecht), gilt dies grundsätzlich ebenfalls;16 eine Ausnahme besteht freilich dann, wenn sie bereits an den Sicherungsgeber (durch Löschung im Grundbuch oder Rückgabe des Hypothekenbriefes oder des Pfandes) zurückgewährt worden sind.17 Hat eine solche Rückgewähr stattgefunden, so ist sie (durch Wiedereintragung des Anfechtungsgegners im Grundbuch durch bloße Grundbuchberichtigung, erneute Übergabe des Pfandes analog § 1251 Abs. 1 BGB oder des Hypothekenbriefes) ungeschehen zu machen; hierzu ist der Sicherungsgeber verpflichtet18 Nicht akzessorische Realsicherheiten (Sicherungsgrundschulden, Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen) müssen stets neu begründet werden. Der Sicherungsgeber ist hierzu aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB oder durch die ursprüngliche Sicherungsabrede verpflichtet.19 Werden sie vom Sicherungsnehmer aus der Sicherheit in Anspruch genommen, so können sie sich nach § 242 BGB nicht darauf berufen, das Sicherungsrecht bestehe nicht mehr, sondern sind so zu behandeln, als wären sie ihrer Pflicht zur Neubestellung nachgekommen.20 Dies alles gilt für Sicherheiten dritter Sicherungsgeber. Hat der Insolvenzschuldner eine vollwertige Realsicherheit aus seinem eigenen Q 9 Vermögen unanfechtbar bestellt, so fehlt es in der Regel an der Gläubigerbenachteiligung. Dies ist nur dann anders, wenn dieser Gesichtspunkt übersehen und der Gläubiger zu Unrecht zur Rückgewähr der erhaltenen Leistung verurteilt worden wäre und dem Urteil auch Folge geleistet hätte;21 dann ist die Sicherheit vom Insolvenzverwalter wiederherzustellen.

13 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 13; Ganter, WM 2011, 245 (246). 14 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 15; MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 10 ff.; HK-InsO/Thole, § 144 Rz. 3; Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443 S. 68; eingehend nunmehr Ganter, WM 2011, 245. 15 Ganter, WM 2011, 245 (247). 16 BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 95/16, ZIP 2017, 337 Rz. 11. 17 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 17; Ganter, WM 2011, 245 (248). 18 Ganter, WM 2011, 245 (248). 19 Ganter, WM 2011, 245 (250); BGH v. 12.1.2017 – IX ZR 95/16, ZIP 2017, 337, Rz. 12 ff. für Patronatserklärung, wobei jedoch offen bleibt, ob diese als akzessorisch anzusehen ist oder nicht. 20 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 17; OLG Frankfurt a.M., ZIP 2004, 271. 21 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 15; Ganter, WM 2011, 245. Kummer

1073

Q Rz. 10

§ 144 InsO – Ansprche des Anfechtungsgegners

Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 25.11.2003 – ZIP 2004, 272 Q 10 Die Klägerin hatte als Sicherheit für ein Darlehen an eine GmbH von deren Geschäftsführer die Abtretung seiner Ansprüche aus einer Lebensversicherung bei der Beklagten erhalten. Nach Rückzahlung des Darlehens trat die Klägerin die Lebensversicherungsansprüche wieder an den Geschäftsführer ab. In der Folgezeit focht der Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH die zur Darlehenstilgung erbrachten Leistungen an die Klägerin an, welche sie herausgeben musste. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stünden damit auch wieder die Rechte aus der Lebensversicherung zu. Mit der Klage verlangte sie von der Beklagten (Versicherer) Auskunft über die Höhe des Rückkaufswertes. Q 11 Das OLG hat die Klage zugesprochen. Gemäß § 144 Abs. 1 InsO sei mit der Rückgewähr im Rahmen der Insolvenzanfechtung nicht nur ihre Forderung wieder aufgelebt, sondern auch nicht akzessorische Sicherungsrechte gegen Dritte. § 144 Abs. 1 InsO wolle zugunsten des Gläubigers den Rechtszustand wieder herstellen, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestanden hätte. Wäre hier die Hauptforderung nie erloschen gewesen, so bestünden die Sicherungsrechte dort, auch gegenüber dem klagenden Geschäftsführer als Drittem. Insoweit sei eine Unterscheidung zwischen akzessorischen und nicht akzessorischen Sicherungsrechten nicht geboten. Bei der Frage, wie eine Fortdauer des Sicherungsrechts zu bewerkstelligen ist, bestünde zumindest im Ergebnis insoweit kein Unterschied. Während akzessorische Sicherheiten ohne weiteres wieder auflebten, müssten abstrakte Sicherheiten grundsätzlich neu bestellt werden. Zu einer Mitwirkung an dieser Neubestellung sei aber der Dritte (Sicherungsgeber) bereits aufgrund seiner ursprünglichen Sicherungsgestellung verpflichtet. Durch die vorübergehende, nicht dauerhafte Tilgung der Hauptforderung sei er von seiner Pflicht zur Stellung der Sicherheit nicht frei geworden. Gegenüber seiner Inanspruchnahme aus dem Sicherungsrecht durch den Sicherungsnehmer könne er sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf das Nichtbestehen des Sicherungsrechts berufen. Er sei so zu behandeln, als wäre er seiner Pflicht zur Neubestellung nachgekommen.

IV. Vertragliche Gegenleistung (§ 144 Abs. 2 InsO) Q 12 Diese Vorschrift regelt die Rechtsfolgen, die sich für den Anfechtungsgegner aus der erfolgreichen Anfechtung eines schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrages ergeben (siehe oben Rz. Q3). Anders als Abs. 1 stellt Abs. 2 nicht darauf ab, ob der Anfechtungsgegner eine erlangte Leistung auch tatsächlich zur Masse zurückgewährt hat.

1074 Kummer

IV. Vertragliche Gegenleistung (§ 144 Abs. 2 InsO)

Rz. 17 Q

Der Anfechtungsgegner kann primär verlangen, dass seine Gegenleistung aus Q 13 der Insolvenzmasse erstattet wird. Es handelt sich um eine Masseforderung.22 Gegenleistung ist alles, was der Anfechtungsgegner aufgrund des angefochtenen schuldrechtlichen Vertrages geleistet hat.23 Ebenso sind Surrogate24 mit Ausnahme der rechtsgeschäftlichen25 und gezogene Nutzungen analog § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben.26 Dies alles steht unter der Voraussetzung, dass die Gegenleistung in der Masse Q 14 noch unterscheidbar vorhanden oder die Masse dadurch noch bereichert sein muss. Die erstere Voraussetzung begegnet auch bei § 48 Satz 2 InsO (= § 46 Satz 2 KO). Bei Gutschriften auf ein Konto ist sie erfüllt, soweit sie durch Buchungen belegt und der positive Saldo auf dem Konto zwischenzeitlich nicht durch Belastungen unter den Betrag der beanspruchten Gegenleistungen gesunken ist.27 Ein Wertersatzanspruch besteht, wenn und soweit die Gegenleistung zwar nicht Q 15 mehr unterscheidbar in der Masse vorhanden, diese aber gleichwohl noch bereichert ist. Ob insoweit mit dem Rückgewähranspruch aus der erklärten Anfechtung saldiert werden darf, ist umstritten28 und ebenso, ob hiergegen dem Anfechtungsgegner ein Zurückbehaltungsrecht zusteht.29 Der Insolvenzverwalter kann sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen,30 falls nicht in seiner Person § 819 Abs. 1 BGB erfüllt ist.31 Die Beweislast liegt beim Anfechtungsgegner dafür, dass er die Gegenleistung Q 16 erbracht hat und sie in die Masse gelangt ist. Sie liegt beim Insolvenzverwalter für den Wegfall der Bereicherung bei der Masse. Ist die Gegenleistung des Anfechtungsgegners nicht mehr unterscheidbar in der Q 17 Masse vorhanden und hat der Verwalter den Wegfall der Bereicherung der Masse bewiesen, so hat der Anfechtungsgegner wegen seiner Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung. 22 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 24; MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 18; HK-InsO/Thole, § 144 Rz. 5. 23 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 25. 24 BGH v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, ZIP 1986, 787. 25 BGH v. 11.10.1979 – VII ZR 285/78, BGHZ 75, 203; Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 25. 26 Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 25; MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 17. 27 BGH v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, BGHZ 141, 116 (120); v. 18.4.2002 – IX ZR 219/01, BGHZ 150, 326 (328). 28 Dafür Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 27 für den Fall zufälligen Untergangs der vom Anfechtungsgegner erbrachten Gegenleistung in der Masse; dagegen MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 16. 29 BGH v. 29.4.1986 – IX ZR 145/85, ZIP 1986, 787 für den § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO entsprechenden Anspruch aus § 38 Satz 1 KO gegen die Masse; ebenso MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 18 und Jaeger/Henckel, § 144 Rz. 29; ähnlich HK-InsO/Thole, § 144 Rz. 6 mit der Einschränkung, dass die Ansprüche aus § 143 und § 144 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht gleichartig sein dürfen, so dass das Zurückbehaltungsrecht nur gegenüber dem Anspruch auf Rückgewähr in natura greift. 30 § 818 Abs. 3 BGB; MK-InsO/Kirchhof, § 144 Rz. 17a. 31 HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 144 Rz. 5. Kummer

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Q Rz. 18

§ 144 InsO – Ansprche des Anfechtungsgegners

BGH-Urteil vom 11.3.1999 – BGHZ 141, 116 Q 18 Hiernach unterliegt der Erlös aus der Veräußerung massefremder Gegenstände, wenn er auf ein im Kontokorrent geführtes allgemeines Bankkonto des Konkursverwalters gelangt ist, der Ersatzaussonderung bis zur Höhe des in der Zeit danach eingetretenen niedrigsten Tagessaldos, auch wenn zwischenzeitlich Rechnungsabschlüsse mit Saldoanerkennung stattgefunden haben (Abweichung von BGHZ 58, 257). Q 19 Bei Konkurseröffnung befand sich im Besitz der Gemeinschuldnerin ein Turmdrehkran, der der Klägerin gehörte. Der Konkursverwalter verkaufte ihn für 11 310,00 DM, die auf das Konkursanderkonto flossen. Danach wies dieses Konto ein Guthaben von zunächst 36 755,19 DM auf. Dieses erhöhte sich in der Folgezeit geringfügig und ermäßigte sich später durch Abbuchungen auf zuletzt 19 628,15 DM. Der BGH hat den Amtsnachfolger des Konkursverwalters zur Zahlung der 11 310,00 DM an die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Ersatzaussonderung (§ 46 Satz 2 KO) verurteilt. Der auf den Turmdrehkran entfallende Erlös von 11 310,00 DM sei in Gestalt des Kontoguthabens noch unterscheidbar in der Masse vorhanden. Q 20 Nach der Rechtsprechung des BGH bleibe Geld, das der Konkursverwalter durch Einziehung einer fremden Forderung für die Masse vereinnahmt hat, grundsätzlich auch bei Einzahlung auf ein allgemeines Bankkonto des Konkursverwalters aussonderungsfähig, weil es aufgrund der Buchungen und der dazugehörigen Belege von dem übrigen dort angesammelten Guthaben unterschieden werden kann.32 Dann aber könne für die auf das Konkurskonto gezahlte Gegenleistung für einen sonstigen vom Konkursverwalter veräußerten Gegenstand nichts anderes gelten. Q 21 Insbesondere büße das Guthaben, das durch die belegmäßig dokumentierte Gutschrift des Entgelts für einen massefremden Gegenstand auf dem allgemeinen Konkurskonto entsteht, die Unterscheidbarkeit nicht allein dadurch ein, dass es anschließend mit Zahlungsausgängen belastet wird. Steht ein bestimmter dem Konto gutgeschriebener Betrag materiell nicht der Masse, sondern einem anderen zu, so müsse er solange noch als vorhanden gelten, wie das Konto eine ausreichende Deckung aufweist. Das gebiete der erforderliche Schutz der Interessen desjenigen, der zur Ersatzaussonderung berechtigt ist. Das Gegenteil läge auch nicht im Interesse des Konkursverwalters, der sonst, wenn er sich nicht dem Berechtigten gegenüber schadensersatzpflichtig machen wollte, gezwungen wäre, immer ein Sonderkonto für Gelder einzurichten, die der Ersatzaussonderung unterliegen. Q 22 Die mit dem Rechnungsabschluss verbundene Saldoanerkennung habe zwar nach einer vom Reichsgericht übernommenen Rechtsprechung bei Kontokorrentverhältnissen die Wirkung, dass die in die laufende Rechnung eingestellten Einzelforderungen untergehen und nur die durch das Schuldanerkenntnis be32 BGH v. 9.12.1970 – IV ZR 52/69, WM 1971, 71 (74); v. 15.11.1988 – IX ZR 11/88, ZIP 1989, 118.

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IV. Vertragliche Gegenleistung (§ 144 Abs. 2 InsO)

Rz. 23 Q

gründete Saldoforderung übrig bleibt.33 Außerdem findet nach der Rechtsprechung unabhängig vom Saldoanerkenntnis mit Ablauf der Rechnungsperiode eine sogenannte Gesamtaufrechnung statt, bei der alle Einzelforderungen oder -verbindlichkeiten, die in den Haben- oder den Soll-Saldo eingegangen sind, in dem Verhältnis getilgt werden, in dem die Summe der Haben-Buchungen zur Summe der Soll-Posten steht.34 Aus der Art und Weise, wie die sich aus Rechnungsabschluss und Saldoanerkennung regelmäßig ergebenden Rechtsfolgen begründet werden, dürften aber nicht ohne weitere Konsequenzen für die Lösung von Interessenkonflikten gezogen werden, die bei der Aufstellung jener Regeln keine Rolle gespielt haben. Die Rechtsprechung lasse aus diesem Grunde auch nach einer Saldoanerkennung den Rückgriff auf Einzelforderungen, die zum Zustandekommen des Saldos beigetragen haben, zu, wenn ein wirtschaftliches Interesse an einer gesonderten Geltendmachung solcher Forderung besteht und die in der Saldoanerkennung gesehene Schuldumschaffung für die Beteiligten zu wirtschaftlich unsinnigen und mit der Kontokorrentabrede nicht beabsichtigten Folgen führen würde.35 Grundlage sei hierfür vor allem der in § 356 HGB zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke; danach bleibt eine Sicherheit, die für eine in die laufende Rechnung aufgenommene Forderung bestellt worden ist, ungeachtet der Saldoanerkennung auch für den sich beim Rechnungsabschluss ergebenden Saldo bestehen. Den Ausführungen in BGHZ 58, 257 sei deshalb nicht zu folgen, soweit ihnen zu entnehmen ist, der auf ein Konto des Konkursverwalters geflossene Erlös aus der Veräußerung eines der Aussonderung unterliegenden Gegenstandes könne nach § 46 Satz 2 KO nicht mehr herausverlangt werden, sobald ein Rechnungsabschluss mit Saldoanerkennung stattgefunden habe. Aus alledem ergebe sich andererseits, dass die Ersatzaussonderungsmöglichkeit Q 23 nur bis zur Höhe des in der Zeit danach eingetretenen niedrigsten Saldos besteht. Eine spätere Wiederauffüllung des Kontos durch andere Gutschriften lasse den Anspruch nicht wieder aufleben. Dabei nicht nur auf die jeweiligen Salden an den Rechnungsabschlussstichtagen abzustellen, sondern es sei jeder zwischenzeitliche niedrigere Tagessaldo von Bedeutung.

33 BGH v. 28.11.1957 – VII ZR 42/57, BGHZ 26, 142 (150); v. 26.6.1968 – I ZR 156/66, BGHZ 50, 277 (279); v. 28.4.1975 – II ZR 113/74, WM 1975, 556 (557). 34 BGH v. 2.11.1967 – II ZR 46/65, BGHZ 49, 24 (30). 35 BGH v. 8.3.1972 – VIII ZR 40/71, BGHZ 58, 257 (262). Kummer

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R. § 145 InsO – Anfechtung gegen Rechtsnachfolger § 145 Anfechtung gegen Rechtsnachfolger (1) Die Anfechtbarkeit kann gegen den Erben oder einen anderen Gesamtrechtsnachfolger des Anfechtungsgegners geltend gemacht werden. (2) Gegen einen sonstigen Rechtsnachfolger kann die Anfechtbarkeit geltend gemacht werden: 1. wenn dem Rechtsnachfolger zur Zeit seines Erwerbs die Umstände bekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers begründen; 2. wenn der Rechtsnachfolger zur Zeit seines Erwerbs zu den Personen gehörte, die dem Schuldner nahestehen (§ 138), es sei denn, daß ihm zu dieser Zeit die Umstände unbekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers begründen; 3. wenn dem Rechtsnachfolger das Erlangte unentgeltlich zugewendet worden ist. Rz. I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . .

R1

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

R2

III. Gesamtrechtsnachfolge (§ 145 Abs. 1 InsO) . . . . . . . . . . . . . . .

R5

IV. Einzelrechtsnachfolge (§ 145 Abs. 2 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . R7 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . R7 2. Kenntnis des Rechtsnachfolgers (§ 145 Abs. 2 Nr. 1 InsO) . . . . . . . . . . R16

Rz. 3. Nahestehende Personen (§ 145 Abs. 2 Nr. 2 InsO) . . . . . . . . . 4. Unentgeltlicher Erwerb durch den Rechtsnachfolger (§ 145 Abs. 2 Nr. 3 InsO) . . . . . . . . . V. Verhältnis zwischen den Anfechtungsansprüchen gegen Ersterwerber und Einzelrechtsnachfolger . . . . . . . . . . . . . . .

R18 R19

R20

I. Gesetzgebungsgeschichte R 1 § 145 InsO entspricht im Wesentlichen § 40 Abs. 1 und 2 KO. In § 145 Abs. 1 InsO ist klargestellt worden, dass andere Gesamtrechtsnachfolger dem Erben gleich zu behandeln sind. In § 145 Abs. 2 Nr. 2 InsO sind nunmehr alle dem Schuldner nahestehenden Personen einbezogen worden, nicht nur die Angehörigen, die in § 31 Nr. 2 KO genannt waren; sie sind in § 138 InsO definiert.

II. Allgemeines R 2 Die Vorschrift beantwortet die Frage, inwieweit die Anfechtung gegen die Rechtsnachfolger des ursprünglichen Anfechtungsgegners geltend gemacht werden kann. Dies ist nach Abs. 1 gegen Gesamtrechtsnachfolger ohne weiteres

1078 Kummer

Rz. 7 R

IV. Einzelrechtsnachfolge (§ 145 Abs. 2 InsO)

möglich, nach Abs. 2 aber gegen Einzelrechtsnachfolger nur unter den dort bestimmten weiteren Voraussetzungen. Hinter dieser Regelung steht die Überlegung, dass die Rechtsnachfolge die Wie- R 3 derherstellung des Schuldnervermögens nicht hindern soll, es sei denn, dass im Fall der Einzelrechtsnachfolge schutzwürdige Interessen des Rechtsnachfolgers überwiegen.1 Zudem soll eine Umgehung der Rückgewährpflicht durch den Ersterwerber ausgeschlossen werden. Die Vorschrift ist auch bei mehrfacher Rechtsnachfolge gegen die späteren R 4 Rechtsnachfolger anwendbar, unabhängig davon, ob es sich um Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolgen handelt.2 Allerdings wird vorausgesetzt, dass der Erwerb auch jedes Zwischenerwerbers anfechtbar ist.3

III. Gesamtrechtsnachfolge (§ 145 Abs. 1 InsO) Gesamtrechtsnachfolge tritt durch Erbschaft und Einbringung in das Gesamt- R 5 gut der Gütergemeinschaft ein, ferner bei Handelsgesellschaften durch Verschmelzung (§§ 20, 36 UmwG) und Spaltung (§ 131 UmwG). Der Erwerb eines Handelsgeschäfts unter Fortführung der Firma (§ 25 Abs. 1 HGB) wird gleichgestellt,4 nicht aber der Betriebsübergang nach § 613a BGB.5 Die analoge Anwendung des § 145 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Ersterwerbers hat der BGH erwogen,6 aber letztlich offen gelassen. Beim Erben ist die Rückgewährpflicht eine Nachlassverbindlichkeit, denn sie R 6 beruht auf dem Eintritt in die Rückgewährpflicht des Erblassers (§ 1967 BGB).7 In der Nachlassinsolvenz kann der Insolvenzverwalter den zurück zu gewährenden Gegenstand aussondern.8

IV. Einzelrechtsnachfolge (§ 145 Abs. 2 InsO) 1. Allgemeines Die Anfechtbarkeit gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger knüpft an den Um- R 7 stand an, dass er den Gegenstand, den der Insolvenzschuldner anfechtbar weggegeben hat, seinerseits von dem ursprünglichen Erwerber erlangt hat. Rechtsprechung und Literatur neigen immer mehr zu der Auffassung, dass § 145 Abs. 2 InsO nicht einfach die Rückgewährpflicht des ersten Leistungsempfän-

1 2 3 4 5 6 7

MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 1. MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 4. MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 6. MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 13; a.A. Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 22. MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 7. BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 228/02, BGHZ 155, 199 (203). BGH v. 5.2.1987 – IX ZR 161/85, BGHZ 100, 36 (39); auch BGH v. 19.3.1981 – IVa ZR 30/80, NJW 1981, 1446 (1447); a.A. Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 10. 8 Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 10; vgl. oben III. zu § 143. Kummer

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R Rz. 7

§ 145 InsO – Anfechtung gegen Rechtsnachfolger

gers auf weitere solche erstreckt, sondern gegen diese eigenständige Anfechtungstatbestände schafft.9 Dies führt zu eigenständigen Rückgewähransprüchen gegen die mehreren Erwerber und den unten bei Rz. R20 ff. weiter dargestellten Konsequenzen. R 8 Die Arten eines solchen Erwerbs sind vielfältig.10 Für die Anwendung von § 145 Abs. 2 InsO ist aber völlig unerheblich, ob er durch Vertrag, Gesetz, Hoheitsakt oder in sonstiger Weise eingetreten ist. R 9 Freilich muss der Rechtsnachfolger den anfechtbar weggegebenen Gegenstand selbst erlangen. Deshalb findet eine Rechtsnachfolge in die Wertersatzschuld des Ersterwerbers nicht statt. Dies gilt für eine Einzel- wie für die Gesamtrechtsnachfolge.11 Überhaupt ist, wenn es um die Zahlung einer Geldsumme geht, eine Rechtsnachfolge nur denkbar, wenn der Rechtsnachfolger die einzelnen Geldscheine oder Münzen erhalten hat, die aufgrund der Anfechtung herauszugeben sind.12 Der Einzelrechtsnachfolger kann jedoch auf anderer Rechtsgrundlage neben dem Ersterwerber (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO) für die Unmöglichkeit der Rückgewähr haften.13 Hat der Rechtsnachfolger eine Gegenleistung an den Ersterwerber erbracht, so muss er sich hierfür an diesen halten; er hat keinen Rückgewähranspruch an die Masse.14 R 10 Die Einzelrechtsnachfolge setzt nicht voraus, dass der Schuldner das anfechtbar Erlangte in vollem Umfang auf einen Dritten übertragen hat. Sie kann vielmehr auch schon vorliegen, wenn aus dem anfechtbar Erworbenen ein neues, beschränktes Recht geschaffen oder eine besondere Befugnis abgezweigt wird.15 Einzelrechtsnachfolger ist deshalb auch, wem der Erwerber eines anfechtbar erlangten Grundstücks ein beschränktes dingliches Recht daran bestellt.16 Rechtsnachfolger muss auch nicht ein Dritter sein. Vielmehr kann auch ein Schuldner selbst Rechtsnachfolger im anfechtbaren Erwerb werden.17 Dies kann dort praktisch werden, wo der Ersterwerber eines Grundstücks dieses zugunsten des Insolvenzschuldners mit einem nicht übertragbaren dinglichen Recht (z.B. nach §§ 1092 Abs. 1 Satz 2, 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB) belastet hat, welches zwar nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung (§ 857 Abs. 2 ZPO) und somit auch nicht

9 BGH v. 13.7.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 (320) jedenfalls für den Fall der Teilübertragung auf den Einzelrechtsnachfolger; MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 37; a.A. Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 53, der aber bei § 145 Rz. 10 eine bloße Erstreckung der Rückgewährpflicht auf den Erben leugnet. 10 Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 27 ff. 11 BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 228/02, BGHZ 155, 199 (203); v. 28.6.2012 – IX ZR 98/11, ZIP 2002, 1617; Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 27 und 68; MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 3 und 18; HK-InsO/Thole, § 145 Rz. 8. 12 BGH v. 9.10.2008 – IX ZR 59/07, ZIP 2008, 2183 Rz. 11. 13 MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 32, 32a und 33; Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 8 und 70. 14 Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 71. 15 Zum AnfG: BGH v. 13.7.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 (315); v. 5.2.1987 – IX ZR 161/85, BGHZ 100, 36 (40); v. 26.1.1959 – II ZR 235/57, BGHZ 29, 230 (233): Rangänderung. 16 Zum AnfG: BGH v. 13.7.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 (315). 17 Zum AnfG: BGH v. 13.7.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 (315).

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IV. Einzelrechtsnachfolge (§ 145 Abs. 2 InsO)

Rz. 15 R

Teil der Masse (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO) ist, aber die Verwertung des Grundstücks durch den Verwalter erschwert.18 BGH-Urteil vom 24.6.2003 – BGHZ 155, 199 (dieselbe Entscheidung wie oben bei Rz. P16 ff. zu § 143 InsO) Danach setzt die Rechtsnachfolge im Sinne von § 145 InsO voraus, dass der R 11 Nachfolger den anfechtbar weggegebenen Gegenstand selbst erlangt; sie scheidet aus, wenn schon dem Ersterwerber die Rückgewähr in Natur vor Eintritt der „Rechtsnachfolge“ unmöglich geworden war. Dort war der Kläger Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer R 12 Bauunternehmung. Diese führte ein Bauvorhaben aus und bezog zu diesem Zweck Baustoffe von einer Lieferantin. Diese erhielt Zahlungen hierfür aufgrund einer Abtretung durch die Bauunternehmung unmittelbar vom Bauherrn. Der Insolvenzverwalter focht die Zahlungen gegenüber der Lieferantin an. Diese wurde alsdann ihrerseits insolvent. Der Kläger führte den Anfechtungsprozess gegen ihren Insolvenzverwalter. Der BGH hat eine Besonderheit dieses Falles darin gesehen, dass die Lieferantin R 13 von vornherein nur auf Wertersatz gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO haftete. Die Bauunternehmung als spätere Insolvenzschuldnerin hatte nämlich ihren Anspruch gegen den Bauherrn an die Lieferantin abgetreten. Diese hat die Ansprüche bei ihr als Drittschuldnerin eingezogen. Damit waren die abgetretenen Ansprüche erloschen und konnten in Natur nicht mehr zurückgewährt werden. Im Zusammenhang mit der Insolvenz der Lieferantin erwägt der BGH eine ana- R 14 loge Anwendung des § 145 InsO auf deren Insolvenzverwalter. Er führt den Gedanken aber nicht weiter, da im konkreten Fall eine Rechtsnachfolge nicht in Betracht komme. Jede Rechtsnachfolge im Sinne von § 145 InsO – sei es eine Einzelrechtsnachfol- R 15 ge gemäß Abs. 2 oder eine Gesamtrechtsnachfolge nach Abs. 1 – setze nämlich voraus, dass der Nachfolger den anfechtbar weggegebenen Gegenstand selbst erlangt. Die Norm sei insgesamt nicht anwendbar, wenn schon den Ersterwerber die Rückgewähr in Natur vor Eintritt der „Rechtsnachfolge“ unmöglich geworden sei. Der Zweck des § 145 InsO liege nämlich darin, dem Anfechtenden unter bestimmten Voraussetzungen einen erleichterten Zugriff auf den anfechtbar weggegebenen Gegenstand selbst zu ermöglichen. Für die bloße, von Anfang an bestehende Schuld einer Geldsumme gelten dagegen ohnehin und allein die allgemeinen bürgerlich oder handelsrechtlichen Vorschriften über Rechtsnachfolgen. Insbesondere würde die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung, die die §§ 1975 ff. BGB oder § 25 Abs. 2, § 28 Abs. 2 HGB, § 133 Abs. 1 UmwG für wichtige Fälle der Gesamtrechtsnachfolge vorsehen, unterlaufen, wenn § 145 Abs. 1 InsO auch auf reine Geldsummenschulden anwendbar wäre.

18 Für das AnfG: BGH v. 13.7.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 (318 ff.); RGZ 25, 409 (412). Kummer

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R Rz. 16

§ 145 InsO – Anfechtung gegen Rechtsnachfolger

2. Kenntnis des Rechtsnachfolgers (§ 145 Abs. 2 Nr. 1 InsO) R 16 Die Anfechtung ist gegen den Einzelrechtsnachfolger begründet, wenn er im Zeitpunkt seines Erwerbs die Umstände gekannt hat, die den Erwerb seines Rechtsvorgängers vom Insolvenzschuldner anfechtbar gemacht haben. Diese Umstände muss der Rechtsnachfolger positiv kennen,19 und zwar einschließlich etwaiger subjektiver Merkmale wie eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes; grob fahrlässige Unkenntnis reicht insoweit nicht. Unerheblich ist, ob er aus seinen Kenntnissen auf die Anfechtbarkeit geschlossen hat.20 Unerheblich ist auch ein etwaiger guter Glaube des Rechtsnachfolgers nach §§ 892, 932 ff. BGB, denn er bezieht sich nur auf das Eigentum des Veräußerers und hat mit der Anfechtbarkeit von dessen Erwerb nichts zu tun. Der Zeitpunkt des Erwerbs durch den Rechtsnachfolger bestimmt sich nach § 140 InsO.21 R 17 Die Beweislast für eine solche Kenntnis des Rechtsnachfolgers liegt beim Insolvenzverwalter. 3. Nahestehende Personen (§ 145 Abs. 2 Nr. 2 InsO) R 18 Bei ihnen wird die vorbezeichnete Kenntnis vermutet, so dass sie den Gegenbeweis dahin führen müssen, die zur Anfechtbarkeit führenden Umstände nicht gekannt zu haben. Da es sich aber um einen Negativbeweis handelt, dürfte den Insolvenzverwalter eine sekundäre Darlegungslast für die Umstände treffen, aus denen sich in seiner Sicht eine solche Kenntnis ergibt. Die Beweislast bleibt indessen bei den nahestehenden Personen, die die vom Insolvenzverwalter dargelegten Umstände widerlegen müssen. Die nahestehenden Personen sind in § 138 InsO definiert. Wird das Näheverhältnis durch die Ehe des Insolvenzschuldners begründet, so genügt es, dass diese bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Anfechtungsprozess gegen den Rechtsnachfolger geschlossen worden ist. Im Übrigen muss das Näheverhältnis bereits zur Zeit der Rechtsnachfolge bestanden haben.22 4. Unentgeltlicher Erwerb durch den Rechtsnachfolger (§ 145 Abs. 2 Nr. 3 InsO) R 19 Die Norm darf als Parallele zu § 822 BGB gesehen werden, doch handelt es sich um eine Spezialvorschrift, neben der § 822 BGB selbst nicht anwendbar ist.23 Die Zuwendung setzt kein aktives Handeln des Ersterwerbers voraus. Sie kann insbesondere auf einem Eingriff des Zweiterwerbers beruhen, den der Ersterwerber duldet,24 etwa in der Zwangsversteigerung.25 Der Begriff der Unent-

19 20 21 22 23 24 25

MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 25. MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 25. MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 27. MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 28; Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 62. BGH v. 28.6.2012 – IX ZR 98/11, ZIP 2012, 1617. MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 29. MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 30.

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Rz. 23 R

V. Verhltnis zwischen den Anfechtungsansprchen

geltlichkeit entspricht dem in § 134 InsO. Hier ist unerheblich, ob der Zweiterwerber die Anfechtbarkeit des Ersterwerbs gekannt hat.26

V. Verhältnis zwischen den Anfechtungsansprüchen gegen Ersterwerber und Einzelrechtsnachfolger Nach der im Vordringen befindlichen Auffassung in Literatur und Rechtspre- R 20 chung handelt es sich bei den Anfechtungsansprüchen gegen Ersterwerber und Einzelrechtsnachfolger nicht um eine bloße Ausdehnung der Rückgewährpflicht, sondern um jeweils selbständige Ansprüche und um jeweils eigenständige Anfechtungstatbestände (siehe oben Rz. R7). Daraus folgt zunächst, dass gegen beide selbständig angefochten werden muss. Demgemäß können auch die Anfechtungsfristen gegen beide zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu laufen beginnen, insbesondere im Hinblick auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.27 Sie können dann auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten ablaufen, jedoch ohne dass sich der Zweiterwerber auf die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gegen den Ersterwerber berufen könnte.28 An den Zeitschranken, die in den Anfechtungstatbeständen (§§ 130 ff. InsO) R 21 enthalten sind, ändert sich durch den weiteren Erwerbsvorgang nichts. Die Entscheidung im Anfechtungsprozess gegen den Ersterwerber wirkt keine Rechtskraft für die Anfechtung gegen den Rechtsnachfolger.29 Die Anfechtung gegen den Rechtsnachfolger setzt voraus, dass die Anfechtung R 22 auch gegenüber dem Ersterwerber begründet gewesen ist30 und noch begründet ist,31 wenngleich sie nicht auf demselben Anfechtungstatbestand beruhen muss32 und auch gar nicht geltend gemacht worden sein muss.33 Unerheblich ist, ob das Insolvenzverfahren gegen den Ersterwerber vor oder nach Eintritt der Rechtsnachfolge eröffnet worden ist.34 Die Verfolgung der Anfechtung gegen den Rechtsnachfolger hindert anderer- R 23 seits nicht die Verfolgung des Anspruchs gegen den Ersterwerber35 und umgekehrt. Insoweit besteht ein Rückgewähranspruch gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn der Ersterwerber gerade wegen der Weitergabe des anfechtbar empfangenen Gegenstandes (nur) Wertersatz schuldet. Darin liegt kein Wider26 Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 63. 27 MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 36 und 37; sollte RGZ 103, 113, 121 (dazu OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 185 unter dem Aspekt, ob die fristgerechte Anfechtung gegenüber dem Ersterwerber auch die Frist gegenüber dem Zweiterwerber wahrt) und BGH NJW 1980, 226 Gegenteiliges zu entnehmen sein, so wäre daran nicht festzuhalten. 28 HK-InsO/Thole, § 145 Rz. 9 generell; Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 53 unter der Prämisse der Erstreckung des Anfechtungsanspruchs auf den Rechtsnachfolger. 29 HK-InsO/Thole, § 145 Rz. 13. 30 BGH v. 13.7.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 (320) zum AnfG. 31 Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 49 und 50; HK-InsO/Thole, § 145 Rz. 9. 32 Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 85; RGZ 103, 113 (116 f.). 33 Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 51. 34 MK-InsO/Kirchhof, § 145 Rz. 5. 35 Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 70. Kummer

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R Rz. 23

§ 145 InsO – Anfechtung gegen Rechtsnachfolger

spruch zu dem Grundsatz, dass keine Rechtsnachfolge in den Wertersatzanspruch stattfindet, denn hier wird gegen den Zweiterwerber gerade die Rückgewähr in natura geltend gemacht, auf die die Anfechtung primär abzielt. Besteht die Möglichkeit, den Gegenstand vom Zweiterwerber zurück zu erhalten, so kann sich der Verwalter gegenüber dem Ersterwerber zunächst auf eine Feststellungsklage beschränken, die die Wirksamkeit der Anfechtung ihm gegenüber zum Gegenstand hat.36 R 24 Soweit die Anfechtungstatbestände der §§ 130 ff. InsO dem Ersterwerber eine Beweislast auferlegen,37 trifft sie auch den Rechtsnachfolger im Anfechtungsprozess gegen ihn selbst.38 BGH-Beschluss vom 23.11.1995 – ZIP 1996, 184 R 25 Danach hat der Verwalter an der Feststellung der Wirksamkeit einer Anfechtung gegenüber dem Ersterwerber schon deswegen ein rechtliches Interesse, weil dieser infolge der Anfechtung jedenfalls zum Wertersatz verpflichtet ist, wenn er zur Rückübertragung des anfechtbar erworbenen Gegenstandes wegen Weiterveräußerung nicht mehr in der Lage ist. R 26 Der Beklagte hatte von der Gemeinschuldnerin während der Krise gewerbliche Schutzrechte erworben, die er weiter veräußerte. Der Verwalter versäumte die Anfechtungsfrist gegenüber den Erwerbern. Er erhob alsdann gegen den beklagten Geschäftsführer innerhalb der Frist des § 41 Abs. 1 KO Klage auf Feststellung, dass er die Veräußerung der Schutzrechte an den Beklagten wirksam angefochten habe. R 27 Der BGH hat dem Verwalter ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung gegenüber dem Beklagten attestiert. Dies schon deshalb, weil der Beklagte als Ersterwerber infolge der wirksamen Anfechtung jedenfalls zum Wertersatz verpflichtet ist, wenn er die Schutzrechte wegen Weiterveräußerung nicht mehr rückübertragen kann. Diesen Anspruch habe der Kläger durch eine gerichtliche Geltendmachung der Anfechtung innerhalb der Frist des § 41 KO sichern müssen. Auf eine Leistungsklage habe er sich dabei nicht verweisen lassen müssen, weil der mit einer Bezifferung des Wertersatzanspruchs verbundene Aufwand überflüssig ist, wenn die Schutzrechte von den derzeitigen Inhabern zurückerlangt werden können. R 28 Offen gelassen hat der BGH die Frage, ob ein Feststellungsinteresse daneben deshalb besteht, weil der Verwalter mit der rechtzeitigen Feststellungsklage gegen den Ersterwerber auch die Anfechtungsfrist gegenüber dem Zweiterwerber gewahrt hat. Dies hatte die Vorinstanz angenommen.

36 BGH v. 23.11.1995 – IX ZR 48/95, ZIP 1996, 184 (mit Anm. Mauer, EWiR 1996, 269). 37 Z.B. in §§ 131 Abs. 1 Satz 2, 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. 38 Jaeger/Henckel, § 145 Rz. 58.

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S. § 146 InsO – Verjährung des Anfechtungsanspruchs § 146 Verjährung des Anfechtungsanspruchs (1) Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. (2) Auch wenn der Anfechtungsanspruch verjährt ist, kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung einer Leistungspflicht verweigern, die auf einer anfechtbaren Handlung beruht. Rz. I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . S1 1. Konkursordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . S1 2. InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S2 II. Verjährung (§ 146 Abs. 1 InsO) . . . . . . S6

Rz. III. Einrede der Anfechtbarkeit (§ 146 Abs. 2 InsO) . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Annex: Tarifvertragliche Verfallsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

S21

I. Gesetzgebungsgeschichte 1. Konkursordnung Die KO hatte in § 41 Abs. 1 für die Anfechtung eine Jahresfrist ab Eröffnung S 1 des Verfahrens vorgesehen. Diese Frist war ursprünglich eine gewöhnliche Verjährungsfrist, seit 1898 aber als Ausschlussfrist ausgestaltet, da man auch dieses Anfechtungsrecht wie dasjenige aus §§ 119, 123 BGB als Gestaltungsrecht angesehen hatte.1 Die analoge Anwendung von Verjährungsvorschriften hierauf war umstritten.2 2. InsO § 146 Abs. 1 InsO hat die Anfechtungsfrist wieder zur gewöhnlichen Verjäh- S 2 rungsfrist gemacht. Dies entsprach der Erkenntnis, dass die Anfechtung einen Rückgewähranspruch begründet.3 Dabei war es dem Gesetzgeber ein besonderes Anliegen, die Anwendbarkeit des Rechtsgedankens aus §§ 206, 207 BGB a.F. (= §§ 210, 211 BGB n.F., Ablaufhemmung) auf einen Verwalterwechsel, des § 209 Abs. 2 BGB a.F. (entspricht § 204 Abs. 1 Nr. 2 ff. BGB n.F., Hemmung in anderer Weise als durch Erhebung der Klage), des § 212 Abs. 2 BGB a.F. (entspricht § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F., Nachlauffrist von sechs Monaten) und vor allem des § 208 BGB a.F. (= § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F., Neubeginn der Verjährung bei Anerkenntnis durch den Anfechtungsgegner) in den Bereich der unmittelbar anwend-

1 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443 S. 168. 2 BGH v. 1.3.1984 – IX ZR 33/83, BGHZ 90, 249 (251); v. 18.10.1990 – IX ZR 43/90, BGHZ 110, 325 (327); v. 4.3.1993 – IX ZR 138/92, BGHZ 122, 23 (24). 3 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443 S. 169. Kummer

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S Rz. 2

§ 146 InsO – Verjhrung des Anfechtungsanspruchs

baren Vorschriften einzubeziehen.4 Dem ist die Rechtsprechung des BGH gefolgt und hat die Anwendbarkeit der § 203 ff. BGB n.F. bestätigt.5 S 3 Diese Rechtsänderung ergreift alle Insolvenzverfahren, die ab 1.1.1999 eröffnet worden sind, und zwar auch dann, wenn die Rechtswirkungen der anfechtbaren Rechtshandlung schon vor dem Stichtag eingetreten waren.6 Eine Übergangsvorschrift insoweit existiert nicht; Art. 106 EGInsO bezieht sich hierauf nicht, sondern nur auf die Voraussetzungen für die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen.7 S 4 Die Verjährungsfrist betrug ursprünglich zwei Jahre und begann wiederum mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil damit der Anfechtungsanspruch entstanden war.8 Durch Gesetz vom 9.12.2004,9 in Kraft ab 15.12.2004, ist § 146 Abs. 1 InsO dahin geändert worden, dass der Anfechtungsanspruch der Verjährung nach den allgemeinen Regeln des BGB unterliegt. Nunmehr beträgt also die Verjährungsfrist drei Jahre (§ 195 BGB) und beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anfechtungsanspruch entstanden ist (also das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, siehe oben Rz. P38 zu 143 InsO) und der Insolvenzverwalter von den Umständen, die den Anfechtungsanspruch begründen, und der Person des Anfechtungsgegners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Einzelheiten hierzu sind unten in Rz. S 6 ff. dargestellt. S 5 Die Übergangsvorschrift hierzu findet sich in Art. 229 § 12 Abs. 1 mit Verweisung auf Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB. Im Ergebnis ist danach § 146 Abs. 1 InsO mit der verlängerten Verjährungsfrist auf alle Insolvenzverfahren anwendbar, die ab 15.12.2004 eröffnet worden sind.10

II. Verjährung (§ 146 Abs. 1 InsO) S 6 Wendet man die Verjährungsvorschriften des BGB auf den Anfechtungsanspruch an, so beginnt die dreijährige Verjährungsfrist hierfür nicht früher als mit dem Ende des Jahres, in das die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt, denn hiermit entsteht der Anfechtungsanspruch als unbedingter Anspruch (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB).11 Eine Ausnahme gilt für Rechtshandlungen, die anfechtbar sind, obwohl sie erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind,12 al-

4 5 6 7 8 9 10

Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443 S. 169. BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 209/06, ZIP 2008, 888 Rz. 12. BGH v. 16.11.2006 – IX ZR 239/04, ZIP 2007, 33. BGH v. 16.11.2006 – IX ZR 239/04, ZIP 2007, 33 Rz. 11. § 200 Satz 1 BGB; Kirchhof, WM 2002, 1237. BGBl. 2004 I 3214 mit amtlicher Begründung in BT-Drucks. 15/3653. HK-InsO/Thole, § 146 Rz. 5; MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 3; siehe auch BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, ZIP 2008, 1593 Rz. 18. 11 BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 1/13, ZIP 2015, 1303 Rz. 7; v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14, ZIP 2016, 173, Rz. 29. 12 MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 8a.

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II. Verjhrung (§ 146 Abs. 1 InsO)

Rz. 8a S

so für die Fälle des § 147 InsO. Hier kann die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres beginnen, in dem die Rechtshandlungen vorgenommen worden sind. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlangt indessen für den Beginn der Verjährung zusätz- S 7 lich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Insolvenzverwalters von den Umständen, die den Anfechtungsanspruch begründen und der Person des Anfechtungsgegners.13 Vielfach wird der Insolvenzverwalter diese Kenntnis erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben, so dass der Beginn der Verjährungsfrist bis zum Ende des Jahres hinausgeschoben ist, in dem der Insolvenzverwalter diese Kenntnis positiv erlangt hat oder ihm die Unkenntnis hiervon als grobe Fahrlässigkeit zugerechnet werden muss. Grobe Fahrlässigkeit kann insbesondere vorliegen, wenn der Verwalter einem sich aufdrängenden Verdacht nicht nachgeht oder auf der Hand liegende, Erfolg versprechende Erkenntnismöglichkeiten nicht ausnutzt oder sich die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühen und Kosten beschaffen könnte.14 Dabei ist ein Rechtsirrtum des Insolvenzverwalters grundsätzlich nicht der Unkenntnis gleichzusetzen;15 er hindert aber die Annahme eines Geständnisses bezüglich der relevanten Tatsachen.16 Andererseits ist eine Kenntnis des Schuldners dem Insolvenzverwalter nicht ohne weiteres zuzurechnen.17 Für die Hemmung der Verjährung gelten die allgemeinen Vorschriften S 8 (§§ 203–211 BGB). Insbesondere wird die Verjährung durch Klage gehemmt, die indessen nicht ausdrücklich auf eine Insolvenzanfechtung abstellen oder eine solche gar erklären muss.18 Vielmehr genügt für die Ausübung des Anfechtungsrechts jede erkennbare – auch konkludente – Willensäußerung, wonach der Insolvenzverwalter eine Gläubigerbenachteiligung in der Insolvenz nicht hinnimmt, sondern zur Masseanreicherung wenigstens wertmäßig auf Kosten des Anfechtungsgegners wieder auszugleichen sucht.19 Auch die §§ 212 und 214 Abs. 1 BGB gelten.20 Die Verjährung – nach § 146 InsO, § 10 GesO oder § 41 Abs. 1 Satz 1 KO – S 8a schließt jedoch nicht aus, dass der Verwalter den Anfechtungsanspruch in einem neuerlichen Insolvenzverfahren geltend macht.21

13 BGH v. 7.5.2015 – IX ZR 95/14, ZIP 2015, 1234 Rz. 26; v. 30.4.2015 – IX ZR 1/13, ZIP 2015, 1303 Rz. 10. 14 BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 1/13, ZIP 2015, 1303 Rz. 10. 15 BGH v. 18.1.1972 – VI ZR 204/70, VersR 1972, 394; v. 17.10.1995 – VI ZR 246/94, NJW 1996, 117 (118); MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 8b. 16 BGH v. 30.4.2015 – IX ZR/13, ZIP 2015, 1303 (Leitsatz und Rz. 14 ff.). 17 MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 8c. 18 Grundlegend BGH v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 gegen BGH v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47 (54); siehe auch Rz. B710 ff. zu § 129 sowie Rz. P38 zu § 143. 19 BGH v. 21.2.2008 – IX ZR 209/06, ZIP 2008, 888. 20 MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 26 und 28. 21 BGH v. 11.4.2013 – IX ZR 268/12, ZIP 2013, 1088. Kummer

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S Rz. 8b

§ 146 InsO – Verjhrung des Anfechtungsanspruchs

BGH-Urteil v. 11.4.2013 – ZIP 2013, 1088 S 8b Der Schuldner hatte mit Urkunde vom 22.4.1996 sein Hausgrundstück an seine beiden Kinder verschenkt; diese wurden am 10.10.1996 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Im Mai 1998 wurde über sein Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet; im Dezember 2003 wurde es nach Verteilung des Erlöses eingestellt. Am 13.6.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Der Insolvenzverwalter focht die Schenkung an. S 8c

Der BGH entschied, dass die Verfristung oder Verjährung des Anfechtungsrechts in einem ersten Konkurs-, Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren den Rückgewähranspruch im zweiten Verfahren nicht mit betrifft. Die Wirkung des Fristablaufs beschränkt sich vielmehr auf das Verfahren, in dem der Rückgewähranspruch entstanden ist, denn die Anfechtungsrechte sind nicht identisch. Vielmehr sind sie im Hinblick auf die Verschiedenheit der Massen und der Insolvenzgläubiger unterschiedlich. Eine Ausnahme erwägt der BGH allenfalls für den Fall, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vom ersten Verfahren bis zur Eröffnung des zweiten Verfahrens fortgedauert hat. Im Übrigen entspricht dies der Rechtsprechung zum AnfG, worin die Ausschlussfrist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO aus einem früheren Konkursverfahren ebenfalls keine Einrede begründet hatte.

III. Einrede der Anfechtbarkeit (§ 146 Abs. 2 InsO) S 9 Nach dieser Vorschrift kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung einer Leistungspflicht, die auf einer anfechtbaren Handlung beruht, auch dann verweigern, wenn der Anfechtungsanspruch verjährt ist. Hiernach ist unerheblich, ob der Verwalter die Rechtshandlung rechtzeitig angefochten hat. Zum anderen kann die Einrede ihrerseits zeitlich unbefristet erhoben werden.22 S 10 Umso wichtiger ist ihre Abgrenzung von der Anfechtung (§ 146 Abs. 1 InsO). Danach ist die Anfechtung erforderlich, wenn der Insolvenzverwalter angreift, insbesondere einen nicht mehr in der Masse enthaltenen Gegenstand dieser wieder zuführen möchte. Dagegen hat er die Anfechtungseinrede, wenn er sich verteidigt, insbesondere einen in der Masse befindlichen Gegenstand für diese erhalten will.23 Unerheblich ist die Parteistellung des Insolvenzverwalters im jeweiligen Prozess. Typische Fälle der Anfechtungseinrede sind die Abwehr an-

22 MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 45; auch Jaeger/Henckel, § 146 Rz. 63. 23 BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 134/00, ZIP 2001, 1250 (1253); v. 1.12.1988 – IX ZR 112/88, BGHZ 106, 127 (130); v. 28.11.1983 – II ZR 94/83, NJW 1984, 874; MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 52; HK-InsO/Thole, § 146 Rz. 14.

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III. Einrede der Anfechtbarkeit (§ 146 Abs. 2 InsO)

Rz. 13 S

fechtbar begründeter Aus- und Absonderungsrechte,24 insbesondere auch durch Vollstreckungsabwehrklage.25 Dagegen geht die Aufrechnung mit Anfechtungsansprüchen über eine solche S 11 Verteidigung hinaus.26 Erst recht gilt § 146 Abs. 1 InsO für den Verwalter, der seinerseits die gegnerische Aufrechnung bekämpft, indem er die Herstellung der Aufrechnungslage anficht.27 Er muss deshalb den Anspruch aus der Hauptforderung vor Ablauf der Verjährungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO gerichtlich geltend machen.28 Diese muss insbesondere wegen § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch nach Anpassung dieser Frist seit 15.12.2004 nicht mit der originären Verjährungsfrist für den Anspruch übereinstimmen. Damit wird das Interesse der Masse für den Fall gewahrt, dass das Insolvenzverfahren kurz vor Eintritt der originären Verjährung eröffnet wird. Zur Hemmung der Verjährung aus § 146 Abs. 1 InsO reicht es folglich aus, dass der Anspruch auf die Hauptforderung und die Anfechtbarkeit der Aufrechnungslage fristgerecht dargelegt werden.29 Versäumt der Verwalter diese Frist aber, so entfaltet § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO insolvenzrechtlich keine Wirkung mehr; es bleibt dann beim zivilrechtlichen Erlöschen der Hauptforderung durch die Aufrechnung.30 Dagegen muss der Insolvenzverwalter innerhalb der genannten Frist nicht die Anfechtbarkeit weiterer Gegenrechte des Anfechtungsgegners darlegen, die der Gläubigerbenachteiligung womöglich entgegenstehen, z.B. eines Pfandrechts.31 Wird das Absonderungsrecht im Schiedsverfahren (aufgrund einer noch mit S 12 dem Insolvenzschuldner getroffenen Schiedsabrede) geltend gemacht, so kann der Verwalter die Einrede der Anfechtbarkeit noch im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs erheben.32 Die Anfechtungseinrede wirkt auch als Gegeneinrede33 gegen eine anfechtbar S 13 erlangte Einrede des Gegners (etwa die Stundung oder den Erlass der eingeklagten Forderung des Insolvenzschuldners oder gegen ein vom Gegner anfechtbar erworbenes Recht, aus dem er eine Einrede ableitet (z.B. ein Recht zum Besitz im Herausgabeprozess des Insolvenzverwalters). Dies gilt jedenfalls solange, als sich der umstrittene Gegenstand noch in der Masse befindet und der Insolvenzverwalter mit der Gegeneinrede letztlich nur deren Bestand verteidigt.34

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 53a. BGH v. 1.3.1982 – VIII ZR 75/81, ZIP 1984, 464 (467). BGH v. 7.6.2001 – IX ZR 134/00, ZIP 2001, 1250 (1253). BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, ZIP 2007, 1467, insbes. Rz. 12. BGH v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, ZIP 2006, 2178 (mit krit. Anm. Wazlawik, EWiR 2007, 19). BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, ZIP 2008, 1593 Rz. 21. BGH v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, ZIP 2007, 1467 Rz. 12. BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, ZIP 2008, 1593 (mit insoweit zust. Anm. R. Weiß, EWiR 2009, 153). BGH v. 17.1.2008 – III ZB 11/07, ZIP 2008, 478. Jaeger/Henckel, § 146 Rz. 73; MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 56; HK-InsO/Thole, § 146 Rz. 16. MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 56. Kummer

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S Rz. 14

§ 146 InsO – Verjhrung des Anfechtungsanspruchs

S 14 Nach § 41 Abs. 2 KO konnte der Verwalter auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist die Leistung verweigern, wenn die Verpflichtung des Gemeinschuldners hierzu „durch die anfechtbare Handlung … begründet“ worden war. § 146 Abs. 2 InsO gibt das Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Leistungspflicht „auf einer anfechtbaren Handlung beruht“. Nach der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf35 soll diese Formulierung verdeutlichen, „dass auch ein mittelbarer Zusammenhang zwischen anfechtbarer Handlung und Leistungspflicht genügt, dass jede Art von Leistungspflicht genügt (z.B. eine sachenrechtliche Leistungspflicht) und dass die Leistungspflicht nicht schon vor der Verfahrenseröffnung gegenüber dem Schuldner bestanden haben muss“. Die Literatur verlangt für die Anfechtungseinrede einen Kausalzusammenhang zwischen der anfechtbaren Handlung und der Leistungspflicht, die der Insolvenzverwalter nicht zu erfüllen braucht.36 Nach der Rechtsprechung genügt aber, dass die anfechtbare Handlung nur ein einzelnes Tatbestandsmerkmal des gegen den Verwalter erhobenen Anspruchs darstellt,37 dieser also ohne die anfechtbare Rechtshandlung nicht entstanden wäre. So verhält es sich etwa, wenn eine Bereicherungsoder Schadensersatzforderung gegen ihn auf die Verwertung einer Sache gestützt wird, die der Kläger anfechtbar erworben hatte. Es muss aber – bis auf die Verjährung – feststehen, dass die Rechtshandlung anfechtbar ist. BGH-Urteil vom 1.12.1988 – BGHZ 106, 127 S 15 Im dort entschiedenen Fall hatte die spätere Gemeinschuldnerin eine Vergütung, die ihr die Beklagte aus einem Bauvorhaben schuldete, an den Kläger abgetreten. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens zahlte die Beklagte an den Konkursverwalter. Der Kläger forderte gleichwohl Zahlung von der Beklagten. Der Konkursverwalter trat dem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten bei und focht die Abtretung an. S 16 Der BGH hat in diesem Zusammenhang zunächst entschieden, dass der Konkursverwalter die Anfechtungseinrede nur als Partei und nicht als Streithelfer eines Beklagten erheben kann. Er hätte im konkreten Fall § 41 Abs. 2 KO auch nicht durchgreifen lassen, weil der Rechtsstreit nicht darum geführt wurde, ob die Masse den gezahlten Betrag behalten durfte. Gleichwohl hat er sich veranlasst gesehen, grundsätzliche Ausführungen zu § 41 Abs. 2 KO zu machen, die ohne weiteres auf § 146 Abs. 2 InsO übertragbar sind. S 17 Danach gilt über den Wortlaut der Vorschrift hinaus der Grundsatz, dass auch nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 41 Abs. 1 KO (jetzt der Verjährungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO) dem Verwalter die Einrede der Anfechtung noch gegen

35 BT-Drucks. 12/2443 S. 169. 36 Jaeger/Henckel, § 146 Rz. 66 ff.; MK-InsO/Kirchhof, § 146 Rz. 49. 37 BGH v. 11.6.1992 – IX ZR 255/91, BGHZ 118, 374 (382); ähnlich BGH v. 1.12.1988 – IX ZR 112/88, BGHZ 106, 127 (130): Wenn die Leistung, die vom Verwalter gefordert wird, zwar nicht unmittelbar, aber doch im letzten Grunde auf einer anfechtbaren Rechtshandlung beruht.

