Insiderhandel in China und Deutschland: Eine rechtsvergleichende Studie zur Regelung des Verbots von Insidergeschäften [1 ed.] 9783428544127, 9783428144129

Die vergleichende Analyse des deutschen und chinesischen Insiderhandelsverbots ergibt, dass in beiden Rechtsordnungen di

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German Pages 348 Year 2015

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Insiderhandel in China und Deutschland: Eine rechtsvergleichende Studie zur Regelung des Verbots von Insidergeschäften [1 ed.]
 9783428544127, 9783428144129

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Schriften zum Internationalen Recht Band 198

Insiderhandel in China und Deutschland Eine rechtsvergleichende Studie zur Regelung des Verbots von Insidergeschäften

Von

Sophia-Antonia Bir

Duncker & Humblot · Berlin

SOPHIA-ANTONIA BIR

Insiderhandel in China und Deutschland

Schriften zum Internationalen Recht Band 198

Insiderhandel in China und Deutschland Eine rechtsvergleichende Studie zur Regelung des Verbots von Insidergeschäften

Von

Sophia-Antonia Bir

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-14412-9 (Print) ISBN 978-3-428-54412-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84412-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013 / 2014 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Karl-Georg Loritz für die Bereitschaft, ein etwas außergewöhnliches Thema zu betreuen. Ihm und Prof. Dr. Rupprecht Podszun danke ich für die zügige Erstellung der Gutachten. Großer Dank gilt meinen Eltern, die mich stets in meiner Leidenschaft für China unterstützt haben, sowie meinem Mann, der mich im Zuge vieler Diskussionen über die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem chinesischen Recht oft auf den richtigen Gedankenansatz gebracht hat. Fokko ter Haseborg danke ich für das sorgfältige Korrekturlesen meiner Arbeit. Schließlich gilt ein besonderer Dank meiner Freundin Zhao Huimiao, die mich manches Mal mit der nötigen chinesischen Literatur versorgt hat und mir bei vielen Fragen einen Einblick in die chinesische Sichtweise – insbesondere auch in der Praxis – gegeben hat. Düsseldorf, im September 2014

Sophia-Antonia Bir

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts . . . . . . . 21 I. Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Entwicklungen bis zum Jahre 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Die Insiderrichtlinie und das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz . . 25 a) Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen . . . . . . . . . . . . . 25 b) Die Insiderrichtlinie aus dem Jahre 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 c) Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Die Novellierung des Insiderrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Die Marktmissbrauchsrichtlinie aus dem Jahre 2003 . . . . . . . . . . . 29 b) Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4. Aktuelle Entwicklungen: Die Marktmissbrauchsverordnung und die Marktmissbrauchs-Strafrechts-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Entwicklung des Insiderrechts in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Die Entwicklung bis zum Jahre 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Entwicklung des chinesischen Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 aa) Entwicklung verschiedener Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . 35 bb) Errichtung von Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Behördliche Vorschriften zum Insiderhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Der Weg zum Erlass des Wertpapiergesetzes im Jahre 1999 . . . . . . . 38 a) Reformen nach der Asienkrise im Jahre 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Das Wertpapiergesetz aus dem Jahre 1999  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Die Novellierung des Wertpapiergesetzes im Jahre 2005 . . . . . . . . . . 40 4. Sonstige Vorschriften mit Bezug zum Insiderhandel . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts . . . . . . . . . 43 I. Rechtfertigung eines gesetzlichen Verbotes des Insiderhandels . . . . . . . . 43 1. Die Auswirkungen des Insiderhandels auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Die Auswirkungen des Insiderhandels auf das Unternehmen . . . . . . . 48 a) Das Anreizmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Der Principal-Agent-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Die Bewertung von Insiderhandel vor dem Hintergrund allgemeiner Gerechtigkeitsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Die potentiell Geschädigten des Insiderhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

10 Inhaltsverzeichnis a) Die Schädigung des einzelnen Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Die Schädigung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 5. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Schutzzweck der insiderrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I. Insiderrecht in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Der Verbotstatbestand des Wertpapierhandelsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 68 a) Die Insiderpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Erfasste Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Erfasste Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Die Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Konkrete Information über Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (1) Konkrete Information. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (2) Gegenwärtige oder zukünftige Umstände . . . . . . . . . . . . . 75 (3) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (a) Prognosen und Werturteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (b) Scalping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (c) Frontrunning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (d) Gerüchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (e) Unrichtige Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (f) Mehrstufige Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Nicht öffentlich bekannte Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Emittenten- oder Insiderpapierbezug der Information . . . . . . . 91 (1) Direkter oder indirekter Emittenten- oder Insiderpapierbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (2) Praktische Relevanz des Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 dd) Erhebliches Kursbeeinflussungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Eignung zur Kursbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (a) Verständiger Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (b) Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (2) Erheblichkeit der Kursbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (3) Regelbeispiele und Katalog kurserheblicher Umstände der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 ee) Ausnahmetatbestand des § 13 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Verbotenes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Das Erwerbs- und Veräußerungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (1) Erwerb und Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Die Verwendung der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (a) Meinungsstand im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . 101

Inhaltsverzeichnis11 (b) Konsequenzen der Spector Photo GroupEntscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (c) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (aa) Face-to-Face-Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (bb) Unternehmerische Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (cc) Öffentliche Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Das Weitergabeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Mitteilung und Zugänglichmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Unbefugt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Das Empfehlungs- und Verleitungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (1) Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (2) Verleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 dd) Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (1) Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . 113 (2) Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . . . . 114 d) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Sanktionen und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . 114 aa) Abhängigkeit der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen ­Sanktionen von der Qualifikation des Handelnden als Primäroder Sekundärinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (1) Primärinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (a) Organinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (b) Anteilsinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (c) Berufs-, Tätigkeits- und Aufgabeninsider  . . . . . . . . . 118 (d) Kriminalinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (2) Sekundärinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Freiheitsstrafe, Geldstrafe, Bußgeld, Verfall. . . . . . . . . . . 122 (2) Strafrechtliches Berufsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Börsenrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 c) Zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Insidergeschäften . . . . 126 a) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen . . 127 (1) Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (a) Inlandsemittent von Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . 127 (b) Publizitätspflichtige Informationen . . . . . . . . . . . . . . . 129 (aa) Zeitpunkt der Entstehung der Veröffentlichungspflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (bb) Unternehmensinterne Informationen mit unmittelbarem Emittentenbezug . . . . . . . . . . . . . 131

12 Inhaltsverzeichnis (cc) Unternehmensexterne Informationen mit ­unmittelbarem Emittentenbezug . . . . . . . . . . . . . 132 (α) Änderung eines externen Ratings . . . . . . . . 132 (β) Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (γ) Squeeze-out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 4 und 5 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Aufschub der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Berechtigtes Aufschubinteresse des Emittenten . . . . . . . . 137 (2) Keine Irreführung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (3) Gewährleistung der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (4) Notwendigkeit einer bewussten Entscheidung des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Folgen der Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 dd) Rechtsfolgen unterlassener oder nicht gesetzmäßiger Ad-hoc-Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (1) Bußgeld  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Schadensersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Directors’ Dealings  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Führung von Insiderverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4. Mittel zur Verfolgung von Verstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Die Verbotstatbestände des Wertpapiergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Der Begriff des Insiders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Gesetzlicher Insider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (1) Traditionelle Insider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (2) Aufsichtsbehördeninsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (3) Marktinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (4) Ermächtigung der CSRC, weitere Insider vorzuschreiben . 157 (a) Regelung des Insiderbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (b) Rechtliche Qualifikation und Rechtmäßigkeit der Art. 6 Nr. 2, 3 und 5 CSRC-Leitfaden . . . . . . . . . 159 (c) Anwendung des CSRC-Leitfadens in der Praxis . . . . 161 (5) Notwendigkeit der tatsächlichen Kenntnis der Insider­ information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Illegaler Insider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 cc) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme  . . . . . . 169 (1) Bewertung des CSRC-Leitfadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Vergleich der gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Die Insiderpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Erfasste Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Erfasste Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 cc) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme  . . . . . . 181

Inhaltsverzeichnis13 c) Die Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Bezugspunkt der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (1) Gegenwärtige und zukünftige Umstände . . . . . . . . . . . . . 185 (2) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (a) Prognosen und Werturteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (b) Zwischen Scalping und Frontrunning: Das chinesische Phänomen des Rat Trading . . . . . . . 186 (c) Gerüchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (d) Unrichtige Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (e) Mehrstufige Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . 195 bb) Nicht öffentlich bekannte Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 cc) Inhalt der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (1) Direkter oder indirekter Emittentenbezug der Information . 201 (2) Marktinformationen mit Kursbeeinflussungspotential . . . 203 (a) Marktinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (b) Kursbeeinflussungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (3) Alternativverhältnis zwischen Emittentenbezug und ­Kurs­beeinflussungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (4) Auslegung der gesetzlichen Regelbeispiele . . . . . . . . . . . 208 dd) Ermächtigung der CSRC, weitere Ereignisse und Informationen „vorzuschreiben“ bzw. „anzuerkennen“ . . . . . . . . . . . . 208 ee) Ausnahmetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 ff) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme  . . . . . . 211 (1) Information über Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (a) Funktion des Merkmals der Konkretheit der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (b) Zukünftige Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (c) Information über innere Umstände . . . . . . . . . . . . . . . 216 (d) Mehrstufige Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . 218 (2) Nicht öffentlich bekannte Information . . . . . . . . . . . . . . . 220 (3) Inhalt der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (4) Relevanz des Merkmals des Emittentenbezugs . . . . . . . . 224 (5) Ausnahmetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 d) Verbotenes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Das Erwerbs- und Veräußerungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (1) Erwerb und Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (2) Die Verwendung der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (a) Meinungsstand in der chinesischen Literatur und in der behördlichen Praxis vor der Mitteilung des Obersten Volksgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (b) Bestätigung durch die Mitteilung des Obersten ­Volks­gerichtshofs in Bezug auf die Zusammenfassung der Konferenz zu bestimmten Beweis-

14 Inhaltsverzeichnis problemen im Zusammenhang mit der Verhandlung von Verwaltungssanktionsentscheidungen (Konferenz-Mitteilung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (c) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (aa) Face-to-Face-Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (bb) Unternehmerische Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (cc) Öffentliche Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (3) Gewinn und Gewinnerzielungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Das Preisgabeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 cc) Das Empfehlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 dd) Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 ee) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme  . . . . . . 241 (1) Das Erwerbs- und Veräußerungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . 242 (2) Das Preisgabe- und Empfehlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . 244 (3) Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 e) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Der Verbotstatbestand der Regulation on the Administration of Futures Trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Rechtslage in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme . . . . . . . . . . 250 3. Sanktionen und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Verwaltungssanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 aa) Einziehung der illegalen Gewinne, Bußgeld . . . . . . . . . . . . . . 252 bb) Marktzutrittsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 cc) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme  . . . . . . 253 b) Strafrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 aa) Straftatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 bb) Wesentliche Unterschiede im Vergleich zum wertpapierrechtlichen Verbotstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (1) Verwendung der Insiderinformation beim Erwerbs- und Veräußerungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (2) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (3) Anwendung des Insiderbegriffs des CSRC-Leitfadens durch die Strafgerichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 cc) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme  . . . . . . 266 (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (2) Notwendigkeit der Verwendung der Insiderinformation  . 266 (a) Gesetzestext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (b) Anwendbarkeit einer Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (aa) Verwendungsvermutung im chinesischen Recht . 267 (bb) Verwendungsvermutung im deutschen Recht . . 270 (c) Folgerungen für den chinesischen und deutschen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Inhaltsverzeichnis15 c) Zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 aa) Rechtslage in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme  . . . . . . 278 4. Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Insidergeschäften . . . . . 281 a) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 aa) Die Pflicht zur Veröffentlichung erheblicher Ereignisse . . . . . 283 (1) Erhebliche Ereignisse im Sinne des Wertpapiergesetzes  . 284 (2) Weitere erhebliche Ereignisse im Sinne der Disclosure Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (3) Insiderinformationen im Sinne des Wertpapiergesetzes als erhebliche Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (4) Insiderinformationen im Sinne der Regulation on the Administration of Futures Trading als erhebliche Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 bb) Zeitpunkt der Entstehung der Veröffentlichungspflicht . . . . . . 290 cc) Aufschub der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 dd) Folgen der Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 ee) Rechtsfolgen unterlassener oder nicht gesetzmäßiger Ad-hoc-Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (1) Sanktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (2) Schadensersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 b) Directors’ Dealings  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 c) Führung von Insiderverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 d) Handelsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 aa) Handelsvolumenbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb) Zeitliche Handelsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 cc) Short Swing Trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 e) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme . . . . . . . . . . 298 aa) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 bb) Directors’ Dealings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 cc) Führung von Insiderverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 dd) Handelsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (1) Handelsvolumen- und zeitliche Handelsbeschränkungen  . 305 (2) Short Swing Trading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 ee) Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 D. Praxis der Aufsichtsbehörden und Gerichte im Umgang mit Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften . . . . . . . . . . . . . . 309 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht ABl. EG / EU Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft / Union Abs. Absatz a. E. am Ende AG Amtsgericht AnSVG Anlegerschutzverbesserungsgesetz Art. Artikel Begr. Begründung Beschl. Beschluss BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BT-Drucks. Bundestagsdrucksache dies. dieselben EG Europäische Gemeinschaft endg. endgültig EuGH Europäischer Gerichtshof EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f. / ff. folgende / fortfolgende FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FFG Finanzmarkt-Förderungsgesetz Fn. Fußnote FRUG Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz gem. gemäß Halbs. Halbsatz h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber i. V. m. in Verbindung mit LG Landgericht lit. Litera m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. number Nr. Nummer OLG Oberlandesgericht

Abkürzungsverzeichnis17 RegE Regierungsentwurf Rn. Randnummer S. Satz / Seite Sec. Section StGB Strafgesetzbuch str. streitig SZ Süddeutsche Zeitung Unterabs. Unterabsatz Urt. Urteil US United States v. vom vgl. vergleiche Vol. Volume vs. versus z. B. zum Beispiel Ziff. Ziffer zit. zitiert

Einleitung Unter dem Begriff des Insiderhandels versteht man den Handel mit einem Finanzinstrument unter Verwendung einer Information, die nur einer kleinen Anzahl von Personen bekannt ist und die geeignet ist, den Kurs dieses Finanzinstruments zu beeinflussen. Werden solche Geschäfte nicht verboten, bedeutet dies eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit eines Kapitalmarkts. Müssen Marktteilnehmer fürchten, dass andere Anleger Informationen besitzen, die sie selbst nicht haben, werden sie misstrauisch und zurückhaltend oder schrecken sogar komplett davor zurück, ihr Kapital in Finanzinstrumente zu investieren. Der Grund dafür ist, dass jede Entscheidung, ein bestimmtes Finanzinstrument zu erwerben oder veräußern, von den am Markt verfügbaren Informationen abhängt und ein Markt nur funktionieren kann, wenn seine Teilnehmer darauf vertrauen können, dass sie die gleichen Chancen hinsichtlich des Zugangs zu Informationen haben. Aus diesem Grunde haben sich sowohl der deutsche als auch der chinesische Gesetzgeber für die Einführung eines Verbotes von Insidergeschäften entschieden. Insbesondere in China findet dieses Verbot jedoch wenig Akzeptanz, und viele scheinen sich nicht dessen bewusst zu sein, dass ein Verstoß nicht nur Rechtsfolgen in Form der Auferlegung eines Bußgeldes haben, sondern auch zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe führen kann. Dies resultiert daraus, dass die chinesische Kultur Insidergeschäfte unterstützt. In China sind zwischenmenschliche Beziehungen und eine gute Vernetzung von großer Bedeutung. Anders als in Deutschland resultieren aus diesen Beziehungen jedoch wesentlich umfangreichere Verpflichtungen, die es für viele Chinesen als selbstverständlich erscheinen lassen, eine Insiderinformation an einen Verwandten oder Bekannten weiterzugeben, um diesen an dem Vorteil teilhaben zu lassen, der einem selbst zugute kommt. Die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde und die Gerichte sehen sich daher weit größeren Problemen bei der Durchsetzung eines Verbotes jeglicher Geschäfte, die auf einer Insiderinformation basieren, ausgesetzt als die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Strafgerichte.

Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung Ziel der Arbeit ist eine rechtsvergleichende Darstellung des Insiderrechts in Deutschland und in China. Die Arbeit soll deutschen Lesern ein Verständnis des chinesischen Rechts vor dem Hintergrund der Rechtslage in Deutschland vermitteln. Ein solches Verständnis ist auch deshalb von zunehmender Bedeutung, weil das Interesse ausländischer Anleger und Emittenten für die auf den chinesischen Kapitalmärkten herrschenden Regelungs- und Aufsichtsmechanismen ständig wächst, denn China öffnet seinen Kapitalmarkt mehr und mehr für ausländische Anleger. Darüber hinaus wird seit dem Jahre 2009 auch die Möglichkeit der Öffnung des chinesischen Kapitalmarkts für ausländische Emittenten diskutiert. Diese sollen die Möglichkeit haben, sich an der Börse in Shanghai am Shanghai International Board listen zu lassen. Aufgrund dieser Entwicklungen ist es sowohl für Anleger als auch für Emittenten wichtig beurteilen zu können, ob und wie die Funktionsfähigkeit des chinesischen Kapitalmarkts geschützt ist und welche Risiken eine Investition oder ein Listing auf dem chinesischen Markt bergen. Das erste und zweite Kapitel (A. und B.) zeichnen die Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland und China nach und setzen sich mit der Frage der Notwendigkeit und der Rechtfertigung einer gesetzlichen Regelung des Insiderhandelsverbots auseinander. Das dritte Kapitel (C.) behandelt das gesetzliche Insiderhandelsverbot sowie flankierende präventive Maßnahmen zur Eindämmung verbotenen Insiderhandels. Unter I wird das heutige Insiderrecht in Deutschland dargestellt, und es wird zu ausgewählten Problemen Stellung genommen. Sodann erfolgt unter II eine Darstellung der Rechtslage in China. Dieser Abschnitt enthält zudem eine vergleichende Analyse, die dem Leser im Zuge der Erläuterung der jeweiligen gesetzlichen Regelung im chinesischen Recht die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Gegenüberstellung zum deutschen Recht vor Augen führt. Dabei wird für den Vergleich im Fall umstrittener Fragen stets die in der jeweiligen Jurisdiktion herrschende Meinung zugrunde gelegt. Das vierte Kapitel (D.) enthält einen kurzen Überblick über die Praxis und die Schwierigkeiten der Aufsichtsbehörden und Gerichte im Umgang mit Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften. Das fünfte Kapitel (E.) schließlich fasst die gefundenen Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick auf die Entwicklung des Insiderrechts sowie dessen Durchsetzbarkeit in der Zukunft.

A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts Das Problem des Insiderhandels entstand als Konsequenz und im Gleichlauf mit der Entwicklung handelbarer Papiere und eines Markts für solche. Bereits zu Zeiten der ersten Eisenbahngesellschaften traten Fälle von Insiderhandel auf und es entwickelte sich ein diesbezügliches Problembewusstsein.1 Bereits im Jahre 1837 beschäftigte sich der damalige Vizepräsident der Rheinischen Eisenbahngesellschaft und spätere preußische Finanzminister David Hansemann mit diesem Thema. Er schrieb über den Privatvorteil, den Personen, die in einer Aktiengesellschaft eine bestimmte Position bekleiden dadurch haben, dass sie die Wahrscheinlichkeit des Steigens oder Fallens des Aktienkurses früher erkennen und daraus beim Aktienhandel einen Gewinn erzielen können.2 Ein erstes Urteil in Bezug auf verbotenen Insiderhandel wurde vom amerikanischen Supreme Court bereits im Jahre 1909 gefällt. Im Fall Strong vs. Repide entschied er, ein Geschäftsführer, von dessen Handeln der Preis der Aktien abhänge, könne das Wissen um seine eigenen Handlungen nicht zum Kauf von Aktien von denjenigen ausnutzen, die er vorsätzlich im Unwissen über seine zukünftigen Handlungen und deren Auswirkungen auf den Ak­ tienpreis lasse.3 Auch auf dem Gebiet der Kodifikation eines Insiderhandelsverbotes sind die USA Vorreiter. Ein solches wurde erstmals bereits Anfang der 1930er Jahre niedergelegt.4 Sowohl in Deutschland als auch in China entwickelten sich Diskussionen um ein Insiderhandelsverbot und daraus folgende Kodifizierungsbemühungen aufgrund verschiedener Faktoren, die im Folgenden weitere Erläuterung finden werden, wesentlich später. 1  Vgl. Hopt / Will, Europäisches Insiderrecht, S. 19 Fn. 49; Heldmann, ZRP 1990, 393 (393). 2  Hansemann, Die Eisenbahnen, S. 114. 3  Strong vs. Repide – 213 U.S. 419 (1909), S. 420. 4  Dieses findet sich in Sec. 10  b des Securities Exchange Act von 1934 und der im Jahre 1942 durch die Securities and Exchange Commission (SEC) bekannt gegebenen Rule 10 b-5, basierend auf der Ermächtigungsgrundlage der soeben genannten Sec. 10  b des Securities Exchange Acts; zur Entwicklung des Insiderhandelsverbots in den USA siehe Kraakmann, in: Hopt / Wymeersch, European Insider Dealing, S. 39 ff.; Lange, WM 1998, 525 ff.

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

I. Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland 1. Entwicklungen bis zum Jahre 1989 Im Gegensatz zu anderen Ländern mit etablierten Kapitalmärkten, in denen der Insiderhandel schon längst gesetzlich erfasst war,5 rang Deutschland lange um eine solche gesetzliche Regelung, da der Widerstand aus den Reihen der Befürworter eines Selbstregulierungsansatzes sich über Jahre als ungebrochen und unumstößlich darstellte. Anfang des 20. Jahrhunderts ist ein erster Versuch der Selbstregulierung zu beobachten, in dessen Rahmen sich ca. 2000 Banken verpflichteten, Mitarbeitergeschäfte zu reglementieren, um einem möglichen Insiderhandel entgegenzuwirken.6 Zu einem akuten Rechtsproblem wurde der Insiderhandel in Deutschland erst in der Phase des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Wirtschaft sich mit den Grenzen der Selbst- und Fremdfinanzierung konfrontiert sah. Eine verstärkte Aufbringung von Finanzmitteln über den Kapitalmarkt und die Nutzung von Finanzressourcen privater Sparer wurden unvermeidlich und somit konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf den Zustand und die Rahmenbedingungen der deutschen Wertpapiermärkte.7 In diesem Zusammenhang und auch in Verbindung mit ersten Diskussionen auf europäischer Ebene galt die Aufmerksamkeit der Juristen hauptsächlich der Reform des Aktienrechts und des Börsenrechts8, während die Wirtschaftswissenschaftler sich insbesondere mit den aktuellen Entwicklungen im Handel mit Wertpapieren beschäftigten, zu denen auch erste Fälle gehörten, in denen ein Ausnutzen von Insiderinformationen vermutet wurde.9 Die Bestrebungen im Jahre 1967, beide Ansätze zusammenzuführen und gleichzeitig mit der Reform des Börsengesetzes auch die Insiderproblematik in Form eines Verbotes zu kodifizieren, wurden allerdings von den Börsen und den betroffenen Wirtschaftskreisen rigoros abgelehnt und somit aufgegeben.10 für eine Übersicht Gaillard, Insider Trading, S. 37 ff. Mitteilung des Centralverbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes v. 12.10.1908, wiedergegeben bei Hoeren, ZBB 1993, 112 (112 f.). 7  Hopt / Will, Europäisches Insiderrecht, S. 22 ff. 8  Im Mittelpunkt stand der Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Börsenwesens von 1967, abgedruckt in Beyer-Fehling / Bock, Börsenreform und Börsengesetznovelle, S. 200 ff. 9  Hopt, Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, S. 282; zu solchen Fällen Hopt / Will, Europäisches Insiderrecht, S. 22 ff. 10  Assmann, AG 1994, 196 (197). 5  Siehe 6  Siehe



I. Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland23

Um diesem Widerstand Nachdruck zu verleihen und einem Wiederaufkeimen der Diskussion um eine gesetzliche Regelung der Insiderproble­ matik vorzubeugen, verabschiedete die Börsensachverständigenkommission beim Bundeswirtschaftsministerium im Jahre 1970 die „Empfehlungen zur Lösung sog. Insider-Probleme“. Diese bestehen aus den Insiderhandelsrichtlinien und den Händler- und Beraterregeln, welchen 1971 einige Erläuterungen beigefügt und welche durch eine Verfahrensordnung für die bei den Börsen zu bildende Prüfungskommission ergänzt wurden.11 Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Wertpapierbörsen verfasste gemeinsam mit den beteiligten Spitzenorganisationen der Wirtschaft Erläuterungen, die Auslegungshilfen im Fall von Zweifelsfragen anboten. Da dieses Paket von Regeln weder staatliche Rechtsnormen noch einen Handelsbrauch im Sinne des § 346 HGB darstellte, hatte es nur Geltung, wenn Gesellschaften und Personen es durch Verträge auf Anerkennung für verbindlich erklärten.12 Die Anerkennung durch Vertrag auf Seiten der Insider im Kreditgewerbe ging schnell vonstatten, während sich im Bereich der Industrie Widerstand auftat. Die daraufhin entbrannte Diskussion zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen und den beteiligten Spitzenorganisationen mündete am 20. Oktober 1971 in eine wiederholte Aufforderung der beteiligten Spitzenverbände an die Vorstände aller Börsengesellschaften, die Regelungen anzuerkennen, welcher nun entsprechend Folge geleistet wurde.13 So erfolgte ab dem Frühjahr 1973 in den Kursblättern eine Kennzeichnung derjenigen Börsengesellschaften, die eine Anerkennung unterzeichnet hatten.14 Doch trotz der Akzeptanz der als „Ehrenkodex“ bezeichneten Regelungen waren diese ineffektiv und führten nicht zur gewünschten effizienten Bekämpfung der Missstände.15 Gerade die Aufdeckung einer nur geringen Zahl von Insiderverstößen galt den Befürwortern der Selbstregulierung jedoch als Einwand gegen eine gesetzliche Regelung.16 Bis zum Jahre 1983 sind abgedruckt z. B. in Hopt / Will, Europäisches Insiderrecht, S. M-100 ff. in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 2. 13  Zu weiteren Details der Diskussion Walther, in: FS Werner, 933 (936 f.). 14  Beyer-Fehling / Bock, Börsenreform und Börsengesetznovelle, S. 48. 15  So Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, S. 113; Schlüter, Börsenhandelsrecht, Rn. D 15; a. A. Hübscher, in: Büschgen / Schneider, Der  Europäische Binnenmarkt 1992, 329 (331); Zahn, AG 1975, 169 (174); Gegenüberstellung der beiden Positionen bei Pfister, ZGR 1981, 318 ff. 16  So Schlüter, Börsenhandelsrecht, Rn. D 15; kritisch dazu Mertens, ZHR 138 (1974), 269 (269), der die Insiderhandelsrichtlinien als „gefällige Selbstdarstellung“ der deutschen Wirtschaft betitelt. 11  Diese

12  Sethe,

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

wurden nicht einmal 20 Untersuchungen eingeleitet. Der Fall des IG-MetallVorsitzenden Steinkühler, der gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsrates der Daimler-Benz AG war und dort gewonnenes Wissen für private Wertpapiertransaktionen ausnutze, war wohl der bekannteste.17 Während der Beratungen des „Entwurfs vom 5. Februar 1973 eines Gesetzes zur Änderung des Börsengesetzes“18 versuchte der Gesetzgeber – in Verfechtung einer gesetzlichen Regelung – einzuschreiten. Der zur Klärung der mit diesem Vorhaben verbundenen Fragen eingesetzte Ausschuss war jedoch von der Funktionsfähigkeit der Regelungen überzeugt und schlug der Wirtschaft im Vertrauen auf verbesserte Insider-Richtlinien keine neuen gesetzlichen Regelungen vor,19 so dass die Reform des Börsengesetzes letztendlich ohne gesetzliche Regelung des Insiderhandels-Problems erfolgte. Die Rechtswissenschaft ließ sich von diesen Entwicklungen nicht beirren, und so wurden von Zeit zu Zeit immer wieder entsprechende Gesetzesvorschläge diskutiert. Zu nennen ist hier zunächst eine Studie von Hopt / Will zum europäischen Insiderrecht, die zwei mögliche Regelungsmodelle vorstellt. Diese zielen allerdings mehr auf eine Rechtsangleichung des deutschen hin zum europäischen Recht als auf die Entwicklung einer vorwiegend deutschen Lösung.20 Im Weiteren präsentierte der Arbeitskreis Gesellschaftsrecht im Jahre 1976 einen Vorschlag eines Insiderhandels-Gesetzes, der als „Gesetz gegen unlautere Börsengeschäfte in Wertpapieren“ bezeichnet wurde.21 Diese Vorstöße vermochten jedoch die letztendliche Kodifikation des Insiderhandelsproblems nicht herbeizuführen. Vielmehr wurden die Insiderhandelsrichtlinien im Jahre 1976 aufgrund zunehmender Kritik22 neu gefasst23. Damit wurde ostentativ zum Ausdruck gebracht, dass diese im Vergleich zu einer gesetzlichen Regelung vorzugswürdig sind. Im Jahre 1988 letztmalig modifiziert24, stellten sie bis zum Erlass des Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) die deutsche 17  Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 2; Einzelheiten zum Fall Steinkühler bei Schröder, Aktienhandel und Strafrecht, S. 135, Fn. 503. 18  BT-Drucks. 7 / 101. 19  BT-Drucks. 7 / 3248, S. 2. 20  Siehe Hopt / Will, Europäisches Insiderrecht, S. 149 ff. 21  Vgl. Arbeitskreis Gesellschaftsrecht, Verbot des Insiderhandelns. 22  So z. B. Beyer-Fehling / Bock, Börsenreform und Börsengesetzesnovelle, S. 49 ff.; Bremer, BB 1971, 803 ff. 23  Abgedruckt in Schwark, Börsengesetz, Anhang II, S. 481 ff. 24  Abgedruckt in ZIP 1988, 873 ff.



I. Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland25

Antwort auf die Insiderhandels-Problematik dar und waren von fast 100 % der börsennotierten Unternehmen anerkannt.25 2. Die Insiderrichtlinie und das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz Aufgrund der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union kann bei der Beleuchtung der Entwicklung von Gesetzesvorhaben und deren Umsetzung nicht mehr nur der deutsche Rechtsraum betrachtet werden. Vielmehr bedarf es eines umfassenderen Bildes, welches die Aktivitäten, die auf EU-Ebene stattfinden, mit einbezieht. Denn diese Rechtssetzungsmaßnahmen sind es, die heutzutage die Grundlage des Gros der Gesetzgebung in den einzelnen Mitgliedstaaten ausmachen und diese maßgeblich beeinflussen.26 So basierte die erste gesetzliche Regelung der Insider-Problematik auf der von der Europäischen Union im Jahre 1989 erlassenen Insiderrichtlinie. Bestrebungen, eine einheitliche Regelung dieser Problematik auf europäischer Ebene zu schaffen, waren jedoch bereits gut zwanzig Jahre zuvor erkennbar. a) Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen Anfang der sechziger Jahre sah sich der europäische Gesetzgeber mit einer Vielzahl von Kapitalmärkten und einer Vielzahl unterschiedlicher, diese Märkte leitender Regelungssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten konfrontiert. Ausgangspunkt der Entwicklung insiderrechtlicher Regelungen auf europäischer Ebene war der sog. Segré-Bericht aus dem Jahre 1966 über den Aufbau eines Europäischen Kapitalmarkts27. Dieser nennt das Problem der Regelung des Insiderhandels zwar nur implizit und am Rande, betrachtet es jedoch als einen der für die Schaffung eines funktionsfähigen europäi­ schen Wertpapiermarkts unerlässlichen Bereiche.28 Ungeachtet dessen blieb man auf europäischer Ebene zunächst passiv und begegnete der Problematik ohne für die Mitgliedstaaten verbindliche Vorga25  v.

Rosen, ZKW 1989, 658 ff. Prophezeiung des früheren Kommissionspräsidenten Jaques Delors aus dem Jahre 1988 (EG-Bulletin Nr. 2-367 / 157 v. 6.7.1988) nach soll der Anteil des Unionsrechts im Wirtschaftsrecht der Mitgliedstaaten in 10 Jahren (also bereits 1998) bei 80 % liegen; zu näheren statistischen Ausführungen siehe Hoppe, EuZW 2009, 168 (168 f.). 27  Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Der Aufbau eines Europäischen Kapitalmarkts: Bericht einer von der EWG-Kommission eingesetzten Sachverständigengruppe, (Brüssel) 1966 (Segré-Bericht). 28  EWG-Kommission, Segré-Bericht, S. 263 f. 26  Einer

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

ben. So sah die Kommission beispielsweise in Art. 82 des Vorschlags über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft29 eine Regelung des Insiderhandels vor. Weiterhin erließ die Kommission im Jahre 1977 eine Empfehlung betreffend die Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen30 und erfasste in deren ergänzenden Grundsätzen Nr. 8 und 9 den Insiderhandel. Hierbei handelte es sich aber nur um eine Empfehlung, die gem. Art 189 S. 5 EGV für die Mitgliedstaaten nicht bindend war. Entschieden hatte sich die Kommission für einen Rechtsakt in Form einer Empfehlung, da sie bei ihrem Plan, den Wertpapierhandel zu harmonisieren, auf starken Widerstand gestoßen war, der strengere legislative Maßnahmen unmöglich machte.31 Die Empfehlung hatte keinen Einfluss auf die deutsche Rechtslage32 und wurde vom Bundesfinanzministerium mit einigen Änderungen an die „beteiligten Wirtschaftskreise“ gerichtet, woraufhin die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Wertpapierbörsen zumindest erklärte, sie werde die Einhaltung der Empfehlungen überwachen.33 b) Die Insiderrichtlinie aus dem Jahre 1989 Bei aller Unverbindlichkeit waren die Wohlverhaltensregeln dennoch die Basis für Überlegungen hinsichtlich des Erlasses einer Insiderrichtlinie. Dieses Vorhaben wurde seit dem Jahre 1976 mit mehr und mehr Nachdruck vorangetrieben, sah sich aber wegen der bereits erwähnten großen Differenzen zwischen den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen einigen Hindernissen gegenüber.34 So dauerte es bis zum Jahre 1987, bis die Kommission schließlich einen ersten Vorschlag einer Richtlinie betreffend Insidergeschäfte präsentierte.35 Ein geänderter Vorschlag folgte nach Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses im Oktober 198836. Nach Formulierung eines gemeinsamen Standpunktes durch den Rat, wurde die Richtlinie 89 / 592 / EWG endgültig am 13.  November 1989 verabschiedet37 und war bis zum 1. Juni 1992 in nationales Recht umzusetzen. Die 29  ABl.

EG Nr. C 124 v. 10.10.1970, S. 1 ff. EG Nr. L 212 v. 20.8.1977, S. 37 ff.; Textberichtigung ABl. EG Nr. L 294 v. 18.11.1977, S. 28 ff. 31  Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, S. 433 m. w. N. 32  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, Vor § 12 Rn. 6. 33  Text abgedruckt in Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 307 ff. 34  Hopt, ZGR 1991, 17 (20 f.). 35  ABl. EG Nr. C 153 v. 11.6.1987, S. 8 ff. 36  ABl. EG Nr. C 277 v. 27.10.1988, S. 13 ff. 37  ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30 ff. 30  ABl.



I. Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland27

Rechtsgrundlage der Insiderrichtlinie findet sich in Art. 100 a Abs. 1 EGV 1957. Dieser sieht vor, dass der Rat der Europäischen Gemeinschaft die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlässt, die die Einrichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben. Der Sekundärmarkt für Wertpapiere spielte bei der Finanzierung der Wirtschaftssubjekte nach Ansicht des Rates eine wichtige Rolle und daher waren für dessen effektives und reibungsloses Funktionieren alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen. Das reibungslose Funktionieren hängt vom Anlegervertrauen ab, welches wiederum darauf basiert, dass den Anlegern Gleichbehandlung und Schutz vor – durch Informationsasymmetrien entstehendem – Insiderhandel garantiert werden. Die Umsetzung dieser Parameter findet sich innerhalb der einzelnen Bestimmungen der Richtlinie. c) Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz Viele europäische Staaten verankerten in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts Insiderhandelsverbote in ihrem Rechtssystem, was allerdings zu einer großen Vielfalt führte, mit der der europäische Gesetzgeber im Zuge seiner Harmonisierungsbestrebungen, wie bereits erwähnt, zu kämpfen hatte.38 In Deutschland jedoch vermochten weder die oben erörterten Vorschläge für potentielle Gesetzesentwürfe noch die gegen Ende der siebziger Jahre stattfindende Diskussion um die seinerzeitige Sach- und Regelungslage den Widerstand der Verfechter des Selbstregulierungsansatz zu brechen.39 Pro­ blematisch ist in diesem Zusammenhang auch, dass es weitaus offensicht­ lichere Schwierigkeiten in den Bereichen Steuerpolitik, Mitbestimmung und Vermögensbeteiligung der Gewerkschaften gab, die es zu lösen galt. So wurde das Insiderrecht zwangsläufig zum Nebenkriegsschauplatz degradiert.40 Der entscheidende Zeitpunkt, der zu einem Wandel in Deutschland führte bzw. führen musste, war die Verabschiedung der Insider-Richtlinie auf europäischer Ebene, die einheitliche Mindeststandards für alle Mitgliedstaaten festsetzte. Unabhängig von den Entwicklungen auf europäischer Ebene traten in Deutschland Faktoren zu Tage, die eine Weiterverfolgung des Selbstregulierungsansatzes unökonomisch und wirtschaftsschädigend mach38  Zur Übersicht über die verschiedenen Regelungsansätze Hopt, ZGR 1991, 17 (51 ff.); Siebold, Das neue Insiderrecht, S. 87 ff. 39  Assmann, AG 1994, 196 (198). 40  Mertens, ZHR 138 (1974), 269 (270).