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IV. Annex: Tarifvertragliche Verfallsfristen

Rz. 21 S

jeden Anspruch zusteht, durch den der Anfechtungsgegner aufgrund der anfechtbaren Handlung etwas von der Masse verlangt. Der Einrede greife durch, wenn die Leistung, die von der Masse gefordert wird, zwar nicht unmittelbar, aber doch im letzten Grunde auf einer anfechtbaren Rechtshandlung beruht.38 Der BGH hat aber dort die Grenze gezogen, wo Sinn und Zweck der Vorschrift ei- S 18 ner weiteren Ausdehnung entgegenstehen. Für die Anwendung des § 41 Abs. 2 KO komme es darauf an, ob der Verwalter angreift, um eine aufgrund einer anfechtbaren Rechtshandlung erbrachte Leistung wieder der Masse zu verschaffen, oder ob er sich verteidigt, indem er die Rechtsstellung der Masse wahrt. § 41 Abs. 2 KO habe den Zweck zu verhindern, dass Gegenstände und Rechte, die noch in der Masse sind, aufgrund eines anfechtbaren Rechtserwerbs deshalb der Masse entzogen werden, weil die Anfechtungsfrist versäumt worden ist. Nach diesen Grundsätzen sei die Einrede zugelassen, sofern der Verwalter gegen die Masse gerichtete Ansprüche abwehrt. Das treffe zu, wenn die Zahlung des Schuldners an den Verwalter gemäß § 407 S 19 Abs. 1 BGB gegenüber dem Zessionar des Gemeinschuldners wirksam ist und deshalb der Gläubiger den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB gegen den Verwalter erhebt,39 oder wenn der Verwalter, der sich in Besitz der gepfändeten Sache befindet, als Beklagter oder Kläger die Unwirksamkeit eines Pfändungspfandrechts aufgrund einer Anfechtung geltend macht.40 Dagegen stehe dem Verwalter die Einrede nicht zur Seite, wenn er nach Ablauf S 20 der Anfechtungsfrist auf Einwilligung in die Auszahlung des nicht in der Masse befindlichen, sondern hinterlegten streitigen Betrages klagt.41 Desgleichen könne der Verwalter die Einrede der Anfechtung nicht mit Erfolg erheben, wenn der Zessionar der ursprünglich dem Gemeinschuldner zustehenden Forderung diese dem vom Verwalter in Anspruch genommenen Schuldner erlassen hat. Die Einrede habe nämlich keinen weiteren Sinn, als dass der Verwalter in der Lage bleiben soll, Ansprüche auf Leistungen aus der Masse abzuwehren, wenn sie unmittelbar oder mittelbar auf anfechtbaren Handlungen beruhen.42

IV. Annex: Tarifvertragliche Verfallsfristen Die Anwendung dieser Fristen auf den Rückgewähranspruch nach Anfechtung S 21 von Lohn- und Gehaltszahlungen war in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte umstritten.43 Das BAG hat nunmehr entschieden, dass der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch keinen tariflichen Ausschlussfristen un-

38 BGH v. 30.6.1959 – VIII ZR 11/59, BGHZ 30, 238 (239); RGZ 84, 225 (228). 39 BGH v. 4.5.1970 – VIII ZR 163/68, WM 1970, 756 (757). 40 BGH v. 1.3.1982 – VIII ZR 75/81, ZIP 1982, 464 (467); v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, ZIP 2007, 1467 Rz. 9 ff.; v. 17.7.2008 – IX ZR 148/07, ZIP 2008, 1593 Rz. 19. 41 BGH v. 25.10.1972 – VIII ZR 54/71, BGHZ 59, 353. 42 BGH v. 28.11.1983 – II ZR 94/83, ZIP 1984, 171. 43 Humberg, NZI 2013, 733; Stiller, ZInsO 2013, 55. Kummer

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S Rz. 21

§ 146 InsO – Verjhrung des Anfechtungsanspruchs

terfällt.44 Im Anschluss an die Entscheidung des Gemeinsamen Senats zum Rechtsweg für die insolvenzrechtliche Rückgewähr von Lohn- und Gehaltszahlungen45 nimmt das BAG an, dass es sich zwar „nach typischem Tarifverständnis“ um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis handelt, wenn auch nicht aus dem Arbeitsvertrag. Gleichwohl unterfällt er tariflichen Ausschlussfristen nicht, denn er steht als Anspruch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis außerhalb der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien.

44 BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 466/12, ZIP 2014, 91; v. 27.2.2014 – 6 AZR 367/13, ZInsO 2014, 1108 Rz. 35 ff.; v. 8.5.2014 – 6 AZR 722/12, ZInsO 2014, 1759 Rz. 29. 45 GmS OGB v. 27.9.2010 – GmS-OGB 1/09, BGHZ 187, 105.

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T. § 147 InsO – Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung § 147 Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung Eine Rechtshandlung, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die nach § 81 Abs. 3 Satz 2, §§ 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken und §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen wirksam ist, kann nach den Vorschriften angefochten werden, die für die Anfechtung einer vor der Verfahrenseröffnung vorgenommenen Rechtshandlung gelten. Satz 1 findet auf die den in § 96 Abs. 2 genannten Ansprüchen und Leistungen zugrunde liegenden Rechtshandlungen mit der Maßgabe Anwendung, dass durch die Anfechtung nicht die Verrechnung einschließlich des Saldenausgleichs rückgängig gemacht wird oder die betreffenden Zahlungsaufträge, Aufträge zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträge zur Übertragung von Wertpapieren unwirksam werden. Rz.

Rz.

I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . .

T1

III. Regelungsgehalt. . . . . . . . . . . . . . . . .

T3

II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

T2

IV. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

T7

I. Gesetzgebungsgeschichte Die Vorschrift hat einen Vorläufer in § 47 KO.

T1

II. Allgemeines Die Vorschrift erlaubt die Anfechtung von Rechtshandlungen, die der Schuldner T 2 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, genauer: die nach der Regel des § 140 Abs. 2 InsO als nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen gelten und zum gutgläubigen Erwerb durch den Anfechtungsgegner geführt haben. Die Vorschrift ergänzt damit die §§ 129 bis 146 InsO, die eine Rechtshandlung zwar nicht stets vor dem Eröffnungsantrag, aber immer vor dem Eröffnungsbeschluss voraussetzen (§ 129 Abs. 1 InsO). Die Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf Rechtshandlungen, die die Veräußerung, Änderung, Belastung oder Aufhebung von Rechten an Grundstücken, Schiffen oder Luftfahrzeugen des Schuldners oder die in § 96 Abs. 2 InsO genannten Ansprüche und Leistungen (Finanzsicherheiten) betreffen. Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die Veräußerung von Grundstücken. Vergleichbare Vorschriften für bewegliche Sachen gibt es nicht.

Kummer

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T Rz. 3

§ 147 InsO – Rechtshandlungen nach Verfahrenserçffnung

III. Regelungsgehalt T 3 Er erschließt sich erst anhand weiterer Bestimmungen der InsO. Ausgangspunkt ist § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO. Hiernach gilt die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für deren Wirksamwerden erfüllt sind (z.B. der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung), die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2 BGB) und der andere Teil den Eintragungsantrag gestellt hat. Letzteres entspricht § 878 BGB mit dem Unterschied, dass dort eine nachträgliche Verfügungsbeschränkung zu Lasten des Veräußerers auch dann nicht schadet, wenn dieser selbst und nicht der Erwerber es gewesen ist, der den Eintragungsantrag gestellt hat. Unerheblich ist, ob und wann der Erwerber im Grundbuch eingetragen wird. Auf den so definierten Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung stellen die Anfechtungstatbestände der §§ 130 ff. InsO ab. T 4 Hiernach wäre ein Rechtsgeschäft nicht anfechtbar, wenn der in § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO definierte Wirksamkeitszeitpunkt erst nach dem Eröffnungsantrag liegt und der Erwerber gutgläubig ist, die Masse somit gemindert wird. Der Abschluss solcher Rechtsgeschäfte ist nicht von vornherein auszuschließen, denn der Insolvenzverwalter kann den Schuldner nicht an der Abgabe entsprechender Willenserklärungen hindern; eine Grundbuchsperre tritt durch die Insolvenz vor Eintragung des Insolvenzvermerks nicht ein. § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO lässt entgegen der Grundregel in Satz 1 aaO die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs offen, wenn der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfügt hat. § 91 Abs. 2 InsO lässt einen solchen gutgläubigen Erwerb ebenfalls entgegen der Grundregel in Abs. 1 aaO zu, wenn er sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollzieht. T 5 Rechtshandlungen, die hiernach wirksam wären, unterfallen der Anfechtung nach § 147 Satz 1 InsO. Vorausgesetzt wird also, dass von den drei in § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO genannten Rechtsakten (Erfüllung der Wirksamkeitsvoraussetzungen, Bindung des Schuldners an seine Einigungserklärung, Antrag des Erwerbers auf Eintragung der Rechtsänderung) jedenfalls einer in die Zeit nach dem Eröffnungsbeschluss fällt. Dabei steht es dem Eintragungsantrag des Erwerbers gleich, dass der Schuldner selbst den Eintragungsantrag nach dem Eröffnungsbeschluss gestellt hat. Dies wird trotz der offensichtlichen Diskrepanz zwischen § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO und § 878 BGB, die erst im Gesetzgebungsverfahren zur InsO entstanden ist, einhellig vertreten,1 wenn auch mit unterschiedlicher Begründung. Das Problem kann in der Praxis dadurch entschärft werden, dass der Verwalter einen noch nicht vollzogenen Eintragungsantrag des Schuldners zurücknimmt.2 Es stellt sich von vornherein nicht, wenn der Erwerber wirksam eine Auflassungsvormerkung erlangt hat (arg. § 140 Abs. 2 Satz 2 InsO), wozu erforderlich ist, dass der Erwerber deren Eintragung beantragt hat, die Bewilligung für den Schuldner bindend geworden ist (§ 878 BGB)

1 MK-InsO/Kirchhof, § 147 Rz. 6 ff.; HK-InsO/Thole, § 147 Rz. 5; Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 41 ff.; Breutigam/Tanz, ZIP 1998, 717 (721 ff.); Scherer, ZIP 2002, 341. 2 Raebel, ZInsO 2002, 955.

1094 Kummer

Rz. 9 T

IV. Einzelheiten

und der vorzumerkende Anspruch entstanden ist.3 Ob in diesem Zusammenhang auch der Eintragungsantrag des Insolvenzschuldners ausreicht, ist bislang noch nicht entschieden. Ein Anfechtungsbedürfnis besteht insoweit aber nur, wenn der Erwerber gut- T 6 gläubig war. Er war insbesondere bösgläubig, wenn ihm der Eröffnungsbeschluss bekannt war (§ 892 Abs. 1 BGB). Der entscheidende Zeitpunkt für die Kenntnis ist die Stellung des Eintragungsantrags oder die Einigung über den dinglichen Rechtserwerb, wenn sie erst später erklärt worden ist (§ 892 Abs. 2 BGB).

IV. Einzelheiten Anfechtbar sind nicht nur Rechtshandlungen des Schuldners nach Eröffnung des T 7 Insolvenzverfahrens. Anfechtbar sind vielmehr auch Rechtshandlungen Dritter, namentlich des Erwerbers, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und zur Vollendung seines Rechtserwerbs geführt haben,4 insbesondere sein Eintragungsantrag.5 Es kommen alle Anfechtungstatbestände des §§ 130 ff. InsO in Betracht, wo- T 8 möglich mit Ausnahme des § 132 InsO. Bis auf die Zeitschranken (Vornahmefristen) muss aber der gesamte jeweilige Anfechtungstatbestand erfüllt sein.6 Der Insolvenzverwalter muss die Vollendung des Erwerbstatbestandes, insbesondere die Grundbucheintragung, nicht abwarten.7 Er kann schon vorher anfechten, insbesondere um dem gutgläubigen Erwerb durch einen weiteren Erwerber vorzubeugen.8

3 4 5 6 7 8

BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 203/06, ZIP 2010, 339 zu § 8 AnfG. Jaeger/Henckel, § 147 Rz. 2. MK-InsO/Kirchhof, § 147 Rz. 12. MK-InsO/Kirchhof, § 147 Rz. 13; Jaeger/Henckel, § 147 Rz. 5. MK-InsO/Kirchhof, § 147 Rz. 9. Jaeger/Henckel, § 140 Rz. 46. Kummer

1095

T9

Rechtsprechungsregister 1. EuGH Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2015 16. 4. 15.10. 10.12.

C-557/13 C-310/14 C-594/14

NZI 2015, 8 ZIP 2015, 2379 ZIP 2016, 68

A47j A47b A47a

2014 16. 1.

C-328/12

ZIP 2014, 181

A47f

2012 19. 4.

C-213/10

ZIP 2012, 1049

A47h

2011 20.10.

C-396/09

ZIP 2011, 2153

A47

2009 12. 2. 10. 9.

C-339/07 C-292/08

ZIP 2009, 427 juris

A47e, B721 A47h

2. GemS-OGB Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2010 27. 9.

GemS-OGB 1/09

BGHZ 187, 105 = ZInsO 2010, 2400

B676, B715, B716, B558, O84

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2017 12. 1. 2. 2.

IX ZR 130/16 IX ZR 245/14

ZIP 2017, 489 NJW-RR 2017, 366

B595a B96, B289, B290, B460, B465, C55

2016 21. 1.

IX ZR 32/14

F61a, F75, F75a, F76, F78

21. 1.

IX ZR 84/13

28. 1. 4. 2.

IX ZR 185/13 IX ZA 28/15

4. 2. 4. 2.

IX ZR 42/14 IX ZR 77/15

DB 2016, 526 = WM 2016, 422 = ZIP 2016, 481 DB 2016, 467 = WM 2016, 366 = ZIP 2016, 374 ZIP 2016, 426 ZIP 2016, 630 = WM 2016, 557 ZIP 2016, 478 ZIP 2016, 583

3. BGH

F7a, F41, F44, F64, F65b B348, B477 B324, B611 B140a G18a, G123

1097

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

25. 2.

IX ZR 109/15

F69f, F70

25. 2.

IX ZR 12/14

WM 2016, 560 = ZInsO 2016, 628 = ZIP 2016, 627 ZIP 2016, 581

3. 3.

IX ZR 132/15

24. 3.

IX ZR 242/13

7. 4. 7. 4.

VII ZR 56/15 IX ZR 145/15

12. 4. 12. 5.

IX ZR 305/14 IX ZR 65/14

9. 6.

IX ZR 153/15

16. 6. 16. 6. 29. 6. 14. 7. 8. 9. 15. 9. 15. 9. 13.10. 20.10. 17.11.

IX ZR 23/15 IX ZR 114/15 VII ZB 4/15 IX ZR 188/15 IX ZR 151/14 IX ZR 152/15 IX ZR 250/15 IX ZR 184/14 IX ZR 305/14 IX ZR 65/15

15.12.

IX ZR 113/15

2015 8. 1. 8. 1.

IX ZR 198/13 IX ZR 203/12

29. 1.

IX ZR 279/13

5. 2. 12. 2.

IX ZR 211/13 IX ZR 180/12

5. 3.

IX ZR 133/14

12. 26. 15. 16.

1098

3. 3. 4. 4.

IX ZR 5/13 IX ZR 134/13 I R 44/14 IX ZR 180/13

BGHZ 209, 173 = NJW 2016, 2118 = ZIP 2016, 678 WM 2016, 797 = ZIP 2016, 874 ZIP 2016, 981 NZI 2016, 584 = ZInsO 2016, 1106 = ZIP 2016, 1206 ZIP 2016, 1058 VersR 2016, 988 = ZInsO 2016, 1251 = ZIP 2016, 1251 WM 2016, 1455 = ZInsO 2016, 1578 = ZIP 2016, 1491 ZIP 2016, 1388 ZIP 2016, 1295 ZInsO 2016, 1574 ZIP 2016, 1686 ZIP 2016, 2376 juris ZIP 2016, 2329 ZIP 2016, 2483 ZInsO 2016, 2393 GmbHR 2017, 82 = WM 2017, 51 = ZInsO 2016, 2474 = ZIP 2016, 2423 ZIP 2017, 185 ZIP 2015, 279 ZInsO 2015, 396 = ZIP 2015, 437 BGHZ 204, 83 = NJW 2015, 1109 = ZIP 2015, 589 ZInsO 2015, 841 NJW 2015, 1756 = WM 2015, 591 = ZInsO 2015, 528 = ZIP 2015, 585 BGHZ 204, 231 = ZIP 2015, 638 juris ZIP 2015, 1077 BFHE 249, 493 ZIP 2015, 1306

B140a, B162, B317a, B369, B405, B591 B255, B255a, B535, O42 F17a, F70, F103a B590a B523, O206a, O206b, O206c A41a F69g, F69h, F103a, O128a, O131 B482, O15 C109 O123d, O123g, O210 B397 F69d, F70 B215a F80c, O129 G42a G13, G31, G50 B353, F17a F69d, O47, O104, O117, O128, O128b, O129a, O131, O153b B669 F33, F76b F17b, F65b, F75 f. H90a, H93a, H98a, O18 ff., O31a, O51, O81, O83, O84a, O86 ff., O108a, O113, O129, O166, O169 C82a A61a, F38d ff., F76, F103f, O16a, O47, O104, O117, O127, O128b, O128c, O129a, O129c, O135a, O153b C86a, G46a, H33, H76c, H76g D45, O42a F17d, F103a H76g G53a

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Datum

Az.

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16. 4.

IX ZR 6/14

F69a, F69d, F69e, O87c

16. 4. 30. 4.

IX ZR 68/14 IX ZR 149/14

30. 4. 7. 5.

IX ZR 196/13 IX ZR 95/14

11. 6. 23. 6.

IX ZR 110/13 II ZR 366/13

9. 7. 22. 7. 10. 9.

IX ZR 207/13 IV ZR 223/15 IX ZR 215/13

10. 9. 22. 9. 24. 9. 15.10. 22.10.

IX ZR 220/14 II ZR 310/14 IX ZR 308/14 IX ZR 265/12 IX ZR 248/14

22.10.

IX ZR 74/15

29.10. 3.12.

IX ZR 123/13 IX ZR 131/15

ZInsO 2015, 898 = ZIP 2015, 937 ZIP 2015, 1447 ZInsO 2015, 1441 = ZIP 2015, 1549 ZIP 2015, 1130 NJW 2015, 2113 = ZInsO 2015, 1262 = ZIP 2015, 1234 ZIP 2015, 1398 NJW 2015, 2806 = ZIP 2015, 1480 ZIP 2015, 1545 WM 2015, 1681 WM 2015, 1996 = ZInsO 2015, 2180 = ZIP 2015, 2083 ZIP 2015, 2135 ZIP 2016, 266 ZIP 2015, 2486 ZIP 2015, 2284 ZInsO 2015, 2374 = ZIP 2015, 2328 Juris = ZInsO 2016, 341 ZIP 2015, 2484 ZIP 2016, 124

8.12.

II ZR 68/14

DB 2016, 465 = ZInsO 2016, 338 BGHZ 208, 243 = ZInsO 2016, 326 = ZIP 2016, 279 ZInsO 2016, 214 = ZIP 2016, 173

17.12.

IX ZR 287/14

17.12.

IX ZR 61/14

2014 9. 1. 16. 1. 16. 1. 23. 1. 6. 2. 6. 2. 13. 2. 20. 2.

IX ZR 209/11 IX ZR 116/13 IX ZR 31/12 IX ZR 15/13 IX ZR 148/13 IX ZR 221/11 IX ZR 133/13 IX ZR 164/13

BGHZ 199, 344 ZIP 2014, 785 ZIP 2014, 275 juris ZInsO 2014, 495 ZInsO 2014, 496 ZIP 2014, 528 BGHZ 200, 210

13. 3.

IX ZR 147/11

27. 3. 3. 4.

IX ZR 2/12 IX ZR 201/13

3. 4.

IX ZR 236/13

WM 2014, 1002 = ZInsO 2014, 1011 = ZIP 2014, 1037 ZIP 2014, 1132 NJW 2014, 1963 = ZIP 2014, 1032 ZIP 2014, 977

F48b C103a, F17a, F69e, F69f H34a, H48a, H62e B728, F72, F80a, O127, O130 B73, O42a B417, B418 B176, G69e B128 B623, O4 G69c I11 B165, B169a, F69e A47k B121, B317b, F17, G116a f., M92b B514, B673, O221a G69g B22, B29, B407, B547, C77, F16, F16a, F16c, F17a, M55 B417, B557 C23a, C23g, C23i, D34b, F48a, O15 ff., O29d, O29j, O29k, O77b, O77h ff., O249c ff. C115, F7a, F41, F55, F64, F69d, F70, F75, F103a, O128b, O130, O131, O135a B699 B406, H51a, H52e B28, B35, B302, F9a B707, G104 F63 F80b G69f B22, B29, B39, B51, H73, H79, H83, H89b O29h A47f B131, B134, B150, B165 ff., B169, F44c, F69g, O128a G65

1099

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Datum

Az.

Fundstelle

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6. 15. 22. 3. 26. 26. 10.

5. 5. 5. 6. 6. 6. 7.

II ZR 217/13 IX ZR 257/13 IX ZR 95/13 II ZR 100/13 IX ZR 200/12 IX ZR 130/13 IX ZR 192/13

NJW 2014, 3298 ZInsO 2014, 1331 ZIP 2014, 1289 ZIP 2014, 1523 ZIP 2014, 1497 ZIP 2014, 1497 BGHZ 202, 59 = ZInsO 2014, 1602 = ZIP 2014, 1491

10. 7.

IX ZR 280/13

17. 7.

IX ZR 240/13

15. 9.

II ZR 442/13

9.10. 15.10. 16.10. 23.10. 18.11.

IX ZR 294/13 XII ZR 163/12 IX ZR 282/13 IX ZR 290/13 II ZR 231/13

20.11.

IX ZR 13/14

20.11.

IX ZR 275/13

WM 2014, 1868 = ZIP 2014, 1887 BauR 2014, 1945 = NJW 2014, 2956 = WM 2014, 1588 = ZIP 2014, 1595 GmbHR 2015, 644 = ZInsO 2015, 1216 juris NJW 2014, 3775 ZInsO 2014, 2318 ZIP 2014, 2351 BGHZ 203, 218 = DB 2015, 55 = GmbHR 2015, 137 = ZIP 2015, 71 WM 2015, 53 = ZInsO 2014, 2568 = ZIP 2015, 42 NZI 2015, 178

B728 B314a C83a, F17c, F28b B302, B419 C119i, F62c M86a A61a, B154, F14, F14a, F100m, F103f, F109, H52c, O3b, O4, O16a, O18, O18b, O31a, O34a, O34b, O51, O81, O83, O84a, O86, O89, O108a, O113, O128 ff., O166, O169, O181 ff., O240c, O240d F61e, F76a, O16a

2013 10. 1.

IX ZR 13/12

ZIP 2013, 174 = WM 2013, 180

10. 10. 10. 10. 17. 24.

1. 1. 1. 1. 1. 1.

IX ZR 161/11 IX ZR 172/11 IX ZR 177/11 IX ZR 28/12 IX ZR 184/10 IX ZR 11/12

ZIP 2013, 528 WM 2013, 471 ZIP 2013, 531 NZI 2013, 253 ZIP 2013, 322 ZIP 2013, 371

7. 14. 14. 14. 21.

2. 2. 2. 2. 2.

IX ZR 146/12 IX ZR 41/12 IX ZR 115/12 IX ZR 94/12 IX ZR 32/12

ZIP 2013, 637 ZInsO 2013, 549 ZIP 2013, 685 ZIP 2013, 588 BGHZ 196, 220

21. 2.

IX ZR 52/10

21. 2.

IX ZR 69/12

ZInsO 2013, 780 = ZIP 2013, 894 ZIP 2013, 586

1100

C23a ff., D34b, F14, F14a, F48, O15, O15b, O16a, O29j, O69, O77b ff., O77g, O77i ff., O128b, O129, O249a ff. B129, B131, O29d, O29j, O29k G42a, G69d M59a B675 B131, B174, C13e B414, F16, O4b, O18f, O18g

A47m, O15, O29d, O77a, O77e ff., O77n, O134 B678 B387, C81, C82, D99, D110, D100a, F7a, F17b, F26, F32a, F38b, F41, F50a, F62, F63a, F63e, F65a, F71, F99 B37, E21 B675 P40a F103n, M74a M75, M75a B174, D59a, F100f, F100g, O136, O137, O138 B307 G69b C119b, F72 B16, B84, B360, M54b, M89 H22a, H35, H49a, H52, H58, H62b, H62e, H62f, H62g, H62h, H62j A41b, F41, F42 B42, B675

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Az.

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IX ZR 7/12

ZIP 2013, 734

3. 4. 4. 4. 4. 4. 5. 5. 5. 5. 5. 6. 6.

IX ZR 216/12 IX ZR 268/12 IX ZR 90/10 IX ZR 240/12 IX ZR 235/12 IX ZR 220/11 IX ZR 203/11 IX ZR 191/12 IX ZR 113/10 IX ZR 271/12 XI ZR 6/12 IX ZR 252/12 IX ZR 259/12

20. 6. 4. 7.

IX ZB 50/12 IX ZR 229/12

ZIP 2013, 838 ZIP 2013, 1088 ZIP 2013, 1131 juris ZIP 2013, 1127 ZIP 2013, 1288 juris ZIP 2013, 1180 WM 2013, 1361 NZI 2013, 816 WM 2013, 1314 juris WM 2013, 1793 = ZIP 2013, 1826 ZInsO 2013, 1845 BGHZ 198, 77

H55a, H76a, H76b, H89g, O18, O144b D60 B730, S8b G65a B359 B287, D59a, F32a, F100g, O114 B398, B499 H52 B255, B541, B542, M121 C23g, C82, D34a, D119a O18, O90, O144b, O153 O53 B371, B372 B174, C17, C41, D58a, F100f, O144

18. 7.

IX ZR 143/12

ZIP 2013, 2015

18. 7. 18. 7. 19. 9. 19. 9. 24. 9. 10.10. 10.10. 17.10. 22.10. 24.10. 6.11 7.11. 7.11. 19.11. 21.11. 5.12. 19.12.

IX ZR 219/11 IX ZR 198/10 IX ZR 4/13 IX ZR 232/12 II ZR 39/12 IX ZR 265/12 IX ZR 319/12 IX ZR 10/13 II ZR 394/12 IX ZR 104/13 XII ZB 434/12 IX ZR 248/12 IX ZR 49/13 II ZR 229/11 IX ZR 128/13 IX ZR 93/11 IX ZR 127/11

ZIP 2013, 1579 ZIP 2013, 1533 ZIP 2013, 2113 WM 2013, 1995 juris ZInsO 2013, 2266 ZInsO 2013, 2271 ZInsO 2013, 2265 ZIP 2014, 23 ZIP 2013, 2262 NJW 2014, 294 WM 2013, 2233 ZIP 2013, 2318 ZIP 2014, 168 ZIP 2014, 35 ZIP 2014, 183 NJW 2014, 1239

2012 12. 1. 19. 1.

IX ZR 95/11 IX ZR 2/11

ZIP 2012, 285 BGHZ 192, 221

19. 19. 26. 26. 26. 2. 9. 28. 8. 8.

IX ZR 226/09 IX ZR 4/11 IX ZR 191/10 IX ZR 33/09 IX ZR 99/11 III ZR 60/11 IX ZR 48/11 II ZR 115/11 IX ZR 51/11 IX ZR 102/11

juris ZIP 2012, 537 ZIP 2012, 638 juris ZIP 2012, 636 WM 2012, 458 ZInsO 2012, 1264 ZIP 2012, 865 ZIP 2012, 984 ZInsO 2012, 732

7. 3. 7. 11. 18. 18. 25. 26. 7. 7. 7. 7. 28. 6. 13.

1. 1. 1. 1. 1. 2. 2. 2. 3. 3.

B399 B22, B29, H52, H76a, H79, H82a, H89c, P166a C77, C78, C78b, C82, C89, C128, D119a, F17b, F75 H71, H74aff. G45b B16, F16a, F50, F61a C92a I7 A47j B170, D21a, O58, O144a G65cff. B589 F61a, F61b G39 F33a F67b C86b F16c F7a, F17c, F32a D44c ff. B121, B341, B579 B19a, B181, B227, B229, B230, B231, B232, B250, C12a, C16, D19a, D38, D95a, F10, G65b, G83l F62 D54, O138 B71, B125, B602, M55a, M129 F7a B330, G116a, M92a A41a B482 H57, H74e F57a, G38, G54a C82a

1101

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

15. 15. 15. 29. 29. 29. 3. 26. 26.

IX ZR 239/09 IX ZR 36/10 IX ZA 107/11 IX ZR 207/10 IX ZR 26/10 IX ZR 40/10 XI ZR 39/11 IX ZR 136/11 IX ZR 146/11

ZIP 2012, 735 juris ZIP 2012, 833 ZIP 2012, 931 juris ZInsO 2012, 976 ZIP 2012, 1018 ZIP 2012, 1256 ZIP 2012, 1183

26. 4.

IX ZR 74/11

BGHZ 193, 129 = ZIP 2012, 1038

26. 4. 26. 4.

IX ZR 73/11 IX ZR 67/09

ZInsO 2012, 971 ZIP 2012, 1301

26. 26. 3. 24. 24. 24. 14. 21. 21. 21.

4. 4. 5. 5. 5. 5. 6. 6. 6. 6.

IX ZB 239/10 IX ZR 149/11 V ZB 138/11 IX ZR 96/11 IX ZR 125/11 IX ZR 142/11 IX ZR 145/09 IX ZB 287/11 IX ZR 2/12 IX ZR 59/11

ZIP 2012, 1086 ZIP 2012, 1254 ZIP 2012, 2275 NZI 2012, 561 ZIP 2012, 1299 NZI 2012, 713 ZIP 2012, 1422 ZIP 2012, 1920 ZIP 2012, 1467 ZIP 2012, 1468

28. 28. 19. 19.

6. 6. 7. 7.

IX ZR 98/11 IX ZR 191/11 I ZR 24/11 IX ZB 27/12

24. 7. 20. 9. 27. 9. 27. 9. 9.10. 25.10. 8.11. 15.11. 15.11. 15.11.

II ZR 177/11 IX ZR 112/10 IX ZR 15/12 IX ZR 24/12 II ZR 298/11 IX ZR 117/11 IX ZR 77/11 IX ZR 173/09 IX ZR 169/11 IX ZR 205/11

22.11. 22.11. 22.11.

IX ZR 142/11 IX ZR 22/12 IX ZB 62/12

ZIP 2012, 1617 BGHZ 193, 378 ZIP 2012, 1671 ZInsO 2012, 1538 = ZIP 2012, 1681 ZIP 2012, 1804 ZInsO 2012, 1987 ZIP 2012, 2409 ZInsO 2012, 2048 ZIP 2012, 2391 ZIP 2012, 2355 juris ZIP 2013, 131 BGHZ 195, 348 BGHZ 195, 358 = NJW 2013, 694 ZIP 2012, 2513 ZIP 2013, 81 ZIP 2012, 2526

D57 F17b B301, C18 B524a, G45c, E9 C13a, C119b, F72, F73f C78, C78a, D119a, F83f C58a, M84, M84a, M84b B80, B98 B5, B56, B69, B357, B362, B365, B366, B647, C11, F18, G16, G19, G23, G27, G29, G31a, G32, G69a, O28, O29 B55, B174, B181, B194, B196, B197, B198, B287, B313, B318, B320, B346, B492, B610, B705, F7a, F13, F21, F63f, F100a, F100c, F 100d, F100e, F100g, M32a, O131b, O 137, O143, P65b B196, F23 B68, B315, B361, B422, B425, B430, B454, B455, B456, B571, B597, F16a, M35, M35a, O133, O136, O 137, O 138, O143 B397 G59e B732 D61 P100a, P105 F12 B25, B658, F11, F12a, F16a, M55 A47 A47f B162, B163, B229a, B372, 259m, B420, B604, B57 R19 H62e, H62f, H72a, I7a B400 B716, O29e

1102

3. 3. 3. 3. 3. 3. 4. 4. 4.

A41b B48 B126, G109, M92a C79a, F62a B49, H54, H55 F36, F54, F38e, F63e B362 A37b, B743, P37a, P124a B588, B589, F84 C133, C133a, F103a, F107, K5, K29a B18, B601 B210, B213, B513, F100h, F100k B307, B 565

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

22.11.

IX ZR 62/10

F7a, F17a, F17c, F28b

6.12. 6.12.

IX ZB 84/12 IX ZR 3/12

ZInsO 2013, 76 = ZIP 2013, 79 DB 2012, 2928 ZIP 2013, 228

6.12. 13.12. 20.12. 20.12. 20.12.

IX ZR 105/12 IX ZR 1/12 IX ZR 130/10 IX ZR 21/12 IX ZR 56/12

ZInsO 2013, 73 ZIP 2013, 324 ZIP 2013, 374 ZIP 2013, 223 ZIP 2013, 272

2011 11. 1. 20. 1. 20. 1. 25. 1. 25. 1. 3. 2.

II ZR 157/09 IX ZR 58/10 IX ZR 8/10 XI ZR 171/09 IX ZR 172/09 IX ZR 213/09

10. 10. 10. 17.

IX ZR 49/10 IX ZR 18/10 IX ZR 176/08 IX ZR 131/10

ZIP 2011, 328 ZInsO 2011, 421 ZIP 2011, 385 ZIP 2011, 482 BKR 2011, 127 WM 2011, 501 = ZIP 2001, 531 BGHZ 188, 317 ZIP 2011, 674 juris BGHZ 188, 363

17. 2.

IX ZR 91/10

ZIP 2011, 1114

1. 1. 15. 17. 17.

3. 3. 3. 3. 3.

XI ZR 135/10 XI ZR 320/09 VI ZR 162/10 IX ZA 3/11 IX ZR 63/10

WM 2011, 656 ZIP 2011, 826 VersR 2011, 682 ZInsO 2011, 784 BGHZ 189, 1 = NJW 2011, 1506

17. 3.

IX ZR 166/08

ZIP 2011, 824

17. 24. 7. 12. 3. 19.

3. 3. 4. 4. 5. 5.

IX ZR 73/10 IX ZB 36/09 IX ZR 118/10 II ZR 17/10 XI ZR 152/09 IX ZR 9/10

NJW 2011, 1506 ZIP 2011, 683 ZIP 2011, 966 ZIP 2011, 1101 ZIP 2011, 1252 ZIP 2011, 1111

19. 31. 9. 9. 9. 30.

5. 5. 6. 6. 6. 6.

IX ZB 284/09 II ZR 106/10 IX ZR 179/08 IX ZR 183/09 IX ZB 247/09 IX ZR 134/10

ZIP 2011, 1372 f. ZIP 2011, 1410 ZIP 2011, 1324 juris ZInsO 2011, 1368 ZIP 2011, 1416

30. 6.

IX ZR 155/08

BGHZ 190, 201

7. 7.

IX ZR 100/10

ZIP 2011, 1576

2. 2. 2. 2.

B716 C116a, F10, F17a, F83a, F83e, F83f, F83g, F103j G85, G90a C22a, D35a, D59b A49, B559, B567, B736, F109 G59a, G59c, G59d, G59e, G109 B41, B391 H62j B368, B631, D85 D63, D65, N23 B115 O132 B27, B35, B296, B297, F16b, N18, N19, N22, N24 B490 B685, G45, G45a, P132 F67b, F103 H46, H48, H56, H56a, H62f, H62g, H64a, K7, K9 B674, B680, H55, P12, P21, P40, P40a, N19 O53 B104, B116 C119f, F73c K14 B60, B68, B75, B421, B455, B456, B561, C21, M35, O47, O48, O153b, O155, O161 B59, B129, B134, B203, B322, B360, B404, B405 O140, O146 B716 B514 H28b B117, M84, M84b C44, C92, C115, C116, D54, D92, F70, F83i L18a H17 B6, B19, B59, B407, M55, M71 B262, B283, C2a, C26 B716 A28, C78a, C79b, D119a, F17b, F27, F50a, F65b, F75, F83f, F83g B254, B257, B259, B539, C119b, C119c, C119e, C121, F7a, F62b, M89 B543, C52, D57, D119d, O10, O56, O134, O138, O226

1103

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

19. 7. 21. 7. 26. 7. 22. 9. 27. 9. 29. 9. 29. 9. 11.10. 13.10. 20.10. 25.10. 10.11. 15.11. 29.11. 1.12. 1.12.

X ZR 140/10 IX ZR 185/10 XI ZR 36/10 IX ZB 121/11 XI ZR 328/09 IX ZR 74/09 IX ZR 202/10 II ZR 18/10 IX ZR 80/11 IX ZR 10/11 XI ZR 368/09 IX ZA 99/11 II ZR 6/11 II ZR 306/09 IX ZR 79/11 IX ZR 11/11

1.12. 8.12. 8.12.

IX ZR 58/11 IX ZR 57/08 IX ZR 156/09

BGHZ 190, 281 ZIP 2011, 1775 ZInsO 2011, 1740 ZVI 2011, 408 ZIP 2011, 2400 ZInsO 2011, 1979 ZInsO 2012, 138 WM 2011, 2235 NZI 2011, 937 ZIP 2011, 2262 ZIP 2011, 2398 ZInsO 2012, 147 ZIP 2012, 86 BGHZ 191, 354 ZIP 2012, 34 BGHZ 192, 9 = ZIP 2011, 2417 ZIP 2012, 167 NZI 2012, 81 ZIP 2012, 137

15.12.

IX ZR 118/11

ZIP 2012, 333

M102a A47d, H16, H27, H51a M84a C12a B114, M84 B418, B432, D79 B59, C12b, D16, F12, F17a, F83e H89g B704, E48a M89 B119, F76 B390 B735, D96, H28a, H62i, H63, H63c M25, M54d B123, B124, G111a B738, H70, H87, H92b, P155a, P156 B116, M84, M84b B688, D108 D29, D34, F40, F41, F50a, F51, F56, F63, F64 B20, B38, B358, B607, C10, C12, O50, O75, O182, O185, O191, O192

2010 14. 1.

IX ZR 78/09

14. 1. 14. 1. 21. 1.

IX ZR 93/09 IX ZR 153/07 IX ZR 65/09

MDR 2010, 774 = ZIP 2010, 335 ZIP 2010, 380 DZWIR 2010, 290 BGHZ 184, 101

25. 1.

II ZR 258/08

4. 7. 11. 11.

2. 2. 2. 2.

IX ZR 32/09 II ZR 13/10 IX ZR 42/08 IX ZR 104/07

ZIP 2010, 470 = ZInsO 2010, 568 ZInsO 2010, 714 juris ZIP 2010, 588 ZIP 2010, 682

11. 11. 18. 18.

2. 3. 3. 3.

VII ZR 225/07 IX ZR 104/09 IX ZR 111/08 IX ZR 57/09

ZIP 2010, 646 ZIP 2010, 793 ZIP 2010, 1137 ZIP 2010, 841

IX ZR 8/07

ZInsO 2010, 1001

22. 4.

1104

B88, B89, B95, D53e, H71, M6, M46, M48, M65, M66, M67, M127 B379 C53, O88 ff., O135, O142 C10c, D76, O27, O133, O134, O153, O155, O231, O232, O233, O234 B57, H55, H105 C114 B733 B263, B286, B539, C45, D58, D92 B14, B254, B259, B262, B549, C2a, C18, C38, C81, C119e, D9, D47, D49, F62a, M18, M23, M54b, M89, M113, M131, O33, O38, O43, O57, O72, O80, O82, O85, O88, O89, O90, O91, O127, O142, O250, O251, O252, O253, O254, O255, O256 B56, B336 A12, B1, B4, B56, B57, B543 B96, B292, M64, M70 A28, A29, D98, F7a, F9, F21, F32, F33, F50, F50a, F67, F68, F100d, F109, F111, G3, G16, G32 f., G42a, G88, G89 M11

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Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

22. 4. 22. 4.

IX ZR 225/09 IX ZR 163/09

ZIP 2010, 1455 ZIP 2010, 1253

26. 27. 27. 28. 6. 17. 17. 24. 24. 1.

4. 4. 4. 4. 5. 6. 6. 6. 6. 7.

II ZR 60/09 IX ZR 245/09 IX ZR 122/09 IV ZR 73/08 IX ZR 114/08 IX ZR 186/08 IX ZR 134/09 IX ZR 97/09 IX ZR 125/09 IX ZR 70/08

ZIP 2010, 1443 ZIP 2010, 1964 ZInsO 2010, 1091 BGHZ 185, 252 ZIP 2010, 1188 ZIP 2010, 1402 ZInsO 2010, 1324 NZI 2010, 903 ZInsO 2010, 1378 WM 2010, 1756

1. 7. 20. 7. 20. 7.

IX ZR 58/09 IX ZR 37/09 XI ZR 236/07

20. 9. 23. 9.

IX ZR 296/08 IX ZR 212/09

ZIP 2010, 1702 BGHZ 186, 242 BGHZ 186, 269 = MDR 2010, 1199 BGHZ 187, 69 ZIP 2010, 2009

30. 9. 30. 9.

IX ZR 177/07 IX ZR 178/09

ZInsO 2010, 2133 ZIP 2010, 2105

7.10. 14.10. 14.10. 21.10. 26.10. 11.11. 6.12. 9.12. 21.12.

IX ZR 209/09 IX ZR 16/10 IX ZR 160/08 IX ZR 240/09 XI ZR 562/07 VII ZB 87/09 II ZB 13/09 IX ZR 60/10 IX ZR 199/10

ZIP 2010, 2307 ZIP 2010, 2358 ZIP 2010, 2460 ZInsO 2010, 2293 ZIP 2010, 2407 ZIP 2011, 350 ZIP 2011, 246 ZIP 2011, 390 ZIP 2011, 484

21.12.

IX ZA 14/10

WM 2011, 276

G42a, G45, G50a, P115, P132 A43, A43a, B684, B685, G43, I26, P132 H5, H22 G111, G113, G114 G12, G58 B103, B317b, G116b, M92b C22, D1, D35, D87 B209, G62, G65, G72a, G127 D63 B253, B538 B33, B538 C79, C90, C109, F67, F67a, F75, F76 B4, B12, B40, B61, F108, F112, F115 B109, M80 B104, B109, B113, B119, E30, M80, M81, M82, M83, M84, O228, O229 H52b B313, B315, B318, C23g, D34b, F17, O4, O5, O19, O21, O34, O38, O39, O40, O45, O46, O78, O246 B16, B37, B120, B627, M84 B44, B37, B63, B118, B120, M17, M25a, M85, M86, O21, O78, O146, O147, O152 C131 B585, F61b P73 B12, B49, B118, B119, B558 B114, B115, E30 G110 B735 B685, G45, G45a, P132 B 524a, B702, G32, G32a, G42a, G44, G72 B4, B56, B61, B336

2009 8. 1. 22. 1. 26. 1. 26. 1.

IX ZR 217/07 IX ZR 66/07 II ZR 260/07 II ZR 213/07

5. 2. 19. 2.

IX ZR 78/07 IX ZR 62/08

ZIP 2009, 380 ZInsO 2009, 378 BGHZ 179, 249 BGHZ 179, 278 = ZIP 2009, 471 ZIP 2009, 673 BGHZ 180, 63

19. 2. 19. 2.

IX ZR 16/08 IX ZR 22/07

ZIP 2009, 769 ZIP 2009, 728

5. 3.

IX ZR 85/07

BGHZ 180, 98

12. 3. 19. 3.

IX ZR 85/06 IX ZR 39/08

ZIP 2009, 726 ZIP 2009, 817

B276, B542, M114, M121 B35 H28, H28b, H51a, H89 H72, H72a B10, B105, B315, B615 C79, C106, C110, C119g, F17b, F62, F68, F69 B156, G82, G105, M23 A24, B30, B24, B509, D61, D65, F16b, D67, F21, F23, F25, F32a, F45, F55, F64 B164, C119, F73 B569, B596, B607, B654, H76

1105

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

26. 2. 2. 2. 2. 2.

3. 4. 4. 4. 4. 4.

I ZR 153/06 IX ZR 145/08 IX ZR 221/07 IX ZB 182/08 IX ZR 171/07 IX ZR 236/07

BGHZ 180, 344 ZIP 2009, 921 GWR 2009, 97 ZInsO 2009, 820 WM 2009, 958 ZIP 2009, 1080

6. 23. 7. 7.

4. 4. 5. 5.

II ZR 277/07 IX ZR 82/06 IX ZR 71/08 IX ZR 140/08

ZIP 2009, 1273 juris ZIP 2009, 1122 ZInsO 2009, 1054

7. 5.

IX ZR 22/08

ZInsO 2009, 1294

14. 5.

IX ZR 63/08

BGHZ 181, 132

19. 5. 19. 5. 19. 5.

IX ZR 37/06 IX ZR 39/06 IX ZR 129/06

ZInsO 2009, 1395 ZInsO 2009, 1270 ZInsO 2009, 1249

18. 25. 25. 9.

6. 6. 6. 7.

IX ZR 7/07 IX ZR 98/08 IX ZR 157/08 IX ZR 86/08

ZIP 2009, 1434 BGHZ 181, 361 juris ZInsO 2009, 1585

16. 16. 16. 16. 20. 13. 13.

7. 7. 7. 7. 7. 8. 8.

IX ZR 53/08 IX ZR 28/07 IX ZR 118/08 IX ZB 221/08 II ZR 36/08 IX ZR 58/06 IX ZR 159/06

ZIP 2009, 2073 ZInsO 2010, 87 BGHZ 182, 85 ZIP 2009, 1591 ZIP 2009, 328 ZInsO 2009, 1810 ZIP 2009, 1966

17. 9. 17. 9.

IX ZR 222/07 IX ZR 106/08

juris BGHZ 182, 264

6.10.

IX ZR 191/05

BGHZ 182, 317

8.10.

IX ZR 173/07

ZIP 2009, 2253

15.10. 22.10.

IX ZR 201/08 IX ZR 182/08

ZIP 2009, 2306 ZIP 2009, 2303

22.10.

IX ZR 90/08

ZInsO 2009, 2336

B400 C98, L19, L20, L21, L29a B685 B676, B680, B715 B12, B103, M83 A30, B16, B22, B53, B94, B114, B298, B573, G13, G29, G30 H56 D63, F31a G59d, G92, G97, G103, H52, O219 C10, C41, C45, C49, C51, D57, D95, O10 B262, B263, B286, B288, B548, C26, C29, C54, D45, D49, D53d, D57 B555, C41, C46, C57, C83, C84, C86, D35, D56, D70, D71, D72, D93, D94, D105, G82, M87 M7, M39, M47a A47e, B721, N28 B366, B477, B480, B485, B488, B660, B671, M13, M26, M102a D124, F16a, F54 B291, M20, M22 B683 B4, B6, B10, B15, B57, B130, B309, B328, B329, B367, B647, B650, B694, C19, F17, F63f G46a, H76c, P14, P130a F14, F21a, F38 C119f, F73c B307, B734 H62j B712, B714, B724, B730, P170, P171 A28, A29, B308, B352, D7, F9, F18, F26, F27, F32, F33, F66, F67, F68, F75, F80, F100d, F102, G16 G85 B30, B62, B88, B94, B97, B101, B257, B446, B450, B452, B596, C30, D48, D53e, D66a, E46, M48, M51, M62, M67, M70, M70a, M73 B23, B129, B156, B162, B317a, B321, B322, B360, B372, B381, B382, B405, B408, B410, B535, B553, B604, B654, B661, C42, C44, D54, D55, F19, G19a, J35 A29, D7, F8a, F27, F32, F66, F67, F83g, F102, F103 C4, C113 B204, G13, G31, G61, G72a, G105, G127 B70, B76, B78, B292, B293, B527, M6, M8, M10, M36, M64, M66, M90c

1106

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

22.10.

IX ZR 147/06

ZIP 2010, 90

28.10. 4.11. 5.11.

VII ZB 82/09 XII ZR 170/07 IX ZR 233/08

juris ZIP 2010, 332 BGHZ 183, 86

19.11. 3.12. 3.12. 3.12. 10.12. 10.12. 15.12. 17.12. 17.12.

IX ZR 9/08 IX ZR 7/09 IX ZR 29/08 IX ZR 189/08 IX ZR 203/06 IX ZR 128/08 XI ZR 45/09 IX ZR 16/09 IX ZR 215/08

ZIP 2010, 36 BGHZ 183, 269 ZInsO 2010, 230 ZInsO 2010, 188 ZIP 2010, 339 ZIP 2010, 191 ZIP 2010, 220 ZInsO 2010, 521 juris

B6, B8, B16, B33, B253, B537, B538, B581 B121, M92, M127 B90, M52 A51, B514, B586, O11, O20, O76, O210, O211, O242, O243, O244, O245 B209, G28, G55, G57, G62, G65 H97 B741 B520 M26a, M108, T5 B25, B26, B37, F16c, J36, O127a B532 B313, G6, G126, P125 B33, B253

2008 10. 1. 10. 1 16. 1. 17. 1. 17. 1. 14. 2. 21. 2. 21. 2. 28. 2. 28. 2.

IX ZR 33/07 IX ZR 94/06 VIII ZR 254/06 IX ZR 134/07 III ZB 11/07 IX ZR 38/04 IX ZR 209/06 IX ZR 255/06 IX ZR 213/06 IX ZR 177/05

ZIP 2008, 467 ZInsO 2008, 204 WM 2008, 464 DZWIR 2008, 253 ZIP 2008, 478 ZInsO 2008, 378 ZInsO 2008, 508 ZInsO 2008, 317 ZInsO 2008, 374 ZIP 2008, 650

13. 13. 20. 27.

3. 3. 3. 3.

IX ZR 14/07 IX ZB 39/05 IX ZR 68/06 IX ZR 29/07

ZInsO 2008, 452 ZIP 2008, 1028 ZIP 2008, 884 juris

27. 3.

IX ZR 98/07

ZIP 2008, 930

27. 27. 17. 28. 28. 5. 8. 29. 5.

IX ZR 210/07 IX ZR 220/05 IX ZR 77/07 II ZR 207/06 II ZR 264/06 II ZR 108/07 IX ZR 116/07 IX ZR 42/07 IX ZR 163/07

ZIP 2008, 747 BGHZ 176, 86 juris ZIP 2008, 1176 BGHZ 176, 204 ZIP 2008, 1230 juris WM 2008, 1327 ZIP 2008, 1385

5. 6.

IX ZR 17/07

ZIP 2008, 1291

5. 6. 10. 6.

IX ZR 17/05 XI ZR 283/07

juris BGHZ 177, 69

12. 6.

IX ZB 220/07

WM 2008, 1414

3. 3. 4. 4. 4. 5. 5. 5. 6.

F19, F24, F25 B388, M39 F51a B72, C21 S12 C83, C89, C129, F77, F83h B667, B710, B722, B727, S2, S8 B12, B440, B564, C67, D102, M27 B307, B386, B408, B499, C43, D61 B238, B240, B376, B426, B429, B596, B653 M91, M122, M123, M124 A1, B316, B327, B687, B689, B652 B35 O88, O89, O90, O91, O138, O139, O140, O141, O142 C102, C103, C115, C116, C132, F62, F70, F83h, F83i B165, B645, C44, D54 B430 C93 H15, H101 H110 H57 B64 B103, M17, M83 B232, G55, G58, G59d, G60, G61, G65b, G72a, G83l, G106 B585, E27b, F1, F22, F23, G28, G29, G32, G33, P118 B523 B13, B107, B103, M17, M76, M77, M78, M83, M86, J30, O21, O23, O51, O86, O145, O146, O149, O150, O151, O166, O167, O227 F14b

1107

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

26. 6.

IX ZR 87/07

ZIP 2008, 1488

26. 26. 10. 17. 17.

6. 6. 7. 7. 7.

IX ZR 47/05 IX ZR 144/05 IX ZR 142/07 IX ZR 245/06 IX ZR 148/07

ZInsO 2008, 803 ZInsO 2008, 801 WM 2008, 1606 ZIP 2008, 2136 ZIP 2008, 1593

16. 9. 18. 9. 18. 9. 25. 9. 9.10.

IX ZR 172/07 IX ZR 62/05 IX ZR 134/05 IX ZR 223/05 IX ZR 59/07

ZIP 2008, 1991 NZG 2008, 902 NZG 2008, 902 juris ZIP 2008, 2183

9.10. 16.10. 16.10. 16.10.

IX ZR 138/06 IX ZR 183/06 IX ZR 2/05 IX ZR 147/07

BGHZ 178, 171 ZInsO 2009, 87 ZIP 2008, 2324 ZIP 2008, 2182

23.10. 23.10. 23.10. 20.11. 20.11. 11.12. 11.12.

VII ZB 16/08 IX ZR 202/07 IX ZR 115/07 IX ZR 188/07 IX ZR 130/07 IX ZR 194/07 IX ZR 195/07

WM 2008, 2265 ZInsO 2008, 1269 juris ZIP 2009, 189 ZInsO 2009, 31 ZIP 2009, 228 BGHZ 179, 137

18.12.

IX ZR 79/07

ZIP 2009, 573

B86, B87, B100, B565, F52, H98, H109, M47, M50 B460, C55 B46, B84, B234, B394 B315, B463 B55, M23 B252, B658, B726, B729, S5, S12, S19 B725 B462 C10c, O166, O172, O192, O238 M90a B61, B156, B171, B177 ff., B201, B229, B230, B248, B411, B412, B553, B705, C12, D19a, D20, D80, G105, R9 B32, B60, B701, H74c, L9, M23 F2, F22, F32, F55, F64 B639, D59a, D79, D84 B162, B321, B325, B370, B371, B603, B606 B121, B527, G110, M92, M127 A12, A36b, B251 F17b F76, F86 B309, B568 B95, M6, M27, M110 A30, A43, B537, B683, G2, G32, G42a, G43, M23, P11, P119 B340, F22, G48

2007 11. 1.

IX ZR 31/05

BGHZ 170, 276

18. 1. 1. 2.

IX ZR 176/05 IX ZR 96/04

ZInsO 2007, 541 BGHZ 171, 38

1. 5. 8. 13. 26. 28. 29. 19. 19.

2. 2. 3. 3. 3. 3. 3. 4. 4.

IX ZB 248/05 II ZR 51/06 IX ZR 127/05 XI ZR 383/06 II ZR 310/05 VII ZB 25/05 IX ZR 27/06 IX ZR 79/05 IX ZR 59/06

ZInsO 2007, 323 ZIP 2007, 1501 ZIP 2007, 924 ZIP 2007, 905 ZInsO 2007, 542 BGHZ 172, 16 ZIP 2007, 1126 ZIP 2007, 1118 ZIP 2007, 1120

19. 4. 3. 5. 10. 5.

IX ZR 199/03 IX ZR 16/06 IX ZR 146/05

ZInsO 2007, 596 ZIP 2007, 1326 BauR 2007, 1412 = WM 2007, 1181 = ZIP 2007, 1162

1108

B380, B407, B408, B552, B617, C41, C42, F19 B513 B667, B678, B681, H105, P2, P38, P40, P40a, P100, P102 B661 H105 B466, B554, D72, D76, M63 B100 B57, B414, H89e N11 ff. C15, D15 B242, B709, G26, G32, G69 B624, B645, B687, B689, B691, E19, F18, F23, F47, P62 B614, B636, B637 B254, B479, B483, G68 B368, B605, C53, C70, D21, D79, D84, D85, O29b, O29e, O29f, O77a, O77e, O77g, O77k ff., O88 ff., O109, 0118, 0121, 0123, O133, O135b, O138

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

24. 5. 24. 5. 24. 5.

IX ZR 97/06 IX ZR 8/06 IX ZR 105/05

ZIP 2007, 1511 ZInsO 2007, 656 ZIP 2007, 1274

25. 5. 13. 6. 14. 6.

IX ZR 125/04 IV ZR 330/05 IX ZR 56/06

juris ZInsO 2007, 772 ZIP 2007, 1507

14. 6. 21. 6.

IX ZR 219/05 IX ZR 231/04

BGHZ 172, 360 ZInsO 2007, 816

5. 5. 11. 11. 12.

7. 7. 7. 7. 7.

IX ZR 256/06 IX ZR 160/06 IX ZR 195/04 IX ZR 31/05 IX ZR 235/03

BGHZ 173, 129 ZIP 2007, 1507 ZInsO 2008, 163 BGHZ 170, 276 ZIP 2007, 2084

12. 7. 12. 7. 16. 7. 19. 7. 16. 8. 24. 9. 25. 9. 11.10. 11.10. 25.10. 25.10.

IX ZR 210/04 IX ZR 120/04 II ZR 3/04 IX ZB 36/07 IX ZR 63/06 IX ZR 178/07 IX ZR 231/96 IX ZR 87/06 IX ZR 195/04 IX ZR 157/06 IX ZR 217/06

ZInsO 2007, 1046 ZInsO 2007, 813 BGHZ 173, 246 BGHZ 173, 286 BGHZ 173, 328 juris NJW 1998, 607 ZInsO 2007, 1223 ZInsO 2008, 163 ZIP 2008, 131 BGHZ 174, 84

8.11. 15.11. 15.11.

IX ZB 221/03 IX ZR 232/03 IX ZR 212/06

WM 2008, 87 JurBüro 2008, 269 ZIP 2008, 235

16.11.

IX ZR 194/04

BGHZ 174, 228

29.11.

IX ZR 121/06

BGHZ 174, 314

29.11.

IX ZR 165/05

ZInsO 2008, 209 = ZIP 2008, 372

F25, F34, F38b, F66, F76, F103 B389 B58, B324, B420, B454, B490, B503, B596, M23, M54c, P65 F63 D35 B77, B71, B91, B254, B257, B279, C33, C78, D52, M44, M110, M121, M133 P33, P53 C22, C76, C81, F40, F55, M78a, M88, J4, J7, J11, J18 A1, D21, D78, F10 B77 B287, B543, C54, D57, D95 C41, C42, F19, J 30 B57, B328, B329, B334, B336, B338, B347, B384, B430, B618, B631, B632, E32, E48, F83 C82, C127 B252, B536, S11, S12, S19 H110 C80, C83 B662 F14 C109, C130 B581 B287, B543, C54, D57, D95, O18 B407, F11 B13, B105, B106, B119, B160, E30, M77 B388, B398 M26 B287, B543, C23g, C49, C51, C52, C96, D34b, D57, D119d, D124a, L17a, L19, L29, L29a, O142 A7, A39, B55, B57, B130, B156, B110, B202, B205, B161b, B249, B369, B374, B375, B381, B411, B553, B700, B706, C17, D19, F94, F95, F96, F100k, G9, G55, G59d, G75, G81, G95, G105, G127, O4, O29d, O29j, O29k, O52, P13 A17, A28, B189, B191, B197, B231, B248, B324, B378, B703, B705, C7, D21, D78, E6, F2, F12, F27, F62b, F92, F100a, F100c, F100e, G81 B13, B17, B85, B231, B236, B394, B557, B708, C2a, M41

1109

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

29.11.