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

ten. Es bestand akute Sorge um die Reputation des Finanzplatzes Deutschland. Deutsche Kapitalanlageprodukte sowie Emittenten stießen bei Versuchen, auf den amerikanischen Kapitalmarkt vorzudringen, auf das Veto der amerikanischen Aufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) und der Börsen des Landes.41 Die SEC untersagte im April 1991 die Einführung von Investmentprodukten an den Börsen von New York und Chicago, die an den DAX gekoppelt waren. Sie begründete dies mit einer unzureichenden Börsenaufsicht auf deutscher Seite. Darüber hinaus verbot sie die Zulassung deutscher Aktien zum Handel an der New York Stock Exchange, da die deutsche Wertpapieraufsicht der Wall-Street-Qualität nicht genügte.42 In Folge dessen sprachen sogar die Banken von einem spürbaren Wettbewerbsnachteil für Deutschland als Konsequenz des Mangels einer gesetzlich verankerten zentralen Marktaufsicht und einer gesetzlichen Regelung des Insiderrechts.43 Doch nicht nur Stimmen aus den amerikanischen, sondern auch aus den europäischen Reihen wurden laut. So wurde Deutschland im Wettbewerb um die Positionierung einer europäischen Zentralbank ein zurückgebliebenes Kapitalmarktregelungs- und Aufsichtssystem vorgeworfen.44 Um seine Konkurrenzfähigkeit auf internationalem Parkett nicht völlig zu verlieren, musste Deutschland umdenken hin zu einer Kodifikation eines insiderrechtlichen Verbotstatbestands. Der Widerstand gegen diesen Ansatz wurde schließlich offiziell im Juli 1989 eingestellt.45 Auch wenn es in Deutschland vor dem Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung zum Insiderrecht keine bekannten spektakulären Fälle von Insiderhandel gab, gelangte die Insiderproblematik zunehmend in die Öffentlichkeit und in die Presse, was die Forderung nach einem deutschen Insiderrecht nur noch verstärkte.46 Geburtsstunde der ersten deutschen gesetzlichen Insiderregeln war somit die Umsetzung der im Jahre 1989 erlassenen Insider-Richtlinie, die bis zum 1. Juni 1992 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen war. In Deutschland wurde sie mit einiger Verzögerung zum 1.  August 1994 umgesetzt. Die Umsetzung geschah durch das „Gesetz über den Wertpapier41  Assmann,

AG 1994, 196 (199). der Titel der FAZ Nr. 242 v. 17.10.1992, S. 12. 43  „Eine schlagkräftige Aufsicht soll Börsengeschäfte aufdecken!“, FAZ Nr. 203 vom 1.9.1992, S. 15. 44  Assmann, AG 1994, 196 (199). 45  v. Rosen, ZKW 1989, 658; Ernst, WM 1990, 461. 46  Siehe z.  B. „BfG-Bank in Insider-Skandal verstrickt?“, SZ Nr. 176 vom 1.8.1992; „BfG-Bank weist den Vorwurf von Insider-Geschäften zurück“, FAZ Nr. 178 vom 3.8.1992, S. 13. 42  So



I. Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland29

handel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften“ vom 26. Juli 199447, welches unter dem Namen „Zweites Finanzmarktförderungsgesetz“ bekannt wurde. Neben der Umsetzung sowohl der EG-Insiderrichtlinie als auch der EG-Transparenzrichtlinie galt das Gesetz der Wiedererlangung der Attraktivität des deutschen Finanzplatzes. Kernstück des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes ist das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), in dessen §§ 12 ff. und §§ 38 ff. sich die Normen zum Insiderhandelsverbot und den entsprechenden Sanktionen befinden. Aufgrund der Tatsache, dass Deutschland sich mit seinem Konzept zum Finanzplatz Deutschland48 gleich mehreren Problemen widmete und innerhalb dieses Konzeptes zusätzlich zwei Richtlinien implementierte, gelang dem Gesetzgeber nur eine um zwei Jahre verspätete Umsetzung der Insiderrichtlinie. Schon kurz nach Inkrafttreten untersuchte die Aufsichtsbehörde die ersten Insiderfälle und brachte diese zur Verfolgung.49 3. Die Novellierung des Insiderrechts Seit dem Inkrafttreten der Insiderrichtlinie und des diese in nationales Recht umsetzenden Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes ist die Überwachung des Insiderhandels fortwährend perfektioniert worden. a) Die Marktmissbrauchsrichtlinie aus dem Jahre 2003 Um den im Zuge der Weiterentwicklung der Kapitalmärkte eingetretenen veränderten Umständen gerecht zu werden, wurde im Rahmen des Aktionsplans für die Umsetzung des Finanzmarktrahmens vom 11. Mai 199950 der Erlass der sog. Marktmissbrauchsrichtlinie diskutiert. Am 30. Mai 2001 legte die Kommission einen „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insidergeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vor.51 Diese beabsichtigt zum einen die Aufhebung der Insiderrichtlinie 89 / 592 / EWG und zum anderen eine einheitliche Regelung sog. Marktmissbrauchstatbestände wie Kursmanipulationen und Insiderde47  BGBl. Teil

I, 1994, S. 1749 ff. in WM 1992, 420 ff. 49  Süßmann, AG 1997, 63 (63); Dreyling, in: Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz, 159 (161). 50  Mitteilung der Kommission, KOM (1999) 232 endg.; näher zum Aktionsplan z. B. Keller / Langner, BKR 2003, 616 (616). 51  Kom (2001) 281 endg.; ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 265 ff. 48  Abgedruckt

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

likten.52 Die Richtlinie53 wurde schließlich am 28. März 2003 erlassen und wird von drei Durchführungsrichtlinien54 sowie einer Durchführungsverordnung55 flankiert. b) Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz Das deutsche Insiderrecht erfuhr durch die Marktmissbrauchsrichtlinie eine grundlegende Novellierung. Diese Richtlinie und die im LamfalussyVerfahren erlassenen Ausführungsvorschriften setzte der deutsche Gesetzgeber zum 30. Oktober 2004 mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz56 um. Im Rahmen dieser Reform wurde der Begriff der Insiderinformation vereinheitlicht, so dass der Anknüpfungspunkt sowohl im Tatbestand des Insiderhandelsverbotes als auch in dem der Ad-hoc-Publizität von nun an derselbe ist und die Unterscheidung zwischen Insidertatsache und ad-hoc-publizitätspflichtiger Tatsache entfällt.57 Darüber hinaus gelten nun sämtliche Tatbestandsvarianten des Insiderhandelsverbotes sowohl für Primär- als auch für Sekundärinsider. Die früher auch im Tatbestand so bedeutende Differenzierung ist jetzt nur noch im Rahmen der Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat relevant. 52  Weber,

Martin, EuWZ 2002, 43 (43). 2003 / 6 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 ff. 54  Richtlinie 2003 / 124 / EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003 / 6 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmungen und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70 ff.; Richtlinie 2003 / 125 / EG der Kommission vom 22.  Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003 / 6 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73 ff.; Richtlinie 2004 / 72 / EG der Kommission vom 29. April 2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003 / 6 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen […], ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70 ff. 55  Verordnung (EG) Nr. 2273 / 2003 der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003 / 6 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl. EU Nr. 336 v. 23.12.2003, S. 33 ff. 56  BGBl. Teil I, 2004, S. 2630. 57  Einzelheiten zu dieser Differenzierung Kümpel / Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, 3. Auflage 2003, § 13 Rn. 32; § 15 Rn. 36. 53  Richtlinie



I. Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland31

In Anbetracht einer verstärkten Prävention von Insiderhandel wurde die Führung von Insiderverzeichnissen in § 15b WpHG eingeführt und die Vorschrift des Directors’ Dealing in § 15a WpHG wurde verschärft. Die nationalen Regelungen werden ergänzt durch die „Verordnung über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaß­ nahmen“58. Diese legt fest, unter welchen Bedingungen Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen, um den Anforderungen des Art. 8 der in der Richtlinie festgelegten Ausnahmeregelung zu genügen.59 Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch die Finanzmarktrichtlinie60, die der Harmonisierung der Finanzmärkte im Europäischen Binnenmarkt dient, sowie die diesbezügliche Finanzmarktricht­ linie-Durchführungsrichtlinie61. Die Umsetzung in nationales Recht erfolgte durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)62. Der Durchführung der Richtlinie dient weiterhin die Finanzmarktrichtlinie-Verordnung.63 Im Hinblick auf das Wertpapierhandelsgesetz hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Jahre 2009 einen Emittentenleitfaden herausgegeben, der sich an in- und ausländische Emittenten richtet, 58  Verordnung (EG) Nr. 2273 / 2003 der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003 / 6 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33 ff. 59  Einzelheiten bei Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 36 ff. 60  Richtlinie 2004 / 39 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.  April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinie 85 / 611 / EWG und 93 / 6 / EWG des Rates und der Richtlinie 2000 / 12 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93 / 22 / EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff., geändert durch Richtlinie 2006 / 31 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.  April 2006 zur Änderung der Richtlinie 2004 / 39 / EG über Märkte für Finanzinstrumente in Bezug auf bestimmte Fristen, ABl. EU Nr. L 114 v. 27.4.2006, S. 62 ff. 61  Richtlinie 2006 / 73 / EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004 / 39 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. EU Nr. 241 v. 2.9.2006, S.  26 ff. 62  Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission, BGBl. 2007, Teil 1 Nr. 31, S. 1330, in Kraft getreten am 20.7.2007 bzw. 1.11.2007. 63  Verordnung (EG) Nr. 1287 / 2006 der Kommission vom 10.  August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004 / 39 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S.  1 ff.

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

deren Wertpapiere zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind. Dieser Leitfaden versucht für Rechtsfragen praxisgerechte Lösungen zu finden und dient den Emittenten und sonstigen Kapitalmarktteilnehmern als Auslegungs- und Orientierungshilfe. 4. Aktuelle Entwicklungen: Die Marktmissbrauchsverordnung und die Marktmissbrauchs-Strafrechts-Richtlinie Am 20. Oktober 2011 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Neuregelung von Insider-Geschäften und Marktmanipulation (IMR)64 zeitgleich mit einem Vorschlag zu einer Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (IMD)65 vorgelegt. Die Verordnung soll die Marktmissbrauchsrichtlinie aus dem Jahre 2003 ablösen und das bereits in der Marktmissbrauchsrichtlinie angelegte Gerüst zur Gewährleistung von Marktintegrität und Anlegerschutz den aktuellen Entwicklungen anpassen und stärken. Dies wird damit begründet, dass insbesondere vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise die Marktintegrität zentrale Bedeutung erlangt hat. Die Gruppe der Zwanzig (G20) hat sich daher auf eine Verschärfung der Finanzaufsicht und Regulierung sowie den Aufbau eines Rahmens international vereinbarter hoher Standards geeinigt, den es nun zu implementieren gilt.66 Aufgrund der fortschreitenden Entwicklung in rechtlichen, kommerziellen und technologischen Bereichen sind Lücken, vor allem in der Regulierung neuer Märkte, Plattformen und OTC-Instrumente sowie auch in der Regulierung von Warenmärkten und Warenderivaten entstanden. Den Regulierungsbehörden fehlen teilweise Informationen und Befugnisse, die sie befähigen würden, die Richtlinie wirksam durchzusetzen. Sanktionen fehlen oder sind nicht scharf genug. Schließlich bestehen etliche Optionen und Ermessensspielräume, die die Wirksamkeit der Richtlinie abschwächen.67 Aus diesem Grunde hat sich die Kommission für den Vorschlag einer Verordnung entschieden. Diese wird aufgrund ihrer unmittelbaren Geltung in den Mitgliedstaaten als das geeignetste Rechtsinstrument zur Festlegung einheitlicher Regeln, einer Verringerung der Komplexität 64  Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), 20.10.2011, KOM (2011), 651 endg., in der geänderten Fassung vom 25.7.2012, COM (2012) 421 final. 65  Europäische Kommission, Vorschlag für Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, 20.10.2011, KOM (2011) 654 endg., in der geänderten Fassung vom 25.7.2012, COM (2012) 420 final. 66  Vgl. Begründung der IMR, 1., S. 2. 67  Vgl. Begründung der IMR, 1., S. 3.



II. Entwicklung des Insiderrechts in China33

und zum Erreichen größerer Rechtssicherheit erachtet.68 Auf europäischer Ebene ist es am 10. September 2013 zu einer politischen Einigung über die IMR gekommen. Die Verordnung tritt aber erst in Kraft, wenn auch eine Einigung im Hinblick auf die IMD erreicht worden ist, da diese beiden europäischen Rechtsakte eng miteinander verknüpf sind. Wenn die Verordnung verabschiedet wird, tritt sie 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Zu beachten ist jedoch, dass ein Großteil der Vorschriften der Verordnung gem. Art. 36 Absatz 2 IMR erst zwei Jahre nach Inkrafttreten Geltung erlangen sollen.69 Die gleichzeitig als Vorschlag vorgelegte IMD soll den Vorschriften der neuen IMR in Bezug auf Verstöße und Sanktionen zu einer effektiven Durchsetzung verhelfen. Dies ist deshalb dringend nötig, weil die derzeit in den verschiedenen Mitgliedsstaaten verfügbaren Sanktionen zur Bekämpfung von Marktmissbrauch nicht wirkungsvoll und abschreckend genug sind, so dass die aktuelle Marktmissbrauchsrichtlinie nicht wirksam durchgesetzt werden kann. Darüber hinaus ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich definiert, welche Fälle des Insiderhandels oder der Marktmanipulation als Straftaten zu betrachten sind, so dass zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des Binnenmarkts geboten ist, Mindestvorschriften in Bezug auf Straftaten und strafrechtliche Sanktionen einzuführen.70 Eine erste Lesung der Richtlinie im Europäischen Parlament hat ebenfalls bereits stattgefunden.71 Wenn die Richtlinie verabschiedet wird, tritt sie 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft und ist von den Mitgliedstaaten innerhalb von 24 Monaten nach dem Inkrafttreten in nationales Recht umzusetzen.72

II. Entwicklung des Insiderrechts in China Anders als in Deutschland muss man in der Volksrepublik China (VRC) einen Schritt weiter zurückgehen, wenn man sich mit der Entwicklung des Insiderhandelsverbotes beschäftigt. Dies rührt aus der politischen Situation, in der sich China befand, als in Deutschland die Kapitalmärkte bereits florierten und erste Diskussionen um die Regelung eines Insiderhandelsverbots entstanden. In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde in 68  Vgl.

Begründung der IMR, 3.1, S. 6. einen kurzen Überblick über potentielle Auswirkungen siehe Sorgenfrei, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 39 WpHG Rn. 15 ff. 70  Vgl. Begründung der IMD, 1., S. 3. 71  Stand: 19.10.2013. 72  Für einen kurzen Überblick über die wesentlichen Elemente des RichtlinienVorschlags siehe Sorgenfrei, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 39 WpHG Rn. 36 ff. 69  Für

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

China der Ära des kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Chaos ein Ende gesetzt. China sah sich plötzlich der exponentiell wachsenden Wirtschaft anderer asiatischer Länder gegenüber. Die Antwort auf dieses Pro­ blem war Deng Xiaopings „Politik der offenen Türen“ in den achtziger Jahren, die mittels vieler wirtschaftlicher Reformen versuchte ihr Ziel, die Liberalisierung der Wirtschaft, zu erreichen.73 Im Zuge dieser Entwicklung entstand der chinesische Kapitalmarkt nicht wie in Deutschland aufgrund wirtschaftlicher Eigendynamik und Notwendigkeiten, sondern als Resultat gouvernementaler Richtungsweisung. Setzt man sich mit der Entwicklung des Insiderhandelsverbotes in China auseinander, so bedarf es auch eines Blickes auf die übergeordneten Entwicklungslinien, um das Konzept zu verstehen, welches hinter dem chinesischen Kapitalmarkt und den diesen regulierenden Gesetzen steht. 1. Die Entwicklung bis zum Jahre 1993 Obwohl stets angekündigt und versprochen, gab es in China lange Zeit kein nationales Wertpapiergesetz, so dass lokale Bestimmungen, insbesondere die der Börsen in Shanghai und Shenzhen vorherrschten. Die ersten Vorschriften, die in China das Problem des Insiderhandels adressierten, stammen aus dem Jahre 1990. Im Gegensatz zu Deutschland und der Europäischen Union, die sich bereits Mitte der 1960er Jahre mit der gesetzlichen Regelung dieser Problematik befassten, gab es zu dieser Zeit noch keinen chinesischen Kapitalmarkt, der als Plattform für Insiderhandel hätte missbraucht werden können. Ein solcher musste von der chinesischen Regierung in den folgenden Jahren erst errichtet werden. a) Entwicklung des chinesischen Kapitalmarkts Die Errichtung des Kapitalmarkts hatte die Privatisierung einer großen Anzahl staatseigener Unternehmen (sog. state-owned enterprises (SOEs)) zum Ziel. Dieses Ziel wurde im Rahmen der Verfassungsänderung im Jahre 1988 explizit in die Verfassung aufgenommen, so dass ab diesem Zeitpunkt die Privatwirtschaft erlaubt und darüber hinaus sogar unter verfassungsrechtlichen Schutz gestellt wurde.74 Im Jahre 1983 genehmigte der chinesische 73  Burke, 30 Law & Pol’y Int’l Bus. 1999, 321 (322); Huang, Hui, An Empirical Study of the Incidence of Insider Trading in China, S. 1. 74  Siehe Verfassung der Volksrepublik China, Verfassungsänderung Nr. 1, verabschiedet am 12. April 1988 durch den Nationalen Volkskongress in seiner ersten Sitzung, Artikel 1, abrufbar unter: http: /  / www.npc.gov.cn / englishnpc / Constitution /  node_2829.htm (zuletzt besucht am 19.10.2013).



II. Entwicklung des Insiderrechts in China35

Staatsrat die Restrukturierung von SOEs in aktienausgebende Unternehmen. Dies führte zur ersten öffentlichen Aktienemission durch ein SOE.75 Diese Maßnahmen bewirkten schließlich eine der weltweit umfangreichsten Privatisierungsentwicklungen und öffneten gleichzeitig die Türen für den Kapitalismus.76 aa) Entwicklung verschiedener Finanzinstrumente Erwähnenswert ist eingangs, dass der Bond-Markt sich vor dem Aktienmarkt entwickelte, da er besser in das ideologische Konzept der kommunistischen Partei zu dieser Zeit passte.77 So kamen im Jahre 1981 zum ersten Mal Schuldverschreibungen auf, als die Volksrepublik China Staatsanleihen ausgab, um das Defizit in ihrem Budget zu kompensieren.78 Ab dem Jahre 1982 entwickelte sich eine frühe Form der Unternehmensanleihen, in der Art, dass Unternehmen intern oder extern Kredite aufnahmen. Schließlich wurden Finanzanleihen zu einem allgemein gebrauchten Finanzmittel. Dies resultierte daraus, dass Banken im Jahre 1984 zum ersten Mal Finanzanleihen ausgaben, um die Fertigstellung einiger bankenfinanzierter Konstruk­ tionsprojekte zu sichern, denen wegen der strikten Geldpolitik der chinesischen Regierung, die der Vermeidung einer Inflation galt, die finanziellen Mittel ausgingen.79 Die ersten beiden Aktiengesellschaften, Beijing Tianqiao Department Store Company und Shanghai Feile Acoustics Joint Stock Company, wurden im Jahre 1984 gegründet.80 Nachdem die erste over-the-counter (OTC) Börse am 5. August 1986 in Shenyang eröffnete, folgten weitere regionale Handelsplattformen, z. B. in Peking, Chongqing, Guangzhou, Shanghai, Tianjin und Wuhan. Bereits im Jahre 1987 fand die erste Aktienemission in Shenzhen statt. 75  Vandevelde, 30 Vand. J. Transnat’l L. 1997, 579 (591); Jiang, Hai, Investors’ Day in Chinese Court, S. 3; Ramey, 20 Hous. J. Int’l L. 1998, 451 (467) datiert die Restrukturierungsmaßnahmen bzgl. der SOEs auf das Jahr 1986. 76  Wang, Jiangyu, 5 Asian Pac. L. & Pol’y J. 2004, 1 (3); für einen Überblick über die Entwicklungsstufen siehe OECD, China in the World Economy, S. 499; CSRC, China Capital Markets Development Report 2008, S. 153 ff. 77  Huang, Hui, International Securities Markets, S. 8. 78  Wei, Yuwa, 16 WTR Currents: Int’l Trade L. J. 2007, 14 (22); Vandevelde, 30 Vand. J. Transnat’l L. 1997, 579 (585); Latimer, 69 Wash. L. Rev. 1994, 1097 (1099). 79  Siehe CSRC, China Capital Markets Development Report 2008, S. 158. 80  Beijing Tianqiao Department Store Company war genau genommen keine Aktiengesellschaft im eigentlichen Sinne, da die ausgegebenen Aktien nach drei Jahren zurückgekauft werden konnten.

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

bb) Errichtung von Börsen Die Aktienemission rief eine freie Handelskultur hervor. In zahlreichen chinesischen Städten gab es Freiverkehrsbörsen, was zu illegalen Aktienemissionen, großen Preisschwankungen und zu einem Spekulationsboom führte.81 Die Antwort der chinesischen Regierung auf diese Entwicklungen war die Errichtung zweier landesweiter Börsen, zum einen in Shanghai im Dezember 1990 und zum anderen in Shenzhen im Juli 1991. Dort hatte es bisher nur regionale Märkte gegeben. Die plötzliche Berühmtheit dieser Börsen führte zum sog. „Börsenfieber“. Im Zuge dessen kam es im August 1992 aufgrund einer nicht ordnungsgemäß durchgeführten Aktienemission zu Unruhen. Es wurden mehr und mehr Aktien emittiert, und Banken verliehen Geld zu verschwenderischen Zinssätzen. So war China plötzlich gefährdet durch Inflation und makroökonomische Instabilität.82 Darüber hinaus entstanden in den Jahren vor 1992 verschiedene regulatorisch tätige Behörden. Konsequenz dessen war die Koexistenz von Behörden wie z. B. der People’s Bank of China, dem Finanzministerium, der staatlichen Planungskommission, der staatlichen Kommission für die Umstrukturierung des Wirtschaftssystems, des Ministeriums für Industrie und Handel sowie verschiedenen Gebietsregierungen. All diese erließen Vorschriften und Regeln im Hinblick auf Aktivitäten am Kapitalmarkt, was unweigerlich zu vielen Überschneidungen und Widersprüchen führte.83 Von der chinesischen Regierung war schnelles Handeln gefordert und so wurden im Jahre 1992 das State Council Securities Committee (SCSC) und die China Securities Regulatory Commission (CSRC) ins Leben gerufen. Während dem SCSC als Verwaltungsbehörde die primäre Zuständigkeit für die Regulierung des Markts oblag, war die CSRC als Exekutivorgan verantwortlich für die Überwachung des Markts, aber auch für dessen Regulierung, soweit ihr die Kompetenz dafür vom SCSC übertragen wurde.84 Die Einführung dieser beiden Organe war ein großer Schritt vorwärts auf dem Wege Chinas hin zu einem einheitlichen Kapitalmarkt und einem diesen Kapitalmarkt regulierenden System. b) Behördliche Vorschriften zum Insiderhandel Die Rechtslage bis zum Jahre 1999 war geprägt durch behördliche Vorschriften. Die ersten nationalen Vorschriften, die das Problem des Insider 81  Hertz,

The Trading Crowd, S. 37. 44 Colum. J. Transnat’l L. 2005, 279 (283). 83  Wang, Jiangyu, 5 Asian Pac. L. & Pol’y J. 2004, 1 (8); Daly, 11 Am. U. J. Int’l L. & Policy, 1996, 971 (990 f.). 84  Lee, 14 N. Y. Int’l L. Rev. 2001, 1 (14). 82  Chang,



II. Entwicklung des Insiderrechts in China37

Trading adressierten, waren die „Provisional Measures on the Administra­ tion of Securities Companies“ vom 12. Oktober 1990.85 Diese wurden von der Bank of China erlassen, die zu dieser Zeit die Funktion der Marktregulierungsbehörde innehatte. Art. 17 dieser Maßnahmen lautet: „Wertpapierhandelsfirmen dürfen keine Preisabsprachen, Insiderhandel oder andere Handelsaktivitäten oder sonstige Aktivitäten vornehmen, die den momentanen Marktpreis beeinflussen, um Gewinne zu erzielen.“ Diese Vorgabe wurde in die für die Börsen in Shanghai und Shenzhen geltenden lokalen Bestimmungen aufgenommen.86 Zwischen den Jahren 1993 und 1999, d. h. bis zum endgültigen Erlass eines nationalen Wertpapiergesetzes, galten auf nationaler Ebene provisorische Interimsregelungen. Zum einen gab es die am 22. April 1993 vom Staatsrat erlassenen „Interim Provisions on the Management of the Issuing and Trading of Stocks“.87 Diese waren der erste Versuch, eine nationale Kapitalmarktrechtsgesetzgebung zu schaffen und umfassten jegliche Arten von Handelsaktivitäten. So stellen diese in Art. 72 den Handel auf Basis von Insiderinformationen sowie auch das sog. „Tipping“ unter Strafe. Einem Insider drohte die Einziehung des durch das Insidergeschäft erlangten Gewinns sowie eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 bis 500.000 CNY. In Art. 81 Abs. 14 und Abs. 15 findet sich eine Legaldefinition des Insiders und der Insiderinformation. Zum anderen gab es die von der CSRC erlassenen und am 2. September 1993 in Kraft getretenen „Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud“.88 In Art. 3 Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud findet sich ein generelles Verbot für alle juristischen und natürlichen Personen, Insiderinformationen zu gebrauchen, um Wertpapierhandel zu betreiben und dadurch Gewinne zu erzielen oder Verluste zu verringern. Art. 4 Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud bietet bereits eine etwas spezifischere Definition, welche Handlungen unter den Begriff des Insider85  Chinesisch:

com.

证券公司管理暂行办法 abrufbar unter http: /  / www.chinalawinfo.

86  Siehe „Administrative Maßnahmen bzgl. des Wertpapierhandels in Shanghai“ (上海市证券交易管理办法) vom 27.11.1990, die es in Art. 39 Abs. 2 juristischen wie natürlichen Personen verbieten, Wertpapiere auf Basis von Insiderinformationen zu kaufen oder verkaufen; siehe ebenso „Administrative Maßnahmen bzgl. der Ausgabe und des Handels von Aktien in Shenzhen“ (深圳市股票发行与交易管理暂行 办法) vom 15.05.1991, die dieses Verbot in Art. 43 Abs. 4 enthalten. 87  Chinesisch: 股票发行与交易管理暂行条例, abrufbar unter: http: /  / www.china infolaw.com. 88  Chinesisch: 禁止证券欺诈行为暂行办法, abrufbar unter http: /  / www.chinalaw info.com.

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

handels gefasst werden können. Auch diese Maßnahmen enthalten in Art. 5 eine Legaldefinition der Insiderinformation und in Art. 6 eine solche des Insiders. Die Bestrafung, die einen Insider wegen Insiderhandels erwartet, ist in Art. 13 und 14 geregelt und ist vergleichbar mit der in den Interim Provisions on the Management of the Issuing and Trading of Stocks geregelten Bestrafung. 2. Der Weg zum Erlass des Wertpapiergesetzes im Jahre 1999 Nach Inkrafttreten der Interim Provisions on the Management of the Issuing and Trading of Stocks sowie der Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud im Jahre 1993 wurde das Erfordernis eine nationalen Gesetzgebung immer größer, insbesondere weil die Regulierung des Wertpapiermarkts in der Zeit zwischen den Jahren 1993 und 1999 allein durch behördliches Eingreifen erfolgte und dieses zudem überwiegend von Fall zu Fall geschah.89 So erließen die CSRC und das SCSC in diesem Zeitraum mehr als 250 Bestimmungen, die die Interim Provisions on the Management of the Issuing and Trading of Stocks sowie die Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud näher definierten und auf Veränderungen auf dem chinesischen Kapitalmarkt reagierten.90 Die Kombination von strenger staatlicher Kontrolle, unbestimmter und undurchsichtiger Verfahren und Abläufe, sowie der Mitwirkung hochrangiger Beamter verlieh dem chinesischen Kapitalmarkt zunehmend den Ruf, eines politikgelenkten und von Neuigkeiten abhängigen Kapitalmarkts.91 Währenddessen wurde der Kapitalmarkt strukturell notwendigen Reformen unterzogen, von denen einige kurz erläutert werden sollen. a) Reformen nach der Asienkrise im Jahre 1997 Zunächst setzte die chinesische Regierung der Entwicklung von Börsen außerhalb Shanghais und Shenzhens ein Ende. Der Errichtung der Börsen in Shanghai und Shenzhen folgend hatten lokale Regierungen 29 Börsenzentren und 41 OTC-Märkte ins Leben gerufen. Diese keiner staatlichen Regulierung unterliegenden Handelszentren bargen große Risiken. Daher verabschiedeten der Staatsrat und die CSRC im März 1998 den „Plan to Consolidate and Restructure the Unregulated Stock Trading Plattforms“. 89  Anderson,

88 GEO. L. J. 2000, 1919 (1923). „China’s Securities Legislation Pressing Ahead“, CHINA DAILY vom 21.04.1998; Zhang, Xianchu, 33 Int’l Law. 1999, 983 (984). 91  Cao / Yao, Die Trends des Chinesischen Wertpapiermarkts S. 115. 90  Siehe



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Durch diese Maßnahme wurde es lokalen Handelszentren untersagt, Aktienemissionen sowie jeglichen Wertpapierhandel durchzuführen.92 Des Weiteren trat im September 1998 der „Plan to Consolidate and Liquidate the Securities Trading Centers“ in Kraft. Im Rahmen der Durchführung dieses Konzeptes reformierte die Regierung die OTC-Märkte und schloss 29 Wertpapierhandelsplattformen und 41 illegale Börsen.93 Ein nächster bedeutender Schritt war der Wechsel von einer dualistischen Regulierungsstruktur, in der das SCSC und die CSRC nebeneinander standen, zu einem monistischen System. Im Rahmen der von Premierminister Zhu Rongji durchgeführten Reform des Staatsrates im April 1998 wurden das SCSC in die CSRC zu einem einheitlichen Organ unter dem Namen „CSRC“ verbunden und die CSRC erhielt fortan die exklusive Überwachungskompetenz. Dies hat zur Folge, dass die CSRC nicht nur ermächtigt ist, die Ausgabe, den Handel und die Registrierung von Wertpapieren zu überwachen, sondern darüber hinaus auch neue Leitlinien zu formulieren, so dass sie fortan als vollstreckendes und investigatives Organ der Regierung tätig ist.94 b) Das Wertpapiergesetz aus dem Jahre 1999 Schließlich wurde im Dezember 1998 das für den chinesischen Kapitalmarkt wichtigste Gesetz, das Wertpapiergesetz der VRC95 (WpG), verabschiedet und trat am 1. Juli 1999 in Kraft. Dieses Gesetz regelt erstmalig die Emission und den Handel von Wertpapieren auf nationaler Basis. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens versuchte China von der Erfahrung des Westens zu profitieren. So wurde am 28. April 1994 eine Absichtserklärung zwischen dem Präsidenten der amerikanischen SEC und dem Präsidenten der CSRC unterzeichnet, in der die Kooperation der beiden Behörden festgelegt wurde. Die SEC fungierte in der Folgezeit als Berater im Hinblick auf die Entwicklung der chinesischen Finanzmärkte.96 Der entscheidende Schritt hin zur Verabschiedung des Wertpapiergesetzes war die Ernennung des Wirtschaftsexperten Zhu Rongji zum Premierminister im März 1998. Dieser warnte mehrfach davor, dass, insbesondere vor dem Hintergrund der Turbulenzen auf den asiatischen Finanzmärkten zu dieser Zeit, ein Zusammenbruch des Kapitalmarkts ein höheres Risiko für CSRC, Capital Markets Development Report 2008, S. 168. Lisheng, in: Neftei / Ménager-Xu, China’s Financial Markets, 1 (12). 94  Zhang, Xianchu, 33 Int’l Law. 1999, 983 (1000). 95  Chinesisch: 中华人民共和国证券法. 96  Gu, Mingkang / Art, 18 Mich. J. Int’l. L. 1996, 115 (117, 123 f.). 92  Siehe 93  Liu,

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

die Vormachtstellung der kommunistischen Partei sei, als eine Erhöhung der Arbeitslosenquote.97 So wurde dem Nationalen Volkskongress im Dezember 1998 ein finaler Gesetzesentwurf des Wertpapiergesetzes vorgelegt, der schließlich auch verabschiedet wurde. Das erste chinesische nationale Wertpapiergesetz besteht aus 214 Paragraphen, die in zwölf Kapitel unterteilt sind. Zweck des Gesetzes ist die Vereinheitlichung der Ausgabe und des Handels von Wertpapieren, der Schutz der Rechte und Interessen der Investoren, die Sicherung der Wirtschaftsordnung sowie der öffentlichen Interessen der Gesellschaft und die Unterstützung der Entwicklung einer sozialistischen Marktwirtschaft.98 Dementsprechend sollen gem. § 3 WpG jede Wertpapierausgabe sowie alle Wertpapierhandelsaktivitäten an den Grundsätzen der Öffentlichkeit, Fairness und Gerechtigkeit orientiert sein. Das Gesetz baut auf den schon früher erlassenen Regelungen auf und stellt mit seinen Normen zum Insider Trading in § 5 und §§ 67–70 WpG zum großen Teil eine Kopie der Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud aus dem Jahre 1993 dar. 3. Die Novellierung des Wertpapiergesetzes im Jahre 2005 Nach einer geringfügigen Gesetzesänderung im Jahre 2004 erließ der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses am 27. Oktober 2005 das überarbeitete und neu gefasste Wertpapiergesetz, welches am 1. Januar 2006 in Kraft trat. Die sich überschlagende Wirtschaftsentwicklung in China führte dazu, dass das Wertpapiergesetz in seiner Fassung aus dem Jahre 1999 den Schutz der Akteure auf dem Kapitalmarkt sowie dessen reibungsloses Funktionieren nicht mehr gewährleisten konnte. Insbesondere der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation im Jahre 2001 und die damit verbundene Verpflichtung Chinas, seine Finanzmärkte zu öffnen, forderten vom neuen Wertpapiergesetz, bestehende Barrieren abzubauen.99 Mehr als 40 % der 214 Paragraphen des alten Wertpapiergesetzes wurden erweitert, 27 Paragraphen wurden komplett gestrichen, 53 neue Regelungen wurden hinzugefügt. Die Regelungen zum Insiderhandel finden sich nun hauptsächlich in §§ 73–76 WpG. Zwar blieb der Rahmen der Bestimmungen zum Insiderhandel derselbe, jedoch wurden einzelne Normen einer inhaltlichen Änderung unterzogen. So wurde z. B. im § 73 WpG, der wie seine Vorgängernorm das allgemeine Insiderhandelsverbot enthält, eine genauere Spezifizierung zur Herkunft der Insiderinformation aufgenommen und der Ge97  Anderson,

88 GEO. L. J. 2000, 1919 (1924). § 1 WpG. 99  So auch Wang, Baoshu / Huang, Hui, 19 Aust. J. Corp. L. 2006, 1 (8). 98  Siehe



II. Entwicklung des Insiderrechts in China

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brauch von legal sowie illegal beschafften Insiderinformationen dem Insiderhandelsverbot unterstellt.100 Darüber hinaus gibt es viele von der CSRC erlassene Vorschriften, die das Wertpapiergesetz konkretisieren und diesem zu einer effektiveren Durchsetzbarkeit verhelfen. In den vergangenen Jahren hat die CSRC es sich zum Ziel gesetzt, mit härtesten Mitteln gegen Insiderhandel vorzugehen.101 Im Zuge dessen wurden unter anderem Regelungen zu Veröffentlichungspflichten für börsennotierte Unternehmen, zu Directors’ Dealings und zur Führung von Insiderverzeichnissen erlassen, so dass in China eine zunehmende Annäherung an die Standards der westlichen Kapitalmärkte zu beobachten ist. Die CSRC hat am 27. März im Jahre 2007 einen „vorläufigen Leitfaden“102 erlassen, der sich jedoch, anders als der Emittentenleitfaden der BaFin, nicht an die Emittenten wendet. Vielmehr ist er ein internes Dokument, das den Angestellten der CSRC, den untergeordnete Wertpapierbehörden sowie den Börsen in Shanghai und Shenzhen den Umgang mit Insiderhandelsfällen erleichtern soll. Zudem hat am 29. März 2012 der Oberste Volksgerichtshof gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft eine „Interpretation on Several Issues Concerning the Specific Application of Law in the Handling of Criminal Cases of Engaging in Insider Trading or Leaking Insider Information“103 herausgegeben, die seit dem 1. Juni 2012 in Kraft ist und konkrete Definitionen z.  B. in Bezug auf den Insiderbegriff sowie die Rechtsfolgen enthält. 4. Sonstige Vorschriften mit Bezug zum Insiderhandel Neben dem Wertpapiergesetz, das die Schlüsselnormen des chinesischen Insiderhandelsrechts enthält, ist die „Regulation on the Administration of Futures Trading“104 zu erwähnen, die der chinesische Staatsrat im Jahre 100  Siehe auch Liu, Chaoming, 81 Journal of Heilongjian Administrative Cadre Institute of Politics and Law 2010 (6), 69 (69), der dies als Erweiterung des Anwendungsbereichs des Insiderhandelsverbots bezeichnet. 101  Vgl. z. B. „New CSRC chairman signals crack down on insider trading“, CHINA DAILY, 2.12.2011, abrufbar unter: http: /  / www.chinadaily.com.cn / business / 201112 / 02 / content_14200843.htm; „China launches fresh attack on insider trading“, 9.6. 2012, abrufbar unter: http: /  / www.reuters.com / article / 2012 / 06 / 09 / us-china-stocksinsidertrading-idUSBRE85803520120609 (zuletzt besucht am 19.10.2013). 102  Chinesisch: 中国证券监督管理委员会关于发《证券市场操纵行为认定指引 (试行)》及《证券市场内幕交易行为认定指引(试行)》的通知. 103  Chinesisch: 最高人民法院,最高人民检察院关于办理内幕交易,泄露内幕 信息刑事案件具体应用法律若干问题的解释. 104  Chinesisch: 期货交易管理条例, erlassen am 6.3.2007 und in Kraft getreten am 15.4.2007.