IX ZR 30/07

BGHZ 174, 297

6.12.

IX ZR 113/06

NJW 2008, 659

12.12.

VII ZB 108/06

20.12.

IX ZR 93/06

NJW 2008, 918 = ZInsO 2008, 158 ZIP 2008, 420

A4, B13, B16, B70, B89, B75, B84, B96, B251, B290, B292, B394, B454, B460, B465, C10c, C21, C28, C61, C119e, D35, D49, D99, D104, D117, G59e, G96, M7, M16, M40, M41, M43, M54, M54b, O19, O25, O31, O33, O45, O47, O53, O55, O73, O118, O133, O154, O155, O161, O171, O230 C10c, O105, O106, O159, O168, O169 N12

20.12.

IX ZR 132/06

ZInsO 2008, 206

2006 19. 1. 30. 1. 2. 2. 2. 2.

IX ZR 154/03 II ZR 357/03 IX ZR 82/02 IX ZR 67/02

ZIP 2006, 959 ZIP 2006, 466 ZInsO 2006, 371 BGHZ 166, 125

2. 9. 13. 6. 9. 23.

2. 2. 2. 3. 3. 3.

IX ZB 167/04 IX ZR 121/03 II ZR 62/04 II ZB 11/05 IX ZR 55/04 IX ZR 116/03

ZIP 2006, 483 ZIP 2006, 818 ZIP 2006, 703 ZIP 2006, 682 ZInsO 2006, 429 BGHZ 167, 11

23. 3. 30. 3.

IX ZB 130/05 IX ZR 84/05

ZIP 2006, 825 ZIP 2006, 957

6. 4. 6. 4.

IX ZR 107/05 IX ZR 185/04

juris ZIP 2006, 1007

13. 4.

IX ZR 158/05

BGHZ 167, 190

13. 4. 11. 5.

IX ZB 118/04 IX ZR 247/03

ZIP 2006, 1056 BGHZ 167, 363

1. 6.

IX ZR 159/04

ZIP 2006, 1362

IX ZB 238/05 II ZR 133/05 IX ZR 152/04 IX ZR 226/03

ZIP 2006, 1457 ZIP 2006, 2272 ZIP 2006, 1740 ZIP 2006, 1639

13. 26. 13. 20.

1110

6. 6. 7. 7.

C83, F17a, F27, F38b, F70, F76, F77, F83g B493, B497 B289, B454, B471, B508, B554, B563 G31, H16 F50, H108 B343, C22, D34a, D35, D69, F50, H15, H62j, M103, J34, O168 B307, B575, B619, H31 B262, C31, C39, D51, D52a I7, I7b B732 B77 D61, D64, D112a, F52, M32, M70, M72, M118, M133, P43, P79 B731 A32, G14, G28, G55, G57, G58, G59, G60, G72a, G95, G127 C51 B309, B466, B468, B556, B563, B655, B656, B703, C12, C12a, C14, C15, O133 A28, B198, C53, C99, D41, D91, F27, F32a, F103o, H52, H99, L15, O80, O83, O89, O98, O105, O106, O107, O108, O109, O110, O111, O112, O113, O 153, O165, O172, O173, O182, O183, O184, O185, O188, O190, O236, O237 C78a, F80a B45, B70, B71, B86, B636, D66a, M7, M46, M115, M133 A32, F111, G59, G59d, G87, G90, G91, G96, G103 C87, F80a H60 B251 B60, G28

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

20. 7.

IX ZR 44/05

ZIP 2006, 1591

27. 7. 27. 7. 21. 9. 21. 9. 28. 9. 28. 9. 12.10.

IX ZB 204/04 IX ZB 141/05 IX ZR 235/04 IX ZR 173/02 IX ZR 98/05 IX ZR 136/05 IX ZR 228/03

BGHZ 169, 17 ZIP 2006, 1603 ZIP 2006, 2176 ZIP 2006, 2046 ZIP 2006, 2225 BGHZ 169, 158 ZIP 2006, 2222

9.11. 9.11. 16.11. 23.11. 28.11. 7.12. 14.12.

IX ZR 285/03 IX ZR 133/05 IX ZR 239/04 IX ZR 126/03 VI ZR 196/05 IX ZR 157/05 IX ZR 194/05

ZIP 2006, 2391 ZInsO 2006, 1321 ZIP 2007, 33 ZInsO 2007, 101 NJW 2007, 834 ZIP 2007, 136 BGHZ 170, 206

14.12.

IX ZR 102/03

BGHZ 170, 196

21.12.

IX ZR 7/06

ZIP 2007, 239

B179, C13, D15, D19, D20, D30, D59, D80, D89 L28 B715 B1, B5, B667, B720, P12, P55 B105, M77 B10, B43 A12, A46, B252, B536, C25, S11, L8 B208, C78b, C79, C81, C82, C89, C90, C103, C127, D119a, C128, G72a B12, G28, G32, G38, P118 B101, B596, M60, M70a, M73 S3 B480, B481, M13 F73c C8, D12, D63 A44, B251, B261, B267, B293, B550, B580, D49 A11, B6, B15, B62, B97, B100, B101, B292, B600, B453, B455, B722, C19, C102, D117, D118, M15, M55, M57, M58, M59, M67, M118, M132 B452

2005 13. 1. 31. 1. 10. 2.

IX ZR 457/00 II ZR 240/02 IX ZR 211/02

ZIP 2005, 585 ZIP 2005, 484 BGHZ 162, 143

28. 2. 3. 3.

II ZR 103/02 IX ZR 441/00

ZIP 2005, 660 BGHZ 162, 276

14. 15. 7. 21.

3. 3. 4. 4.

II ZR 129/03 XI ZR 338/03 IX ZR 138/04 IX ZR 24/04

9. 24. 2. 2. 2.

5. 5. 6. 6. 6.

II ZR 66/03 IX ZR 123/04 IX ZB 235/04 IX ZR 217/02 IX ZR 181/03

WM 2005, 695 ZIP 2005, 894 ZIP 2005, 909 WM 2005, 1033 = ZIP 2005, 992 ZIP 2005, 1316 BGHZ 163, 134 ZIP 2005, 1334 NZI 2005, 678 ZIP 2005, 1651

2. 6.

IX ZR 263/03

ZInsO 2005, 884

C41, C44, D54, D92 B47, H14, H101 A14, A18, A41, B23, B24, B28, B45, B43, B300, B316, C8, C76, D12, E12, E55, F7, F7a, F16c, F16e, F16f, F27, F100d, F103h, G24, N7, N19, N24 H15 A17, A31, A32, B204, B207, B591, G12, G19, G27, G28, G32, G32a, G55, G58, G59, G59d, G60, G77, G79, G90, P115, P116, P119 H89e M74 B13, B121, B122, M68, M92, M126 C72, D112, O41, O48, O77n, O116b H4, H65 B208, C81, C81a B719, P73 F10 B12, B94, B295, B306, B435, B443, B537, B565, B600, B653, C64, C69, D99, D103, H31, M15, M63 A12, B2, B57, B251, B266, B328, B359, B544, B545, B614, B631, B640, B647, M18, M23

1111

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

9. 6.

IX ZR 152/03

ZInsO 2005, 766

23. 6. 5. 7. 11. 8. 22. 9. 22. 9. 29. 9. 4.10. 20.10.

VII ZR 197/03 VII ZB 5/05 VII B 244/04 IX ZR 271/01 IX ZR 117/03 IX ZR 184/04 VII ZB 26/05 IX ZR 276/02

BGHZ 163, 274 NJW 2005, 3353 ZInsO 2005, 1105 ZIP 2005, 1888 BGHZ 164, 159 WM 2005, 2193 ZInsO 2005, 1212 WM 2006, 490

3.11. 17.11. 8.12.

IX ZR 35/05 IX ZR 162/04 IX ZR 182/01

ZInsO 2005, 1268 WM 2006, 144 ZIP 2006, 290

15.12. 15.12. 15.12. 22.12.

IX ZR 227/04 IX ZA 3/04 IX ZR 156/04 IX ZR 190/02

ZIP 2006, 138 FamRZ 2006, 411 BGHZ 165, 283 BGHZ 165, 343

B643, C22, D25, D59b, D86, D87, O4 B251, B258, D49 B401 A61b B681 B258 B631, D29, D59, D79a B389, B584 A1, B480, B481, B484, B489, B660, F114 B513 M58 B513, B519, C97, D21, D59a, D78, D124, F16c, F53, F56, F97, L17, L20, O20 C121 C16 B20, B57, B37, B598 A42, B18, B296, B297, B298, B310, B318, B319, B576, B613, D38a, F46, F63f, P159

2004 22. 1.

IX ZR 39/03

BGHZ 157, 350

5. 2.

IX ZR 473/00

ZIP 2004, 917

12. 12. 17. 11.

2. 2. 2. 3.

IX ZR 98/03 IX ZR 70/03 IX ZR 318/01 IX ZR 160/02

ZIP 2004, 620 NJW 2004, 2163 ZIP 2004, 669 ZIP 2004, 1060

1. 1. 22. 13. 13. 17. 17.

4. 4. 4. 5. 5. 6. 6.

IX ZR 205/00 IX ZR 305/00 IX ZR 370/00 IX ZR 190/03 IX ZR 128/01 IX ZR 2/01 IX ZR 124/03

ZIP 2004, 957 ZInsO 2004, 548 ZInsO 2004, 739 ZIP 2004, 1512 ZInsO 2004, 803 ZIP 2004, 1464 ZIP 2004, 1509

29. 6.

IX ZR 147/03

BGHZ 160, 1

29. 6. 29. 6.

IX ZR 258/02 IX ZR 195/03

BGHZ 159, 397 BGHZ 159, 388

15. 7. 22. 7. 22. 7.

IX ZR 224/03 IX ZR 183/03 IX ZR 270/03

BGHZ 160, 107 ZIP 2004, 1819 ZIP 2004, 1912

1112

A18, A24, B19, B49, B94, B292, B513, B519, C9, D12, D61, D110, D112a, M55, M71, N19, O209, O213, O216, O217, O218, O219 B6, B19a, B85, B160, B161, B199, B249, B705, C12, D20, D21, D38, D80, E8, G57, H68 B16, C47, D54, D92, D95, D106 B170, B702 F8a, F81, M55, O131 B323, C62, D30, D59, D99, D100, D101, D124, F26, F63 F55 B3, B263, C39, D46, G37, G39, F56 D46 F3, F9, F21a, F34, F79, O23, O128 B12, D42, F57 D54, D92 B425, B427, B492, B499, B596, B654, H76 B255, B272, B278, B542, M113, M121, O42 B628, B631 B65, B92, B252, B254, B256, B262, B286, C25, C26, C32, C39, D45, D52, D53d, M45, M59, M125, P73 B295, B540, D53, M18 F111, G85 B458, B544

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

23. 9. 28. 9. 28. 9. 21.10. 4.11. 8.11. 11.11.

IX ZR 25/03 IX ZR 155/03 IX ZR 158/03 IX ZR 71/02 IX ZR 22/03 II ZR 300/02 IX ZR 237/03

ZInsO 2005, 148 ZIP 2004, 2194 juris ZIP 2005, 38 BGHZ 161, 49 ZIP 2005, 82 ZIP 2005, 181

18.11.

IX ZR 299/00

ZInsO 2005, 439

2.12. 9.12. 13.12. 13.12.

IX ZR 200/03 IX ZR 108/04 II ZR 206/02 II ZR 256/02

NJW 2005, 884 BGHZ 161, 315 WM 2005, 176 ZIP 2005, 250

B599, C15, E54 F37 F37 B105d B17, B104, B105, M77 H9, H16, H63 B254, B256, B453, C30, D47, D53e, M51, M59 B605, C70, D59, D67, D84, F55, F58 B684, B698 B20, B21, B37, B342, E21, E29 H74e A41b

2003 9. 1. 9. 1. 20. 2. 13. 3. 13. 3.

IX ZR 175/02 IX ZR 85/02 IX ZR 81/02 IX ZR 56/02 IX ZR 64/02

ZIP 2003, 410 ZIP 2003, 356 BGHZ 154, 72 ZIP 2003, 855 BGHZ 154, 190

20. 3.

IX ZR 166/02

ZIP 2003, 808

15. 27. 27. 27.

IX ZR 194/02 IX ZR 51/02 IX ZR 203/02 IX ZR 169/02

ZInsO 2003, 611 BGHZ 155, 87 ZIP 2003, 1419 BGHZ 155, 75

18. 6.

IV ZR 59/02

18. 24. 24. 10. 16. 17.

IX ZR 99/11 IX ZR 228/02 IX ZR 75/01 IX ZR 89/02 VIII ZR 274/02 IX ZR 272/02

NJW 2003, 2679 = FamRZ 2003, 1264 ZIP 2012, 636 BGHZ 155, 199 BGHZ 155, 227 ZInsO 2003, 755 BGHZ 155, 380 ZInsO 2003, 850

18. 9. 9.10.

IX ZB 460/02 IX ZR 28/03

ZIP 2003, 2036 ZInsO 2003, 1101

23.10.

IX ZR 252/01

BGHZ 156, 350

4.12. 11.12.

IX ZR 222/02 IX ZR 336/01

ZIP 2004, 326 ZInsO 2004, 149

5. 5. 5. 5.

6. 6. 6. 7. 7. 7.

C87, F82 D21, D30, D35, D59a, D78, F99 E54 E38 B21, B328, B329, B342, B347, B348, B434, B648, B649, B650, E21, E29, E32, F16a, F63f, M14 B60, B79, B92, B94, B450, B527, D75, D110, H71, M11, M15, M23, M31, M38, M45, M51, M55, M61, M70, M95, M118 A24, N23 B542, M122 B720 B23, B59, B408, D65, F7, F116b, F21a, F23, F27, F34, F36, F38, F38b, F44, F48, F53, F87, G64, N7, N24, O127, O128, O131 B121 B121 A9, P13, P20, P21, R5 B490, B493, B498, B622, P21 C88, C103, C107, O207 M48, M132 A28, D65, F1, F22, F26, F34, F37, F38, F38b B307, B386 A46, B361, B435, B458, B537, B456, C32, D45, D52, E54 A9, B121, B161b, B281, B49, B523, B524, B526, B666, B668, B672, B717, B724, G81, G109, G113, G114, G116, M13, M44, M92, P13, P67 B466 B22, B394, B428, G3, G21, P105

1113

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

18.12.

IX ZR 199/02

BGHZ 157, 242

18.12.

IX ZR 9/03

ZIP 2004, 324

A24, A56, D60, D62, D119b, D123, D125, F50, F51, F54, F55, F63e B624, D54, D107

2002 10. 1. 24. 1. 7. 2.

IX ZR 61/99 IX ZR 180/99 IX ZR 115/99

NJW 2002, 1342 ZInsO 2002, 278 ZIP 2002, 489

7. 3. 7. 3.

IX ZR 457/99 IX ZR 223/01

BGHZ 150, 138 BGHZ 150, 122

11. 4. 18. 4. 25. 4. 6. 6. 20. 6. 18. 7. 18. 7. 1.10. 1.10.

IX ZR 211/01 IX ZR 219/01 IX ZR 313/99 IX ZR 425/99 IX ZR 177/99 IX ZR 480/00 IX ZR 264/01 IX ZR 125/02 IX ZR 360/99

ZIP 2002, 1159 BGHZ 150, 326 BGHZ 150, 353 ZInsO 2002, 766 ZIP 2002, 1408 ZIP 2002, 1540 NJW 2002, 3253 ZIP 2002, 2184 ZIP 2002, 2182

19.12.

IX ZR 377/99

ZInsO 2003, 324

2001 8. 1. 25. 1. 22. 2.

II ZR 88/99 IX ZR 6/00 IX ZR 191/98

BGHZ 146, 264 NJW 2001, 1650 BGHZ 147, 28

22. 22. 29. 5.

3. 3. 3. 4.

IX ZR 407/98 IX ZR 373/98 IX ZR 34/00 IX ZR 216/98

ZIP 2001, 893 ZIP 2001, 889 BGHZ 147, 193 BGHZ 147, 233

26. 4. 17. 5. 7. 6. 7. 6. 19. 7. 4.10. 4.10.

IX ZR 53/00 IX ZR 188/98 IX ZR 195/00 IX ZR 134/00 IX ZR 36/99 IX ZR 81/99 IX ZR 207/00

ZInsO 2001, 508 ZIP 2001, 1155 ZIP 2001, 1248 NJW-RR 2001, 1337 ZIP 2001, 1641 ZIP 2001, 2097 ZIP 2001, 2055

25.10.

IX ZR 17/01

BGHZ 149, 100

20.11.

IX ZR 159/00

ZIP 2002, 228

1114

B129 B611 B57, B309, B324, B385, B404, B552, B614 B698 B287, B476, B543, B548, C10, C21, C40, C41, C45, C49, C61, D9, D57, D75, D92, D103, H76a, M63, O22, O31, O32, O54, O58, O136, O225, O226 A56 B476, C72, Q14, O13 B77, B123, B528, M127, M129 D59a, D84 D43, F26, F94, M74 H99 B525 B315 B289, B426, B438, B460, B461, B464, B468, B475, B600, C47, C48, C55, C66, D74 B103, F36, M75, M75a, P84 C86, H11, H19, H32, H55 C44, C81, D54 B75, B260, B275, C28, D49, D53e, M41, M54, M90 D12b, D111 B34, B401, G19 B407 A12, B14, B251, B264, B359, B418, B432, B435, B437, B457, B544, B551, B567, B596, B600, C15, C32, D45, D49, D52, P76 B62 C128 B324, B373, B404, B499 B22, B557, M54, S10, S11 C119g, F69 C79, C90, C109, F76 A11, B75, B254, B259, B539, B549, C28, D48, M58, M89 B513, B586, B587, C93, C102, C108, C132, D98, O207, O208 B513, D66, F52

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

20.11.

IX ZR 48/01

BGHZ 149, 178

20.12.

IX ZR 401/99

ZIP 2002, 309

A6, A20, C4, C10b, C77, C88, C93, C97, C102, C105, C107, C108, C111, C132, D119b, F70, F78, F83f, L20, L25, L27 P14, P163

2000 31. 1. 9. 3. 21. 3. 6. 4.

II ZR 309/98 IX ZR 355/98 IX ZR 138/99 IX ZR 122/99

ZIP 2000, 455 ZIP 2000, 757 ZIP 2000, 898 ZInsO 2000, 349

6. 4. 11. 5.

IX ZR 422/98 IX ZR 262/98

BGHZ 144, 192 NJW 2000, 3777

18. 6. 26. 26. 4. 18. 28.

IX ZR 119/99 XI ZR 258/99 II ZR 370/98 II ZR 21/99 VI ZR 192/99 X ZR 62/98 VII ZR 372/99

ZIP 2000, 1550 BGHZ 144, 349 NJW 2000, 3565 ZIP 2000, 1489 ZInsO 2000, 497 NJW 2000, 3492 BGHZ 145, 245

17.10. 27.11. 27.11.

XI ZR 312/99 II ZR 179/99 II ZR 218/00

NJW 2001, 305 NJW 2001, 1490 NJW 2001, 1270

1999 21. 1. 21. 1.

IX ZR 329/97 IX ZR 429/97

ZIP 1999, 406 NJW 1999, 1033

25. 2. 4. 3.

IX ZR 353/98 IX ZR 63/98

ZInsO 1999, 289 BGHZ 141, 96

11. 29. 17. 17. 12. 16.

3. 4. 6. 6. 7. 9.

IX ZR 164/98 IX ZR 163/98 IX ZR 62/98 IX ZR 176/98 II ZR 87/98 IX ZR 204/98

BGHZ 141, 116 ZIP 1999, 973 ZInsO 1999, 467 NJW 1999, 2969 NJW 1999, 3120 BGHZ 142, 284

14.10.

IX ZR 142/98

2.12. 9.12.

IX ZR 412/98 IX ZR 102/97

NJW 2000, 211 = ZIP 1999, 1977 NJW 2000, 957 BGHZ 143, 246

1998 22. 1. 5. 2.

IX ZR 99/97 IX ZR 43/97

BGHZ 138, 40 ZIP 1998, 513

5. 6. 6. 6. 7. 7. 9.

H15 B269 B60, B432, D110, M23 B60, B67, B68, B431, B455, B696, M25, M35, M54 B466, B468, D74, D76 B429, B653, B657, B698, H107, O135 B631 B107, M78 H7, H14 H4 A38, B720 B728 B72, B75, B260, B262, B263, B267, D49, D53e, M41, M90, P76 B728 H57 I9, I11, I21 D124, F44, F63, F63e B208, B712, B724, B730, G13, G27, G35, P115 B287, B543, B548 A42, B18, B216, B220, B244, B312, B592, D38a, F109, F111, G5, G25, G38a, G38b, G48, G55, G118, G119, P117 B476, Q14 B236, F63 B618, C44, C45, D92, F64 B324, B420, B612, B613 H12, H20 B19a, B85, B129 f., B183, B230, B247, B411, B553, B703, B705, B710, C6, C17, E5, F90, F92, F94 C78, C91, C97, L19, L20 F49, F56, F63 B351, B254, B625, B626 C41, L10, L11 M134

1115

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

19. 3.

IX ZR 22/97

BGHZ 138, 291

2. 4.

IX ZR 232/96

NJW-RR 1998, 1057

15. 6.

II ZR 17/97

NJW 1998, 3200

A38, A40, A41a, B100, B130, B156, B171, B180, B185, B191, B447, B468, B705, C17, D110, D116, F21a, F34, F100, F111, G59, G90, M55, M60, M63, O235 B69, B308, B400, F47, F49, F90, G37, G40 H7, H20

8.10. 8.10. 5.11. 12.11. 12.11. 14.11. 16.11. 3.12. 3.12. 7.12. 10.12. 17.12.

IX ZR 37/97 IX ZR 337/97 IX ZR 246/97 IX ZR 199/97 IX ZR 145/98 II ZR 115/88 II ZB 15/98 IX ZR 113/97 IX ZR 313/97 II ZR 382/96 IX ZR 302/97 IX ZR 196/97

ZIP 1998, 2008 ZIP 1998, 2010 ZIP 1999, 79 NJW 1999, 359 BGHZ 140, 54 NJW 1989, 1219 NJW-RR 1999, 275 NJW 1999, 645 ZIP 1999, 76 BGHZ 140, 147 ZInsO 1999, 105 ZIP 1999, 196

D84 C128, D21, D59, D67, M13 B99, D107, M56, M63a B2 C119f, C121, F73c H20 B732 P53 D123 H1, H14, H101 M26 B481, B564, B654

1997 9. 1. 9. 1. 30. 1.

IX ZR 47/96 IX ZR 1/96 IX ZR 89/96

ZIP 1997, 423 ZIP 1997, 367 ZIP 1997, 513

4. 2. 13. 3.

VI ZR 306/95 IX ZR 93/96

BGHZ 134, 343 ZIP 1997, 853

20. 3.

IX ZR 71/96

BGHZ 135, 140

6. 6. 13. 2. 26. 10. 10. 9.

5. 5. 5. 6. 6. 7. 7. 9.

IX ZR 135/96 IX ZR 147/96 IX ZR 129/96 II ZR 211/95 IX ZR 203/96 IX ZR 234/96 IX ZR 161/96 IX ZR 14/97

BGHZ 135, 307 ZIP 1997, 1302 NJW 1997, 2322 NJW 1997, 3171 ZIP 1997, 1509 NJW 1997, 3028 BGHZ 136, 220 BGHZ 136, 309

23.10. 17.11. 20.11. 4.12.

IX ZR 249/96 II ZR 224/96 IX ZR 152/96 IX ZR 47/97

BGHZ 137, 49 ZIP 1998, 243 ZIP 1998, 294 NJW 1998, 1561

11.12. 11.12.

IX ZR 278/96 IX ZR 341/95

ZIP 1998, 247 BGHZ 137, 267

M102 B12, B14, B339, B562, E28, E42 B45, B67, B70, B88, B101, B452, B455, F49, G110, M7, M46, M48, M73, M115, M132 C119f, F73c B385, B644, B653, D23, D88, D124, G53 B70, B71, M8, M12, M16, M37, M58, P39, P105, S8 B409 B41, B393 M58a H20, H89a, P167 F49 B198, F21a, F34, F38 B123, F85, M128 A18, B23, B509, C8, C9, D13, D61, D66, F52, N7, N23 L11 H20 B499, B501 B338, B356, B561, B609, C62, D99, D104, E41, E42, F10a, F41, F42, F43, F44 f., F55, F63 K29 B198, F36, F60

1996 31. 1. 2. 2.

VIII ZR 297/94 V ZR 239/94

NJW 1996, 1205 BGHZ 132, 30

C118 C119f, C124

1116

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

15. 2. 9. 5. 14. 5. 20. 6. 11. 7. 19. 9. 24. 9. 24.10.

II ZR 245/94 IX ZR 50/95 XI ZR 257/94 IX ZR 314/95 IX ZR 226/94 IX ZR 249/95 IX ZR 190/95 IX ZR 284/95

NJW 1996, 1341 NJW 1996, 2231 BGHZ 133, 25 ZIP 1996, 1475 ZIP 1996, 1516 BGHZ 133, 298 ZIP 1996, 1907 ZIP 1996, 2080

14.11.

IX ZR 339/95

BGHZ 134, 79

H9 B129, F4 B442 F37 B319, B480, G25, P54 H31, H69a B480, B485, B487 B296, B299, B450, B527, C18, D110, G26, M31, M38, M63 N25

1995 16. 3. 19. 3. 6. 4. 27. 4. 4. 5. 11. 5. 18. 5.

IX ZR 72/94 IX ZR 22/97 IX ZR 61/94 IX ZR 147/95 IX ZR 256/93 IX ZR 170/94 IX ZR 189/94

ZIP 1995, 630 BGHZ 138, 291 BGHZ 129, 236 ZIP 1995, 929 BGHZ 129, 336 WM 1995, 1394 BGHZ 130, 38 BGHZ 130, 314 JZ 1996, 151 BGHZ 130, 377 NJW 1996, 117 ZIP 1996, 184 NJW 1996, 720 ZIP 1996, 273

18.12.

IX ZR 81/94 V ZR 45/94 XII ZR 16/94 VI ZR 246/94 IX ZR 48/95 II ZR 281/94 II ZR 128/94, 1996, 273 II ZR 277/94

A12, A41, A41a, B1, B71, D37 A41a B244, D86 C78 B251, B254, B256, B537, D53e F49 A14, A36, B667, B677, B679, B739, P38, R6, R10, R22 B387, P33 P101 B524, G109, G113 S7 R23 H10, H19 H7, H20

BGHZ 131, 325

P24

1994 24. 3. 11. 7. 11. 7. 10.10. 7.11. 7.11. 28.11. 15.12. 15.12.

IX ZR 149/93 II ZR 146/92 II ZR 162/92 II ZR 32/94 II ZR 270/93 II ZR 248/93 II ZR 77/93 IX ZR 24/94 IX ZR 153/93

ZIP 1994, 714 BGHZ 127, 1 BGHZ 127, 17 BGHZ 127, 176 BGHZ 127, 336 NJW 1995, 460 ZIP 1995, 23 BGHZ 128, 196 BGHZ 128, 184

15.12. 15.12.

IX ZR 252/93 IX ZR 18/94

NJW 1995, 1484 NJW 1995, 1093

B257, M120 H13, H14 H1, H13 I9a H3, H4, H7, H18 B317 H5, H11, H76a, H76b N18 A7, A44, B4, B50, B334, B336, B343, B344, B254, B421, B488, B572, B607, M26, M97 B617 B130, B654, D38, D41, E18, E49, F42, P15, P41

1993 21. 1. 18. 2. 4. 3. 4. 3. 10. 3. 18. 3. 14. 6.

IX ZR 275/91 IX ZR 129/92 IX ZR 151/92 IX ZR 169/92 XII ZR 253/91 IX ZR 198/92 II ZR 252/92

BGHZ 121, 179 NJW 1993, 1640 ZIP 1993, 602 NJW 1993, 1994 BGHZ 122, 46 ZIP 1993, 868 NJW 1993, 2179

13. 7. 14. 7. 20. 9. 17.10. 23.11. 4.12. 11.12.

B630, B642 B71, D108, F21 B346, B492 P69 B237 B484 H11

1117

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

24. 8. 20. 30.

6. 7. 9. 9.

IX ZR 96/92 IX ZR 116/92 II ZR 151/92 IX ZR 227/92

ZIP 1993, 1170 BGHZ 123, 183 BGHZ 123, 289 BGHZ 123, 320

19.10. 11.11.

XI ZR 184/92 IX ZR 257/92

NJW 1994, 128 BGHZ 124, 76

9.12.

IX ZR 100/93

BGHZ 124, 298

B219, G27, G28, G37, G38, G67 B380, B392, B408, B646 H77 B351, B352, B354, B554, B641, C20, C57, D9, D21, D70, D121, F14, F49, F60, F65a, F100, F103n, J34, O4, O12, O13, O14, O15, O57, O58, O59, O60, O61, O62, O63, O65, O68, O88, O222, O223, O224 A41 B309, B327, B350, B351, B588, B649, B687, B689, B690, E19, F2, F14b, F47, F65a, F103n B313, B491, B492, B610, F13, F14b

1992 24. 1. 17. 2. 19. 3. 30. 4.

V ZR 262/90 II ZR 100/91 IX ZR 14/91 IX ZR 176/91

BGHZ 117, 104 NJW 1992, 1503 NJW-RR 1992, 733 BGHZ 118, 171

11. 6. 11. 6. 17. 6. 25. 6. 13. 7. 13. 7. 8.10. 12.11. 12.11.

IX ZR 147/91 IX ZR 255/91 XII ZR 119/91 IX ZR 4/91 II ZR 251/91 II ZR 269/91 VII ZB 3/92 IX ZR 236/91 IX ZR 237/91

ZIP 1992, 1008 BGHZ 118, 374 BGHZ 118, 383 ZIP 1992, 1089 BGHZ 119, 191 BGHZ 119, 210 BGHZ 119, 372 ZIP 1993, 276 ZIP 1973, 271

19.11. 14.12.

IX ZR 45/92 II ZR 298/91

ZIP 1993, 213 BGHZ 121, 31

1991 18. 2. 28. 2. 18. 4. 7. 5. 11. 7.

II ZR 259/89 IX ZR 74/90 IX ZR 149/90 IX ZR 30/90 IX ZR 230/90

ZIP 1991, 366 BGHZ 113, 393 ZIP 1991, 807 BGHZ 114, 315 NJW 1992, 624

21.11. 22.11. 5.12. 5.12. 9.12.

IX ZR 290/90 V ZR 160/90 IX ZR 270/90 IX ZR 271/90 II ZR 43/91

BGHZ 116, 156 NJW 1992, 892 BGHZ 116, 222 NJW 1992, 834 ZIP 1992, 108

1990 11. 1.

IX ZR 27/89

NJW 1990, 990

5. 2. 15. 2. 28. 3.

II ZR 114/89 IX ZR 149/88 VIII ZR 17/89

NJW 1990, 1730 ZIP 1990, 459 BGHZ 111, 84

1118

C119f, C121 I17 P112 B409, C56, C79, C83, D71, M19, M87, O62, O65, O66 B653, B682, C11 B45, S14 P126 B218, B219, G124 H58 H10, H16 B732 B17, B609, D108, F41, F55, F64 A1, B306, B348, B349, B356, B360, B385, B434, B653, D108, F37, H31, M13 B491, B493, B495, B622 H13, H16 H57 A30, B218, G42a, G47, M23 F21, F38a, M25 B653, B715 B429, B655, B725, C78a, D110, N17 M120 P101 M23 B55, B61 H82, H89, P152, P159, P163, P164 A9, B384, B668, B672, P13, P14, P15, P19 H9 B403, H108 B452

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

12. 7. 27. 9. 27. 9. 11.10. 22.10. 22.10. 24.10. 22.11. 29.11.

IX ZR 245/89 IX ZR 67/90 IX ZR 250/89 I ZR 6/89 II ZR 247/89 II ZR 248/89 IV ZR 296/89 IX ZR 103/90 IX ZR 29/90

WM 1990, 1588 ZIP 1990, 1420 ZIP 1990, 1490 MDR 1991, 319 NJW-RR 1991, 613 ZIP 1990, 1593 NJW 1991, 842 NJW 1991, 980 BGHZ 113, 98

C80, F44, F109, G7, G85 C120 B732 J8 I17 P155 G38 C119, F71 A31, B218, G27, G28, G32, G36, G37, G42a, G43, G60, P38, P130

1989 23. 2. 11. 5. 23. 5. 1. 6. 11.10. 12.10. 16.10. 6.11. 27.11. 8.12. 14.12. 21.12.

IX ZR 143/88 IX ZR 222/88 IX ZR 135/88 III ZR 277/87 VIII ZR 285/88 IX ZR 184/88 II ZR 307/88 II ZR 62/89 II ZR 310/88 V ZR 246/87 IX ZR 283/88 IX ZR 66/89

BGHZ 107, 88 ZIP 1989, 785 BGHZ 107, 340 NJW 1989, 2881 ZIP 1989, 1611 BGHZ 109, 47 BGHZ 109, 55 ZIP 1990, 53 ZIP 1990, 95 BGHZ 109, 327 BGHZ 109, 368 NJW 1990, 1665

M111 B459, B624 M17 C124 B424 S8 H13 M91 H70 C124 B89, M53, M117a M45, M125

1988 3. 3. 21. 3. 24. 3. 21. 4. 16. 5. 7. 6.

IX ZR 11/87 II ZR 238/87 IX ZR 118/87 IX ZR 71/87 II ZR 375/87 IX ZR 144/87

WM 1988, 799 BGHZ 104, 33 ZIP 1988, 585 ZIP 1988, 725 BGHZ 104, 351 BGHZ 104, 355

11. 7. 19. 9. 28.10. 2.11. 7.11. 1.12.

II ZR 281/87 II ZR 255/87 V ZR 14/87 IVb ZR 102/87 II ZR 46/88 IX ZR 112/88

NJW 1989, 453 BGHZ 105, 168 BGHZ 106, 1 BGHZ 105, 365 BGHZ 106, 7 BGHZ 106, 127

B355, B627, B659 H15, H60, I7 G38b, G119, M1 B12, B298, B339, B593, E40 M67 B354, B394, B614, B618, B630, B631, B641, D22 M113, M120 B309, B383, H3 B39 B237 H56c S10, S14

1987 15. 1. 5. 2. 19. 3. 28. 4. 7. 5. 9. 7. 19.11.

IX ZR 4/86 IX ZR 161/85 III ZR 2/86 VI ZR 1/43 IX ZR 51/86 IX ZR 167/86 VII ZR 189/86

ZIP 1987, 244 BGHZ 100, 36 BGHZ 100, 217 NJW 1987, 2997 WM 1987, 881 ZIP 1987, 1132 NJW-RR 1988, 692

B712, P171 B671, B724, R6 P40a C24 B308, F18 A47e, B720a, P110 B728

1986 30. 1. 17. 4. 29. 4.

IX ZR 79/85 IX ZR 54/85 IX ZR 145/85

BGHZ 97, 87 ZIP 1986, 720 WM 1986, 841

B316, B560, J23 C117 B306, B340, B383, B653, B698, P50, P53, P77, Q13, Q15

1119

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

15. 5. 29. 9. 11.12. 18.12.

IX ZR 2/85 II ZR 283/85 IX ZR 78/86 IX ZR 11/86

ZIP 1986, 926 NJW 1987, 317 ZIP 1987, 305 BGHZ 99, 274

B10, B43 C56, M87a B44, B396, B635 M1

1985 10. 1. 10. 1. 28. 3. 23. 5. 1. 7. 11. 7. 13. 8. 30.10. 7.11. 11.11. 5.12. 12.12.

IX ZR 4/84 IX ZR 2/84 IX ZR 115/84 IX ZR 124/84 II ZR 155/84 IX ZR 178/84 I ZR 35/83 VIII ZR 251/84 III ZR 142/84 II ZR 109/84 IX ZR 165/84 IX ZR 1/85

ZIP 1985, 363 ZIP 1985, 372 ZIP 1985, 816 ZIP 1985, 1008 BGHZ 95, 149 BGHZ 95, 256, 264 BGHZ 95, 285 BGHZ 96, 182 NJW 1986, 978 BGHZ 96, 231 ZIP 1986, 452 BGHZ 96, 352

C78 B220, B477, B480, B594 B478, G100 F2, F22, F25, F62 B281, C56, M44, M87, M87a, M111 N3, N25, N26 P171 M88 D82 A41a B457, B598 K18

1984 23. 2. 1. 3. 1. 3. 22. 3. 26. 3. 26. 3. 27. 3. 11. 4. 28. 6. 19.11. 29.11. 6.12. 20.12.

IX ZR 26/83 IX ZR 33/83 IX ZR 34/83 IX ZR 69/83 II ZR 14/84 II ZR 171/83 IX ZR 49/83 VIII ZR 302/82 IX ZR 21/84 II ZR 84/84 IX ZR 44/84 IX ZR 119/83 IX ZR 114/83

BGHZ 90, 207 BGHZ 90, 249 ZIP 1984, 809 NJW 1984, 1611 BGHZ 90, 370 BGHZ 90, 381 ZIP 1984, 753 BGHZ 91, 73 WM 1984, 1194 NJW 1985, 858 BGHZ 93, 71 WM 1985, 295 WM 1985, 364

B380, B624, B629 S2 C87, C90, C117, C119, F71, F87 B525 H16, H17, P152 A41a, F32, F41, F44, H2, H4, H62j B480 D83 B349, B649, M14, M24 H82 B97, B100 F28 A1, B306, B537, B653

1983 26. 1. 26. 1. 21. 3. 30. 3. 13. 7. 19. 9. 19.10. 14.12.

VIII ZR 257/81 VIII ZR 254/81 II ZR 139/82 VIII ZR 7/82 VIII ZR 246/82 II ZR 12/83 VIII ZR 156/82 VIII ZR 352/82

BGHZ 86, 340 BGHZ 86, 349 NJW 1983, 1855 NJW 1983, 1738 NJW 1983, 2147 BGHZ 88, 205 WM 1983, 1313 BGHZ 89, 189

B97, B100, B102, M15, M56, M60 P73 I16 B428 B290, B464, B547 B123, M67, M127 B720, B726 C34, E44, O42, O44

1982 10. 2. 1. 3. 1. 3. 22. 3. 31. 3. 7. 4. 22.12.

VIII ZR 158/80 II ZR 23/81 VIII ZR 75/81 VIII ZR 42/81 2 StR 744/81 VIII ZR 130/81 VIII ZR 214/82

BGHZ 83, 102 BGHZ 83, 341 ZIP 1984, 464 ZIP 1982, 856 NJW 1982, 1952 NJW 1982, 2003 BGHZ 86, 190

B674, B699, B744, P40a H56c, H59, I3, I13, I16 S10, S19 P53 C80 L7 O42

1120

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

1981 5. 3. 19. 3. 3. 6. 13. 7. 21. 9. 23. 9. 28. 9. 23.11.

III ZR 115/80 IV a ZR 30/80 VIII ZR 171/80 II ZR 256/79 II ZR 104/80 VIII ZR 245/80 II ZR 223/80 VIII ZR 190/80

NJW 1981, 1666 NJW 1981, 1446 BGHZ 81, 15 BGHZ 81, 252 BGHZ 81, 311 ZIP 1981, 1231 BGHZ 81, 365 ZIP 1980, 76

B161 R6 B295, M18 P159 H10, H57 F46, G100 H64 B679

1980 20. 2. 19. 3. 24. 3. 12. 5. 21. 5.

VIII ZR 48/79 VIII ZR 195/79 II ZR 213/77 VIII ZR 170/79 VIII ZR 40/79

NJW 1980, 1580 NJW 1980, 1795 BGHZ 76, 326 NJW 1980, 1964 NJW 1980, 1961

11. 6.

VIII ZR 62/79

BGHZ 77, 250

23.10. 5.11. 15.12. 18.12.

Iva ZR 45/80 VIII ZR 230/79 II ZR 53/80 VII ZR 41/80

NJW 1981, 277 BGHZ 78, 318 BGHZ 79, 381 BGHZ 79, 176

B12, B624, B629, B638, P109, P110 B61, B156, B164 f., C126 H5, H10, H18, H46 B379 B336, E6, O1, O24, O67, O92, O99, O100, O101, O102 B327, B692, E14, E16, E18, E49, E59 B684 B310, B318 M75a M54a

1979 18. 1. 7. 2. 4. 4. 16. 5. 6. 6. 11.10. 14.11. 26.11.

VII ZR 165/78 VIII ZR 279/77 VIII ZR 96/78 VIII ZR 156/78 VIII ZR 255/78 VII ZR 285/78 VIII ZR 333/78 II ZR 104/77

BGHZ 73, 202 BGHZ 73, 259 BGHZ 74, 129 WM 1979, 776 BGHZ 74, 379 BGHZ 75, 203 ZIP 1980, 21 BGHZ 75, 334

P136 B293 B10, D58 B629 P171 P90, Q13 G68 H9, H52a

1978 18. 1. 1. 2. 13. 3. 10. 5. 1. 6. 14. 6. 20. 9.

VIII ZR 262/76 VIII ZR 232/75 VIII ZR 241/76 VIII ZR 32/77 III ZR 44/77 VIII ZR 149/77 VIII ZR 142/77

NJW 1978, 1002 BGHZ 70, 299 BGHZ 71, 61 BGHZ 71, 296 BGHZ 71, 380 BGHZ 72, 39 NJW 1979, 102

B712 M86 G27, G36, G42a, P47, P119 A9, P19 B91, B282, M44, M111, M120 B379, P66 B34, B63, M1, M17, M86, P84

1977 26. 1.

VIII ZR 122/75

NJW 1977, 718

28.11. 7.12. 21.12.

II ZR 110/76 VIII ZR 164/76 VIII ZR 255/76

NJW 1978, 699 BGHZ 70, 86 BGHZ 70, 177

O3, O4, O19, O92, O93, O94, O95, O96, O97, O156 M20, M112 B291, B293, M20 B10, C59, D35, O51, O73

1976 27. 9.

II ZR 162/75

BGHZ 67, 171

H73

1121

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

1975 14. 5. 12. 6. 25. 6. 15.10.

VIII ZR 254/73 II ZB 12/73 VIII ZR 71/74 VIII ZR 62/74

BGHZ 64, 312 NJW 1975, 1835 WM 1975, 947 WM 1975, 1182

B68, B71, B696 G50 D116 B14, P134

1974 29. 4. 30.10.

VIII ZR 200/72 VIII ZR 81/73

WM 1974, 570 WM 1974, 1218

M88, J4, J14, B434, C69, D100

1973 24.10.

VIII ZR 82/72

NJW 1974, 57

J1, J2

1972 18. 1. 2. 2. 15. 3. 25. 9.

VI ZR 204/70 VIII ZR 152/70 VIII ZR 159/70 VIII ZR 216/71

VersR 1972, 394 BGHZ 58, 108 BGHZ 58, 240 BGHZ 59, 230

6.12.

VIII ZR 179/71

BGHZ 60, 22

S7 P140, O36 D12, G7 A14, B434, B439, B444, B564, D34a, D100 D44e

1971 10. 2. 5. 7. 20.10.

VIII ZR 188/69 II ZR 176/68 VIII ZR 212/69

NJW 1971, 799 BGHZ 56, 339 BGHZ 57, 123

B430 A38 B16, B40, B388, G39

1970 12.11. 9.12.

VII ZR 34/69 IV ZR 52/69

BGHZ 55, 34 WM 1971, 71

A41 Q20

1969 26. 2. 29. 6. 14. 7. 15.10. 21.11.

VIII ZR 41/67 II ZR 51/67 VIII ZR 109/67 VIII ZR 136/67 V ZR 149/66

WM 1969, 374 NJW 1970, 41 NJW 1969, 1719 NJW 1970, 44 BGHZ 53, 60

F55 J8 F21a, F36 B647, P47, P48 M36

1968 3. 4. 26. 6.

VIII ZR 23/66 I ZR 156/66

WM 1968, 683 BGHZ 50, 277

D67 Q22

1966 17. 2. 23.12.

II ZR 286/63 V ZR 26/64

BGHZ 45, 162 BGHZ 46, 260

M92a P93

1964 15. 1. 29. 1. 15. 4. 28. 9. 5.11. 25.11.

VIII ZR 236/62 Ib ZR 197/62 VIII ZR 232/62 VIII ZR 21/61 VI ZR 2/63 VIII ZR 289/62

BGHZ 41, 17 BGHZ 41, 98 BGHZ 41, 298 WM 1964, 1166 WM 1965, 84 WM 1965, 14

B164, M97 A42, P14, P48 G83b B349 O66, O87 B17, B43

1122

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

1963 25. 3. 27.11.

VII ZR 270/61 VIII ZR 278/62

BGHZ 39, 186 WM 1964. 114

P101 B51, B402

1962 15. 6. 24. 9. 24.10.

VI ZR 268/61 VIII ZR 18/62 VIII ZR 126/61

WM 1962, 962 BGHZ 38, 44 WM 1962, 1316

A41 B181, F100k, F100l B662, P59

1960 3. 3. 9. 5. 15.11. 21.12.

VIII ZR 86/59 II ZR 95/58 V ZR 35/59 VIII ZR 204/59

WM 1960, 381 WM 1960, 720 BGHZ 33, 389 BGHZ 34, 254

O117 M91, M120 D30 C62, D98, D114a

1959 20. 1. 7. 4. 30. 4. 11. 5. 30. 6. 24.11. 14.12.

VIII ZR 113/58 VIII ZR 219/57 VII ZR 19/58 II ZR 2/58 VIII ZR 11/59 VIII ZR 220/57 II ZR 187/57

WM 1959, 470 NJW 1959, 1223 BGHZ 30, 149 WM 1959, 719 BGHZ 30, 238 WM 1960, 377 BGHZ 31, 258

B587 B491, B494 A41, M36 B580 M1, M31, S17 B348, B608, B648, E34 H1

1958 30. 5. 9.10.

V ZR 295/56 II ZR 229/57

BGHZ 27, 360 WM 1958, 1417

B76, B527, M12, M37, M40 M24

1957 15. 1. 11. 4. 28.11.

VIII ZR 36/56 II ZR 182/55 VII ZR 42/57

NJW 1957, 587 BGHZ 24, 106 BGHZ 26, 142

A39 P94 Q22

1956 3. 3.

IV ZR 314/55

BGHZ 20, 149

C117, C118

1955 5. 1. 9. 2.

IV ZR 154/54 IV ZR 173/54

NJW 1955, 544 WM 1955, 404

B76, B527, M12, M37, M40 B337, C20, O19, O26, O92, O117, O156

1954 11.11. 3.12.

IV ZR 64/54 V ZR 96/53

WM 1955, 407 BGHZ 15, 333

B130, P47 M120, P14, P38

1953 17. 4. 9. 7. 5.11.

V ZB 5/53 IV ZR 242/52 IV ZR 95/53

BGHZ 9, 250 BGHZ 10, 228 NJW 1954, 190

M98 A41a B493

1952 25. 9.

IV ZR 13/52

BB 1952, 868

B348, B647, B648

1123

Rechtsprechungsregister

4. BAG Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2015 22.10.

6 AZR 538/14

D78a, D85a, O29b, O29f, O77q

17.12.

6 AZR 186/14

BAGE 153, 163 = NJW 2016, 183 = ZIP 2016, 33 ZIP 2016, 377

2014 29. 1.

6 AZR 345/12

27. 2. 27. 3. 27. 3. 3. 7. 3. 7. 18. 9. 13.11.

6 AZR 367/13 6 AZR 989/12 6 AZR 204/12 6 AZR 296/13 6 AZR 953/12 6 AZR 145/13 6 AZR 869/13

13.11.

6 AZR 871/13

2013 18. 7. 12. 9.

6 AZR 47/12 6 AZR 980/11

24.10.

6 AZR 466/12

21.11.

6 AZR 159/12

BAGE 146, 323 = ZIP 2014, 233

2011 6.10.

6 AZR 262/10

BAGE 139, 235 = NZA 2012, 330 = ZIP 2011, 2366

6.10. 6.10. 6.10.

6 AZR 585/10 6 AZR 731/10 6 AZR 732/10

2010 21. 1.

6 AZR 593/07

21. 2. 27. 2.

6 AZR 273/07 5 AZB 43/07

2006 19. 1.

6 AZR 529/04

NZI 2007, 58 = ZIP 2006, 1366

F14b, M117, M130

2003 19.11.

10 AZR 110/03

BAGE 108, 367

D40

1993 17. 2.

4 AZR 161/92

BAGE 72, 238

B86, M133

1124

G50b

BAGE 147, 172 = ZInsO 2014, 659 = ZIP 2014, 628 ZIP 2014, 1396 ZInsO 2014, 1386 BAGE 147, 373 ZInsO 14, 2040 ZInsO 2014, 2286 ZIP 2014, 2519 BAGE 150, 22 = ZIP 2015, 533 juris

A61a, D12a, F33e, O3b, O8, O14, O15, O68a, O77j, O129, O131a, O181b, O214, O240a f. D12a F78a H52c D12a, O58 D61, O176 A42, G50b D78, D78a, O29b, O29e

ZIP 2013, 2025 BAGE 146, 64 = ZIP 2014, 37 DB 2014, 129 = ZIP 2014, 91

B521, M54c D34b, D34c, F10, F54a

ZInsO 2012, 834 ZInsO 2010, 569 = ZIP 2010, 687 BAGE 126, 89 ZInsO 2008, 391

D59c

B717, N7, N23, O10, O29b, O29d f., O58, O76, O176, O242, S21 D34a, D78a, O29b, O29d f., O77i

A57, C114a, F50a, O12, O56, O80, O84, O87i, O176, O177 ff., O239 ff. O84, O176 O84, O176 C114a, O84, O176 B295, F14b O47 B676

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

1984 21. 2.

3 AZR 451/81

KTS 1985, 57

B193, D41

1978 16. 6.

3 AZR 783/76

BB 1978, 1363

B522

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2016 31. 5.

B 1 KR 38/15 R

ZInsO 2016, 1853 = ZIP 2016, 2488

B9, D119b, O42a, O42b, O68a

2012 4. 4.

B 12 SF 1/10 R

ZIP 2012, 2321

B714

2010 3. 2.

B 6 KA 30/08 R

ZIP 2010, 2309

B9, B263, M116

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2015 15. 4.

I R 44/14

BFHE 249, 493

H76g

2014 11. 3.

V B 61/13

ZinsO 2014, 1100

M95b

2013 8. 1. 11. 7. 12.11.

VII-ER-S 1/12 XI B 41/13 VII R 15/13

ZIP 2013, 1252 ZInsO 2013, 1739 ZInsO 2014, 669

B714 B8 B718

2012 27. 9.

VII B 190/11

jurion

B718

2011 10. 2. 23. 2. 24.11.

VII B 183/10 I R 20/10 V R 13/11

ZIP 2011, 883 BFHE 233, 114 ZIP 2011, 2481

B713, B714 G65a B8, B582, B583, B713, B715, M95a

2010 2.11.

VII R 6/10

ZIP 2011, 181

B8, B11, B286, B581, C29, D53d, M94

2009 23. 9.

VII R 43/08

ZIP 2009, 2455

B220, B231, D18, D19b

5. BSG

6. BFH

1125

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2008 1. 4. 16.10.

X B 201/07 VII B 17/08

ZIP 2008, 1780 ZInsO 2009, 159

C12a B11

2007 17. 4.

VII R 27/06

BFHE 217, 8

M112

2005 12. 4. 11. 8.

VII R 7/03 VII B 244/04

BFHE 209, 34 ZInsO 2005, 1105

M118 A61b, B171, B520, O214

2004 16.11. 16.11.

VII R 75/03 VII R 62/03

BFHE 208, 296 BFHE 207, 371

B10 M94

2000 29. 2.

VII R 109/98

BFHE 191, 311

B389

1998 21.12.

VII B 175/98

NV 1999, 745

O214

1995 16. 5.

VIII R 33/94

NJW 1996, 1079

B527

1993 9. 2.

VII R 12/92

BFHE 170, 300

M94

1987 10. 2.

VII R 122/84

BFHE 149, 204

G31a

1983 24. 3.

V R 8/81

BFHE 138, 498

B583

7. BVerwG Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2013 17. 4.

7 B 6.13

ZIP 2013, 1252

B714

2012 15.10.

7 B 2.12

ZIP 2012, 2417

B714

2010 9.11.

7 B 43.10

ZIP 2011, 1258

B714, B730

2006 8. 2.

8 PKH 4.05

ZIP 2006, 1542

B732

1126

Rechtsprechungsregister

8. OLG Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

Brandenburg 2013 6. 3. 14. 5.

7 U 23/11 3 U 112/12

ZIP 2013, 941 ZInsO 2013, 1357

F17c O28, O29, O156

2008 10. 9. 19.11.

7 U 182/07 7 U 150/06

ZInsO 2009, 330 ZInsO 2009, 240

B305 B482

8 U 199/10

BauR 2012, 1951

D84

2016 28. 7.

16 U 26/16

ZInsO 2016, 1697

F10

2015 8.10

16 U 17/15

ZInsO 2015, 2444

O128b, O129a, O135a

2014 23. 1.

2 Ws 347/13

WM 2015, 188

H11

2012 8.10.

13 U 95/12

ZIP 2012, 2114

O90, O144b

2011 19. 1.

3 U 140/10

juris

B532

2010 16.12.

13 U 98/10

ZIP 2011, 676

B578

2008 30.10.

13 U 130/08

ZInsO 2009, 386

C107

1999 14. 7.

9 U 342/98

ZInsO 2000, 617

H10

2000 28. 6. 14. 9.

9 U 54/00 13 U 255/99

Juris InVo 2002, 54

H52b L26

1989 17.10.

20 U 25/89

NJW 1980, 720

G51

1981 20. 3.

8 U 109/80

ZIP 1981, 467

C119

Braunschweig 2011 10.11. Celle

1127

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2014 30. 7. 5.11.

13 U 461/14 13 U 408/14

ZIP 2014, 1642 ZinsO 2014, 2435

B170 B170

2009 3.12.

8 U 305/09

ZInsO 2010, 598

B6

2008 23.12.

13 U 1672/07

ZIP 2009, 1173

B138

2007 29. 3.

13 U 1132/06

ZInsO 2007, 497

F45

2006 26. 1.

13 U 1924/05

ZInsO 2006, 1057

B80, B98

2004 29. 1.

13 U 2163/03

ZInsO 2005, 1221

B36

2003 20. 3.

13 U 2316/02

ZIP 2003, 1052

F30a

Dresden

Düsseldorf 2016 28. 1. 10. 3.

12 U 30/15 12 U 36/15

ZIP 2016, 381 ZIP 2016, 1176

F57b M75a

2015 23. 4. 12.11.

I-12 U 39/14 12 U 58/14

ZInsO 2015, 1164 ZInsO 2016, 1308

M99 B96

2014 20. 5.

12 U 87/13

ZIP 2015, 187

H73, H76d

2013 14. 3. 7.11.

12 U 52/12 12 U 114/12

ZInsO 2013, 935 ZIP 2014, 837

F63a G59a

2011 22.12.

12 U 86/11

ZIP 2012, 482

A36

2009 5.11.

6 U 27/09

ZIP 2010, 617

B532, B534

2008 17. 1.

I 12 K 216/06

ZInsO 2008, 566

D63

2006 8. 9.

23 U 35/06

BauR 2006, 1909

B589

2003 13.11.

12 U 43/03

ZIP 2004, 1008

D92

1128

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

1992 6. 3.

17 U 201/91

NJW-RR 1992, 798

B531

1989 13. 4.

12 U 81/88

ZIP 1989, 1072

B692, D42

Frankfurt/M. 2015 16. 3. 14. 7. 11.11.

1 U 38/14 14 U 154/14 17 U 121/14

ZInsO 2015, 695 juris ZIP 2016, 733

B589 F80c H79

2014 17.11.

11 SV 115/14

ZIP 2015, 841

B720

2013 21. 8. 21. 8.

19 U 80/13 1 U 254/11

ZInsO 2013, 1852 ZInsO 2014, 1911

B16, F16a M117a

2012 17.12.

1 U 17/11

ZIP 2013, 277

A47g

2011 21. 3. 14.12.

13 W 15/11 4 U 28/11

ZIP 2011, 1444 juris

B716 B478

2010 11. 3. 14. 7.

16 U 129/09 17 U 239/09

ZIP 2010, 938 ZIP 2011, 392

G44 B56, F109

2006 10. 4.

25 U 158/03

juris

B161b

2005 29. 8. 24.11.

16 U 11/05 1 U 19/05

ZInsO 2005, 1110 ZIP 2005, 2325

B31 B272, B261

2003 25.11.

9 U 127/02

ZIP 2004, 272

B670, Q10

2002 5. 6.

17 U 146/01

juris

C124

1999 26. 3.

10 U 37/98

NZG 1999, 948

H82a

2015 19. 3.

11 U 22/14

ZIP 2015, 840

H28b

2009 21.12.

1 U 10/09

ZInsO 2010, 379

B412

Hamburg

1129

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2007 19.10.

1 U 136/06

ZIP 2008, 884

B311, B427, E9

2001 9. 5.

8 U 8/01

ZIP 2001, 1332

B428, B478

1987 8. 1. 12. 6. 24. 7.

6 U 49/86 1 U 64/80 11 U 182/86

KTS 1987, 727 ZIP 1989, 777 NJW-RR 1988, 46

G49 G49 B298

1984 26.10.

11 U 168/83

ZIP 1984, 1373

B355, B687, B688

2016 19. 1.

21 U 106/15

ZIP 2016, 781

B612

2014 29. 8.

27 W 94/14

ZinsO 2014, 2437

F69e

2013 7. 2. 21.11.

27 U 19/12 18 U 145/12

unveröffentlicht ZIP 2014, 186

F63b H90, H93

2011 7. 4.

27 U 94/10

ZIP 2011, 1226

H84, H88

2010 25. 8. 2.12. 29.12.

8 U 129/09 27 U 55/10 8 U 85/10

ZIP 2010, 2058 ZIP 2010, 2517 ZIP 2011, 343

D16 H23, H84, H86

2009 15. 1.

27 U 112/07

juris

B305

1999 2. 3.

27 U 237/98

ZIP 1999, 1530

I12

1993 3. 5.

8 U 184/92

ZIP 1993, 1321

I16

1982 14. 7.

5 U 192/81

ZIP 1982, 1343

B290, B465

2016 29. 2.

8 U 135/10

ZInsO 2016, 742

F48c

2013 7.11.

9 U 119/11

ZInsO 2014, 152

F17c

Hamm

Karlsruhe

1130

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2012 20.12.

9 U 79/06

ZInsO 2013, 998

B486

2009 19. 5.

17 U 467/08

ZInsO 2009, 1594

B10, E36

2008 4. 1.

17 U 406/06

ZIP 2008, 1343

C54

2007 18. 1. 27. 2. 4. 9.

12 U 185/06 8 U 201/06 17 U 355/06

ZIP 2007, 286 ZIP 2007, 2132 ZIP 2007, 2367

B12, B214, B522, F100l, G108 B24 C52

2004 10. 9.

1 U 72/04

ZInsO 2004, 1367

D78, D85a

2003 17. 9.

1 U 167/02

ZInsO 2003, 999

G5, G117

1980 12. 3.

6 U 186/79

ZIP 1980, 260

F36

KG 2015 4.11. 15.12.

24 U 112/14 14 U 79/14

ZInsO 2016, 37 ZInsO 2016, 1437

A41, F16f F48d

2014 4. 3.

14 U 98/12

ZinsO 2014, 2113

F75a

2010 15.11.

25 U 109/03

ZIP 2011, 535

O52

2003 30.12.

2 W 256/02

ZIP 2003, 270

B733

2015 1.10.

2 U 864/14,

ZInsO 2016, 1156

B69c

2014 23.12.

4 U 914/13

ZInsO 2015, 448

B165

2013 7.10. 15.10.

3 U 829/12 3 U 635/13

ZInsO 2013, 2116 ZInsO 2013, 2168

F36 H52a

2010 27. 5. 25. 6.

2 U 907/09 10 U 924/09

ZIP 2010, 1615 UV-Recht Aktuell 2011, 851

O138 J1, J35, J36

Koblenz

1131

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2004 13. 5.

5 U 1539/03

ZIP 2004, 1275

B207, G15, G71, G72

2003 18. 9.

5 U 520/03

ZInsO 2003, 951

M130

1999 11. 3.

5 U 1160/98

NZI 2000, 84

G42a

2011 27.10.

18 U 34/11

ZIP 2011, 2208

H56c

2008 30. 4.

2 U 19/07

B80, B98, M41

5.11.

2 U 78/08

ZIP 2008, 1492 = ZInsO 2008, 622 ZInsO 2009, 93

M79

2007 21.11.

13 U 21/07

juris

B21

2006 30.11.

2 U 86/06

ZIP 2007, 137

F31a

2005 19.10. 14.12.

2 U 28/05 2 U 89/05

ZIP 2005, 2072 ZInsO 2006, 1329

B272 D19

2003 17.12.

2 U 87/03

OLGR 2004, 276

N18, O51

1995 28. 4.

25 U 17/94

ZIP 1995, 850

B540, M18

1994 29. 4. 25.11.

20 U 168/90 19 U 70/94

ZIP 1994, 1461 ZIP 1995, 138

B319, B566

1987 18. 2.

13 U 170/86

ZIP 1987, 907

B100

2015 20. 1. 26. 3.

5 W 1651/14 24 U 3722/14

ZInsO 2015, 1444 ZInsO 2015, 1226

B682 F36

2014 22. 1. 16. 9.

3 U 798/13 5 U 582/14

ZInsO 2014, 780 ZIP 2014, 2354

H50 G69c

2013 19. 3. 5. 4.

5 U 4332/12 5 U 1051/13

ZInsO 2014, 897 ZInsO 2013, 1091

H52e, H73 B732, B733

Köln

München

1132

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

16. 5. 2. 7. 18.12.

5 W 835/13 5 U 5067/12 7 U 2900/09

ZIP 2013, 1299 ZInsO 2013, 1527 ZIP 2014, 69

B732 B39 H52a

2011 8. 4.

5 U 4633/10

2010 5. 5. 6. 5. 28. 6. 20.12. 22.12.

7 U 4134/09 23 U 1564/10 5 W 1581/10 19 U 2126/09 7 U 4960/07

juris ZIP 2010, 1236 ZIP 2011, 398 ZIP 2011, 43 ZIP 2011, 225

H22 H28a, H54, H55 B733 B116 B50, B63, D96, H28a, H63b

2009 13. 1. 4. 8. 8. 9.

5 U 2379/08 5 U 2971/09 5 U 2499/09

ZInsO 2009, 341 ZInsO 2009, 1767 ZInsO 2009, 2151

M79 B683 B262, B283, C26, C123, C129, D50, D53a

2008 11. 3.

5 U 3897/07

ZIP 2009, 330

M136

2007 28. 3.

20 U 4101/06

juris

C93

2004 22. 7.

19 U 1867/04

ZIP 2004, 2102

H52a, H52b, H75

2001 23.11.

23 U 2639/01

ZInsO 2002, 538

H69a

1999 23. 6.

15 U 2827/99

NZI 2000, 180

I12, I21

1992 27. 4.

26 U 6853/91

ZIP 1992, 787

C119b

B325

Naumburg 2015 9.12.

5 U 144/15

ZInsO 2016, 455

F9a

2008 23. 4.

5 U 19/08

ZInsO 2008, 1022

B80, B98

2012 9. 1.

4 U 931/11

ZIP 2012, 1043

C119h, F73e

2009 11. 2.

4 U 2506/08

ZIP 2009, 1435

D19

Nürnberg

1133

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

Oldenburg 2015 23. 7.

1 U 94/14

ZIP 2015, 1988

F80c

2007 27.11.

9 U 43/07

ZInsO 2008, 460

B14, B584, G27

2013 9. 9.

6 U 38/12

nicht veröffentlicht

B620

2005 7. 3.

3 U 121/04

WM 2007, 980

C50

2003 24.11.

3 U 111/03

ZInsO 2004, 555

G83h

Rostock

Saarbrücken 2012 10. 7.

4 U 212/11

ZIP 2012, 1973

F63g

2008 24. 6.

4 U 324/07

ZIP 2008, 2430

C22, D35

2016 27. 7.

9 U 34/16

ZIP 2016, 1932

B669

2014 4. 6.

9 U 148/13

ZInsO 2014, 1619

F76

2012 13. 1.

4 U 57/11

ZIP 2012, 885

H90

2011 9.12.

1 U 72/11

NJW 2012, 1967

B589

2006 3.11.

1 U 120/06

ZInsO 2006, 1224

L16, L29, L29b

2013 12. 6.

9 U 37/13

ZIP 2013, 1779

F100f

2012 8. 2. 14. 3. 26. 9. 28. 9.

14 U 27/11 14 U 28/11 9 U 65/12 5 U 17/12

ZIP 2012, 879 ZIP 2012, 834 ZInsO 2012, 2051 ZIP 2012, 2162

H62c H89b H89a A47i

Schleswig

Stuttgart

1134

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2011 15.12.

7 U 184/11

ZInsO 2012, 281

B14, B20, B128, B534a

2008 15. 7.

10 U 147/07

ZInsO 2011, 232

B355, J4, J18, O135

2005 13. 1. 13.10.

2 U 164/04 13 U 78/05

ZIP 2005, 1837 juris

B641 C29, C30, D50

2002 24. 7.

3 U 14/02

ZIP 2002, 1900 = ZInsO 2002, 986

B21, B28, B37

1994 8. 4.

2 U 267/93

ZIP 1994, 722

B19, D 112c

1986 22. 9.

5 U 19/86

NJW-RR 1987, 570

B47, B60

1980 8. 7.

11 U 43/80

ZIP 1980, 860

B554

Zweibrücken 2013 12.12.

4 U 39/13

ZInsO 2014, 673

B317

2010 22. 4.

4 U 128/09

ZIP 2010, 1505

B680

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

juris

F78a

4 Sa 1166/12

ZIP 2012, 2261

B717

16 Ta 455/14

ZInsO 2015, 1468

B718

ZIP 2014, 743

D59c

9. LAG Datum

Baden-Württemberg 2012 27. 9.

11 Sa 100/12

Berlin-Brandenburg 2012 12. 9. Hessen 2014 11. 8.

Niedersachsen 2013 29. 7.

10 Sa 1105/12

1135

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2012 22. 3.

7 Sa 1053/11

juris

B717

7 Sa 557/11 2 Sa 566/11

ZIP 2012, 2263 juris

B717 B717

ZInsO 2009, 2067

D61

7 Sa 413/07

ZInsO 2010, 688

C113

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

3 AR 8/15

ZInsO 2015, 2196

B720a

ZIP 2015, 2034

G54b

4 O 374/14

NZI 2015, 894

B720a

8 O 382/15

ZInsO 2016, 1812

B720a

Nürnberg 2012 30. 4. 16. 5.

Rheinland-Pfalz 2009 17. 7.

6 Sa 146/09

Thüringen 2009 12. 5.

10. LG Datum Bremen 2015 5.10.

Dessau-Roßlau 2015 24. 7.

2 O 480/14

Dortmund 2015 20. 3. Duisburg 2016 9. 3.

Frankfurt a.M. 2015 7. 5.

2-32 O 102/13

ZIP 2015, 1358

F44b

2014 17. 1.

2/08 O 93/13

ZInsO 2014, 965

G65g

1136

Rechtsprechungsregister

Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

2 O 701/13

ZIP 2014, 2205

F80c

8 S 3/10

ZIP 2011, 2160

B535

4 O 35/13

ZIP 2015, 988

H89b

13 S 89/10

ZInsO 2010, 2238

D61a

2016 7. 4.

3 O 381/14

juris

H72

2014 3. 9.

7 O 67/12

ZIP 2014, 1940

A47l

NZI 2012, 848

F69c

3 O 1497/14

ZInsO 2014, 1963

B720a

6 S 100/08

NZI 2009, 185

O242

2013 5.11.

16 O 556/12

ZInsO 2014, 406

G65g

2012 30. 5.

13 S 200/11

ZInsO 2012, 1173

F67a, F69c

ZInsO 2002, 337

D41

Fulda 2014 28. 8. Göttingen 2011 18. 8. Kleve 2015 3. 3. Köln 2010 21. 7. Krefeld

Mannheim 2012 13. 7.

11 O 42/12

Osnabrück 2014 24. 7. Schwerin 2008 11. 7. Stuttgart

Wuppertal 2001 27.12.

2 O 11/01

1137

Rechtsprechungsregister

11. AG Datum

Az.

Fundstelle

Werkreferenz

21 C 147/09

ZIP 2010, 619

B532, B535

28 IE 1/14

ZIP 2014, 1038

C86a

5 C 414/11

ZIP 2011, 189

N7, N23

Göttingen 2010 26. 2. Itzehoe 2014 1. 5. Reinbek 2011 27.10.

1138

Stichwortverzeichnis

Abänderungsvertrag C7a Abbuchung O21, O86, O144 ff., O227, O248 – siehe auch Buchung Abbuchungsverfahren B103, M75 Abfindungsanspruch B123, B271, B272, B274, B275, B278, D42, G45b, G50, M67, M113 f. Abfindungsvereinbarung B12, B692, D42 Abfindungsvergleich F57a Abhalten von Insolvenzantrag F36, F90 Abhängiges Unternehmen – nahestehende Person K27 Ablösung B199, B427, B429, B491, B596, B611, E27 Abnahme B16, B557, C2a, M54 ff., O188 Abrechnung B9, B256, B269, B514, M47b, M116, O109, O165, O173, O184, O186, O190, O193, O195, O238 Abrechnungszeitraum B256, D47, M51, O109, O165, O186 Abrede B339, B531, D91, E28, G58, H7 – siehe auch Verrechnungsabrede Abruf – Kredit BB407, B641, B645, M55 Abschlagszahlung B234, B235, C85, C119d, F73b, O170, O187, O188, O193, O196 Absichtsanfechtung A2, D7, F2 Absichtserklärung B243 Absonderungsrecht, Absonderung B98, B361, B425, B430 ff., B457 ff., B466, B468, B474, B563, B596 ff., B696, B698, B703, C14 ff., C69, D15, D74, D110, D114, E27, E54, H70, H74d, I24, M59 f., M70, M72, M87, M96, M124, O27, O73, O180 – Ablösung vor Insolvenzeröffnung B425, B596, C15, F38f – der Bank B290, B435, B460, B468 ff., B474, B600, D74, D110, M87 – Entstehung B98, B468, D74, D110, M70, M96 – Gläubigerbenachteiligung B97 ff., B425 f., B432, B435 ff., B457, B561, B59 ff., B600 – Schiedsverfahren S12 – Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters B361, B425, B432, B437, B600, E54 – Wegfall bei Zahlung auf Schuldnerkonto B290, B465, D74, D77, F38f Abstrakte Sicherheiten – Neubestellung Q11 Abtretung O27, O92, O94, O153, O198, O232, O233

– bedingte B69, B71, B282, F47, F84, M59 ff., M118 ff., M122, M130 – bestehende Forderung B69, B448, D104, D117, M36, M122 – Kundenforderung B444 f., B461, D21, D104 – künftige Forderung A4, B67, B70 ff., B79, B260, B289, B291, B396, B426, B448 ff., B455, B461, B527, B559, B600, C28, D31 ff., D53e, F61, M7 ff., M11 ff., M27, M31, M35 ff., M38, M48, M118 – nicht offengelegte B289, B436, B464, C55, D77 – Rückgewähranspruch P42 ff. – ungesicherte Forderung B434, B444, B564, D100 – Werthaltigmachen B46, B75 ff., B234 ff., B394, B421, B557, B708, C18, C28, D104, M41 ff., M47a, M54 – Wirkung B69 ff., B527, D32, M7 ff., M40 ff., M48 ff., M54 ff., M73, M93 ff. Abtretungsvertrag B69 ff., B79 f., B455, B473, B527, G59e, M7, M11, M31, M36, M41, M47a Abwendung – Insolvenz B356, F64 – Insolvenzantrag A24, D60 – Nachteil F37, M33 – Versorgungssperre F31a – Zahlungsunfähigkeit C130, F42 – Zwangsvollstreckung B23, B27, D61, D65, F31, F53, N23 ff. Abwendung eines angedrohten Insolvenzantrages A24, D60 Abwendungsleistungen – Schuldner N23 ff. AGB-Banken B12, B94, B100, B106, B289, B426, B438 f., B460, B464, B468, B475, B547, B555, C47, C55, D71 ff., D103 ff., E30, F79, M31, M63, M75, O48, O74, O146, O147, O150, O227 – Genehmigung, Genehmigungsfiktion B12, B106, E30 – Lastschrift B12, B106, E30, M75a, O146, O147, O150, O227 – Nachbesicherung F85 – Pfandrecht B94, B96, B100, B289, B426, B438 f., B460, B464 f., B475, B547, B565, C47, C55, C66, D54, D58, D75, M31, M63 ff., O48, O74 – Sicherungsrecht, Sicherungseigentum B468, B470, B555, C47, C58, D71, D74, D77, D103, D105, M87

1139

Stichwortverzeichnis Aktivvermögen, Aktiva B57, B309, B314, B324, B328 f., B383, B420, B647, B653, C77, E50, E59, F17, O20, O32, O38, O43, O115, O256 Akzessorietät B442, B670, D96, H72, M121 Aliud C62, D98, G88 Altersruhegeld B122, M126 Altersvorsorge B529 ff., D40 Altforderung B266, B328, B342, B598, D112 Altverbindlichkeit B21, B36, B434, B687, D108, E21, F37, F83b f. Analoge Gesetzesanwendung B466, B470, B476, B576, B738, F113, H1, H9, H17, H21 f., H34, H54, H63e, H64, H78, H86 ff., H89, I9, I33, L1, L9 Analogieverbot – Wechselvorschriften J13 ff. Anderkonto B358, B467, B493, B503, B505, B506, B508, B510, B512, C10b, D73 Androhung – Insolvenzantrag D60, D62 f., F31a, F50, F54 – Strafe C88 – Zwangsmittel C103 – Zwangsvollstreckung B23, D61 f., F31a, F54, N23 ff., O127 Aneignung B53 Anerkenntnis B19, B293, C2, E28, E47, F111, G3, G54, G89 – Anfechtbarkeit P63 Anfangstermin B88, D66a, M132 f. Anfechtbare Leistung – bei Lebensversicherungsverträgen P69 ff. Anfechtbarkeit – Bedeutung der Leistungsbeziehungen B6, B85, B119, B171 ff., B184, B186, B189 ff., B230, B242 ff., B246 ff., B705 f., D21, G19, G70, G72, G72a, G79, G82, G83 ff., G101 – Einbeziehung § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B B588 – Einrede S9 – Einwand B719, E22, H22, H55, H105 – Leistung auf Nichtschuld G72 – Masseunzulänglichkeit B699 – mehrere Rechtshandlungen B57 ff., B156, B510 – gegenüber Mittelsperson B55 – schuldrechtliche Beziehungen P62 ff. Anfechtung – Anweisung B193, C19 – gegenüber Arbeitnehmer B52, B513 ff., B529 ff., B716C110 ff., D40, E9, E25, F68, F100l, O174 ff.

1140

– Bezugsberechtigung bei Lebensversicherung B121 ff., G109 ff., G113 ff., M92a, P18 – gegenüber Drittschuldner B160 ff., C17 – Herbeiführung einer Aufrechnungslage A12, B2 ff., B251 ff., B359, B435, B458, B536 ff., B537, C24 ff., C60, D45 ff., E43 ff., M18, M21 ff., M54b, M89 ff., M113 – im jeweiligen Leistungsverhältnis B160 f., B171, B201, B208 – gegenüber Mittelsperson B55, B119, B140, B170, B183 ff., B 194 ff., B 248, B250, B492, B705, C17, F92 ff., M32a, O131b, O144, O144a – gegenüber Pfändungsgläubiger des Anfechtungsgegners B673 – Primat N3 – Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung A13, B736 ff., T1 ff. – gegen Rechtsnachfolger R1 ff. – gegenüber Sicherungsnehmer B376, B464 f., B556, B564, D33, E42, G59d, G85 ff., G90 ff. – Verhältnis zur Einzelgläubigeranfechtung B739 ff. – zeitliche Reichweite B736 ff. – Zweck A7 f., A11, A36b, B316, B336, B379, B415 f., B572, B652, B681 Anfechtungsanspruch – Abtretbarkeit B674, B680, H55 – Anfechtungsberechtigter B699 ff. – Anfechtungsgegner B702 ff. – Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung B628, B671, B724 – Aufrechnung P73 – Aufrechnung mit Gegenforderung B679 – aufschiebende Bedingtheit B667, B677 – Auskunftsansprüche B711 ff., P170 ff. – Aussonderungsrecht A9, B668 f., P18 – Begründetheit B677 – Beschränkung bei gesellschaftergesichertem Darlehen P165 ff. – Drittwiderspruchsklage B672, B724 – Duldung der Zwangsvollstreckung B671, B724 – Durchsetzung B664 ff., B715 ff., P11 ff. – Einschränkungen B683 ff. – Entstehung B667, B677 f. – Erfüllung fremder Verbindlichkeiten P71 – Gegenrechte B658, B698 – Gegenstand B725 – Geltendmachung B699 ff., B710 – gerichtliche Geltendmachung B715 ff. – gegen Gesamtschuldner B196, B231, B236, B378, B708, C13, D82, F100c, H62

Stichwortverzeichnis – – – –

gesellschaftergesichertes Darlehen P158 Hinterlegung P72 Inhalt P47 ff. kein Deliktsanspruch B647, B679, B720, F4, F62b – keine Aufrechnung mit Insolvenzforderung B679 – Klageänderung B725 f. – Klageart B722 ff. – konkurrierender B205, B700, B706, C17, D11, F8, G6, G9, G78, G80, H44, H108 – mittelbare Zuwendung P47 – Provisionszahlung P74 – Prozesshandlungen P78 – Prozesskostenhilfe B731 ff. – Rechtsnachfolge A36, B666 f., B676, B725, B739, H15, H64 – Rechtsnatur A9, B664 ff., P11 ff. – Rückabtretung P55 ff. – Rückgabe eines Orderpapiers P57 – Saldotheorie B683 ff. – schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch B1, B667, B720 – tarifvertragliche Ausschlussfrist B718 – Unanwendbarkeit des § 814 BGB A43, G46, H76c – Unterlassungen P85 – Unterscheidung zwischen Begründung und Entstehung B677 – Veräußerung hinderndes Recht B672 – Verhältnis Ersterwerber und Einzelrechtsnachfolger R20 ff. – Verhältnis zu § 64 GmbHG P24 ff. – Verjährung B252, B536, B658, B726 ff., S1 ff. – gegen Versicherung B522 ff. – Vollstreckungsabwehrklage B724 – Wiederaufleben von Sicherheiten B670 – Wirkung gegenüber Jedermann B678 – Zinszahlungspflicht B681 – Zwangsvollstreckung P79 ff. Anfechtungsbefugnis A36 f., B699 ff. Anfechtungsberechtigte B210 ff., B699 ff., G83 – Doppelinsolvenz B701 – Eigenverwaltung B699 – Insolvenzgläubiger B699 – Leistungsmittler B700 – mehrere B700 – Schuldner B699 – Tilgung fremder Schuld B700 Anfechtungseinrede S9 ff. – als Gegeneinrede S13 – Kausalzusammenhang mit Leistungspflicht des Insolvenzverwalters S14 Anfechtungseinwand – Berücksichtigung von Amts wegen B710 – Erhebung durch Zwangsverwalter B678

– Erhebung vor Insolvenzeröffnung B49, H22, H55, H105 – keine Einrede H105 Anfechtungsfrist A3, A41, B658, B720, B725 ff., C95 ff., G5, G117 f., H17, H26, H63c, H63e, L1 ff., L7, M33, M122 Anfechtungsgegenstand – vollstreckbarer Titel N4 Anfechtungsgegner A9, B171 ff., B189 ff., B194 ff., B202 ff., B211 ff., B227 ff., B237, B238, B375 ff., B702 ff., D21 – Absonderungsberechtigter B425, B432, B596, B599, B703, C14 ff., D15 – Angewiesener B700, B705, F92 ff. – Ansprüche Q1 ff. – Aufleben von Forderungen Q2 ff. – Betreiberin LKW-Maut B170, D21a – Beweislast C127 ff., D121, E59 ff., F26, F101 ff., G127 f., H107 – Cash-Pool B144 ff., B174 ff., B207, B375, G79, H52f – Deckungsanfechtung B248, B375, B700, B703, C12, C13c ff., C17, C23a ff., D20, G7, G9 – Einzugsstelle B170, B514, B702, O144a, O207 ff., O242 ff. – Empfangsbeauftragter B165 ff. – Fortdauern der Bereicherung P48 ff. – Gesamtrechtsnachfolge R5 ff. – Gesamtschuld B190 ff., B378, B708, C13, D20, F92 ff., H62 – bei Gesellschafterdarlehen P23 – gesicherte Rechtsstellung B71, B88, B95, B123, B257, B281, B344, B490, B511, B528, C28, D110, G111 f., G114, G119, M3, M6, M25 ff., M30, M37, M44, M64, M102, M110, M115, M126, M133 – Grundsatz B702 – Herausgabe von Nutzungen P99 ff. – Inkassozession B166 ff. – Insolvenz A9, B668 f. – Insolvenzschuldner B704 – Kenntnis – siehe Kenntnis des Anfechtungsgegners – Kenntnis bei Vertretung C117 ff. – Leistungskette B129 f., G82 – Leistungsmittler O131b, O144, O144a – siehe auch Mittelsperson – mehrere B378, B708, D20, F92 ff., F100c, H62 – mithaftender Dritter D81 ff. – mittelbare Zuwendung B156, B172 ff., B183 ff., B189 ff., B194 ff., B202 ff., B246 ff., G9, G105 ff., F92 ff. – siehe auch Anfechtungsgegner bei mittelbarer Zuwendung – Mittelsperson B129 ff., B189 ff., B705 f., C17

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Stichwortverzeichnis – Organschaft B227 ff. – Pfandgläubiger B217 ff., D61, M67 ff., M128 – Rechtsscheinhaftung B702 – schuldrechtlicher Verpflichtungsvertrag Q12 ff. – Sicherheiten für zurückgegebene Forderungen Q8 – Subunternehmer F98 ff. – teilbare Leistung B702 – uneigennütziger Treuhänder F100c – unentgeltliche Zuwendung G104 ff. – Wechselzahlung J24 f. – Wegfall der Bereicherung G6, G126 – Wegfall der Kenntnis C102, C115 ff., C132, F70 ff., F83i – Werthaltigmachen einer Forderung B75 ff., B234 ff., M41 ff. – Zedent B85, B169, B234 ff., H62b ff. – Zeitpunkt der Kenntnis C102, F74 – Zessionar B85, B169, B234, B241, B708, C18, H62b ff. – Zwangsverwalter B170, B678, H101 Anfechtungsgegner bei mittelbarer Zuwendung – Angewiesener F92 f. – Bedeutung der Kausalbeziehungen B135 ff. B176, B518, F100m, G12, G30 ff., G65b, G65h, G74, G83a, G83p, G88, G101 f. – bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff B85, B139, B150, B153, B169, B171, B173, B200, B237, B247, B249, B705, D21, G19, G82 f., G101 – kritische Würdigung der BGH-Rechtsprechung B215, B520, G98 f., G70 ff. – Mittelsperson B119, B136 ff., B170, B183 f., B189 ff., B248 ff., B174 – Tilgung fremder Schuld B150, B173, B199 ff., B210 ff., B216 ff., B249, B706, C7, C12, D20, D80 ff., E 6 f., E27a, F100, F100m, G57 ff., G63 ff., G83b ff. Anfechtungsgesetz A9, A16, A27, A36 ff., B2, B251, B481 f., B379, B424, B677, B739 ff., F31, G42a, H26, N1 Anfechtungsgrund O2, O29, O155 – und Anfechtungsausschluss O8, O12 ff., O17, O56, O67, O134 – Grundurteil P41 Anfechtungsklage – bei gesellschaftergesichertem Darlehen P160 ff. Anfechtungsprozess A37, B352, B355, B627, B653, B659, B711, B732, B740, B744, L2, L11, M13 Anfechtungsrecht – Entstehung mit Tatbestandsverwirklichung B667, B677 f.

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– – – – –

Erlöschen B680 Geltendmachung B667, B699 ff. Inhaber B674, G113 kein Gestaltungsrecht B667 Verhältnis zur Einzelgläubigeranfechtung B739 ff. – zeitliche Reichweite B736 ff. – Zeitpunkt der Entstehung P38 Anfechtungsrisiko E7, F40, F100l, H62i Anfechtungszeitraum B55, B71, B121, B701, B526, B543f, C23, C52, C100, D57, D95, D119b f., E13, E55, E58, F3, F8, F20, F104, F111, G2, G38b, G109, G116, G117 ff., H71, H76b, I12, L1 ff., O16, O138, O140 ff., O144b, O176 ff., O239 – Berechnung C96 ff., C100, G18, G117, L1 ff. Angehörigeneigenschaft K12 Angewiesener B156, B162, B189 ff., B205, B321 f., B378, B603, B700, B705, F12, F92, F94, F96, G81, M88 Angriffs- und Verteidigungsmittel B19 Anlagevermögen B128 Anleger – siehe Kapitalanleger Anrechnung B42, B340, B507, B608 Anschein B653, C116a, F83h, G42, H4, H40, H64a Anscheinsbeweis B306, B385, B653 Anschlusszession B556 Anspruch – aufschiebend bedingter B69, B71, B92, B122 f., B125, B257, B279, B282, B421, B453, B542, B602, B677, D19, D39, D86, D115, G46, G65a, G110, H52b, M45, M68 f., M90b, M91, M94, M95, M123, M125, M126, M128 – aufschiebend befristeter B88, B97, D115, D118, M39a, M49, M52, M59, M109, M119, M132 f. – auf Besicherung B446, B587, C62, D67, D97 ff., D115, D121, F85, G88, G95 – gesetzlich bedingter B91, B282, M21, M44, M111 – auf Gutschrift B290, B462, B465, D95b, M74 – auf Kreditgewährung C43 Anspruchskumulation B237 Anteilige Befriedigung B32, B185 Antragsrücknahme B19, C97, M99, L20, M102, M104, M106 Anwaltshonorar – Bargeschäft O105, O182 O236 Anwartschaft, Anwartschaftsrecht B9, B66 f., B123, B300, B343 f., B400, B421, B429, B488, D40, M25, M26, M34 f., M92, M122, M126, M133 Anweisung B162, B183 ff., B193, B234, B325, B409, B448, B467, B472, B603,

Stichwortverzeichnis B606, C17, C19, C21, D79, D84 f., F94 ff., H75, M88, P66 – des Drittschuldners B160, B201 – gegenüber Drittschuldner B130, B188, B472, C19 – auf Kredit B162, B163, B321, B370 ff., B415, B603 f. – auf Schuld B162, B163, B370 ff., B415, B603 f. – des Schuldners B130, B188, B193, C17, D59a, D79, D84 Anwendungsbereich – §§ 130, 131 InsO (Deckungsanfechtung) A16, A24, A26, B202 ff., B248, B375, B700, B706, C6, C12, C17, G7 ff., G78 ff., H108 Arbeitgeber B212 ff., B513 ff., B522, B529 ff., B586, B676, B716, C112 ff., D40, E9, F68, F100h ff., G108, K17 Arbeitnehmer, Arbeiter B52, B132 ff., B394, B513 ff., B519 ff., B529 ff., B586, B595, B716, B732, C83, C110 ff., D40, E9, E25, F68, F78a ff., F100h ff., G65c ff., G108 Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung B155 ff., B156 ff., B513 ff., B586, E9 – Bargeschäft – siehe dort Arbeitnehmerüberlassung B16, B428, G3, G21 Arbeitseinkommen B44, B388, B396, B530, B635, B716, C110 ff., G108, M133, O174 ff. Arbeitseinstellung B267 Arbeitsgericht B86, B522, B676, B717, C114a, F78a, M133 Arbeitskraft, Arbeitsleistung B44 f., B394 f., B520, B530, C114a, G65c ff. Arbeitsleistung – Bargeschäft O171 ff. Arbeitsverhältnis A47c, B44 f., B396, B635 f., M133, O209 ARGE, Arbeitsgemeinschaft B267 f., B550, F46 Atomisierung B84, O184 Auffangtatbestand A26, C5, E10, E31, E51, F11 Aufgabe von Rechten B41, B53 Aufhebungsvereinbarung B41, B90, B333, B391, B424, B504, F112, H52a, H75, H103, M6, M52, M100, M128 Auflassung B344, B488, M26a, M108 – Vormerkung B319, M26a, M29, M108 Auflösung B273, M67 – Gesellschaft I10 f., I16, I19 f., I29 – Konto B473, C46 Aufnahme des Prozesses B740 f., B574 Aufrechnung – siehe auch Verrechnung – mit abgetretenem Anspruch B600

– Abschluss der anspruchsbegründenden Tatumstände B256, D47, M51, M89 – mit Altforderung B266, B328, B342 – mit Anfechtungsansprüchen P73, S11 ff. – Anspruch auf Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit B262, B286, C26, C29, D49, D52, D53d – mit aufschiebend bedingtem Anspruch B254, M90b – Bankverrechnungen C40 ff. – Bargeschäft O33, O42 ff., O250 ff. – nach Begründung der Schuldnerstellung B6, B264 ff. – Entgegennahme von Werkleistungen B539, B549, B557, C2a, C29, C61a, D50, M23, M54, M58 – erfüllbare Hautforderung M88a – im Eröffnungsverfahren C25 – fällige Gegenforderung B549, D52a, D182, M88a – mit Forderung aus anderem Schuldverhältnis D50 – Forderung außerhalb des Kontokorrentverhältnisses D49 – nach Freigabe von Sicherungsgut B461 – Gegenseitigkeit B240, B254, B550, C119e, D47, D52a, D53, M89 – hinausgezögerte Erfüllung D52a – mit Honoraranspruch B280 ff. – Inanspruchnahme der Schuldnerleistung B259, B539, C38, D48, E46, M89 – inkongruente Deckung C39 f., D45 ff., D53b ff. – vor Insolvenzeröffnung B252, C25 – gegenüber Kaufpreisanspruch B2, B183, B186 f., B265, C31, D51 – kongruente Deckung C39 ff. – Kontokorrent D54 ff. – Konzernverrechnungsklausel D53 – durch kreditgewährende Bank B263, B288 ff., B547 f., C40 f., D49, D54 ff., M20 ff. – künftige Forderung B179 – maßgebender Zeitpunkt D47 – Maßgeblichkeit des Vertragsschlusses B2, B256 f. – Mietnebenkostenvorauszahlungen B256 f. – gegen nicht werthaltige Forderung B256, C26 ff., C119c ff. – Selbstexekution C24 – Vergleichbarkeit mit Vollstreckung B259, M89 – Vollstreckung gleichkommende Rechtsfolgen B259, C38, M89 – Wechsel J8 – Werthaltigmachen der Hauptforderung C37a, D49 ff., M89

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Stichwortverzeichnis Aufrechnungserklärung A46, B537, C24, E28, M18 Aufrechnungsersuchen C27 ff. Aufrechnungslage A12, B2 ff., B175, B251 ff., B259 ff., B275, B283 ff., B328, B359, B435, B536 ff., C24 ff., C34 ff., C60, C119e, C123, D45 ff., E28, E43 ff., H76a, M18, M21 ff., M41, M54b, M89 ff., O42, O137 – Anspruch auf Herbeiführung B262, C29, D45, D49 f. – Entstehung B254 ff., B275, B280 ff., B538 ff., C27 ff., C36 ff., D47 ff., E46, M18 ff., M89 ff., M94 f., M113, O250 – Inanspruchnahme der Schuldnerleistung B259, B283 ff., C38, D48, E46, M89 – Inkongruenz B262 ff., C26 ff., C39 f., D45 ff., D49 ff., D53 ff. – Kongruenz B262 ff., C26 ff., C39 f., D45 ff., D49 ff., D53 ff. – maßgebender Zeitpunkt für Anfechtung C37a – Werthaltigmachen B259 ff., C38, D49 ff., M90, O25, O42, O171 Aufrechnungsmöglichkeit B261, B286, B430, C26, C29, C37, D49, D53d, M112 Aufsichtsratsmitglieder – nahestehende Person K30 Aufsummieren C93 f. Auftrag B91, B243, B280 ff., B497, B612, C119, D58, G69, M44, M75 ff., M111, M120 – ausgelagerte Buchhaltung C133a, F103 – Bankverhältnis B109, B467 ff., C22a, D35a, D57 ff., D59b, D73 ff., M74, M75 ff. – Bargeschäft O24, O88, O92, O107, O171 ff. – Baurecht B243 ff., B267, B549, B589, B612, B639, C70, D84, F57, G69 – Behörden C119b ff., F72 – Hauptauftraggeber B239, B377, F4 – Herausgabeanspruch B91, M44, M111, M120 – Kapitalanleger G45 – Rechtsanwalt B280 ff., B405, C119, F63a, F71 – Sanierung F39, O197 ff. Auftragsdurchführung B328 Auftragsübernahme B155 ff. Aufwendungen B75, B83, B275, B456, B458, B638, B683, B684, M54a, M60, M113, M115, O120, O248 f. Aufwendungsersatzanspruch B186 f., B409, B487, C31, D51 Auseinandersetzungsguthaben A44, B261, B274, B277, B550, G45b, M67 f., M120

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Auseinandersetzungsvereinbarung B388, E24, F112 Ausfall B277, B703, B732, C14, D19, H50, H87, I2, M68 Ausfallrisiko H50 Ausgleich A32, B218 ff., B326, B360, E18, G29, G36, G48, G55, G59d, G96, H43, H53, H91, H96, H99 – Enthaftung P10 Ausgleichsanspruch B245, B541, C13, D18, D82, F63f, H91, H97, H99, M90a, M125a Ausgleichsfunktion – Bargeschäft O5 Auskunft, Auskunftsanspruch B698, B711 ff., P170 ff. Ausland – ausländische Verjährungsfrist A47j – Sitzverlegung B298, B319, B576, F46, P161 – Vorrang ausländischen Rechts A47b Auslandsbezug A47 ff. Auslieferung B557, C2a, C36, D35 Ausnahmecharakter – Bargeschäft O45 ff. Ausnahmetatbestand B705 f., C23, C73 ff., G10, G120 ff., G128 Ausräumung einer Einrede B16, B84, B98, B442, C2a, C37, D29, D38, M41, M43, M54b, M57, M124 Ausschlussfrist, tarifvertragliche B717 Außenstände B209, F91, G65, G127 Aussicht, aussichtslos A18, B225, B296, B303, C9, C85, C130, D61, E16, E41, F41, F52, F55, G83k, G99, G114, M92, M126 Aussonderung – bei Rückgewähr in natura P13 Aussonderungsrecht A9, B429, B490, B493, B498, B503, B519, B531, B668 f., C14, G81, H43, H91, H93, H102, H103, H109 – Ablösung B429 – Anfechtungsanspruch P18 – Bezugsberechtigung einer Lebensversicherung P18 – Direktversicherung B531 – des Gesellschafters H93, H103, H109 – Treugeber P21 Aussonderungssperre H53 Ausstellerkonto C56, M87 Austausch – gleichwertige Sicherheiten B289, B315, B426, B437, B439, B457, B464, B475 f. B596, C55, C66 Auszahlungsverbot H10, H54

Stichwortverzeichnis

Bank

– bezogene B409, B467, C56, D73, M87 f. Bankbuchung B10, B104, B106, B110, B114 ff., B315, B409, B463, C53, C56, M21, M74 ff., M87 Bankbürgschaft D107, O157 Bankgeschäfte – Bargeschäft O136 ff. Bankinsolvenz – Scheckzahlungen J32 Bankkonto B190, B261, B270, B414, B459, F93, F98 – siehe auch Konto Bankverrechnung B174, C40, C50 Bardeckung C20, D9 Bargeldloser Zahlungsverkehr O136 ff. – siehe auch Kontokorrentverrechnung, Zahlungsverkehr Bargeschäft (§ 142 InsO) B287, B338, B518 ff., B530, C45, C49, C54, D9, D41, D79, E3, E38, F9, F31, F39, G108, H52, H90, H99, M17, M83, M86 – 30-Tage-Regel O83, O103, O110, O112, O119, O172 f., O181, O183, O186, O189, O193 f., O204, O237 f. – Abschlagszahlungen O170, O173, O187 f., O193 ff. – Anwaltshonorar O104 ff., O110, O182 ff., O201, O236 f. – Arbeitnehmeranteile B155, B156 ff., B513 ff., O209 ff. – Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung O123b ff., O123g, O209 ff., O241 ff. – Arbeitsentgelt O3a f., O6b, O29a ff., O77t, O84 f., O87d, O87f–h, O87j, O123a ff., O174 ff., O181a, O212a, O239 – Arbeitsleistungen B520, B530, O24, O83 f., O129, O131a, O171, O175 ff., O214, O219, O239, O245 – Arztleistungen O186 f. – Aufrechnung O33, O42 ff., O82, O250 ff. – Ausgleichsfunktion O5 – Ausnahmecharakter O45 ff. – BAG-Rechtsprechung O6b, O29e f., O29i, O68c, O76, O87d, O87g, O131a, O176 ff., O181c, O239 f. – Bankgeschäfte und Zahlungsverkehr O136 ff. – Bauvertrag O107 f., O188 – Benachteiligungsvorsatz O127 f. – Bewertungszeitpunkt O121 ff. – Bruttolohnanspruch O212 f. – Bruttolohnfrage O87e, O87j, O123b, O212b – Bürgschaft O27, O157 – Cash-Pool O144 – Darlegungs- und Beweislast O133 ff. – Dauerschuldverhältnisse O165 ff.

– Dienstleistungen O25, O80, O83, O106 ff., O165, O171, O173, O182 ff. – Direktversicherung B168 ff., B395 ff., O220 – Direktzahlungen O15a, O29j, O68c, O69, O71 f., O77a, O77b, O77d–s, O91, O123, O135b, O144a, O249a, O249c – Diskontgeschäft O159 – Dispositionskredit O32, O116, O137, O216 – Drittzahlungen, O29b, O29c, O29e ff. – siehe auch Direktzahlungen, Drittleistungen – echtes Factoring O161 ff. – Eigentumsvorbehalt O47, O117, O153, O155, O161, O235 – Energielieferung O170 – enger zeitlicher Zusammenhang – siehe Unmittelbarkeit – erweiternde Auslegung des § 142 InsO O45 ff., O72 ff. – Factoring O161 ff. – Fallgruppen O136 ff. – Finanzkommissionsgeschäft O160 – Fiskusprivileg O11a, O123e, O212c – Frachtführer O41, O48, O116, O189 – Freiberufler O182 ff. – Garantie O157 – Gebrauchsüberlassung O167 ff. – Gegenleistung O30 ff., O49 ff., O60, O62, O66 ff., O77, O77g, O77k, O77p, O88 f., O98 f., O103b, O104, O118c ff., O121, O123c f., O128b, O131a, O131d f., O132, O138, O132, O144b, O149, O180 – Geldleistungen O21 f., O115 – Gesellschafterdarlehen O18, O31a, O90, O144b, O169, O181b, O240c – Gleichwertigkeit O1, O4 ff., O10, O12, O15, O17, O19 f., O24, O29, O31, O34, O37 ff., O50, O52, O55, O67 f., O77, O89, O98, O114, O115 ff., O235 – Globalzession O47 f., O55, O72 ff., O118, O153 ff., O161 f., O230 – Grenzfälle O35 ff., O91 ff. – Grundschuld O26, O92 ff., O156 – Grundschuldbestellungsfall O92 ff. – Gutschrift O22, O32, O48, O54, O57, O87, O89 f., O101, O137 ff., O149 f. – siehe auch Zahlungsverkehr – Honorarzahlungen O182 ff., O197 ff. – Hypothek O26, O34, O92, O95, O156 – inkongruente Deckung O11, O13, O15, O27, O57, O66 ff., O77d – keine erweiternde Auslegung O72 ff. – Kenntnis der Drittleistung O3c, O29g ff. – Kenntnis der Unlauterkeit O131c ff.

1145

Stichwortverzeichnis – kongruente Deckung O14, O21, O23, O42, O58 ff., O151, O155, O161, O168, O174, O191, O230 – Kongruenzvereinbarung O15 ff., O29e, O29j, O29l, O64, O68c f., O71, O77a ff., O85, O249c – Kontokorrent O10, O22, O32, O52, O54, O69, O82, O89, O108 f., O118, O136 ff., O157, O225 f. – Kontokorrentkredit O138, O142, O144b, O216 – Konzern O52, O144, O168, O235 – Krankenhausleistungen O189 – Krankenkassenbeiträge O207 f. – Kreditbesicherung im Konzern O235 – Kundenscheckurteil O11, O14, O57 ff., O66, O68, O222 ff. – Lastschrift B93, B97, M17, M83, M86, O21, O54, O57, O131, O145 ff., O227, O228 f. – Lastschriftverfahren O21, O87, O145 ff., O227, O228 f. – Leasing O86, O145, O149 ff., O165 ff. – Leistung an Dritte O40 f. – Leistung des Schuldners O20 ff. – Leistung und Gegenleistung O19 ff. – Leistungen Dritter O29a ff. – Leistungsreihenfolge O88 ff., O123, O136, O138, O142, O254 – Lohnsteuer B171, B388, O123b, O205, O209, O213 ff., O245 – Lohnzahlungen C114, O29e f., O31a, O77t, O83 ff., O174 ff., O207, O213, O239 f., O240a, O240c – mittelbare Leistungen O29d, O29k, O77r, O210 f., O212a, O242, O245 – Miet- oder Pachtzinsen O86, O149 f., O167 f. – Mobiliarsicherheiten O153 ff. – nachträgliche Änderungen O77a ff., O122 f. – Nichterkennbarkeit der Drittleistung O29g ff. – Normzweck des § 142 InsO O4 ff., O15 ff., O29j, O29l, O34a, O45, O68 f., O77g, O77j, O77r, O118a – Nutzungsentschädigung O86 – objektive Gläubigerbenachteiligung O7 f., O64, O77c, O117, O134, O212a, O214 – öffentliche Abgaben O207 ff. – Panzerbrücken-Fall O44 – Parteivereinbarung O38, O49 ff., O62, O68b, O71, O75, O154, O219, O221, O223 – Personalsicherheiten O157 – Privatversicherungsbeiträge O206a

1146

– Rechtsanwalt O91, O105 ff., O165, O173, O182 ff., O194 ff., O204, O236 ff. – Rechtsfolgen O124 ff. – rechtsgeschäftlicher Zusammenhang O50 ff. – Regelungssystematik O6b, O7 ff., O11a, O29c, O29l, O68 f., O77r – Sachleistungen O24 f. – Sanierungsberater E16, E18, F39, O120, O173, O184 – Sanierungsberatung O119, O183, O202 ff., O236 – Sanierungskonzept O128a f., O129a – Sanierungskredit O118d f., O153a – Sanierungsleistungen O45, O72, O119, O153, O197 ff., O204 – Scheck O21, O23, O27, O57, O60 ff., O72, O99 ff., O151, O168 – siehe auch Kundenscheckurteil – Schenkungsanfechtung O17, O29, O53 – Schicksal der Gegenleistung O132 – Schuldnervermögen O12, O17, O20, O27, O31, O67, O77, O116 ff., O144b – Sicherheitenbestellung O18, O26 f., O79, O87, O153, O156, O157 – Sicherungs-Globalzession O47, O55, O72 ff., O79, O118, O153, O230 – Sicherungszession O27, O118a, O153 ff., O231 ff. – Sozialversicherungsbeiträge O207 ff. – Stehenlassen (der Darlehensforderung) O31, O53, O68, O72, O154 – Steuerberater O110, O165, O182, O185 – Subunternehmer O29j, O69, O77a ff., O88, O91, O123, O135b, O180, O249k – Systematik O7 ff. – Tankstellenbetreiber-Fall O34, O36 ff., O45 f., O220, O246 ff. – Teilbarkeit von Leistung und Gegenleistung O149 – Tiefkühlkost-Fall O67, O92, O99 ff. – Überziehungskredit O87, O137 f. – Umsatzsteuer O221a – Unanfechtbarkeit O1 ff., O124 ff. – unechtes Factoring O164 – unentgeltliche Leistungen O17, O20, O56 – Unlauterkeit O129c ff. – Unmittelbarkeit O78 ff., O103a, O108a, O116a, O156, O161, O165, O170, O172, O176 f., O181 ff., O186, O189, O192, O205, O239, O240d, O254 – Verhältnis zu § 64 Satz 1 GmbHG u.a. O18c – Verhältnis zu § 129 InsO O7 f. – Verhältnis zu § 130 InsO O9 f. – Verhältnis zu § 131 InsO O11 ff.

Stichwortverzeichnis – – – – –

Verhältnis zu § 132 InsO O14 Verhältnis zu § 133 InsO O16, O125 ff. Verhältnis zu § 134 InsO O17, O29 Verhältnis zu § 135 InsO O18, O144b Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung O49 ff. – Verrechnung(en) B205, C45, C49, C54, D54 ff., O10, O22, O33, O43 – Verrechnungen im Kontokorrent O10, O22, O52, O54, O69, O82, O89 ff., O136 ff., O225 f. – Vertragsübernahme O28 f. – vorläufiger Insolvenzverwalter O191 f. – Vorsatzanfechtung O16, O125 ff. – Vorsatzkenntnis des Anfechtungsgegners O130 f. – vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung O126 ff. – Vorschusszahlungen O88, O91, O105 ff., O111 f., O173, O182 ff., O193 ff., O236 ff. – Wechsel- und Scheckzahlungen O23, O72 – Werkleistungen O171, O188 ff. – Werthaltigmachen künftiger Forderungen O155 – wirtschaftlicher Zusammenhang O52, O53 ff., O72, O233, O253 – Wirtschaftsprüfer O185 – Zahlungsverkehr O108, O131b, O136 ff., O226 – siehe auch Gutschrift, Lastschriftverkehr – Zahlungsverkehr im Konzern O52, O144 – zeitlicher Zusammenhang O78 ff. – zeitnahe Teilleistungen O109 ff., O182 ff., O236 ff. Bargeschäftsähnliche Lage F33h, F38c, F38g, F38h, H90a, O3b, O128b, O129a–c, O135a, O240a Bargeschäftsähnliche Lohnzahlung 0240a Bargeschäftsähnlicher Leistungsaustausch O6a, O16a, O16b, O34b, O68c, O77p Barzahlung B29, B190, C59, D35, F88, F93 – Rückgewähranspruch P61 Basissicherheit C73 f. Baufertigstellung B611 Bauhandwerkersicherung C70 f., D114a Bauherr C70, D79, D84, F46, O88, O91, O138 Bauleistungen B84 f., B251, B284, B624, C27, D53b Bauleiter C113 Bauspardarlehen B441 f. Bausparvertrag B483 Bauträger B633, O188 Bauunternehmer B257, D42, F57 – siehe auch Subunternehmer

Bauvertrag O107, O188 Bauvorhaben B243 Bedingung – auflösende B111, C56, D39, G46, M35a, M82, M110, M121 – aufschiebende B69, B71, B92, B97, B122, B125, B257, B279, B282, B475, B522, B602, B677, C56, D19, D39, D115, F47, F84, G33, G46, G65a, G110, H52b, M45, M68 f., M90b f., M91, M94 f., M110, M122 ff. – gesetzliche B279, B542, M120 f., M130 – rechtsgeschäftliche B92, B257, B279, C119e, M45, M51, M55, M95, M118, M120, M133 Beendigung des Insolvenzverfahrens A37, B744 Befreiung, Befreiungsanspruch B185, B345, B502, H40 f. Befreiung von einer Schuld B129, B162, B185, B225, B231, B321, B371, B603, C37, D19b, F12, F92, F100a f., G33a, H108 Befriedigung – abgesonderte B295, B430, B432, B437, B456, B460, B468, B474, B477, B563, B596 ff., B600, C15 f., C69, D32, D74, H74d, M59 ff., M87, M90, M96, M124 – Altforderung B266, B328, B342, B598, D112 – anteilsmäßige B32, F34, H39, H79 – durch Aufrechnung – siehe Aufrechnung – Drittdarlehen H77 ff. – Gesellschafterdarlehen H73 f. – gleichmäßige A7 f., A11, A14, A36a, B306, B679, B740, D60, F6a, F7b, F7d, F8, F9a, F31a – inkongruente A24, B262, B403, B473, B555, C22, C33, C48 ff., C70, D1 ff., D37 ff., D84, F54, F64, H36 – siehe auch Inkongruente Deckung – kongruente – siehe Kongruente Deckung – Kontokorrentverrechnung – siehe dort – quotale B266, B359, B365, B368, B551, G99 – selektive B197, F36, F100e Befristung, befristet B65, B88, B97, B254, B282, D35, D115, D118, F74, L6, M49, M52, M59, M109 ff., M131 ff. Begünstigung B32, B71, B126, B301, B332, F49, G22, M92a Beitragsrückstand B195, B223 ff., C88, C97, C107, D63, F80, F88 ff., F98, F100b, G83i ff., L27 Beitragszahlung B716, F80, F88 ff., F98 ff., F100h, G73 Belastung A7, A11, B10, B114, B319, B340, B428, B442, B477 ff., B615, B638, B660,

1147

Stichwortverzeichnis B670, B720, C48, C56, E30, M74 ff., M84, M87, M87a, M100 Belastungsbuchung B104 ff., B315, B409, B558, C53, M17, M74 ff., M81, M84a, M85, M87, M91 Belieferung B21 Benachteiligungsvorsatz B41, B55, B69, B93, B109 f., B117, B173, B625, D7, D119, D124, F3, F21 ff. – siehe auch Gläubigerbenachteiligungsvorsatz – Bargeschäft O127 ff. Beraterhonorar – siehe auch Honorar – Bargeschäft O197 ff. Bereicherung B459, B534, B683, G27, G38a – ungerechtfertigte B459, B617 – Wegfall G6, P48 ff. Bereicherungsrecht A42 f., B160, B193, B201, B234, B237, B242 ff., B534, B616, B617, B683, C12e, G27, G44, G46, G64 – Leistungsbegriff B6, B19a ff., B85, B119, B171, B173 ff., B229, B237, B247, B249, B705 f., D21, G19, G82 ff., G101 – Mehrpersonenverhältnis B119, B129 ff., B206, B242 ff., B246 ff., B705, D20 ff., G83a ff. – Saldotheorie B683 f., G43 – Verweisungskette P88 Bereicherungsschuldner B592 – verschärfte Haftung P92 ff. Berufsunfähigkeitsrente B272, M126 Berufungsinstanz B352 Beschlagnahme B387, B452, H101, M70 Besicherung – fremde Schuld F111, G59, G59f, G90 ff., G97 – nachträgliche B100, B323, B434, B444 ff., C62, C69, D33, D100 ff., F111, G59e f., G85, G88 ff., G96 f., G100, G102 f., I24, M27 Besitz, Besitzrecht B17, B47, B431, B571, C15, C63, E54, M63, M70, M92, M126 Besitzergreifung C15a Besitzgesellschaft B178 Besitzmittlungsverhältnis B81 Bestandteil A7, B381 f., B388, B403, B411, B535, B553, B569, C80, F41, F55, G105 Besteller B85, B257 f., B605, M120 Bestimmbarkeit C21, D104 Betagt B88 ff., B122, B256, B274, B281, C56, D53e, D86, G69b, M44, M52 f., M67, M87a, M111, M115, M126, M132 Betrachtungsweise – siehe auch Wirtschaftliche Betrachtungsweise – einheitliche B4, B55 f., B57 ff., B156, B184 f., B240, B247, B336, B378, F95, M21, M23

1148

– isolierte B2, B57, B60, B251, B314, B328 ff., B330, B647, M30 – natürliche B351, B625, C103 – objektive A30, B127, B339, B626, B686, C81, D34, D36, D42, E38 f., F31, F44a, G28 ff., G32, G34 ff., G60, G90, G99 – vereinzelnde B4, B56, B543 – wertende B630, B643, C124, D27, M112 – wirtschaftliche A11, B4, B55 ff., B61, B83, B162, B185, B208, B225, B259, B309, B315, B336, B344, B539, B624, C38, D48, D117, F17, F57a, G13, G58, G72a, H52 ff., H62, M23, M58, M89 Betriebliche Auswertung H19 Betriebsfortführung A34, B306, B342, B571, E18, F14, F21a, F36, F38, H3, H6, H12, H18, H43, H91 f., H102, H105 Betriebsgrundstück B199, B340 Betriebsnotwendige Überlassung H24 Betriebsprüfung F63c ff., F81 Betriebsübergang R5 Betriebsveräußerung B51, B348, B569, B608, B648, E34 Bevollmächtigung F94 Bevorzugung B325, B492, B610, C108, F5, F13, F36, F49, F38b, F78, F90, F100e, G64, H105 Bewachungsunternehmer B190 ff., F93 ff. Bewegliche Sachen B66 ff., B81, B97, B336, H94 f., M10, M25, M34, M37, M52, M70 – Rückgewähranspruch P52 Beweis des Gegenteils A47, F3, F65 Beweisanzeichen A29, C78a, C109, D7, D119a, D123 f., F9, F24, F26, F32a ff., F40, F48 ff., F55 ff., F63 ff., F67, F76, F83a ff., F90, F94, F100, F102 – siehe auch Indiz – inkongruente Deckung F54 ff. Beweiserleichterung C127 ff., C133, D123 ff., F26, F49, F63, F66 ff., F102 Beweislast A4, B29, B209, B306, B385, B489 ff., B653 ff., C127 ff., D120 ff., E59 ff., F3, F11, F16c, F101 ff., F106, F114 ff., G2, G65, G124 ff., H7, H19 f., H106 ff., I34 ff., L16, L29b, M134 ff. – Anfechtungsgegner A47b, B209, B306, B654 ff., F103, F106, F115, G65, G126 ff., H107, L29, L29b, M135 – Anspruchskonkurrenz B205, B700, G9, G78 ff., G127 – ausreichende Insolvenzmasse B306, B385, B653 – Bargeschäft O133 ff. – Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung B662 – Bösgläubigkeit P150 – Buchhaltungsunterlagen unvollständig B657

Stichwortverzeichnis – – – – – –

Ehegatte des Schuldners B663 Erkennbarkeit der Krise H7 Ersterwerber R24 früherer Erwerb B656 f. Gegenleistung B654, D123, E59, G124 Gegenrechte des Anfechtungsgegners B658 – Gläubigerbenachteiligung B653 ff., D125, F3, F101, G124 – Gläubigerbenachteiligungsvorsatz F3, F34, F49, F101 ff. – inkongruente Deckung D120 ff., D125 ff., F100 – Kenntnis der Krisensituation H7 – Kenntnis des Anfechtungsgegners D123, F62 ff., F65, F104, F106, F114 – Kleinbeteiligungsprivileg H107 – konkurrierender Anfechtungsanspruch B205, B700, G9, G78 ff., G127 – Kontoüberziehung B661 – Kreditunwürdigkeit H7, H19 f. – nachträgliche Vertragsänderung D121 – gegenüber nahestehender Person C127 ff., C133, D126, F103a, F104 ff., F114 ff. – nicht schuldnerfremdes Vermögen B654 – pfändbares Vermögen B661 – Rückgewähr von Anfechtungsansprüchen Q16 – Sanierungsprivileg H107 – selbstbestimmte Rechtshandlung F16c – unentgeltliche Leistung G2, G124 ff. – Vollendung der Rechtshandlung E61, G125, M134 – Wegfall der Bereicherung G126 – Wegfall der Kenntnis C132 – Wegfall Eigenkapitalersatz H20 – wertausschöpfende Belastung B489, B660 – wertlose Forderung G127 – Wiederaufnahme der Zahlungen C93, C102, C132, F86 – Zahlungsunfähigkeit D122 Beweislastumkehr A4, C133, F11, F103, F106, G2, I35 f., O131, O134 – nahestehende Person K5, K9 Beweiswirkung F96 Bewertungsspielraum E39, G37, G39 Bewertungszeitpunkt – Bargeschäft O121 ff. Bezüge B86 f., M39, M46 f. Bezugsrecht B121 ff., B126, B331 ff., B524 ff., B531, G107, G109 ff., M65, M67, M92a, M126 – gespaltenes B126, G109, M92a – unwiderrufliches – siehe Unwiderrufliches Bezugsrecht

– widerrufliches – siehe Widerrufliches Bezugsrecht Bierbrauen B10, B15, B329, B650 Biersteuer B10, B15, B329, B650 Bilanz B268, B310, C82, C86, C127, H11 f., H19, I30 Bonität B2381, B412 f. Bösgläubigkeit – Anfechtungsgegner F70, P3 – Beweislast P150 – Haftungssystem P149 ff. – Wegfall F70 Bote B109, B409, M80 Breitbandverteilanlage B327, B588, B690, E19, F47 Buchgrundschuld B451 Buchhaltung, ausgelagerte C133a, F103 Buchhaltungsunterlagen B657 Buchung – deklaratorische B7 Buchung, Abbuchung B10, B103 ff., B106, B110, B114 ff., B315, B409, B463, B476, B557, C22a, C45, C53, C56, D35, D35a, D59b, E36, G45, M17, M21, M74 ff. Buchwert B271, G50, H12 Bundesagentur für Arbeit B33, B253, B732 Bundesarbeitsgericht B86, B522, B676, B716, C114a, M133 Bundesfinanzhof B7 ff., B229, B231, B389, B401, B520, B527, B581, B582, B713 f., B715, B718, C12a, D18 f., D19b, M94 f., O214 f. Bundesligalizenz B34, B401, G19 Bürge O157 – Insolvenzgläubigerstellung C12 Bürgschaft B229, B463, B670, C12, C60, D19a, D20, D80, D107, E24, E47, G3, G83c, H38, H41, H52, H81, M63a, M91, M123 f. – Bargeschäft O27, O157 – Doppelberücksichtigung C12 – Gläubigertausch B463 – selbstschuldnerische C12 – Wiederaufleben B670

Cash-Pool

B174 f., B202, B207, B375, B591, G9, G58, G75 ff., G79, G105, H76a, O144 COMI A47 Computeranlage B156, B183, F92

Darlegungs- und Beweislast – Bargeschäft O133 ff. – Wechsel- und Scheckzahlungen J37 Darlegungslast B29, B209, B489, B653, B655 f., B656, B658, B660 f., C127 ff., 1149

Stichwortverzeichnis C131, C133, D120 ff., E59 ff., F3, F16c, F63d, F101 ff., F114 ff., G65, G124 ff., H7, H19 ff., H106 ff., I34 f., L29b – siehe auch Beweislast – sekundäre B489, B656, B658, B660, D121, G124, I35, L29b Darlehen B12, B339, B404 ff., B442 f., B483, B499 ff., B532 ff., B593, B608, B644, C43, C68, D23 ff., D31 ff., D81, D94, D108, E24, E40, G63, G96, M28 f. – siehe auch Gesellschafterdarlehen – Abänderungsvertrag D34a – Anspruch auf Rückzahlung B240, B324, B407, B408, B409, B436, B500, C41, C45, C103, D24, D58, D92, G13, G30, G91, G96 – Bargeschäft O18, O26 f., O31, O52, O92 ff., O144a – Bauspardarlehen B441 ff., B483 – Eigenkapitalersetzendes A47d, B307, B575, B619, C86, E53 – Entstehung des Auszahlungsanspruchs B407, B409, C43 – Gesamtschuld D80 ff. – Gesellschafterdarlehen – siehe dort – Gläubigerwechsel D30 ff. – grundbuchlich besichertes B479 – haftendes Vermögen B552 – inkongruente Rückführung C46, C52 – Kündigung durch Schuldner C46, D94 – partiarisches I9a – Sicherung für Altverbindlichkeit D108 – Stehenlassen B53, B298, G26, G59e, G91, G96, O31, O154 – verbundenes Geschäft B532 – Verrechnung mit Abfindungsanspruch B277 – Verrechnung mit Bankguthaben C45, D58, D71 – Verrechnung mit Kaufpreis B569, B608 – des Versicherungsnehmers B523 – vollwertige Gegenleistung 607 – vorzeitige Rückzahlung B644, D22 ff. – Zahlung des Gesellschafters bzw. Geschäftsführers B163, B325, B420, B606 – Zinsentgang B339, B593, E40 – zweckgebundenes B324, B373, B404 f., B499 ff., B552 – zweier Darlehensgeber C68, D102 Darlehensforderung B277, B404, B483, B501, B608, D31 ff., G31, G64, G91, G96 – Wertlosigkeit G64, G91 Darlehenskündigung B644, C41, C44 ff., C47, D54, D56 f., D92 ff., G95, M22 Darlehensrückzahlung B239, B377, B436, B500, C41, C103, D31, D71, O90, O144b, O153 – bei Gesellschaftersicherung P153 ff.