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A. Historischer Überblick über die Entwicklung des Insiderrechts

2007 erlassen hat und die mit Wirkung zum 1. Dezember 2012 geändert wurden.105 Diese enthält im Gegensatz zum Wertpapiergesetz dezidierte Vorschriften zum Handel mit Warentermingeschäften, Finanztermingeschäften und Optionsgeschäften sowie auch zum Insiderhandel mit diesen Finanz­ instrumenten.

105  Decision of the State Council on Amending the Regulation on the Administration of Futures Trading (2012) (国务院关于修改《期货交易管理条例》的决定 (2012)).

B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts Nach der Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Insiderrechts in Deutschland und China soll nun ein Überblick über den lange währenden Streit über die Regelungsnotwendigkeit eines Insiderhandelsverbots gegeben werden. Im Anschluss daran wird erläutert, welchem Schutzzweck das Insiderhandelsverbot in Deutschland und China dient.

I. Rechtfertigung eines gesetzlichen Verbotes des Insiderhandels In kaum einem anderen Bereich des Kapitalmarktrechts gibt es um die Rechtfertigung eines Verbotstatbestands eine so langwierige und kontroverse Diskussion wie sie beim Insiderhandelsverbot vorzufinden ist. Zu Beginn der Geschichte des Insiderrechts im Jahre 1934, als die USA ein Insiderhandelsverbot im Securities and Exchange Act niederlegte, schien Einigkeit hinsichtlich der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zu herrschen. Dann brachte jedoch der US-amerikanische Jurist Henry G. Manne, der als einer der namhaftesten Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts gilt, diese Einigkeit durch sein im Jahre 1966 erschienenes, grundlegendes Buch106 zu Fall. Manne stellt in diesem Buch die Behauptung auf, Insiderhandel müsse als positiv für das Unternehmen, den Markt und die Gesellschaft im Allgemeinen bewertet werden. Seitdem währte die Diskussion um die ökonomische und daraus folgend auch um die juristische Rechtfertigung eines Insiderhandelsverbots. Die Diskussion um die Rechtfertigung eines Insiderhandelsverbots ist deshalb von großer Relevanz, weil das Ergebnis der Diskussion entscheidend ist für die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Verbots. An dieser würde es fehlen, wenn man zu dem Ergebnis käme, dass Insiderhandel in jeglicher Hinsicht als positives und unschädliches Phänomen auf dem Kapitalmarkt zu bewerten ist. In diesem Fall entfiele die notwendige Basis für den Erlass eines Verbots. Aus diesem Grunde sollen im Folgenden die wesentlichen Argumente der über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren währenden Diskussion, die im amerikanischen Raum ihren Anfang nahm, dann in Europa und 106  Manne,

Insider Trading and the Stock Market.

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

schließlich auch in China Aufmerksamkeit erlangte, dargestellt und kritisch beleuchtet werden. Im Rahmen dieser Arbeit werden die populärsten der entwickelten Denkansätze vorgestellt. Im Folgenden werden somit (1) die Auswirkungen des Insiderhandels auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, (2) die Auswirkungen des Insiderhandels auf das Unternehmen, (3) die Bewertung von Insiderhandel vor dem Hintergrund allgemeiner Gerechtigkeitsüberlegungen und (4) die potentiell Geschädigten des Insiderhandels eine genauere Erläuterung finden. 1. Die Auswirkungen des Insiderhandels auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts Es war Manne, der behauptete, Insiderhandel wirke sich positiv auf die Markteffizienz aus und mit dieser Behauptung für viel Kritik und Diskus­ sion sorgte. Die Deregulierungsverfechter behaupten, Insidergeschäfte bewegten den Aktienkurs in die richtige Richtung, indem die Handelsbewegungen, die durch diese Geschäfte entstehen, sonstigen Marktteilnehmern (sog. Outsidern) ein Signal geben, welches wiederum einen gesteigerten Handel entstehen lasse, der die Preise näher an den rechten Level rücke und die Markt­ effizienz steigere.107 Auch sorge der Insiderhandel für eine etappenweise Annäherung des Kurses, da die Informationen nach und nach in den Kurs einbezogen würden, es somit nicht zu abrupten Kursbewegungen komme, sondern vielmehr die Volatilität sinke.108 Es wird sogar behauptet, Insiderhandel komme den Outsidern zugute, da sie, wenn sie Aktien von Insidern kauften, durch die Änderung des Kurses einen kleineren Verlust erlitten, als wenn sie den höheren Preis bezahlten, den sie hätten zahlen müssen, wenn Insiderhandel strikt verboten wäre.109 Inwieweit sich der Aktienkurs dem exakten Level nähert, hängt davon ab, wie groß die Chancen der Outsider sind, einen Insiderhandel als solchen zu identifizieren.110 Diese Chancen können aufgrund eines Faktors bestimmt werden, der allgemein als „Rauschen“ (noise) des Markts bezeichnet wird 107  Manne, Insider Trading and the Stock Market, S. 61 ff.; ebenso Carlton / Fischel, 35 Stan. L. Rev. 1983, 857 (866 ff.), Lorie, 9 J. Legal Stud. 1980, 819 (821), Gilson / Kraakman, 70 Va. L. Rev. 1984, 549 (574 ff.). 108  Manne, Insider Trading and the Stock Market, 74 ff. 109  Manne, Insider Trading and the Stock Market, 77 ff. 110  Plott / Sunder, 90 J. Pol. Econ. 1982, 663  ff., die demonstrieren, wie sich Märkte sehr schnell an Insiderinformationen anpassen können.



I. Rechtfertigung eines gesetzlichen Verbotes des Insiderhandels 

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und alle sonstigen Einflüsse auf den Markt beschreibt, die es schwierig machen, Informationen zu differenzieren.111 Die Informationsverbreitung durch Insiderhandel kann auch im Hinblick auf die Publizitätspflicht von Unternehmen von großem Wert sein. Zwar wird Unternehmen im allgemeinen vorgeschrieben, bestimmte Publizitätspflichten einzuhalten, um eine realistische Preisbildung am Markt zu ermöglichen. Allerdings werden Ausnahmen gemacht, wenn die Offenlegung wesentliche geschäftliche Interessen des Unternehmens beeinträchtigen würde. Die daraus entstehende Verzögerung der Informationsverbreitung kann durch den Insiderhandel überbrückt werden, der es ermöglicht, Informationen so zu verbreiten, dass der Marktpreis zumindest einen Teil dieser zurückgehaltenen Informationen widerspiegelt.112 Gegen diese Argumentation wehren sich die Regulierungsverfechter vehement. Zunächst wird geltend gemacht, die Befürworter des Deregulierungsansatzes gingen von falschen Vorzeichen aus, indem sie bereits die genaue Bedeutung von Markteffizienz verkennen. Markteffizienz wird oft dann als vorhanden angesehen, wenn die Aktienkurse den Wert der ihnen zugrunde liegenden Aktien reflektieren.113 Diese Definition ist jedoch nicht korrekt; vielmehr reflektieren Aktienkurse den Wert der zugrundeliegenden Aktie, abhängig von der Fülle von Informationen, welche speziell für diese Aktie auf dem Markt verfügbar sind.114 Vor dem Hintergrund dieser Definition ergibt sich nun folgende Situation: Wenn die Insiderinformation nicht Teil der für die Marktteilnehmer verfügbaren Informationen ist, kann sie keinen Einfluss auf die Markteffizienz haben.115 Genauer gesagt: ein Markt kann nur effizient im Hinblick auf eine bestimmte Informationsmenge sein, nicht aber im Hinblick darauf, wie viele Informationen diese Menge ausmachen.116 Was die Markteffizienz schließlich als groß oder klein bewertbar macht, ist die Geschwindigkeit, mit der sich Preise an neue Informationen anpassen, sobald diese Informationen publik werden.117 Insiderinformationen, die eine zukünftige Information darstellen und die sich noch gar nicht in der den Marktteilnehmern zur Verfügung stehenden 111  Carlton / Fischel,

35 Stan. L. Rev. 1983, 857 (868). Hui, International Securities Markets, S. 100. 113  So DiRusso, 14 Vt. L. Rev. 1990, 457 (492). 114  Fama, 25 J. Fin. 1970, 383 (384 f.), Gilson / Kraakman, 70 Va. L. Rev. 1984, 549 (554). 115  Klock, 10 Ga. St. U. L. Rev. 1994, 297 (300). 116  Fama, 25 J. Fin. 1970, 383 (384 f.). 117  Malkiel, A Random Walk Down Wall Street, S. 174 f. 112  Huang,

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

Informationsmenge befinden, können somit keinen Einfluss auf die Markt­ effizienz haben. Neben diesen Markteffizienzargumenten besteht generell die Frage, inwieweit Insiderhandel ein Signal für andere Marktteilnehmer sein und dadurch den sog. Nachzieheffekt hervorrufen kann. Hier kommen die Mechanismen des „Trade decoding“ und „Price decoding“ ins Spiel. Trade decoding liegt vor, wenn uninformierte Marktteilnehmer aufgrund von am Markt getätigten Transaktionen von Insidern Rückschlüsse auf die Existenz von Insiderinformationen ziehen.118 Allerdings kann dieser Mechanismus nur funktionieren, wenn die Marktteilnehmer in der Lage sind, solche Transaktionen richtig einzuordnen und wenn sie überhaupt die Chance haben, diese als außergewöhnlich zu erkennen. In diesem Zusammenhang weisen die Deregulierungsbefürworter auf spezifische Gefahren hin, die der erlaubte Insiderhandel birgt. Um nicht entdeckt zu werden und ein Trade decoding unmöglich zu machen, können Insider geneigt sein, bei ihren Handelsaktivitäten strategisch vorzugehen und diese zu tarnen, indem sie diese über einen langen Zeitrum betreiben oder Mittelsmänner einsetzen. Dies führt dazu, dass der Einfluss dieser Transaktionen auf die Marktpreise unbemerkt bleibt bzw. nur allmählich spürbar werden wird.119 Wie bereits dargelegt müssen die Marktteilnehmer, insbesondere Market-Maker und Spezialisten, in der Lage sein, Insiderhandel aufzuspüren. Ist ihnen dies nicht möglich, können Informationen, die durch große Transaktionen zu Tage treten, für Marktteilnehmer keine Basis für mögliche Investitionen sein, da sie nicht einzuschätzen vermögen, ob es sich bei den Transaktionen um Insiderhandel gehandelt hat oder nicht.120 Folglich kann es zu falschen Schlussfolgerungen kommen. Wenn Insiderhandel erlaubt wird, stellt jede Kursbewegung ein potentielles Signal für das Vorhandensein von Insiderinformationen dar, was viele falsche Nachrichten und Gerüchte hervorruft, die den Markt dann im Griff haben. Es entstünde hohe Volatilität und es bedürfte eines horrenden Kostenaufwandes, um all diese Informationen zu analysieren und differenzieren.121 Für Insider besteht der Anreiz, den Markt durch falsche Signale irrezuführen, um durch die dadurch ausgelöste Reaktion des Markts wiederum Profit zu schlagen. Eine Anpassung des Kurses an den wahren Wert ist somit nicht immer möglich. Zuverlässiger könnte das Price decoding sein. In diesem Fall schließen Marktteilnehmer aus ungewöhnlichen Schwankungen des Kurses oder des Handelsvolumens eines Wertpapiers auf das Vorhandensein von 118  Schweizer, 119  Macey,

Insiderverbote, S. 41. 50 Case W. Res. L. Rev. 1999, 269 (278); Rudolph, in: FS Moxter,

1335 (1342). 120  Huang, Hui, International Securities Markets, S. 101. 121  Huang, Hui, International Securities Markets, S. 101.



I. Rechtfertigung eines gesetzlichen Verbotes des Insiderhandels 

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Insiderinformationen.122 Allerdings ist es auch in diesem Fall nicht ganz einfach, solche Schwankungen richtig einzuordnen oder gar zu erkennen. Dies liegt vor allem an dem bereits erwähnten „Rauschen“ des Kapitalmarkts, welches die Insidertransaktionen übertönen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Transaktionen klar erkennbar sind, nimmt mit zunehmender Liquidität des Markts und der Zahl der agierenden, das Rauschen verursachenden Investoren ab.123 Weiterhin ist fraglich, wie effektiv Insiderhandel zur Verbreitung von Informationen beiträgt. Die betreffenden Informationen können auch durch die Einführung einer Veröffentlichungspflicht, die eine komplette Offenlegung durch das Unternehmen fordert, erlangt werden. Zwar wird es Situationen geben, in denen eine Veröffentlichung dem Unternehmen schaden könnte. In diesen Fällen ist aber nicht zwingend anzunehmen, dass Insiderhandel zu einer optimalen Preisanpassung führt.124 Die Empirie bietet ein weiteres Argument gegen die Deregulierungsbefürworter. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Einfluss des Insiderhandels auf die Marktpreise nicht so bedeutend ist, wie dies von Manne behauptet wird.125 Ein weiterer wichtiger Grund, den die Regulierungsbefürworter als Basis für ihre Position wählen, sind Transaktionskosten, die durch Insiderhandel entstehen und die die Markteffizienz verringern. Der Handel auf Wertpapiermärkten wird im Allgemeinen von sog. Market-Makern126 oder Spezialisten gesteuert, die einen gewissen Aktienbestand zur Verfügung haben, mit dem sie handeln und somit eine Garantie für den reibungslosen Ablauf von Transaktionen gewähren. Für diese Serviceleistung, d. h. die sofortige Bereitstellung einer Handelsmöglichkeit, veranschlagen sie einen Preisaufschlag. Diese Market-Maker und Spezialisten sind es, die – viel mehr als Kleinanleger – durch Insiderhandel Schaden erleiden. Ein Insider wird nur mit einem Market-Maker Geschäfte machen, wenn er einen Gewinn erwartet, der über die vom Market-Maker kalkulierte Maklerprovision hinausgeht.127 Das Problem des Market-Maker ist allerdings, dass er nicht zu differenzieren vermag, ob er mit einem Insider oder Outsider handelt. Dies führt zu einer sog. adverse selection.128 Um sich gegen die Verluste aus den 122  Schweizer,

Insiderverbote, S. 42. ZBB 1991, 226 (229). 124  Anabtawi, 41 Stan. L. Rev. 1989, 377 (396). 125  Schotland, 53 Va. L. Rev. 1967, 1429 (1443 ff.), für weitere Untersuchungen siehe z. B. Givoly / Palmon, 58 J. Bus. 1985, 69 ff. 126  Zum Begriff der „Market-Maker“ vgl. Schmidt, Wertpapierbörsen, S. 24 ff. 127  Schmidt, in: Hopt / Wymeersch, European Insider Dealing, 21 (26 f.). 128  Grundlegend zum Problem der Informationsasymmetrie Akerlof, Q. J. Econ. 1970, 488 ff., der den Gebrauchtwagenmarkt als Beispiel wählt, um Marktversagen aufgrund von Informationsasymmetrie nachzuweisen. 123  Ott / Schäfer,

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

Geschäften mit Insidern zu schützen, müssen Market-Maker die VerkaufsKauf-Spanne („bid-ask-spread“) erhöhen.129 Aufgrund dieses Ansteigens der Transaktionskosten werden Investoren geneigt sein, den Markt zu verlassen. Dies hat zur Folge, das der Markt entweder illiquide wird, oder aber die Anleger kalkulieren mögliche Nachteile, die sie durch Insiderhandel erleiden, bereits ein und diskontieren dementsprechend.130 Während sich somit die Anleger schützen können, fällt der Schaden letztendlich auf die Unternehmen zurück, da deren Kapitalkosten sich in dem Maße erhöhen, in dem die Anleger deren Wertpapiere abwerten.131 Die überwiegenden Argumente belegen somit, dass Insiderhandel der Markteffizienz eher schadet als zuträglich ist. 2. Die Auswirkungen des Insiderhandels auf das Unternehmen a) Das Anreizmodell Die Verfechter der Deregulierung des Insiderhandels stellen diesen als eine mögliche, und nach ihrer Meinung als die effizienteste Form der Managervergütung dar.132 Werde es einem Manager erlaubt, durch Insiderhandel Gewinne zu erzielen, so werde er alles dafür tun, um positive Insiderinformationen zu schaffen und die Interessen des Unternehmens bestmöglich zu vertreten. Schlägt sich diese Leistung des Managers in dem Aktienkurs des Unternehmens nieder, kann der Manager bereits Aktien oder Optionen kaufen, bevor es zu dieser Kursreaktion kommt, und somit einen Gewinn erzielen. Aufgrund der in börsennotierten Unternehmen vorzufindenden Trennung von Eigentum und Kontrolle sieht insbesondere Manne es für das Unternehmen als förderlich, ja sogar überlebensnotwendig an, das Motivations- und Bonussystem für Manager durch ein solches In-Aussicht-Stellen von Insidergewinnen zu verbessern.133 Dieser Manager. Manager, sifizieren

Ansatz dient auch als wirksames Mittel gegen zu risikoaverse Eine solche Risikoaversion resultiert aus dem Dilemma, dass ein anders als jeder normale Aktionär, sein Humankapital nicht diverkann, sondern dieses allein in das Unternehmen investieren muss,

129  Seyhun, 16 J. Fin. Econ. 1986, 189 (190 f.); ausführliche Darstellung der adverse selection und des bid-ask-spread bei Dolgopolov, 33 Ca. U. L. Rev. 2004, 83 ff. 130  Manove, 104 Q. J. Econ. 1989, 823 (823 f., 834 ff., 842 f.). 131  Mendelson, 117 U. Pa. L. Rev. 1969, 470 (477 f.); Klock, 10 Ga. St. U. L. Rev. 1994, 297 (335). 132  Manne, Insider Trading and the Stock Market, S. 131 ff.; Carlton / Fischel, 35 Stan. L. Rev. 1983, 870 ff.; Dooley, 66 Va. L. Rev. 1980, 1 (72). 133  Vgl. Manne, Insider Trading and the Stock Market, S. 110.



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für welches er tätig ist.134 Eine risikoreiche Investition oder Entscheidung birgt für den Manager die Gefahr des Verlustes seiner Position. Diese Konsequenz ist auf ein Versagen des Arbeitsmarkts für Manager zurückzuführen, da dieser nicht in der Lage ist, eine Unterscheidung zwischen Managern herauszustellen, die schlechte Arbeit geleistet haben und solchen, die trotz guter Arbeit und fundierter Entscheidungen einfach Pech gehabt haben.135 Um ihren Posten nicht zu verlieren, entscheiden sich somit die meisten Manager für eine vorsichtige Strategie. Werden ihnen in dieser Situation nur Fixgehälter geboten, so genügen diese nicht, um ihre Kreativität und Risikobereitschaft zu erhöhen. Daher scheint die Erlaubnis von Insiderhandel eine gute Möglichkeit zu sein, diese Bereitschaft zu steigern und dadurch auch die Profitabilität des Unternehmens zu erhöhen. Allerdings vermag diese Argumentationskette nicht vollends zu überzeugen und es finden sich gewichtige Stimmen, die mit Gegenargumenten aufwarten. So wird zunächst darauf hingewiesen, dass sich die Behauptung, Insiderhandel sei die effektivste Form der Vergütung, nicht auf empirische Daten stützen kann.136 Auch der US Supreme Court hat dem Insiderhandel als Vergütungsform im Fall Dirks v. SEC aus dem Jahre 1983 eine Absage erteilt.137 Weiterhin ist die Korrelation von Entlohnung und Wert der Information bzw. Leistung des Managers fraglich. Zwar wird behauptet, der Manager sei durch die Erlaubnis von Insiderhandel in der Lage, seine Entlohnung selbst zu bestimmen und zu variieren,138 allerdings ist diese Behauptung verfehlt. Es ist mehr als ungewiss, ob Insiderhandel als Kompensationsform eine genauere Vergütung ermöglicht als andere Modelle. Selbst wenn man annimmt, der Kursanstieg der Aktien des Unternehmens würde den Wert der Leistung des Managers widerspiegeln, so ist dessen Vergütungsmöglichkeit dennoch durch die Anzahl der Aktien, die er kaufen kann, also durch seine eigenen Finanzlage begrenzt.139 134  Fama 88 J. Pol. Econ. 1980, 288 (291 f.); Demsetz, 76 Am. Econ. L. Rev. 1986, 313 (315). 135  Carlton / Fischel, 35 Stan. L. Rev. 1983, 857 (869). 136  Bainbridge, 38 U. Fla. L. Rev. 1986, 35 (47). 137  „In holding that breaches of this duty to shareholders [not to trade on inside information] violated the Securities and Exchange Act, the Cady, Roberts Commission recognized, and we agree, that [a] significant purpose of the Exchange Act was to eliminate the idea that use of inside information for personal advantage was a normal emolument of corporate office.“ Dirks vs. SEC, 463 US 646, 667 n. 10 (1983), wo Cady, Roberts & Co., 40 S.E.C. 907, 912 n. 15 (1961) zitiert wird. 138  Carlton / Fischel, 35 Stan. L. Rev. 1983, 857 (870); Easterbrook / Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 258. 139  Schotland, 53 Va.L.Rev. 1967, 1425 (1455); Bainbridge, 38 U.Fla.L.Rev. 1986, 35 (48).

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

Manne entgegnet auf diesen Einwand, dass Innovatoren für ihre Leistungen oft nicht ausreichend vergütet werden, und dass der Insiderhandel nur eine bestimmte Form der Vergütung sei, nicht jedoch die Garantie eines bestimmten Betrages.140 Diese Aussage Mannes erfuhr von den Regulierungsbefürwortern eine Auslegung dahingehend, dass auch Manne selbst Zweifel an der Genauigkeit des Insiderhandels als Entlohnungsform hege.141 Auch andere Autoren argumentieren in die Richtung, dass eine auf Insiderhandel gestützte Entlohnung nicht unbedingt die fairste Variante ist. Im Gegenteil berge eine solche Entlohnung eher zusätzliche Schwierigkeiten und verringere somit sogar den Wohlstand des Unternehmens.142 Darüber hinaus hänge die adäquate Vergütung der Manager von Zufälligkeiten und sonstigen, meist externen Faktoren, wie z. B. der Kapitalmarktstruktur, dem Grad des firmenspezifischen Risikos und dem durchschnittlichen Handelsvolumen der Outsider ab.143 Es scheint daher gerechtfertigt zu behaupten, eine Vergütung auf der Basis von Insiderhandel gleiche dem Kauf eines Lotterieloses,144 da diese Art der Entlohnung in keiner Verbindung zur Leistung des Managers steht, deren Förderung und Verbesserung aber der eigentliche Grund dieser Art der Vergütung ist. Erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Anreizmodells lässt auch eine empirische Studie zu: Sie belegt, dass Insider zwar maximierte Gewinne aus dem Wertpapierhandel mit Aktien des eigenen Unternehmens erwirtschaften, dass diese Gewinne aber einzig darauf beruhen, dass Manager in der Lage sind, die Situation des eigenen Unternehmens genauer einzuschätzen.145 Hingegen wurde nicht festgestellt, dass Manager gerade ihr Insiderwissen nutzten, um höhere Gewinne zu erzielen. Zu berücksichtigen ist auch immer wieder eine Gefahr, die unter dem Stichwort „moral hazard“ bekannt ist. Hinter diesem Schlagwort verbirgt sich die Tatsache, dass der Manager nicht nur von guten Nachrichten, sondern ebenso von schlechten Nachrichten profitieren kann, indem er im ersteren Fall Aktien kauft und im letzteren Fall Aktien verkauft, Leerverkäufe tätigt oder Verkaufsoptionen erwirbt.146 So besteht zum einen ein Anreiz zur Über140  Manne,

44 Harv. Bus. Rev. 1966, 113 (119). Juristische und ökonomische Regelungsprobleme des Insiderhan-

141  Hartmann,

dels, S. 24. 142  Scott, 9 J. Leg. Stud. 1980, 801 (808); Easterbrook, 11 Sup. Ct. Rev. 1981, 309 (332). 143  Hopt / Will, Europäisches Insiderrecht, S. 40. 144  So Easterbrook, 11. Sup. Ct. Rev. 1981, 309 (332). 145  Givoly / Palmon, 58 J.Bus. 1985, 69 (85). 146  Struckmann, Insiderregeln, S. 21; ausführlich zu Leerverkäufen siehe Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme des Insiderhandels, S. 27;



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produktion schlechter Nachrichten, da dies leichter fällt als die Produktion guter Nachrichten, zum anderen werden gute Nachrichten oft fingiert.147 Gemeinsam mit dem Schlagwort „moral hazard“ ist stets ein weiteres zu finden, und zwar das der „perverse incentives“. Perverse incentives laufen dem zuwider, was die Deregulierungsbefürworter mit ihrem Ansatz bezwecken. Erlaubt man Managern Insidergeschäfte zu tätigen, so kann dies auch negative Anreizwirkungen haben in dem Sinne, dass sich der Manager mehr um seine Insidergeschäfte kümmert als um die positive Entwicklung des Unternehmens. Dieses Problem tritt insbesondere auf, wenn Manager wegen ihres Zugangs zu Insiderinformationen entlohnt werden und nicht auf Basis ihrer Leistungen.148 Im Zusammenhang mit der Produktion schlechter Nachrichten und der Entstehung falscher Anreize besteht die Gefahr, dass Manager zunehmend risikoreiche Investitionen tätigen. Grund dafür ist die sog. Straddleposi­ tion149, in der sich Manager befinden. In dieser geht es ihnen nicht mehr um die konstante Gewinnmaximierung, sondern vielmehr darum, möglichst große Schwankungen des Aktienkurses zu verursachen, da sie durch diese Volatilität größere Gewinnchancen im Insiderhandelsgeschäft haben.150 Auch empirische Daten aus den USA belegen, dass die Varianz der Gewinne von Investitionsentscheidungen zunimmt, wenn Manager Aktien der eigenen Firma halten.151 Ein weiteres nicht zu vernachlässigendes Feld ist das der free-rider-Problematik. Es ist unmöglich sicherzustellen, dass nur der Produzent einer Insiderinformation diese Information nutzen wird. Vielmehr wird es stets ungewollte Mitwisser geben, die diese zu ihrem Vorteil nutzen, ohne dass ihnen ein solcher Bonus zustehen würde.152 Ein Manager kann dieses ProManne, 44 Harv. Bus. Rev. 1966, 113 (114) und Carlton / Fischel, 35 Stan. L. Rev, 857 (876) sehen dieses Problem bereits, sehen es aber nicht als gravierend an. Sie sind der Meinung, im Unternehmen seien angemessene Anreize und Zwangsmechanismen vorhanden, die in letzter Konsequenz zu einer Entlassung eines Managers führte, der sich aufgrund schlechter Nachrichten bereichere. 147  Franke, in: Hopt / Wymeersch, European Insider Dealing, 273 (284); Der frühere Präsident der Philippinen, Marcos, soll sich einen Teil seines Vermögens durch die Fiktion guter Nachrichten erwirtschaftet haben (Spiegel 1989, Nr. 25, S. 152). 148  Scott, 9 Leg. Stud. 1980, 801 (808). 149  Rudolph, in: FS Moxter, 1335 (1344). 150  Ott / Schäfer, ZBB 1991, 226 (231 ff.); Lahmann, Insiderhandel, S. 110; Levmore, 68 Va. L. Rev. 1982, 117 (149); O’Connor, 58 Fordham L. Rev. 1989, 309 (318); Salbu, 68 Wash. L. Rev. 1993, 307 (326). 151  Demsetz, 76 Am. Econ. Rev. 1986, 313 (314); Hirschey / Zaima, J. Fin. 1988, 971 ff. 152  Zhang, Xin / Zhu, Hongmei, 3 China Economic Quarterly, 2003 (1), 71 (73).

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

blem nur vermeiden, indem er seinen Kollegen Informationen vorenthält, bis er seine Wertpapiertransaktionen getätigt hat.153 Schadhaft kann Insiderhandel auch im Rahmen von Fusionen sein. Insidergeschäfte durch Manager des Übernahmekandidaten können die Transaktionskosten des Bieterunternehmens erhöhen, während auf Seiten des Übernahmekandidaten die Übernahme erschwert werden kann, wenn das Management versucht, seine Arbeitsplätze zu retten, indem es den eigenen Aktienkurs durch Insiderhandel in die Höhe treibt.154 Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass das Management bei der Auswahl eines geeigneten Übernahmekandidaten eher seine zu realisierenden Insidergewinne im Auge hat als die Frage, ob die Akquisition eine Wertsteigerung im eigenen Unternehmen herbeiführen würde.155 Schlussendlich wird generell in Frage gestellt, ob Manager überhaupt eine Entlohnung in Form einer Erlaubnis des Insiderhandels wählen bzw. akzeptieren würden. Die Chancen des Managements, den Wert der Aktien durch eigene Leistung zu steuern und somit das Potential für Insidergewinne zu schaffen, werden nämlich als äußerst gering bewertet, so dass Manager einem sicheren Entlohnungsmodell den Vortritt geben würden.156 Die überwiegende Meinung geht somit dahin, dass das Anreizmodell keine Deregulierung des Insiderhandels zu rechtfertigen vermag. Als Lösung zu dem aus der Principal-Agent-Konstellation resultierenden Anreizdefizit des Managements könnte ein Entlohnungssystem in Form von Ak­ tienoptionen dienen, wie es in vielen Unternehmen praktiziert wird. Dieses würde die Anreizkomponente berücksichtigen, gleichzeitig aber auch die Nachteile des Insiderhandels vermeiden.157 Diese Form der Entlohnung, die Manager am Erfolg teilhaben lässt und somit ermutigt, im Unternehmensinteresse zu handeln, wird auch von den Gerichten als adäquat und als dem Insiderhandel überlegen angesehen.158 b) Der Principal-Agent-Ansatz Ein weiteres Argument, das für den Insiderhandel als Entlohnungsmodell ins Feld geführt wird, ist eine dadurch mögliche Reduzierung der Agency153  Bainbridge,

38 U.Fla.L.Rev. 1986, 35 (50). AG 1995, 353 (356). 155  Schäfer, Hans-Bernd / Ott, 12 Int’l Rev. L. & Econ. 1992, 357 (368). 156  Hopt, ZGR 1991, 17 (25); Easterbrook, 11 Sup. Ct. Rev. 1981, 309, (332). 157  Oppitz, Insiderrecht aus ökonomischer Perspektive, S. 70 ff., Huang, Hui, International Securities Markets, S. 98. 158  SEC v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 851 (2d Cir. 1968). 154  Hopt,



I. Rechtfertigung eines gesetzlichen Verbotes des Insiderhandels 53

Kosten. Diese Kosten entstehen im Verhältnis von Eigentümer (Principal) und Manager (Agent) aufgrund der bereits angesprochenen Trennung von Eigentum und Kontrolle in modernen Unternehmen. Dieses Verhältnis birgt potentielle Interessenkonflikte, die dann wiederum die sog. Agency-Kosten verursachen.159 Da der Manager aufgrund seiner auf Insiderhandel basierenden Vergütung seine Vergütung größtenteils steuern kann, fallen AgencyKosten in Form von Gehaltsverhandlungen und -anpassungen weg.160 Hinzu kommt, dass Agency-Kosten auch dadurch reduziert werden, dass Managerleistungen leichter und kostengünstiger zu überprüfen sind.161 Dem ist allerdings entgegenzusetzen, dass es sowohl für den Principal als auch für den Manager schwer sein dürfte, den Entgeltwert einer Leistung zu beurteilen. Darüber hinaus ist es unmöglich bzw. extrem kostenintensiv, die Einhaltung der mit dem Manager getroffenen Vereinbarung über das Recht zum Insiderhandel zu kontrollieren.162 Da somit zwar die Gehaltsverhandlungskosten wegfallen, jedoch Monitoring-Kosten auftreten, handelt es sich um ein Nullsummenspiel, das weder für den Principal einen Anreiz bietet, dem Manager eine Erlaubnis zu Insidergeschäften zu erteilen, noch für den Manager, sich auf ein unsicheres Gehaltsmodell einzulassen und auf Gehaltsverhandlungen zu verzichten. Somit kann auch das Argument der verminderten Agency-Kosten nicht überzeugen. 3. Die Bewertung von Insiderhandel vor dem Hintergrund allgemeiner Gerechtigkeitsüberlegungen Von Anlegern wird Insiderhandel oft als unfair empfunden, und er lässt sie ihr Vertrauen in den Kapitalmarkt verlieren. Dieses Argument des Vertrauensschutzes hatte bereits ganz zu Beginn der Entstehung des amerikanischen Kapitalmarktrechts große Relevanz und auch in anderen Ländern sind Kapitalmarktgesetze oder Insiderregelungen oft im Zuge von Börsenkrisen oder lang anhaltenden Kapitalmarktschwächen erlassen worden, um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen.163 Von ökonomischer Seite wird dieses Argument, das angeblich nur ein moralisches Gefühl ausdrückt, zurückgewiesen. Auch wenn die Verteilungs159  Jensen / Meckling, 160  Carlton / Fischel,

(356).

3 J. Fin. Econ. 1976, 305 (308 ). 35 Stan. L. Rev. 1983, 857 (870 f.); Hopt, AG 1995, 353

161  Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme des Insiderhandels, S. 23. 162  Hopt, ZGR 1991, 17 (24). 163  Hopt, ZGR 1991, 17 (27).

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

effekte auf dem Kapitalmarkt in Situationen mit oder ohne Insiderhandel voneinander abweichen, könne man daraus kein absolutes Urteil hinsichtlich der Gerechtigkeit fällen, da dies voraussetze, dass man Kenntnis über ein gerechtes und anstrebenswertes Marktergebnis habe.164 Es ist allerdings anzumerken, dass der Terminus „fair“ eine technische Bedeutung in der Statistik hat, die wiederum Anwendung in der ökonomischen Analyse von Finanzmärkten findet.165 Darüber hinaus wird angeführt, dass die Regulierungsbefürworter stets von naiven Anlegern ausgehen, was in den ökonomischen Theorien nicht unbedingt der Fall sei. Der normale Anleger würde, so die Argumentation, mit Insidern im Markt rechnen und auch damit, dass Geschäfte mit ihnen potentielle Verluste mit sich bringen. Aufgrund dessen werde er diese Verluste diskontieren, indem er entweder die Aktie niedriger bewerte oder eine erhöhte Dividende fordere.166 Auch wenn diese Argumente einleuchtend erscheinen, darf der psychologische Faktor nicht außer Acht gelassen werden. Investitionsentscheidungen werden zwar auf rationaler Basis, doch oft letztendlich „aus dem Bauch heraus“ getroffen. Grundvoraussetzung für solche Entscheidungen ist jedoch, dass der Anleger sich gerecht behandelt und als im fairen Wettbewerb mit anderen Anlegern stehend fühlt. Ist das Vertrauen in die Integrität des Markts erschüttert, so zieht er sich zurück und sucht nach anderen Investitionsmöglichkeiten, was zu einem illiquiden Markt führt.167 Diese Situation ist letztendlich sowohl für Insider als auch Outsider nicht wünschenswert. 4. Die potentiell Geschädigten des Insiderhandels a) Die Schädigung des einzelnen Anlegers Große Uneinigkeit herrscht schließlich hinsichtlich der Frage, ob der einzelne Anleger durch Insiderhandel überhaupt einen Schaden erleidet. Wiederum ist es Manne, der argumentiert, der Outsider habe seine Entscheidung zum Kauf oder Verkauf völlig unabhängig von der Existenz von Insi164  Oberender / Daumann, ORDO 43 (1992), 255 (262); siehe auch Easterbrook / Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 254 f., die kritisieren, dass man sich im Bereich der Rhetorik befindet, wenn man Insiderhandel als unfair betitelt. 165  LeRoy, 27 J. Econ. Lit. 1989, 1583 (1589). 166  Ott / Schäfer, ZBB 1991, 226 (229). 167  Golsten, 62 J. Bus. 1989, 211 (214).