1150

– weite Auslegung H73 Darlehenssicherung – durch Gesellschafter H38 ff., P153 ff., P155a ff., P166a Darlehensversprechen H52a f. Darlehensvertrag B56, B373, B404, B409, B441, B500, B532, C43, F77, G13, H62c Darlehenszinsen – als Teil des Rückgewähranspruchs P102 ff. Dauerschuldverhältnis B88, E30, M84b, M115, M133, O150 ff. Debetsaldo B290, B465, D57 f. Debitorisches Konto B105, B172, B287, B315, B414, B463, B491, B499, B547, B615, C18, C52, D57, D119c, G93 Deckung – buchmäßige C56, M87a – inkongruente – siehe Inkongruente Deckung – kongruente – siehe Kongruente Deckung Deckungsanfechtung – Abgrenzung zu § 132 InsO E10, E23, E26, E51 – Abgrenzung zu § 133 InsO F8, F29 ff. – bei Absonderungsrecht C14 f., D74 F., D77, D110, D114 – Anfechtungszeitraum C1, C100, D2 ff. – Ausdehnung über den Drei-Monats-Zeitraum N10 – Ausnahme bei Wechsel- und Scheckzahlungen J1 – bei Bürgschaft C12, C60, D20, D80 ff., D107 – ermöglichende Rechtshandlung C2, C2a, C18 f., C41, C119g, D56 – fehlende Insolvenzgläubigerstellung C7, C12 ff., D15 ff., D80 ff. – Konkurrenzverhältnis C5 ff., D11, D20 ff. – künftiger Insolvenzgläubiger C12 ff. – Massegläubiger C16 – materielle Insolvenz A14, A16 ff., C1a, C8, C10b, C29, C76 ff., C97, C100 f., D6, D12, E3, E20, F7, F36, G65, G88, H54 f., H102, H105, I4, I32, L19, L24, L26 f., L29, M79 – nachrangige Gläubiger C2 – Vorrang B205, B375, B700, B706, G78, G80, G127 Deckungsbereich einer Sicherung B434, B444, B564, D100 Deckungsgeschäft B688, D36, D42, D108, F57, F61, F90 Deckungsverhältnis B212, B214, F95, F100j, F100l, G107, G112, M77 Deklaratorische Buchung B10

Stichwortverzeichnis Deliktische Ansprüche – Unanwendbarkeit P15 Deliktsrecht A38 ff., B490 Deutsche Post AG B239, B377 Dienstleistung B16, B42, B86, B197, B275, B395, B544, C2, D66a, E41, F100e, M41, M46, M133 – Anfechtungsanspruch P60 – höchstpersönliche B42 Dienstvertrag D42, M46, M115, M133 Dienstvertragliche Verbindung – nahestehende Person K29 Dingliche Rechte – Löschung P35 ff. – Rückgewähransprüche P53 ff. Dinglichkeitstheorie B664 Direktauszahlung B405, B412 Direkterwerb B527, G110 Direktkondiktion B237 Direktversicherung B341 ff., B529 ff., B579, D40, G108 Direktzahlung B325, B360, B377, B405, B412, B464, B476, B518, B553, B569, B606, B639, C70, D59a, D78 f., D84 f., F63f, H64 – Auftraggeber an Subunternehmer C70, D79, D84 – Endmieter B130, D85 Diskontkredit C47 Dispositionskredit B407, F19, M71 Doppelberücksichtigung C12 Doppelinsolvenz B202, B205, B701, F100k, G9, G127, L9 Doppelmangel B193 Doppelsicherung B94, B96, B101 ff., B450 ff., B738, H82, H84 ff., M73 ff. – analoge Anwendbarkeit des § 44a InsO H84 ff. – analoge Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO im Insolvenzverfahren H84 ff. – Erstattungspflicht des Gesellschafters H41, H84 ff. – durch Gesellschaft und Gesellschafter B738, H84 ff. – durch Grundpfandrecht und Pfändung B101 ff. – Wahlrecht des Sicherungsnehmers H87, H89a Doppelwirkung – Rechtshandlungen B131, B231, B236, B250, D19b, G59c Dreiecksverhältnis B246 Drei-Monats-Zeitraum B601, C1, D110, F54, F90, F99, F103a – Ausdehnung der Deckungsanfechtung N10 – Vorpfändung P81

Drei-Personen-Verhältnis B213, B244, F100k, G56, G127 Drittdarlehen H23, H38 ff., H77 ff. – Gesellschafterbesicherung P152 ff. – Übergangsvorschrift P153 Dritter B6, B20, B32 f., B191, B253, B295, B318, B324, B356, B360, B442, B491 f., B547, B605, B610, B700, C17, C21, C78, C84, F73, F83, F96, F100f, F111, G12, G14, G25, G29, G55, G96, H13, H58, H69, H77 – Gutgläubigkeit B433, B592, G25 Drittgläubiger B502, H87 Drittschuldner B69, B93, B129, B160 f., B188, B204, B209, B289, B290, B376, B426, B 437 f., B460 f., B464 ff., B565, B570, B600, B706, C17, C66, D110, G58, G59d, G60 ff., G65, G65a, G70 ff., G83a ff., G96, G101, G127, H74b, M31, M70, M136 Drittwiderspruchsklage B672, B724 Drittzahlung B342, B461, B515, C70, D85a, G61, G70, H62j Drohung A24, B342, C88, D62 f., D65, F11, F21, F31a, F39, F52, H54 f. Druck A24, C108, D63, D65, F31, F72 – drohende Zwangsvollstreckung A24, D61, D63, D65, F16b, F38, F52 – Insolvenzantrag C108, D60, D62 f., F31a, F50, F54, F78 Duldung – Kontoüberziehung C44, D54 f. – Wegnahme E54 – Zwangsvollstreckung B23, B31, B628, B671, B724 Durchgangserwerb B324, B527, G110 Durchgriff B193 Durchlaufender Posten B135, B136, B313, B518, B574 Durchsetzbarkeit, Durchsetzung – Anfechtungsanspruch B307, B664 ff., B711 ff., B734, F65, P11 ff. – Auflassungsvormerkung M108 – Aufrechnung B251 f., B266, B536 – Bauhandwerkersicherung D84 – durch Erfüllungswahl B77 – eingeschränkte A18, G31 – Einzelbefriedigung D60, F54 – erschwerte A42, D38a – fehlende D29, D37, D43, D54, G31, G58, G61, G91, H11 – Fristabhängigkeit D53e, M115 – Gesellschafterdarlehen B22, B298, C86, H11, H28a – gleichmäßige Befriedigung G2 – Hindernis als Gläubigerbenachteiligung B312, B613

1151

Stichwortverzeichnis – Kaufpreisforderung B3, B266 – steuerrechtlicher Haftungsanspruch B230, D19b – ungesicherte Forderung B35 – ungewisse B653 – unterbliebene Kündigung E55 – unterbliebene Verjährungseinrede E55 – Werklohnanspruch B258 Durchsetzungssperre B270 Durchsuchungsanordnung B27, B296

EGInsO A5, H28 ff. Ehegatte B14, B40, B44, B126, B388 f., B392 f., B396, B584, B635, B663, G27 f., G51, G109, G117, G124, K13, M92a – nahestehende Person K11 ff. Eidesstattliche Versicherung B26 Eigenantrag B228, B364, C1a, C119d, D17, G63, H55, H63c, H74b, I1 Eigenkapital – funktionales H3, H6 f., H16, H34, I7, I16 – haftendes B22, B53, B298, B573, E53, G31, H1, H7, H9, H34 Eigenkapitalersatz A33, B298, B573 f., C5, C86, G13, G30 f., H5, H11, H14, H21 f., H24, H28 ff., H42, H52b, H62e f., H78, H90, H92 Eigentumserwerb B43, B343, B430, B468, D74, D105, G21, M19, M34 f. Eigentumsübergang B81, M10, M25, M34, M48, M122 Eigentumsübertragung B13, M34 Eigentumsvorbehalt A41, B60, B67 f., B421 ff., B429 f., B455 f., B459, B561, B569, B696, F38d ff., M35, M122, O103 – erweiterter B430, F38d ff. – Marge B68, B421 f., B456, B561 – verlängerter A41, B60, B67, B430 f., B455 f., B459, B696, F38d ff. Eigenverwaltung B699 Einbringung B15, B50, B453, H2 f., M25 Einfordern – Ernsthaftigkeit C44, C83, C109 Einheitliche Handlung B4, B55 ff., B61, B156, B184 f., B240, B336, B375, B378, B687, B694, B697, F95, M21, M23, M72 Einigsein – über Unentgeltlichkeit A30, B296, G19, G27, G31, G72 Einkaufswert B422 Einlage A35, B50, B344, B572, B577, B683, B685, G43, G45 ff., G50a, I1 ff. – Umwandlung in Darlehen I25 Einlagenrückgewähr A35, H32, I3 f., I11 ff., I17 ff., I24 ff. – Aufrechnung I24 – Begriff I24 1152

– Einräumung eines Sicherungsrechts I24 – Erlass nicht geleisteter Einlage I26 – fehlerhafte Gesellschaft I17 – Umwandlung in Darlehen I25 Einlageschuld B344 Einleitung – Aufrechnung (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) A46 – Auslandsbezug A47 ff. – äußeres Konkurrenzverhältnis der Anfechtungstatbestände A36 ff. – Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) A42 ff. – Deliktsrecht A38 ff. – Entwicklungstendenzen A50 ff. – Reformbestrebungen A50 ff. Einlösung – Wechsel J8 Einrede A37, B16, B77, B84, B98, B442, B617, C37, D29, D38, D86, D90, M41, M43, M54b, M57, M124 – nichterfüllter Vertrag B16, B77, B84, B98, C37, M41, M43, M54b – Nichtvalutierung B98, B442, M57, M124 – prozessuale B19 – Verjährung B297, E55, G21 Einseitige Schuldnerakte P63 Einseitiges Rechtsgeschäft B14, E2, E28, E47 – Genehmigungsfiktion nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken B12, B106, E30 – gestaltende Willenserklärung B14 – konkludentes Verhalten B106, B114 f. – Kündigung B14 – Schweigen E30 – Zustimmung B21 Einstellungsauflage B585, F23, G33 Einstweilige Verfügung D114, M107 Eintragungsantrag B64, B488, M2, M26, M97, M99, M101 ff., M135, L6 Eintrittsrecht des Bezugsberechtigten G115, M128 Einwand der Anfechtbarkeit B49, B719, B729, E22, H22, H55, H105 Einwendungstatbestand O7 ff. Einwilligung, Einverständnis B14, B348, B400, B562, B648, B709, E28, E34 Einzahlung B32, B115, B325, B460, C52, G45, G45a Einzelgläubigeranfechtung A16, A27, A36 f., B379, B382, B413, B739 ff., I2 – Aufnahme durch Insolvenzverwalter B739 f. – Beendigung des Insolvenzverfahrens B744 – Fortsetzung durch Gläubiger B731, B744 – Titelumschreibung B739

Stichwortverzeichnis – Verhältnis zu Anfechtungsansprüchen P32 ff. Einzelrechtsnachfolge – Anfechtungsgegner R7 ff. – Gutgläubigkeit R16 – Teilübertragung R10 – Verhältnis zum Ersterwerber R20 ff. Einzelzwangsvollstreckung A18, B482, C9, D61, F52 – Verhältnis zum Insolvenzverfahren N13 – Zeitpunkt N27 ff. Einziehung – berechtigte B123, B464 ff. – unberechtigte B290, B465 f., B468, B473, D74, D77 Einziehungsermächtigung B37, B63, B104, B119, B290, B465 f., B470, B556, B563, D35, F16a, M17, M76 – nicht widerrufene B466, B556, B563 – Widerruf B106, B115, B466, B470, B556, B563, D77 Einzugsstelle (Sozialkassen) B170, B514, B517, B702, C119b, F72, F73f Elektroinstallateur C110 Eltern B217, C119 Empfängerbank B177, B180, M74 Empfängerhorizont B233 Empfangsbeauftragter B164, C119, F73 Empfangsvertretung B164, C119, F94 Endmieter B130, B631, D85 Energielieferung B589, F84, O155 Entgelt, entgeltlich B219, B401, B649, D41, E39, F107, F109, G15, G35, G43, G52, G58 f., G71, G87 f., G90, G101, G103, G107, G124, H42, H90 f., H108 Entgeltlicher Vertrag mit nahestehender Person (§ 133 Abs. 2 InsO) F104 ff. – Anfechtungszeitraum F113 – Beweislast F114 – Beweislastumkehr F106, F114 – Erfüllung als Vertrag F109 – unmittelbare Gläubigerbenachteiligung F106, F112 – weite Auslegung F108 – Zwangsvollstreckung F108 Entgeltumwandlung B153, B154, B529 ff., G108 Enthaftung – Ausgleich P10 Entlastungsbeweis F115 Entstehung kraft Gesetzes B7, B10, C72 Erbbaurecht B496, B691 Erbeinsetzung – Aufhebung B31 Erblasser B127, B393, G59b ff., G113 Erbringung von Dienstleistungen B16, B86, B197, B275, B395, C2a, D66a, E41, M41

Erbschaft B41, B391, R5 – Ausschlagung B41, 391 Erbverzicht B41, B391 Erfüllung – Anfechtungsanspruch B743 – auflösende Bedingung M82 – aufschiebend bedingter Anspruch D39 – Bargeschäft O8, O15, O22, O25, O30, O54, O57, O60, O62, O98, O118, O127, O137 f., O171, O172 ff., O188, O203, O218, O236 – Bruttolohnanspruch O244, O245 – eigener Forderungen O137 f., O143 – Einbehaltungs- und Abführungspflicht O217, O218 – Einlageschuld B344 – Entgeltlichkeit F109, G87 f. – erzwungene G5, G118 – fremde Verbindlichkeit B173, B199 ff., B210 ff., B216 ff., B249, B706, C7, C12, D80, E6 f., E27a, F100j, G57 ff., G83a – gegenseitiger Vertrag B77, B245, E23, F34, O30, O203 – Honorarforderungen O98, O182 ff., O197 ff., O236 ff. – inkongruente Deckung O57, O62, O98, O138, O236 – kongruente Deckung O8, O60, O137 f., O236 – Lastschriftverfahren B103 ff. – Leasingvertrag O145 – Sachleistungen O24, O171 – Schenkungsversprechen G5, G24, G38b, G71, G118 – Sicherungsabrede B3473, B475 – Teilbarkeit B692 f. – unentgeltliche Verpflichtung G6 – unvollkommene Verbindlichkeit D38, E43, G52 – unwirksamer Vertrag G42a, G45b, G52 – Valutaverhältnis M77 – verjährte Forderung D38, G52 – vorbehaltslose Gutschrift B111, M82 – vorzeitige C70, G53 – Wechselakzept M88 – Zahlungsversprechen O54 Erfüllung fremder Verbindlichkeiten P71 Erfüllungsablehnung E22, H93 ff. Erfüllungsgeschäft B58, B336, B510, G5, G118, H108, M23, M25 Erfüllungshandlung B13, B15, B60, B236, B478, B551 ff., B708, C57, E27, G5, G23, I24, M41, O25, O57, O171 Erfüllungssurrogat O33, O118 – siehe auch Aufrechnung, Hinterlegung, Erlass Erfüllungstheorie M78 f., O149 Erfüllungsübernahme G58, G83l Erfüllungswahl B77, E22, H93 f.

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Stichwortverzeichnis Erkenntnisverfahren – Unterbrechung durch Insolvenzeröffnung N12 Erklärungsbote B109, M80 Erlass A35, B562, B612, C27, G8, H89b Erlass des Verlustanteils I29 ff. – künftige Verluste I29 – zeitanteilige Verluste I30 Erledigung, Erledigungserklärung C97 f., D60, L21, L23, L27 Erlös B289, B355, B456, B462, B464 f., B466, B473, B484, B489, B556, B562 f., B596 ff., B624, B638, B660, B675, B732, C15, D81, D114, E42, F46, M70, M87 Erlöschen B187, B252, E48, G71, H28b, M127 Erlöschenstheorie B77, M127 Eröffnungsantrag – Abweisung mangels Masse C91, C96, C98, G73, H26, L2, L16, L28 f., L29a – Begründetheit C95 – Bekanntmachung C131 – Doppelinsolvenz B701, L9 – durchgängige materielle Insolvenz C97 – Eigenantrag des Schuldners C1 – erledigter C97 f., D60, L20, L23, L25, L27 – Maßgeblichkeit für Anfechtungsfrist A3, C96 ff., H26 – mehrere Anträge C96 ff., G18, G117, L2, L16 ff. – prozessuale Überholung C98 – rechtskräftig abgewiesener C96 – rechtskräftige Insolvenzeröffnung C97 – Zulässigkeit C95 – zurückgenommener C97 f., D60 – zwischenzeitlicher Wegfall des Eröffnungsgrundes C97 Eröffnungsverfahren A18, B21, B110 f., B190, B293, C25, C40, E29, E54, H30, H96 f., M8 f., M38, M66, M81 f. – Bargeschäft O162, O171 f., O191 f., O204, O229, O231 ff. Ersatzabsonderung B290, B459, B465 f., B468, B470, B563, D74 ff., D77 Ersatzaussonderung B459 Ersatzrückgewähr – Wechselzahlung J19 ff. Ersatzsicherheit B290, B465, C69 Erschwerende Umstände A38, F4 Erschwerter Zugriff B18, B310, B318, F17, F83e Ersetzungsbefugnis C59, D35, D69, H80 Erstattungsanspruch B111 f., B298, B325, B389, B576, G66, G68, H83, H101, M82 f., M94 f., M112 – Umfang bei Wechselzahlung J22 ff.

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Erstattungsgegenstand – bei Wechselzahlung J21 Ersterwerber – Beweislast R24 Erweiternde Auslegung – Bargeschäftsvorschrift (§ 142 InsO) O45 ff., O72 ff. Erwerb kraft Gesetzes B10, B43, M98 Erwerbsaussicht B54, M113 Erwirkung – Rechtshandlungen B19, N21 EuGVVO A47h, N25 ff. EuInsVO A47 ff., B721, H56, L13, N25 ff. Europäischer Gerichtshof A47e f., A47h, A47j, B721, H51a Existenzminimum D12a, F33e Existenzvernichtender Eingriff A41b

Factoring O161 ff. Fahrlässigkeit – bei gutem Glauben P122 ff. – Sanierung F43 – Unkenntnis der Krise A6, A20, C4, C105, C111, C119g – Unterlassen B296 – Unternehmensgründung F45 – Wechsel- und Scheckzahlungen J2 Fahrzeug B51, B421, G73, H82, M1, M99 Fälligkeit B16, B42, B89 ff., B99, B254, B258, B365, B542, B643, B667, B677, C12a, C15, C41, D27 f., D35, D41, D58, D83, D86 ff., D107, D115, D117, G69b, G72, G91, H63a, H82, H99, M41, M45, M47b, M53, M54b, M58, M63a, M67 – Rückgewähranspruch B667, P39 Festgeldguthaben M124 Feststellungsklage B715 Feststellungskosten – Pauschale B599 Fiduziarisch B442, D96, H70 Fiktion B12, B81, B115, B221, B284 ff., B519 f., B581, B713 f., M17, M86 Finanzamt B7 f., B115, B221 ff., B284 ff., B519 f., B581, B713 f., C12a, C27 f., C93, C119d ff., C122 ff., D18 f., D53b ff., D79a, F17c, F63c ff., F73b ff., F69, F75, G63, M95, M112 Finanzhilfe H2, H4, H8 f. Finanzierungsabrede H7 Finanzierungsentscheidung H7 f., H51 f., H54, H60 f. Finanzierungsfolgenverantwortung H1, H4, H6, H48, H62a, H62g, H66 Finanzierungskosten B83 Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz I5

Stichwortverzeichnis Finanzplankredit H52a, H52 f., I7, I16 Fingierte Willenserklärung B12, B118, F16a, M85, M107 Fiskus – Herausgabe von Nutzungen P100a Fleischlieferung B265 Forderung – aufschiebend bedingte B69, B71, B92, B122, B125, B257, B282, B421, B475, B542, B602, B677, D39, D86, D115, G110, H52, H52b, M68 f., M90b, M91, M95, M123, M126, M128 – befristete B88, B97, B254, D115, D118, M39a, M52, M59, M109, M119, M132 f. – betagte B88 ff., B122, B256, B274, B281, C56, D86, M44, M52 f., M67, M87, M111, M115, M126, M132 – fehlende Durchsetzbarkeit B22, B77, B230, B298, D19b, G31, G61, G91 f., G96, H11 – gesicherte B97 ff., B323, B453, B463, B491, C15, E27, G68, G102, H80, M62 – gleichgestellte H24, H37 ff., H41, H48, H50, H52, H62 f., H68, H78, H92, H106 – inkonnexe C72 – künftige A4, B67, B72, B79, B94 ff., B100, B102, B121, B426, B453, B455, B461, B600, D110, F16a, G110, M11 f., M15, M31, M38, M56 f., M60, M62, M66, M121, M132 – ungesicherte B35, B434, B444, B564, H64a – verpfändete B100, B122, B260, B438, B449, C66, C75, G93, M55, M63 ff., M114, M126 ff. – vollwertige B18, B420, B618, E6, E48, G66, M113 – werthaltige B75 ff., B204, B209, B236, B254 f., B259 f., B275, B394, B557, B708, C18, C28, C38, C123 f., D48 ff., D104, D117, E46, G12, G57 f., G62, G64 f., G95, G97, G103, M41 f., M54, M58, M89 f., M113 – Werthaltigmachen B68, B75 ff., B234 ff., B259 ff., C2, C18, C28, C119e, C124, D49 ff., D104, E46, M41 f., M54, M113, O42, O134, O155, O230, O233 f. Forderungsabgeltung B239 ff. Forderungsabtretung – Rückabtretungsansprüche P55 ff. – Vorabpfändung P56 Forderungseinzug B554, D77 Forderungsentstehung B70 f., B76, B83, B257, B292, B455, B527, D75, M7 f., M10, M12, M37, M121 – Abfindungsanspruch B271, B276 ff., M113 – Anfechtungsanspruch B667, B677 f.

– Dienstvertrag M46, M133 – Herausgabeanspruch B289, B464, C55 – Mietforderung B88, M48, M132 – Mietnebenkosten B256 f., M51 – Schlusssaldoforderung M20 ff. Forderungserwerb B81, B293, B527, B537, B696, D72, M8 ff., M35, M66, M126, O55, O74, O250 Forderungssicherungsgesetz C70 f., D79 Forderungsstundung – bei Gesellschaftersicherung P155 Forderungsübergang B33, B70 f., B78, B253, B538, M10 f., M25, M91 Formfehler B467, D73 Fortbestand der Verfügungsmacht B76 ff., B527, M8 ff., M37, M43, M77 Fortführung – Bauarbeiten B349 – Giroabrede B537 f., B548 – Kontokorrentabrede C50 – schuldnerisches Unternehmen A34, B306, B342, D76, E18, F14, F21a, F36, F38, H3, H6, H12, H18 f., H43, H91 f., H102, H105, I27 Frachtführerpfandrecht C72, D96, D112 Freigabe B461, B506, B508, B512, H72 Freihändig B428, B478, B482 Freistellung, Freistellungsanspruch B221, B298, B305, B576, C13, D82 f., D89, G38a, G49 – Fälligkeit D83, D89 Freiwillig Krankenversicherte B148 f., F100h ff., G83o f. Freizügigkeit – Zwangsvollstreckung N25 ff. Fremde Schuld B173, B199 ff., B210 ff., B216 ff., B249, B345, B706, C7, C12, D20, D80, E6 f., E27a, F100j, G57 ff., G83a, G84, G90, P71 Fremdgeld, Fremdmittel B281, B405, B490, B606, H18, H51 Fremdgeldkonto B405 Fremdkapital H1, H9, H18, H34, H50, H62, I6, I8 Fremdnützig B170, B702, C54, D57 Frist B19, B111, B114 ff., B228, B252, B344, B644, B720, B726, C48, C103, D24, D34, D53e, D62 f., D65, G118, H16 f., H26, M48, M82, M85, M115 – siehe auch Verjährungsfrist – ausländisches Recht A47i Fristberechnung (§ 139 InsO) – abgewiesene Anträge L2, L3, L16, L20, L28 ff. – Abweisung mangels Masse L2 f., L16, L19, L28 f., L29a – Auslandsantrag L13 – Berechnung der Anfechtungsfrist L14

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Stichwortverzeichnis – – – – – – – –

Beweislast L16, L29 ff. Bindung an Eröffnungsbeschluss L11 Bündelungsfunktion des § 93 InsO L9 Doppelinsolvenz L9 einheitliche Insolvenz L17a Erledigungserklärung L27 für erledigt erklärter Antrag L20 ff. zur Eröffnung führender Antrag L10, L11, L17, L24 – fehlende Glaubhaftmachung L10 – fehlende Rechtskraft L10 – Fristbeginn L14a – Grundbucheintragung L6 – Hemmung L7 – Insolvenz eines Kreditinstituts L5 – kontradiktorisches Verfahren L27 – maßgebender erster Antrag L16, L29 – materielle Insolvenz L17a, L19, L24, L26 f., L29 – materiell-rechtliche Fristen L7 – mehrere Eröffnungsanträge L2, L16 ff. – missbräuchliche Vorgehensweise L25 – Nachtragsverteilung L12 – neues Insolvenzverfahren L12 – Prüfung durch Prozessgericht L11, L29 – rechtskräftig abgewiesener Antrag L2, L16, L28 – rechtskräftige Eröffnung L10, L11 – Sonn- und Feiertage L14a – Überholung eines Antrages L12, L23 – Vornahme der Rechtshandlung L6 – Vorverlegung der Anfechtbarkeit L4, L17 – Wegfall des Eröffnungsgrundes L19, L29a – Wiedereinsetzung L7 – zu Unrecht erfolgte Abweisung L2, L28 – Zulässigkeit und Begründetheit bei Eröffnung L18 – Zulässigkeit und Begründetheit früherer Anträge L11 – zurückgenommener Antrag L20, L23 Führungs- oder Leitungsverhältnis – nahestehende Person K30 Fußstapfentheorie B106

Garantie

B360 f., O142 ff. Gartenbaubetrieb G92 ff. Gärtnerei G85 ff. Gebrauchsüberlassung B47, B88, H13 f., H42, H97, H101, H109, M132, O86, O149, O165, O167 f. – siehe auch Nutzungsüberlassung Gebühren G45a Gegenforderung A12, B3, B251, B258, B262 f., B266, B359, B422, B430, B537, B539, B549, B597, B600, B640, C37, D49

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Gegenleistung A31 f., B204, B218 f., B244 f., B329, B337 ff., B434, B476, B573, B607, B652 ff., B687, B698, C10c, D9, D123, E3, E13 f., E17, E20, E33, E59, F9, F14, F21a, F38, F63f, F110, G12 ff., G29 ff., G33a, G47 ff., G69a, G73a, G74, G83i ff., G87 f., G90 f., G96, G107, M52, O24 ff., O142 ff., P114 ff. – ausgebliebene B208, G13, G35 – ausgleichende A32, B218 f., B434, B573, E20, E28, F63f, G13 f., G29 f., G48, G55, G59d, G59e, G90a, G91, G96, G106 – gleichwertige B338, B607, E3, E13, E16, E20, E59, F9, G27, G98 – krasses Missverhältnis G39, G54a – objektive Wertdifferenzen P119 – Synallagma G33a – vollwertige B329, B337, B349, B607, B654, E32 f., E35, G31a, G42a, G69a – Wertsteigerung B360 – zurückliegende G74 Gegenleistung des Zuwendungsempfängers G55 f., G77, G83f – Stehenlassen einer Forderung G26, G59e, G91, G96 – Verlust einer Aufrechnungsmöglichkeit G65a – Verlust einer Sicherheit G65 – Verlust einer werthaltigen Forderung G57 Gegenseitiger Vertrag B5, B77, B256, B275, B693, C31, C39, D49, E3, E22 f., E37 f., E59, E110, G13, G31 – Bewertungsspielraum G37, G39 – entferntere Ereignisse E32 – gleichwertiger Vorteil G29, G37 – objektives Wertverhältnis B339, E32, G28 – Preisnachlass E39 – Sanierungshonorar B327, B692, E18 – Sonderangebot E39 – vollwertige Gegenleistung E32 ff., E48 Gegenseitigkeit, Gegenseitigkeitsverhältnis B240, B254, B262, B550, D47, D53, M89 Gegenwert B129, B243 ff., B275, B287, B345, B369, B405, B531, C49, E20, G32, G32a, G91, M113 Gehalt B45, B396, B636, G65d, G66, M133 Gehaltsumwandlung B531 Geld – Rückgewähranspruch P102 ff. Geldleistung O18 f. Geldstrafe B585, G33 Gelegenheitsgeschenk G10, G121 ff. Genehmigung B12, B34, B37, B63, B104 ff., B114 ff., B558, B615, B627, E29 f., F16a, M16 f., M24, M76 ff., M84 ff.

Stichwortverzeichnis – devisenrechtliche B63, M24 – konkludente B106, B114 f., B119, D92, E29 f., M74, M84 – Lastschrift B37, B63, B114 ff., B558, B615, B627, E29 f., F16a, M17, M25a, M76 f., M83 ff. – öffentlich-rechtliche B63, M24 – Rückwirkung beim Lastschriftverfahren B118, M17, M86 Genehmigungsfiktion B12, B118, F16a, M17, M85 f. Genehmigungstheorie B104, B107, B109, M77 f., M80, O135 Genossenschaft B273, C117, F80, H56, M113 f. Geräte B267, B269 Gerichtsstand A47e, A47h, B720, B721, H25, I14 – dinglicher B720 – Mitgliedschaft H25 – des Vermögens A49 Gerichtsvollzieher B26, B29, C119, F12, F82 f., F72, F88 f., F91, M70 Gerüstbauunternehmen B500 Gesamtrechtsnachfolge – Anfechtungsgegner R5 ff. Gesamtrechtsnachfolger B666 f. Gesamtschuld B192 f., B196, B231, B233, B236, B378, B702, B708, C13, C81, D81 f., D89, F92 ff., F100c, H62j Gesamtschuldnerausgleich D20, D80 Gesamtsozialversicherungsbeitrag B158, B514, B586 Gesamtvollstreckung B514, B644, F60, M58 – Primat N3 Gesamtvorgang B56, B156, B247 Gesamtwürdigung A29, C87, F9, F33, F50a, F67, F75, F102 Geschäftsanteil B123, B273, B275, H58, H63a, I7, M65, M67 Geschäftsbesorgung B91, C56, E41, M44, M87, M111, M120 Geschäftsbetrieb – Aufgabe B394 – Einstellung C90 – Fortführung B560, E18, H19 – Veräußerung B569 Geschäftsbeziehung B114, D81, E30, G100, M84b Geschäftsführer B49, B122 f., B163, B199, B228 ff., B322, B325, B341, B420, B427, B579, C83, G66, H54 f., H65, H89, H100, H105, M126 ff. – Haftung B414 – kein Anspruch auf vorrangige Anfechtung P28 Geschäftsführung ohne Auftrag G64

Geschäftsinhaber I1 ff. Geschäftsinventar B199 Geschäftskonto B203, B504, G76, G93 Geschehensablauf B394, B624 ff., B628, B630 Gesellschaft – ausländische H27 – liquidationsreife H3 Gesellschaft bürgerlichen Rechts B363, B496, I15, M65 Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit – nahestehende Person K22 Gesellschafter – abgesonderte Befriedigung H72a – Ausscheiden B269, B275, M67, M113 – Befreiung von der Haftung H40 f. – Bürgschaft H38, H41, H52, H79, H81 – nicht persönlich haftender B162, B325, B606, G70 – persönlich haftender B32, B325, H35, H56, H65 – Zahlungszusage zugunsten Gesellschaft C92a Gesellschafterdarlehen (§ 135 InsO) – Abkehr von früherem Eigenkapitalersatzrecht H21 f. – Abtretung der Darlehensforderung H60 ff., H62b ff. – analoge Anwendbarkeit des § 136 Abs. 2 InsO H34 – anfechtbare Rechtshandlung H38, H68 f., H71, H73, H82, H84, H105 – Anfechtungsgegner H29, H40, H70, H80, H105, H107 – Anfechtungsumfang bei wiederholter Kreditgewährung H52d ff., H76b, H89g – Anfechtungszeitraum H36 f. – Anwendbarkeit auf ausländische Gesellschaften H27 – Anwendbarkeit auf Dritte H56a ff., H64, H69, H76d – Anwendbarkeit des § 404 BGB H15, H62a, H62i, H62k – atypischer stiller Gesellschafter H56c, H58, H59 – Ausfall mit Sicherung H87 – Ausgleich H43, H53, H91, H96 ff., H99 – Auslandsgesellschaften H56 – Aussonderungssperre H53 – Bargeschäft H52, H52c, H52d, H74, O18 ff., O31a, O90, O144b, O153, O169, O181b – Befreiung von Patronatserklärung H75 – Befriedigung H22, H22a, H34, H36, H38 f., H46, H49, H49a, H51, H55, H61, H62j, H63c, H63d, H68, H73 ff., H77 ff., H105 f. – siehe auch Befriedigung eines Gesellschafterdarlehens

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Stichwortverzeichnis – Befriedigung bei anfechtbarer Sicherheit H31 – Befriedigung durch Abtretung H61 – Beibehaltung der Darlehensgeberstellung H63 – Berücksichtigung bei Zahlungsunfähigkeit C86 – bestimmender Einfluss H57, H62h – Beweislast H106 f. – Cash-Pool H52f, H76a f. – Covenants H57a – Darlegungs- und Beweislast H106 f. – Darlehensrückzahlung an Dritten H38, H48, H56a ff., H62 f., H62g, H64, H75, H79 ff. – Darlehensversprechen H52a – Doppelsicherung H23, H82, H84 ff. – siehe auch Doppelsicherung durch Gesellschaft und Gesellschafter – Durchsetzungssperre bei Rangrücktritt H76c, H76f – Einzelfälle H75 ff. – erfasster Personenkreis H56 ff. – Ersetzungsbefugnis H80 – Erstattungspflicht des Gesellschafters H38, H40 f., H78, H80, H83, H101 – Ex-post-Konzept H49a – Finanzierungsentscheidung H7 f., H51 f., H54, H60 f. – Finanzierungsfolgenverantwortung H1, H4, H6, H48, H62a, H62g, H66, H74d f. – Finanzplankredit H52a – Folgedarlehen H52e – Forderungsanmeldung durch Drittgläubiger H87 – Gerichtsstand H33a – Gesamtdurchschnittsforderung H89g – gesellschafterbesichertes Drittdarlehen (§ 135 Abs. 2 InsO) H38 ff. – siehe auch Gesellschaftersicherung – gesellschafterliche Treuepflicht H55a, H59 – Gesellschafterstellung innerhalb Anfechtungsfrist H62, H63c – Gesetzeszweck H17, H74g, H74i, H93 – Gewinnausschüttung H52a – gleichgestellte Forderungen H52 ff. – Haftungsprivileg H46, H49, H66 – Hintermann H57 – Höchststand der Kreditgewährung H76b, H89g – Informationsvorsprung H46, H48 – Insidergedanke H46 – Insolvenzfestigkeit einer außerhalb des Zehnjahreszeitraums gewährten Sicherheit H72a – insolvenzrechtliche Natur der Neuregelungen H16, H27, H34, H51a

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intertemporales Recht H28, H28b Kleinbeteiligungsprivileg H65 f., H107 Konkurrenzen H44, H104, H108 f. Kontokorrentkredit H52d f., H76a ff., H83, H89g konzeptionelle Trennung gegenüber § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO H51 Kündigung B644, H52a Leistungsverweigerungsrecht H54, H55a Mehrheitsbeteiligung H57, H62h Missbrauch der Haftungsbeschränkung H46, H49, H56b, H62, H62g, H66 Missbrauchsgefahr H51, H63e Mitgliedschaftsübertragung H63 ff. nachrangige Insolvenzforderung H22, H32 ff., H53, H56a, H63c ff., H72, H74g ff., H76a, H91 nahestehende Person H56, H64a, H108 Neuregelungen durch MoMiG H21 ff. Nießbraucher H58 Novellenregeln H16 ff., H21, H28, H51a Nutzungsentgelt H90, H95, H98 ff. Nutzungsüberlassung H13 f., H24, H30, H42, H53, H90, H92, H99 – siehe auch Nutzungsüberlassung ordnungsgemäße UnternehmensfinanzierungbH2 f., H18, H74d pactum de non petendo H76e, H76f Passivierung nachrangiger Gesellschafterforderungen H32 Patronatserklärung H52b, H75, H81 personeller Anwendungsbereich H35, H48, H52, H56 ff. Pfandgläubiger H56b, H58 plötzliche Insolvenz H34, H49a potentielle Gläubigergefährdung H50 Prinzip der Haftungsbeschränkung H46, H49, H58, H62, H66 Rangrücktritt H32, H63a ff., H76c ff. – siehe auch Rangrücktritt Rechtsgrund der Neuregelungen H45 ff., H74g Rechtshandlung der Gesellschaft H82a f. Rechtshandlungen Dritter H69 Rechtsprechungsregeln H2 ff., H10, H12, H16 f., H28a, H28b Regressanspruch H70, H75, H88 Risikokapital, haftendes H51 Rückwirkung der Neuregelungen H28a, H48a sachlicher Anwendungsbereich H52 ff. Sanierungsprivileg H67 Schaffung einer Risikolage H8, H18, H50, H62, H88 Sicherheitenverwertung durch Verwalter H88

Stichwortverzeichnis – Sicherung B466, H70 ff. – siehe auch Gesellschaftersicherung (§ 135 Abs. 2 InsO) und Sicherung zugunsten eines Gesellschafters (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO) – Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO H74c – Staffelkredit H52d ff., H76b – stehengelassene Gewinne H52a – Stehenlassen B41, B213, E53, H5, H7, H52 f., HH65, H89g, H90b, H97, H99 – stiller Gesellschafter H56c – Stundung H1, H52, H76e f. – Subordination H22, H90 – Treuepflicht H55a, H56, H92, H105 – Treuhand H58 – typischer stiller Gesellschafter H56c – Überbrückungskredit H76b, H89g – Übergangsrecht H28 ff. – Übertragung der Mitgliedschaft H63 ff. – Umqualifizierung H3, H6 ff., H10 ff., H16 – unechte Rückwirkung des Übergangsrechts H28a – Unterlassen der Freistellung H89 – verbotene Auszahlung H22 – verbundene Unternehmen H57 – verfrühte Erfüllung B644 – Verhältnis zu § 64 GmbHG H55 – Verhältnis zum Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO H51, H74g – Verschärfung gegenüber früherem Recht H48a, H62e, H62g – Verzicht auf Krisenfinanzierung A33, H22, H45, H65 – Verzicht des Dritten auf Gesellschaftersicherheit H89b – Vorrang der Gesellschaftersicherheit H23, H79, H84, H87 ff. – Wahlrecht des Sicherungsnehmers H87 – Wertersatzanspruch H14, H74 – Wiederaufleben als nachrangige Forderung H36 – wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen H52, H52c – Zedent als Anfechtungsgegner H60 ff. – Zessionar als Anfechtungsgegner H60 ff. – Zinszahlungen H9, H73 Gesellschafter-Geschäftsführer B122, D23, H89, H100 Gesellschaftergesichertes Darlehen P5 – Beschränkung des Anfechtungsanspruchs P165 ff. Gesellschafterleistung – Kapitalersetzende A33, B298, B573, G31, H3, H21 f., H65 Gesellschafterrechnung B268 Gesellschaftersicherung (§ 135 Abs. 2 InsO) H77 ff., P153 ff.

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Anfechtungszeitraum H80 Doppelsicherung H84 ff. Ergänzung zu § 44a InsO H23, H39, H80 Ersetzungsbefugnis des Gesellschafters (§ 143 Abs. 3 Satz 3 InsO) H79 f. – Erstattungspflicht des Gesellschafters H41, H84 ff. – Freistellungsverpflichtung H82 f. – Freiwerden durch Zahlung des Gesellschafters H89c ff. – Gegenstand der Anfechtung H40 – Grundsätze H79 ff. – Regress durch Gesellschafter H79 – Rückzahlungen des Gesellschafters H89c ff. – Schutzlücke bei Verzicht des Sicherungsnehmers H89b – Verwertung vor Insolvenzeröffnung H82b – Verzicht des Sicherungsnehmers H83, H89b – Zusammenhang mit § 143 Abs. 3 InsO H79 Gesellschaftsanteil B344, B580, G67, M67 Gesellschaftsdarlehen – Gesellschaftersicherung P5 Gesellschaftsgläubiger B32, B50, B325, B701, H3, H6, H17, H32, H50 f., H55, H77, H88 Gesellschaftsorgan B12, C117 Gesellschaftsrecht A44, B270, B550, B572 ff., H27, H36, H55, H78, H80, H92, M67 Gesellschaftsrechtliche Verbindungen – nahestehende Person K18 Gesellschaftsvertrag A44, B261, B268 f., B271 f., B278, B580, D49, I11, I15, I17, I19 f., M113 Gesellschaftsvertragliche Verrechnung A44, B261 Gesetzgebungsgeschichte P1 Getrenntveranlagung B389 Gewährleistungsanspruch B90, B257, M52, M120 Gewährleistungsausschluss B90, M52 Gewinn B48, B614, D41, G43 ff., M65, M6 – siehe auch Scheingewinn – Gewinnausschüttung, verdeckte F63b ff. Giroabrede B287, B543, B548, C49 ff., D57 Girokette C56, M87 Girokonto B287, B311, B427, B467, B509, B616, M75 f. Giroverkehr B287, B554, C49, D95 Girovertrag B109, B299, C49, C59, M63, M76, M80 Gläubigeranfechtung A16, A27, A36 f., B379, B382, B413, B739 ff., I1

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Stichwortverzeichnis Gläubigerbegünstigung B25, B215, F49, G22 Gläubigerbenachteiligende Wirkung B1, B3, 56, B348, B558, B648, C102, D34, F44 Gläubigerbenachteiligung – siehe auch Gläubigerbenachteiligung, fehlende – Abnahme des Werkes B417, B557 – Absonderungsrecht B425, B429 ff., B457, B466, B470, B476, B563, B596 ff., B600 – Abtretung B75 ff., B432, B460 ff., B524, B554, B564, B567 – Adäquanztheorie B351, B625 – Altersteilzeitguthaben B521 – Anwartschaftsrecht B343 f., B400, B421, B429, B488 – Anweisung auf Kredit B162, B163, B321, B322, B369 ff., B415, B603, B604 – Anweisung auf Schuld B162 f., B369 ff., B415, B603 f., C13d – Arbeitnehmeranteile Sozialversicherung B513 ff. – Arbeitskraft B44, B394, B395 – Arbeitsvertrag B44 f., B396, B635 – Arten der Gläubigerbenachteiligung B334 ff. – Aufrechnung O42 – siehe auch Aufrechnung – Aufrechnungslage B2 f., B251 f., B254 ff., B275, B328, B359, B435, B458, B536 ff. – Auslieferung B557 – ausreichende Insolvenzmasse B306, B383, B385 – Aussonderungsrecht B429 – Bargeschäft O5, O7 ff., O13, O15 f., O34, O35 ff., O42, O60 f., O64, O69, O116, O125 ff., O135, O191, O216, O246 f., O252 – Baugeld B398 – Befreiungsanspruch B345, B502 – Begriff 222 ff. – Beseitigung B384, B488, B662 – Besitzverschaffung B17, B47, B571 – Betriebsveräußerung B51 – Beweislast B653 ff. – Cash-Pool B375, B591, O144 – debitorisches Konto B105, B172, B287, B315, B414, B463, B491, B499, B547, B615 – durchlaufender Posten B135 ff., B313, B518, B574 – Durchsetzungssperre im Gesellschaftsrecht B270 – Eigentumsvorbehalt B60, B67 f., B421, B429 f., B455 f., B459, B561, B569, B696 – Einrede der Nichtvalutierung B98, B442, B480, B564

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– Eintrittszeitpunkt B45, B62, B65, B71, B121, B274, B332, B334, B336, B396 – Einzelfälle B544 ff., B591 ff., B639 ff. – Entbehrlichkeit der Zugehörigkeit zum Schuldnervermögen B317a f. – Erbschaft B41, B391 – Erfüllungshandlungen B551 ff. – Erhaltung der Haftungsmasse B379 ff., B384, B401, B420, B620 – Erlösweiterleitung B466, B556, B563 – Ersatzabsonderungsrecht B290, B465 f., B468, B470, B476, B563 – Erschwerung des Zugriffs B61, B310, B318 ff., B592 – Fehlen der zu sichernden Forderung B447 ff. – Freigabe durch Sicherungsnehmer B435, B461, B508, B512, B546 – Freistellungsanspruch B298, B305, B576 – geduldete Kontoüberziehung B321, B372, B380 f., B408 ff., B535, B553, B604 – Geldstrafe B585 – Gesamtverwertung B599 – Gesellschafterdarlehen O144a – Gesellschaftsrecht B270, B550, B572 ff. – Gesetzlicher Forderungsübergang B538 – gewerbliche Schutzrechte B400 – Gläubigerwechsel B162, B321 ff., B371, B603 ff. – gleichwertiger Vorteil B329, B347 ff., B551, B647 ff. – Grundstücksveräußerung B316, B335, B340, B343, B355, B360, B477 – Haftungsmasse (§§ 35, 36 InsO) B379 f., B387, B661 – höchstpersönliches Recht B40 f., B388 ff. – hypothetische Geschehensabläufe B45, B396, B614, B618, B629 ff. – Insolvenzausfallgeld B538 – isolierte Betrachtung der Vermögensminderung B57, B251, B314, B328 ff., B647 – Kausalität B328, B634, B647 – Kontenangleichung, gesellschaftsrechtliche B550 – Kontokorrentverrechnung B537 f. – Kontosperre B624 – Kontoüberziehung B129, B380 ff., B408 ff., B535, B553, B661 – Konzernverrechnungsklausel B540 – Kreditinanspruchnahme B403 ff. – Kundenscheck B354, B554 f., B641 – Lästigkeitswert B428 – Lastschrift B10, B103 ff., B315, B558, B615 f. – Lebensversicherung B121 ff., B522 ff.

Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – –

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LKW-Maut O144a Lohnsteuer B389, B517, B519 f. Lösungsklausel B588 f. Maßgeblichkeit des realen Geschehens B354, B624 ff., B639, B641 Massegläubiger B307 f., B386 Massekostenarmut B307 Masseunzulänglichkeit B307, B386, B699, B734 mehrfache B375 ff. Mitberechtigung B311 mittelbare B309, B34 f., B351 f., B353, B355 ff., B365, B485, B576, B578, B626, B659, C10b, C11, D34, D120, E15, E41, E52, E60, F18, F39, G16, H31, O61, O191 mittelbare Zuwendung B129, B172, B185, B191, B368, B381 f., B411 ff., B514, B517, B526, B535 nachrangige Insolvenzgläubiger B307, B310 nachteilige Verwertung B562 nachträgliche Beseitigung B620 ff. Neuvalutierung B564 nichtiges Rechtsgeschäft B312, B319 Nutzungsrechte B340, B400 objektive B306, B316, B329, B351, B361, B367, B394, B405, B408, B422, B424 f., B485, B488, B559, B573, B592 Oder-Konto B311, B427 Personalüberlassung B16, B269, B275, B428 Persönlichkeitsrecht B388 Pfändbarkeit B44, B324, B340, B373, B381 f., B387 ff., B499, B501, B553, B635, B646, B661 Pfandrecht B426, B430, B438 f., B447 ff., B460, B471 ff., B503 ff., B547, B565, B568, B596, B601 Pflichtteil B41, B127, B392 f., B646 Prämienzahlung B341, B526 f., B533 ff., B579 Realakt B539 reale Gegebenheiten B354, B629 ff. Rechtshandlung eines Dritten B436 Restschuldversicherung B535 Rückübertragungsanspruch B381 Sanierungsbemühungen B338, B356, B609, B692 Scheckeinlösung B354 schuldnerfremdes Vermögen B324 f. Sicherheitengewährung B371, B434 Sicherheitenpool B12, B436, B565 f. Sicherheitenunterlegung B444 ff., B447 ff. Sozialversicherungsbeiträge B513 ff. Staffelkredit B631 Stehenlassen von Forderungen B22, B53, B298, B573

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Steuererstattung B584 Steuerrecht B389, B519 f., B527, B581 ff. Steuerzahlung B329, B517 Strafrecht B585 ff. Treuhand B398, B442, B490 ff., B530 Umbuchung B315, B463 Umfang der Gläubigerbenachteiligung B326 f. Umwandlung eines Erstattungsanspruchs in Darlehen B163 unklagbare Verbindlichkeit B315 unmittelbare B334, B336, B338 f., B342, B485, B488, B561, B607, B609, B659, D88, E16, E32, E35, E37 ff., E47 ff., E59 f., F110, O60 – siehe auch Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung unpfändbare Gegenstände – siehe dort Unterlegung einer Sicherheit durch gesicherte Forderung B100, B444 ff. Unternehmensbestattung B319 unübertragbares Nutzungsrecht B340 Urlaubsgeld B397 verbundene Gesellschaften B591 verbundenes Geschäft B532 ff. verfrühte Zahlung B643 Verfallsklausel B350 Vergleich B376 ff., B570 Vergütungsentnahme durch Insolvenzverwalter B358 Verlegung ins Ausland B576 verlustbringende Geschäfte B355 Vermehrung Schuldenmasse B309, B381, B420 Verrechnungsvereinbarung B540, B550 Vertragsübernahme B363 ff., O28 f. Verwertbarkeit der Gegenleistung B340 Verwertungsabrede B339 verzögerte Antragstellung B316 Vollabtretung nach Sicherungsabtretung B567 Vollziehungsaussetzung B568 Vorabbefriedigung eines Aufwendungsersatzanspruchs B574 vorsätzliche O69, O125 ff., O135, O191, O216, O246 f., O252 – siehe auch Gläubigerbenachteiligungsvorsatz Vorteilsausgleichung – siehe dort Warenauslieferung B557 Wegfall Sicherungsrecht B356, B360, B485 wertausschöpfende Belastung B477 ff. – siehe auch Wertausschöpfende Belastung Wertsteigerung durch Sicherheitenwegfall B356 wirtschaftliche Betrachtungsweise B309, B315, B336, B344, B573, B624 Zahlungen Dritter B324 f., B492

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Stichwortverzeichnis – Zahlung über debitorisches Bankkonto B57, B302, B315 – Zugriffserschwerung, -hindernis B196, B313, B318 ff., B492, B576, B592 – Zweckbindung B373, B388, B398, B404, B427, B490 ff. – siehe auch Zweckbindung Gläubigerbenachteiligung, fehlende – Absonderungsrecht an Scheck B467 ff., B472 ff. – Anweisung auf Kredit B162, B603 – ausreichende Insolvenzmasse B306 f., B653 – Aussonderungs- und Absonderungsrechte B430 ff. – Bargeschäft O7 ff., O64, O116 – siehe auch Gläubigerbenachteiligung – Begleichung von Altforderungen B598 – Darlehen gegen Sicherheit D67 – durchsetzbarer Rückforderungsanspruch G25 – Forderungsverrechnung B618 – Fortführung der Giroabrede B537 – Gläubigerwechsel B603 ff. – gleichwertige Gegenleistung B607 f. – gleichwertiger Vorteil B329, B347 ff. – Grundstücksübertragung B611 – insolvenzfeste Abtretung B523, B547 – insolvenzfestes Pfandrecht B123, B547 – Lastschrift B615 f. – Lebensversicherung B602 – Sanierungsversuch B609 – Schenkungsvertrag mit Rückübertragungsanspruch B316 – Sicherheitentausch B596 – Stundung B617 – Treuhänder B610 – Veräußerung Warenlager B597 – Vergleich mit Forderungsverzicht B348 – verspäteter Insolvenzantrag B300 – Vertragsänderung B614 – Verwertungskostenpauschale B599 – wertausschöpfende Belastung B477 ff. – wertlose Gegenstände B428 – Wertsteigerung bei mittelbarer Gläubigerbenachteiligung B360 – Zahlung durch nicht persönlich haftenden Gesellschafter B606 Gläubigerbenachteiligungsvorsatz D119, D124, F7a, F10, F14, F21 ff., F31 ff., F43 ff., F55 ff., O69, O129, O131, O135 – Beweisanzeichen, Indiz F10, F26, F28 f., F33, F51, F54 f., F57 f. – Beweiserleichterungen F26, F49 – Einfluss des Prioritätsprinzips F7a f. – einschränkende Auslegung F31 – erhöhte Anforderungen F21a, F34

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– Hoffnung auf Krisenüberwindung F7a, F33, F76b – Kenntnis des Anfechtungsgegners F62 ff., F91, O130 ff. – kongruente Rechtshandlungen F34 ff. – Mehrpersonenverhältnis F92 ff. – Sanierungsbemühungen F39 ff. – Schiebeliste F36 – selektive Befriedigung F36, F100e – Überbrückungskredit F43 – unbedenklicher Wille F64 – unlauteres Verhalten F1, F22 – Verlustanhäufung F38h – Vermutung F27 ff. Gläubigergefährdung A40 Gläubigergemeinschaft A18, B404, C9 Gläubigergesamtheit A18, A42, B106, B229, B365, B368, B369, B378, B381, B412, B466, B502, B507, B556, B563, B698, C9, C102, D61, F7, F13, F16e, F52, G25 f., H55, H73a, H74d, H105, M40 Gläubigergleichbehandlung A14, A18, A36, A37a, B32, B108, B348, B598, B649, B743, C8, C95, D3, D12, D66, E4, E7, E27, F6, F8, F52, F88, F111, M79, O180, O206c Gläubigerschutz A47a, G27, G51, G72, H55 Gläubigertausch B414, B463, C42 Gläubigerwechsel B162, B321 ff., B371, B603 ff., D30 ff., D33, D101 Gläubigerzugriff A39, B4, B17 f., B25, B27, B50, B56, B61, B82, B196, B311 ff., B318 ff., B326, B332, B335, B340 f., B344, B354 f., B369, B380 f., B398, B411 ff., B552, B617, B628, B641, B662, C92, E47, F16c, F17, F37, H79, M26 – siehe auch Zugriff des Gläubigers Gleichlauf – mit Recht der beweglichen Sachen B81 Gleichmäßige Befriedigung A8, A11, A14, B119, B306, B387, B679, D19, D60, F31, F54, G2, G88, H55 Gleichwertigkeit, gleichwertig B289, B329, B338 ff., B347, B439, B464, B475, B551, B596, B607, C10c, C55, C66, E13 ff., E16, E20, E33, E59, F14, G27, G29, G37, G39, G98, O101 ff. Globalzession A41, B235, B239, B290, B377, B448, B460 f., C21, C28, C61, D104, G93, M40 ff., M54b – Bargeschäft – siehe dort – kongruente Deckung C21, C28, C61, D104 – Sicherheitentausch B460 f. – Werthaltigmachen B235 ff., C28, M42 f. Globalzession und Eigentumsvorbehalt B60, B67, B455, M35

Stichwortverzeichnis Globalzessionsvertrag B239, B377, C21, D104, O47 f., O230 Grobe Fahrlässigkeit A6, A20, C4, C105, C119g, F45 Großküchenbetrieb B340, F22, G48 Grundbuch A13, B343, B479, M1, M106 Grundbuchamt M100 Grundbucheintragung B10, B43, B64, B343, B488, B670, L6, M1, M26, M26a, M70a, M97 ff., M103 ff., M107 f. – Anfechtungszeitpunkt T9 Grundgeschäft B58 Grundmietzeit B89, M53 Grundpfandgläubiger B217, B221, B442, B452 Grundpfandrecht B101, B219, B450, B452, B477, B480, B483, B594, B670, C69, D114, H81, H101, M60 f., M73 – Bargeschäft – siehe dort – Bedeutung der Beschlagnahme B452 – Haftungsverband B452 – Neuvalutierung B564, C69 – Verzicht P64 Grundsatz der Gleichbehandlung A14 f., A18, A37a, B32, B108, B348, B598, B649, B739, B743, C8, C95, D3, D12, D66, D103, E4, E7, E27, F6, F8, F52, G88, G111, I4, I32, M79 Grundschuld B97, B101, B427 f., B441 f., B445, B462, B478, B594, C68, D35, D100, D114, D116, G68, M27 ff., M62, M73 – Ablösung B427, B491 – Abtretung B441, B564, C68 – Bargeschäft – siehe dort – mangelnde Valutierung B442, B564 – nachrangige B35, B428, M27 – wertlose B35, B428 Grundschuldhaftung B101, G49, M60, M62, M73 Grundstück B88, B199, B316, B340, B343 f., B360, B428, B478 ff., B488 f., B497, B594, B624, B627 f., F113, G38a, G68, H13 ff., H93, H101, M1, M26 ff., M48, M70, M100, M104, M107, T2 Grundstücksgeschäft F113, G48, M2, M104 Grundstücksgleiche Rechte – Rückgewähransprüche P53 ff. Grundstücksübereignung, -veräußerung B343, G83l Grundurteil – über den Anfechtungsgrund P41 ff. Gutachten B484, B489 Gütergemeinschaft B388, B391, R5 Güterrechtliche Vereinbarung B12, B40, E24 Güterstand B40, B388 Gutgläubigkeit B433, B592, D72, G25

– – – – – –

Anlegertäuschung P130 ff. einfache Fahrlässigkeit P123 ff. Einzelrechtsnachfolge R16 Haftungssystem P125 ff. nahestehende Personen R18 ff. Scheingewinne aus Kapitalanlagen P130 ff. – Schneeballsysteme P130 ff. – Surrogate P126 – bei unentgeltlicher Leistung P122 ff. Guthaben B55, B96, B100, B273, B299, B311, B354, B449, B483, B508, B548, B661, C47, D47, D53e, D73, D81, D106 f., F13, F16c, F100c, G45, G45b, G93 f., M51, M63 ff., M67, M124 Gutschrift B10, B94, B111, B288, B290, B294, B422, B438, B465, B469, B475 f., B554, B597, C18, C41, C44, C47, C50, C53, C56, D43, D54, D73, D106, M20, M31, M63, M64a, M74 f., M82, M87, M112 – Verrechnung – siehe Kontokorrentverrechnung – vorbehaltslose B111, M82 – vorläufige C56, M75, M87

Haftendes Eigenkapital

B22, B53, B298, B573, E53, F45, G31, H3, H7, H9 f., H34, I16 Haftungsanspruch C12a, D18, D95a Haftungsbescheid B229, D17, D19a Haftungsbetrag B32, B325 Haftungsmasse B333, B379, B384, B401, B420, B668, G26, I7 Haftungsmäßige Zuordnung A9, B79, B237, B482, H36, M11 Haftungsrechtliche Theorie B664, B670, B672 Haftungsschuldner B229, B233, D18 Haftungssystem – Bösgläubigkeit P149 ff. – gutgläubiger Empfänger P125 ff. Haftungsverband B101, B452, M60, M62, M73 Handelsbilanz H19 Handelsvertreter B92, M45, M90a, M90b, M125, M125a Handlungsbegriff – Rechtshandlung N5 Handwerker B611, C70 f., D114a Hauptauftraggeber B239, B377, F44, F90 f. Hauptforderung B252, B600, C12a, G65a, H73, M89, O42, O82 Hauptpfändung D64, M32, M72, P82 Hauptunternehmer B349, B605, B649, C70, D84 Hauptzollamt C119b, F72, F73f

1163

Stichwortverzeichnis Häusliche Gemeinschaft – Begründung nach Rechtshandlung K16 – nahestehende Person K16 Heimfallanspruch B645, B691, E19 Herausgabe – des Erlangten B91, B282, B289, B464, B701, C55 f., M44, M87, M111 – Surrogate P90 f. Herausgabeanspruch B91, B279, B460, B476, B565, M44 Herbeiführung – Aufrechnungslage A12, B2, B14, B175, B252, B254, B259 ff., B275, B283 ff., B328, B359, B435, B458, B537 ff., C10, C24 f., C26 ff., C31 ff., C39a, C119e, C123, D45 ff., D49 ff., D52 ff., E43 ff., H76a, M18, M20 ff., M41, M89, M90, M94 – Eigentumsübergang B81, M25 – Fälligkeit B16, M41 Hinterlegung B122, C23, C60, H73, M68 – Anfechtungsanspruch P72 Höchstpersönliche Rechte B40 f., B340, B388, B400, B407 Hoffnung B525, F41, F44 f., F56, F84 f., G113, H1 Hoheitlicher Rechtsakt B43, F13, F52 Honorar, Honoraranspruch B9, B280, B327, B692, E18, F39, M47b, M116 – Bargeschäft – siehe dort Honorarbescheid B9, B263, C39a, M47b, M116 Honorarverteilung M47b, M116 Hypothek B319, B340, B724, D35, D98, D114 f., G68, H70, M61, M70, M98 – Bargeschäft – siehe dort Hypothetischer Geschehensablauf B45, B396, B614, B618, B629 ff., B634, B636 ff. ff., D22, D24

Immobilienfonds

B496 Inanspruchnahme B88, B259, C38, D18, D48, E46, H23, H39, H77, H79, H82, H89, M89, M115, M120, M124 Indiz C78, C78a, C87, C90, C107 ff., C131, D119a, F10, F28 f., F51, F54 f., F57 f., F63f, F67a, F75 ff., F83a ff., F96, F103a, G90, H10, H19, H100, L28 – siehe auch Beweisanzeichen Indizwirkung F51, F54 f., F57, F63 f., F96 Informationsfreiheitsgesetz B714 Informationsvorsprung H48 Inhalt des Rechtsgeschäfts A31, B91, B218, B281, G28, G30, G32, M44 Inkassobank C56, M87 Inkassoscheck M19, M87 f. Inkassozession B165 ff.

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Inkongruente Befriedigung (§ 131 InsO) – Abfindung D42 – Anspruch auf die ermöglichte Befriedigung C26, D45 – Anspruch auf Herbeiführung der Aufrechnungslage D45 f., D50, D52 – Anspruch aus demselben Schuldverhältnis D67, D99 – auflösend bedingter Anspruch D39 – aufschiebend bedingter Anspruch D39, D86, D115 – bankmäßiger Geschäftsverkehr D71 ff. – Bargeschäft – siehe dort – Direktversicherung D40 – Drittzahlung D84 ff. – erfüllungshalber abgetretene Forderung D44c ff., D59 – Freistellungsanspruch D89 – Herstellung der Aufrechnungslage D45 ff., D49 ff., D52 ff. – Kontokorrentverhältnis D 49, D54 ff., D 119d – Nutzung von Gegenständen D24, D49 – Scheingewinn D41 – unvollkommene Verbindlichkeit D38 – unwirksamer Vertrag D38 – verjährte Forderung D38 – Verrechnung D45 ff., D49 ff. – Verzicht auf weitergehende Forderung D42, F57 – Vorschusszahlung D41, D91 – Werthaltigmachen der Aufrechnungslage D49 ff., D53a ff. Inkongruente Deckung (§ 131 InsO) – Abänderungsvereinbarung D34a f., D42 – Abfindungsvereinbarung D42 – Abgrenzung zu § 132 InsO D12b – Abgrenzung zu § 133 InsO D59a – Abgrenzung zu § 134 InsO D12b, D38b – Abschlagszahlung D95b – Abtretung D32, D35, D40, D44c ff., D67, D71, D74 f., D77, D84, D101, D104 f., D114 – Abweichung von Vereinbarung D30, D41, D113 – Anfechtungszeitraum D119c f. – angedrohter Insolvenzantrag D60, D62 f. – Aufrechnung D45 ff. – siehe auch Aufrechnung – aufschiebend bedingter Anspruch D39 – bankmäßiger Geschäftsverkehr D71 ff. – Bargeschäft ausgeschlossen D9, D41, O57 ff. – Bargeschäft nicht ausgeschlossen O1, O11 ff., O66 ff. – Bauhandwerkersicherung D79 – Bauhandwerkersicherungshypothek D114a

Stichwortverzeichnis – bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff D21 – Beweisanzeichen D7, D124, F26, F49 f., F55 ff., F100 – Beweiserleichterungen D123 ff. – Beweislast D120 ff. – Beweislastumkehr D126 – Cash-Pool D58a, D78a – Darlegungserleichterungen D120 ff. – Direktzahlung D59a, D78 ff. – Direktzahlung an Arzt D78 – Direktzahlung an Subunternehmer D79, D84 – Direktzahlung des Endmieters D85 – Direktzahlung nach § 16 Nr. 6 VOB/B B482, D84 – Doppelberücksichtigung bei Gesamtschuld D19 – drohende Zahlungsunfähigkeit D3 – drohende Zwangsvollstreckung D6, D61 ff., D65 ff. – drohender Insolvenzantrag D60 – Drohung mit Strafanzeige D63 – Druckausübung D60 ff. – Eigenantrag des Schuldners D3 – Einzelfälle D67 ff. – Ergänzung durch Rückschlagsperre D8, D112c – ermöglichende Rechtshandlung D56, D94 – Ersetzungsbefugnis D35 – fehlende Gegenleistung D12b – fehlende Kreditkündigung D22 ff., D54, D57, D92, D95 – fehlende Pfandreife D106 – fehlender Sicherungsanspruch D98 – Freistellungsanspruch D82 – Gebührenrahmenüberschreitung D41 – geringerwertige Gegenleistung D12b – geringes Ausmaß D124 – geringfügige Abweichung D35, D59b, D59c, D114 – Gläubigerbenachteiligung D7, D14, D19a, D22, D34, D38a, D82, D88, D117, D119 f., D123 ff. – Gläubigergleichbehandlung D3, D12, D66, D103, D112b – Gläubigerwechsel D30, D33, D101 – Haftungsanspruch nach § 73 AO D18, D95a – Halteprämie D34c – Hypothetischer Geschehensablauf D22 ff. – Indizien D119a – Insolvenzgläubigerstellung D15 ff., D20, D38a, D80, D82 – Kenntnis des Gläubigers D2, D5, D7, D119, D121, D123 ff.

– Kongruenzvereinbarung D34a f., O77a ff. – Kontokorrentverrechnung D49, D54 ff., D95, D119c – siehe auch Kontokorrentverrechnung – Kontosperre D54, D95, D106 f., D115 – Konzernverrechnungsklausel D53 – Kredittilgung D54, D88, D92 ff., D95 – Kundenscheck D35, D70 f., D105 – Kundenwechsel D69 – Kündigung des Schuldners C46, D94 – Kündigung in der Krise D56, D93 – Leistung auf fremde Schuld D20, D80 – Leistung eines Dritten D59a – Leistung erfüllungshalber, an Erfüllungs Statt D59 – Leistung vor Fälligkeit D24, D27 f., D35, D87 ff. – Leistungsverweigerungsrecht D79, D84, D97 – Mängeleinrede D90 – maßgebender Zeitpunkt D34, D43, D47, D75, D103, D110, D117 f. – materielle Insolvenz D6, D12 – Mehrpersonenverhältnis D16 ff., D20, D59a, D78, D80 ff. – mittelbare Gläubigerbenachteiligung D14, D34, D120 – mittelbare Zuwendung D19b, D20 f., D55, D59a, D78, D80 ff. – nachträgliche Vertragsänderung D34a, D42, D121 – nahestehende Person (§§ 131 Abs. 2 Satz 2, 138 InsO) D126 – nicht in der Art zu beanspruchen D37, D59 ff., D113, D116 – nicht zu beanspruchen D29, D37 ff., D96 ff. – nicht zu der Zeit zu beanspruchen D37, D86 ff. – objektive Betrachtung D34 – Pfandrecht D58, D66a, D75, D95 f., D103, D106 f., D110, D112, D115, D117 f. – Pfandrecht an künftiger Forderung D66a, D110 – Pfandrecht für künftige Forderung D107, D115, D117 f. – Raumsicherungsvertrag D104 – Rückgabe der Kaufsache D68 – Scheckzahlung D35, D70 f., D73 ff., D105 – Scheingewinn D41 – Schuldübernahme D21, D78 – Sicherheit zur Kündigungsabwehr D109 – Skontoabzug D35, D87 – Sonderfall der Vorsatzanfechtung D6 – sonstige Drohung D63

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Stichwortverzeichnis – – – – – –

Steuerrecht D95a subjektive Vorstellungen D34 Teilanfechtung D36 Tilgung fremder Schuld D80 ff. Übersicherung D12b, D111 Übertragung einer Direktversicherung D40 – Überweisung D43 – Umsatzsteuer D44b – unvollkommene Verbindlichkeit D38 – unwirksames Rechtsgeschäft D38 – Ursächlichkeit D22 ff. – verbundene Unternehmen D78a – Verdächtigkeit des Erwerbs D1, D4, D35, D78, D84 – Vereinbarung in der Krise D29, D41 f., D59 – Vergütungsanspruch D41, D48, D52, D66a, D91 – verjährte Forderung D38 – Vermieterpfandrecht D66a, D96, D118 – Verrechnung D45 ff., D48 ff., D54 ff., D92, D95, D119c – Verrechnung Mandantengelder D52 – Verrechnungsvereinbarung D58 – Verwertung vor Pfandreife B474 – Verzicht D42 – Vormerkung D44 – Vorpfändung D61, D64 – Vorschusszahlung D41, D91 – vorzeitige Leistung D22 ff., D82, D87 ff. – Widerruf der Einzugsermächtigung D77 – Zahlung über Konto des Ehegatten D59c – Zustellung eines Vollstreckungsbescheids D63 – durch Zwangsvollstreckung D6, D60 ff., D65 f. Inkongruente Sicherung (§ 131 InsO) – Abgrenzung zu § 88 InsO („Rückschlagsperre“) D112c – Abtretung der Kausalforderung D70 f., D105 – Abwendung des Kündigungsrechts D109 – Änderungsvereinbarung D34a ff., D121 – AGB-Banken und Sparkassen D54, D58, D71, D74 f., D77, D103, D105, D107 – Altersteilzeitgesetz B388a, D111a – Altverbindlichkeiten D108 – Bauhandwerkersicherung D111b – Begriffsbestimmung D96 – Einrede der Nichtvalutierung D29, D86, D90 – Fehlen einer zu sichernden Forderung D116 – fehlende Pfandreife D106 – Frachtführerpfandrecht D112 – Freigabe des Pfandrechts D106 – geringfügige Abweichung D114

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– gesetzlicher Sicherungsanspruch D79, D97, D111b – Gläubigerwechsel D30 ff., D101 – Globalzession D104 – hinreichend konkretisierter Anspruch D97 ff., D103 f., D115 – für den Insolvenzfall D108 – Kontosperre D54, D95, D106 f., D115 – Kündigungsrecht nach § 490 Abs. 1 BGB D109 – Kundenscheck D35, D70 f., D105 – nachträgliche Besicherung D33, D84, D100 f. – Pfandrecht D110, D111b – Rangrücktritt D96 – Raumsicherungsvertrag D104a – Sicherheit nach § 8a AltTZG D111a – Sicherung als aliud zu Erfüllung D98 – Sicherungsanspruch in demselben Vertrag D67 – Steuerrecht D111c – Übersicherung D12b, D111 – Unterlegung einer Sicherheit C69, D116 – Valutierung durch Abtretung D116 – vergleichsweise Sicherheitenbestellung D100a – vertraglicher Sicherungsanspruch D99, D103 – Vormerkung D44, D112b – Zwangsvollstreckung D112a f. Inkongruenz B230, C5, C52, D21 f., D33, D36, D54, D62 f., D106, D119c, D120 f., D123 f., F24, F26, F47, F54 ff., F58 ff., F63, F63d, F63e, F64, F94, F98, F100 – Indizwirkung D124, F49 ff. – mittelbare Zuwendung D80 ff. – schwache D124, F60 f. – vorzeitige Leistung D82, D87 ff. Inkonnexe Forderung D112 Inkrafttreten A1, A47, A47d, A48, B49, B345, B573, C70 f., D79, H11, H21, H28, H28a, H66, I9 Inlandsverkehr D27, D87 Innengesellschaft K22 Innenverhältnis B196, B217, B220, B311, B427, D81, F100c, I7a Insidergedanke – nahestehende Person K9 – Stille Gesellschaft I2 Insolvenz – Lastschrift O193 – materielle A14, A16, A18 f., B76, B108, B209, C3, C8, C29, C76, C97, D6, E3, E20, F7, F36, G65, G88, H54 f., H102, H105, L19, L24, L26 f., L29, M79 – Scheckaussteller J33 f. Insolvenzanfechtung – siehe auch Anfechtungsanspruch

Stichwortverzeichnis – allgemeine A27, G88 – besondere A16 ff., A37a, B743, C8, C76, D12, E7, E18, E27, F6, F8, F16e, F34, F100k, G88, H24, H83, H99, L4 – Geltendmachung B699, B715 ff. – Reformbestrebungen A54 ff. – Verhältnis zu den §§ 81, 91 InsO B75 ff. – Wesen und Wirkung B664 ff., B676 Insolvenzantrag – siehe auch Eröffnungsantrag – angedrohter A24, D60, D63, F31, F50, F54 – erledigter C97 f., D60 f., L20 ff. – mehrere C96, G18, G117, L2, L16 ff. – verspäteter F16f – zurückgenommener C97 f., D60, L20 ff. Insolvenzausfallgeld B33, B253, B538 Insolvenzeröffnung – anhängige Erkenntnisverfahren N12 – formelle A14, A18, C8, C76, E4 Insolvenzfest B71, B83, B111, B123, B431, B524 ff., B547, B587, D59a, C69, D84, F111, H73, M38, M54c, M57, M60, M69, M80 ff., M114, M122 Insolvenzforderung – Nachrangige A33, A47d, B229, B307, B310, C2, G3, G17, G23, G26, G38b, G118 f., H16, H22, H32 ff., H53, H63, H63c f., H72, H76a, H91, I2, I6, I7b, I8, I16 Insolvenzforderung, Konkursforderung A12, B21, B58, B214, B288, B307, B309, B324, B357, B359, B365, B368, B420, B508, B537, B541, B581, B668, B679, B684, C11, C12a, C29, D15, D19a, D50, E5, E21, E27, F18, F100l, G38b, G69a, H33, H36, H61, H63, H76a, H94, M79, M90a, M125a, O80, O107, O132 Insolvenzgläubiger – Absonderungsberechtigter C14 ff., D15 – aufschiebend bedingt für den Ausfall D19 – Aussonderungsberechtigter C14 – Begriff C12 ff. – fehlender Rechtsgrund C13b – Gesamtschuldner C13, C20, C80, C82 – Gleichbehandlung A14, A18, A36, B348, C8, D3, D12, D66, E4, E7, F6, G88, M79 – gleichmäßige Befriedigung A8, A14, B119, B306, B387, B679, F31, G88, H55 – konkrete Forderung maßgebend C15b – künftiger A11, B193, B340, M77 – Leistungsmittler B248 – Massegläubiger C16 – Maßgeblichkeit der konkreten Forderung C12

– Mehrpersonenverhältnis B174, B229, B231, B248, C12 ff., C17 ff., D20 ff. – nachrangiger B307, B310, G17, G38b, G118, H33 ff., H69a, I6 – Organschaft D16 ff. – selbstschuldnerischer Bürge C12 – Tilgung fremder Schuld C12b – Zahlstelle C13c Insolvenzgrund B306, B322, I2, I4, I36, L18 ff. – Wegfall L19, L29a, L29b Insolvenzmasse B44, B275, B315 f., B359 ff., B379 ff., B383 ff., B387 ff., B420 ff., B557, B559, B567, B581, B599 f., B602, B653 f., B669, B674, B720, B734, B740 f., C15 f., C43, D85, H69, H79, M82 – Anscheinsbeweis bzgl. Unzulänglichkeit B306, B653 – Arbeitskraft B44, B394 ff. – ausreichende B306 f., B383, B653 – Erstattungsanspruch bei SEPA-Lastschrift M82 – künftige Gegenstände B420 ff. – Schmälerung B315 f. – unpfändbare Gegenstände B387 ff. – unzureichende B383 ff. Insolvenzplan A15, B306, B737 Insolvenzrechtsänderungsgesetz B86, M46 Insolvenzreife B204, B414, C119h, F39, F64, F91, G13, G58, G61, G64, G72a, G106, H13, H55, H73a, H105, I36 Insolvenzrisiko B160 f., B201, B214, C37, F100l, H34 – doppeltes B161, B201 Insolvenzstatut A47b Insolvenzverfahren – vereinfachtes B699, B741 – Verhältnis zur Einzelzwangsvollstreckung B28 ff., N13 Insolvenzverschleppung A41, F16f Insolvenzverwalter, vorläufiger B7, B20 f., B35 f., B38, B39, B106, B118, B120, C10 ff., D26, D76, E29, H55, H105, M78 f. – anfechtbare Rechtshandlung B38 – Vergütung B38 Insolvenzzweckwidrigkeit B35, B675 Internationales Recht – Zwangsvollstreckung N25 ff. Internet-Domain B401 Inventar B125 Irrtum B60, B303, B314, B330, B517, C111, D34, E11, E55, G32, G32a, G42a, G43, G72 Isolierte Betrachtung B2, B57, B251, B328, B647, G61, M30

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Stichwortverzeichnis

Jahresfrist

– Gesellschafterdarlehen H49a, H61 f., H62i, H63c, H63e, H71, H73a, H74, H74c, H93 – nahestehende Person K15 – stille Gesellschaft I1, I19, I21 ff., I35 Jura novit curia B710 Juristische Person – als nahestehende Person K22 ff.

Kapitalanlagen

– siehe auch Scheingewinn – Scheingewinne P130 ff. Kapitalanleger A43, B684 ff., D100 f., G43 ff., G50a, I26 Kapitalaufbringung A44, H49 Kapitalausstattung H1, H4, H49 f. Kapitalbeteiligung – nahestehende Person K24 Kapitaleinlage A35, B50, B572, B683, B685, G43, G45, G45b, O18, O105, O144b, O168 – siehe auch Einlage Kapitalerhaltung A44, B50, B572, H4, H17, H49, H55, H64, I7b Kapitalerhöhung B618, F64 Kassenarzt B86 Kassenbestand B27, F16b Kassenpfändung B27 Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung B9, B86, B263, C39a, M47b Kaufpreis – Rest B421 – Rückzahlungsanspruch M27, M30 Kaufpreis, Kaufpreisanspruch B183, B186 f., B266, B323, B336, B340, B348, B355, B422, B429, B456 f., B462, B499, B557, B569, B597, B608, B624, B627, B640, B648, C6, C31 ff., C46, C68, E34, G83c, M27, M30, M35, M122, O46, O59, O117, O164 Kaufvertrag A12, B3, 56, B266, B614, B640, C6, M27 ff., O100 Kausalbeziehung G12 f., G30, G34 f., G83a, G88, G101 f. Kausalforderung B293, B555, C57 f., D70 ff., D105 Kausalgeschäft C20, E37 Kausalität B291, B328, B624 ff., B634, B644, B647, C91, D24, D120, E14, E17, E32, F99, M20, M22 Kausalverhältnis B58, G15, G101 Kausalzusammenhang – bei Anfechtungseinrede S14 Kautionsversicherung M124 Kenntnis – Gläubigerbenachteiligungsvorsatz F3, F7a, F8, F13, F28, F32 f., F43, F50 f., F57,

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F62 ff., F65 ff., F76 ff., F85, F87 ff., F100d ff., F104, O16, O127 ff. – Inkongruenz F26, F57, F63, F96 – Insolvenzantrag C100, C103, C108, C131, F78, F78a – der Mittelsperson C126 – nachfolgende C102, F70 – Unlauterkeit O131c ff. – bei Vertretung C117 ff. – Wegfall C102, C115 ff., C132, F70, F83i – Zahlungseinstellung C1, C88 f., C103 ff., C109 ff., C113, F62, F62a, F68, F70, F75, F83 ff. – zwingender Umstände A3, A6, A23, C1, C4, C76, C100 f., C104, C131, D5, D123, D125 f., E1, E57, E61, F9, F66, F78a, F82, F103 Kenntnis des Anfechtungsgegners – angewachsene Beitragsrückstände F69e – Arbeitnehmer F69e – Arbeitnehmervergütung C110 ff. – Beobachtungs- und Erkundigungspflicht C119g, F69 – Beweis des Gegenteils F3, F65 – Beweisanzeichen F75 ff., F83a ff., F87 f., F96, F100, F102 – Beweiserleichterungen C127 f., C131, F63, F100 – drohende Zahlungsunfähigkeit F62 ff. – Einzelfälle F76 ff. – Erfordernisse bzgl. Schuldnerhandlung F61a ff. – Erweiterung des § 130 Abs. 2 InsO C102 ff. – Gesamtwürdigung C87, F9 f., F33, F50a, F67, F69e, F75, F102 – Gläubigerbenachteiligungsvorsatz F62 ff., O130 ff. – grob fahrlässige Unkenntnis A6, A20, C4, C105, C111, C119g – Indizien C107 ff., F75 ff., O131 ff. – Indizwirkung der inkongruenten Deckung D59a, F10, F33c, F51, F54 f., F63 f., F96 – Insolvenzantrag B409, C1 f., C4, C9, C76, C95 ff., C102 ff., C133, D5, D119b, E1, E57, F78a, F100d – nach Insolvenzantrag C108 – Kenntnis der Überschuldung F79 – Kenntnis der wesentlichen Tatsachen C103 – Kenntnis vom Eröffnungsantrag C1, C9, C76, C95 ff., C102, C108, C131, C133, E1, E57, F100d – Liquiditätsgesamtlage C112, C114b f., F62 – maßgebender Zeitpunkt C101 f. – Mehrpersonenverhältnis F96

Stichwortverzeichnis – – – – – – – –

nachfolgende Kenntnis C102, F86 Nachweiserleichterung C102 ff. nahestehende Person C133 natürliche Betrachtungsweise positive Kenntnis C103, F62 Ratenzahlung F67a Ratenzahlungsbitte F69e Ratenzahlungsvereinbarung C108, F69a ff., F71 f., F83a ff. – Rechtsprechungsunterschied zwischen BGH und BAG C114a ff. – Rückgabe von Lastschriften C79, C90, C109, F38e, F38i, F76, F83c, F83g, F91 – Rückstände F69e, F81 f. – rückständige Arbeitnehmervergütung C110 ff. – rückständige Sozialversicherungsbeiträge C107, F67b, F80a, F87 ff. – Sanierungsbemühungen F64 – Scheckrückbelastungen C109 – schleppende Zahlungen C78b, C89, C113, F67a, F80, F83i, F91 – Schneeballsystem F76b – spiegelbildliche Beurteilung F63 – Stillhalteabkommen F77 – Stundungsbitte C79, C90, F83f – Überblick über Liquiditätslage C112 ff. – unklare Fassung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO F65a – Vermutung C104 ff., F65 ff. – Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO F62a, F65 ff. – vertröstendes Verhalten C88, C107 – Wegfall C102, C115 ff., C132, F70 – Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO F67c – Wiederaufnahme der Zahlungen C102, C108, C116, C132, F83h – Zahlungsunfähigkeit B457, C28, C97, C102 ff., C110 ff., F3, F7a, F9, F62 ff., F66 ff. – zwingende Umstände hinsichtlich Krise (§ 130 Abs. 2 InsO) C102 ff. Kenntniszurechnung C28, C117 ff., F62c – Anwendbarkeit des § 166 BGB C120 f., C124 – Behörden C119a ff., F73a ff. – behördenübergreifende Handlungs- und Informationseinheit C119b, C123 f., F73a ff. – Dienstleister C133a – Erbengemeinschaft C118a – ersuchende Behörde C119b, C122 – Gerichtsvollzieher C119a, F72 – Gesamtvertretung C118 – Handeln auf Weisung C120 – Hauptzollamt C119b, F72, F73f

– Informations- und Organisationspflicht C121 – innerhalb derselben Behörde C119h – mittelbare Zuwendung C126 – der Mittelsperson C126 – Möglichkeit des Datenaustauschs C124 – Organisation der Informationsweitergabe C121 ff. – Organmitglieder C117 – Prozessbevollmächtigter C119, F71 – Stellvertreter C120 – Trennung nach Zuständigkeit C119f – typischerweise aktenmäßig festgehaltenes Wissen C118 – Vertreter C119 ff. – Vollstreckungsbeamter C119 – Vollstreckungsersuchen C122 – Vollstreckungsstelle C119b – Weisung des Vertretenen C119 f., C126 – zwischen Behörden C122, C124 f. Kerntheorie B91, B275, B282, B432, B435, B542, B567, B600, C12a, C15, G56a, M20 f., M44, M90b, M111 ff., M121 KG – nahestehende Person K22 Klageänderung B725 f. – Austausch des Anfechtungstatbestandes B725 – Übergang zu Bereicherungsanspruch B725 – Wertersatz statt Rückgewähr B726 Klageantrag – Unternehmensrückübertragung P59 Klageart B722 ff. Klagerücknahme B19 Kollision – von Sicherungsrechten A41 Kompensation B328 ff. Komplementär-GmbH B222 ff. – nahestehende Person K23 ff. Kongruente Deckung (§ 130 InsO) – Abänderungsvertrag C7a – Abbuchungsauftrag C22a, D35a, D59b – Abgrenzung zu § 132 InsO C6 ff. – Absonderungsberechtigter C14 f. – AGB-Banken C21, C47, C55, C58, C61, C66, D54, D71, D105 – Anfechtungsgegner B703 ff., C17 – Anfechtungszeitraum C100 – Anwaltsvertrag C33 – Anweisung des Schuldners C17, C19, F94 – Arbeitnehmervergütung C110 ff. – Auffangtatbestand C5 – Aufrechnung C24 ff., C32 ff., C40 ff. – Ausschluss der zwangsweisen Durchsetzung C9

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Stichwortverzeichnis – Bankverrechnungen C40 ff. – siehe auch Kontokorrentverrechnung – Bargeschäft C45, C49 ff., O9, O57 ff. – Bauhandwerkersicherung C70 f., D114a – Befriedigung C23 ff. – Begriff C20 – Besitz, Besitzergreifung C15 f. – Beweiserleichterung C104 ff. – Beweislast C127 ff. – Bugwelleneffekt bei Zahlungsunfähigkeitsprüfung C81a – Direktzahlung C23a, C70, C79, C84 – siehe auch Direktzahlung – Doppelberücksichtigung bei Bürgschaft C12 – Eigentumsvorbehalt C21 – Erfüllungssurrogat C23 – ermöglichende Rechtshandlung C2 f. – Eröffnungsantrag C95 ff. – siehe auch Eröffnungsantrag – Feststellung der Zahlungsunfähigkeit C82 ff. – Fortsetzung des Zahlungsverkehrs B205, C49 ff. – Frachtführerpfandrecht C72 – Freistellungsanspruch C13 – geringfügige Abweichung C22, D35, D114 – gesellschaftsrechtliche Verrechnung B189 ff. – gesetzliche Pfandrechte C72 – gesetzliches Zurückbehaltungsrecht C63 – Gewährung von Kundenschecks C57 – Gläubigergleichbehandlung C9, C95 – Globalzession C21, C28, C61 – hinreichend bestimmter Anspruch C21, D97 – Indizien für Gläubigerkenntnis C107 ff. – Indizien für Zahlungsunfähigkeit C87 ff. – Insolvenzgläubigerstellung C7 ff., C12 ff. – siehe auch Insolvenzgläubigerstellung – Kenntnis des Gläubigers C1, C4, C9, C76, C101 ff. – siehe auch Kenntnis des Anfechtungsgegners – Kenntnisindizien C107 ff. – Kenntnisvermutung C104 ff. – Kenntniszurechnung C117 ff. – Kongruenzvereinbarung C7a, C9, C23d, C23g, C23i – Kongruenzvereinbarung zwecks Baraustauschs C23i – Konkurrenzen C5 f. – Kontokorrent C29, C40 ff., C49 ff. – Kontosperre C47 – Kontoüberziehung C41 ff., D54 f. – Kreditfälligkeit C41, C47

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Kreditkartenzahlung C13c ff. Kreditkündigung C41, C46 Kundenscheck C57 Kündigungsgrund D56 künftiger Insolvenzgläubiger C12 f., C64 Lastschriftverfahren C22a, C58 f. Leistung an Erfüllungs Statt C23 Liquiditätsbilanz C82 Liquiditätsgesamtlage C112, C114b f. Margensicherheiten C73 ff. materielle Insolvenz C3, C8, C29, C76 ff., C97, C100 f. mittelbare Gläubigerbenachteiligung C10b, C11 mittelbare Zuwendung C12, C42, C58a, C126 nachträgliche Besicherung C62 nachträgliche Vereinbarung C70, D34 nahestehende Person (§§ 130 Abs. 3, 138 InsO) C133 f. Organschaft B227 Pfandrecht C12a, C19, C47, C55, C66, C69, C72 ff. Pfandrecht nach AGB-Banken C47, C55, C61, C66 Poolvertrag C66 Raumsicherung C61 Scheckzahlung C22 f., C56 f. selbstschuldnerischer Bürge C12 Sicherheiten C60 ff. Sicherheitentausch C55, C64 ff., C69 Skontoabzug C22, C35, C87 strenger Maßstab C22 subjektive Anfechtungsvoraussetzungen C101 ff. technisch-organisatorischer Verbund C15a Teilleistungen C22 Treuhand C64 ff. Überlassung von Kundenschecks C57 Verdrängung des Prioritätsprinzips C9 vereinbarte Verrechnung C45 Vereinbarung über Direktzahlung C23a ff., C70 vermeintliche Schuld C23 Vermieterpfandrecht C19 wechselseitige Rücksichtnahme D12 Wechselzahlung J4 Wegfall der Gläubigerkenntnis C115 ff. Werthaltigmachen abgetretener Forderung C2a, C18, C28, C37 f., C119e, C123 f. Wiederaufnahme der Zahlungen C132 Zahlungseinstellung C1, C3, C78 ff., C88 ff., C103, C109 ff. Zahlungsstockung C80 ff. Zahlungsunfähigkeit C1, C3 f., C9, C28, C76 ff., C92 ff., C101 ff.

Stichwortverzeichnis – Zurückbehaltungsrecht C63 Kongruente Sicherung (§ 130 InsO) – Bauhandwerkersicherung (§ 648a BGB) C70 f. – Begriff C60 – Kongruenz nur bei konkretem Anspruch C21, D111b, D113, D115 – Personalsicherheit C60 – Pfandrecht C19, C47, C55, C66, C72 – Sicherheitentausch C55, C69 – Unterdeckungnahme C69 – Vormerkung C60 – Zurückbehaltungsrecht C60 Kongruenzvereinbarungen O77a ff., O249c Konkludente Genehmigung B106, B114 f., B119, B710, C44, D55, D92, E29 f., M74, M84, M84a, O146 – siehe auch Lastschriftverfahren Konkretisierung B470, B476, C21, D75, D97, D99, D103 f., D115, F61, M63 Konkurrenz zum Bereicherungsrecht A42 f. Konkurrenz zum Deliktsrecht A38 ff. Konkurrenzverhältnis, konkurrieren A36 ff., B202, B205, B237, B700, B706, C17, D11, F8, F10, G6, G9, G78, G80, G82, H44, H104, H108 f. Konkursanfechtung A2 f., B214, B739, F100l, O1 ff. Konkursordnung A8, A46, B82, B122, B269, B432, B665, B674, E51, F2, F51, G2, G5, G27, G87, G118 f., J2 ff., N1 ff., M1, O1 ff., O7 ff. Kontenangleichung A44, B267 ff., B550 Konto N24 – debitorisches B105, B172, B287, B315, B414, B463, B491, B499, B547, B615, C18, C52, D57, D119c, G93 Kontoauflösung B473 Kontoinhaber B114 f., C44, C50, M84a Kontokorrent B96, B261, B263, B270, B287 ff., B293, B439, B459, B548, C29, C40 f., C49 f., C54, D49, D54, D57, D119c, H76a, H76b, M20 ff., M64, M87, O54, O89, O136 ff., O225 ff. – Kündigung M22 – Tagesendsaldo B294 Kontokorrentabrede B291, C41, M22, O52, O54, O72, O108, O137 – Erlöschen M22 Kontokorrentbindung B291, B293, M22, M64 Kontokorrentkonto B422, B597, C47 Kontokorrentkredit B436, C45, C48, D54, H76b, O142, O144b, O216 – siehe auch Dispositionskredit, Überziehungskredit Kontokorrentverrechnung B287 ff., B291, B550, C10, C40, C52 f., H76a

– anfechtungsfeste Verrechnungsvereinbarung C45 – Bargeschäft B287, C45, C49, C54, C114a, O136 ff., O225 ff. – Bürgschaft der Bank D57, D107 – eigennützige Verrechnung C54, D57 – Entstehung der Schlusssaldoforderung B96, M20 ff. – Fortsetzung der Giroabrede B287, C49, D95 – geduldete Kontoüberziehung C41, C43, D54 – Gläubigerbenachteiligung B287 ff. – Grundsatzurteil B287, C50 – kongruente B287, C40 ff. – konkludente Krediterweiterung C44, D54 – Kontosperre C47, D54, D95, D106 f., D115 – Kreditkündigung C41, C44 ff., C79, D54, D56 f., D92 ff., D109 – Kreditobergrenze als Anfechtungsbeschränkung C49a – Kündigung durch Schuldner C46 – Maßgeblichkeit des gesamten Anfechtungszeitraums D57, D119d – bei Sicherungsabtretung B289 – Überschreiten der Zahlstellenfunktion D57 – Unmaßgeblichkeit des höchsten Sollstandes C52, D57 – Zahlstellenfunktion D57 Kontopfändung B504 ff., B568, C43, D61, F98 Kontosperre B16, C47, D54, D95, D106 f., D115 Kontoüberziehung B129, B380 f., B408 f., B535, B553, B661, C41 ff., D54 f., D92, F19 Konzern, Konzernverbund B203, B448, C92, C117, G76, G91 Konzernverrechnungsklausel B295, D53, M18 Kostenerstattungsprinzip E54 Kostenpauschale B458 Kraftfahrzeugversicherung G73 Krankenhaus O187, O196 Krankenkasse B514, F82 – Beiträge O207 ff., O241 ff. Krankenversicherung D26 – Privatversicherungsbeiträge O206a Kredit – eigenkapitalersetzender A2, A33, B298, B575, B619, C86, H11, H21 f., H28, H65, H90, O18, O144b, O168 – ernsthaftes Einfordern C44, C83, C109 – Erweiterung C44, D54 f. – konkludente Erweiterung D55, D92

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Stichwortverzeichnis – Kündigung B436, B441, B448, B644, C41, C44 ff., C103, D54, D56 f., D92 ff., G95, M22 – Rückführung vor Fristablauf C48 – Rückzahlung vor Fälligkeit B644, D24, D28, D88, D92 ff. – Tilgung B172 ff., B618, C45, C51, D95, H22, H28, H54 – zweckgebundener B324, B373, B404, B427, B499, B501, B552 Kreditbedingungen E40, H10 Kreditbesicherung im Konzern O200 Kreditgeber A39, B85, B404, B434, B436, G99, H46, H57, H59, H76a, H82 Kreditgewährung B382, B409, B434, C43 f., D54, E26, E42, E108 f., G59, G59f, G90, G90a, H5, H42, H52, H90, H99, M87 – Bargeschäft O3, O32, O52, O54, O72, O97, O106, O11, O113, O131b, O142, O153 – konkludente C44, D55 Kreditinstitut A47g, B109, B118, B408 f., B457, B461, B595, B600, C43 f., C48, D43, E36, F79, M71, M74 f., M75a, M80, M85 – Scheckzahlungen J31 Kreditkartenzahlung C13c ff. Kreditlinie B270, B407, B409 f., B654, B661, C44, C46 f., C49 ff., D54 f., D81, D94 f., F98, F100e, F100f, M55, M71 Kreditsicherung H20, O53 ff., O138 ff. Kreditunwürdigkeit H5, H10, H16, H19 f., H77 – Indizien H10, H19 – Negativbeweis H20 Kreditvergabe – Koordinierte H65 Kreditwürdigkeit A39, C103 Krise – Bargeschäft O3 ff., O18, O42, O47, O62, O67, O69, O84, O90, O98, O107, O114, O123, O136, O142, O153, O174, O176, O183, O185, O188, O194, O204, O224, O226, O236 ff. – Eintritt H12 – Entzug der Nutzung H24, H55a – Erkennbarkeit H7 f., H20 – Forderungserwerb B444, B447 ff., D46 – grob fahrlässige Unkenntnis A6, C4, C105, C119g – Indizien H10 – Kenntnis B164, B287, C121, F35, F37, H7, H20 – Nutzungsentgelt H90 – Stehenlassen – siehe dort – unwiderlegliche Vermutung A22, C104, C116, D2, D4, D119b, H16, H47, P157

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Krisenfinanzierung A33, H45, H47, H51, H65 – Entscheidung H7 f., H51 f. – Unerheblichkeit nach MoMiG H62e, H63c – unwiderlegliche Vermutung P157 Kundenforderung B444 ff. Kundenscheck B354, B461, B554, B641, C57, D35, D70 f., D105, O187 ff., O57, O59 ff., O66, O222 ff. Kundenwechsel C59, D69 Kündigung – Kontokorrentverhältnis M22 – Lebensversicherung B123, M68 f., M127 – Mietvertrag H93, H103, M133 – Mitgliedschaft B273, B388, G45 Kündigungserfordernis B123, B299, C18, C41, C44 ff., C79, D54, D56 f., D92 f., E12, E28, G95, H93, H103, M22, M69, M109, M127 f. Künftige Forderung A4, B67, B72, B79, B80, B94 f., B100, B102, B426, B453, B455, B461, B600, D110, M11 f., M15, M31, M38, M56 f., M60, M62, M66, M121

Lagerbestand B431 Lästigkeitswert B35, B428, B478 Lastschrift – Abbuchungsverfahren B103, M75 – Adressat der Genehmigung B120 – Anfechtbarkeit B105, B110, B119 f. – Bargeschäft B113, M17, M83, M86, O21, O54, O57, O131, O145 ff., O227, O228 f. – Belastungsbuchung B558 – debitorisches Konto B105, B315 – Differenzen in BGH-Rechtsprechung M80 – Einlösung B103, C58, M75 – Einziehungsermächtigungsverfahren B37, B63, B104, B119, F16a, M17, M76 – Erstattungsanspruch (SEPA) B111 – Fußstapfentheorie B106 – Genehmigung durch Verwalter B106 f., B118 – Genehmigung nach AGB-Banken B12, B106, E30, M75a – Genehmigungstheorie B104, B107, B109, M77 ff. – Guthabenbasis B115 – konkludente Genehmigung B106, B114 f., B119, E29 f., M84, M84a – mehrere Folgeabbuchungen B117, M84b – Nachdisposition M75a – Prüffrist B114 f. – regelmäßig wiederkehrende Zahlungen B114, E30, M84, M84b

Stichwortverzeichnis – Rückwirkung der Genehmigung B63, B118, M86 – Schwankungsbreite B114 – schwebende Verfügung B105, M86 – SEPA-Lastschriftverfahren B109 ff., M80 ff., O103b, O152 – Sicherstellung Kontodeckung B115 – unternehmerischer Geschäftsverkehr B114 ff., C22a, D35a, E30, M84 – Valutaverhältnis B107, M77 ff. – Verbraucher B117, M84, M84b – Verfahren B10, B13, B63, B103 ff., B109 ff., C58, D35, M80 ff. – Vorbehalt des Eingangs B103 – Vordisposition M75a – Weiterbenutzung des Kontos B114 – Widerruf B10, B106, B109, B115, B160, B616, M76, M79 f. – Zeitpunkt der Genehmigung B104 f., B118 f., B558, M17, M77, M83 Lastschriftermächtigung – fehlende B10 Lastschriftgläubiger B109, B119, M80 Leasing G69b, M53, O86, O145 ff. Leasingforderung B89, M53 Leasingraten M53, O86, O145, O149, O167 – Stundung bei Gesellschaftersicherung P155 Lebenserfahrung B306, B385, C108, F78, I2 Lebenspartner K3 f. – nahestehende Person K13 Lebensversicherung B71, B121 ff., B331 ff., B522 ff., B602, E48a, G59b ff., G107, G113, M68, M92a, M126 – Ablaufleistung B123 – anfechtbare Leistung P69 ff. – Bezugsberechtigung P18 – Bezugsrechtsänderung G116a ff. – Direktversicherung B341, B522 ff., B529, B531, B579, D40, G108 – Entgeltumwandlung B151, B152, B529 f., G108 – Kündigung B123, B125, B602, M126 ff. – Leistungszeitpunkt P70 – mittelbare Zuwendung G116b – Prämienzahlung G116 – Rückdeckungsversicherung B122, B522, M126 – Rückkaufswert B71, B122 ff., B528, B602, D40, E48a, G59c, G109, G115, M92a, M126, M129 – Teilbarkeit B123 f., B394a, M129 – Umwandlung zwecks Pfändungsschutzes B14, B128 – unwiderrufliches Bezugsrecht B121, B126, B330 ff., B524, B527, B528, B531, G109 ff., G111a, M92, M92a

– Versicherungsfall B121, B332, B525, B528, G109, G113 ff., M68 f., M92 – Versicherungssumme B121, B523, B525, B532, G109, G113, G116, M92, M127 f. – Vertrag zugunsten Dritter G107 ff., P67 ff. – Vertragsaufspaltung B123, B124 – widerrufliches Bezugsrecht B121 ff., B331 ff., B524, B525, G113 ff., M92, M126 Leistung – an Erfüllungs statt C23, D45, D59, G23, H73 – erfüllungshalber B633, C23, D45, D59, F59, F83, G23, H73, M88, J30 – sicherungshalber B289, B378, B426, B461, B473, B547, B567, B598, B600, M124 – unentgeltliche – siehe Unentgeltliche Leistung – verfrühte B643 f., D27, D87 f. Leistung an Dritte O40 ff. Leistung an Erfüllungs statt C23, D45, D59, G23, H73 Leistungsäquivalenz O16 ff. Leistungsaustausch C53, E13, G31, G33, G37, M17, M68 – zeitlicher Zusammenhang bei Bargeschäft O78 ff. Leistungsbegriff – bereicherungsrechtlicher B6, B85, B171, B173 ff., B189, B200, B220, B237, B247, B249, B705 f., D21, G19, G82 ff., G101 Leistungsbeziehung B85, B173, B188, B193, B207 f., B706, G14, G70, G72, G79 – mehrseitige B183, B199, B216, D21 – vorrangige B85, B173 Leistungsempfänger B85, B164, B231, B236, B374, B705, B708, C17, C58a, F12, F49, F50, F100f, G14, G29, G31a, G32a, G42a, G43, G45b, G57, G59c f., G83f, G127, Q5 Leistungserbringung B8, B654, C28, G64, G74 Leistungskette B129 f., B212, B247, G82 Leistungsmittler B129, B160, B171, B175, B202 ff., B210 ff., B247 f., B374, B705, C58a, F12 f., G9, G105, O131b, O144, O144a – eigener Vorteil B171, B705, F13, F100a ff. Leistungsverhältnis B160 f., B171, B201, B208 Leistungsverweigerungsrecht B230, B258, C70 f., C79, D84, D97, H54 f., H55a – Geschäftsführer H55 Leistungszeitpunkt – Lebensversicherung P70

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Stichwortverzeichnis Leistungszweck – vorrangiger B85, B173 Letter of intent B243, C31, D51, G26, G69 Lex causae A47b, A47j Lex fori concursus A47b, A47j Lieferant B348, B554, B648, D81, E34, F83b Lili Marleen B260, C28, M41, M90 Liquidation B183, B319, B576, F46, H3, H5 Liquiditätsbilanz C82, C127, F17d Liquiditätsprobleme B115, B208, B243, C50, C78, C81, C110, C124, D124, F49, F50, G38, G72, H64 LKW-Maut B169, B170, D21a Lohn B215, B514, B518 f., B531, B595, B676, C79, C89, C110, C112 ff., F68, F100b, H19 Lohnabrechnung B514 Lohnrückstand B676, B726, C110, C112 ff., F68, O83, O175 Lohnsteuer B517, B519 f., O178 ff. Lohnsteuerklasse B389 Lohnzahlungen C113, C114a, O174 ff., O239 f. Löschung B319, B441 Löschungsbewilligung B35, B462, M100 Lösungsklausel B269, B588, B589, F84 Luftfahrzeuge T2 – Register A13, B51, M1, M99

Mängelbeseitigung

B83, B258, M42 – Kosten B258 Mängeleinwand B258 Marge bei Eigentumsvorbehalt B68, B421, B422, B456, B561, M35 Margensicherheit C73 ff. Marktüblicher Zinssatz B298, B339, B593, E40 Marktwert E39, E42 Massebereicherung B185, B459 Massekostenarmut B307, B734 Masseschmälerung B55, B558, B643, D27, D117, E27, E51, F95 Masseunzulänglichkeit B306 f., B385, B386, B699, B734, C16 Masseverbindlichkeit B308, B357, B365, C11, C16, F18, G69a, H43, H91, M77, M79 Materielle Insolvenz A14, A16, A18 f., B76, B108, B209, C3, C8, C29, C76, C97, D6, E20, F7, G65, G88, H54 f., H102, H105, L19, L24, L26 f., L29, M79 Mehraktige Rechtshandlungen B4, B57, B62 ff., B97, B103, B105, B119, M7, M16 ff., M23, M25, M32, M72, M89, M97, P82

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– bedingte und befristete Rechtshandlungen B65, M109 ff. – devisenrechtliche Genehmigung B63, M24 – Genehmigung B63 – gesicherte Rechtsposition B8, B62, B66, B71 – Maßgeblichkeit des letzten Teilakts B62, B97, M23, M25 – registerrechtliche Eintragung B64, M1, M97 – Werthaltigmachen von Forderungen B75 ff., B234 ff., C2a, C18, C28, C119e, C124, D104, M41 ff., M54 Mehrere Rechtshandlungen B57 ff. – Abtretung und Befriedigung B60 – getrennte Beurteilung B57 – mittelbare Zuwendung – siehe dort – Pfändung und Befriedigung B60 – Trennung von Grund- und Erfüllungsgeschäft B58 – verlängerter Eigentumsvorbehalt B60 – wirtschaftliche Betrachtung B57, B61 Mehrfachkondiktion B85, B193, B237 Mehrpersonenverhältnis B119, B129 ff., B204, B206, B224, B226, B242, B246 ff., B705, D20, D78, F92 ff., F100h, G9, G12, G14, G55, G70, G77, G83g, G83j, G83l, O41, O48, O52, O71, O220 – Abgrenzung mittelbare Zuwendung und Leistungskette B104b ff. – Anweisung auf Kredit – siehe dort – Anweisung auf Schuld – siehe dort – Direktzahlung – siehe dort Mehrpersonenverhältnis (§ 134 InsO) – Anweisungsfälle B119, B136 ff., B152 f., B156 ff., B183 ff., B190 ff., B199 ff., B210 ff., B222 f., G55a, G65b, G83a, G83q – Doppelinsolvenz G9, G127 – Doppelwirkung der schuldnerischen Leistung B236, G59c – Einfluss des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs B19a ff. – konkurrierender Anspruch aus Deckungsanfechtung G9, G78, G80, G82, G83a – Kritik in Rechtsprechung und Schrifttum G70 ff. – Leistung des Schuldners auf eigene Schuld G65b, G65h, G68, G83l – Leistung des Zuwendungsempfängers nach Empfang G73a – Leistungskette B131, G82 – maßgebender Zeitpunkt G12, G31a, G60, G69a, G73a – objektive Betrachtungsweise des BGH G32 ff., G39, G42a, G60, G73a, G90

Stichwortverzeichnis – Tilgung fremder Schuld G57 ff., G65b – Verpflichtung des Schuldners gegenüber Drittem G65b ff., G83n ff. – Verschlechterung der Quote G72a, G61 f., G100 – Vorrang der Deckungsanfechtung G7, G78, G80, G127 – werthaltige Außenstände des Drittschuldners G65, G127 – werthaltiger Regressanspruch des Drittschuldners G62, G64 – Zahlstellenfunktion B150, B170, B174, B196 f., B270, B287 f., B290, F36, F100c ff., G55a, G83p Mehrseitige Rechtsbeziehung B12, B183, B199, B216, D21 Mehrwert B83, B456, M42 Mehrwertsteuer – Rückgewähranspruch P15 Miet- oder Pachtzinsen B90, H14, M52, O51, O86, O143, O149, O167 f. Mietforderung B88, B90, B101, B452, B649, D53e, D118, M48, M50 f., M59, M60 ff., M73, M132 f. Mietkonto B497 Mietnebenkosten B256 f., B453, C30, M51 Mietverschaffungsvertrag BB363, B365 Mietvertrag B88, B90, B97, B256 f., B363, B366, B424, B451, B453, C30, D47, D53e, D118, E12, E51, F18, G69a, H15, M48, M51 f., M57, M59, M61, M133, O168 – atypischer B88, B90, M52 – Aufhebung B90, B424, M52 – Nachtrag O28 Milchreferenzmenge B10, B43 Mitgesellschafter B269, H32, H63a Mitgliedschaft B273 ff., B388, G45, H25, H33, H56c, H58 f., H63 ff. – Gerichtsstand H25, I14 – Übertragung H63 ff. Mithaftung 217, B500 Mittelbare Gläubigerbenachteiligung B309, B334 f., B351 ff., B353, B355 ff., B365, B485, B576, B578, B626, B659, C10b, C11, D34, D120, E15, E41, E52, E60, F18, F39, G16, H31, O5, O44, O61, O143, O191 – Adäquanz B351, B625 – Aufwertung zu Masseverbindlichkeit B357, B365, C11, F18 – Eintrittszeitpunkt M13 – Entziehungsabsicht B335 – fehlende Gläubiger B353 – maßgeblicher Zeitpunkt B352 – Uneinbringlichkeit der Gegenleistung B355 – Vergütung für Sanierungsbemühungen B356