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dern getroffen und könne somit gar nicht Opfer des Insiderhandels werden. Es handele sich hier vielmehr um ein sog. victimless crime.168 An dieser Ansicht wird scharfe Kritik geübt. Zum einen müsse Manne selbst bereits eingestehen, dass Outsider im Fall des Insiderhandels auf Basis negativer Informationen sehr wohl einen Schaden erleiden.169 Zum anderen wird Manne fehlendes ökonomisches Verständnis aus zwei Gründen vorgeworfen: Erstens enthalte das Mannes Argumentation zugrundeliegende ökonomische Modell einen fundamentalen Fehler, indem Manne sich auf das sog. partielle Gleichgewichtsmodell stütze, das eine einzelne Transaktion isoliert betrachte, das sonstige Marktgeschehen ausklammere und alle sonstigen Faktoren konstant (ceteris paribus) halte. Da allerdings die Preise auf dem Wertpapiermarkt von vielen Faktoren beeinflusst würden, könne eine seriöse und angemessene Analyse nur auf Basis des allgemeinen Gleichgewichtsmodells durchgeführt werden, welches sonstige Faktoren, Beziehungen und Auswirkungen in die Analyse mit einbezieht.170 Zweitens irre Manne sich, wenn er seine Kritiker für ihre Argumentation, Outsider würden durch Insiderhandel dazu verleitet, für einen geringeren Preis zu verkaufen, als sie es getan hätten, wenn sie im Besitz der Insiderinformation gewesen wären, angreift.171 Manne vergleiche die Marktpreise, die ein Outsider mit bzw. ohne Insiderhandel erreicht hätte, bevor die Insiderinformation an die Öffentlichkeit gerät, ohne zu bedenken, dass der Outsider eine Diskontierung vornehmen wird, wenn er mit Insiderhandel rechnen muss.172 Zudem verhalte sich Manne widersprüchlich und kritisiere seine Widersacher gerade für etwas, was er selbst tue: Er betrachte die Situation der Outsider und deren Investitionsentscheidung aus der Ex-Postund gerade nicht, wie er selbst fordere, aus der Ex-Ante-Perspektive.173 Einen Schaden in Form eines entgangenen Gewinns bzw. eines sicheren Verlusts kann ein Anleger erleiden, wenn er in einer Privattransaktion oder über die Börse auf der Marktgegenseite des Insiders handelt und entweder Wertpapiere verkauft, deren wahrer Wert über dem Kurswert liegt, oder wenn er Wertpapiere kauft, deren wahrer Wert unter dem Kurswert liegt.174 Hier ließe sich wieder das bereits genannte Argument anführen, dass man nicht 168  Manne,

Insider Trading and the Stock Market, S. 61. Insider Trading and the Stock Market, S. 108. 170  Klock, 10 Ga. St. U. L. Rev. 1994, 297 (305). 171  Manne, 23 Vand. L. Rev. 1970 547, (548). 172  Douglas, 23 Fin. Rev. 1988, 127 (138). 173  Klock, 10 Ga. St. U. L. Rev. 1994, 297 (306). 174  Hausmaninger, Insider Trading, S. 40. 169  Manne,

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

immer von einem naiven Anleger ausgehen kann, sondern von einem solchen, der auf das Vorhandensein von Insiderhandel reagiert und somit das Risiko entweder durch Abwertung der Aktien kompensiert oder sich gar dazu entscheidet, den Markt zu verlassen. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass ein Anleger überhaupt nur dann entscheiden kann, den Markt zu verlassen, wenn eine alternative Investitionsmöglichkeit auf einem Markt besteht, auf dem Informationen schneller und zuverlässiger erlangt werden können, und der gleichzeitig eine solch hohe Liquidität und all die damit verbundenen Vorteile aufzuweisen vermag, wie der Anleger sie auf dem Wertpapiermarkt findet.175 Die Existenz einer solchen Alternative scheint sehr unwahrscheinlich. Ein Problem, das sich allerdings im Rahmen der Diskussion um die Schädigung des einzelnen Anlegers aufgrund entgangenen Gewinns bzw. sicheren Verlusts ergibt, ist die Frage der Kausalität des Insidergeschäfts für diese Schädigung. Geht es um Privattransaktionen, bei denen sich Insider und Outsider quasi gegenüberstehen, so ist Kausalität zweifelsohne zu bejahen.176 Geht es jedoch um Transaktionen an der Börse, wobei man davon ausgehen kann, dass die Börse das Medium ist, über welches die meisten dieser Transaktionen abgewickelt werden, so kommt wieder das ganz am Anfang angeführte Argument Mannes zum Zuge. Der Insiderhandel ist nicht kausal für den Schaden des Anlegers, da dieser seine Wertpapiertransaktion ohnehin getätigt hätte, unabhängig von der Existenz eines Insiders. Mangels Kausalität kann somit eine Schädigung des individuellen Anlegers argumentativ nicht begründet werden. Ein weiterer Ansatz ist die sog. „Law of Conservation of SecuritiesTheorie“, die behauptet, dass mit jeder Wertpapiertransaktion am Ende jemand einen Verlust hat und es stets die Insider sind, die auf Kosten der Outsider gewinnen.177 Wann immer ein Insider am Markt auftritt, gibt es einen Verlierer. Doch auch diese Theorie scheitert an der fehlenden Nachweisbarkeit der Kausalität am anonymen Markt.178 In puncto Schädigung des einzelnen Anlegers muss also zugegeben werden, dass dieses Argument eine gesetzliche Regelung ökonomisch nicht zu rechtfertigen vermag, da es zu vielen Unsicherheitsfaktoren unterliegt.179 Dies heißt jedoch nicht, dass der Anleger völlig aus dem Fokus gesetzlicher Insiderregelungen herausfällt. Zwar verliert der einzelne Anleger ge175  Cox / Fogarty,

49 Ohio St. J. 1988, 353 (354 f.). Insider Trading, S. 40. 177  Wang, William K.  S., 54 S. Ca. L. Rev. 1981, 1217 (1234); Wang, William K. S. / Steinberg, Insider Trading, S. 62 ff. 178  Dies geben die Urheber der Theorie selbst zu bedenken, Wang, William K. S. / Steinberg, Insider Trading, S. 81 f. 179  So auch Hopt, AG 1995, 353 (355). 176  Hausmaninger,



I. Rechtfertigung eines gesetzlichen Verbotes des Insiderhandels 57

genüber den Insidern nicht, wohl aber die Anleger als Gruppe, als Anlegerpublikum, wenn man die Beurteilung aus einer makroökonomischen Per­ spektive durchführt.180 Wie bereits dargelegt ist der Insiderhandel ein Nullsummenspiel. Dies setzt aber voraus, dass jeder Gewinn auf der einen Seite einen Verlust auf der anderen zur Folge hat. Der Verlust geht zu Lasten der Gesamtheit der Anleger. Um das Vertrauen dieser Anleger, die letztendlich dafür verantwortlich sind, dass der Markt liquide bleibt, zu erhalten, bedarf es eines Schutzes dieser Anleger, die im Gegensatz zu den Insidern gerade nicht über besondere Informationen verfügen. b) Die Schädigung der Gesellschaft Insiderhandel als victimless crime zu bezeichnen ist, wie bereits dargestellt, schon aufgrund der Tatsache verfehlt, dass die Gesamtheit der Anleger sehr wohl eine Schlechterstellung erfährt. Doch nicht nur diese, sondern auch die Gesellschaft, mit deren Aktien Insiderhandel betrieben wird, kann Schaden nehmen. Zunächst muss ein bereits beschriebenes Szenario betrachtet werden. Wenn Anleger das Risiko, dass sie durch Insiderhandel fürchten, dadurch zu minimieren versuchen, dass sie den Wert einer Aktie diskontieren bzw. erhöhte Dividenden fordern, steht dieses Geld der Gesellschaft nicht als liquides Mittel zur Verfügung. Im diesem Zusammenhang ist auch eine eventuelle Rufschädigung anzuführen, die entsteht, wenn Anleger erfahren, dass mit Aktien einer Gesellschaft Insiderhandel betrieben wird.181 Die Reaktion der Anleger wird entweder eine Diskontierung der Aktien oder gar eine Beendigung der Investitionsaktivitäten in diese Gesellschaft sein. Weiterhin können auch die bereits diskutierten Probleme des moral hazard und der perverse incentives dem Unternehmen Schaden zufügen. So werden eventuell Informationen publik gemacht, die, wie von den Insidern gewünscht, eine hohe Volatilität des Aktienkurses verursachen, die jedoch dem Unternehmen schaden und entweder gar nicht oder, speziell im Fall von Übernahmen, später hätten veröffentlicht werden sollen. Schließlich kann die effiziente und dem Unternehmen wohlgesonnene Unternehmensführung durch Insiderhandel leiden. Die Unternehmensführung könnte geneigt sein, den eigenen Interessen im Rahmen ihrer Insideraktivitäten die Priorität zu geben und somit ihre eigentliche Aufgabe, nämlich die Leitung des Unternehmens und die Verfolgung der Unternehmensziele, außer Acht zu lassen.182 180  Huang,

Hui, International Securities Markets, S. 106. AG 1995, 353 (355). 182  Schotland, 53 Va. L. Rev. 1967, 1429 (1451). 181  Hopt,

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

5. Stellungnahme Nach Erläuterung der wesentlichen Argumente, die die über 40jährige Diskussion hervorgebracht hat, kann man aus rein ökonomischer Perspektive kein klares Urteil für oder gegen eine Insiderregelung fällen. Mit einer Schädigung des einzelnen Anlegers ist die Einführung eines Verbotstatbestands nicht zu rechtfertigen. Jedoch sind auch die Argumente, mit denen gegen die Einführung eines Insiderhandelsverbots gestritten wird, nicht stichhaltig oder die dahinter stehenden Probleme können auf anderem Wege gelöst werden. So werden z. B. die unter dem Stichwort „Principal-AgentAnsatz“ und „Anreizmodell“ diskutierten Konzepte einer effektiveren Managervergütung und einer Reduzierung der Agency-Kosten durch die damit einhergehende Problematik des moral hazard, der perverse incentives sowie der free-rider-Problematik derart überlagert, dass die beiden Konzepte als Argumente gegen ein Insiderrecht wertlos sind. Die gegen ein Insiderrecht vorgebrachte These, Insiderhandel sei der Informationsverbreitung sowie der Anpassung der Wertpapierpreise an den tatsächlichen Wert zuträglich, kann insofern nicht überzeugen, als dass sich eine Informationsverbreitung und die daraus resultierende Wertanpassung genauso gut durch eine Ad-hocPublizitätspflicht erreichen lässt. Der Vorteil einer solchen Publizitätspflicht ist zudem, dass die Information dem Anlegerpublikum zur Verfügung gestellt wird und damit weit mehr auf eine chancengleiche Information zielt als Insiderhandel dies jemals leisten könnte. Ein Gesetzgeber befindet sich daher in einer sehr zwiespältigen Situation, wenn es darum geht, sich für oder gegen die Einführung eines Insiderhandelsverbots zu entscheiden. Weder die ökonomischen Argumente gegen noch die Argumente für die Einführung eines solchen Verbots bieten eine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung. Dass sich sowohl der europäische als auch der chinesische Gesetzgeber für ein Insiderrecht entschieden haben, liegt letztlich vor allem daran, dass die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen und chinesischen Kapitalmarkts gesichert werden musste. Das Vorhandensein eines staatlichen Insiderüberwachungssystems gilt international als absolute Notwendigkeit.183 Dieser Forderung nach staatlicher Regulierung resultiert jedoch allein aus der Wahrnehmung und dem Verhalten der Anleger. Trotz der oben diskutierten ökonomischen Theorien wird nämlich nicht bestritten, dass Anleger nur derart regulierten Kapitalmärkten ihr Vertrauen entgegenbringen und Investitionen tätigen. Eine fehlende Regulierung hingegen wirkt sich negativ auf das Vertrauen der Anleger aus und führt zu der oben beschriebenen adverse selection. Infolgedessen wird jeder Anleger befürchten, bei Transaktionen 183  Vgl.

z. B. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 33.



I. Rechtfertigung eines gesetzlichen Verbotes des Insiderhandels 59

möglicherweise mit einem Insider auf der Gegenseite zu verhandeln und daher zu teuer zu kaufen oder zu günstig zu verkaufen. Um sich selbst zu schützen, wird er diesen Nachteil in seine Preiskalkulation einbeziehen. Dies wiederum hat zur Folge, dass sich die Preisbildung auf dem Markt nicht mehr allein am inneren Wert des Finanzinstruments orientiert, der auf der Basis von Informationen zustande kommt. So kommt es zu einer Störung des natürlichen, dem Marktwettbewerb ausgesetzten Preisbildungsmechanismus, und es besteht eine Gefahr für die Eigenkapitalausstattung und den Marktzugang von Unternehmen. Vor dem Hintergrund dieser Zusammenhänge lautet die von verschiedenen und auch vom europäischen und chinesischen Gesetzgeber genannte Rechtfertigung für die Einführung eines Insiderhandelsverbots stets: „Wahrung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts“, wobei diese Funktionsfähigkeit stark mit dem Vertrauen der Anleger zusammenhängt. Beiden Gesetzgebern geht es darum, im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben und einen Kapitalmarkt zu bieten, der ein in der internationalen Wahrnehmung adäquates Qualitätssiegel aufweist. In Deutschland ist das Bestreben, die europarechtlichen Vorgaben umzusetzen dadurch getrieben, dass Deutschland zum einen ein Teil des einheitlichen europäischen Kapitalmarkts und daher de lege lata zur Umsetzung verpflichtet ist. Allein deshalb ist es undenkbar, hinsichtlich des Insiderrechts eine grundlegend andere Position zu vertreten als der Rest der Mitgliedstaaten, wenn man ein Abwandern der Anleger, vor allem aber auch eine Haftung wegen nicht fristgerechter oder fehlerhafter Umsetzung vermeiden möchte. Andererseits würde der Finanzplatz Deutschland auch im internationalen Vergleich stark an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen, da internationale Anleger wie erläutert das Vorhandensein eines bestimmten Maßes an staatlicher Überwachung stillschweigend voraussetzen. China hingegen ist zwar nicht Teil eines regional vereinheitlichten Kapitalmarkts, sieht sich jedoch aufgrund seiner starken Stellung in der Weltwirtschaft hochentwickelten Kapitalmärkten wie dem amerikanischen und dem europäischen Kapitalmarkt gegenüber, und versucht mit diesen mithalten zu können, indem es ähnliche regulatorische Bedingungen schafft. Diese allein durch den Wunsch getriebene Entscheidung des europäischen und chinesischen Gesetzgebers, im internationalen Wettbewerb der Kapitalmärkte mithalten zu können, wird bei aller ökonimschen Fragwürdigkeit einer gesetzlichen Regelung des Insiderrechts so lange die richtige Lösung bleiben, wie Anleger glauben, der Informationsfluss bzw. die Gewährleistung der Informations- und Chancengleichheit auf einem Kapitalmarkt könne nur durch ein Verbot gewährleistet werden, welches es Personen mit Zugang zu qualifizierten Informationen untersagt, diese auszunutzen. Solange Anleger das Gefühl haben, durch Transaktionen, an denen Insider betei-

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

ligt sind, einen Nachteil zu erleiden und deshalb vor Investitionen am Kapitalmarkt zurückschrecken, muss der Gesetzgeber tätig werden, um das Bestehen seines Kapitalmarkts, ja sogar seiner gesamten Volkswirtschaft, zu sichern und zwar unabhängig davon, ob eine Transaktion mit einem Insider wirklich in einen Nachteil mündet.184

II. Schutzzweck der insiderrechtlichen Regelungen Neben der generellen Problematik der Rechtfertigung insiderrechtlicher Regelungen bleibt stets die Frage, welchen Regelungszweck der Gesetzgeber verfolgt, also welchem Schutzgut die Regelung zu dienen bestimmt ist. Welchen Regelungszweck der deutsche bzw. der chinesische Gesetzgeber mit den von ihm eingeführten insiderrechtlichen Regelungen verfolgt, wird im Folgenden dargestellt. 1. Deutschland Weitestgehende Einigkeit besteht heute dahingehend, dass die Insiderregelungen in Deutschland den Funktionenschutz des Wertpapiermarkts zum Ziel haben.185 Dies ergibt sich bereits aus der Entwicklung der europäischen Insidergesetzgebung. So macht schon die Insiderrichtlinie aus dem Jahre 1989 ihren Standpunkt deutlich, dass Insiderregelungen für das reibungslose Funktionieren des Markts unerlässlich sind.186 Wie bereits im ersten Teil dieses Kapitels erläutert, können Insidergeschäfte diesen reibungslosen Ablauf des Marktgeschehens gefährden. Marktteilnehmer werden sich ungerecht behandelt fühlen und im schlimmsten Fall den Markt verlassen, wenn ein begrenzter Personenkreis auf der Basis von nur ihm zugänglichen Informationen Geschäfte tätigt, mit denen er Gewinn aus dem Unwissen der anderen erlangt. Daraus resultiert ein Gebot der Chancengleichheit für alle Marktteilnehmer. Eine solche wird allgemein als unerlässlich für die Wettbewerbsfähigkeit eines Finanzplatzes erachtet.187 Umstritten ist allerdings, ob das Insiderrecht neben dem Funktionenschutz noch einen weiteren Schutzzweck, nämlich den des Anlegerschutzes, verfolgt. 184  So auch Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor § 12 WpHG Rn. 12. 185  Hopt, ZHR 159 (1995), 135 (159); Caspari, ZGR 1994, 530 (532); Rothenhöfer, in: Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.458; Assmann, AG 1994, 196 (203). 186  Sechster Erwägungsgrund der EG-Insiderrichtlinie. 187  Gesetzesbegründung zum zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, welches die Insiderrichtlinie in deutsches Recht umsetzt, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 33; ebenso Rothenhöfer, in: Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.458.



II. Schutzzweck der insiderrechtlichen Regelungen61

Nach verbreiteter Ansicht hat das Insiderrecht neben dem Funktionenschutz auch den Schutz des einzelnen Anlegers zum Ziel.188 Wie bereits erläutert handelt es sich bei Insidergeschäften um ein Nullsummenspiel. Innerhalb dieses Spiels ist es unvermeidlich, dass der Informationsvorsprung der Insider zu Lasten der unwissenden Outsider geht und diese insofern schutzbedürftig macht. Allerdings ist die Schutzbedürftigkeit der Anleger nach Meinung des Schrifttums dadurch vermindert, dass in der Praxis der Nachweis eines konkreten Schadens durch Insiderhandel schwer fallen dürfte, da Geschäfte an der Börse zum einen anonym getätigt werden und zum anderen der Outsider die Transaktion mit großer Wahrscheinlichkeit auch ohne das Vorhandensein des Insiders getätigt hätte.189 Dennoch, so die Verfechter dieser Ansicht, sei dem Anlegerschutz gleiches Gewicht beizumessen, da der Funktionenschutz ohne Anlegerschutz nicht denkbar sei und es sich hier quasi um „zwei Seiten derselben Medaille“ handelt.190 Die herrschende Gegenansicht interpretiert den ihrer Meinung nach erkennbaren Willen des Gesetzgebers so, dass die Insidernormen ausschließlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts dienen.191 Zur Lösung dieser Streitfrage sollte man den Blick nochmals zum Ursprung des in Deutschland geltenden Insiderrechts wenden. Dieses basiert auf der Grundlage europäischer Rahmengesetzgebung, zunächst auf der Insiderrichtlinie und schließlich auf der seit dem Jahre 2003 geltenden Marktmissbrauchsrichtlinie. Der dritte Erwägungsgrund der Insiderrichtlinie spricht davon, dass alle zweckdienlichen Maßnahmen getroffen werden müssen, damit der Sekundärmarkt seine Aufgaben effizient erfüllen kann. Im vierten und fünften Erwägungsgrund wird sodann klargestellt, dass dieses effiziente und reibungslose Funktionieren vom Vertrauen der Anleger abhängt, das wiederum nur gewährleistet ist, wenn diesen Gleichstellung hinsichtlich des Zugangs zu Informationen und Schutz gegen die unrechtmäßige Verwendung einer Insiderinformation garantiert wird. Es findet also eine eindeutige Abstufung zwischen dem Ziel, einerseits das Funktio188  Grunewald, ZBB 1990, 128 (130); Claussen, AG 1997, 306 (307); Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 6; Tippach, WM 1993, 1269 (1272); ebenso noch Assmann, AG 1994, 196 (203 f.). 189  Assmann, AG 1994, 196 (203); Caspari, ZGR 1994, 530 (533); Rothenhöfer, in: Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.460. 190  Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 6; Caspari, NZG 2005, 98 (98); ebenso noch Assmann, AG 1994, 196 (203 f.). 191  So noch Caspari, ZGR 1994, 530 (532), der dafür die Begr. des RegE des 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47, 57 anführt; Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 7 ff.; Immenga, ZBB 1995, 197 (205); Kaiser, WM 1997, 1557 (1559 f.); Kümpel / Veil, WpHG, S. 79; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, S.  618 ff.

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

nieren des Markts und andererseits das Vertrauen der Anleger zu schützen, statt. Anlegerschutz ist daher kein Selbstzweck, sondern Teil des übergeordneten Funktionenschutzes und hat somit eine markt-funktionale Aufgabe.192 Zu bemerken ist auch, dass der Anlegerschutz, anders als bei anderen Richtlinien, nicht explizit zur Rechtfertigung einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung herangezogen wird.193 Dieses Konzept hat sich auch aufgrund der Marktmissbrauchsrichtlinie und deren Umsetzung in deutsches Recht durch das Anlegeschutzverbesserungsgesetz nicht geändert. Die Marktmissbrauchsrichtlinie stellt im zweiten und zwölften Erwägungsgrund deutlich dar, dass nur ein integrer Markt, der auf dem Vertrauen der Anleger basiert, reibungslos funktionieren und den erwünschten Wohlstand generieren kann. Im Unterschied zur Insiderrichtlinie wird allerdings im zwölften Spiegelstrich des 43. Erwägungsgrundes der Schutz von Verbrauchern und Kleinanlegern besonders hervorgehoben, da „Informationsasymmetrien und ein Mangel an Transparenz das Funktionieren der Märkte gefährden und vor allem Verbrauchern und Kleinanlegern zum Schaden gereichen können“.194 Auch in der Gesetzesbegründung des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes wird explizit auf den Schutz des Anlegervertrauens abgestellt, indem die Übernahme persönlicher Verantwortung und eine angemessene Erweiterung der Haftung für geschädigte Anleger und die Verbesserung des Anlegerschutzes im Bereich der Kapitalmarktinformation besonders betont werden.195 Diese Erwähnung des Anlegerschutzes genügt aber nach herrschender Meinung nicht, diesen als selbständigen Gesetzeszweck heranzuziehen. Für eine derartige Schlussfolgerung wird weiterhin angeführt, dass gem. § 12 WpHG Insiderpapiere, die nur an Börsen in Staaten außerhalb des Europäi­ schen Wirtschaftsraums oder gar an keiner Börse gehandelt werden, keine vom Anwendungsbereich der Insiderregeln erfassten Insiderpapiere sind. Wäre ein Individualschutz der Anleger vom Gesetzgeber bezweckt gewesen, 192  Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor § 12 WpHG Rn. 14; ebenso Grunewald, ZBB 1990, 128 (129). 193  So spricht z. B. die Richtlinie 80 / 390 / EWG des Rates vom 17.  März 1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist (ABl. EG Nr. L 100 v. 17.4.1980, S. 1), im zweiten Erwägungsgrund der Präambel von „Schutzbestimmungen“ … „im Interesse gegenwärtiger und potentieller Anleger“. Auch die Richtlinie 89 / 298 / EWG des Rates vom 17.  April 1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Fall öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist (ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8), spricht im zweiten Erwägungsgrund der Präambel vom „Schutz der Anleger“. 194  Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor § 12 WpHG Rn. 15. 195  Begr. RegE. AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 26.



II. Schutzzweck der insiderrechtlichen Regelungen63

so wären auch solche Wertpapiere in den Schutzbereich des Gesetzes einbezogen worden.196 Doch auch wenn der Anlegerschutz kein unmittelbarer Schutzzweck des Insiderrechts ist, heißt dies nicht, dass dieses generell keine Schutzwirkungen zugunsten der Anleger entfalten kann. Da die Funktionsfähigkeit des Markts vom Anlegervertrauen abhängt, schützen die Insiderregeln, indem sie den reibungslosen Ablauf der Wertpapiertransaktionen gewährleisten und somit die Gesamtheit aller Anleger schützen, auch die Individualinteressen des einzelnen Anlegers in Form eines Rechtsreflexes197 oder als „andere Seite derselben Medaille“198. Strikt davon zu trennen ist die Frage des individualschützenden Charakters im Rahmen eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB. Ob ein solcher bejaht werden kann, ist für jede Vorschrift des Wertpapierhandelsgesetzes gesondert durch Auslegung zu bestimmen.199 Neben dem Funktionenschutz der Kapitalmärkte und dem damit verbundenen Schutz der Gesamtheit der Anleger hat das Insiderrecht keine weiteren speziellen Schutzzwecke. So wird insbesondere der Emittent nicht geschützt, da er in der Regel auch durch Insidergeschäfte nicht geschädigt wird.200 Vielmehr wird der Emittent schon von der Insiderrichtlinie selbst als Insider behandelt und in dieser Stellung verschiedenen Verhaltenspflichten, insbesondere der Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht nach Art.  6 der Marktmissbrauchsrichtlinie unterworfen.201 Diese entfällt nur, wenn wichtige Interessen des Emittenten mit der Pflicht zur Veröffentlichung kollidieren. Schließlich ist auch der Schutz der Insider nicht im Interesse der Richtlinie. Dies ist schon daran zu erkennen, dass die Richtlinie mit vielen unbestimmten Rechtsbegriffen agiert und dies, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den nationalen Ausführungsgesetzen strafrechtliche Sanktionierungen zu finden sind, zu erheblicher Rechtsunsicherheit und daher viel Kritik geführt hat.202

196  Caspari,

ZGR 1994, 530 (533 f.). NZG 2005, 98 (98) unter Bezug auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks.12 / 7918, S. 100; Rothenhöfer, in: Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.459; Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 10. 198  Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 6. 199  Dazu siehe unten Kapitel C., I.2.c). 200  Caspari, ZGR 1994, 530 (533). 201  Hausmaninger, Insider Trading, S. 153. 202  Hausmaninger, Insider Trading, S. 153 f. 197  Caspari,

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

2. China In China stellt sich die Situation im Hinblick auf den Schutzzweck der insiderrechtlichen Regelungen ähnlich dar. § 1 WpG macht deutlich, dass das Gesetz der Standardisierung der Ausgabe von und des Handels mit Wertpapieren, dem Schutz der legitimen Rechte und Interessen der Anleger, dem Schutz der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung und den öffentlichen Interessen und dem Vorantreiben der Entwicklung der sozialistischen Marktwirtschaft dient. Nachdem China seinen Kapitalmarkt geöffnet hatte, wurde es zunehmend wichtiger, ausländische Investoren zu ermutigen, sich auf diesem Markt zu engagieren.203 Aus Sicht der chinesischen Regierung hatte und hat der chinesische Kapitalmarkt im weltweiten Vergleich nur dann eine Chance sich zu entwickeln, wenn China ein Gesetzeslage vorweisen kann, die vergleichbar mit denjenigen in anderen Industrieländern ist.204 Ausländische Investoren würden von Investitionen abgehalten, wenn China sich nicht an den internationalen Standard halten und keine faire und sichere Umgebung für Investitionen schaffen würde.205 Vor diesem Hintergrund steht der Funktionenschutz des Kapitalmarkts als Schutzzweck der Insidergesetzgebung in China an erster Stelle.206 Es ist allgemein anerkannt, dass Insider Trading aus verschiedenen Gründen schädlich für die Markteffizienz und die Fairness des Handels ist.207 Zum einen ist die Publizität von Informationen eines der Schlüsselelemente eines effizienten Kapitalmarkts.208 Diese Publizität wird jedoch andererseits im Rahmen des Insiderhandels zu Ungunsten der Anleger auf einen späteren Zeitpunkt, zu dem die Insider ihre Geschäfte bereits getätigt haben, verschoben. Dies hat eine Benachtei203  Huang,

Hui, International Securities Markets, S. 123. Hui, International Securities Markets, S. 27. 205  Huang, Hui, International Securities Markets, S. 123. 206  Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 241. Auf dem chinesischen Ka­ pitalmarkt gilt das sog. 三公-Prinzip, welches folgende Bedeutung hat: Offenlegung (公开), Fairness (公平) in dem Sinne, dass alle Marktteilnehmer den gleichen Status haben, Gerechtigkeit (公正) in dem Sinne, dass alle Marktteilnehmer, insbesondere von den Aufsichtsorganen, gleich behandelt werden, vgl. auch Che, 29 Journal of Lanzhou Institute of Education 2013 (3), 145 (145). 207  Daly, 11 Am. U. J. Int’l L. & Policy 1996, 971 (973, 984), der jedoch die akademische Debatte, ob Insiderhandel schädliche Auswirkungen auf einen effizienten Markt hat, nicht auf den chinesischen Kapitalmarkt übertragen will, da er diesen in Bezug auf den Informationsfluss per se als ineffizient bezeichnet. In einem solchen ineffizienten Markt sei Insiderhandel deshalb schädlich, weil es Insidern ermöglicht wird, von der informationellen Ineffizienz zu profitieren und weil es Insider zudem davon abhält, erhebliche Informationen offenzulegen. 208  Zheng, Shunyan, Rechtliche Beweismittel bei unrechtmäßigem Verhalten auf dem Wertpapiermarkt, S. 14. 204  Huang,



II. Schutzzweck der insiderrechtlichen Regelungen65

ligung der allgemeinen Anleger und damit eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit in Bezug auf den Zugang zu Informationen zur Folge.209 Aus dem eben beschriebenen verzögerten Informationsfluss resultiert zudem ein Misstrauen der Anleger, da sie stets fürchten müssen, Einbußen bei ihren Investitionserträgen hinnehmen zu müssen und so das Vertrauen in den Kapitalmarkt verlieren.210 Wie im deutschen steht im chinesischen Insiderrecht der Schutz des individuellen Anlegers nicht als gleichwertiger Schutzzweck neben dem Funktionenschutz des Kapitalmarkts. Der Schutz der Individualinteressen der Anleger wird vielmehr indirekt im Rahmen des Funktionenschutzes erreicht.211 3. Stellungnahme Sowohl der deutsche als auch der chinesische Gesetzgeber haben sich im Hinblick auf den Schutzzweck des Insiderhandelsverbots primär auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts konzentriert. In Deutschland wird dies bereits durch die Lektüre sowohl der Marktmissbrauchsrichtlinie als auch der Gesetzesbegründung zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz deutlich, die beide den Funktionenschutz des Kapitalmarkts in den Vordergrund stellen. Für diese Herangehensweise spricht auch die Tatsache, dass weder der europäische noch der chinesische Gesetzgeber sich an den im US-amerikanischen Raum vertretenen Theorien zum Insiderhandelsverbot orientiert, sondern eben ein ganz anderes, marktfunktionales Konzept gewählt haben. Insbesondere die hinter der sog. Treuepflichttheorie (fiduciary duty theory) und der heute vertretenen Veruntreuungstheorie (misappropriation theory) stehende Anknüpfung an die Verletzung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten ist eindeutig nicht gewollt und schlägt sich insofern auch nicht in den jeweiligen gesetzlichen Regelungen nieder. 209  Zheng, Shunyan, Rechtliche Beweismittel bei unrechtmäßigem Verhalten auf dem Wertpapiermarkt, S. 14; Chen, Xiao, Diskussion über die Rechtsvorschriften, 87 (90 f.). 210  Yu, Ping, Hebei Law Science, 2010 (2), 188 (188). 211  Vgl. Zhu, Lijun, Journal of Fujian Jiangxia University 2012 (2), 60 (62); Yang, Liang, Theorie des Insiderhandels, S. 346; Chen, Jie, Schadensersatz bei strafbarem Wertpapierbetrug, S. 165; Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, 2004, S. 241, der von einem Rechtsreflex spricht; anders Qu, 10 Pac. Rim L. & Pol’y J. 2001, 327 (334), der meint, laut Ansicht des Finanz- und Wirtschaftskomitees des Nationalen Volkskongresses sei der „direkteste“ Zweck der Wertpapierregulation der Schutz der Interessen der Anleger; a. A. Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 414, der die Sicherung der Fairness und den Schutz der Anleger gleichsetzt.

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B. Regelungsnotwendigkeit und Schutzzweck des Insiderrechts

Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass das Insiderrecht zumindest mittelbar dem Schutz der Individualinteressen des Anlegers dient, auch wenn dieser Individualschutz kein Selbstzweck ist. Wie sich gezeigt hat, bedingen der Funktionenschutz sowie der Anlegerschutz und die in diesem mit inbegriffene Sicherung des Anlegervertrauens sich gegenseitig. Der Fokus wird jedoch bei jeder Maßnahme zum Schutze der Effektivität der Kapitalmärkte auf dem Funktionenschutz liegen und gerade nicht auf dem Schutz der Anleger, da nur der Funktionenschutz den Charakter eines Selbstzwecks hat.

C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte Wie in Kapitel A. beschrieben, haben sich sowohl der deutsche als auch der chinesische Gesetzgeber dazu entschieden, ein gesetzliches Insiderhandelsverbot sowie verschiedene Maßnahmen einzuführen, durch die Insiderhandel bereits präventiv bekämpft werden soll. Die Ausgestaltung des jeweiligen Verbotstatbestands sowie der präventiven Maßnahmen in Deutschland und China sind Gegenstand der nun folgenden Darstellung.

I. Insiderrecht in Deutschland In Deutschland ist es grundsätzlich jeder Person, die im Besitz einer Insiderinformation ist, verboten, unter Verwendung dieser Insiderinformation mit Insiderpapieren zu handeln, einem Dritten eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen oder es einem Dritten auf der Basis einer Insiderinformation zu empfehlen, mit den entsprechenden Insiderpapieren zu handeln oder diesen dazu zu verleiten. Ein Verstoß gegen dieses Verbot hat strafrechtliche bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen. Um den Zeitraum, in dem ein solches illegales Verhalten überhaupt möglich ist, möglichst kurz zu halten, hat der Gesetzgeber als Präventivmaßnahme die sog. Ad-hoc-Publizitätspflicht eingeführt, die einen Emittenten verpflichtet, Insiderinformationen zu veröffentlichen und ihnen dadurch, dass sie nun einem breiteren Anlegerpublikum zugänglich sind, den Charakter der Insiderinformation zu nehmen. Zudem wurden flankierende Maßnahmen eingeführt, die z. B. bestimmte Personen verpflichten, die von ihnen getätigten Wertpapiergeschäfte zu melden und die Unternehmen verpflichten, Verzeichnisse der Personen zu führen, die Zugang zu Insiderinformationen haben. Diese sollen potentiellen Insidern vor Augen führen, dass es ein Insiderhandelsverbot gibt und welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen dieses haben kann. Diese Instrumente, die Insiderhandel auf präventiver Ebene bekämpfen und bei der Durchsetzung des Insiderhandelsverbots unterstützen sollen, werden am Ende dieses Abschnitts genauer erläutert. Darüber hinaus soll schließlich kurz auf die Meldepflicht eingegangen werden, die Institutionen auferlegt wird, die berufsmäßig mit dem Wertpapierhandel beschäftigt sind. Diese ist das effektivste Instrument der BaFin bei der Verfolgung strafbarer Insidergeschäfte.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Das deutsche Insiderrecht ist grundlegend – nach Maßgabe der auf europäischer Ebene gegebenen Rahmengesetzgebung in Form der Marktmissbrauchsrichtlinie – im Wertpapierhandelsgesetz niedergelegt. Der eigentliche Verbotstatbestand befindet sich in § 14 WpHG. Die strafrechtlichen bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diesen Verbotstatbestand sind in den als Blankettnormen ausgestalteten §§ 38 und 39 WpHG geregelt. 1. Der Verbotstatbestand des Wertpapierhandelsgesetzes Dem Missbrauch von Insiderinformationen beugt der deutsche Gesetzgeber durch ein in § 14 Abs. 1 WpHG normiertes umfassendes Verbot von Insidergeschäften vor, das die Kernvorschrift des deutschen Insiderrechts darstellt. Es umfasst insgesamt drei Handlungsalternativen: (1) den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren unter Verwendung einer Insiderinformation; (2) die Weitergabe einer Insiderinformation; (3) die Empfehlung an einen Dritten oder Verleitung eines Dritten zum Handel mit Insiderpapieren aufgrund einer Insiderinformation. Jegliche Art verbotenen Handelns steht also im Zusammenhang mit dem Begriff des Insiderpapiers und / oder der Insiderinformation, so dass diese beiden Begriffe zunächst eine genauere Beleuchtung erfahren sollen, bevor im Anschluss eine Darstellung des durch § 14 Abs. 1 WpHG verbotenen Handelns erfolgt. Der Begriff des Insiders hingegen, d. h. der Person, die eine der oben genannten Handlungen des Verbotstatbestands verwirklicht, ist nicht Bestandteil des insiderrechtlichen Verbotstatbestands, weil sich dieses auf jede Person bezieht, die im Besitz einer Insiderinformation ist. Auf die Stellung der handelnden Person kommt es erst im Rahmen der strafrechtlichen Rechtsfolgen an. Dort wird unterschieden zwischen Primärinsidern, d. h. Personen, die aufgrund ihrer Position beim Emittenten bzw. ihrer Tätigkeit oder aufgrund einer Straftat Zugang zu Insiderinformationen haben und Sekundärinsidern, d. h. Personen, die auf andere Weise Kenntnis von einer Insiderinformation erlangen. Eine genauere Erläuterung des Begriffs des Insiders erfolgt im Zuge der Rechtsfolgenanalyse. a) Die Insiderpapiere Der Verbotstatbestand des § 14 Abs. 1 WpHG untersagt den Handel mit Insiderpapieren. Damit greift er auf einen Begriff zurück, der in einer separaten Vorschrift, dem § 12 WpHG, geregelt ist. Grundsätzlich sind Insiderpapiere gem. § 12 WpHG Finanzinstrumente, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen, in den regulierten Markt oder Freiverkehr einbezogen oder in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat zum Han-



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del an einem organisierten Markt zugelassen sind; des Weiteren umfasst sind auch Derivate, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von einem der soeben genannten Finanzinstrumente abhängt. Der Begriff der Insiderpapiere wird schließlich auch auf solche Finanzinstrumente ausgeweitet, für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder Einbeziehung in den regulierten Markt oder Freiverkehr gestellt oder öffentlich angekündigt ist. aa) Erfasste Finanzinstrumente Mit dem Begriff der Finanzinstrumente nimmt § 12 WpHG wiederum Bezug auf § 2 Abs. 2b WpHG, der eine Definition dieses Begriffs enthält. Gemäß § 2 Abs. 2b WpHG gibt es vier Kategorien von Finanzinstrumenten: Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren. Wertpapiere sind gem. § 2 Abs. 1 WpHG alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten212, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind, d. h. sie müssen standardisiert und fungibel sein.213 Dies gilt auch dann, wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind. Das WpHG fordert eine Handelbarkeit auf den Finanzmärkten. Das verdeutlicht, dass auch Papiere gesetzlich erfasst sind, die außerbörslich gehandelt werden (sog. over-the-counter bzw. OTC) und nicht an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG oder an einem geregelten Markt im Sinne des Art. 14 Nr. 14 Finanzmarktrichtlinie.214 Als Beispiele für Wertpapiere werden Aktien, Aktien vergleichbare Anteile an in- oder ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen215 sowie Zertifikate, die Aktien vertreten, genannt, wie z. B. American Depositary Receipts (ADRs), die deutschen Emittenten den Zugang zum US-Kapitalmarkt erleichtern216. Darüber hinaus fallen auch Schuldtitel, insbesondere Genussscheine, Inhaber- und Oderschuldverschreibungen sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten, und darüber hinaus 212  Z. B.

S. 54.

Bargeld und Schecks, vgl. Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16 / 4028,

213  Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16 / 4028, S. 54; Roth, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts § 10 Rn. 16; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 10.6. 214  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 2 Rn. 8; Kumpan, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 WpHG Rn. 9. 215  Vgl. zur Diskussion, ob geschlossene Fonds (closed-end funds) unter den Wertpapierbergriff fallen Zimmer / Cloppenburg, ZHR 171 (2007), 519 (546 ff. m.w.N). 216  Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 2 Rn. 21.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, wie z. B. Optionsscheine217, unter den Wertpapierbegriff. Schließlich benennt § 2 Abs. 1 S. 2 WpHG Anteile an Investmentvermögen als Wertpapiere, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden. Die zweite Gruppe der Finanzinstrumente sind die Geldmarktinstrumente im Sinne des § 2 Abs. 1a WpHG. Dies sind, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, alle Gattungen von Forderungen, die nicht unter Absatz 1 fallen und die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden. Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1a WpHG ist in der Praxis sehr eingeschränkt, da es sich bei den meisten der am Geldmarkt gehandelten Instrumente bereits um Schuldverschreibungen handelt und diese unter § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG fallen.218 Unter den Begriff der Geldmarktinstrumente des § 2 Abs. 1a WpHG dürften somit unter anderem nur kurzfristige Schuldscheindarlehen oder Schatzwechsel fallen, da z. B. Termin- und Tagesgelder sowie kurzfristige Sparbriefe die allgemeine Anforderung der Handelbarkeit nicht erfüllen und nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind.219 Zu den Finanzinstrumenten des WpHG zählen auch die Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 WpHG. Den Derivaten ist gemeinsam, dass allen ein Basiswert zugrunde liegt (sog. Underlying) und darüber hinaus Leistung und Gegenleistung nicht bei Vertragsschluss oder unmittelbar danach, sondern auf einen zukünftigen Zeitpunkt vereinbart werden.220 § 2 Abs. 2WpHG nennt Termingeschäfte bzw. Optionen, deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar von einem bestimmten Basiswert ableitet. Zudem fallen unten den Begriff der Derivate auch finanzielle Differenzgeschäfte (sog. contracts for difference), Kreditderivate und Termingeschäfte, die sich auf die in Art. 39 Finanzmarktrichtlinie-Verordnung genannten Basiswerte221 beziehen. Das Gesetz schweigt zu der Frage, ob Derivate verbrieft sein müssen oder nicht. Allerdings ist die Verbriefung zum einen kein von § 2 Abs. 2 WpHG erfasstes Merkmal, zum anderen kann eine Verbriefung nicht Voraussetzung für Derivate sein, wenn dieses Erfordernis schon für Wertpapiere entfällt.222 217  Begr.

RegE FRUG, BT-Drucks. 16 / 4028, S. 54. in: Assmann / Schneider, WpHG, § 2 Rn. 37; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 2 WpHG Rn. 4. 219  Zimmer / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 12 WpHG Rn. 6; Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 2 Rn. 38; Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rn. 17. 220  Statt vieler Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 2 Rn. 44 f. 221  Z. B. auf die Telekommunikationsbreite, die Lagerkapazität für Waren oder eine geologische, eine umweltbedingte oder eine sonstige physikalische Variable. 222  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 2 Rn. 45. 218  Assmann,



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Der Handel mit Derivaten kann börslich oder außerhalb einer Börse vonstatten gehen.223 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beurteilung von Wertsteigerungsrechten, insbesondere sog. phantom stocks und stock appreciation rights. Diese stellen ein Vergütungsmodell vor allem für Mitarbeiter in leitenden Positionen dar. In dessen Rahmen erhält der Teilnehmer nicht etwa ein Recht zum Bezug von Aktien; er erhält die fiktive Dividende, berechnet aus der Differenz zwischen dem beim Start des Programms festgelegten Ausübungspreis einer fiktiven Aktie und dem bei Programmablauf festgestellten Marktpreis.224 Nach überwiegender Ansicht stellen phantom stocks und stock appreciation rights keine Derivate gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG dar.225 Die hinter dieser Wertung stehenden Gründe sind darin zu sehen, dass der Preis solcher Instrumente zwar einerseits von einem handelbaren Finanzinstrument abhängt, es sich aber andererseits um Instrumente handelt, die ausschließlich das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Mitarbeiter betreffen und keine Relevanz auf dem Kapitalmarkt haben. Sie sind regelmäßig nicht übertragbar und schon aus diesem Grunde fallen sie nicht in den Schutzbereich des Insiderhandelsverbots, der gerade die Stärkung des Vertrauens der Anleger in die Kapitalmärkte durch eine starke Transparenz und Kontrolle der Unternehmen bezweckt und daher nur solche Transaktionen einbezieht, die sich auf dem Kapitalmarkt auswirken.226 Anders hingegen sind Aktienoptionen aus Mitarbeiterprogrammen zu beurteilen, die sich auf Aktien börsennotierter Gesellschaften beziehen.227 Schließich sind Finanzinstrumente auch Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren, z. B. Bezugsrechte, Optionen auf Zeichnung junger Aktien und Bezugserklärungen zur Ausübung eines Bezugsrechts oder einer Option betreffend Aktien aus einer bedingten Kapitalerhöhung.228 bb) Erfasste Märkte Die soeben beschriebenen Finanzinstrumente werden, wie bereits erwähnt, dadurch zu Insiderpapieren, dass sie eine der in § 12 WpHG genannten 223  Assmann,

in: Assmann / Schneider, WpHG, § 2 Rn. 45. WM 1999, 363 (369). 225  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.1.3, S. 29, anders noch im Entwurf des Emittentenleitfadens aus dem Jahre 2004; Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 12 WpHG Rn. 39; Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankrechtsHandbuch, § 107 Rn. 15; a. A. Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 12 Rn. 20. 226  Klasen, AG 2006, 24 (27 f.); Merkner / Sustmann, NZG 2005, 729 (730). 227  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.1.3, S. 29. 228  Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 26. 224  Casper,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Voraussetzungen erfüllen. Demnach müssen sie an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen, in den regulierten Markt oder Freiverkehr einbezogen oder in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sein. Des Weiteren einbezogen sind auch Derivate, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von einem der soeben genannten Finanzinstrumente abhängt. Nach § 12 S. 2 WpHG steht es der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt gleich, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Vom Insiderpapierbegriff des Wertpapierhandelsgesetzes werden gem. § 12 S. 1 Nr. 1 WpHG alle Finanzinstrumente erfasst, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen sind (vgl. §§ 30 Abs. 1, 49 Abs. 1 S. 1, 1. Alternative BörsG), d. h. am regulierten Markt, an Terminbörsen (z. B. Eurex Frankfurt AG, Frankfurt; European Energy Exchange AG, Leipzig) oder an Warenterminbörsen (WTB Hannover) gehandelt werden.229 In den Anwendungsbereich fallen weiterhin auch Finanzinstrumente, die in den geregelten Markt oder den Freiverkehr einbezogen wurden (§ 49 Abs. 1 S. 1, 2. Alternative, §§ 56, 57 BörsG). Die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf den Freiverkehr war in der europarechtlichen Vorgabe, in der Marktmissbrauchsrichtlinie, nicht vorgesehen.230 Der deutsche Gesetzgeber rechtfertigt diese Verschärfung mit dem Argument, dass das Anlegerpublikum den Freiverkehr als Teil der Börse sieht, also nicht zwischen den einzelnen Segmenten differenziert. Dies führt dazu, dass die Aufdeckung eines Insiderhandelstatbestands im Freiverkehr negative Auswirkungen auf die Reputation des gesamten Wertpapiermarkts hat.231 Darüber hinaus bringt der Regierungsentwurf zum Ausdruck, dass gerade im Segment des Freiverkehrs gehäuft Insiderhandel auftritt und somit eine Einbeziehung im Hinblick auf die Prävention solcher Vorfälle geboten ist.232 Sobald ein Finanz229  Assmann / Schneider, WpHG, § 12 Rn. 7; Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 15. 230  Vgl. Art. 9 der Marktmissbrauchsrichtlinie. 231  Assmann, AG 1994, 237 (245); Assmann, ZGR 1994, 494 (516 f.); Caspari, ZGR 1994, 530 (534); Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 12 Rn. 11. 232  Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174 v. 24.5.2004, S. 1, 33. Ein Problem wird von Schäfer, in: Schäfer / Hamann, § 12 WpHG Rn. 9 darin gesehen, dass im Freiverkehr nur bei der Einbeziehung von Aktien und aktienvertretenden Zertifikaten in den Entry Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse die schriftliche Zustimmung des Emittenten gegenüber dem Antragsteller zu den Einbeziehungsvoraussetzungen gehört, wohingegen ansonsten Wertpapiere auch ohne Willen des Emittenten in den geregelten Markt oder den Freiverkehr einbezogen werden können. Der Emittent ist von dieser Einbeziehung lediglich in Kenntnis zu setzen. Schäfer erachtet es als bedenklich, dass der Emittent somit gegen seinen Willen den Insiderhandelsverboten des § 14 WpHG unterliegen kann. Assmann, in: Assmann / Schneider,



I. Insiderrecht in Deutschland73

instrument zugelassen oder einbezogen ist, unterliegen alle dieses Instrument betreffenden Transaktionen dem Insiderhandelsverbot, unabhängig davon, ob sie auf einem der genannten Märkte vollzogen werden oder außerhalb dieser.233 Nicht als Insiderpapiere gelten Finanzinstrumente, die weder zugelassen noch einbezogen sind, sondern ausschließlich im Telefonhandel oder auf dem grauen Markt gehandelt werden.234 Weiter zu den Insiderpapieren zählen gem. § 12 S. 1 Nr. 2 WpHG auch Finanzinstrumente, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem anderen Vertragsstaat des EWR-Abkommens zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Nach § 2 Abs. 5 WpHG ist ein organisierter Markt ein durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, durch das der Kauf und Verkauf von zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten gefördert und die Interessen potentieller Käufer und Verkäufer zusammengebracht werden. Schließlich erfasst § 12 WpHG in seiner Nr. 3 auch Derivate, d. h. Finanz­ instrumente, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von einem der soeben beschriebenen Finanzinstrumente abhängt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Derivate selbst an einer Börse gehandelt werden.235 Diese Regelung soll Gesetzesumgehungen vorbeugen, die einen Raum für sanktionslosen Insiderhandel ermöglichen würden, indem Anleger einfach auf Instrumente ausweichen könnten, deren Preis von notierten Finanzinstrumenten abhängt.236 Die Einbeziehung auch solcher Finanzinstrumente in den Anwendungsbereich des Begriffs der Insiderpapiere, deren Zulassung noch bevorsteht, erweitert diesen und bezieht sich sowohl auf inländische als auch auf Märkte in EU-Mitgliedstaaten und EWR-Staaten. Erfasst werden soll hierdurch der Handel per Erscheinen.237 Ein Antrag auf Zulassung gilt als gestellt, wenn er der zuständigen Börse zugeht. Er gilt als öffentlich angekündigt, wenn der Emittent oder die Person, die das jeweilige Instrument anbietet, gegenWpHG, § 12 Rn. 7 setzt dem jedoch überzeugend entgegen, dass die Freiheit des Emittenten, diesen Verboten nicht zu unterliegen, wohl nicht zu seinen verfassungsrechtlich geschützten Rechten gehört. 233  Hammen, WM 2004, 1753 (1760). 234  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 12 Rn. 6; Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 12 Rn. 13; Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 12 WpHG Rn. 10; Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 12 WpHG Rn. 10; Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 15. 235  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.1.3, S. 29. 236  Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 45. 237  Begr. REgE 2. FFG, BT Drucks. 12 / 6679, S. 45 zu § 12 Abs. 1, S. 45.

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über einem unbestimmten Personenkreis erklärt, dass die Notierung der Papiere in dem zur Rede stehenden Marktsegment beabsichtigt ist.238 b) Die Insiderinformation Neben dem Begriff der Insiderpapiere kommt dem Begriff der Insiderinformation die zentrale Bedeutung im Rahmen des insiderrechtlichen Verbots­ tatbestands zu. Nur der Handel mit Insiderpapieren unter Verwendung einer Insiderinformation, nur die Weitergabe einer Information, die eine Insiderinformation darstellt und nur die Empfehlung zum Handeln aufgrund einer Insiderinformation, sind widerrechtlich. Insofern stellt der Begriff der Insiderinformation ein elementares Abgrenzungskriterium zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Verhalten dar. Nach der Legaldefinition des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentliche bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG soll das seither umstrittene Merkmal des erheblichen Beeinflussungspotentials im Hinblick auf den Börsen- oder Marktpreis näher konkretisieren, indem er auf eine Beurteilung durch den vernünftigen Anleger abstellt. Durch Satz 3 der Vorschrift erfolgt eine Einbeziehung auch zukünftiger Umstände und Satz 4 schließlich enthält Regelbeispiele für Insiderinformationen. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1 WpHG besteht somit aus vier Tatbestandsmerkmalen, die einer näheren Erörterung bedürfen: Es muss aa) eine konkrete Information über Umstände vorliegen, die bb) nicht öffentlich bekannt sind, cc) die emittenten- oder insiderpapierbezogen und dd) geeignet sind, den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. aa) Konkrete Information über Umstände (1) Konkrete Information Charakteristisches Merkmal einer Insiderinformation ist, dass es sich um eine konkrete Information handeln muss. Mit dieser Anforderung setzte der deutsche Gesetzgeber den in der Marktmissbrauchsrichtlinie niedergelegten Begriff der „Insider-Information“ um.239 238  Begr. RegE 2. FFG, BT Drucks. 12 / 6679, S. 45 zu § 12 Abs. 1, S. 45; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.1.2, S. 29; Zimmer / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 12 WpHG Rn. 10.



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In Anlehnung an Art. 1 Abs. 1 der die Marktmissbrauchsrichtlinie konkretisierenden Durchführungsrichtlinie 2003 / 124 / EG240 kann eine Information dann als konkret angesehen werden, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses241 auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt. Daraus ergeben sich zwei Merkmale, die eine Insider­ information erfüllen muss: Zum einen muss es sich um einen bereits existierenden oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretenden Umstand oder ein Ereignis handeln; zum anderen muss der Umstand bzw. das Ereignis spezifisch genug sein, um Rückschlüsse auf dessen mögliche Kursrelevanz zuzulassen. 239

(2) Gegenwärtige oder zukünftige Umstände Die Information muss sich auf gegenwärtige oder künftige Umstände beziehen. Der Begriff des Umstands erfasst alle Tatsachen, d. h. alle der äußeren Wahrnehmung zugänglichen Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Innenlebens, zum anderen aber auch überprüfbare 239  Die Marktmissbrauchsrichtlinie spricht in Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 zwar von einer „präzisen“, nicht aber von einer „konkreten“ Information, jedoch sind diese Begriffspaare laut Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 6 sowie Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn. 11 als synonym zu betrachten. Der Begriff „konkret“ bezeichnet eine Transformation des Begriffs „präzise“ in deutsches Recht. Ebenfalls unbedeutend ist die Tatsache, dass der deutsche Gesetzgeber eine „Information über Umstände“ fordert, während auf europäischer Ebene nur die Rede von „Informationen“ ist. 240  Richtlinie 2003 / 124 / EG der Kommission vom 22.  Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003 / 6 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmungen und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70 ff. 241  Der Begriff des „Ereignisses“ wurde vom deutschen Gesetzgeber nicht in die Vorschrift des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG übernommen, da bereits das 4. FFG den umfassenden Begriff der „Umstände“ in das WpHG einführte und dieser Entwicklung folgend sich die bei den Gesetzesberatungen im Finanzausschuss vertretene Auffassung, „Ereignisse“ seien vom Begriff der „Umstände“ mit umfasst, durchsetzte, vgl. Beschlussfassung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3494 v. 1.7.2004, S. 51.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Werturteile und Prognosen.242 Damit von einer Insiderinformation gesprochen werden kann, wird nach allgemeiner Ansicht ein Drittbezug verlangt. Hat eine Person also rein innere Pläne, die sich noch nicht nach außen manifestiert haben, liegt keine Insiderinformation vor.243 § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG macht deutlich, dass auch in der Zukunft liegende Umstände zu einer Insiderinformation werden können, wenn von ihrem Eintreten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann. Da­ runter fallen vor allem Pläne, Vorhaben, Absichten, Prognosen und die Äußerung von Erwartungen.244 Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Frage, was unter hinreichender Wahrscheinlichkeit zu verstehen ist. Eine Definition hält weder die Durchführungsrichtlinie 2003 / 124 / EG noch § 13 Abs. 1 WpHG bereit. Dem Emittentenleitfaden der BaFin zufolge ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich, vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die den Eintritt des Umstands als voraussehbar erscheinen lassen.245 In der Literatur wird vorgeschlagen, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dann zu bejahen, wenn ein verständiger Anleger die Information als Anreiz für eine Anlageentscheidung ansieht.246 Das OLG Stuttgart hat sich dieser Ansicht im Rahmen des DaimlerChrysler / SchremppVerfahrens angeschlossen.247 Gegenstand dieses Verfahrens, welches letztendlich sogar zu einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH führte, war die Frage, ob der Rücktritt des damaligen Vorstandsvorsitzenden der DaimlerChrysler AG Jürgen Schrempp rechtzeitig bekannt gemacht worden war. Im April 2004 war der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp bis zum Jahre 2008 verlängert worden. Bereits nach der Hauptversammlung am 6. April 2004 trug sich Jürgen Schrempp mit dem Gedanken, vor Ablauf seiner Bestellung aus seinem Amt auszuscheiden. Dies teilte er am 17. Mai 2005 dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden mit und am 1. Juni 2005 wurden zwei weitere Aufsichtsratsmitglieder über Jürgen Schrempps Pläne informiert. In der Folgezeit wurden auch der potentielle Nachfolger sowie weitere Personen von den Plänen in Kenntnis gesetzt. Erst am 28. Juli 2005 um 9.50 Uhr wurde in einer Aufsichtsratssitzung beschlossen, dass Jürgen Schrempp aus dem Amt ausscheiden und das Amt von Dieter Zetsche als 242  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.1, S. 32; Burgard, ZHR 162 (1998), 51 (63); Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (931); Pananis, WM 1997, 460 (462). 243  BGH, Urt. v. 6.11.2003 – 1 StR 24 / 03, NStZ 2004, 285; Sethe, ZBB 2006, 243 (246); a. A. Pananis, NStZ 2004, 287 ff. 244  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 27. 245  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.1.2, S. 32. 246  Bachmann, ZHR 172 (2008), 597 (605); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1902); Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 93. 247  Siehe OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2009 – 20 Kap 1 / 08, NZG 2009, 624.



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Nachfolger bekleidet werden sollte. Bereits um 10.02 Uhr wurde vorab eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung an die Börsen und die BaFin versandt. Diese wurde um 10.32 Uhr in der Meldungsdatenbank der Deutschen Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität veröffentlicht. Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Musterklageverfahrens begehren mehrere Aktionäre der Daimler Chrysler AG Schadensersatz wegen verspäteter Ad-hoc-Mitteilung. Der erste Leitsatz des Beschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart macht deutlich, dass das Eintreten eines zukünftigen Umstands nach Ansicht des Gerichts dann hinreichend wahrscheinlich ist, wenn ein verständiger, nicht spekulativ handelnder Anleger ihn auf verlässlicher Informationsgrundlage im Rahmen seiner Investitionsentscheidung berücksichtigt hätte. Umstritten ist jedoch, bei welcher Eintrittswahrscheinlichkeit der verständige Anleger handeln würde. Dem Begriff der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist zu entnehmen, dass ein geringer Wahrscheinlichkeitsgrad nicht genügt.248 Manche gehen von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit aus, wenn der Eintritt des Umstands überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. die Eintrittswahrscheinlichkeit bei über 50 % liegt.249 Die überwiegenden Stimmen in der Literatur fordern, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Ereignisses vorliegen muss, d. h. deutlich mehr als 50 %.250 Einige wenige Stimmen in der Literatur plädieren für die Einordnung der Wahrscheinlichkeit als bewegliche Größe, so dass – vergleichbar mit dem im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Anwendung findenden „probability / magnitude“-Test – die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit umso geringer sein sollen, je höher die erwartete Auswirkung des unsicheren Ereignisses auf den Kurs des Finanzinstruments ist.251 Eine Klärung dieser Streitfrage erfolgte auch nicht durch einen Beschluss des BGH aus dem Jahre 2008 im soeben erläuterten Daimler Chrysler / Schrempp-Verfahren. Zwar heißt es im zweiten Leitsatz des Beschlusses, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liege jedenfalls dann vor, wenn eine „überwiegende“ Wahrscheinlichkeit – d. h. eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 % – bestehe.252 Jedoch wird dieser Leitsatz in 248  Hilgendorf,

in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 13 WpHG Rn. 71. in: Fuchs, WpHG, § 13 Rn. 68; Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 93; ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.6.2009 – I-22 U 2 / 09, WM 2009, 1655 (1658). 250  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 25; Schwark / Kurse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 12; Veil, AG 2006, 690 (694); Widder, BB 2008, 857 (857 f.), OLG Stuttgart, NZG 2007, 352 (358). 251  Fleischer, NZG 2007, 401 (405 f.); Klöhn, NZG 2011, 166 (168 f.; 171). 252  BGH, WM 2008, 641. 249  Mennicke / Jakovou,

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den Entscheidungsgründen nur inzident vorausgesetzt, nicht aber begründet.253 Daraus schließt ein Teil der Literatur und der Rechtsprechung, dass sich aus dem Urteil keine Richtungsweisung entnehmen lässt.254 Im Rahmen des DaimlerChrysler / Schrempp-Verfahrens hat der BGH schließlich dem EuGH unter anderem die Frage vorgelegt, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie das Vorliegen einer hohen Wahrscheinlichkeit verlange.255 Der EuGH erteilt in seinem daraufhin ergangenen Urteil zum einen dem „probability / magnitude“-Test eine ganz klare Absage und nimmt zum anderen eine Konkretisierung des Begriffs der hinreichenden Wahrscheinlichkeit vor. Eine solche erfordert keine hohe Wahrscheinlichkeit, da eine solche Beschränkung die Ziele der Sicherstellung der Inte­ grität der Finanzmärkte und der Stärkung des Anlegervertrauens beeinträchtigen würde.256 Andererseits können Informationen über Umstände und Ereignisse, deren Eintritt nicht wahrscheinlich ist, nicht als präzise Information eingestuft werden.257 Aus dieser Abgrenzung nach oben und nach unten schließt der EuGH, dass im Rahmen der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf künftige Umstände und Ereignisse abgestellt werden soll, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergibt, dass tatsächlich erwartet werden kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden.258 Die Literatur schließt aus diesem Urteil, dass die schon vor dem Urteil des EuGH von vielen Stimmen in der Literatur geforderte überwiegende Wahrscheinlichkeit von 50 % oder mehr gerechtfertigt ist.259 (3) Einzelfragen Im Folgenden sollen einige ausgewählte, viel diskutierte Einzelfragen zum Begriff der Insiderinformation vorgestellt und es soll dadurch verdeut253  Vgl. Klöhn, LMK 2008, 260596; den zweiten Leitsatz als irreführend bezeichnend Widder, BB 2008, 857 (858). 254  So Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 12 Rn. 25; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2009 – 20 Kap 1 / 08, ZIP 2009, 962 (966); a. A. Weber, Martin, NJW 2009, 33 (36). 255  Vgl BGH, NZG 2011, 109. 256  EuGH, EuZW 2012, 708 (710 Rn. 46 f.). 257  EuGH, EuZW 2012, 708 (711 Rn. 48). 258  EuGH, EuZW 2012, 708 (711 Rn. 49). 259  Heider / Hirte, GWR 2012, 429; Hirte, NZG 2012, 860 (862); Kocher / Widder, BB 2012, 1820 (1821); Möllers / Seidenschwann, NJW 2012, 2762 (2763); Schall, ZIP 2012, 1282 (1288); v. Bonin / Böhmer, EuZW 2012, 694 (696); Wilsing / Goslar, DStR 2012, 1709 (1712).



I. Insiderrecht in Deutschland79

licht werden, welche Arten von Umständen einer Insiderinformation als Bezugspunkt dienen können. (a) Prognosen und Werturteile Eine Prognose kann eine konkrete Information darstellen. Zu beachten ist jedoch, dass eine Prognose zeitlich zwei Bezugspunkte hat: Die Prognose selbst findet in der Gegenwart statt, bezieht sich inhaltlich aber auf einen in der Zukunft liegenden Umstand. Allein das Wissen, dass eine Prognose existiert, kann nicht als konkrete Information bewertet werden, vielmehr muss das Eintreten des prognostizierten Umstands in der Zukunft hinreichend wahrscheinlich sein, um von einer konkreten Information sprechen zu können.260 Werturteile sowie auch Ansichten und Meinungen sind für sich gesehen nicht überprüfbar und können daher keine konkrete Information darstellen.261 Anders stellt sich die Situation jedoch dar, wenn diese einen Tat­ sachenkern haben.262 Auch wenn Prognosen und Werturteile daher rein theoretisch Insiderinformationen darstellen können, ist es praktisch kaum denkbar, dass ihnen die nötige Kursrelevanz zukommt. Eine Situation, in der diese Kursrelevanz beispielsweise jedoch gegeben sein könnte, ist die Gewinneinschätzung eines Vorstandsvorsitzenden. Dessen Urteil bzw. Einschätzung kann aufgrund seiner Stellung sehr wohl Einfluss auf den Kurs der Finanzin­ strumente haben.263 Anders zu beurteilen sind Bewertungen durch Sachverständige, d. h. durch Wirtschaftsprüfer, Wirtschaftsjournalisten oder Ratingagenturen. Solche Bewertungen enthalten zwar auch wertende Elemente, sind in der Regel aber keine reinen Wertungen, da sie sich auf umfangreiches Faktenmaterial stützen.264 Diese Beurteilung bestätigt auch § 13 Abs. 2 WpHG, der nicht nötig wäre, wenn Unternehmensbewertungen von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der Insiderinformation fielen.

260  Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 17; die Regierungsbegründung zum AnSVG spricht von „überprüfbaren“ Prognosen, vgl. Begr. BT-Drucks. 15 / 3174, S. 33; a. A. bereits das Wissen um die Existenz der Prognose genügen lassend Koch, DB 2005, 267 (268). 261  Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 13 WpHG Rn. 75. 262  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 13. 263  Koch, DB 2005, 267 (268). 264  Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 35.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

(b) Scalping Nach allgemeiner Ansicht können Pläne, Vorhaben und Absichten einer Person Gegenstand einer Insiderinformation sein, wenn die Verwirklichung der Tatsachen, auf die sie sich beziehen, hinreichend wahrscheinlich ist.265 Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Einordnung des sog. Scalping. Scalping umschreibt die Situation, dass eine Person Wertpapiere in der Absicht kauft, diese auch anderen Personen zum Kauf zu empfehlen und die Wertpapiere nach Eintritt einer Kurssteigerung, die daraus resultiert, dass aufgrund der Empfehlung vermehrt Wertpapiere gekauft wurden, gewinnbringend wieder zu verkaufen. Entgegen der zum damaligen Zeitpunkt herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur266 hat der BGH in einem Urteil aus dem Jahre 2003 der Einordnung des Scalping als Insiderhandel eine Absage erteilt und eine Strafbarkeit wegen Kurs- und Marktpreismanipulation bejaht.267 In dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall war einer der Angeklagten, Sascha Opel, Redakteur der Fachzeitschrift „Der Aktionär“ und des Börsenbriefs „Neuer Markt Inside“. Er trat überdies in einschlägigen Fernsehsendungen auf, in denen er Anlagetipps gab. Dadurch erarbeitete er sich einen Ruf als Anlagespezialist. Neben dieser Tätigkeit beriet er mehrere Aktienfonds mit Anlagevolumina in mindestens zweistelliger Millionenhöhe. Sascha Opel wusste, dass die zuständigen Abteilungen der Fonds seine Anlageempfehlungen in der Regel ohne Rückfragen und auch in Bezug auf die empfohlene zu erwerbende Stückzahl umsetzten. Der in dem Verfahren Mitangeklagte hatte die Idee, einen Aktienfonds zu gründen, um mit größeren Summen an der Börse zu spekulieren. Er und Sascha Opel kamen überein, vom Mitangeklagten eingeworbene Gelder für private Aktiengeschäfte zu verwenden und sich den Einfluss Sascha Opels auf die Anlage­ entscheidungen der von ihm beratenen Fonds zu Nutze zu machen. Der Gewinn aus den Geschäften sollte zwischen Sascha Opel, dem Mitangeklagten und den Geldgebern aufgeteilt werden. Mit dem Geld der Geldgeber erwarb Sascha Opel mehrfach Aktien, um diese anschließend den von ihm beratenen Fonds zu empfehlen, die seiner Empfehlung zeitlich unmittelbar folgten. Nach den jeweils eingetretenen Kurssteigerungen verkaufte Sascha 265  BGH,

NJW-RR 2008, 865. z. B. LG Stuttgart, Urt. v. 30.8.2002 – 6 KLs 150 Js 77452 / 00, BKR 2003, 167; LG Frankfurt a. M., Beschl. v. 9.11.1999 – 5 / 2 KLs 92 Js 23140.92 / 98 (P 2(98), NJW 2000, 301; Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (20 f.); Assmann / Cramer, in: Assmann / Schneider, WpHG, 2. Auflage, § 14 Rn. 34; für einen Überblick zum damaligen Meinungsstand siehe Vogel, NStZ 2004, 252 ff. 267  BGH, Urt. v. 6.11.2003 – 1 StR 24 / 03 (LG Stuttgart), NZG 2004, 91 (Sascha Opel). 266  Vgl.



I. Insiderrecht in Deutschland81

Opel die Aktien zeitnah, teilweise noch am selben Tag wieder und erzielte dadurch erhebliche Gewinne. Das Landgericht Stuttgart verurteilte beide Angeklagten unter anderem wegen Insiderhandels. Der BGH hat dieses Urteil insbesondere im Hinblick auf die Verurteilung wegen Insiderhandels aufgehoben. Er begründet sein Urteil damit, dass eine selbst geschaffene innere Tatsache – hier der Kauf und die anschließende Empfehlung von Aktien zum Zwecke der Kursmanipulation – keine Insiderinformation sei, weil eine Information regelmäßig einen Drittbezug aufweisen müsse. Eine Verwendung des Begriffs der Information in dem Sinne, dass eine Person sich über einen von ihr selbst gefassten Gedanken informiere, sei dem Sprachgebrauch fremd.268 Nur im Fall der Mittelung an Dritte würde die Absicht des Scalpers daher zur Insiderinformation. Weiterhin führt der BGH an, der europäische sowie der deutsche Gesetzgeber ordneten Scalping als Marktmanipulation ein. Dies ergebe sich aus dem Vorschlag für eine neue EG-Richtlinie über InsiderGeschäfte und Marktmanipulation269, in dem das Scalping eindeutig den marktmanipulativen Handlungen zugeordnet wurde. Sie wurde vom deutschen Gesetzgeber durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz270 in nationales Recht umgesetzt. Bei der Umsetzung beließ der deutsche Gesetzgeber die §§ 13 und 14 WpHG unverändert und fügte nur § 20a WpHG neu ein, der die Marktmanipulation regelt. Dieses Urteil ist in der Literatur auf Widerstand gestoßen. Der Ausschluss selbst geschaffener Tatsachen aus dem Anwendungsbereich der Insiderinformation sei weder vom europäischen noch vom deutschen Gesetzgeber gewollt. Angeführt wird Erwägungsgrund 30 der Marktmissbrauchsrichtlinie, der beim Erwerb oder der Veräußerung von Papieren davon ausgeht, dass dem notwendigerweise eine entsprechende Entscheidung der Person vorausgehen muss, die erwirbt oder veräußert. Daher will die Marktmissbrauchsrichtlinie die Tatsache dieses Erwerbs oder dieser Veräußerung als solche nicht als Verwendung von Insiderinformationen gelten lassen. Die Formulierung dieses Erwägungsgrundes deute darauf hin, dass in solchen Fällen eindeutig eine Insiderinformation vorliege, jedoch nicht von einer missbräuchlichen Verwendung dieser ausgegangen werden könne, weil es sich 268  BGH, NZG 2004, 91 (92); zustimmend Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 16. 269  Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), KOM(2001), 281 endg., verabschiedet am 30.5.2001, ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 265 ff., Anh. Abschnitt B. 270  Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl., Teil I, 2002, S. 2010 ff., in Kraft getreten am 21.6.2002.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

um eine unternehmerische Entscheidung handele und die Durchführung einer solchen gerade kein Ausnutzen einer Insiderinformation sei.271 Weiterhin spreche auch die Gesetzesbegründung des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes für diese Ansicht. Zum Pakethandel heißt es dort, dieser falle deshalb nicht unter den Insidertatbestand, weil es sich um eine selbst geschaffene Insidertatsache handele, deren Kenntnis derjenige, der diese Entscheidung getroffen habe, nicht ausnutze, wenn er seinen Plan ausführe, das Aktienpaket zur erwerben.272 Auch hier besteht also an der Einordnung dieser inneren Absicht als Insidertatsache kein Zweifel. Die Vertreter, die Scalping als Insiderhandel einordnen wollen, argumentieren zudem, die Auffassung des BGH führe zu erheblichen Strafbarkeitslücken.273 So würde der Fall, in dem ein Geschäftsführer der X-GmbH, der beschließt, der börsennotierten Y-AG einen Großauftrag zu erteilen, in der Absicht, sich vor der Auftragserteilung mit den noch niedrig notierten Wertpapieren der Y-AG einzudecken und diese nach Veröffentlichung des Großauftrags durch die Y-AG im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung gewinnbringend zu veräußern, keine Strafbarkeit des Geschäftsführer wegen Insiderhandels, aber auch nicht wegen Marktmanipulation nach sich ziehen.274 Gleiches gilt, wenn ein Vorstandsvorsitzender die Absicht hat, sein Amt niederzulegen und noch bevor er mit einem Dritten über diese Absicht spricht, Wertpapiere des Unternehmens kauft bzw. verkauft, um durch die Kursbewegung, die aufgrund der späteren Veröffentlichung seiner Absicht eintritt, bei steigendem Kurs einen Gewinn durch Wiederverkauf der Wertpapiere zu generieren oder einen Verlust zu vermeiden, falls der Kurs aufgrund seines Rücktritts sinken sollte. Würde in den soeben genannten Beispielen der Geschäftsführer oder der Vorstandsvorsitzende einem Dritten von seinem Plan erzählen, wäre nach der Ansicht des BGH für den Dritten der nötige Drittbezug der inneren Absicht hergestellt und es entstünde eine Insiderinformation. Dies wiederum würde zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, dass der Geschäftsführer bzw. der Vorstandsvorsitzende sich weiterhin nicht wegen Insiderhandels strafbar machen könnte, während der Dritte wegen Insiderhandels bestraft werden könnte, würde er aufgrund der Information mit den entsprechenden Wertpapieren handeln. In beiden Fällen wäre auch eine Bestrafung wegen Marktmanipulation ausgeschlossen, da das Verhalten des Geschäftsführers bzw. des Vorstandsvorsitzenden keine Täuschungshandlung darstellt, die geeignet ist, auf den Börsenkurs der Wertpapiere einzuwirken. Pananis, NStZ 2004, 285 (287). RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 47. 273  So z. B. Pananis, in: MüKo StGB, § 38 WpHG Rn. 39. 274  Vgl. zu diesem Beispiel Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 10. 271  So

272  Begr.



I. Insiderrecht in Deutschland83

Der EuGH hatte im Jahre 2007 einen ähnlich gelagerten Fall zu beurteilen.275 In der sog. Georgakis-Entscheidung setzte der EuGH sich mit einem Fall auseinander, in dem sich mehrere Personen entschlossen hatten, durch verabredete Geschäfte den Kurs bestimmter Wertpapiere künstlich in die Höhe zu treiben. Der EuGH urteilte, die Kenntnis vom Vorliegen einer solchen Entscheidung und ihres Inhalts stelle für diejenigen Personen, die an ihr beteiligt waren, eine Insiderinformation im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der EG-Insiderrichtlinie dar.276 Aus dieser Entscheidung wird teilweise gefolgert, der EuGH habe in Bezug auf die Bewertung des Scalping eine Richtungsänderung vorgegeben.277 In der Georgakis-Entscheidung war der Fall jedoch anders gelagert als beim Scalping, so dass die Situation nur bedingt vergleichbar ist. Der EuGH hatte nämlich über den Sonderfall zu entscheiden, dass die Entscheidung gemeinsam getroffen wurde und es daher um gemeinsame Pläne und Absichten ging. Für jede einzelne beteiligte Person gesehen erlangten diese Entscheidung bzw. die Absichten der jeweils anderen einen Drittbezug und blieben nicht wie beim Scalping eine innere, nicht nach außen tretende Tatsache des Einzelnen.278 (c) Frontrunning Im Gegensatz zum Scalping stellt das sog. Frontrunning Insiderhandel dar. Beim Frontrunning nutzen Personen – meist Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens – ihre Kenntnis von Kundenaufträgen, schließen auf dieser Basis vor Durchführung der Kundenorder Eigengeschäfte in Form von Wertpapierkäufen oder -verkäufen ab und machen sich die aufgrund der Kundenaufträge eintretenden Kursveränderungen zunutze. Dieses Phänomen soll vom Regelbeispiel des § 13 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 WpHG erfasst werden.279 In den Anwendungsbereich fallen in der Regel nur Groß275  EuGH,

kis).