– Verlust der Gegenleistung B356 – Wegfall von Sicherungsrechten B356 – Wertsteigerung B356, B360, B485 – Wertverlust der Gegenleistung B356 Mittelbare Leistung – Vertrag zugunsten Dritter P67 ff. Mittelbare Zuwendung – Abgrenzung gegenüber Leistungskette B132 ff. – Abgrenzung gegenüber Rechtsnachfolge (§ 145 InsO) B132 ff. – Abtretung B234 ff. – Anfechtung gegenüber Mittelsperson B55, B119, B170, B194, B705, C17, F92 ff. – Anfechtungsansprüche P47 – Anweisung auf Kredit B162, B321, B603 – Anweisung auf Schuld B162, B603 – Anweisung des Drittschuldners B160, B201 – Anweisung des Schuldners B188, B193, C19, D59a, D79, D84 – Bargeschäft O143, O210, O211, O242, O244 f. – Begriff B129 – bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff B85, B119, B171, B173 ff., B237, B247, B249, B705 f., D21, G82 ff., G101 – Direktzahlung B130, B134, B153, B155, B325 – Doppelwirkung der Leistung B131, B231, B236, B250, D19b, G59c – eigene Leistungspflicht des Leistungsmittlers B226 – Einzugsstellen B158, B169, B170, B514, B517 f. – entgeltliche Kausalbeziehung zu Drittschuldner B135, B143, B146, B150 f. – Erkennbarkeit für Leistungsempfänger B129, B184, B212, B231, B240, B369, B378, B411, B535, B553, D19b, F100j – geduldete Kontoüberziehung B134, B162, B372, B381 – Kenntniszurechnung C126 – konkurrierende Anfechtungsansprüche B138, B141, B205, B700 – Lebensversicherung G107 – Leistung an Empfangsbevollmächtigten B164 ff. – Streckengeschäft B133 – Tilgung eigener und fremder Schuld B216 ff. – Tilgung eigener Schuld durch Mittelsperson B250 – Tilgung fremder Schuld B171 ff., B199 ff., B210 ff., B216 ff., B222 ff., B249, B706, C7, C12, D20, D80, E6 f., G83a – Treuhänder als Mittelsperson B130, B139, B167, B169, B194 ff., B313, B492

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Stichwortverzeichnis – Versicherungsleistung G116b – Versicherungsmakler B287, F100g – Zwangsverwalter B170 – zweckgebundener Kredit B130, B134 Mittelsperson B55, B61, B119, B129 f., B164, B170, B185, B194 ff., B215, B250, B313, B369, B370, B381, B411, B492, B535, B705, C17, C126, D21, D59a, F94, G14, G105, H57, M32a – eigener Vorteil B171, B194, B196, B705, F12, F92 – Versicherungsmakler B287, F100g – Vorsatzanfechtung F12, F92 – Zahlstellenfunktion B150, B170, B174, B196 f., B270, B287 ff., C13c ff., F100c ff., G55a, G83p, H76a Mitwirkung – an Vertragsbruch A41 Mitwirkung des Schuldners A41, B25, B30, B37, B41, B98, B208, B391, B393, B614, D82, G19, G24 Mobiliarsicherheiten H91, O138 ff., P77 MoMiG A47d, B345, B573, B720, C86, H11, H21 ff., H28, H31 ff., H45 f., H48, H51a, H53 f., H63c, H63e, H66, H88 ff., I1, I9, I33 Monatsfrist – Sicherung N11 Muttergesellschaft A40, B172 f., B190, B317, B448 f., B578, C92, C116, F91, G59, G90, H52b

Nachbesicherung

C73, F85, G59e, G95 f., G98 ff. Nachlass B217, B523 Nachlassinsolvenzverfahren G59b Nachlassverbindlichkeit R6 Nachtragsliquidation B319 Nachunternehmer B639, D84 Nachweiserleichterung B653 f., C104, C131, C133, D7, D124 f., E59, F26, F62a, F100, F106, F115 f., H20, H106 f. – siehe auch Beweiserleichterung Nahestehende Person B712, C133, D126, F11, F18, F103a, F106 f., F109, F114 ff., G117, H56, H64a, H108, K1 ff. – abhängiges Unternehmen K27 – Angehörige, Begriff K1 ff. – Aufsichtsratsmitglieder K30 – Beweislastregel K5 – Beweislastumkehr K9 – dienstvertragliche Verbindung K29 – Ehegatte K11 ff. – Führungs- oder Leitungsverhältnis K30 – Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit K22

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– gesellschaftsrechtliche Verbindungen K18 – Gutgläubigkeit R18 ff. – häusliche Gemeinschaft K16 – Informationsvorsprung K5 – Insidergedanke K9 – Jahresfrist K15 – juristische Person K22 ff. – KG K22 – Komplementär GmbH K23 ff. – Lebenspartner K13 – OHG K22 – Organmitglied K19 – Schwestergesellschaften K28 – Steuerberater F103a – Verwandte K14 – Vorstandsmitglieder K30 Näheverhältnis – Kündigung des Beratervertrages K29b – maßgeblicher Zeitraum K8a Nebenkosten B256 f., B453, C30, D47, D53e, M51 Negativsaldo B469 Nennwert der Forderung B266, B359 Nettolohn B388, B520 Neubestellung – abstrakte Sicherheiten Q11 Neuvalutierung B564, C69 Nichtabführung – Sozialversicherungsbeiträge C88, C107 Nichtbeachten von Fristen B19 Nichteheliche Lebensgemeinschaft B663, G124 Nichterfüllung B639, C85, C109, F91, M133 Nichterheben – prozessualer Einrede B19 Nichtig B35, B312, B319, B667, B675, G13, G25, G42, I13, L11 Nichtleistungskondiktion B245, B616 Nichtschuld A43, E27, G20, G44, G72 Nichtvalutierung B98, M57 Nießbrauch B217, G48, H58 Noch nicht zu beanspruchen A21, D37, D86 ff. Normzweck J1 ff., N3 ff., O4 ff., O81, O111, O126, O195 Notar, notariell A49, B462, G124, H63b, M102, M105 Notverkauf E39, G40 Novellenregeln H16 ff., H21, H28 Nutzen – Prozesskostenhilfe B732 – unmittelbarer wirtschaftlicher B34, B47, B259, B403, B539, B549, C38, D48, E16, E41, E46, G19, H14, H101, M54b

Stichwortverzeichnis Nutzungen, Nutzung B34, B47, B262, B298, B487, B644, B681, D24, D49, G19, H14, H98, H101 ff. – Herausgabe P99 ff. Nutzungsentgelt H90, H95, H98 ff. – siehe auch Miete, Pacht Nutzungsrecht B340, B400, H14 f. – unpfändbares B340, G48 Nutzungsüberlassung (§ 135 Abs. 3 InsO) B71, H13 ff., H24, H30, H42 ff., H53, H59, H90 ff., H99, M132, O168 – siehe auch Gebrauchsüberlassung – anfechtbare Entgeltteile H99 f. – Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO H90b, H100, H103 – Anspruch auf unentgeltliche Überlassung H90 – Ausgleichsanspruch nach § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO H43, H91, H96 ff., H99 – Aussonderungsbeschränkung H43 – bargeschäftsähnliche Mietzahlung H90a – Beendigung des Nutzungsverhältnisses erforderlich H93a – Beendigung des Nutzungsverhältnisses vor Insolvenzeröffnung H102 ff. – Bemessung des Ausgleichsanspruchs H96 ff. – Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter H101 – erhebliche Bedeutung für schuldnerisches Unternehmen H91 ff., H102 – Gesellschafterinsolvenz H101 – gesellschaftliche Treuepflicht H105 – Gesetzesbegründung H90, H92, H93 f., H97, H105 – gesetzliches Schuldverhältnis H95 – kein Anfechtungstatbestand H44, H91, H104, H109 – keine Gleichstellung mit Darlehen H90 ff. – Konkurrenzen H104, H108 f. – laufendes Nutzungsentgelt H90b – Leistungsverweigerungsrecht vor Insolvenzeröffnung H105 – maßgebender Zeitpunkt für Ausgleichsanspruch H98a – pünktliche Zahlung des Nutzungsentgelts H90b – Stundung H90a – Verhältnis zu den §§ 103 ff. InsO H92b ff. – Vorrang von Grundpfandrechten Dritter H101 – Zuordnung zu den §§ 103 ff. InsO H91, H93 ff. Nutzungszeitraum B101, B452, D66a, M48, M62, M73

Objektverwaltung B495 Obligatorischer Rückgewähranspruch A8, B665, B668 Oder-Konto B311, B427 Öffentliche Abgaben B715, O178 ff. Öffentliche Bekanntmachung C131 Öffentlicher Glaube A13, M1 OHG – nahestehende Person K22 Option B14, B54, B300, H95 Orderpapier – Anfechtungsanspruch P57 Organgesellschaft B221, C12a, D18, D95a, F63c Organisationspflicht bei Kenntniszurechnung C121 Organmitglied C117 – nahestehende Person K19 Organschaft B227 ff., C12a, D17, D95a, F63c Organträger B228, B230, B231, C12a, D17 ff., D95a, F63c Pacht

B48, B199, B300, E24, H93, H101, O152 ff. Pachtablösung B160, B199 Panzerbrücken-Fall C34 ff., E44 ff., O38 Par condicio creditorum A14, A18, B270, B348, B649, B740, C8, D12, E4, F6, O180 Passiva B57, B309, B314, B328, B647, E59 Patronatserklärung C92, C116, H52b, H75, H81 – konzernexterne C92 – konzerninterne C92 Pensionszusage M68 Person – nahestehende – siehe Nahestehende Person Personal B269, B275, G3, G21 Personalsicherheit C60, H81 Personenrechtliche Vorgänge B40 Persönlichkeitsrecht B388 Pfandgegenstand B476, B596, D75, D103, M15, M63 Pfandgläubiger – Zustimmung zur Kündigung B123, M69, M127 Pfandrecht – AGB-Banken B94, B96, B98 f., B289, B426, B438 f., B447 ff., B460, B464, B475, B547, B565, C47, C55, C66, D54, D58, D75, D103, D106, M31, M58a, M63 ff., M64a – Bargeschäft – siehe dort – Begründung B94, B98 ff., B450, D117 f., M57 f.

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Stichwortverzeichnis – an bestehendem Recht B93, D117, M55 – Bestellung B95 f., B100 ff., B450, D75, D103, D117 f., M15, M56 ff. – Doppelsicherung B97, B101 f., B451 ff., M62, M73 ff. – an eigener Schuld B100 – Einrede der Nichtvalutierung B98, M57 – Entstehung B94 ff., B102, B450, B527, D95, D110, D117 f., M15, M31, M38, M55 ff., M59 ff., M63a, M65 ff., M70, M118, M127 – forderungsloses B98 – Frachtführer C72, D96, D112, O41, O48, O116 – Freigabe B505, B512, C47, D106 – gegenwärtiges B101, M73 – Geschäftsanteil M65, M67, M114 – gesetzliches B430, C72, D118, M57 ff. – an Herausgabeanspruch B100, B289, B426, B438 f., B460, B464 f., B475, B565, C47, C55 – insolvenzfestes B102, B407, C69, M57, M59 f., M69, M114, M128 – Kommissionär D96 – Kontokorrentforderung B96, M64 – Kreditlinie M71 – für künftige Forderung B93 ff., B97 f., B450, D107, D115 f., D117 f., M15, M56, M58, M61 – an künftiger Forderung B93 ff., B100, B102, B123, B292, B450, B452, B527, D66a, D110, D117, M15, M31, M38, M55 ff., M61, M67, M118, M127 ff. – Mietforderung B451 ff. – nachträgliche Unterlegung B100, B444 ff., B449, C69, D116, M63 – Neuvalutierung C69 – Rang B102 – rechtsgeschäftliches B97, D117, M57 ff. – Unterlegung durch gesicherte Forderung B444 ff., D116, M63 – Vermieter D96, M57, M59 ff., M118 – Versicherungsanspruch M68 f. – Verzicht G21 – Werkunternehmer D96 – Werthaltigmachen B508, D117, F16a, F61a, M58 Pfandreife B123, C47, D106 Pfändung – anfechtungsfeste B60, B429, B439, B450, B455, B460, B596, D110, M59 f., M67, M70 – bestehende Forderung B93 f., B97 ff., M31 – bewegliche Sache M70 – Kreditlinie B407, F98, M55, M71

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– künftige Forderung B94 ff., B452, D110, F16a, M31, M38, M55, M61, M70, M118, M133 – Werthaltigmachen F16a Pfändungs- und Überweisungsbeschluss B93, B451, B504, D110, M31, M133 – Werthaltigmachen F16a Pfändungsmaßnahmen – Zwangsvollstreckung N13, N19, N24 Pfändungspfandrecht B450, B452, B508 f., B596, H70, M55, M58a, N28 Pflichtteilsanspruch B392 f., B646 Pflichtteilsergänzungsanspruch B127 Pflichtteilsverzicht B41, G47 Plan, einheitlicher B156, B161, M23 Planmäßiges Zusammenwirken A39, A41 Poolführer B174 ff., O144, O235 Poolvertrag B174 ff., B319, B436, B438 f., B565 f., C66, C69, O235 Potestativbedingung M118 Prämie B121, B124, B127, B341, B526, B528, B529, B534, B579, F100g, G59b ff., G73, G73a, G108 f., G116, M129 Preis – überhöhter C6, D42, E49 Primäranspruch – Anfechtung P47 ff. Primat – der Anfechtung N3 Prioritätsprinzip A18, B198, C9, D61, F5, F7, F7a, F9a, F13, F31, F52 Produktionsausfall B348, B648 Protest – bei Wechselzahlung J10, J11 ff. Provision auf Scheingewinne G44 Provisionsanspruch B92, G44, M45, M125, P74 – siehe auch Honorarforderung Prozessführung – Anfechtungsanspruch P172 Prozesshandlungen – Anfechtungsansprüche B13b, C18, G54, P78 Prozesskostenhilfe B521a, B682, B731 ff. – Arbeitnehmer B732 – ausreichende Insolvenzmasse B682 – Bundesagentur für Arbeit B732 – Finanzbehörden B732 – Massekostenarmut B734 – Masseunzulänglichkeit B734 – Quotenverbesserung B733 – Sozialversicherungsträger B732 – Teilklage B735 – wirtschaftlich Beteiligte B732 – Zumutbarkeit der Kostentragung B732 f. Prozesszinsen B681, P40 – Fälligkeit P107 Prüffrist bei Lastschrift B114, E30, M84, M84b

Stichwortverzeichnis

Quittung P63 Quote B208, B266, B310, B342, B359, B414, B682, B701, B733, G61, G72, G100, H87 Rangrücktritt

B573, C86, D96, G13, G30 f., H11, H32 f., H36, H63a ff., I16 – Durchsetzungssperre H76f – Leistung auf Nichtschuld H76e – qualifizierter H32 f., H76c – steuerrechtliche Probleme durch BGHRechtsprechung H76g – unspezifizierter H76g – Vertrag zugunsten Dritter H76c – Wegfallgewinn H76g Ratenzahlung, Ratenzahlungsvereinbarung B26, C79a, C83, C108, C116a, D63, F17a, F77 f., F83a ff., F98, G63, H63a ff. Raumsicherungsvertrag D104, M25 Realakt B10, B13, B15, B539, B670, E31, M41 f. – Abnahme der Werkleistung B16 – Besitzergreifung B17 – Bierbrauen B10 – steuerpflichtbegründende Handlungen B7 – Übergabe der Kaufsache B16 – Überlassung von Arbeitskräften B16 – Verbindung, Vermischung, Verarbeitung B16 – Werthaltigmachen der Aufrechnungslage B16 – Werthaltigmachen einer Pfändung B16 – Werthaltigmachen von Forderungen B16 – Werkherstellung B16 Reales Geschehen B354, B628, B630, B639, B641 f. Rechnungsposten – unselbständige B269, B550 Recht der beweglichen Sachen B81 Rechtlich getrennte Geschäfte B55, B61, E13 Rechtsänderung B10, B64, M26, L6, M107 – kraft Gesetzes B10 Rechtsbegründende Tatumstände B97, B256, D47, D118, M51, M59, M89, M109 f. Rechtsbehelf B296, B303, C2, E11, E55 Rechtsbeziehung siehe auch Mehrpersonenverhältnis – mehrseitige B12, B183, B199, B216, D21 Rechtsfolge – der Anfechtung A47a, B5 – der Aufrechnung B24, B259, C38, D48, M89 – der Gebrauchsüberlassung H42, H54, H95

– des Gesellschafterdarlehens H34, H46, H56b – Kenntnis des Schuldners B296 – Schluss des Anfechtungsgegners A20, C4, C105 – der Unterlassung B296, M33 – Wechselzahlungen J15 ff. Rechtsfolgenverweisung – Zufallshaftung P2 Rechtsgeschäft A16, A25, A31, A47i, B9, B12 ff., B63 f., B81, B218, B279, B281 f., B337, B510, C121, E1 ff., F87, F106, G3, G19, G28, G30, G32 f., M16 f., M24, M25a, M26a, M41, M44, M59, M110, M114, M118, M120 f., M133 – bedingtes B9, B282 – einheitliches B510 – einseitiges B14, E2, E28, E47 ff. – eintragungsbedürftiges M26, M26a, M97 ff. – mehrseitiges B12 – nichtiges B1, B312, B319, G25 – schuldrechtliches E13, E24 – teilbares B327, B689, B693 – treuhänderisches B529 – unwirksames B18 – weite Auslegung E24 Rechtsgeschäftlicher Zusammenhang O44 ff. Rechtsgeschäftsähnliche Handlung B13, B15, B16, E31, M41 – Abnahme des Werkes B16 – Abtretungsanzeige (§ 409 BGB) B15 – Erfüllungshandlungen B15 – Kontosperre B16 Rechtsgrund B70, B272, D15, D69, G87, G101, G124, H46, H58, H62, H62a, I12a, I15, M8, M16, M37, M40, M91, M94, M123 Rechtsgrundlos B245, D38a, D39, G13, G31, G42a, G44, G72 Rechtshängigkeit A37, B392, B646, B740 Rechtshandlung – Abnahme des Werkes B16, B557, C2a, M54 – Aufhebung eines Rangrücktritts B50 – Ausräumung Einrede B16, B84, C2a, C37, E46 – bargeldlose Zahlung B25 – bedingte B69, M3, M70, M95, M109 ff., M118 ff., M130 – Beendigung B55 – befristete B65, B97, B282, L6, M49, M109 ff., M131 ff. – Doppelwirkung B231, B236, B250, D19b, G59c – eines Dritten B32 ff., H56, H64a

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Stichwortverzeichnis – einheitliche mit mehreren Rechtswirkungen B55 ff., B156, B375, B687, B697, M23 – Erbschaftsausschlagung, -verzicht B41 – erwirkte N21 – erzwungene B31, C83, C116a, D66, F83h, G5, G118 – Gesamtvorgang B4, B56, B129, B134, B140, B150, B247 – gesellschaftsrechtlicher Beschluss B50 – des Gläubigers B30 ff., D13, F14 – Handlungsbegriff N5 – isolierte Betrachtung B2, B57, B60, B251, B314, B328 ff., B647, M30 – Kontokorrentabrede B22 – Kündigung – siehe dort – Lastschrift – siehe dort – mehraktige B4, B57, B62 ff., B97, B103, B105, B119, M7, M16 ff., M23 ff., M32, M72, M89, M97 – mehrere B57 ff., B156, M23 – mehrere Rechtswirkungen B4, B57, B236, B708 – Pflichtteilsverzicht B41 – Prozesshandlung B19 – des Schuldners B21 ff., B25, B43, B229, B313, B627, D61, E10, E36, E59, F1, F10 ff., F16a ff., F94, F101, G118 – siehe auch Rechtshandlung des Schuldners – selbstbestimmtes Verhalten B6, B23 ff., B43, F16c, F16d, G19a, H68 – Steuerberechnung nach § 16 ff. UStG B8 – Teilbarkeit B84, B123, B327, B350, B687 ff., B692 ff., E18 f., G40 f., G110 f., M43, M129 – Übergabe der Kaufsache B16, C2a, M41 – unmittelbar nachteilige A25 f., B244, E1 ff., E20 ff., E51, I37 – Unterlassen einer Kündigung B299, C18, E55 – Unterlassen von Rechtsbehelfen B296, B303 f., C2, E11, E55, G21 – unterlassener Insolvenzantrag B300, E12 – Unternehmensveräußerung B51 – vereinzelnde Betrachtungsweise B4, B56, B543 – nach Verfahrenseröffnung T1 ff. – verschiedene B60 – Vertragsschluss B3, B5 – Verzicht B14, B19, B40 f., B53 f., B424 – Vollendung B55, B62, B69 ff., B84, B93, B97, B334, B485, E61, M15 ff., M25 f., M31, M38, M70, M74, M77, M86, M94 – des vorläufigen Insolvenzverwalters B7, B20, B35 f., B38, B120, E29 – weite Auslegung B6, B200, C120 – Wirksamwerden nach Insolvenzeröffnung A13, B557, H88, M1, M104 ff.

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– Wirkung A12, B2, B10, B34, B55, B62 ff., B81, B95 ff., B236, B343, B511, B527, M130 ff. – wirtschaftliche Betrachtungsweise – siehe dort – Zwangsvollstreckung N19 ff. Rechtshandlung des Schuldners – Abwendung der Zwangsvollstreckung B23, F16b – aktive Vollstreckungsförderung B27 – Duldung der Zwangsvollstreckung B23 – fehlende Handlungsalternative B24, F16c, F16e – Förderung der Pfändung B27 f., F16c – freier Willensentschluss B23 f., F16c – Kassenauffüllung B27 – Kassenpfändung B27 – Kreditabruf B22, F16a – Lastschriftverfahren B10, B13, B37 – Mitwirkung ausreichend B25, B30 – Ratenzahlungen in Zwangsvollstreckung B26 – Scheckübergabe B25 – selbstbestimmtes Verhalten B6, B23 ff., F7c, F16c f., F69b, H68 – Unterlassen – siehe dort – Verheimlichen von Vermögensgegenständen B27, B622 – Verschaffung eines Vollstreckungstitels B27 – verspätete Insolvenzantragstellung B300 – weite Auslegung B6 Rechtskrafterstreckung A37 Rechtsmissbrauch B108, D60, F54, G39, H46, H49, H58, H62, M79 Rechtsmittel – Nichteinlegen B19, B303, G21 – Rücknahme B19 Rechtsnachfolge A36, B666 f., B676 f., B719, B725, B739, H15, H64 – mehrfache R4 Rechtsnachfolger – Anfechtungsgegner R1 ff. – unentgeltlicher Erwerb R19 Rechtsnatur – Anfechtungsanspruch A9, B506 ff., P11 ff. – Hilfsgeschäft G87 – Patronatserklärung H52 Rechtsposition – formale B185, B346, B478, B592, F92, G25 Rechtsscheinhaftung B702 Rechtsstellung – gesicherte B62, B66, B71, B88, B123, B257, B300, B421, B490, B528, D110, F89, G111, G114, G119, M25, M30, M34, M44, M48, M60, M64, M67, M92,

Stichwortverzeichnis M99, M102, M107, M111, M114 f., M121, M126, M133 Rechtsübergang B10, B33, B43, B70 f., B78, B81, B126, B253, B538, M10 f., M25, M34, M48, M91, M122 Rechtsvorgänger B673 Rechtsweg B714, B715 f., B719 Rechtswirkung B4, B10, B11, B15, B45, B57, B62, B95, B236, B251, B289, B396, B461, B636, B677, B708, C25, C97, G114, M41, M127 Refinanzierungsdarlehen M28 f. Regelungslücke A26, E11, H16, H34, H63e, H87, I33, L9 Regressanspruch B209, B220, G62, G64, H70, M91, M123 – Wechselzahlung J5 Regressverlust – Wechselzahlung J7 Reifenhandel B451 Relative Unwirksamkeit A8, B665, M30 Rentenstammrecht B124, M39 Rentenzahlungen B388, E9, M39, M126 Restschuldversicherung B532 ff. Risikokapital H51 f., H63e, I8 Rohbauarbeiten B251, B633 Rückabtretung P55 ff. Rückabwicklung B3, B237, B266, B689, E19, G81, G87, M28 f. – Veräußerungshandlungen P1 ff. Rückbelastung B466 ff., C58, C79, C90, C109, D73, F70 Rückdeckungsversicherung B122, B522, M126 Rückforderung A42 f., B52, B206, B392, B716, D88, G25, G44, G59e, G96, H34 – Scheingewinne A43, B683 ff., D41, G43 ff., I26 Rückforderungsanspruch A42, B392, G25, G44, G59e, H34 – gesamte Versicherungssumme P68 Rückführung – weggegebene Gegenstände P11 ff. Rückführungsanspruch – keine Vollstreckungsabwehrklage P13 – als schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch P12 ff. Rückgabeansprüche – Orderpapier P57 – Unternehmensübertragung P59 Rückgabegegenstand – unentgeltliche Leistung P9 – Vermögensentziehung P7 – Verschlechterung P8 Rückgewähr – Aufrechnungslage B3, B266 – Einlage A35, G45, H32, I3 f., I11 ff., I17 ff., I24 ff.

– Gegenleistung B58, B121, B526, B652, G116 – gemischte Schenkung G41 – Saldierung B684, E17, G43 – teilweise E49 – unentgeltliche Leistungen P114 ff. – Unmöglichkeit B677, H74, H105, P112 – bei Vertretung C119 – vorzeitige D88 Rückgewähransprüche A8 f., A42 f., B384, B480, B572, B594, B613, B665, B668, B670, B672, B674 f., B679, B683, B685, B698, B720, E49, G41 ff., G100, M121 – Abtretung P42 ff. – bei Anweisung P66 – Barzahlungen P61 – beschränkte dingliche Rechte P53 ff. – bewegliche Sachen P52 – Dienstleistungen P60 – Fälligkeit P39 – Gegenstand P51 ff. – Geld P102 ff. – Grundstücke P53 ff. – grundstücksgleiche Rechte P53 ff. – Mehrwertsteuer P15 – Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters P40a – Verhältnis zur Einzelgläubigeranfechtung P32 ff. – Verwendungen P113 Rückgriffsanspruch B162, B224, B321, B371, B603, C23, E6, G64, G83j, H62j, H75, M120, M123 Rückgriffsschuldner – Wechsel J10 Rückkaufswert B71, B122 ff., B528, B602, D40, E48a, G59c, G109, G115, M92a, M126, M129 Rücklastschrift C79, C90, F83c, F91 Rücknahme B19, B113, C97, D54, L20, M104, M106 Rückschlagsperre A45, B87, D8, L1, L8, L18a, M47, N11 – Einschränkungen N11 Rückstand C88, C97, C107, C113 f., F73b, F82, F83f, F88 – Lohn C110, C113 f., F68 – Sozialversicherungsbeiträge C88, C97, C107, F88, F98 – Steuern C27 ff., C93, F81 f. Rückstandsanzeige D63 Rückübertragungsanspruch B316, B475, B553, M27, M30, M35a Rückwirkung A46, B34, B63, B118, F17c, H28a, H28b, M16 f., M86 Rückzahlung – gesellschaftergesichertes Gesellschaftsdarlehen P5

1181

Stichwortverzeichnis

Sachhaftung

B10, B15, B329 Sachleistungen O24 f., O171 Saldo, Sollsaldo B8, B96, B287, B290, B291 ff., B465, B469, B476, B500, B583, C41, D57 f., D71, F83c, H5, H76a, H76b, M20 ff., M64 Saldoanerkenntnis B293 Saldoforderung B293, M20 Saldotheorie A43a, B522 f., B683 ff. – Unanwendbarkeit B684, P14 Sanierung, Sanierungsbemühungen B306, B338, B356, B609, E16, E41, F37, F39 ff., F44b, F55, F64, F67b, F103, H67, H92 f. – Bargeschäft – siehe dort Sanierungsberater E16, O120, O173, O184 Sanierungsberatung E16, O197 ff., O202, O236 Sanierungshonorar B327, B692, E18 Sanierungskredit E40, F45 – Bargeschäft – siehe dort Sanierungsprivileg H67, H107, O47, O66 f. Satzung B273 ff., B730, D26, H3, H8 Saudi-Arabien B328, E32 Schadensersatz, Schadensersatzansprüche A38 f., A43, B258, B328, B351, B420, B562, B581, B625, B639, B647, B685, C54, C85, D100a, E22, F4, H94 Schädigung, sittenwidrige A38 ff. Scheck B24, B315, B354, B409, B461, B467 ff., B472, B554 f., B641, C22 f., C46, C56 f., C109, D35, D70 ff., D105, F11, F16b, F88, M19, M87 – siehe auch Scheckzahlungen – Einlösung B461, B467, B469, B555, C46, C56, C109, D71, M87 – Gutschrift B354, B467, B554, C56, D73, M87 – Inkasso B409, M19, M87 – Insolvenz des Ausstellers J33 f. – Rückbelastung B466 ff., C79, C90, C109, D72 ff., F76 Scheckaussteller B409, C56 Scheckzahlung B25, C23, F98, J30 – siehe auch Wechsel – analoge Anwendung der Wechselvorschriften J30 f. – Anfechtungsausschluss J35 f. – Bargeschäft – siehe dort – Darlegungs- und Beweislast J37 – Insolvenz der bezogenen Bank J32 Scheinauseinandersetzungsguthaben F112, G45b Scheingeschäft B319 Scheingewinn A43, B683 ff., D41, G32a, G43 ff., I26 Schenkung G1 ff., G16, G24, G27, G38a ff., G48, G118 – Abgrenzungsfragen P119

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– Bargeschäft – siehe dort – Begriff P119 – gemischte G39 – verdeckte G42 Schenkungsanfechtung A2, B202, B205, B216, B221, B224, B232, B233, B249, B375, B700, B706, G1, G7, G9, G54a, G59d, G78, G80 f., G83a, G83c, G83g, G83j, G87, G91, G101, G121, G127, O17 Schenkungsversprechen G5, G17, G38b, G71, G118 ff. – Anfechtbarkeit außerhalb des Vierjahreszeitraums G5, G24, G38b, G119 – und Erfüllung als Einheit G38b – selbständige Anfechtbarkeit G118 – zwangsweise Durchsetzung G24 Schicksalsgemeinschaft E7 Schiebeliste F36 Schiedsverfahren – Absonderungsrecht S12 Schiffe T2 – Register B64, M1 Schleppende Zahlung C89, C113, F67a, F80, F83i, F91 Schlusssaldo B96, B291 ff., M20 ff., M64 Schneeballsystem A43, B683, B685, B686, G32a, G43, G45, G45b, G45c – Gutgläubigkeit P130 ff. Schuld – fremde B199 ff., B210 ff., B249, B345, B706, C7, C12, D20, D80, E6 f., E27a, F100j, F109, G57 ff., G62, G83a, G90 f. Schuldanerkenntnis C2, E47, F111, G3, G89 Schuldbefreiung B129, B162, B185, B214, B225, B231, B250, B321, B345, B371, B502, B603, C37, D19b, F12, F92, F100a, F100c, G33a, G83k, H40, H108 Schuldner – Abwendungsleistungen B624, C18, C53, C55, M80, N23 ff. – Konto B104, B106, B461, B466, B498, B547, B556, M76 f. Schuldnerbank B109, B119 f., B461, B616, B641, M20, M75 ff., M80 Schuldnerfremdes Vermögen B324 ff., B420 ff., B429, B654 Schuldnerkonto B104, B106, B109, B315, B421 f., B427, B461 f., B491, B591, B597, B616, B624, C53, C55, C66, F100g, M75 f., M80 Schuldrechtliche Ansprüche B1, B85, B336, B401, B404, B443, B469, B480, B490, B497 f., B508, B552, B668, B720, C21, C69, D49, D75, D103 f., E13, E23 f., F112, G17, G70, I13, M14, M24, M107 – Änderung der Vermögenszuordnung P21 ff.

Stichwortverzeichnis Schuldrechtliche Beziehung – Anfechtbarkeit P62 ff. Schuldrechtliche Theorie B664, B666, B667, B669 ff. Schuldrechtlicher Vertrag A16, B5, B12, B85, B336, B493, B498, C69, D111, E13, E23 f., F112, G17, I24, M14, M23 f. Schuldtitel – vollstreckbarer B30, B43, H26 Schuldversprechen C2, H81 Schutzgesetz A38, F4 Schwestergesellschaft F83c, G65d – keine nahestehende Person K28 Schwimmbadtechnik D80 ff. Sechs-Wochen-Frist B118, M85 Sekundäransprüche – ungerechtfertigte Bereicherung P87 ff. Sekundärer Wechselschuldner J5 Selbstbestimmtes Verhalten des Schuldners B6, B23 f., B25, B27, B29, B31, B43, F16c, F16d, G19a, H68 Selektive Gläubigerbefriedigung B197, F36, F100e SEPA-Lastschrift B109 ff., M80 ff. Sicherheit – AGB-Banken B94, B100, B162, B289, B426, B438 f., B460, B464 f., B468, B470, B475, B547, B555, B565, C21, C47, C55, C58, C66, D54, D58, D71, D74 ff., D103, D105, M31, M63 ff. – akzessorische B442, B670, D96, H72, H121 – für Altverbindlichkeiten B434, B687, B697, D108, F37 – anfechtungsfeste B429, B439, B444, B450, B460, B98 f., B596, D110, M59 f., M70 – Anspruch gegen Drittschuldner B464, B476, C69 – Basissicherheit C73 f. – Bauhandwerker (§ 648a BGB) B349, B649, C70 f., D79, D84, D97, F61 – Begriffsbestimmung C60 – Bestimmtheit C21, D103, D113, D115 – für eigene Verbindlichkeit G85 ff. – Einrede der Nichtvalutierung B98, B442, M57, M60, M124 – Ersatzsicherheit B290, B465, C69, D113 – fiduziarische B442, D96, H70 – Freigabe B435, B461, B508, B512, B546, H72 – für fremde Verbindlichkeit G90 ff. – Gesellschafter für Gesellschaftsschuld B738, H23, H38 ff., H77, H79 ff., H84 ff. – für Gesellschafterdarlehen B307, H70 ff., H74a ff. – Herausgabeanspruch B289, B464, C55 – inkongruente D96 ff., F61

– für Insolvenzfall D108, F33a ff., F84 – insolvenzfeste B71, B83, B123, B426, B431, B457 f., B462, B491, B524, B544, B547, B569, C69, H76, M23, M38, M57, M60, M69, M114, M128 – Margensicherheit C73 ff. – Mehrwert B83, B456, B569, M42 – nachträgliche Valutierung M27 – Neuvalutierung B564, C69 – nichtakzessorische B442, B670, H72 – Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO H74, H74c – statt Erfüllung D67 – Teilanfechtung B687 ff., D36, D108 – treuhänderische B436, B438, B497, B508, B565, C64 ff., M121 – überhöhte E26, E42 – überschüssige B446, D100 – Unterlegung mit gesicherter Forderung B100, B444 ff., B447 ff., B564, C69, D116 – durch Vergleich D100 – verklammerte M30 – Verwertung B294, B562, E28, H85 ff., M64a – Wertauffüllung B236 – Wiederaufleben B670 f. Sicherheitenbestellung – anfängliche H72, H74i – Bargeschäft – siehe dort – eigenes wirtschaftliches Interesse des Sicherungsgebers F111, G59, G90 – für fremde Schuld B247, G90 ff. – bei Krediteinräumung B607, C62, D67 – maßgebender Zeitpunkt für § 134 InsO G59e – nachträgliche B323, B434, B444 ff., C62, D33, D100 f., F109, G59e f., G85, G88 f., G91, G102 f., I24 – Stehenlassen einer Forderung gegen Nachbesicherung G26, G59e, G91 ff. – Teilbarkeit B697 Sicherheitenpool B12, B435 ff., B440 ff., B565 f., C65 ff. Sicherheitentausch B67, B101, B289 f., B294, B315, B426, B437, B450, B452, B454 f., B457, B460, B462, B465, B476, B508, B512, B596, C55, C69, M35, M35a, M62, M64a, M73 – geschlossene Sicherungskette B289, B454, B464 f. – Globalzession B460 f. – Sicherungsabtretung B455 – Umbuchung B463 – Unmittelbarkeit B462 Sicherheitenunterlegung – nachträgliche B444 ff., B564, D116 Sicherheitenverwaltung B443, C64 ff. – Poolvertrag B319, B436 ff., B565 f., C66

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Stichwortverzeichnis – treuhänderische B436 ff., C64 ff. Sicherheitsbestellung O26 Sicherheitsleistung P77 Sicherstellung B446, C47, D95, D97, D107, F109, G59, G87 f., G90 Sicherung – anfechtungsfeste B429, B439, B444, B457, F111, H76, M59 – berechtigte Einziehung B289, B464 ff., B467 ff., B473, B599 – inkongruente B323, B554, D96 ff., D100, D103, D107 ff., D115 ff., F37 – kongruente B554, C28, C66, D67, D105, D111 f., F61 – künftige Forderung B67, B94 f., B100 ff., B600, D31, M15, M56 ff. – Mietzahlung an Grundpfandgläubiger B452 – Monatsfrist N11 – nachträgliche B434, F33a ff. – Neuvalutierung B564, C69, D116 – nicht widerrufene Einziehungsermächtigung B466, B470, B556, B563 – Rückschlagsperre A45, B87, D8, L1, L8, L18a, M47 – verlängerter Eigentumsvorbehalt A41, B60, B67, B455 f., B459, B696, F38d ff. – Verwertung unter Wert B339, E28, H73a Sicherung durch Gesellschafter (§ 135 Abs. 2 InsO) H77 ff. – Anfechtungszeitraum H80 – Begriff H70, H81 – Besserstellung ggü. Insolvenzgläubiger H63d, H70 – Sicherung für Regressanspruch H70 – Sicherungsarten H70, H81 – Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO H74a ff. – weite Auslegung H70 Sicherung zugunsten eines Gesellschafters (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO) – Bargeschäft H72 – Beschränkung auf nachträgliche Besicherung H72 – Grundtatbestandscharakter H74h – Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO H74a ff. – Undurchsetzbarkeit außerhalb des Zehnjahreszeitraums H72a Sicherungsabrede B434, B442, B564, C69, C73 f., D102, F61, H72, I24, M121, O52, O55 – zurückgewährte Forderungen Q8 Sicherungsabtretung B69, B71, B77, B125, B295, B436 ff., B455, B468, B473, B476, B554, B559, B602, B634, D32, D35, D74 ff., D114 – bei Scheckhingabe D71, D74 f., D105

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Sicherungsanspruch B587, C72, D67, D97 ff., D115, D121, G95, G103 Sicherungseigentum B42, B430 f., B458, B468, B544, B597, C60, D74, D105, H81, M19, M87 – Scheck B468, D74, M19, M87, M105 Sicherungsfall B473 f., F60, M91, M123 Sicherungs-Globalzession O47, O55, O72 ff., O79, O118, O153, O230 – siehe auch Globalzession Sicherungsgut B17, B339, B422, B425, B431, B458, B569, B597, B599, C15, D104, E28, E42, E54, H74 – Ablösung B429 Sicherungshypothek B724, D98, D114a Sicherungskette B289, B454, B464, B471 ff. Sicherungsrecht A41, B96, B97, B289, B294, B356, B430 ff., B443, B453 ff., B464, B471 ff., B547, B561 ff., B596 ff., B670, C14, C64, C69, D71, H22a, M64a Sicherungsübereignung B13, B431, B433, B435, B457, B546, B561, B569, B595, B598, D35, D114, E54, H70, H85, M35a Sicherungsvereinbarung – siehe Sicherungsabrede Sicherungsverlangen F61, F85 Sicherungszession B77, B464, B474 f., B475, H70, M35a, O27, O153, O155, O231 ff. – siehe auch Sicherungs-Globalzession Sicherungszweck B442, B491, B566, M35a, M121 – Erweiterung auf Dritten B442 – Wegfall M35a, M121 Sittenwidrigkeit A38 ff., A47a, B108, D38, F4, M79 – Besicherung A41a – existenzvernichtender Eingriff A41b – Insolvenzverschleppung A41a – Kredittäuschung A39, A41a – planmäßiges Zusammenwirken A39 Sitzverlegung B298, B319, F46 – Ausland P161 Skontoabzug C22, D35, D87 Soll B324, B477, B615, C65, D73 Sollsaldo B287 Sonderangebot E39 Sonderkonto B493, B498, C10a, C10b Sozialgericht B9, B263, B719, C39a, M47b, M116 Sozialkasse B170, B702, F69 Sozialplan B52, E25 Sozialversicherung – Arbeitnehmeranteile O123b, O209 ff., 241 ff. Sozialversicherungsbeitrag B203, B514, B519, B586, C79, C88 f., C107, C112, D26, F87 ff., G76, H76b

Stichwortverzeichnis – Bargeschäft O123b, O207 ff., O241 ff. Sozialversicherungsträger BB170, B586, B716, B732, C88, C119b, E9, F72, F73f, F88, F91, F98 f. Sparguthaben B483 Spitzenbetrag C94 Stadtbahnbauwerk B267 f. Staffelkredit H76b Stehenlassen von Forderungen B22, B53, B298, B573, C18 f., G26, G59e, G91, G96, H5 ff., H65, H90, H97, H99 Steuerberater – als nahestehende Person C133a, F103a, K29a – als uneigennütziger Treuhänder P65b ff. Steuerberatervergütung O159 Steuerbescheid – Aussetzung der Vollziehung F17c Steuererstattung B171, B389, B584, M93 ff., M112 Steuerforderung B7, B11, B284, C12a, C27, C29, C123, D53b, F17c, F81, G63, M95, M112 Steuerklassenwechsel B273, B437 Steuern, Steuerschuld B6 ff., B15, B228 ff., B262, B284 ff., B329, B519 f., B581, B718, C12a, C27, C29, C93, C119d ff., C123, D17 f., D19a ff., D53b, D79a, D95a, F17c, F63c, F73b ff., F81 f., G63, M93 ff. Steuerrechtlicher Haftungsanspruch C12a, D18, D95a Steuerschuldner D17 Steuerzahlung B228, B329, B517, C93, D17, M95 Stille Beteiligung A35, H59, I7b, I9, I16, I37, H56c Stille Gesellschaft (§ 136 InsO) – anfechtbare Rechtshandlung I23 ff. – Anfechtbarkeit nach § 135 InsO I7a f., I9b, I33, I37 – Anfechtungsausschluss (§ 136 Abs. 2 InsO) I32 f. – Anfechtungszeitraum I21 f. – Anmeldung zur Tabelle I13, I31 – atypische stille Gesellschaft I7, I7a, I13, I16 f., I27, I37 – Auflösung I10 f., I16, I19 f., I29 – Auflösungsvereinbarung I11 – besondere Vereinbarung I1 ff., I10, I15, I18 ff., I23, I32, I35 f. – Beweislast I34 ff. – Beweislastumkehr I36 – Doppelrolle als Gesellschafter und Kreditgeber I9 – Eigenkapitalfunktion I6, I8, I13, I16 – Einflussnahmemöglichkeit I5, I7, I9a – Einlage als Risikokapital I8

– Einlagenrückgewähr I1 ff., I7b, I11 ff., I18 f., I23 ff. – siehe auch Einlagenrückgewähr – Erlass der Einlage I26 – Erlass des Verlustanteils I2, I25 f., I34 – siehe auch Erlass des Verlustanteils – Eröffnungsgrund nach besonderer Vereinbarung I32 – fehlerhafte Gesellschaft I17 – Finanzierungsfolgenverantwortung I9 – Finanzplanabrede I7, I16 – Fremdfinanzierung, längerfristige I9 – Fremdkapitalcharakter der Einlage I6 f. – Gerichtsstand der Mitgliedschaft I14 – gesellschafterähnliche Stellung I7 – gesellschaftsrechtliche Beziehung I2, I9 – Gesetzesbegründung I3, I32, I35, I37 – Gläubigergleichbehandlung I4, I32 – gleichrangiger Insolvenzgläubiger I2, I6, I7, I16 – inkongruente Deckung I4, I11, I18 f. – Insolvenzforderung I6, I19, I23, I25 – Insolvenzgläubigerstellung des stillen Gesellschafters I2, I6 f., I16 – Insolvenzgrund I2, I36 – Jahresfrist I1, I19, I21 ff., I25, I35 – Konkurrenzen I37 – Kündigung I11 f., I17 ff., I21 – längerfristige Fremdfinanzierung I9 f. – maßgebender Zeitpunkt I15, I21 f., I32 – materielle Insolvenz I4, I32 – mittelbare Gläubigerbenachteiligung I13 – MoMiG I1, I9, I33 – nachrangiger Insolvenzgläubiger I6 f., I16 – partiarisches Darlehen I9a – Rangrücktritt I16 – Rechtsfolge der Anfechtung I13, I28 – Rechtsgrundlage vor kritischer Zeit I12a – Risikokapital I7 – Rückgewähr aufgrund Gesellschaftsvertrages I11, I15, I19 – Scheingewinne I26, I37 – Täuschung I12, I17 – Umfang der Anfechtung I29 f. – Umwandlung der Einlage I25 – Unterbeteiligung I9 – Vermögensverfall des Geschäftsinhabers I12 – Vermutung I2, I32 Stille Reserven H12, H20 Stillhalten, Stillhalteabkommen C83, C108, F77 f., F83g Stornierung B243 Stornobuchung B10 Strafrecht B55, B585 ff., F2, F22, F30

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Stichwortverzeichnis Stromversorgung B348, B560, B648, C89 Stundung, Stundungsabrede B338, B617, D69, D90, F17c, F83, F83g, F110, G29, H1, H52, O69, O106, O113, O153 – erzwungene C83, C116a, F83h Stundungsbitte C79, C90, F83f Subordination H22, H31, H90 Substantiierungslast B658, C128, H20 Subunternehmer B190 ff., B194, B237, B349, B605, B612, B649, C70, C128, D21, D78 f., F59 ff., F93 ff., O77a, O88, O91, O123, O138, O171, O180 Surrogate B66, H73, M25, M34 – Gutgläubigkeit P126 – Herausgabe P90 f.

Tabelle B309, B385, B683, E22, E37, H87 Täuschung A39 f., I12, I17 Tagesendsaldo B294, O22 Tankstellenbetreiber-Fall O34, O36 ff., O45 f., O220, O246 ff. Tarifvertrag, Verfallsfristen S21 Tatrichter A28 f., C78a, C87, C116, D83, E18, F33, F67, F75, F102, F013a Tatsacheninstanz B352, B360, B485, M13 Teilakt B62, B97, M23, M25 Teilanfechtung B327, B687 ff., E49 – Grundsatz der Gesamtanfechtung B687 ff. – Heimfallklausel B645, B691, E19 – Maßgeblichkeit der Teilbarkeit der Vermögensverschiebung B123, B327, B350, B528, B687 ff., B693, B695 – Sanierungshonorar B692 – Sicherheit für mehrere Forderungen B688, B697 – teilbare Wirkungen der Rechtshandlung B693 ff. – teilbares Rechtsgeschäft B689 ff. – verlängerter Eigentumsvorbehalt B696 Teilbarkeit B84, B123, B327, B350, B528, B687 f., B695, B702, C2a, D36, E18 f., G41, G110 f., G111a, M43, M129 Teilleistungen C22, D35, F76, G117, L25, M54b, O95 ff. Teilübertragung – Einzelrechtsnachfolge R10 Teilzahlungen B26, F80 ff., F87 ff., L27 – Wechsel J8 Teleologische Reduktion B392, F13, F16e, H63e, H89a Tiefkühlkost-Fall O85 ff. Tilgung B163, B173 ff., B183 ff., B190 ff., B193 ff., B216 ff., B250, B324, B348, B370, B378, B476, B483, B554, B612, B648, B670, B706, C12, C45, C51, D80, 1186

E34, G43, G62, G72, H22, H28, H54, H63a ff., H73, H76b, H80, H82 – Bargeschäft – siehe dort, siehe auch Erfüllung – durch Dritten B32, B162, B172, B188, B191, B324 f., B375, B603, B606 – eigener und fremder Schuld B216 ff., B222 ff., B228 ff., D17 ff., G83d, G83i ff. – fremde Schuld A40, B52, B172 ff., B199 ff., B202 ff., B210 ff., B249, B504, B706, C12, C92, D80, D112, E6, E27a, E125 ff., F100j, G14, G57 f., G65b, G83f Tilgung fremder Schuld – Bedeutung der Kausalbeziehungen B136 ff., B176, B518, F100m, G12 f., G34, G65b, G65h, G74, G83a, G83p, G88, G101 f. – bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff B85, B139, B150, B153, B169, G19, G82 f., G101 – Besonderheit bei wertloser Forderung des Zuwendungsempfängers G13 f., G30 f., G58, G60 ff. – Cash-Pool B591, G58, G79, G83 – Doppelinsolvenz G9 – konkurrierende Anfechtungsansprüche G9, G78, G80, G82, G83a – Verpflichtung des Schuldners gegenüber Drittschuldner B143 ff. – Vorrang der Deckungsanfechtung ggü. § 134 InsO B138, B141, B143, B151, G7, G78, G80, G127 Titulierte Handlung – Anfechtung N15 ff. Tochtergesellschaft A40, B203, B317, B504, B578, C92, C116, G59, G76, G90 Transport D112 Treu und Glauben B37, H4, H89a Treuepflicht H55a, H59, H92, H105 Treugeber B346, B490 ff., B498, B503, H58 – Aussonderungsrecht P21 Treugut B313, B346, B490 f., B492, B493, B497, B503, B511 f., B610, M54c – Auszahlung P65 – Entstehungszeitpunkt B503 ff. Treuhand B404, B427, B436, B438, B442, B490 ff., B497 ff., B503 ff., B513 ff., B529 f., B565, C64 ff., F100a ff., G81, H60, M35a, P65 – Altersteilzeitguthaben B521 – Anderkonto B358, B467, B493, B503 ff., B508, B510, B512, C10b, D73 – Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung B513 ff., B586 – Aussonderungsrecht B490 f. – Begriff B490 – dingliche Komponente B490, B498

Stichwortverzeichnis – Direktversicherung B531 – Doppeltreuhand an Altersteilzeitguthaben B521 – eigennützige B515 – Erwerbstreuhand B493 – Inkongruenz B499, B503 ff. – Lohnsteuer B519 f. – Mietkonto B497 – Offenkundigkeitsprinzip B493, B497 – schuldrechtliche Vereinbarung B490, B493 – Sicherheitentausch B508, M35a – Sicherungstreuhand B491, M35a – Sonderkonto B493, B498, C10a f. – Unmittelbarkeitsgrundsatz B493 – Vermögensvermischung B490 – Verschaffungsanspruch B490, B497 – Verwaltungstreuhand B491, B492 – Voraussetzungen B490 – Werthaltigkeit B508, B512 – Wohngeldkonto B493 – Zugriffshindernis B492 – Zweckbindung B498 f. – zweckgebundener Kredit B499 Treuhänder – als Mittelsperson B195 ff., B492 – uneigennütziger B55, B196, B313, B320, B491, B492, B531, F13, F100a ff., P65a ff. Treuhänderstellung B491, B508 f., B512 – Aufgabe P65 Treuhandabrede, Treuhandvereinbarung B442, B496, B498, B504 ff., M54c – Erweiterung B442 Treuhandkonto B398, B490, B497, B504 f., B511 Treuhandvereinbarung B498, B509, B511 f.

Überbrückungskredit

F43, H5, H52, H76b Übereignung B66 f., B81, B343, B433, C36, D35, M37, M122 – siehe auch Sicherungsübereignung Übergabe B16, B66 f., B670, F16b, M25, M34 f., M37, M41, M56, M122 Übergabesurrogat B66, M25, M34 Übergangsrecht H28 ff. Übergangsvorschrift – Drittdarlehen P153 Überholung C98, L12, L23 Überlassung von Arbeitskräften B16, B269, B275, B394, B428, G3, G21 Übermaßaufwand M42 Übernahme – Pflichten B328, B545 Überschuldung B385, B653, C1a, C76 f., C80, C92, F21, F47, F73, H9 ff., H19, H52b, H67, H73a, I3, I35, L18, L28

– Abgrenzung zur Zahlungsunfähigkeit C77, C80 Überschuldungsbilanz C86, H11, H19, H32 Übertragungstatbestand B70, M8, M16, M37, M40 Überweisung B115, B173, B195, B324, B358, B473, B508, B601, C19, C22, C58a, D27, D43, D61, D87, F16c, M74 – Auftrag B467, D73 – vorzeitige C22 Überzahlung B256, C35, D47, E45, M51 Überziehung – siehe Kontoüberziehung Überziehungskredit B381, B412 f., B535, B553, C42, D55, F19, O87, O138 Umbuchung B315, B463, B686, E36, G45c Umkehrschluss D123, H109, L20 Umqualifizierung – in Eigenkapital B22, B53, B298, B573, E53, G31, H3, H6 ff., H14, H34 Umsatzgeschäft D9 Umsatzsteuer B7 f., B228 ff., B581, B582 f., C12a, C119d ff., D17, F73b ff. Umsatzsteuerkarussell B581 Umschuldung F57b Unanfechtbarkeit O1 ff. Unbenannte Zuwendung B14, G27, G51 Unechtes Factoring O149 Unentgeltliche Leistung (§ 134 InsO) – Abgrenzung § 133 InsO G8 – Abgrenzung zur Deckungsanfechtung G9 – Anfechtungsgegner G7, G83 – Anfechtungszeitraum G2, G109, G117 ff. – Anweisungsfälle G83q – Anwendbarkeit des § 814 BGB G44, G46 – ausgebliebene Gegenleistung B139, G13, G35 – Auszahlung von Scheingewinnen G32a, G43 ff. – Bargeschäft G98, G108, O17, O20, O56 – bereicherungsrechtlicher Leistungsbegriff G19, G82 f., G101 – Beschränkung des Abfindungsanspruchs G50 – Beweislast G2, G65, G124 ff. – Bewertungsspielraum E39, G37, G39 – Cash-Pool G19, G58, G75, G79, G83q, G105 – Direktversicherung G108 – Doppelinsolvenz G9, G127 – eigenes wirtschaftliches Interesse G59, G90 – einheitliche Betrachtung von Versprechen und Erfüllung G5, G24, G38b, G118

1187

Stichwortverzeichnis – Einigung über Unentgeltlichkeit G19, G27, G32a – Einlagenrückgewähr G45 – einseitige Vorstellungen G28, G32, G32a, G36 f. – Einzelfälle G46 ff. – Entgelt ohne Arbeitsleistung G50b – Erfüllung eigener Schuld G33a – erzwungene Erfüllung G5, G118 – gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke (§ 134 Abs. 2 InsO) G120 ff. – Gegenleistung des Zuwendungsempfängers – siehe dort – Geldstrafe G33 – gemischte Schenkung G39 ff. – geringwertige Geschenke G123 – gesetzliches Schuldverhältnis G33a – Gläubigerbenachteiligung G3, G11, G16 f., G23, G25, G46, G81, G114, G124 – Insolvenzreife des Drittschuldners G58, G61 – Irrtum über die Entgeltlichkeit G32a, G42a f., G72 – Kenntnis der Nichtschuld G20, G44, G72 – Kenntnis des Leistungsempfängers G60 – Kenntnis von der Wertlosigkeit G60 – Konkurrenz im Mehrpersonenverhältnis G78, G80 – Konkurrenzen G6, G9, G78, G80, G82 – Kraftfahrzeugversicherung G73 – Kritik an BGH-Rechtsprechung G70 ff. – Lebensversicherung G107 ff. – siehe auch Lebensversicherung – Leistung auf Nichtschuld G72 – Leistung des Schuldners G11, G12, G14, G19 ff. – Leistungskette G82 – letter of intent G69 – maßgebender Zeitpunkt G60 – Maßgeblichkeit der Leistungsbeziehungen G70, G72, G79 – Mehrpersonenverhältnis G9, G12, G14, G55 ff., G70, G77, G83c ff. – siehe auch Mehrpersonenverhältnis – mittelbare Gläubigerbenachteiligung G16 – mittelbare Zuwendung G9, G14, G59c, G78, G105, G107, G116 – nachträgliche Besicherung G97 ff. – nachträgliche Besicherung im Konzern G91 – nichtiges Rechtsgeschäft G25 – Nichtschuld G20, G44, G72 – Notverkauf G40 – objektive Betrachtungsweise G28 ff., G32 ff., G35 ff., G42a, G60, G90, G99

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– Personalüberlassung G3, G21 – Prämienzahlung G59b ff., G73 ff., G108 f., G116 – Quotenerwartung G61, G72, G100 – Rangrücktritt G13, G46a – Rechtsgrundlosigkeit G13, G31, G42a, G44, G72 – Regressanspruch des Drittschuldners G62 ff. – Religionsgesellschaft G18a – Rückdatierung G125 – Rückgewähr P9, P114 ff. – Saldierung G43 – Sanierungshonorar G54b – Scheinarbeitsverhältnis G50b – Schenkungsversprechen G5, G24, G38b, G71, G118 f., G119a – Schneeballsystem A43, G32a, G43, G45, G45b – Schuldübernahme G68, G69a – Sicherheitenbestellung G84 ff. – siehe auch Sicherheitenbestellung – Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit G85 ff. – Sicherung für fremde Verbindlichkeit G84, G90 ff. – Sicht des Zuwendungsempfängers G79 – Stehenlassen einer Forderung G59e, G91, G96 – subjektive Vorstellungen G28, G32, G32a, G36 f. – Teilleistungen G117 – Tilgung fremder Schuld G57 ff., G65b, G83 ff. – Überlassung eigenkapitalersetzender Mittel G13, G30 – unbenannte Zuwendung G27, G51 – Unentgeltlichkeit – siehe dort – Unterlassen G21, G26, G59e, G96 – unübertragbares Nutzungsrecht G48 – unwiderrufliches Bezugsrecht G109 ff. – verdeckte Schenkung G42 – Vergleich G38, G54a – Verhältnis zur Deckungsanfechtung G6 f., G9, G72, G78 ff., G83l, G127 – Verjährung G21, G52 – Verlust werthaltiger Forderung G12, G57, G71 – Vermittlungsprovision auf Scheingewinne G44 – Verschlechterung der Quote G72a, G100 – Versicherungssumme G59c, G109, G113, G116 – Versprechen und Vollzug als Einheit G5, G118 – Vertrag zugunsten Dritter G46a, G107 – Vertragsstrafeversprechen G53

Stichwortverzeichnis – Vertragsübernahme G69a – Verzicht G21, G34, G47, G54, G54a, G68 – vorleistender Vertragspartner G13, G31 – Vorleistungsrisiko G74 – Vormerkung G119 – Vorrang der Deckungsanfechtung G7, G78, G80, G127 – Wegfall der Bereicherung G6 – weite Auslegung G1, G14, G19, G27 – werthaltige Außenstände G65, G127 – werthaltiger Nachbesicherungsanspruch G103 – werthaltiger Regressanspruch G62 ff., G83j – wertlose Forderung G13 f., G30 f., G58, G60 ff., G72, G77, G83f, G83j, G91, G96, G102 f., G106 – widerrufliches Bezugsrecht G113 ff. – wirtschaftliche Betrachtungsweise G13, G58 f., G69a, G72, G77, G83f, G90, G95 f., G100 – wirtschaftliches Interesse G59 – Zahlung des Differenzbetrages G41 – Zahlung trotz Rangrücktritts G46a – Zahlungsaufschub F103 – zwangsweise Durchsetzung G24 – Zwei-Personen-Verhältnis G13, G30, G32 ff., G55 f. Unentgeltlichkeit – aufschiebend bedingte Verbindlichkeit G46 – ausgebliebene Gegenleistung G13, G35 – ausgleichende Gegenleistung G48, G55, G59a, G59d f., G90a, G91, G96, G106 – eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung G13, G30 f. – Einigung über Unentgeltlichkeit G19, G27, G32a – Einlagenrückgewähr G45 – Irrtumsfälle G32, G42a – keine Beschränkung auf Schenkung G27 – maßgeblicher Zeitpunkt G12, G31a, G59e, G60 f., G69a, G73a – nachträgliche Vereinbarung G31a – nicht einklagbarer Anspruch G52 – objektive Betrachtung des BGH G28 ff., G34 ff., G42a f., G60, G90, G99 – Personalüberlassung G21 – Provision auf Scheingewinne G44 – Scheingewinne G32, G43 ff. – Stehenlassen einer Forderung G59e, G91, G96 – Stehenlassen einer Gesellschafterleistung G13, G26 – Stehenlassen gegen Nachbesicherung G95 f., G99 ff.