276  EuGH,

Urt. v. 10.5.2007 – C-J039 / 04, BeckEuRS 2007, 448613 (Georga­

BeckEuRS 2007, 448613, Rn. 33. Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG § 13 Rn. 10; ders., ZHR 172 (2008), 635 (657). 278  Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 16b; Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 13 WpHG Rn. 83. 279  Str. ist, ob die Vorschrift nur Frontrunning durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen erfasst (so Claussen / Florian, AG 2005, 745 (749); Koch, DB 2005, 267 (268); Ziemons, NZG 2004, 537 (538)), nur die Angestellten von Wertpapierunternehmen (so Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn. 27; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 26) oder auch durch andere Personen (Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 71 f.; Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 96). 277  So

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

aufträge, da nur bei solchen mit einer erheblichen Kursrelevanz zu rechnen ist.280 Anders als beim Scalping liegt in diesen Fällen ein Drittbezug vor, da der Frontrunner die Information ausnutzt, die er in Bezug auf die Aufträge seiner Kunden hat. Die Entscheidung des BGH und der darin geforderte Drittbezug der Information wirken sich jedoch auch in diesem Bereich aus und führen zu Situationen, die nicht vom insiderrechtlichen Verbotstatbestand erfasst sind. Wenn z. B. ein Investmentfondsmanager, der alleine für den Fonds verantwortlich ist, beschließt, Aktien einer bestimmten börsennotierten Gesellschaft für den Fonds zu kaufen und auf Basis dieser Absicht eine Anzahl dieser Aktien zunächst für sich selbst erwirbt und anschließend die Order für den Fonds tätigt, nutzt dieser eine lnformation über einen lediglich inneren Umstand, nämlich seine Absicht für den Fonds zu disponieren.281 Dem Fondsmanager kann mangels öffentlicher Empfehlungen wie beim Scalping keine Marktmanipulation vorgeworfen werden. Auch unter den Tatbestand des Frontrunning gem. § 13 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 WpHG kann man sein Verhalten nicht fassen, da kein Auftrag einer anderen Person vorliegt. Im Vergleich zum Scalping ist jedoch zu beachten, dass die Verwirklichung der inneren Absicht des Fondsmanagers gesichert ist, während der Scalper nur, wenn auch aufgrund von Erfahrungswerten, hoffen kann, dass seinen Empfehlungen gefolgt wird. Zudem ergibt sich auch hier wiederum die nicht zu rechtfertigende Situation, dass ein Dritter, der von der Absicht des Fondsmanagers, bestimmte Aktien für den Fonds zu ordern, erfährt und daraufhin diese Aktien kauft, sich wegen Insiderhandels strafbar machen würde, der Fondsmanager jedoch unbestraft bleibt. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH könnte man diese innere Absicht als konkrete Information klassifizieren und damit einen Insiderhandel nur dann bejahen, wenn man einen Drittbezug deshalb annimmt, weil der Fondsmanager eine Entscheidung über Dispositionen in Bezug auf fremdes Vermögen, nämlich das des Fonds, trifft und nicht über sein eigenes.282 Vom Tatbestand des Frontrunning erfasst wird jedoch die Situation, in der sich jemand an die Wertpapiergeschäfte eines Dritten anhängt, weil er auf der Basis konkreter Umstände den Schluss zieht, dieser handele aufgrund von Insiderinformationen. Allerdings muss hinsichtlich der Insiderstellung 280  Schwintek,

(540).

Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 23; Caspari, ZGR 1994, 530

281  Mit demselben Beispiel Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn. 20. 282  Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn. 20; die Annahme von Insiderhandel ablehnend Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 32.



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des Dritten Gewissheit herrschen. Eine bloße Vermutung genügt nicht, da sie keine konkrete Information darstellt.283 Schließlich kann unter das Regelbeispiel auch das Tätigwerden eines Kreditinstituts gefasst werden, das in Kenntnis einer limitierten Kundenorder durch ein gezieltes Gegengeschäft das Limit der Order abschöpft.284 (d) Gerüchte Die Qualifikation von Gerüchten ist umstritten. Zwar können diese konkrete überprüfbare Aussagen und damit Tatsachen zum Gegenstand haben, jedoch sind sie aufgrund des stets mit ihnen verbundenen Zweifels an ihrem Wahrheitsgehalt nur als vage, keinesfalls aber als konkret zu bezeichnen.285 Aus diesem Grunde lehnt die herrschende Lehre die Einordnung von Gerüchten als konkrete Information ab.286 Die BaFin will jedoch mit einem Teil der Literatur Gerüchte dann als konkrete Information ansehen, wenn das Gerücht einen Tatsachenkern enthält.287 Die Frage, ob die Information präzise und wahr ist und ob sie aus einer zuverlässigen Quelle stammt, erlangt erst im Rahmen der Prüfung des Kursbeeinflussungspotentials Bedeutung.288 Selbst wenn man Gerüchte in bestimmten Fällen als konkrete Informationen qualifizieren möchte, wird in der Praxis die Glaubwürdigkeit eines Gerüchts meist so gering sein, dass es im Verkehr nicht als konkrete Information akzeptiert wird, da Gerüchte oft offen spekulativ und deshalb vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck des Insiderrechts insiderrechtlich nicht relevant sind.289 Zudem ist zu fragen, ob das Gerücht nicht bereits öffentlich bekannt ist und damit keine taugliche Insiderinformation mehr darstellen kann.290

283  Sethe,

in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 53. Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.5, S. 35. 285  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 17. 286  Bürgers, BKR 2004, 424 (425 Fn. 11); Cahn, Der Konzern 2005, 5 (7); Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (930); Möllers, WM 2005, 1393 (1394); Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 19 f.; siehe auch Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 34. 287  So schon zur alten Rechtslage Hess. VGH, AG 1998, 436; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.1.2, S. 31; Claussen / Florian, AG 2005, 745 (749); Merkner / Sustmann, NZG 2005, 729 (731). 288  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.1.2, S. 31; ebenso Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 21. 289  Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 13 WpHG Rn. 79. 290  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 18. 284  BaFin,

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(e) Unrichtige Informationen Eine konkrete Information liegt nach herrschender Ansicht auch dann vor, wenn eine solche Information mitgeteilt wurde und sie sich erst im Nachhi­nein als unwahr erweist.291 Entscheidend ist allein, ob die Information bei ihrer Veröffentlichung als zutreffend bewertet worden und in der Lage gewesen wäre, den Kurs des entsprechenden Wertpapiers erheblich zu beeinflussen.292 Nicht verwechselt werden darf die soeben geschilderte Situation mit dem Fall, dass eine Person von der Unrichtigkeit einer bereits veröffentlichten Information weiß, wie z. B. den Umsatzzahlen eines Unternehmens. In solchen Fällen kann ohne Zweifel eine Insiderinformation vorliegen. Das Landgericht München hatte im Jahre 2002 über einen solchen Fall zu entscheiden293: Der Angeklagte, der damalige Vorstandsvorsitzende der Comroad AG, manipulierte zwischen 1998 und 2002 durch überhöhte Umsatzmitteilungen den Börsenkurs der Aktien der Comroad AG und nutze den dadurch erheblich angestiegenen Börsenkurs, um eigene Aktien gewinnbringend zu veräußern. Die Ehefrau des Angeklagten nutzte ihre Kenntnis von den falschen Umsatzmitteilungen ebenfalls zu Aktienverkäufen. Beide Angeklagten generierten durch ihre Verkäufe Gewinne in mehrfacher Millionenhöhe. Das Landgericht München verurteilte beide Angeklagten unter anderem wegen Insiderhandels. Als Insiderinformation wertete das Gericht das Wissen der Angeklagten darum, dass die Umsätze der Comroad AG fingiert waren und dadurch die Kursentwicklung der Aktien zum einen hochgetrieben und zum anderen mit einem zusätzlichen enormen Risikofaktor behaftet waren.294 (f) Mehrstufige Entscheidungsprozesse Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen auch sog. mehrstufige Entscheidungsvorgänge. Dieser Begriff betrifft die meisten wirtschaftlichen Vorgän291  Mennicke / Jakovou, in: Fuchs, WpHG, § 13 WpHG Rn. 35; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 25; Pananis, in: MüKo StGB, § 38 WpHG Rn. 37; a. A. Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 13 WpHG Rn. 89, der diese Art von Informationen als Fehlinformationen ansieht, die nicht unter den Begriff der Information fallen und deren Einbeziehung somit einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot darstellen würde. 292  Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 25. 293  LG München I, Urt. v. 21.11.2001 – 6 KLs 305 Js 34066 / 02, NStZ 2004, 291 (Comroad). 294  Vgl. LG München I, NStZ 2004, 291 (292).



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ge in einem Unternehmen und beschreibt Vorhaben, die in einzelnen Schritten vollzogen werden, weil die Umsetzung des Vorhabens von der Beteiligung verschiedener Personen innerhalb sowie außerhalb des Unternehmens abhängt und während des Durchsetzungsprozesses stets die Möglichkeit besteht, dass das Vorhaben scheitert. Die wenigsten wichtigen Entscheidungsprozesse in einem Unternehmen laufen nur auf einer Ebene ab, vielmehr ist die stufenweise Entwicklung wichtiger Entscheidungen und Vorhaben der Normalfall. Als Beispiele für mehrstufige Entscheidungsprozesse werden in der Literatur stets solche Sachverhalte genannt, bei denen die Mehrstufigkeit ganz offensichtlich auf der Hand liegt, wie z. B. Übernahmen, Verschmelzungen, Eingliederungen oder Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Brisanz hat dies in Deutschland insbesondere aufgrund des bereits erwähnten DaimlerChrysler / Schrempp-Verfahrens erlangt, das bis zum BGH und schließlich auch zum EuGH ging, der jüngst eine wegweisende Entscheidung zum Begriff der Insiderinformation erlassen hat. In den oben genannten Fällen stellt sich die Frage, ob eine Vorstufe der Vollendung solcher unternehmerischer Vorhaben bereits eine konkrete Information darstellt – insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Vorhaben noch im letzten Schritt scheitern kann. Nach der Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und die damit einhergehende Ersetzung des Begriffs der „Insidertatsache“ durch den Begriff der „Insiderinformation“ in § 13 Abs. 1 WpHG steht mittlerweile, vor allem aufgrund des § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG, außer Frage, dass jede Stufe auf dem Weg zum angestrebten Erfolg eine Insiderinformation darstellen kann. Umstritten war jedoch, ob im Rahmen dessen auf den Eintritt des Endziels abzustellen ist. Einige Stimmen wollten nur auf das Kursbeeinflussungspotential abstellen, ohne Rücksicht auf die Eintrittswahrscheinlichkeit des Endziels.295 Die zu dieser Frage als herrschend verstandene Ansicht argumentiert jedoch, die Verwirklichung eines Zwischenziels könne erst dann eine Insiderinformation darstellen, wenn dadurch der Eintritt des Endereignisses hinreichend wahrscheinlich wird und das Endereignis erhebliches Kursbeeinflussungspotential hat.296 Genau wie 295  Langenbucher, BKR 2012, 145 (146); Mennicke / Jakovou, in: Fuchs, WpHG, § 13 Rn. 72; Mennicke, NZG 2009, 1059 (1060); Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 15 f.; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.2.2009 – Ss-Owi 514 / 08, NJW 2009, 1520 (1521). 296  Vgl. Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 28; ebenso; Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 37; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 10a; so auch OLG Stuttgart, NZG 2009, 624 (627) im Anschluss an BGH, ZIP 2008, 639 (641), die damit § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG als lex specialis zu § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG einordnen; ähnlich Simon, Der Konzern 2005, 13 (15 f.),

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bei der bereits erörterten Frage der Beurteilung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Umstands, sah sich der BGH auch hier gezwungen, dem EuGH – ebenfalls im Rahmen des DaimlerChrysler / SchremppVerfahrens – die Frage vorzulegen, ob bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem über mehrere Zwischenschritte ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, nur darauf abzustellen ist, ob dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis als präzise Information anzusehen ist und demgemäß zu prüfen ist, ob man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis eintreten wird, oder ob bei einem solchen zeitlich gestreckten Vorgang auch Zwischenschritte, die bereits existieren oder eingetreten sind und die mit der Verwirklichung des künftigen Umstands oder Ereignisses verknüpft sind, präzise Informationen sein können.297 Der EuGH bestätigt in seinem Urteil zunächst die in Deutschland teilweise vertretene Ansicht, dass Zwischenschritte präzise Information im Sinne der Marktmissbrauchsrichtlinie bzw. konkrete Informationen im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 2 und 3 WpHG darstellen können, ohne dass es auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Endergebnisses ankommt.298 Die Einstufung einer Information als konkret erfordert aber zudem, dass die Information spezifisch genug ist, d. h. dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung der fraglichen Reihe von Umständen oder des fraglichen Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten zulässt.299 Über diese Aussagen hi­naus stellt der EuGH fest, dass nicht nur bereits existierende oder eingetretene Zwischenschritte eine konkrete Information darstellen können, sondern auch solche Zwischenschritte, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden.300 Damit geht der EuGH deutlich über die vom BGH vorgelegte Frage hinaus, die sich nur auf existierende oder eingetretene Zwischenschritte bezog. Der EuGH entkoppelt durch sein Urteil die Zwischenschritte eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses vom Endergebnis, so dass der Begriff des Zwischenschritts in Zukunft keine Relevanz mehr bei der Bestimmung einer Insiderinformation haben wird.301 Es kommt fortan auf jeden einzelnen Umstand bzw. jedes einzelne Ereignis eines solchen gestreckten Sachverhalts an. Deren Kursrelevanz muss einzeln geprüft werden. Ferner muss, wenn der Umstand noch nicht existiert oder das Ereignis noch nicht eingetreten ist, die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Existenz oder des Eintretens, und erst wenn dies bejaht wird, die Kursrelevanz geprüft werden. 297  Vgl.

BGH, Beschl. v. 22.11.2010. II ZB 7 / 09, NZG 2011, 109 ff. EuZW 2012, 708 (709 f. Rn. 31 ff.). 299  EuGH, EuZW 2012, 708 (709 f. Rn. 29 und 39). 300  EuGH, EuZW 2012, 708 (710 Rn. 38). 301  Hitzer, NZG 2012, 860 (861); ebenso Heider / Hirte, GWR 2012, 429. 298  EuGH,



I. Insiderrecht in Deutschland89

bb) Nicht öffentlich bekannte Information Das zweite und wohl auch wichtigste charakteristische Merkmal einer Insiderinformation ist ihre Nichtöffentlichkeit. Eine Information ist nur dann eine Insiderinformation, wenn sie nicht öffentlich bekannt ist. Dabei ist unerheblich, ob die unveröffentlichte Information den Charakter eines Geheimnisses hat oder eine vertrauliche Information darstellt. Unerheblich ist auch, wer die Information bekannt gemacht hat.302 Öffentlich bekannt ist eine Information, wenn eine unbestimmte Anzahl von Personen davon Kenntnis nehmen kann. Nicht öffentlich bekannt ist eine solche hingegen, wenn sie nur einem bestimmten Personenkreis bekannt gemacht wird.303 Zunächst wurden verschiedene Ansätze zum Begriff der öffentlich bekannten Information diskutiert. Es wurde sowohl vertreten, eine Information könne nur bei einer Verbreitung über Massenmedien als öffentlich bekannt anzusehen sein304 als auch für die Einführung einer Anpassungsfrist in dem Sinne plädiert, dass die Information erst eine bestimmte Zeit nach ihrer Veröffentlichung als veröffentlicht angesehen werden kann.305 Den Vorzug erlangte jedoch schließlich die Idee der sog. Bereichsöffentlichkeit. Demnach ist eine Information bereits dann öffentlich bekannt, wenn eine unbestimmte Anzahl von Personen aus dem Kreis der Marktteilnehmer von ihr Kenntnis nehmen kann.306 Dieses Konzept der Bereichsöffentlichkeit ist auf Kritik gestoßen, weil behauptet wird, es werde dem Schutz des Anlegervertrauens nicht gerecht. Eine Chancengleichheit bei der Informationserlangung könne nur erreicht werden, wenn eine Verbreitung über Massenmedien vorgenommen würde, um die breite Öffentlichkeit aufmerksam zu machen.307 Es gibt jedoch fundierte Argumente, die für den Vorzug der Bereichsöffentlichkeit sprechen. Zum einen bedeutet jeder Versuch, das breite Anlegerpublikum zu erreichen eine Verzögerung der Veröffentlichung und bietet somit Raum für potentielle Insidergeschäfte.308 Zum anderen ist aufgrund des Informationszugangs über das Internet das Informationsgefälle 302  Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 46; Assmann, AG 1994, 237 (241); Hopt, ZGR 1991, 17 (29); Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 26. 303  Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 46. 304  Siebold, Das neue Insiderrecht, S. 107. 305  So z. B. Hopt, ZGR 1991, 17 (30). 306  Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 46; ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.2, S. 32, wobei ihre Ausführungen widersprüchlich sind, indem sie einerseits auf das „breite Anlegerpublikum“ abstellt, andererseits aber den Begriff der „Bereichsöffentlichkeit“ gebraucht. 307  Weber, Martin, NZG 2000, 113 (119 Fn. 74); Schwark, ZBB 1996, 261 (263). 308  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 35.

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zwischen den über elektronische Finanzinformationssysteme informierten, professionellen Marktteilnehmern und Privatanlegern, die keinen Zugriff auf diese Systeme haben, marginal.309 Der entscheidende Vorteil der Bereichsöffentlichkeit ist, dass sie es ermöglicht, den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Information festzulegen und somit Rechtssicherheit zu schaffen. Auf welchem Wege der Emittent die Bereichsöffentlichkeit herstellt, z. B. durch ein allgemein zugängliches elektronisches Informationssystem oder über eine große Nachrichtenagentur wie Reuters oder DPA, ist ihm überlassen.310 Als veröffentlicht gilt die Information nicht schon mit Weitergabe an Redaktionen, Nachrichtenagenturen oder die an Betreiber von elektronischen Informationssystemen, sondern erst dann, wenn sie im jeweiligen Medium so erscheint, dass sie einer unbestimmten Anzahl von Personen zugänglich ist.311 In Bezug auf die Informationsverbreitung durch den Börsenticker wird teilweise vertreten, bereits das Absenden der Information stelle die Veröffentlichung dar.312 Andere wollen darauf abstellen, wann die Nutzer die Information tatsächlich abrufen können313. In der Praxis dürfte dies kaum Relevanz erlangen, da die Information meist wenige Sekunden nach der Einspeisung in das System von zahlreichen Marktteilnehmern zur Kenntnis genommen wird.314 Nicht ausreichend zur Veröffentlichung einer Information sind hingegen Situationen, in denen nur ein eng eingegrenzter Personenkreis die Information erhält, wie z. B. im Rahmen einer Hauptversammlung (auch wenn sie im Internet übertragen wird), einer allgemein zugänglichen Pressekonferenz315 oder bei Einstellung der Information auf die Internet-Homepage des Emittenten.316

309  Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 29; insoweit einlenkend auch Weber, Martin, NZG 2000, 113 (119 Fn. 74 a. E.). 310  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.2, S. 32. 311  Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 37. 312  So Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 38. 313  Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 13 WpHG Rn. 98; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 37. 314  Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn. 36. 315  A. A. Schneider, Sven H., NZG 2005, 702 (706), der öffentliche Pressekonferenzen als zur Veröffentlichung der Information ausreichend ansieht. 316  Sethe ZBB 2006, 243 (251); Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 25; Claussen / Florian, AG 2005, 745 (749).



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cc) Emittenten- oder Insiderpapierbezug der Information Die Definition der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG fordert neben der Konkretheit und der Nichtöffentlichkeit, dass die Information sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen muss, um als Insiderinformation qualifiziert werden zu können. (1) Direkter oder indirekter Emittenten- oder Insiderpapierbezug Der Emittenten- oder Insiderpapierbezug kann direkter und indirekter Natur sein, auch wenn dies im Gesetz nicht explizit zum Ausdruck kommt.317 Unerheblich ist die Herkunft der Information, d. h. der Ursprung der Information kann sowohl innerhalb als auch außerhalb des Tätigkeitsfeldes des Emittenten liegen.318 Ein Emittentenbezug liegt dann vor, wenn sich der Inhalt der Information auf unternehmensinterne Vorgänge bezieht, wie u. a. auf die Vermögens- und Finanzlage, die Ertragslage, den Umsatz, den Geschäftsverlauf sowie die personelle und organisatorische Struktur.319 Insiderpapierbezug ist zu bejahen, wenn eine Information vorliegt, die eine bestimmte Klasse von Wertpapieren betrifft, wie z. B. ein Urteil über die Rechte von Genussscheininhabern.320 Fraglich ist jedoch, ob Marktdaten ebenfalls unter den Begriff der Insi­ derinformation fallen können. Marktdaten sind Informationen, die keinen spezifischen Bezug zu einem Unternehmen oder Finanzinstrument haben, sondern sich vielmehr auf die Rahmenbedingen des Markts und die gesamtwirtschaftliche Situation beziehen.321 Nach allgemeiner Ansicht ist dies der Fall, wenn die entsprechenden unternehmensexternen Vorgänge geeignet sind, den Preis des Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen.322 Dabei kommt 317  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.3, S. 32; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 21; auf europäischer Ebene sieht Art. 1 Abs. 1 S. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie die Möglichkeit des direkten und indirekten Bezugs ausdrücklich vor. 318  Assmann, in: Assmann / Scheider, WpHG, § 13 Rn. 44; Assmann, AG 1994, 237 (242); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.3, S. 32 f.; Sethe, in: Assmann /  Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 42. 319  Caspari, ZGR 1994, 530 (539); Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 39; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 38. 320  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 49. 321  Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 40. 322  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.3, S. 32.

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es nicht darauf an, ob die jeweilige Marktinformation sich auf eine spezifische Gruppe von Emittenten bezieht. Auch Informationen, die sich auf den gesamten Markt beziehen, wie z. B. eine Änderung der Leitzinsen oder eine Naturkatastrophe, können eine Insiderinformation darstellen.323 (2) Praktische Relevanz des Merkmals Anknüpfend an die soeben getroffene Aussage, dass auch solche Marktinformationen, die sich auf den gesamten Markt beziehen, Insiderinformationen sein können, wenn sie das nötige Kursbeeinflussungspotential besitzen, stellt sich die Frage, ob das Merkmal des Emittenten- bzw. Insiderpapierbezugs überhaupt eine eigenständige Bedeutung im Vergleich zu den Merkmalen der Konkretheit und des Kursbeeinflussungspotentials hat. Die überwiegende Meinung in der Literatur lehnt eine solche eigenständige Bedeutung ab.324 Für diese Auslegung spricht zum einen, dass der Gesetzgeber bereits in den Materialien zur ersten Fassung des § 13 WpHG seine Erläuterungen zum Merkmal des Emittenten- oder Insiderpapierbezugs nicht eigenständig, sondern im Rahmen der Ausführungen zur Kurserheblichkeit vornahm.325 Zum anderen sieht Erwägungsgrund 16 der Marktmissbrauchsrichtlinie ein sehr weites Verständnis des Begriffs des Emittenten- oder Insiderpapierbezugs vor und will gerade eine Information, die geeignet wäre, die Kursentwicklung und Kursbildung als solche erheblich zu beeinflussen als Information betrachten, die einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere sich darauf beziehende derivative Finanzinstrumente indirekt betrifft. Dies macht deutlich, dass das Kursbeeinflussungspotential genügt, um daraus einen mittelbaren Bezug der Information abzuleiten.326 323  H. M., vgl. z. B. Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 43; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, § 13 WpHG Rn. 41; a. A. Ott / Schäfer, ZBB 1991, 226 (235); Pananis, in: MüKo, StGB, § 38 Rn. 46. 324  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 46; Hopt, ZGR 1991, 17 (31); Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG, Rn. 40; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 41; Weber, Ulf Andreas, BB 1995, 157 (163); Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 45; im Ergebnis auch Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 13 WpHG Rn. 105; a. A. Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 38, der argumentiert, das Merkmal habe eine Unterscheidungsfunktion in Bezug auf einzelne Gruppen von Insiderinformationen sowie Mennicke / Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rn. 107, der an dem Merkmal festhalten will, auch wenn diesem keine substantielle Eingrenzungsfunktion zukommt. 325  Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 46 f. 326  A. A. Pananis, in: MüKo, StGB, § 38 Rn. 46, der in einem solchen Fall das Vorliegen einer Insiderinformation verneint.



I. Insiderrecht in Deutschland93

Überdies wird dieser Ansatz auch noch durch die Regierungsbegründung zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz belegt. Dieser zufolge liegt eine mittelbare Betroffenheit des Emittenten bereits dann vor, wenn die Information den Prozess der Preisbildung und -entwicklung erheblich beeinflussen kann, auch wenn das zugrunde liegende Ereignis nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten liegt.327 Auch hier wird also vom Kursbeeinflussungspotential auf die mittelbare Betroffenheit geschlossen. Schließlich kann auch die Regelung der Ad-hoc-Publizität in § 15 WpHG als Begründungsansatz he­ rangezogen werden. Diese knüpft an den Begriff der Insiderinformation an, eine Publizitätspflicht entsteht aber nur, wenn die Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betrifft. Die Tatsache, dass hier nicht auf das Merkmal des Emittentenbezugs rekurriert wurde, bestätigt, dass diesem keine eigenständige Bedeutung zukommt.328 Insofern ist über das Vorliegen einer Insiderinformation nach der hier als vorzugswürdig erachteten Ansicht allein anhand der Merkmale der Konkretheit und des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials zu entscheiden. dd) Erhebliches Kursbeeinflussungspotential Das letzte Merkmal, das eine Information aufweisen muss, um den Charakter einer Insiderinformation zu besitzen, ist Kursbeeinflussungspotential, d. h. das Potential den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Damit will der Gesetzgeber Umstände aus dem Begriff der Insiderinformation ausschließen, die sich lediglich minimal auf den Kurs eines Insiderpapiers auswirken, ausschließen.329 (1) Eignung zur Kursbeeinflussung Bei der Bestimmung, ob eine Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung vorliegt, ist nach allgemeiner Meinung auf zwei Kriterien abzustellen: Zum einen ist klarzustellen, auf wessen Sicht abzustellen ist, und zum anderen sind die Voraussetzungen der Prognose zu bestimmen, mittels derer festgestellt werden muss, ob die Kursbeeinflussung absehbar war.330 327  Begr.

RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 33 f. Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 46. 329  Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 46 f.; Assmann, AG 1994, (237) 244; Immenga, ZBB 1995, 197 (203); Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn. 53; Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 46; Weber, Martin, NJW 1994, 2849 (2852). 330  Stellvertretend siehe Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 46. 328  So

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

(a) Verständiger Anleger Nach § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG ist auf den verständigen Anleger abzustellen und darauf, ob er die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Nachdem zunächst umstritten war, wie der verständige Anleger zu klassifizieren ist, ist man sich heute darüber einig, dass auf einen verständigen, mit den Marktgegebenheiten vertrauten und mit Kenntnis aller verfügbaren Informationen ausgestatteten Anleger abzustellen ist.331 Dieser wird die Information berücksichtigen, wenn ein Kauf- oder Verkaufsanreiz gegeben ist und das Geschäft aus seiner Perspektive lohnend erscheint.332 In einem Urteil aus dem Jahre 2004 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf diese Sichtweise bestätigt.333 Die wirtschaftlich angeschlagene Pongs & Zahn AG teilte Ende Juli 1995 durch Ad-hoc-Mitteilung mit, dass sie sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befinde und das gerichtliche Vergleichsverfahren beantragen müsse, wenn die laufenden Sanierungsbemühungen scheiterten. Zudem wurde mitgeteilt, der Vorstand sei im Gespräch mit Erwerbern, die Interesse an der Mehrheit der Anteile der Pongs & Zahn AG zeigten. Der angeklagte Aktionär der Pongs & Zahn AG war an den Sanierungsverhandlungen als Vertreter einer maßgeblichen Aktionärsgruppe beteiligt und gelangte mit dem Vorstand der Pongs & Zahn AG und dem Kaufinteressenten bereits am 15. September 1995 zu einer wirtschaftlichen Einigung. Der Erfolg des im Rahmen der Sanierung geplanten Paketverkaufs hing nur noch davon ab, dass die Gläubigerbanken der Pongs & Zahn AG mitwirkten, wobei zeitweise zweifelhaft war, ob sich die Banken auf einen teilweisen Forderungsverzicht einlassen würden. Letztlich gelang eine Einigung am 25. September 1995. So wurde am 2. Oktober 1995 per Ad-hocMitteilung bekanntgegeben, dass die Sanierung Fortschritte mache und mit den Hausbanken eine Lösung gefunden worden sei. Vor Vollzug und öffentlicher Bekanntmachung des Verkaufs des Aktienpakets kaufte der Angeklagte in Kenntnis des positiven Verhandlungsstandes Aktien der Pongs & Zahn AG. Der Aktienkurs stieg zwischen Juli und Anfang Oktober 1995 von 22 DM auf 30 DM und erreichte im Oktober einen Spitzenwert von 60 DM. Das Amtsgericht Düsseldorf sprach den Angeklagten frei, und das Landgericht Düsseldorf verwarf die Berufung der Staatsanwaltschaft, weil es angab, nicht festgestellt haben zu können, dass die nicht öffentlich bekannten Tatsachen, 331  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.1.1, S. 33; Assmann, in: Assmann /  Schneider, WpHG, § 12 Rn. 58. 332  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.4, S. 33. 333  OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.7.2004 – III-5 Ss 2 / 04 – 13 / 03 I, AG 2005, 44 f. (Pongs & Zahn).



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über die der Angeklagte informiert gewesen sei, kurserheblich gewesen seien. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hingegen bewertete diese Prüfung der Kurserheblichkeit als fehlerhaft. Seines Erachtens war in diesem Fall, in dem ein gerichtliches Vergleichsverfahren zu befürchten war, die Kenntnis von konkreten und mit dem Willen zum Erfolg geführten Verkaufsverhandlungen für den versierten Anleger von größtem Interesse. Ein verständiger Anleger konnte nach Ansicht des Oberlandesgericht Düsseldorf im Zweifel davon ausgehen, dass auch die Geldgeber der Pongs & Zahn AG unter Erfolgsdruck standen, weil ein Vergleichsverfahren regelmäßig zu größeren Verlusten als eine Sanierung mit teilweisem Forderungsverzicht führt und sie insofern trotz teilweisen Forderungsverzichts den Sanierungsmaßnahmen zustimmen würden.334 Aus diesem Grunde war entgegen der Ansicht des Landgerichts Düsseldorf aus der Sicht eine verständigen Anlegers das Geschäft als lohnend zu bewerten. (b) Prognose Im Rahmen der Prognose, ob ein Kursbeeinflussungspotential wirklich gegeben ist, muss Bezug auf den Moment genommen werden, in dem sich das als Insiderhandel in Betracht kommende Verhalten ereignete. Es ist eine objektive Ex-ante Betrachtung vorzunehmen und zu hinterfragen, ob der verständige Anleger annahm, dass die Information im Fall ihres Bekanntwerdens den Kurs des Papiers erheblich zu beeinflussen in der Lage war.335 Gefordert wird, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Kursbeeinflussung prognostizierbar war.336 Ob sich die Kursveränderung nach Bekanntwerden der Information tatsächlich einstellt, ist für die Feststellung der Kurserheblichkeit irrelevant, da das Gesetz lediglich von einer Eignung zur Kursbeeinflussung spricht.337 Der BGH jedoch nimmt das Geschehen nach Veröffentlichung der Insiderinformation als Indiz für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit. So urteilte er in einem Fall aus dem Jahre 2010, das spätere Geschehen, insbesondere die Reaktion des Markts hierauf, sei ein gewichtiges Beweisanzeichen.338 Der Entscheidung des BGH lag ein Urteil 334  Vgl.

OLG Düsseldorf, AG 2005, 44 (45). in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 55; Sethe, in: Assmann /  Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 50. 336  Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 13.127; vgl. auch OLG Düsseldorf, AG 2005, 44 (45), das im Fall Pongs & Zahn fordert, dass mehr für als gegen den Eintritt des kurserheblichen Ereignisses sprechen müsse. 337  Caspari, ZGR 1994, 53 (54); Claussen, DB 1994, 27 (30); Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 42 f. 338  Vgl. BGH, Beschl. v. 27.1.2010 – 5 StR 224 / 09 (LG Hamburg), BeckRS 2010, 04082 Rn. 16 (Freenet). 335  Assmann,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

des Landgerichts Stuttgart zugrunde, in dem es zwei Mitglieder des Vorstandes der Freenet.de AG wegen Insiderhandels verurteilte; ein Urteil, das der BGH hinsichtlich des Schuldspruchs bestätigte. Die beiden Primärinsider, die in ihrer Funktion als Mitglieder des Vorstandes Informationen über noch nicht veröffentlichte negative Umsatzentwicklungen erlangten, verkauften aufgrund dieser Informationen ihre Aktien in mehreren Tranchen, um einen Verlust aufgrund des nach der Veröffentlichung der Umsatzentwicklungen eingetretenen Kursverlust der Aktien der Freenet.de AG von 13,21 Euro auf 9,95 Euro zu vermeiden.339 An die Feststellung kursrelevanter Umstände dürften, so der BGH, angesichts der Vielzahl der neben der Tathandlung regelmäßig an der Preisbildung mitwirkenden Faktoren keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es reiche grundsätzlich aus, den Kursverlauf und den Umsatz in den Blick zu nehmen.340 (2) Erheblichkeit der Kursbeeinflussung Es war lange Zeit umstritten, an welchem Grenzwert sich die Beurteilung, ob eine erhebliche Kursbeeinflussung vorliegt, orientieren sollte. Durch die Änderung des § 13 WpHG durch das Anlegerschutzverbesserung wurde in § 13 S. 2 WpHG ein subjektiver Ansatz in das Gesetz aufgenommen, d. h. es ist wiederum auf die Sicht des verständigen Anlegers abzustellen. Demnach muss sich für den Anleger der Kauf- oder Verkaufsreiz gerade aus der zu erwartenden Veränderung des Börsen- oder Marktpreises ergeben.341 Dabei besteht ein ausreichender Anreiz nur, wenn ein nicht nur unerheblicher Gewinn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, nicht hingegen dann, wenn die Verwertung der unveröffentlichten Informa­ tion von vornherein keinen nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil verspricht und wenn der Anreiz, diese Information zu verwerten, wegen des Risikos stets einzukalkulierender Kursschwankungen und -trends gering ist.342 Ab welcher Größenordnung von einem nicht unerheblichen Gewinn gesprochen werden kann, wird jedoch in der Literatur und Rechtsprechung nicht näher analysiert und bleibt damit einer Prüfung im Einzelfall überlassen. Eine solche Bestimmung der Erheblichkeitsgrenze anhand flexibler Kriterien bietet zwar interessengerechte Lösungen, wird aber kritisiert, da sie insbesondere in Zweifelsfällen für den Anleger kein verlässliches Krite339  BGH,

BeckRS 2010, 04082 Rn. 16. BeckRS 2010, 04082 Rn. 16. 341  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 66; zustimmend Schwark /  Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 49. 342  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 51; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597 (603). 340  BGH,



I. Insiderrecht in Deutschland97

rium ist und auch vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes als problematisch erachtet wird.343 (3) Regelbeispiele und Katalog kurserheblicher Umstände der BaFin Einen gewissen Anhaltspunkt liefert § 13 Abs. 1 S. 4 WpHG, der zwei Regelbeispiele für mögliche Insiderinformationen enthält. Zum einen ist dies das oben bereits erörterte Frontrunning und zum anderen die Information über Derivate nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG mit Bezug auf Waren, von denen der Marktteilnehmer erwartet, dass er sie in Übereinstimmung mit der zulässigen Praxis an den betreffenden Märkten erhalten würde. Dieses zweite Regelbeispiel trägt der besonderen Definition der Warenderivate in der Marktmissbrauchsrichtlinie Rechnung. Maßgeblich ist hier der objektive Erwartungshorizont des Marktteilnehmers am jeweiligen Warenterminmarkt. Konkretisiert wird dieser durch Art. 4 der Richtlinie 2004 / 72 / EG der Kommission dahingehend, dass es sich um Informationen handeln muss, die den Teilnehmern auf solchen Märkten üblicherweise zur Verfügung gestellt werden oder die in Anwendung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Handelsregeln, Verträgen oder Regeln, die auf dem Markt, auf dem die Warenderivate gehandelt werden bzw. auf der jeweils zugrunde liegenden Warenterminbörse üblich sind, öffentlich bekannt gegeben werden müssen. Einen weiteren Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Insiderinformation beinhaltet der Emittentenleitfaden der BaFin. Dort hat die BaFin im Rahmen der Erläuterungen zur Ad-hoc-Publizitätspflicht einen unverbindlichen Katalog von Umständen erstellt, in denen in der Regel ein erhebliches Preisbeeinflussungspotential gegeben ist. Hier sind unter anderem die Veräußerung von Kerngeschäftsfeldern, der Rückzug aus oder die Aufnahme von neuen Kerngeschäftsfeldern, Strukturmaßnahmen (Eingliederungen, Ausgliederungen, Umwandlungen, Spaltungen etc.), der Erwerb oder die Veräußerung wesentlicher Beteiligungen, Kapitalmaßnahmen, wesentliche Änderungen der Ergebnisse der Jahresabschlüsse oder Zwischenberichte gegenüber früheren Ergebnissen oder Marktprognosen, eine bevorstehende Zahlungseinstellung / Überschuldung, der Ausfall wesentlicher Schuldner, Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung, eine überraschende Veränderung in Schlüsselpositionen des Unternehmens (z. B. Vorstandsvorsitzender, Aufsichtsratsvorsitzender, überraschender Ausstieg des Unternehmensgründers) oder eine Beschlussfassung des Vorstandes, von der Ermächtigung der Hauptversammlung zur Durchführung eines Rückkaufsprogramms Gebrauch zu machen, aufgeführt.344 Sowohl im Hinblick auf die gesetzlichen 343  Hilgendorf, 344  BaFin,

in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 13 WpHG Rn. 113. Emittentenleitfaden 2009, IV.2.2.4, S. 55 f.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Regelbeispiele als auch im Hinblick auf den Beispielkatalog der BaFin ist jedoch klarzustellen, dass die dort angeführten Informationen nicht per se Insiderinformationen darstellen. Dies ist nur der Fall, wenn sie zusätzlich die sonstigen Voraussetzungen einer Insiderinformation im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG erfüllen.345 Für den Anleger können sie daher nur eine Orientierungshilfe sein und vermögen die erforderliche Prüfung im Einzelfall nicht zu ersetzen.346 ee) Ausnahmetatbestand des § 13 Abs. 2 WpHG Aufgrund des relativ weit gefassten Begriffs der Insiderinformation hat der Gesetzgeber sich veranlasst gesehen, einen Ausnahmetatbestand in das Gesetz aufzunehmen, der von hoher praktischer Relevanz ist. In § 13 Abs. 2 WpHG ist eine Ausnahme für Bewertungen vorgesehen, die ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Umstände erstellt werden. Solche Bewertungen sollen keine Insiderinformationen sein, selbst wenn sie den Kurs von Insiderpapieren erheblich beeinflussen können. Vom Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots sollen damit Analysen und Bewertungen von Finanzjournalisten, Journalisten, Analysten, Ratingagenturen und Anlegern ausgenommen werden.347 Der Gesetzgeber hat erkannt, dass ohne diese Ausnahme die Arbeit von Finanzanalysten und Wirtschaftsjournalisten unmöglich wäre. Sie erfüllen jedoch aufgrund ihrer Wertpapieranalysen und Spekulationen wichtige Marktfunktionen und sind daher für die Börse, den Kapitalmarkt und die Anleger unentbehrlich.348 Werden aber, z. B. durch Ratingagenturen, nicht nur öffentlich bekannte, sondern auch nicht öffentlich bekannte Informationen genutzt, so kann die Analyse eine Insiderinformation darstellen.349 Umstritten ist, ob das Wissen eines Dritten, dass eine Bewertung eines bestimmten Inhalts veröffentlicht oder verwendet wird anders zu bewerten ist, wenn dieses Wissen und nicht der genaue Inhalt der Analyse zur Grundlage eines Wertpapiergeschäfts gemacht wird. Dem wird entgegengesetzt, Erwägungsgrund 31 der Marktmissbrauchsrichtlinie bestimme, dass auch Geschäfte, die auf der Grundlage dieser Analysen und Bewertungen getätigt werden, nicht als Insidergeschäfte gelten sollen. Daraus schließt eine Ansicht in der Literatur, im oben geschilderten Fall könne sich der Dritte nicht 345  Hopt,

in: Schminansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 31. in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 43. 347  Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 109. 348  Hopt, in: Schminansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, §107 Rn. 32. 349  Mennicke / Jakovou, in: Fuchs, WpHG, § 13 WpHG Rn. 176. 346  Schwark / Kruse,