– subjektive Vorstellungen G32, G36, G42a – unübertragbare Rechte G48 – verjährter Anspruch G52 – vorzeitige Erfüllung G53 Unentgeltlicher Erwerb – Rechtsnachfolger R19 Unerlaubte Handlung A38, B587, D98, G89 Ungerechtfertigte Bereicherung A42 f., B617, D38a, G27, G44 – als Sekundäranspruch P87 ff. Ungereimtheit A15, H96 Universalitätsprinzip N25 Unkenntnis A6, A20, B290, B410, C4, C105, C119g, C120, C125, C133, F73, F73d, F88 – fahrlässige C119g, J2 Unlauteres Zusammenwirken A28, F1, F22, H104 Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (§ 132 InsO) – Abgrenzung zu den §§ 130, 131 InsO E5 ff. – Absonderungsrecht E27, E54 – Anfechtungszeitraum E13, E58 – Anwendbarkeit bei Leistung auf fremde Schuld E6 f. – Auffangtatbestand des § 132 Abs. 2 InsO E50 ff. – Aufrechnung E28, E43 ff. – Bargeschäft O1, O5, O8, O14 f., O61 – Beweislast E59 ff. – Bewusstsein der Unausgewogenheit E57 – Drei-Personen-Verhältnis E9 – einseitige Rechtsgeschäfte E2, E28, E47 ff. – siehe auch Einseitiges Rechtsgeschäft – Erfüllung E22 f., E27, E43 – Erfüllungshandlung E27 – gegenseitiger Vertrag E3, E22 f., E37 ff., E59 – siehe auch Gegenseitiger Vertrag – Gläubigerbenachteiligung E3, E6, E14 ff., E20, E27, E32, E35, E37 f., E41, E47, E49, E52, E54, E59 f. – gleichgestellte Handlungen E13, E50 ff. – gleichmäßige Gläubigerbefriedigung E4 – gleichwertige Gegenleistung E3, E13 f., E16, E20, E59 – gleichwertiger Vorteil E33 – Konkurrenzverhältnis E5 ff. – Lastschrifteinzug E29 f. – Leistung auf Nichtschuld E27 – mittelbare Gläubigerbenachteiligung E15 – Notverkauf E39 – Rechtsgeschäft E5, E20 ff., E24 ff., E47 ff.

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Stichwortverzeichnis – – – – – – – – –

Sanierungsbemühungen E16, E41 Sonderangebot E39 sonstige Rechtsgeschäfte E47 ff. Sozialplan E25 subjektive Voraussetzungen E57 Teilanfechtung E49 Teilbarkeit E18 f. überhöhte Sicherheit E26, E42 Umwandlung einer Lebensversicherung E48a – unmittelbare Gläubigerbenachteiligung E32 ff. – Untergang der Gegenleistung E14 – Unterlassen E11 f., E51, E53, E55 – Ursachenzusammenhang E14, E17, E32 – Verfügungsgeschäft E26 – Verhältnis zum Bargeschäft E3, O14 f. – Verhältnis zur Deckungsanfechtung E5 ff. – Verschlechterung der Gegenleistung E14, E35 – Verschleuderungsgeschäft E20, E39 – Verwertungsabrede E28, E42 – weite Auslegung E24 – Zahlung auf fremde Schuld E6 – zwingende Umstände E1, E57, E61 Unmittelbare Gläubigerbenachteiligung B336 ff. – einheitliche Betrachtung B336, F112 – gleichwertiger Vorteil B339, B607, E33 – maßgebender Zeitpunkt B485 – mehrteilige Rechtsübertragung B336 – Sanierungsbemühungen B338, B609 – Verkauf unter Wert B339 – Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft B336 – Vertragsschluss B339 – Vertragsübernahme B363 ff. – Wertverlust E35 – wirtschaftliche Betrachtung B336 – Verwertungsabrede B339, B562 Unmöglichkeit – Herausgabe P2 – Rückgewähr B677, H74, H105 Unpfändbare Gegenstände B42, B44, B340, B373, B374, B387 ff., B404, B499, B501 f. – Arbeitskraft B394 ff. – Baugeld B398 – Erbschaft B391 – höchstpersönliche Rechte B388, B391, B400, B407 – Krankheitskostenversicherung B388 – Mitgliedschaft in Versorgungswerk B388 – Personalüberlassung B428 – Pflichtteilsverzicht B392 f. – Zweckbindung B373, B388, B404 f.

1190

Unterbrechung A37, B289, B303, B464 ff., B472 ff., B735, B740 f., B744, C91, E11, E53 Unterdeckung B243, C78a, D119a, F75, H9 Unterdeckungnahme B442, C69 Unterlassen – Anspruchserhaltung B303 – Beispiele E55 – bewusstes B28 f., B296, B299, C18, E12, E54, G21, G26 – Erwerb B298, B300, G26 – fahrlässiges B297 – Freistellung der Gesellschaft H89 – Geltendmachung des Gegenwerts B245 – Insolvenzantrag B28, B300, E12, F16f – Kündigung B299, E51, E55 – Prozessrecht B19, B304 – Rechtsverlust B300, E12, E51 – Rückforderung G59e, G96 – Rücknahme des Eintragungsantrages M106 – Stehenlassen einer Gesellschafterleistung B298, E53, G26 – weiterer Kontoeröffnung 302 – bei Zwangsvollstreckung B28 Unterlassungen – als Anfechtungsanspruch P85 Unterlegung einer Sicherheit B100, B444 ff., B449, C69, D116, M63 Unternehmen A34, B51, B342, B402, B500, B582, B608, C112, D76, F14, F21a, F36, F38 ff., F45, F83i, G93 ff., H3, H18, H46, H92, H102, H105, I9 – verbundenes B206, B329, B375, B591, G70, G81 f., H57, H62g, H76a Unternehmensgründung F45 Unternehmensidentität B702 Unternehmensrückübertragung P59 Unternehmensveräußerung B51, B402 Unternehmer B8, B85, B92, B257, B349, B605, B639, B649, C70 f., D42, D84, D96 f., F57, F61, M45, M90a, M125, M125a – siehe auch Werkunternehmer Unternehmerischer Geschäftsverkehr B114 ff., C22a, D35a, D59b, E30, M84, M84b Unverdächtiger Vorgang A15, B313, C63, D3, D114 Unverfallbarkeit D40, G112 Unvollkommene Verbindlichkeit D38, G52 Unwiderlegliche Vermutung A22, C104, C116, D2, D4, D119b – Krisenfinanzierung H47, P157 Unwiderrufliches Bezugsrecht B121, B126, B331 ff., B523, B527, B528, B531, G19 f., G109 ff., G112 f., M92, M92a

Stichwortverzeichnis Unwirksamkeit A8, A12, A42, A45 f., B18, B33, B86, B252 f., B295, B453, B536, B541, B589, B665, C25, C69, D8, D38, D53, D109, F84, G25, G52, M30, M46, M48, M90a, M110, M125a, H76a – Aufrechnung A12, A46, B252, B295, B719, D53 – Cash-Pool-Verrechnung H76a – Einbeziehung § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B B589 – Forderung G58 – Kündigung stille Gesellschaft I18 – Rechtsgeschäft B18 – Rechtshandlung A42, G25 – relative A8, B665, M30 – Vertrag G42a Ursächlichkeit B60, B351, B614, B624 ff., B629, B637 ff., B643, B647, C91, D27, H74c – Adäquanz B625 – fehlende B624 – Grundsatz B624 – mittelbare Gläubigerbenachteiligung B626 f.

Valutaverhältnis

B107, F95 f., G107, G112, M77 ff. Valutierung B98, B442, B477, B480, B483, B489, B553, B564, B594, B660, B694, C68 f., M27, M60 – fehlende B442, B477, B480, B564, B594, M57, M124 – nachträgliche M27 Veräußerungshandlungen – Rückabwicklung P1 ff. Verarbeitung B16, B431 Verbindung B16 Verbürgung – durch Schuldner P63 Verbundenes Geschäft B532 Verdächtigkeit A21, C72, D1, D4, D35, D59a, D78, D84, D114, F11, F63, F104 Vereinbarung – dreiseitige B605, C70, D79 Verfallsklausel B350 Verfallsfristen, tarifvertragliche S21 Verfügung – bewegliche Sache M25, M34 – entgeltliche G42a, G47, G87 – geduldete Kontoüberziehung B413 – Kontokorrent B270, C49, C51, C53 f., D54, D95, M64 – künftige Forderung B100, M31, M38 – künftige Sache M15 – Lastschriftverfahren B105, M77, M79, M86 – Lebensversicherung G114, M92

– – – –

Nichtberechtigter B34 schwebende B105, M77 Treuhänder B492 unentgeltliche B218, B477, B594, G3, G5, G17, G19, G36, G38b, G118 f. – Vollendung B71, B76 ff., B527, M8 ff. Verfügungsbefugnis B76, B78, B111, M8, M12, M37, M77, M82, O37 Verfügungsbeschränkung B42, B76, B105, B190, B293, B527, C40, D24, F91, M8 f., M17, M38, M66, M86 Verfügungserfolg B78 Verfügungsgeschäft B13, B76, B81 f., E26, M12, M37 Verfügungsmacht B21, B35, B77 ff., B413, B527, M10 f., M37, M43, M77, M96 – gegenstandsbezogenes Recht B527, M10 Verfügungstatbestand B78, B95, M37, M127 Verfügungsverbot B21, B120 Vergleich B12, B140a, B239 f., B376 ff., B570, D42, D100a, E24, F57, F57a, F64, G38, G54a, H74b Vergleichsantrag – Vergütung O162 ff. Vergütung, Vergütungsanspruch B7 ff., B16, B38, B42, B86, B190, B243, B259, B267, B356, B358, B395, B549, B583, B633, B692, C10b f., C36, C83, C110 ff., D41, D48, D52, D66a, D91, E41, E49, F78a, F91, G54a, H43, H91 f., H96 f., H101, M41, M46, M47b, M116, M133 Verjährung B252, B296, B303, B536, B658, B722, B730, D38, E11, E55, G21, G52, H29, M4, M33 – Anfechtungsanspruch S1 ff. – Einrede der Anfechtbarkeit S9 – Folgeverfahren P88a ff. – Hemmung S8 Verjährungsbeginn – Kenntnis des Insolvenzverwalters S6 Verjährungseinrede B297, B303, D38, E11, E55, G21 Verjährungsfrist B252, B536, H28 f., L7, M33, M54a Verkabelung B243 Verkehrswert B340, B480, B482, E39, E42, G40 Vermächtnis B391 Vermieterpfandrecht B97, B430, C19, D118, M57, M59 ff., M118 Vermischung B16 Vermögen – künftiges B420 ff. – schuldnerfremdes B324 ff., B420, B429, B654 Vermögensentziehung – Rückgabegegenstand P7

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Stichwortverzeichnis Vermögensmehrung B300, O32 ff. Vermögensminderung B106, B298, B300, B314, B349, B647 Vermögensopfer B218, B329, B347, B515, E33, F109, G29, G56, G74, G90 f., G95, G98 Vermögensveräußerung – Rückabwicklung P1 ff. Vermögensverschiebung A7, B4, B56, B61, B316, B336, B379 f., B712, F95 Vermögenswert B121, B218, B318, B361, B381, B384, B412, B425, B432, B435, B526, B534, B567, C15, C36, D117, G26, G28, G34, G96, H19, M11, M58 Vermögenszuordnung B237, B409, B491, B552, B668, B725, G81, M61 Vermögenszuweisung – Änderung durch schuldrechtliche Ansprüche P21 ff. Vermutung A22, A29, B571, B663, C77 f., C104, C110, C131, D119a, F3, F8 f., F17b, F21a, F29, F33, F50a, F51, F65 ff., F83 f., F85, F91, F100 f., F103, G124, H16 – unwiderlegliche A22, C104, C116, D2, D4, D119b, H46 f. Vermutungs-Beweislastregel – nahestehende Person K5 Verpfändung B13, B60, B93 ff., B96, B100, B260, B292, B527, B670, D75, D114, F85, G95, H71, M31, M38, M55, M60 ff., M114, M127, M136 – bestehende Forderung B93, B100, B450, M31, M55 – gestreckte B94 – künftige Forderung B94 ff., B100, B123, B292, B450, B527, H71, M15, M31, M38, M55 f., M61, M63 Verpflichtungsgeschäft B12, G118, M14, M23 f. Verpflichtungsvertrag – schuldrechtlicher Q12 ff. Verrechnung – Anspruch nach § 89b HGB B541, M90a, M125a – Bargeschäft – siehe dort – eigennützige C54 – Forderungen aus Warenlieferungen B273 ff. – Gesellschaftsrecht B267 ff., B272 ff., B276 ff. – inkongruente B288, B473 f., C33, C49, C51, C54, D45, D47, D49, D52 f., D57, D92, D95 – Kaufpreisanspruch B183, B186, B265, C31, D51 – kein eigenständiges Rechtsinstitut B251 – kongruente B287, B426, C41, C45, C49, C55, D45, D47, D49, D57 f., D92

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– Kontokorrent B262, B270, B287 ff., B439, B548, B550, C10, C29, C40 ff., C47 ff., C54 ff., D49, D54 ff., M20 ff., M64 – wechselseitige Leistungen A44, B267, B272, D49 – Zahlungseingänge B287, B426, B543, C49, C51 Verrechnungsabrede B184, B185 f., C40, F92, F94 Verrechnungsbefugnis C40, C51, D95, M21 Verrechnungslage B252, B261, B269, B271, B295, B536, B540, C19, C56, C58, D45, D47, D49, M19, M87, M89 – Entstehung B261, B269, B271, B540, C56, C58, M19, M87 – inkongruente D45, D49 Verrechnungsscheck – Insolvenz der bezogenen Bank J32 Verrechnungsstelle B247 Verrechnungsvereinbarung B187, B540, B550 ff. – antizipierte B540, B550 ff. Verschärfte Haftung – Bereicherungsschuldner P92 ff. Verschaffungsanspruch B1, B490, B497, B667, B672, B720 Verschieben von Sicherheiten B439 Verschlechterung B337, E35, F85, G100, H77 – Rückgabegegenstand P8 – schuldhafte P2 Verschleuderungsgeschäft A16, A25, B693, E20, E39, M14 Verschmelzung B248, R5 Versicherung B121 ff., B211, B215, B341, B522 ff., B528, B532 ff., B579, C13a, D26, D40, E9, E48a, F72, F83b, F83g, F100h ff., G73 ff., G86, G107 ff., M68 f., M92 f., M126 ff. – siehe auch Lebensversicherung – für fremde Rechnung B153 Versicherungsfall B121, B332 f., B525, B528, G109, G113 ff., M68 f., M92 Versicherungsleistung B123 ff., B332, B525, B528, D78, G109 ff., M68 f., M92, M92a, M129 – Teilbarkeit B123, B528, G110, M129 Versicherungsnehmer B126, B332, B523 f., B526, B528, D78, G107, G109 f., G114 ff., M92a, M124, M126, M128 Versicherungsvertrag B71, B123 ff., B332, B525 ff., B528, B602, G107, G109, G111 ff., M68 f., M92, M92a, M126 ff. Versorgungswerk B388 Versorgungszusage B522 Versprechensempfänger B121, B526, G107, G111, G116

Stichwortverzeichnis Verstrickung H9, H34, H36, H60 ff., H62a Vertrag – gegenseitiger B5, B77, B256, B275, C31, C39, C119e, D49, E3, E22 f., E37 ff., E59, F112, G13, G31, G31a, O49 – günstiger B14, B348, B355, B648, E28, E34, E47 – ungünstiger B162, B614, B637, E24, E55 Vertrag zugunsten Dritter E24, E47, G107 ff., P67 ff. Vertragsänderung B614, B637, D34, D34a, D42, D121, E24 Vertragsaufspaltung B124 Vertragsschluss A12, B2 f., B5, B243, B256 f., B286, B544, B709, D46, E16, E43, G109, M11, M41 Vertragsübernahme B357, B365, G69a Vertrauenstatbestand B37 Vertreter – Kenntniszurechnung C118 ff. – vollmachtloser B34 Vertrösten C88, C107 Verursachen B3, 328, B351, B365, B626, B647, B677, D17, E14, E32, E43, E59, F114, H34, H105, I33 Verwandte – siehe Nahestehende Person Verweisungskette – Bereicherungsrecht P88 Verwendungen B16, B424 – Rückgewähransprüche P113 Verwendungsersatz B424 – Verzicht B424 Verwertung B12, B14, B294, B344, B425, B428, B432, B437, B458, B474, B478, B482, B484, B554, B562, B577, B596, B599, B642, B648, B660, B738, C15 f., C47, D95, D106, E28, E34 f., E42, E54, H74 ff., H82, H84 ff., M64a – freihändige B428, B478, B482 Verwertungsabrede B12, B339, B562, E42 Verwertungserlös B456, B484, B489, B562 f., B596, B599, B624, B638, B660, B675, C15, D114, E42, M70, M87 Verwertungskosten B456, B599 Verwertungspauschale B599, E54, M29 Verwertungsrecht B361, B425, B437, B600 Verwertungsreife B474 Verzicht B14, B19, B40 f., B53 f., B215, B220, B391, B424, B562, B598, B735, D42, F57 f., F110, G21, G34, G47, G54 f., G68, H8, H75, H83, H89b – auf Erwerb B54 – Grundpfandrecht P64 – auf Patent B53 VOB/B B588, B589, B612, B639, D84 Vollstreckbarer Titel (§ 141) – Systematik N6 ff. Vollstreckungsabwehrklage B724

– nicht bei Rückführungsansprüchen P13 ff. Vollstreckungsauftrag F88 Vollstreckungsbescheid B504, D63 Vollstreckungsdruck B724, F80, N23, N24 – siehe auch Zwangsvollstreckung, Abwendung Vollstreckungsgläubiger O77 Vollstreckungskosten O77 Vollstreckungsleistung O77 Vollstreckungsmaßnahme B30, B43, B87, B285, C28, C123, D6, D53c, F14, F82, F106, H69, M47, M50, M70, M98 Vollstreckungsschuldner B407 Vollstreckungstitel B17, B19, B27, B55, B196, B313, B346, B492, F13, F100c, N1, N15 ff., N18 – Anfechtungsgegenstand N4 – anzufechtende Rechtshandlung N17 – kein Anfechtungsausschluss N3 Vollstreckungsversuch B24, B27, F16b Vollstreckungszugriff B17, B25, B28, B318, B380, F16d Vollwertig B18, B329, B337, B344, B349, B394, B420, B596, B607, B618, B654, E6, E32 f., E35, E48, G66, M113 Vollziehungsperson B23 ff., B31, F16b, F16d Vorabpfändung P56 Vorarbeiten B244, B709 Vorausabtretung B70 ff., B80, B86, B97, B123, B291 f., B455, B527, B696, C21, D75, M16, M21 f., M37 f., M41 ff., M61, M64, M67, M73 Vorausermächtigung B109, M80 Vorausverfügung B80, B88, B527, M38, M48, M50 Vorausverpfändung B96, B100, B292, M38, M55, M60 Vorauszahlung D47, D53e, E30, G45b, G65a, M51, M94 f., O187 Vorbehalt, vorbehaltslos B217, B680, C44, C56, M74, M82, M87 – des Eingangs B84 Vorbehaltskäufer B68, B421, B456, B561, M122 Vorbehaltsverkäufer B430, B456, B696 Vorgängerbestimmung A1, A30, A37a, E2, E44, F21 Vorkaufsrecht B54, B300 Vorläufiger Insolvenzverwalter – Genehmigung der Lastschrift B120 – Mitwirkung an Schuldnerhandlung B21, B39 – Vergütung B38, O191 f. – Widerspruch gegen Lastschrift B118, M85

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Stichwortverzeichnis Vorlegungsverbot – Wechsel J5 Vorleistung B245, B337, B709, D41, D97, G13, G31, G74 Vorleistungsrisiko G74 Vormerkung B316, B319, B343 f., B498, C60, D44, D114a, F113, G119, M26a, M29 f., M107 f. Vornahmezeitpunkt (§ 140 InsO) – Abbuchungsverfahren bei Lastschrift M75 – Abfindungsanspruch B123, B272 ff., B276 ff., M67, M113 f. – Abgrenzung zu § 147 InsO M1 – Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände B97, B256, D47, D118, M51, M59, M89, M109 f. – Abtretung einer bedingten Forderung B69, M39a, M119 – Abtretung einer bestehenden Forderung M36 – Abtretung einer künftigen Forderung A4, B67, B70 f., B78, M7 ff., M16, M27, M31, M37 ff., M43, M48, M67 f., M118 – Abtretung laufender Rentenbezüge M39, M47a – Anspruch auf Sicherungsrückgewähr M35a – Anwartschaftsrecht M25 f., M34 f., M92, M122, M126, M133 – Aufrechnung M18, M20 ff., M41, M51, M54b, M89 ff., M94 ff., M111 ff., M125 – aufschiebend befristeter Anspruch M39a, M49, M59, M109, M119, M132 f. – Banküberweisung M74 – Bedeutung der Verfügungsbefugnis B76 ff., M8, M12, M37 – Bedeutung des Abtretungsvertrages M7, M11, M31, M36 ff. – bedingte Abtretung M119, M122 – bedingte Rechtshandlung B69, M118, M122, M130 – befristete Rechtshandlung M49, M109, M131 ff. – betagte Forderung M44, M52 f., M67, M87, M111, M115, M126, M132 – Beweislast M134 ff. – Dienstvergütung M46 ff. – Doppelsicherung durch Grundpfandrecht und Pfändung M73 – Eigentumsübertragung M25 f., M34 f. – Eigentumsvorbehalt M35, M122 – einaktige Rechtshandlungen M16, M18 – einheitlicher Plan B156, M23 – Einrede der Nichtvalutierung M57 – Eintragung M1 f., M26, M70, M97 ff., M107 f.

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– Eintragungsantrag M2, M97, M99, M101 ff., M135 – eintragungsbedürftige Rechtsgeschäfte M97 f. – Eintritt der rechtlichen Wirkungen M1, M6, M13, M37, M70, M130 – Einziehungsermächtigungsverfahren M17, M76, M78 – Erfüllungsgeschäft M25 – Fälligkeitsvereinbarung B73, M131 – fehlende gesetzliche Voraussetzung M51, M55, M120 – Genehmigung M16 f., M24, M76 ff., M83 ff. – Genehmigungsfiktion beim Lastschrifteinzug M85 – gesellschaftsrechtliche Beteiligung M25, M54c – gesetzliche Bedingung M21, M44, M51, M111, M114 – gesicherte Rechtsposition B64, M6, M25, M30, M34, M44, M48, M67, M92, M99, M111, M114 f., M126, M133 – gestreckter Erwerbstatbestand B94 ff., M7, M16, M23 ff. – Gewinnanspruch M65 – Globalzession M40 f., M43 – Herausgabeanspruch des Auftraggebers (§ 667 BGB) M44, M87a, M111 – Insolvenzeröffnung als Bedingung M130 – kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht M96, M113 – Kaufoption M117a – Kerntheorie M21, M44, M111 f. – Kontokorrentverrechnung M20 ff., M64 – Konzernverrechnungsklausel M18 – Kreditabruf M55 – Kreditlinie M71 – Kündigung M22, M109, M131 – künftige Sache M15 – Lastschrifteinzug M17, M25a, M75 ff., M84 ff., M86 – Leasingforderungen M53 – Lebensversicherung M55a, M68, M92 ff., M126 ff. – mehraktige Rechtshandlung M7, M16 ff., M23 ff., M32, M72, M89, M97 – Mietansprüche M48 ff., M57, M59 ff., M73, M118, M132 f. – Mietnebenkosten M51 – mittelbare Gläubigerbenachteiligung M4, M13 – öffentlich-rechtliche Genehmigung M24 – Pfandrecht an bestehender Forderung M31, M55, M55a, M70 – Pfandrecht an künftiger Forderung M15, M31, M38, M55 f., M61, M67, M70, M118, M127 f.

Stichwortverzeichnis – Pfandrecht für künftige (zu sichernde) Forderung M56, M58, M61, M63a – Pfandrecht nach AGB-Banken M31, M63, M63a, M64 ff. – Pfändung eines Versicherungsanspruchs M55a – Pfändung in Kreditlinie M55, M71 – Provisionsanspruch des Handelsvertreters M45, M90a f., M125 – Rechte an Grundstücken M26 – Rechtsbedingung M121 – rechtsgeschäftliche Bedingung M45, M51, M55, M95, M117 – registerrechtliche Eintragungen (§ 140 Abs. 2 InsO) M97 ff. – Regressanspruch M91, M123 – Rentenbezüge M39 – Scheckeinreichung M87 f. – Scheckinkasso M19, M87 – Schlusssaldoforderung aus Kontokorrent M20 ff., M64 – selbständige Rechtshandlungen M23, M41 – SEPA-Lastschriftverfahren B109 ff., M80 ff. – Sicherheitentausch M35, M62, M73 – Steuerrecht M93 ff. – Treuhand M54c – Überweisung M74 – Unterlassen M33, M106 – unwiderrufliches Bezugsrecht B121, M92 f. – verklammerte Sicherheiten M30 – Vermieterpfandrecht M57, M59 ff., M118 – Verpfändung M31, M38, M55, M60 ff., M114, M127 – Verpfändung eines Geschäftsanteils M65, M67, M102 – Verpfändung eines Versicherungsanspruchs M68 ff., M92, M126 ff. – Verpfändung kontokorrentgebundener Forderungen M21, M64 ff. – Verpfändung von Gewinnansprüchen M67 – Verpflichtungsgeschäft M14, M24 – Verrechnung M18 ff., M87, M89 ff. – Versicherungsrecht M92 f. – Vormerkung M26a, M29 f., M107 f. – Vorpfändung M32, M72 – Wechsel M88 – Werklohnforderung M54 ff., M58 – Werthaltigmachen der Aufrechnungslage M89 ff., M113 – Werthaltigmachen eines Pfandrechts M58 – Werthaltigmachen vorausabgetretener Forderung M41 f., M54

– widerrufliches Bezugsrecht M92, M126 – Zahlungsverkehr M74 ff. – Zwangsvollstreckung M38, M47, M50, M67, M70 ff., M98 Vorpfändung D64, M32, M72, P80 ff. Vorrang – Ausgleichspflicht B240 – Deckungsanfechtung B140a, B205, B375, B700, B706, E26, G7, G78, G80, G127 – Gesellschaftersicherheit H23, H79, H82, H84 ff., H89a f. – Grundstücksbelastung B478, B481 – innergesellschaftliche Abrechnung B269 – Kapitalerhaltung B50 – Leistungsbeziehung B85, B173, B188, B207 f., G72 ff. – objektive Kriterien G32, G34 – Organträger B145k, D18 f., D19b – Prioritätsprinzip F31 – Zweckverfolgung B169 Vorrang der Deckungsanfechtung vor der Schenkungsanfechtung B136 ff. Vergleich mit dem Anfechtungsgegner B140a Vorrangiges Sicherungsrecht – Wegfall B356, B360, B485 Vorrecht B108, B474, B514, B518, B581, M79 Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) – Abgrenzung zur Deckungsanfechtung B189 ff., B705, F7a ff., F29, F31 f., F53, F100c, F103a – gegenüber dem Angewiesenen B189 ff., F12, F92 ff. – missbilligte Verhaltensweise A14, F7 Vorsatzkenntnis O116 f. Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO) – Abfindungsvergleich F57a – Abgrenzung zu § 132 InsO F10b – Abgrenzung zum Deliktsrecht A38 – Abgrenzung zur Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) F6 ff., F29, F31a – Abtretung in der Krise F59 ff., F77 – Altersteilzeitguthaben B521 – Androhung eines Insolvenzantrages F31a, F50, F54 – Anfechtungszeitraum F3, F20, F104, F111, F113 – Angewiesener als Anfechtungsgegner B189 ff., F12, F90 ff. – Arbeitnehmer F38c – ausgelagerte Buchhaltung F103a – Ausmaß der Inkongruenz F55 – Bargeschäft O4, O8, O11, O16, O125 ff., O177, O179, O214, O222, O236, O239

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Stichwortverzeichnis – bargeschäftsähnliche Lage F14a, F33h, F38c, F38g f., F48a – Beeinträchtigung der Befriedigungschancen F7, F7c f., F9a, F33h – Beitragszahlung F88 ff., F98, F100b, F100h ff. – Beweis des Gegenteils F3, F65 – Beweisanzeichen, Indiz F7a, F9 f., F24, F26, F28 f., F32a, F33 f., F40, F48 ff., F50a, F51, F54 ff., F58 ff., F63, F67, F75 ff., F83a ff., F96, F103a – Beweiserleichterungen F26, F49, F63, F66, F102 – Beweislast F3, F12, F101 ff., F106, F114 ff. – Beweislastumkehr F103, F106 – Bitte um Ratenzahlung F17a – Deckungsverhältnis F95 f. – Direktzahlung F48a, F63f – drohende Zahlungsunfähigkeit F7a, F8 f., F17c, F27 ff., F31a f., F32a ff., F33h, F42, F52, F65 ff., F73e, F76, F76b, F78a ff., F85, F100d, F103 – Drohung mit Insolvenzantrag D62, F31, F36, F50, F54 – Druckausübung F37 – Eigentumsvorbehalt F38d ff. – Einzelfälle F46 ff. – entgeltlicher Vertrag F18, F107 ff. – siehe auch Entgeltlicher Vertrag mit nahestehender Person – erweiterte Vermutung F8, F66 ff., F103 – Geldstrafe F76a – Gesamtwürdigung F33, F33a ff., F67, F102 – Gesellschaftsgründung F45 – Gesetzeszweck F1, F7d – Gläubigerbenachteiligung F17 – Gläubigerbenachteiligungsvorsatz – siehe dort – Gläubigergleichbehandlung F6 ff., F31 – gleichmäßige Gläubigerbefriedigung F7d f., F9a – Halteprämie F54a – Hauptlieferant F38d ff. – Indizien – siehe Beweisanzeichen – Indizwirkung der Inkongruenz F10, F49 ff. – inkongruente Rechtshandlung F26, F31, F33a ff., F37, F41, F49 ff., F55 ff., F84, F94, F99 – Insolvenzverschleppung F16f – Interimsrechtsprechung F27 ff. – justizförmige Zwangsvollstreckung F7c f., F69c – Kapitalerhöhung F64 – Kenntnis bei Vertretung F87 f.

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– Kenntnis des Anfechtungsgegners F28, F32 f., F43, F62 ff., F77, F80, F86 ff. – siehe auch Kenntnis des Anfechtungsgegners – Kenntnis im Mehrpersonenverhältnis F94 f. – Kenntnisvermutung F3, F8, F33, F51, F65 ff., F79, F85, F101 ff. – kongruente Rechtshandlung F30a, F34 ff., F41, F85 – Kongruenzvereinbarung F48a – Konkurrenzen F8 – Kreditablehnung F76 – Leistungsmittler F12 f., F100a ff. – Liquiditätsbilanz F17d, F75a, F103a – Lösungsklausel F14b, F84 – mehrmonatiger Zahlungsrückstand F17b – Mehrpersonenverhältnis F92 ff. – mittelbare Gläubigerbenachteiligung F18, F39, F101 – mittelbare Zuwendung F19, F92 ff., F97 ff. – Nachbesicherungsverlangen F85 – Näheverhältnis als Indiz F103b – nahestehende Person F18, F103a, F104 ff., F112 ff. – neuere BGH-Rechtsprechung F33, F44, F67, F102, F111 – planmäßiges Zusammenwirken F1, F16a, F108 – Presseberichte F69 – Prioritätsprinzip F7, F9a, F31 – Ratenzahlung F17a, F69d, F69f, F71 f., F77, F78, F98, F103a – Ratenzahlungsbitte F69e, F78 – Rechtsgedanke A27, F5, F7 – rechtsgrundlose Leistung F10a, F16c – Rechtshandlung des Gläubigers F16e f. – Rechtshandlung des Schuldners F6, F10 ff., F15 ff., F18, F61a ff., F94, F101 – siehe auch Rechtshandlung des Schuldners – Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts F33e ff. – Rechtsprechungsunterschiede zwischen IX. und II. Zivilsenat des BGH F16 – Regelvermutung bei kongruenter Gegenleistung F21a – Rücklastschrift F83c, F91 – Rückstände F38g – rückständiger Arbeitslohn F68 – Sanierungsbemühungen F39 ff., F44 ff., F55, F64, F103 – Scheckrücklastschrift F91 – Schiebeliste F36 – Schutzgesetz F4

Stichwortverzeichnis – – – – – –

schwache Inkongruenz F55, F60 f. selektive Befriedigung F31a, F36, F100e Spezialanfertigung F46 Stillhalteabkommen F77 Stundung, erzwungene F83h Subunternehmer F59 ff., F93 ff., F97 ff., F100a, F100c – Teilzahlungen F74 ff., F81 ff. – Überbrückungskredit F43 – Überschuldung F79 – Umschuldung F57b – Umschuldungsverhandlungen F17a – unentgeltliche Weggabe F48b – unlauteres Verhalten A28, F1, F22 – unmittelbare Gläubigerbenachteiligung F18, F92, F101, F104, F112, F114 – unrentabler Geschäftsbetrieb F38h – unterlassene Kontoeröffnung F9a – unterlassener Insolvenzantrag F14 – Unternehmensbestattung F46 – unternehmerisch tätiger Schuldner F68 – Valutaverhältnis F95 f. – verdeckte Gewinnausschüttung F63b ff. – Vereinbarung für den Insolvenzfall F47, F84 – Verfallsklausel B350 – Vergleich F57, F57a – Verhältnis zum Bargeschäft F9, F31, F39, O13, O16, O125 ff. – Verlustanhäufung F14a, F65b – Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO F3, F7d, F8, F51, F65 ff., F85, F103 – Vermutung des Schuldnervorsatzes F29, F33 – Vorsatz des Schuldners F21 ff., F29 ff., F34 ff., F39 ff., F46 ff. – Wahrung gleicher Befriedigungschancen F6a, F7c – wirtschaftlicher Vorteil des Angewiesenen F100a ff. – Zahlstellenfunktion des Leistungsmittlers F36, F100c ff. – Zahlungseinstellung F17b, F17d, F38g, F62 f., F68, F69e, F69f, F70, F75, F80a, F83f ff., F103a – Zahlungsunfähigkeit F17a ff. – siehe auch Zahlungsunfähigkeit – zeitlicher Abstand zur Krise F55 – Zwangsvollstreckung F7a, F11 ff., F16b ff., F31, F31 f., F38, F38b, F52 f., F71 f., F73f, F77, F78a, F80, F88, F100c, F108 Vorschuss B42, B732 f., D41, D91, H52, L3, O160 ff. Vorstandsmitglieder – nahestehende Person K30 Vorsteuer B5 f., B7a, B436b, M94

Vorteil A32, B27, B160, B171, B185, B244, B316, B328 f., B347 ff., B647 ff., B705, C17, E32 f., F22, F37, F47, F92, F110, G28 f., G38 f., G55, G59 – geldwerter, gleichwertiger B244, B329, B347, B551, E33, G29 – Mittelsperson B194, B196, B705, C17, F12 f., F92, F100a – unmittelbarer B185, B328 f., B347 f., B648, E33, F92 Vorteilsausgleichung B57, B314, B328, B647 ff. Vorzugsstellung A14, B106, F6

Wahlrecht

B23, B31, B77, B236, B389, B584, D35, E22, F12, F61, H3, H49, H87, H89a Ware, Warenlieferung A39, B68, B235, B239, B264, B273, B377, B455, B457, B544, B557, B589, B595, B696, C6, C31, D46, D51, D68, D104, E35, E38 f., F84, H5, H76a, M113 Warenkredit B430 Warenlager B422, B431, B597 Wechsel, Wechselrecht C22 f., C58 f., D69, E11, E24, E47, E53, F24, G83c, M88, O122 – Einlösungsvarianten J8 – Nichtannahme J11 – notgedrungene Zahlungsannahme J9 ff. – Protest J1 ff., J9 ff., J15 f. – Rückgriffsschuldner J10 – Teilzahlungen J8 – Wechselforderung B303, C22 f., C58 f., D69, E11, E24, E47, E53, F24, M88 Wechsel- und Scheckzahlungen J1 ff., O23, O57, O72 – Ausnahme von der Deckungsanfechtung J1 – Fahrlässigkeit J2 Wechselvorschriften – keine analoge Anwendung J13 ff. Wechselzahlungen O57 – Abgrenzungen J4 – Anfechtungsgegner J24 f. – Anfechtungsverbot J15 ff. – Darlegungs- und Beweislast J37 – Ersatzrückgewähr J19 ff. – Erstattungsgegenstand J21 – Fallgruppen J17 ff. – kongruente Deckung J4 – Protest J5 – Rechtsfolgen J15 ff. – Regressansprüche J5 – Regressverlust J7 – subjektive Anfechtungsvoraussetzungen J26 ff.

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Stichwortverzeichnis Wegfall der Bereicherung G6, P48 ff. Weisung B104, B109, B119, B160, B201, B510, B569, C119 ff., C126, D78, F10, F73, F88, G64, H57, H62d, M76, M80 – siehe auch Anweisung – des Drittschuldners B160 – girovertragliche B109, M80 – des Schuldners B104, B119, B569, F16a, F100c, H74b, M76 Weiterbenutzung – des Kontos B106, B114 Weiterleitung B196, B492, B466, B471, B556, B563, B610, C119f, C119h, C124, F13, F73c, F100c, F100g Weiterübertragung B431 Weiterveräußerung B67 f., B455 f., B631, M35 Werklohnforderung B244, B256 ff., B258, B284, B472, B605, C27, C35 f., C70, C119d f., C123 f., D42, D50, D53b, D53e, D84, D90, D117, E45, F57, F59, F61, F73b, G69, M54 f., M54b, M58 Werkmängel B83, B258, D90, F57, M42 Werkunternehmer B85, D53e, D96 f., M54b Werkvertrag B123, B124, B257, B267, B286, B528, B539, B549, B605, C29 f., C36, C119e, D50, D53d, M54, M54a f., M129 Wertauffüllung B16, B236, B557, M54 Wertausschöpfende Belastung B477, B479 f., B485, B489 – Anspruch auf Sicherheitenrückgewähr B477, B480 – Aufwendungen des Anfechtungsgegners B485 f. – Bausparvertrag B483 – Darlegungs- und Beweislast B489 – fehlende Valutierung B477, B480, B483, B489 – Lästigkeitswert B478 – maßgebender Wert B480 ff. – maßgebender Zeitpunkt B485 – Mitverschenken des Rückgewähranspruchs B594 – Rückgewähranspruch B477, B480 – Valutierung B477, B480, B483, B489 – vertragsgemäße Belastungsbeseitigung B480, B488 – Wertsteigerung B485 Wertersatz B638, B670, B726, H14, H74 – bei Anweisung P66 Wertersatzanspruch B726, P15 ff., P108 – Bewertungszeitpunkt P110 ff. Werthaltigkeit B187, B204, B209, B245, B254 f., B259 f., B286, B408, B421, B508, B512, B539, C37 f., D48, D53d, D117, E46, G12, G31a, G42a, G57 f., G62,

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G64 f., G69a, G95, G103, G111a, G127, M41, M58, M89 f., M113 Werthaltigmachen B72 ff., B84, B234 ff., B259 ff., B275, B394, B557, B708, C2a, C28, C119e, C123 f., D49 f., D53b ff., E46, M41 f., M47a, M54, M90, M113, O155 – siehe auch Forderung – Anfechtungsgegner B85 – Aufrechnungslage B259 f., D49, E46, M90, M113, O42 – Darlegungs- und Beweislast B73 – Forderungsabtretung O134, O155, O230, O233 f. – Pfändungs- und Überweisungsbeschluss F16a Wertlosigkeit B35, B204, B224, B249, B428, B573, B591, B700, B706, E15, G13 f., G30 f., G58 ff., G65a, G72, G77, G83f, G83j, G91, G96, G102 f., G106, G127 Wertminderung B258 Wertschöpfung B329, B650, C28, M41 Wertschwankung C74 Wertsteigerung B75, B83, B275, B356, B360, B485, G50, M42, M113 Wertstellung B7 Wertungsmäßig B12, B79, B173, B279, B668, C119a, D33, D61, F16e, G102, H74d, M11, M21, M45, M61, M91, M95, M112, M115, M123 f. Wertverhältnis B339, C74, E32 Widerruf – Bezugsrecht G115 – Einziehungsermächtigung B466, B470, B556, B563, D77 – Einzugsermächtigung D77 – Erfüllungswahl E22 – Lastschrift B106, B115 – Scheck B305 – Schenkung B40, G16 – Sozialplan B52, E25 – Willenserklärung B532 Widerrufliches Bezugsrecht B121 ff., B331 ff., B524 f., G113 ff., M92, M126 Widerrufsrecht des Schenkers B40, G16 Widerspruch B10, B108 f., B228, B241, B304, B309, B383, B616, E22, G57, H4, H98, M76, M79 f. – pauschaler B109, M80 Wiederaufleben B58, B213, B670, B701, F100k, H36 Wiederaufnahme der Zahlungen C91, C102, C108, C132, F70, F83h Willensbetätigung B212, G26 Willenserklärung B5, B12, B56, B64, B76, B532, E24, F87, M12, M26, M33, M37, M99, M108

Stichwortverzeichnis – bindende B64, L6, M2, M26, M26a, M99, M108 Wirksamkeitserfordernis B76, M12, M37 Wirkung – gläubigerbenachteiligende B1, B33, B56, B253, B348, B538, B558, B585, B648, C102, D34, D34a, E60, F44, F100c – masseschmälernde B55, E60, M7 – rechtliche B6, B10, B11, B15, B45, B57, B62, B95, B236, B252, B474, B511, B539, B708, C25, D34, D48, D110, F20, F62, F89, G114, H68, M1, M6, M33, M51, M70, M89, M130 – der Rechtshandlung B2, D124, B245, B530a, D34a, F20, F50, F62, F63e, F74, G114, L6 Wirkungsstatut A47j Wirtschaftliche Betrachtungsweise – siehe auch Betrachtungsweise, wirtschaftliche – Bedeutung der Vermögensverschiebung als Ganzes B4, B56, B61, B336, F95 – Vertragsschluss als Gesamtvorgang B56 Wirtschaftliche Verflechtung K23 Wirtschaftlicher Vorteil B185, B350, B649, C17, F13, F92, F110, G28 Wirtschaftlicher Zweck – einheitlicher B56 Witwe G81, G113

Zahlstelle

B103, B170, B196 f., B270, B287 f., B290, C45, D57, D59a, F100c, F100e, F100g, H76a Zahlung – abgekürzte B215, B530 – durch einen Dritten B163, B188, B208, B324, B603 – vor Fälligkeit C22, D27, D87 – Nichtannahme bei Wechsel J11 Zahlungsanweisung B409, D79, F96 ff. – siehe auch Anweisung Zahlungsart C22 Zahlungsauftrag B109, G45, M80 Zahlungsdienstleister D59a Zahlungseinstellung – Begriff C3, C78 ff. – Beseitigung C91 ff. – eigene Erklärung des Schuldners C79, C90 – gegenüber einzelnem Gläubiger C78 – Gesamtwürdigung C78a, D119a, F38g, F75 – Indizien C78 ff., C87 ff. – Kündigung durch Hausbank C79 – Löhne C79, C89, C112, C114 – Nichtbegleichen bis Insolvenzeröffnung C78b, C82, C128, D119a, F17b, F75 – Nichterfüllung einzelner Schuld C109

– Nichtzahlung vereinbarter Rate C79a, C83, C116a – Ratenzahlungsvereinbarung C79a – schleppende Zahlungen C89, F80, F91 – Sozialversicherungsbeiträge C79, C88 f., C107, C112 – Stundungsbitte C79, C90 – Vermutung für Zahlungsunfähigkeit C78, D119a, F17b Zahlungsfähigkeit – Wiedererlangung C93 Zahlungsschwierigkeit C112, F85 Zahlungsstockung C81, C112, C114 Zahlungsunfähigkeit – Abgrenzung zu Überschuldung C77, C80 – Abgrenzung zu Zahlungsstockung C81 – Aussetzung der Vollziehung C83a, F17c, F27b – Begriffsbestimmung C80 ff. – Beitragsrückstand C88, C97, C107 – Beseitigung C79a, C91 f., C102, C116 – bestrittene Forderungen C85 – Beweiserleichterung des § 130 Abs. 2 InsO C104 ff. – Beweismittel C129 – Bugwelleneffekt C81a, C85a – drohende A15, A29, B341, B579, B653, C1a, C76, C95, C109, C119h, F8 f., F27, F32a, F33, F42, F66 ff., F73e, F76, F78a, F79 f., F85, F100d, F103, H55, H67, H100, I1, I3, I32 – eigene Erklärung des Schuldners C79 – eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen A2, A47d, B298, B307, B573, B619, C86, G13, G30, H11, H21, H28a, H28b, H65 – Einstellung des Geschäftsbetriebes C90 – einzelne Forderung C78 – Entbehrlichkeit einer Liquiditätsbilanz C82 – ernsthaft eingeforderte Verbindlichkeiten C44, C83, C109 – erzwungene Stundung C83, C116a, F83h – faktisches Stillhalten C83 – Feststellung C82 ff. – Gesamtwürdigung C87, F33, F67, F69e, F75 – gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 InsO C77 f. – Handelsbilanz C82a, H19 – Indizien C78 ff., C87 ff., C107 ff. – bis Insolvenzeröffnung unbeglichene Forderungen C78b, D119a, F17b – Kündigung der Hausbank C90 – Lastschriftrückgabe C109, F76 – Liquiditätsbilanz C82, C127

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Stichwortverzeichnis – Liquiditätslücke C81 ff. – Lohnrückstand C89, C110 ff. – Maßgeblichkeit des § 17 InsO C77, G72a – Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen C79, C88 f., C107, C112, F80a, F87 ff. – Nichtbegleichen bis Insolvenzeröffnung C78b, C82, C128, D119a, F17b, F75 – Nichteinhalten der Ratenzahlungsvereinbarung C23b, C79a, C116a, F17a, F69c, F83a ff. – objektive Betrachtung C81 – Passiva II C85a – Patronatserklärung C92, C116, H52b – Ratenzahlung C79a, C83, C108, C116a – Rückgabe von Lastschriften C79, C90, C109 – Rücktritt von Genussrechtsinhabern C86a – Scheckrückbelastungen C90, C109 – schleppende Zahlung C89 – Spitzenbetrag C94 – Stillhalteabkommen C83 – Ursächlichkeit für Insolvenzeröffnung C91 – vertröstendes Verhalten C88, C107 – Vorsichherschieben fälliger Verbindlichkeiten C94, F38g, F83f – Wegfall C93, C102, C132 – Zahlungsstockung – siehe dort – Zwangsvollstreckungsmaßnahme – zweifelhafte Verbindlichkeiten C85 Zahlungsunwilligkeit F17b Zahlungsvereinbarung B26, C79a, C108, C116a, F17a, F78, F83a, F83i Zahlungsverkehr B25, B197, B410, D81, F16d, F100e, M74 ff., N24, O136 ff., O228 f. Zahlungsvorgang B105, B119, D27, D87 Zahlungsweg – verkürzter B215, B518, B530 Zahlungszusage – Gesellschafter C92a Zedent B82, B90, B234, B237, B290, B600, C31, C39, H62c ff., M8, M37, M52 Zehnjahresfrist A28, A33, D96, F1, F8, F15, F20, F29, F34, F66, F101, H17, H37, H70 f., H74c, H76, H108 Zeitbestimmung B91, B281, H14, M44 Zeitgleiche Abtretung D33, D101 Zeitgleiche Verträge B56 Zeitlicher Zusammenhang O66 ff. Zeitpunkt – Einzelzwangsvollstreckung N27 ff. Zessionar B82, B83, B85, B88, B90, B101, B234, B237, B241, B290, B392, B459, B464, B475, B527, B554, B675, B708,

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C18, H61 ff., H62c ff., M11 f., M37, M42, M50, M52, M67, M73, M114 – als Anfechtungsgegner B83, B85, H62c ff., M41 ff. Zinsen B172 f., B298, B339, B448, B593, B681, D86, D88, E40, G53, H9, H28a, H73, M132 – als Nutzungen P107 Zinsersparnis B172 ff. Zinssatz B298, B339, B593, B444, E40 Zufallshaftung – Anfechtungsgegner P2 Zugriff – des Gläubigers A39, B17, B18, B25, B28, B82, B310, B312, B318 ff., B326, B332, B335, B344, B355, B369, B380 f., B398, B411 ff., B427, B452, B464, B552, B576, B617, B641, B662, F12, F16d, F17, M28 Zugriffserschwerung B18, B196, B310, B312, B318 ff., B492, B576, F13, F17, F62, F63f, F83e, F100c f. Zugriffsmöglichkeit B4, B56, B61, B319, B336, B341, B354, B629, G47 Zuordnung A9, B82, B160, B237, B409, B413, B491, B552, B668, B697, B725, G81, M61 Zuordnungskriterien B85, B184, B230, B247, B249 Zurechnungszusammenhang B638, D60 Zurückbehaltungsrecht B15, B698, C60, C63, D90, M96 Zurückgewähren A8, A35, B47, B54, B58, B121, B218, B381, B411, B526, B535, B553, B666, B692, B694, C94, D19, E49, G41, G45, G116, H71, I1, I23 Zusammenhang – rechtlicher B591, F24 – unmittelbarer A14, C20, F7, F14, F55 – ursächlicher B624 ff., B629, B631, B639, B647, E3, E14, E17 – zeitlicher B118, B543 f., B548, C20, D62, E13, F54, L19 Zusammenveranlagung B389, B584 Zusammenwirken A28, C119b, C119f, C119g, E24, F1, F16a, F22, F73a, F73c, F108 Zuschlag in Zwangsvollstreckung B10, B43, F73b Zuständigkeit – Arbeitsgericht B676, B715 ff. – dinglicher Gerichtsstand B720 – Einwand der Anfechtbarkeit B719 – Finanzgericht B713, B718 – internationale A47 ff., B721 – Kammer für Handelssachen B720a – örtliche A47e, B720, B721 – sachliche B720 – Sozialgericht B716, B719

Stichwortverzeichnis – Verwaltungsgericht B714 Zustimmung B37, B63, B123, B319, B331, B333, B348, B422, B478, B566, B597, B648, E27b, E28, E34, F103, G115, M69, M102, M127 f. – privatrechtliche B63 Zustimmungsvorbehalt B21, B37, B106, B118, B467, B643, C10a, D26 f., D73, E29, M85 Zuwendung – einheitliche Rechtshandlung B55 ff., B156, B375, B687, B697, M23 – mehraktige Rechtshandlung B62 – mehrere Rechtshandlungen B56 f., B61, B156, B510, M23 – mittelbare B55, B61, B85, B121, B129 f., B171 f., B185, B191, B193, B196, B205, B227 ff., B247, B249, B250, B313, B368 ff., B381 ff., B411 ff., B514, B517, B526, B535, B705, C42, C58a, C126, D19b, D55, D80, F19, F92, F100c, G9, G14, G59c, G78, G105, G107, G116, M23 – unbenannte B14, G27, G51 – unentgeltliche A3, A5, A27, A30 f., B204, B206 ff., B217, B219 ff., B244 f., B297, B395, B477, B573, B591 – siehe auch Unentgeltliche Leistung – zweckgebundene B324, B499 Zuwendungsempfänger – Aufrechnungsmöglichkeit G65a – Aufwendungen B684 – Empfängersicht B207, B 230, B233, G79 – Gegenleistung B204, B208, G32 f., G35, G55, G58, G73a, G77, G106 – Gesamtschuld B192, B196, B378, F92 ff., F100c – Insolvenz B192 – Insolvenzgläubigerstellung C12, D16 ff., D38a, D80 – Insolvenzrisiko B201 – Kenntnis, Kenntniszurechnung B164, C126, G72 f. – Leistung auf fremde Schuld D20 f., D80, G57 f., G70 ff. – Mehrpersonenverhältnis B204, B227 ff., D20, G70 ff. – mittelbare Zuwendung B119, B129 ff., B227 ff., B234 ff., B247, B249 f., B368 ff., B375, B378, D20, D80, F92, G83a ff., G105 ff. – Quotenverschlechterung B208, G61, G72a, G100

– Schutzwürdigkeit A19, A47b, B37, B193, B249, E21, E29, G29, G33, G43, G58 f. – unentgeltliche Leistung B204, B209, B221, B224, B591, G22, G55 ff., G99 Zuwendungsverhältnis G65e Zwangshypothek B319, B340, H70, M70, M98 Zwangsmittel C103, D61, F52 Zwangsversteigerung B10, B43, B481 f., B628, B638, B724, H15 Zwangsverwalter B170, H101 Zwangsverwaltung B452, H15, H101 Zwangsvollstreckung O11, O76, O242, O244 – Abwendung B23, B27, D61, D65, F53, N9, N17, N23 ff. – Anfechtungsansprüche P79 ff. – Begrifflichkeit N1 – drohende A24, D62 f., D65, F11 ff., F16b, F38, F52 – Duldung B23, B25, B31, B628, B671, B724 – einleiten, eingeleitete B24, B509, D61, F80, M67 – Entwertung N10 – erwirkte Rechtshandlungen N19 ff. – Freizügigkeit N25 ff. – internationales Recht N25 ff. – Kenntniszurechnung C119 ff., F71 f., F79 – Pfändungsmaßnahmen N13 – Prioritätsprinzip B198, A18, C9, D61, F5, F7 f., F16e, F31, F52 – unentgeltlicher Erwerb B673 – Verhältnis zur Anfechtung N1 ff. – Vollendung der Rechtshandlung M70 ff. – zeitliche Eingrenzung N8 ff. Zwangsvollstreckungsunterwerfung B451 Zweckbestimmung B384, B502, D58, H92 Zweckbindung B373, B388, B398, B404, B427, B490 ff., B500 ff., B552 – Gläubigerinteresse B404, B499 – Schuldnerschutz B499 – schuldrechtliche B493, B497 f., B508, B514, B552 – zweckgebundener Kredit B130, B134, B324, B499 Zwei-Personen-Verhältnis A31, B218, G13, G30, G32 ff., G55 f. Zwischenmieter B363, D85 Zwischenperson B184 f., B191, B231, B240, B378, B526, D19b, D21, D78, F99, M23 – siehe auch Leistungsmittler, Mittelsperson

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