I. Insiderrecht in Deutschland99

wegen Insiderhandels strafbar machen.350 Entgegenzuhalten ist dieser Ansicht jedoch, dass der Dritte in einem solchen Fall nicht auf der Grundlage der Analysen und Bewertungen und einer damit verbundenen eigenen Schlussfolgerung gehandelt hat, sondern aufgrund einer konkreten Information, nämlich dem Wissen, dass demnächst eine positive / negative Analyse veröffentlicht oder z. B. für Empfehlungen verwendet wird, ohne jedoch den genauen Inhalt der Analyse zu kennen. Diese Situation soll aber gerade nicht von § 13 Abs. 2 WpHG umfasst sein.351 Beweisschwierigkeiten wird es insbesondere dann geben, wenn der Dritte sowohl um die geplante Verwendung weiß, als auch Kenntnis vom Inhalt der Analyse hat und behauptet, allein aufgrund der Studie der Analyse gehandelt zu haben.352 c) Verbotenes Handeln Nach einer umfassenden Analyse der zentralen Begriffe des Insiderpapiers und der Insiderinformation folgt nun eine Erläuterung der Verhaltensweisen, die unter Verwendung von Insiderinformationen und / oder Insiderpapieren vorgenommen werden und aus diesem Grunde verboten sind. Im Gegensatz zur alten Rechtslage vor Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes wird heute kein Unterschied mehr zwischen Primärund Sekundärinsidern gemacht. Vor der Reform des Wertpapierhandelsgesetzes richteten sich die Verbote des § 14 Abs. 1 WpHG nur an sog. Primärinsider, für sog. Sekundärinsider fand sich ein selbständiger Verbotstatbestand in § 14 Abs. 2 WpHG. Heute richten sich die Verbotstatbestände an jedermann, unabhängig davon, wie dieser an die Insiderinformation gelangt ist. Eine Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärinsider erfolgt nunmehr erst auf der Rechtsfolgenseite. Gem. § 14 Abs. 1 WpHG ist es verboten, unter Verwendung einer Insider­ information Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern (Nr. 1), einem anderen eine Insider­ information unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen (Nr. 2) oder einem anderen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen oder einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten (Nr. 3). 350  Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 36; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 59. 351  So auch Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 76; Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 13 WpHG Rn. 118; Hopt, in: FS Beusch, 393 (410); Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 13 Rn. 112 f. 352  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 77.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

aa) Das Erwerbs- und Veräußerungsverbot Das Verbot der Durchführung von Erwerbs- und Veräußerungsgeschäften unter Verwendung von Insiderinformationen ist das zentrale Verbot des Insiderrechts. Für die Bejahung eines Verstoßes gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot kommt es nicht darauf an, dass der Insider tatsächlich einen Gewinn verzeichnen kann. (1) Erwerb und Veräußerung Der Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren kann entweder durch den Insider selbst für eigene oder fremde Rechnung erfolgen oder durch einen Dritten als Strohmann.353 In der bereits diskutierten ComroadEntscheidung des Landgericht München veräußerten die Angeklagten beispielsweise ihre Aktien sowohl für eigene als auch für Rechnung ihrer Tochter und damit für fremde Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Umstritten ist, wie die Begriffe „Erwerb“ und Veräußerung“ vor dem Hintergrund des in Deutschland geltenden Trennungs- und Abstraktionsprinzips auszulegen sind, welches zwischen obligatorischem und dinglichem Geschäft unterscheidet und die beiden Geschäfte in ihrer Wirksamkeit als unabhängig voneinander sieht. Eine Ansicht stellt allein auf die Änderung der dinglichen Zuordnung ab, der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts genügt dieser Ansicht nach gerade nicht.354 Der herrschenden Ansicht zufolge, genügt zur Tatbestandsverwirklichung bereits der Abschluss des obligatorischen Geschäfts, wenn dieses bindend sowie unbedingt ist und der Insider daher eine gesicherte Erwerbs- oder Veräußerungsposition erhält.355 Diese Ansicht greift auf eine richtlinienkonforme Auslegung der Begriffe zurück; sie begründet die Auslegung damit, dass in anderen europäischen Ländern keine Unterscheidung zwischen obligatorischem und dinglichem Geschäft gemacht wird. Darüber hinaus führt sie an, Insiderwissen könne auch genutzt werden, wenn der Insider z. B. bei Erwerbsgeschäften mit hinausgeschobener Fälligkeit, bei denen er die Insiderpapiere noch vor Fälligkeit seines Lieferanspruchs weiterverkauft, weder Wertpapiereigentum noch Verfügungsmacht über Wertpapiere erlangt.356 Vor diesem Hintergrund und 353  Grundmann,

in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, HGB, § 14 WpHG Rn. VI98. in: Hamann / Schäfer, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rn. 12; Casper, WM 1999, 363 (364). 355  OLG Karlsruhe, NZG 2004, 377 (379); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.2.1.1, S. 36; Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 12; Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lowinsky, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 34. 356  Rothenhöfer, in: Kümpel / Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.522 ff. 354  Schäfer,



I. Insiderrecht in Deutschland101

auch zur effektiven Vermeidung von Strafbarkeitslücken ist die letztgenannte Ansicht vorzugswürdig. Unter den Begriff der Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte fallen auch Pensionsgeschäfte, die Wertpapierleihe sowie Leerverkäufe, nicht aber die Verpfändung, Vererbung oder Schenkung von Wertpapieren.357 Nicht erfasst ist nach allgemeiner Ansicht das Unterlassen des Erwerbs oder der Veräußerung aufgrund von Insiderinformationen bzw. dem Unterlassen gleichzusetzende Verhaltensweisen, da der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG eine rechtsgeschäftliche Handlung fordert, die bei einem Unterlassen nicht gegeben ist und eine Ausweitung des Tatbestands auf das Unterlassen gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen würde.358 (2) Die Verwendung der Information Die Transaktion muss unter Verwendung einer Insiderinformation erfolgen. Das Tatbestandsmerkmal „unter Verwendung“ ersetzt das subjektive Merkmal „unter Ausnutzung“, das vor Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz in § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu finden war und eine Gewinnerzielungsabsicht vom Insider forderte.359 Die Frage, wann eine Verwendung der Insiderinformation durch den Insider vorliegt, ist in der Literatur umstritten und bedarf aufgrund einer Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2009 einer eingehenden Betrachtung. (a) Meinungsstand im deutschen Recht Einer Ansicht in der Literatur nach stellt jedes Handeln in Kenntnis der Insiderinformation eine Verwendung der Insiderinformation dar, unabhängig 357  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.2.1.1, S. 36; Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lowinsky, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 36; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 9; Schröder, Aktienhandel und Strafrecht, S. 138. 358  Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 14 Rn. 128; Assmann, in: Assmann / Schneider, § 14 Rn. 16; Rothenhöfer, in: Kümpel / Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.527; Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 Rn. 12; a. A. Claussen, DB 1994, 27 (31); Weber, Ulf Andreas, BB 1995, 157 (166); str. für den Fall, dass eine schon erteilte Kauf- oder Verkaufsorder auf Grund einer zwischenzeitlich erlangten Insiderinformation widerrufen wird: Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 11 nimmt ein strafbares Tätigkeitsdelikt an, Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 14 Rn. 129; Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lowinsky, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 36; Assmann, in: Assmann / Schneider, § 14 Rn. 17 plädieren mangels Erwerbs bzw. Veräußerung für Straflosigkeit. 359  Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 14 WpHG Rn. 139, 156.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

davon, ob das Handeln durch die Insiderinformation motiviert ist oder nicht.360 Die herrschende Ansicht im Schrifttum geht jedoch davon aus, dass eine Verwendung nur dann gegeben sein kann, wenn die Insiderinformation mitursächlich für das Handeln des Insiders ist, d. h. in sein Handeln einfließt, nicht jedoch, wenn der Insider bei der Transaktion lediglich im Besitz der Insiderinformation ist.361 Dieser Ursachenzusammenhang besteht dann nicht, wenn eine Transaktion vorgenommen wird, die auch ohne Kenntnis der Insiderinformation durchgeführt worden wäre.362 Um jedoch den Anwendungsbereich des Erwerbs- und Veräußerungsverbots nicht ausufern zu lassen, sollen im Hinblick auf den Schutzzweck des Wertpapierhandelsgesetzes unbedenkliche Transaktionen363 aus dem Anwendungsbereich des Erwerbs- und Veräußerungsverbots ausgeschlossen werden. Dies geschieht – mit dem selben Ergebnis – teilweise durch eine teleologische Reduktion des Begriffs der „Verwendung“ in dem Sinne, dass das Geschäft objektiv geeignet zur Erzielung eines Sondervorteils sein muss.364 Teilweise wird das Erwerbs- und Veräußerungsverbot mit Blick auf den Schutzzweck des Verbotstatbestands teleologisch reduziert.365 Der maßgebliche Zeitpunkt der Kenntnis der Insiderinformation ist der Zeitpunkt der Ordererteilung, d. h. nach Ordererteilung, aber vor Ausführung der Order erlangte Kenntnis begründet nicht den Tatbestand des Verwendens einer Insiderinformation.366 360  Pawlik,

(539).

in: KölnKomm WpHG, § 14 Rn. 16 ff.; Ziemons, NZG 2004, 537

361  H. M. vgl. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 34; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.2.1.2, S. 36; Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 25; Bürgers, BKR 2004, 424 (425); Cahn, Der Konzern 2005, 5 (9); Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (931); Spindler, NJW 2004, 3449 (3451). 362  Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 14 Rn. 135; Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 30; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 16; a. A. Wehowsky, in: Erbs / Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 14 Rn. 5 unter Verweis auf Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 34, der diese Ansicht als nicht mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar erachtet, der verhindern will, dass der Täter bei Hinzutreten weiterer Umstände, deren Widerlegung nur schwer möglich ist, straflos bleibt. 363  Dazu sogleich in Kapitel C., I.1.c)aa)(2)(c). 364  So Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 37; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 17; Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 27. 365  Bachmann, ZHR 172 (2008), 597 (628); Cahn, Der Konzern 2005, 5 (11); Koch, DB 2005, 267 (269); Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 14 Rn. 29. 366  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.2.1.3, S. 36; siehe auch Art. 2 Abs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie, die einen Ausschluss für derartige Geschäfte vorsieht.



I. Insiderrecht in Deutschland103

(b) K  onsequenzen der Spector Photo Group-Entscheidung des EuGH Im Jahre 2009 entschied der EuGH im sog. Spector Photo Group-Fall367 über mehrere Vorlagefragen des Appellationshofs Brüssel (Hof van beroep te Brussel). Im zugrundeliegenden Fall kaufte die börsennotierte Spector Photo Group NV im Rahmen der Einführung eines Aktienoptionsprogramms durch mehrere Einzelaufträge eigene Aktien an der Börse. Kurz nach Abschluss des letzten Einzelauftrags veröffentlichte die Spector Photo Group NV Informationen über ihre Geschäftsergebnisse und -politik, was zu einem Kursanstieg geführt haben soll. Die belgische Finanzaufsichtsbehörde (CBFA) verhängte daraufhin eine Geldbuße gegen die Gesellschaft und gegen ein Mitglied des Vorstands wegen verbotenen Insiderhandels. Die Betroffenen erhoben Klage gegen diese Entscheidung, und der belgische Appella­ tionshof sah es vor Erlass eines abschließenden Urteils als geboten an, dem EuGH einige Fragen vorzulegen. Für das deutsche Insiderrecht im Besonderen interessant war die zweite Vorlagefrage. Mittels dieser fragte der belgische Appellationshof, ob Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie dahingehend auszulegen sei, dass die bloße Tatsache, dass eine Person im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie, d. h. nach der deutschen Diktion ein Primärinsider, über eine Insiderinformation verfüge und für eigene oder fremde Rechnung Finanzinstrumente, auf die sich die Information beziehe, erwerbe oder veräußere oder dies versuche, gleichzeitig bedeute, dass diese Person die Insiderinformation nutze. Die in der Sache zuständige Generalanwältin kam in ihren Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass eine Person, die über Insiderinformationen verfügt, und Finanzinstrumente erwirbt oder veräußert, auf die sich die Informationen beziehen, im Regelfall die Information nutzt. In Konstellationen jedoch, in denen von vornherein feststeht, dass eine Insiderinformation nicht in das Handeln einer Person einfließt, liegt in der bloßen Kenntnis einer Insiderinformation nicht zugleich deren Nutzung.368 Der EuGH hat sich den Schlussanträgen der Generalanwältin angeschlossen. Er stellt zunächst fest, dass Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie den Tatbestand des verbotenen Insidergeschäfts durch zwei Tatbestandsmerkmale definiert, nämlich zum einen durch die in den Anwendungsbereich fallenden Personen, zum anderen durch die das Geschäft bildenden tatsächlichen Handlungen.369 Es sei, so der EuGH, jedoch nicht vorgesehen, dass die Insiderinformation für das Geschäft bestimmend war oder dass der 367  EuGH,

Urt. v. 23.12.2009 – C-45 / 08, BeckRS 2009, 71428. Schlussanträge der Generalanwältin, BeckEuRS 2009, 500616 Rn. 69. 369  Vgl. EuGH, BeckRS 2009, 721428 Rn. 31. 368  Vgl.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Insider sich des Insider-Charakters der Information bewusst war.370 Dass in der Richtlinie ausdrücklich kein subjektives Tatbestandsmerkmal vorgesehen sei, erkläre sich zum einen aus der Natur von Insidergeschäften, die es erlaube, das subjektive Merkmal zu vermuten, wenn die objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt seien. Das von einem Primärinsider getätigte Geschäft sei das Resultat eines komplexen Entscheidungsprozesses, dessen integraler Bestandteil die Insiderinformation sei und aufgrund dessen man vermuten könne, dass der Handelnde bewusst handele.371 Zum anderen erkläre sich der Verzicht auf subjektive Tatbestandsmerkmale damit, dass man nur dann der Zielsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie, die Integrität der Finanzmärkte und das Vertrauen der Anleger zu stärken, gerecht werde, wenn man eine effektive Durchführung des Insiderhandelsverbots gewährleiste, innerhalb derer die Möglichkeiten der Verteidigung mit subjektiven Elementen begrenzt seien.372 Aus diesen Gründen folgert der EuGH, die Tatsache, dass ein Primärinsider, der eine Insiderinformation besitze und auf dem Markt ein Geschäft mit Finanzinstrumenten tätige, auf die sich diese Information beziehe, impliziere die Nutzung derselben durch den Insider. Jedoch macht er insoweit eine Einschränkung, als der Primärinsider einerseits von dem Vorteil, den die Insiderinformation ihm verschafft ungerechtfertigt Gebrauch machen muss, um den Insiderhandelstatbestand zu verwirklichen und ihm andererseits die Möglichkeit gegeben werden muss, die Vermutung zu widerlegen, dass er die Insiderinformation genutzt hat.373 Die Auslegung der Entscheidung des EuGH fällt in der Literatur nicht einheitlich aus.374 Teilweise wird aus der Entscheidung gefolgert, der EuGH stelle eine innerpsychische Kausalitätsvermutung zwischen bestimmten Insiderkenntnissen und den entsprechenden Insidergeschäften auf.375 Mit der Annahme psychischer Kausalität solle auch entschieden sein, dass bezüglich der Informationsverwendung Vorsatz vorgelegen haben müsse und daher hätte vom EuGH durchaus eine Vorsatzvermutung aufgestellt werden können.376 Dies soll jedoch nur dann möglich sein, wenn man nicht grundsätzlich davon ausgeht, dass jeder Primärinsider, der ein Geschäft tätigt, unter den Verbotstatbestand fällt und der Beschuldigte nur plausible Gründe 370  Vgl.

EuGH, BeckRS 2009, 71428 Rn. 32. EuGH, BeckRS 2009, 71428 Rn. 36. 372  Vgl. EuGH, BeckRS 2009, 71428 Rn. 37. 373  Vgl. EuGH, BeckRS 2009, 71428 Rn. 53 f. 374  Zur Mehrdeutigkeit der EuGH-Entscheidung Nietsch, ZHR 174 (2010), 556 (564 ff.). 375  Cascante / Bingel, NZG 2010, 161 (162); dies. AG 2009, 894 (897); Ransiek, wistra 2011, 1 (2). 376  Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 14 WpHG Rn. 142; Hopt, in: FS Goette, 179 (182). 371  Vgl.



I. Insiderrecht in Deutschland105

vortragen muss, die es nachvollziehbar machen, warum die Insiderinformation ausnahmsweise keinen Einfluss auf das getätigte Geschäft hatte, um die Kausalitätsvermutung zu zerstören.377 Andere Stimmen interpretieren die Entscheidung des EuGH dahingehend, dass dieser allein eine Vorsatzvermutung einführen und nichts an dem Kausalzusammenhang zwischen Insiderwissen und den getätigten Geschäften ändern will.378 Relativ einig ist sich die Literatur jedoch dahingehend, dass die Entscheidung des EuGH nicht auf das deutsche Recht übertragbar ist379, wobei die Begründungen unterschiedlich ausfallen. Teilweise wird eine Übertragung der Entscheidung des EuGH auf das deutsche Insiderhandelsverbot schon deshalb abgelehnt, weil sich die Entscheidung des EuGH auf ein Verwaltungsverfahren bezog und sich eine Übertragung auf das in Deutschland durch § 38 Abs. 1 WpHG als Straftatbestand ausgestaltete Insiderhandelsverbot daher verbietet.380 Andere hingegen sehen die Entscheidung des EuGH aufgrund der mit dem deutschen Strafrecht nicht zu vereinbarenden Vorsatzvermutung381 bzw. aufgrund eines Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung382 als für das deutsche Recht unbeachtlich an. Angenommen wird teilweise, die vom EuGH aufgestellte widerlegbare Vermutung könne im Rahmen der Beweiswürdigung als Erfahrungssatz angewendet werden.383 Ein solcher Erfahrungssatz kann den Richter im Gegensatz zu einer Vorsatzvermutung in seiner Entscheidung jedoch nicht binden.384 Inwieweit für den deutschen Gesetzgeber aufgrund des Urteils Handlungsbedarf besteht, ist umstritten. Einige Stimmen verlangen vom Gesetzgeber die Aufnahme eines Katalogs von ausdrücklich formulierten Ausnahmetatbeständen vom Insiderhandelsverbot.385 Teilweise wird die Entscheidung des EuGH sogar als Aufforderung an die Mitgliedstaaten aufgefasst, Primärinsidern relevante Transaktionen zu untersagen, sobald sie nur über 377  Ransiek,

wistra 2011, 1 (3 f.). in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 26; in diese Richtung gehend Schulz, ZIP 2010, 609 (611). 379  A. A. Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 37; Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 14 WpHG Rn. 142; Ransiek, wistra 2011, 1 (3 f.). 380  Rolshoven / Renz / Hense, BKR 2010, 74 (76); Langenbucher / Brenner / Gellings, BKR 2010, 133 (135). 381  So Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 61a; ebenso Heusel, BKR 2010, 77 (78); ähnlich Rolshoven / Renz / Hense, BKR 2010, 74 (76). 382  So Opitz, BKR 2010, 71; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 16a. 383  Flick / Lorenz, RIW 2010, 381 (384); Widder / Bedkowski, GWR 2010, 35. 384  Gehrmann, ZBB 2010, 48 (51); Nietsch, ZHR 174 (2010), 574 f. 385  Bussian, WM 2011, (8) 13; Forst, EWir 2010, 129 (130). 378  Assmann,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

eine Insiderinformation verfügen.386 Unter Hinweis darauf, dass der deutsche Gesetzgeber die vom EuGH geforderte effektive Umsetzung des Insiderhandelsverbots schon deshalb garantiert, weil bereits ein leichtfertiger Verstoß von Primär- und Sekundärinsider gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot strafbar ist, werden von einer weiteren Ansicht jegliche Änderungsbestrebungen abgelehnt.387 Aus alledem ist zu schließen, dass die Auswirkungen des Urteils auf das deutsche Recht zu vernachlässigen sind.388 Da das Urteil sich nur auf Primärinsider bezog, kann festgestellt werden, dass sich das Urteil – zumindest im Hinblick auf das deutsche Recht – nicht auf Sekundärinsider übertragen lässt. Dies liegt insbesondere daran, dass ein Verstoß gegen das Erwerbsund Veräußerungsverbot im deutschen Recht auch für Sekundärinsider eine Straftat ist und insofern eine Übertragung ebenfalls aus den oben genannten Gründen abzulehnen ist. (c) Einzelfragen Im Folgenden sollen einige ausgewählte Einzelfragen dargestellt werden, in denen die Insiderinformation gerade nicht verwendet wird und in denen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot somit nicht einschlägig ist. (aa) Face-to-Face-Geschäfte Nach überwiegender Ansicht ist ein außerbörslicher Pakethandel zwischen zwei Parteien (sog. Face-to-Face-Geschäft) nicht vom Insiderhandelsverbot umfasst, wenn beide Parteien den gleichen Informationsstand haben. Dies wird mit gleichem Ergebnis teilweise mit einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG dahingehend begründet, dass eine Beeinträchtigung der Integrität und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und eine Schädigung der Kapitalmarktteilnehmer in diesen Fällen ausgeschlossen sei.389 Teilweise wird der Begriff des Verwendens 386  Langenbucher / Brenner / Gellings,

BKR 2010, 133 (134). in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 61a; eine Gesetzesänderung ebenfalls anlehnend Nikoleyczik / Gubitz, GWR 2010, 159; eine effektive Umsetzung des Insiderhandelsverbots in das deutsche Recht bejahend Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 13.141. 388  A. A. Nikoleyczik / Gubitz, GWR 2010, 159, der für nicht privilegierte Fälle, wie z. B. öffentliche Übernahmen und Aktienrückkaufprogramme annimmt, diese dürften in Zukunft leichter zu beweisen sein. 389  Bank, NZG 2010, 1337 (1338); Cahn, Der Konzern 2005, 5 (10 f.); FrommRussenschuck / Banerjea, BB 2004, 2425 (2427). 387  Assmann,



I. Insiderrecht in Deutschland107

teleologisch reduziert und angenommen, dass es bereits an einem Verwenden der Insiderinformation fehle, wenn man unter den Begriff der Verwendung einer Insiderinformation nur Vorgänge fasse, in denen ein Wissensvorsprung des Insiders bestehe und ihm dadurch objektiv die Möglichkeit der Erzielung eines Sondervorteils eröffnet sei.390 Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber nach und nach und aufgrund einer Due-Diligence-Prüfung den Umfang des Aktienerwerbs im Vergleich zum ursprünglichen Plan erweitert (sog. alongside purchases), wenn die Aktien außerbörslich und von einer Partei mit gleichem Informationsstand erworben werden.391 Durch die Spector Photo Group-Entscheidung des EuGH hat sich im Hinblick darauf diese Annahmen beim Face-to-Face-Geschäft nichts geändert. Dadurch, dass der EuGH die Frage, ob ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot vorliegt, im Lichte der Zielsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie ausgelegt wissen möchte und stets eine Prüfung fordert, ob die Integrität der Finanzmärkte oder das Vertrauen der Anleger durch eine unrechtmäßige Verwendung einer Insiderinformation verletzt ist, ist anzunehmen, dass auch im Sinne des EuGH im vorliegenden Fall, in dem mangels Informationsasymmetrie der typische Unrechtsgehalt des Insiderhandels entfällt, ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot zu verneinen ist.392 (bb) Unternehmerische Pläne Nach allgemeiner Ansicht liegt auch dann kein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot vor, wenn eigene unternehmerische Pläne und Entschlüsse umgesetzt werden sollen und die Kenntnis von der Insiderinformation die Entscheidungsfindung als solche nicht beeinflusst hat (sog. MasterplanAusnahme).393 Jedem Wertpapiergeschäft geht notwendigerweise der Entschluss zu seiner Vornahme voraus, so dass in der bloßen Umsetzung dieses Entschlusses kein verbotenes Insidergeschäft gesehen werden kann.394 Überwiegend wird sogar angenommen, dass die Masterplan-Ausnahme auch dann greift, wenn der Gesamtplan einen Änderungsvorbehalt enthält oder später im Einzelnen nicht plangemäß, sondern unter Abweichungen 390  Assmann, in: Assmmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 29; Brandi / Süßmann, AG 2004, 642 (645). 391  Bank, NZG 2010, 1337 (1338 f.); Cascante / Bingel, NZG 2010, 161 (164); Nikoleyczik / Gubitz, GWR 2010, 159; a. A. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.2.1.4.2, S. 38. 392  So auch Bank, NZG 2010, 1337 (1339); Cascante / Bingel, NZG 2010, 161 (163); Nikoleyczik / Gubitz, GWR 2010, 159. 393  A. A. Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 14 Rn. 20 ff. 394  Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, § 14 WpHG Rn. 23.

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umgesetzt wird.395Teilweise wird die Einschränkung gemacht, die Masterplan-Ausnahme sei nur einschlägig, wenn der Gesamtplan kein Ermessen zulasse.396 Das Urteil des EuGH im Spector Photo Group-Fall nimmt nicht explizit Stellung zu diesem Problem. Dennoch wird in der deutschen Literatur teilweise unter Verweis auf die Aussage des EuGH, die Insiderinformation müsse integraler Bestandteil des Entscheidungsprozesses sein, aus dem Urteil gefolgert, der EuGH erkenne die Masterplan-Ausnahme an.397 Wenn der Entscheidungsprozess bereits abgeschlossen sei, könne ein später hinzutretendes Insiderwissen nicht mehr in diese einfließen.398 (cc) Öffentliche Übernahmen Verschiedentlich wird unter Verweis auf Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie mit unterschiedlichen Argumenten eine Ausnahme vom Insiderhandelsverbot für öffentliche Übernahmeangebote nach vorangegangener Due-Diligence-Prüfung gefordert.399 Die BaFin stellt sich im Emittentenleitfaden jedoch gegen diese Auffassung und macht deutlich, dass ihres Erachtens Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie keine allgemeine Ausnahmebestimmung für öffentliche Übernahmeangebote darstellt.400 Hat der Bieter im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung Insiderinformationen erlangt, so soll dieser ein Angebot erst abgeben dürfen, wenn der Emittent diese Insiderinformationen im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht hat.401 In der Spector Photo Group-Entscheidung hat der EuGH in Bezug auf Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie entschieden, dass ein Geschäft, das darin besteht, dass ein Unternehmen, das Insiderinformationen 395  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 35; Cascante / Bingel, NZG 2010, 161 (163); Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechte-Handbuch, § 107 Rn. 43. 396  Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rn. 12. 397  Niekoleyczik / Gubitz, GWR 2010, 159; Widder / Bedkowski, GWR 2010, 35. 398  Niekoleyczik / Gubitz, GWR 2010, 159; Widder / Bedkowski, GWR 2010, 35. 399  Die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer sei bereits durch das WpÜG gesichert: Bussian, WM 2011, 8 (11); Fromm-Russenschuck / Banerjea, BB 2004, 2425 (2427); der betreffende Bieter habe vor der Due-Dilligence-Prüfung und daher vor Kenntnis von Insiderinformationen die Initiative ergriffen, die Abgabe eines Angebots zu prüfen: Mennicke, in: Fuchs, WpHG, § 14 Rn. 90; ein anderes Verständnis sei kontraproduktiv für das Interesse des Kapitalmarktes: Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechte-Handbuch, § 107 Rn. 47. 400  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.2.1.4.3, S. 38. 401  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.2.1.4.3, S. 38.



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über eine anvisierte Gesellschaft erlangt hat, anschließend über deren Kapital ein öffentliches Kaufangebot zu einem Kurs abgibt, der über dem Marktkurs liegt, grundsätzlich nicht als verbotenes Insidergeschäft betrachtet werden kann, da es die durch die Richtlinie geschützten Interessen nicht beeinträchtigt.402 Daraus wird teilweise gefolgert, ein Übernahmeangebot sei stets dann insiderrechtlich unbeachtlich, wenn der gebotene Preis über dem Marktpreis liege.403 Andere wollen stets im Einzelfall prüfen, ob der Bieter die erlangte Insiderinformation in sein Handeln mit einfließen ließ. Dann nämlich verschaffe er sich auch bei einem Übernahmeangebot einen Sondervorteil, gegenüber dem Aktionär, der sein Angebot annehme ohne die Insiderinformation zu kennen.404 bb) Das Weitergabeverbot Sobald eine Insiderinformation existiert, muss nicht nur verhindert werden, dass diejenigen Personen, die bereits Kenntnis von dieser haben, mit Insiderpapieren handeln. Es muss auch verhindert werden, dass die Zahl der Insider sich durch Verbreitung der Insiderinformation erhöht. Aus diesem Grunde ist auch die Weitergabe einer Insiderinformation verboten. (1) Mitteilung und Zugänglichmachung Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist es einem Insider untersagt, anderen Insiderinformationen unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen. Eine Mitteilung ist gegeben, wenn der Insider einen Dritten, gleich auf welchem Wege, über die Insiderinformation unterrichtet.405 Eine Information wird einem Dritten zugänglich gemacht, wenn ihm durch den Insider die Möglichkeit des selbsttätigen Zugriffs und der Kenntnisnahme gegeben wird, ohne dass eine Mitteilung im obigen Sinne erfolgt. Um eine Vergleichbarkeit des Erfolgsunwerts der beiden Tatbestandsalternativen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu erzielen, wird vorausgesetzt, dass der Dritte im Fall des Zugänglichmachens die zur Erlangung der Information noch nötige Handlung vornimmt und dadurch tatsächlich Kenntnis erlangt.406 402  Vgl.

EuGH, BeckRS 2009, 71428 Rn. 59. NZG 2010, 1337 (1340); Nikoleyczik / Gubitz, GWR 2010, 159. 404  Cascante / Bingel, NZG 2010, 161 (164). 405  H. M. vgl. Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 10.52; Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rn. 19. 406  H. M. vgl. Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 57; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 42; a. A. Mennicke, in: Fuchs, WpHG, § 14 Rn. 193; Sethe, ZBB 2006, 243 (248 f.); Pawlik, in: KölnKomm WpHG, § 14 Rn. 43. 403  Bank,

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(2) Unbefugt Die Mitteilung bzw. die Zugänglichmachung der Insiderinformation müssen unbefugt erfolgen. Nach Art. 3 lit. a der Marktmissbrauchsrichtlinie ist jede Weitergabe von Insiderinformationen unbefugt, es sei denn, die Weitergabe erfolgt im normalen Rahmen der Ausübung der Arbeit oder des Berufes oder der Erfüllung der Aufgaben des Insiders. Nach allgemeiner Ansicht muss die Weitergabe der Information erforderlich sein, um dem Kenntnisträger die ordnungsgemäße Berufsausübung im Unternehmensinteresse zu ermöglichen.407 Einer besonderen gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitspflicht des Dritten bedarf es nicht, da für diesen als Empfänger der Information ebenfalls das Insiderhandelsverbot gilt und dieses genügen sollte, um ihn von der Informationsverwendung abzuhalten.408 Der EuGH hat in der sog. Grøngaard und Bang-Entscheidung aus dem Jahre 2005409 Stellung zu Art. 3 lit. a der EG-Insiderrichtlinie genommen, der dem oben genannten Art. 3 lit. a der Marktmissbrauchsricht­ linie entspricht. Er interpretiert die Vorschrift dahingehend, dass diese eine eng auszulegende Ausnahme darstellt und die Weitergabe einer solchen Information nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder für die Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet und wenn ein enger Zusammenhang zwischen der Weitergabe und der Ausübung der Arbeit oder des Berufes oder der Erfüllung der Aufgaben besteht.410 Teilweise wird aus der Entscheidung gefolgert, dass diese einen restriktiven Umgang mit Ausnahmen von der unbefugten Informationsweitergabe im Allgemeinen erforderlich macht.411 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass die Entscheidung des EuGH nur die Informationsweitergabe an Unternehmensexterne betraf, die ohnehin restriktiver zu handhaben ist.412 Insofern sei eine innerbetriebliche Weitergabe von Informationen weiterhin dann als befugt anzusehen, wenn dadurch eine aus betriebsorganisatorischer Sicht sinnvolle Aufgabe 407  Assmann, in: Assmann / Schneider, § 14 WpHG Rn. 74; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 47. 408  H. M. vgl. z. B. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.2.2.1, S. 41; Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 14 WpHG Rn. 167; a. A. Götz, DB 1995, 1949 (1950). 409  EuGH, Urt. v. 22.11.2005 – C-384 / 02 (Grøngaard und Bang), BeckRS 2005, 70889. 410  Vgl. EuGH, BeckRS 2005, 70889 Rn. 31, 34. 411  Bachmann, ZHR 172 (2008), 597 (624); Weber, Martin, NJW 2006, 3685 (3687). 412  So Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 74b; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG, Rn. 46a.



I. Insiderrecht in Deutschland111

oder Tätigkeit beruflicher oder sonstiger Art sachgerecht wahrgenommen werden könne.413 So handelt z. B. der Vorstand befugt, der im Rahmen seiner Berichtspflicht dem Aufsichtsrat Insiderinformationen mitteilt.414 Im Hinblick auf die Weitergabe von Informationen an Unternehmensexterne ist eine befugte Weitergabe vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung dann zu bejahen, wenn zwischen Weitergabe und beruflicher Aufgabe ein enger Zusammenhang besteht und die Weitergabe zur Erfüllung der Aufgaben unerlässlich ist.415 Bei der Überprüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen ist insbesondere die Sensibilität der Information, d. h. ihre mögliche Auswirkung auf den Kurs der entsprechenden Wertpapiere, zu beachten.416 Ein besonderer Fall der Informationsweitergabe an Unternehmensexterne findet sich bei einer Due-Diligence-Prüfung. Der Käufer einer bedeutenden Beteiligung417 an einem Unternehmen wird in der Regel vom Verkäufer im Rahmen einer Due Diligence umfassende Informationen über das Unternehmen verlangen. Hier stellt sich die Frage, inwieweit es insiderrechtlich zulässig ist, dass die Zielgesellschaft dem Käufer Insiderinformationen zugänglich macht. Im Schrifttum wird diese Frage fast einheitlich dahingehend beantwortet, dass die Weitergabe von Insiderinformationen im Rahmen einer Due Diligence befugt ist.418 Dies kann auch vor dem Hintergrund der oben genannten Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH nicht anders bewertet werden. Die Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung vor dem Erwerb einer bedeutenden Beteiligung an einem Unternehmen ist Marktpraxis geworden. Vorstände oder Geschäftsführer, die eine solche Transaktion ohne vorherige Due Diligence durchführen, handeln in der Regel pflichtwidrig, so dass die Weitergabe von Informationen in diesem Fall im Sinne 413  Assmann,

in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 74b. in: KölnKomm WpHG, § 14 Rn. 49. 415  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 74b; Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 14 WpHG 169. 416  Vgl. EuGH, BeckRS 2005, 70889 Rn. 37 f. 417  Eine bedeutende Beteiligung wird teilweise 5 % der stimmberechtigten Anteile bejaht: Brandi / Süßmann, AG 2004, 642 (648); aufgrund der Herabsenkung der Meldeschwelle des § 21 Abs. 1 WpHG auf 3 % wird bereits ab dieser Schwelle eine bedeutende Beteiligung angenommen: Assmann, in; Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 168; zweifelnd Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, § 14 WpHG Rn. 58; unter Verweis auf Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie für 30 % plädierend Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG, Rn. 76; in diese Richtung tendierend auch Grothaus, ZBB 2005, 62 (64). 418  Vgl. z. B. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.2.1.4.3, S. 38; Hasselbach, NZG 2004, 1090; Hopt, in: Schimanky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 61; a. A. Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rn. 77. 414  Pawlik,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

der EuGH-Rechtsprechung als unerlässlich angesehen werden muss, um eine erhebliche Einschränkung derartiger Transaktionen zu vermeiden.419 cc) Das Empfehlungs- und Verleitungsverbot § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG schließlich verbietet die Empfehlung des Erwerbs oder der Veräußerung von Insiderpapieren oder die Verleitung zu solchen Geschäften. Im Gegensatz zum Weitergabeverbot ist das Empfehlungs- und Verleitungsverbot nur einschlägig, wenn der Insider dem Empfehlungsempfänger die Insiderinformation gerade nicht mitteilt, sondern eine bloße Empfehlung ausspricht. Spricht der Insider eine Empfehlung aus, gibt zudem aber auch die Insiderinformation an den Empfänger weiter, so verstößt er sowohl gegen das Weitergabe- als auch gegen das Empfehlungsverbot und zwischen diesen beiden Handlungsalternativen besteht Tateinheit gem. § 52 StGB.420 (1) Empfehlung Eine Empfehlung ist jede einseitige und rechtlich unverbindliche Erklärung, durch die der Erklärende ein Verhalten als für den Adressaten vorteilhaft bezeichnet und die Verwirklichung des Verhaltens mit dem Ziel anrät, den Willen des Adressaten zu beeinflussen.421 Ebenso wie das Unterlassen des Erwerbs oder der Veräußerung nicht dem Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG unterliegt, liegt bei einer Empfehlung, den Erwerb oder die Veräußerung zu unterlassen, kein Verstoß gegen das Empfehlungsverbot vor.422 Die Empfehlung muss aufgrund von Insiderwissen erfolgen. Hätte der Insider die Empfehlung ohnehin abgegeben hätte, fehlt es an der erforderlichen Kausalität.423 Die Tat ist bereits mit Abgabe der Empfehlung vollendet.424 419  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 164; ähnlich Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 58. 420  Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 70. 421  So in Anlehnung an das bis zur 7. GWB-Novelle in den §§ 22, 23 GWB a. F. enthaltene kartellrechtliche Empfehlungsverbot Assmann, in: Assmann / Schneider, § 14 WpHG Rn. 119; Rothenhöfer, in: Kümpel / Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.566. 422  Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rn. 71. 423  Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rn. 35. 424  Unstr. vgl. nur Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 120.



I. Insiderrecht in Deutschland113

(2) Verleiten Ein Verleiten liegt immer dann vor, wenn der Wille des zu Verleitenden durch den Insider mit Hilfe beliebiger Mittel beeinflusst wird.425 Auch hier genügt für die Tatbestandsverwirklichung bereits die Verleitungshandlung, eine erfolgreiche Willensbeeinflussung ist nicht erforderlich.426 dd) Ausnahmetatbestände Aufgrund des sehr umfassenden Charakters des insiderrechtlichen Verbotstatbestands hat der Gesetzgeber für bestimmte Fälle, die jedoch strengen Voraussetzungen unterliegen, Ausnahmen vom Insiderhandelsverbot vorgesehen. (1) Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 2 WpHG § 14 Abs. 2 WpHG sieht vor, dass der Handel mit eigenen Aktien bei Rückkaufprogrammen und Kursstabilisierungsmaßnamen unter bestimmten Voraussetzungen nicht dem Insiderhandelsverbot unterfallen. So muss unter anderem der Aktienrückkauf ausschließlich dem Zweck dienen, das Kapital eines Emittenten herabzusetzen oder die Verpflichtung aus einem Schuldtitel, der in Beteiligungskapital umgewandelt werden kann oder die Verpflichtung aus einem Belegschaftsaktienprogramm oder einer anderen Form der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter zu erfüllen.427 Darüber hinaus muss das Rückkaufprogramm vorher bekannt gegeben, und es müssen weitere Informationspflichten und Handelsbedingungen erfüllt werden.428 Kursstabilisierungsmaßnahmen sind nur befristet und mit vorheriger Bekanntgabe zulässig. Zudem müssen sie alle sonstigen in den Art. 8 bis 10 der Verordnung (EG) Nr. 2273 / 2003 niedergelegten Voraussetzungen erfüllen.

425  Begr.

RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 34. in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 120; Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 14 WpHG Rn. 185; a. A. Wehowsky, in: Erbs / Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 14 Rn. 21. 427  Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2273 / 2003 der Kommission vom 22.  Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003 / 6 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprograme und Kursstabilisierungsmaßnahmen. 428  Vgl. Art. 4–6 der Verordnung (EG) Nr. 2273 / 2003. 426  Assmann,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

(2) Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 WpHG Ein weiterer Ausnahmetatbestand findet sich in § 1 Abs. 3 WpHG. Demnach sind die Insiderhandelsregeln nicht anwendbar auf Geschäfte, die aus geld- oder währungspolitischen Gründen oder im Rahmen der öffentlichen Schuldenverwaltung von der Europäischen Zentralbank, dem Bund, einem seiner Sondervermögen, einem Land, der Deutschen Bundesbank, einem ausländischen Staat oder dessen Zentralbank oder einer anderen mit diesen Geschäften beauftragten Organisation oder mit für deren Rechnung handelnden Personen getätigt werden. d) Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand des jeweiligen Verbots erfordert entweder eine vorsätzliche oder leichtfertige Begehungsweise des Insiders. Der Vorsatz des Insiders muss alle objektiven Tatbestandsmerkmale betreffen; hinsichtlich der Kenntnis des Kursbeeinflussungspotentials genügt es, dem Insider nachzuweisen, dass er die Umstände kannte, die die Insiderinformation ausmachen und er es für möglich hielt, dass diese Information in der Lage war, bei ihrer Veröffentlichung den Kurs der Insiderpapiere zu beeinflussen.429 2. Sanktionen und Haftung Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften aus § 14 Abs. 1 WpHG unterliegen den sich aus §§ 38 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4, § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4, Abs. 4 WpHG ergebenden Rechtsfolgen, d. h. sie können entweder eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Überdies kommen auch börsenrechtliche Sanktionen, wie z. B. ein Ruhen oder ein Widerruf der Börsenzulassung in Betracht. Schließlich sind zivilrechtliche Rechtsfolgen nicht ausgeschlossen; die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gestaltet sich in den meisten Fällen jedoch sehr schwierig. a) Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen Die wichtigsten Vorschriften im Zusammenhang mit den straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionen sind § 38 Abs. 1 WpHG und § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG. Sie sehen im Fall der Verwirklichung einer Straftat eine Freiheits- oder Geldstrafe und im Fall der Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße vor. 429  BaFin,

Emittenteleitfaden 2009, III.2.2.2.3, S. 42.



I. Insiderrecht in Deutschland115

aa) Abhängigkeit der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen ­Sanktionen von der Qualifikation des Handelnden als Primäroder Sekundärinsider Durch die Lektüre dieser Vorschriften wird deutlich, dass hier die früher in § 14 WpHG a. F. verankerte Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsider wieder zum Tragen kommt und teilweise zu unterschiedlich strengen Rechtsfolgen für diese beiden Kategorien von Insidern führt. Insofern gilt es zunächst zu unterscheiden, welche Personengruppen unter den Begriff des Primärinsiders und welche Personengruppen unter den Begriff des Sekundärinsiders fallen. Unterschieden wird zwischen Personen, die aufgrund ihrer Position oder ihrer Tätigkeit in einem besonderen Näheverhältnis zum Emittenten stehen oder die eine Insiderinformation durch die Begehung einer Straftat erlangt haben, und solchen Personen, die die Insiderinformation von einem Insider oder auf sonstige Art und Weise erlangt haben. Die Begrifflichkeiten des Primär- und Sekundärinsiders, die sich zum alten Recht entwickelt haben, werden für diese beiden Personengruppen weiterhin gebraucht. (1) Primärinsider Die sog. Primärinsider sind die in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a-d WpHG aufgeführten Personen. Mit Ausnahme der in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG genannten Personen zeichnen sich die Primärinsider durch ihre besondere Nähe zum Emittenten aus. Allen Primärinsidern ist gemeinsam, dass die Insiderinformationen, zu denen sie Zugang haben, sich nur auf den Emittenten oder ein verbundenes Unternehmen im Sinne des § 15 AktG beziehen dürfen. Im Hinblick auf Insiderinformationen in Bezug auf ein drittes Unternehmen wären sie allein Sekundärinsider. (a) Organinsider Zunächst nennt § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpHG die sog. Organinsider.430 Unter diesen Begriff fallen die Mitglieder des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans und die persönlich haftenden Gesellschafter des Emittenten sowie eines mit dem Emittenten verbundenen Unternehmens im Sinne des § 15 AktG Die Rechtsform des Unternehmens spielt dabei keine Rolle, Voraussetzung ist nur, dass es entweder Insiderpapiere emittiert, wie z. B. eine offene Handelsgesellschaft, die Insiderpapiere in Form von Schuldver430  Vgl.

Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 222.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

schreibungen emittiert431, oder mit einem solchen Emittenten verbunden ist.432 Darunter fallen daher vor allem die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, aber auch eine Offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft, so dass zu den typischen Organinsidern die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft, die Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft und die Komplementäre der Kommanditgesellschaft zählen.433 Der Begriff des verbundenen Unternehmens richtet sich nach den Vorschriften der §§ 15 ff. AktG, d. h. es fallen darunter unter anderem den Emittenten beherrschende und von ihm abhängige Unternehmen, sowie auch Konzernunternehmen.434 Die aufgezählten Personen müssen die Insiderinformation als Mitglied des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans oder als persönlich haftender Gesellschafter erhalten haben, um als Organinsider qualifiziert zu werden. Fehlt diese Kausalität, d. h. die Möglichkeit, die Insiderinformation gerade aufgrund der Stellung im Unternehmen zu erlangen, so entfällt auch die aus dieser unmittelbaren Kenntnisnahmemöglichkeit folgende Klassifika­tion als Primärinsider in Verbindung mit den entsprechenden Rechtsfolgen.435 Mit einem Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot durch einen Organmitglied einer Aktiengesellschaft hatte sich das Landgericht Augsburg im Jahre 2003 zu befassen.436 Der Vorstand der Infomatec AG machte sich sein in seiner Funktion als Vorstand erlangtes Wissen um eine Berichtigung einer Ad-hoc-Mitteilung und eine bevorstehende Korrektur der Umsatzzahlen der Infomatec AG zunutze und verkaufte eine große Anzahl seiner Aktien. Die Infomatec AG hatte zuvor durch Ad-hoc-Mitteilung einen Großauftrag bekannt gegeben. Der angeklagte Primärinsider verkaufte direkt nach Bekanntgabe dieser Information Aktien aus seinem Depot, da er wusste, dass das Geschäft in wirtschaftlicher und juristischer Hinsicht äußerst fragwürdig war und aus Sicht der Infomatec bei weitem nicht so erfreulich, wie in der 431  Vogel,

in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 14. in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 222. 433  Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, § 107 Rn. 66; auch fehlerhaft bestellte Mitglieder des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans bzw. fehlerhafte persönlich haftende Gesellschafter fallen nach h. M. in den Anwendungsbereich des § 38 Abs. 1 Nr. 2a WpHG, da es aus Sicht der Anleger keinen Unterschied macht, ob die Bestellung eines Organmitglieds, das gegen ein Insiderhandelsverbot verstößt, wirksam oder unwirksam ist, vgl. statt vieler Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 13. 434  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.3.2.1, S. 43. 435  Schröder, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmaerktgesetze, § 38 WpHG Rn. 43. 436  LG Augsburg, Urt. v. 27.11.2003 – 3 KLs 502 Js 127369 / 99, NStZ 2005, 109 ff. (Infomatec). 432  Hilgendorf,



I. Insiderrecht in Deutschland117

Ad-hoc-Mitteilung angegeben, so dass es, falls diese Umstände bekannt würden, zu einem Kurseinbruch kommen würde. Der Angeklagte verkaufte auch nach einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung über einen Auftrag über 55 Millionen Euro, der jedoch tatsächlich nur ein Volumen von 7,7 Millionen Euro hatte, Aktien aus seinem Depot und machte sich durch sein Verhalten wegen Insiderhandels strafbar. (b) Anteilsinsider Als zweite Gruppe der Primärinsider werden in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WpHG die sog. Anteilsinsider genannt. Dies sind diejenigen, die eine Beteiligung am Kapital des Emittenten oder eines mit dem Emittenten verbundenen Unternehmens haben. Erfasst sind alle Aktionäre bzw. Gesellschafter unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung.437 Handelt es sich beim Inhaber des Anteils um eine juristische Person, so kann deren Primärinsiderstellung über § 14 StGB auf natürliche Personen mit entsprechender Stellung in der juristischen Person übertragen werden.438 Sind die Beteiligungen am Kapital des Emittenten nur mittelbar, so sind sie nur in den Anwendungsbereich einbezogen, wenn es sich um Beteiligungen an verbundenen Unternehmen handelt.439 Auch bei dieser Gruppe von Primärinsidern gibt es ein Kausalitätserfordernis, d. h. die Insiderinformation muss aufgrund der Beteiligung am Kapital des Emittenten oder des verbundenen Unternehmens in die Hände des Anteilseigners gelangt sein.440 Als Beispiel für die Begehung einer Insiderstraftat durch einen Anteilsinsider kann hier das bereits an anderer Stelle erwähnte Pongs & ZahnUrteil des OLG Düsseldorf herangezogen werden.441 Die wirtschaftlich angeschlagene Pongs & Zahn AG verkaufte im Rahmen eines Sanierungsprogrammes einen Großteil ihrer Aktien an einen Interessenten. Der Angeklagte, der teils für eigene, teils für fremde Rechnung über 25  % der Stammaktien der Pongs & Zahn AG verfügen konnte, war an den Sanierungsverhandlungen beteiligt und erwarb noch vor dem Vollzug und öffentlicher Bekanntmachung des Verkaufs des Aktienpakets in Kenntnis des 437  BaFin,

Emittentenleitfaden 2009, III.2.3.2.2, S. 43. in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 8; Altenhain, KölnKomm WpHG, § 38 Rn. 50. 439  Zimmer / Cloppenburg, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 38 WpHG Rn. 6. 440  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.3.2.2, S. 43, die als Bespiel die Befragung eines Großaktionärs durch den Emittenten anführt, der wissen möchte, ob der Großaktionär bei einer geplanten Kapitalerhöhung seine Bezugsrechte ausüben wird. 441  OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.7.2004 – III-5 Ss 2 / 04 – 13 / 03 I, AG 2005, 44 f. (Pongs & Zahn). 438  Vogel,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

positiven Verhandlungsstandes Aktien der Pongs & Zahn AG. Durch den auf die positive Mitteilung hin ansteigenden Aktienkurs erzielte er einen erheblichen Gewinn. (c) Berufs-, Tätigkeits- und Aufgabeninsider § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG beschäftigt sich mit den Berufs-, Tätigkeits- oder Aufgabeninsidern. Demnach ist Insider, wer aufgrund seines Berufs, seiner Tätigkeit oder seiner Aufgabe bestimmungsgemäß Kenntnis von einer Insiderinformation erlangt. Dieser Tatbestand ist sehr weit gefasst und wird im Allgemeinen als Auffangtatbestand gegenüber § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und b WpHG gesehen. Die Berufsinsider sind die dem Unternehmen angehörenden Berufsgruppen und zwar unabhängig von ihrer Stellung im Unternehmen. Das Landgericht Bonn hatte im Jahre 2009 über den Verstoß gegen § 14 WpHG durch einen Berufsinsider zu entscheiden.442 Ein damaliger Telekom-Manager informierte einen Bekannten in verschiedenen Fällen über kurserhebliche Ereignisse im Konzern, die er aufgrund seiner Stellung als Manager erlangt hatte. Dazu zählten z. B. die Weitergabe einer Information über eine Gewinnwarnung sowie über die geplante Ausschüttung einer über den Markterwartungen liegenden Dividende. Das Landgericht sah hierin einen Verstoß eines Berufsinsiders gegen das Weitergabe- und Empfehlungsverbot. Alle nicht dem Emittenten oder einem verbundenen Unternehmen angehörenden Personen fallen unter den Begriff der Aufgaben- bzw. Tätigkeitsinsider.443 Erwähnenswert ist dabei, dass diese Personen unabhängig von einem Vertragsverhältnis zum Emittenten oder einem verbundenen Unternehmen als Insider qualifiziert werden.444 Neben dem bereits bei den Organ- und Anteilsinsidern erwähnten Kausalitätserfordernis, welches es auch hier bedarf, wird die Weite des Anwendungsbereichs insbesondere dadurch begrenzt, dass die Kenntniserlangung in Bezug auf die Insiderinformation bestimmungsgemäß erfolgen muss. Daraus folgt, dass Personen, die die Insiderinformation rein zufällig oder bei Gelegenheit erlangen, keine Primärinsider sein können. Als Beispiele werden hier oft der Taxifahrer genannt, der ein vertrauliches Gespräch seiner Fahrgäste, die z. B. Vorstandsmitglieder eines Unternehmens sind, mit442  LG

Bonn, Urt. v. 27.3.2009 – 27 KLs 11 / 08, BeckRS 2009, 25769 (Telekom). in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 WpHG Rn. 58. 444  H. M. vgl. Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 72. 443  Schröder,



I. Insiderrecht in Deutschland119

hört oder die Putzfrau, die beim Säubern der Büroräume ein vertrauliches Schreiben im Papierkorb oder auf dem Schreibtisch des Insiders sieht.445 Ebenfalls nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind Personen, die Insiderinformationen widerrechtlich erlangen.446 Hier kann wiederum auf das Bespiel der Putzfrau zurückgegriffen werden, die jedoch in diesem Fall einen vertraulichen Brief öffnet, sich damit einer Verletzung des Briefgeheimnisses gem. § 202 StGB strafbar macht und deshalb unter § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG fällt. Auch Familienmitglieder, Lebensgefährten, Angehörige und Freunde des Primärinsiders sind keine Primärinsider, da sie die Insider­ information nicht bestimmungsgemäß, sondern gerade aufgrund ihrer privaten Verbindung erlangen.447 Sowohl bei den Berufsinsidern als auch Tätigkeits- und Aufgabeninsidern kommt es somit auf eine Bestimmung im Einzelfall an, ob eine besondere Nähe zu Insiderinformationen besteht und Insiderinformationen aufgrund dieser bestimmungsgemäß erlangt werden können. Bei Berufsinsidern ist dies je nach Strukturierung des Unternehmens zu bestimmen. In Betracht kommen z. B. Angestellte in Stabsfunktionen, in Bereichen wie Finanzen, Planung, Recht und Steuern sowie dem Vorstandssekretariat. Es können jedoch im Einzelfall auch Aushilfskräfte oder Schreibkräfte erfasst sein, wenn es einen konkreten Fall gib, in dem, wenn auch nur übergangsweise, eine besondere Nähe zu Insiderinformationen besteht.448 Insofern kann an dieser Stelle nochmals das Beispiel des Vorstandschauffeurs angeführt werden. Handelt es sich bei diesem um einen externen Taxifahrer, so erlangt er Insiderinformationen nicht bestimmungsgemäß, handelt es sich jedoch um einen angestellten Fahrer, dessen Aufgabe es ist, die Vorstände des Unternehmens zu fahren, so ist damit zu rechnen, dass er im Rahmen dieses Berufes Kenntnis von Insiderinformationen aus Gesprächen, Telefonaten etc. erlangt, so dass dieser als Primärinsider anzusehen ist.449 Zu den Tätigkeitsinsidern zählen diejenigen Berufsgruppen, die regelmäßig mit Insiderinformationen in Kontakt geraten, z. B. Rechtsanwälte, Steuerberater, Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer, Notare, Mitarbeiter von Kreditinstitute, Aufsichtsbehörden, Regierungsmitglieder etc.450 Auch hier gilt, dass die konkrete Tätigkeit im Einzelfall eine besondere Nähe zu Insiderinformationen mit sich bringen muss. Ob auch Finanzanalysten und 445  BaFin,

Emittentenleitfaden 2009, III.2.3.2.3, S. 43. in: KölnKomm WpHG, § 38 Rn. 72. 447  Fischer zu Cramburg / Royé, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 38 WpHG Rn. 2 a. E. 448  BaWe / Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote, S. 18. 449  Merkner / Sustmann, NZG 2005, 729 (733). 450  Assmann, AG 1994, 237 (239 f.), Hopt, ZHR 195 (1995), 135 (145). 446  Altenhain,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Wirtschaftsjournalisten zu den Primärinsidern zählen, ist umstritten.451 Überwiegend wird angenommen, dass die Informationserlangung Gegenstand ihrer Tätigkeit ist und somit gerade nicht bei Gelegenheit erfolgt.452 Das AG Mannheim entschied im Jahre 2006 über den Fall der Weitergabe von Insiderinformationen durch einen Tätigkeitsinsider. Eine Rechtsanwältin einer großen Kanzlei, die bei dem Übernahmeverfahren der GeneScan Europe AG (GeneScan) durch die Eurofins Scientific S.A. (Eurofins) auf Seiten der Eurofins mitwirkte, gab vor Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung über die Zustimmung des Vorstand der GeneScan zur Übernahme die Information über die anstehende Übernahme an ihren Lebensgefährten weiter, der daraufhin Aktien der GeneScan kaufte und nach Veröffentlichung des Übernahmevorhabens gewinnbringend verkaufte.453 Beide wurden wegen Insiderhandels verurteilt. (d) Kriminalinsider Die letzte Gruppe der Primärinsider bilden gem. § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG die Kriminalinsider. Dies sind Personen, die im Zuge der Begehung oder Vorbereitung einer Straftat Insiderinformationen erlangen. Vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes454 und den Vorgaben in der Marktmissbrauchsrichtlinie455 muss der Insider selbst an der Vorbereitung oder Begehung einer Straftat beteiligt sein.456 In Betracht kommt jede denkbare Straftat. In der Praxis relevant sind vor allem Eigentumsdelikte, Vermögensdelikte und Daten- und Persönlichkeitsschutzdelikte, wobei die Vorbereitung oder Begehung dieser Straftaten ebenfalls eine Insiderinformation darstellen kann.457 Eine Ansicht in der Literatur fordert vor dem Hintergrund der einschränkenden Auslegung der anderen Insidertatbestände, dass das kriminelle Verhalten gerade der Informationsbeschaffung dienen muss, so dass Zufallsfun451  Für eine Qualifikation als Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 246; Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 75; gegen eine solche Qualifikation Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38  Rn. 31. 452  Vgl. z. B. Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 246. 453  AG Mannheim, unveröffentlichtes Urteil, Kurzusammenfassung in BaFin, Jahresbericht 2006, S. 167. 454  Vgl. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 40. 455  Vgl. Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. d. 456  H. M. vgl. Zimmer / Cloppenburg, in: Schwark / Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, § 38 WpHG Rn. 9. 457  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.3.2.4, S. 44.



I. Insiderrecht in Deutschland121

de z. B. im Rahmen eines Diebstahls nicht in den Anwendungsbereich fallen.458 Die Gegenansicht zeigt auf, dass dies im Gesetzeswortlaut nicht angelegt ist, da diesem eine begriffliche Einschränkung durch ein Wort wie „bestimmungsgemäß“ fehle.459 Das Amtsgericht Frankfurt sowie das Landgericht Frankfurt hatten sich mit einem Fall auseinanderzusetzen, in dem ein freier Mitarbeiter eines Unternehmens, das unter anderem Veröffentlichung und Verbreitung von Ad-hoc-Dienstleistungen anbietet, in den Geschäftsräumen des Unternehmens einen Chip entwendete, mit dessen Hilfe er von jedem Internet-Anschluss auf das EDV-Systems des Unternehmens zugreifen und sich einen Überblick über die zur Veröffentlichung anstehenden Ad-hoc-Mitteilungen machen konnte. Aufgrund dieser Informationen handelte er mit Aktien und Optionen verschiedener börsennotierter Unternehmen und wurde wegen Insiderhandels bestraft.460 Hier handelte es sich um einen Kriminalinsider, der den Chip entwendete, um an die begehrten Insiderinformationen zu gelangen. In Abgrenzung zum oben erörterten Tätigkeitsinsider erlangte er trotz seiner Stellung als freier Mitarbeiter des Unternehmens die Insiderinformationen nicht bestimmungsgemäß im Rahmen seiner Tätigkeit, sondern durch Diebstahl. (2) Sekundärinsider § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG nimmt Bezug auf die sog. Sekundärinsider. Als Sekundärinsider werden alle diejenigen Personen bezeichnet, die nicht Primärinsider sind, d. h. die eine Insiderinformation auf sonstige Weise erlangt haben.461 Zu diesem Personenkreis zählt z. B. der oben genannte Taxifahrer, der Gespräche seiner Fahrgäste mithört sowie Familienangehörige und Freunde, die zufällig mit der Insiderinformation in Kontakt kommen. Auch Angestellte, die den ihnen eingeräumten Informationszugang überschreiten, wie z. B. die Putzfrau, die ein vertrauliches Schreiben im Papierkorb eines Primärinsiders findet, werden zu Sekundärinsidern.462 Dabei ist es irrelevant, durch wie viele Hände die Information bereits gegangen ist und ob der Sekundärinsider die Information gewollt oder ungewollt er458  Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 39; Waßmer, in: Fuchs, WpHG, § 38 Rn. 23; Schröder, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 WpHG Rn. 67. 459  Zimmer / Cloppenburg, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 38 WpHG Rn. 9; Altenhain, in: KölnKomm WpHG, § 38 Rn. 77. 460  AG Frankfurt a. M., LG Frankfurt a. M., unveröffentlichte Urteile, Kurzusammenfassung in BaFin, Jahresbericht 2005, S. 159 f. 461  Vgl. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 40. 462  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.4, S. 45 f. mit einem weiteren Beispiel.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

fährt.463 Erwähnenswert ist schließlich, dass Personen, die selbst nicht über Insiderkenntnisse verfügen, und nur aufgrund einer Empfehlung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG Wertpapiergeschäfte vornehmen, nicht als Sekundärinsider klassifiziert werden können.464 Als Beispiel ist an dieser Stelle nochmals das bereits genannte TelekomUrteil des Landgerichts Bonn anzuführen. Der Bekannte des Telekom-Managers, der die Insiderinformationen von diesem erlangte, und auf Basis dieser Informationen Optionen auf die Telekom-Aktie kaufte, ist ein typischer Sekundärinsider. bb) Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen im Einzelnen (1) Freiheitsstrafe, Geldstrafe, Bußgeld, Verfall Aus der erläuterten Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsider ergeben sich für beide Personengruppen unterschiedliche Rechtsfolgen. Ein Primärinsider macht sich strafbar, wenn er vorsätzlich ein Insiderpapier erwirbt oder veräußert, eine Insidertatsache unbefugt mitteilt oder zugänglich macht oder den Erwerb oder die Veräußerung eines Insiderpapiers empfiehlt oder einen anderen dazu auf sonstige Weise verleitet. Strafrechtliche Konsequenzen hat ein Sekundärinsider hingegen nur für den Fall zu befürchten, dass er vorsätzlich Insiderpapiere erwirbt oder veräußert. In diesem Fällen wird eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe gegen Primär- und Sekundärinsider verhängt. Teilt ein Sekundärinsider eine Insidertatsache unbefugt mit oder verschafft Zugang zu dieser, oder empfiehlt er den Erwerb oder die Veräußerung eines Insiderpapiers oder verleitet auf sonstige Weise dazu, und tut er dies vorsätzlich oder leichtfertig, so begeht er gem. § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG lediglich eine Ordnungswidrigkeit. Gleiches gilt für den Primärinsider, der nicht vorsätzlich, sondern leichtfertig gegen das Weitergabeverbot oder das Empfehlungs- und Verleitungsverbot verstößt.465 Eine solche Ordnungswidrigkeit kann gem. § 39 Abs. 4 WpHG mit einer Geldbuße von bis zu 200.000 Euro geahndet werden. 463  Hopt,

in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 77. in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 252. 465  Würde man § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG im Fall des leichtfertigen Handelns nicht auch auf den Primärinsider anwenden, was wegen des offenen Wortlauts des § 39 Abs. 2 WpHG, der gerade keinen Bezug allein auf Sekundärinsider nimmt, möglich ist, so würde dieser gegenüber dem Sekundärinsider ungerechtfertigt privilegiert, vgl. Cahn, Der Konzern 2005, 5 (13). 464  Hilgendorf,



I. Insiderrecht in Deutschland123

Verstoßen Primär- oder Sekundärinsider leichtfertig gegen das Erwerbsoder Veräußerungsverbot, so droht gem. § 38 Abs. 4 WpHG nur eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Eine Frage, die im Rahmen der Rechtsfolgen ebenfalls Beachtung finden sollte ist die mögliche Festsetzung einer Verbandsgeldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung, wenn z. B. ein Mitglied des Vorstands gegen das Verbot von Insidergeschäften verstoßen hat. Grundsätzlich gilt in Deutschland das persönliche Schuldprinzip, jedoch ermöglicht § 30 OWiG unter besonderen Voraussetzungen auch eine gegen die juristische Person gewandte Geldbuße. Voraussetzung dafür ist, dass der Vertreter oder das Organmitglied der juristischen Person eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit als sog. Anknüpfungstat begangen hat. Durch diese müssen betriebsbezogene Pflichten der juristischen Person verletzt oder die juristische Person muss durch die Anknüpfungstat bereichert worden sein. Die Straftaten des § 38 WpHG sowie die Ordnungswidrigkeiten des § 39 WpHG werden allgemein alle als taugliche Anknüpfungstat betrachtet.466 Allerdings setzt § 30 OWiG auch voraus, dass der Täter „als“ Organmitglied oder Vertretungsberechtigter gehandelt haben muss. Dies wird bei Insidergeschäften, nur dann angenommen werden können, wenn diese zumindest auch im Interesse der juristischen Person getätigt werden.467 Da Insidergeschäfte meist ausschließlich im eigenen Interesse des Handelnden durchgeführt werden, wird eine Verbandsgeldbuße deshalb selten in Betracht kommen. Da das Wertpapierhandelsgesetz keine genauen Angaben zur Höhe der Geldstrafe macht, ist auf die allgemeine Vorschrift des § 40 Abs. 1 StGB zurückzugreifen. Eine Geldstrafe kann demnach höchstens 360 Tagessätze betragen, wobei gem. § 40 Abs. 2 S. 3 StGB ein Tagessatz mindestens einen und höchstens 30.000 Euro betragen darf. Genau wie die Höhe der Geldstrafe ist auch der Verfall nicht im Wertpapierhandelsgesetz geregelt, so dass auch hier die allgemeinen Vorschriften der §§ 73 ff. StGB bzw. § 29a OWiG Anwendung finden. Nach der bisher herrschenden Auffassung unterlag das Erlangte, d. h. die vom Täter durch verbotenen Insiderhandel nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG erlangten Insiderpapiere oder das erlangte Geld in vollem Umfang dem Verfall.468 466  Vgl. Eggers, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 1, Vorbemerkungen, Rn. 37; Waßmer, in: Fuchs, WpHG, Vor § 38 Rn. 34. 467  Waßmer, in: Fuchs, WpHG, Vor § 38 Rn. 36; Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 78. 468  Sog. Bruttoprinzip, vgl. Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 38 WpHG Rn. 282; Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 128.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Dabei konnte der für den Erwerb aufgewendete Kaufpreis oder der Wert der veräußerten Wertpapiere nicht abgezogen werden.469 Auch war nach allgemeiner Ansicht keine Beschränkung dahingehend vorzunehmen, dass der Verfall sich nur auf den Sondervorteil beziehen sollte, der aus dem Insidergeschäft resultiert, weil die Insiderinformation noch nicht öffentlich bekannt war.470 Der BGH hat sich in einem neueren Urteil jedoch der Gegenansicht angeschlossen und verlangt nun eine Beschränkung des Verfalls auf einen solchen Sondervorteil.471 (2) Strafrechtliches Berufsverbot Neben den allgemeinen strafrechtlichen Rechtsfolgen in Form einer Freiheits- oder Geldstrafe droht einem Insider auch die Verhängung eines Berufsverbots nach § 70 StGB, wenn der Täter die Tat unter Missbrauch seines Berufes oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat. Der Täter muss die ihm durch Beruf oder Gewerbe gegebene Möglichkeit bei seiner Berufsausübung bewusst und planmäßig, d. h. vorsätzlich, zur Begehung einer Straftat ausnutzen.472 Bei Insiderstraftaten eines Ersttäters dürfte ein Berufsverbot jedoch fast nie in Betracht kommen, und auch sonst hat es in der Regel geringe praktische Relevanz, weil die strafbewehrte Handlung nicht in einem inneren Zusammenhang mit den beruflichen Aufgaben des Täters steht.473 b) Börsenrechtliche Sanktionen Im Fall von Insiderhandel kommen überdies börsenrechtliche Sanktionen in Betracht. Zu denken ist zum einen an § 22 Abs. 2 BörsG, der es dem Sanktionsausschuss der Börse ermöglicht, bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen gegen börsenrechtliche Vorschriften einen Verweis zu erteilen, ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zu verhängen oder den Täter für 30 Sitzungstage von der Börse auszuschließen. Die herrschende Meinung verneint jedoch die Anwendbarkeit dieser Sanktionen auf Fälle des Insiderhandels mit dem Argument, bei den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes handele es sich nicht um börsenrechtliche Vorschriften 469  Vogel,

in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 92. LG Augsburg, NStZ 2005, 109 (111). 471  Vgl. BGH, NJW 2010, 882 (883); diese Ansicht bereits vorher vertretend: Hohn, wistra 2003, 321 (323). 472  Athing / Bockemühl, in: MüKo StGB, § 70 Rn. 9. 473  Hilgendorf, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 38 Rn. 283; ebenso Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 96. 470  Vgl.



I. Insiderrecht in Deutschland125

im Sinne des § 22 Abs. 2 BörsG.474 Da jedoch Insiderhandel die börsenrechtliche Zuverlässigkeit des Täters berührt, kann die Geschäftsführung der Börse gem. § 19 Abs. 8 S. 1 WpHG ein Ruhen der Börsenzulassung bis zu sechs Monaten anordnen. Im Fall der rechtskräftigen Feststellung eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 WpHG kann die Zulassung sogar widerrufen werden.475 c) Zivilrechtliche Haftung Wie bereits im Rahmen des Schutzzweckes des Insiderhandelsverbots erörtert, dient dieses unmittelbar dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und nur mittelbar dem Schutz der Anleger. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass § 14 Abs. 1 WpHG von vornherein nicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden kann. Die Frage, ob § 14 Abs. 1 WpHG ein Schutzgesetz darstellt und ob Anlegern damit die Möglichkeit eröffnet wird, individuell Schadensersatz zu verlangen, wird jedoch in der Literatur überwiegend verneint.476 Selbst wenn man den Schutzgesetzcharakter bejahen würde, stünden der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches erhebliche Beweisschwierigkeiten entgegen. Zwar ist es mittlerweile aufgrund von Order-Routing-Systemen leichter, den Vertragspartner des Insiders zu identifizieren.477 Jedoch hat der Anleger stets noch die Kausalität zwischen dem Insiderhandel und seinem Schaden im Sinne des §§ 249 ff. BGB zu beweisen, was ihm in den wenigsten Fällen gelingen wird, da er bereits zum Kauf von Wertpapieren entschlossen und es nur eine Frage des Zufalls war, dass er diese von einem Insider und nicht 474  Beck, in: Schwark, § 22 BörsG Rn. 19; Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 129; noch zu § 20 BörsG a. F. Marxen, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 20 BörsG Rn. 10; a. A. Vogel, in: Assmann /  Schneider, WpHG, § 38 Rn. 97. 475  Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 97. 476  Vgl. z. B. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 13.198; in diese Richtung gehend auch Rothendörfer, in: Kümpel / Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.460; Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 114; Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 133; a. A. noch Claussen, DB 1994, 27 (31); Assmann, AG 1994, 237 (250); als Streit theoretischer Natur bezeichnet von Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 24 Rn. 209; offen gelassen Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rn. 97; auf Basis einer Unterscheidung nach positiver und negativer Insiderinformation für einen partiellen Schutzgesetzcharakter plädierend Grechenig, Schadensersatzpflicht bei Verletzung von § 14 WpHG?, S. 14 ff. 477  Vgl. zu den neuen AGB für Wertpapiergeschäfte Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 114; Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 133.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

von einem anderen Anleger gekauft hat.478 Einen Schaden könnte der Anleger nur in dem Fall geltend machen, in dem ihm der Beweis gelingt, dass der streitgegenständliche Wertpapierhandel vor Veröffentlichung der Insider­ information ohne den Insider als Vertragspartner nicht zustande gekommen wäre und er später zu günstigeren Konditionen hätte handeln können.479 Die Ablehnung des Schutzgesetzcharakters des § 14 Abs. 1 WpHG führt aber nicht dazu, dass auch Schadensersatzansprüche, die auf allgemeine zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt werden können, ausgeschlossen sind. Denkbar ist z. B. eine aus einem Verstoß gegen §§ 76, 93, 116 AktG resultierende Schadensersatzpflicht, wenn ein Organmitglied Insiderhandel betreibt oder ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, wenn dessen besondere Voraussetzungen vorliegen sollten.480 Ein Fall des § 826 BGB kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Situa­tion des Frontrunning vorliegt. Erfährt ein Kundenberater von einer Order eines Kunden, die so umfangreich ist, dass sie sich erheblich auf den Kurs der jeweiligen Wertpapiere auswirken wird, und kauft der Kundenberater in diesem Wissen vor Ausführung der Order selbst in kurserheblichem Umfang die entsprechenden Wertpapiere, so schädigt er durch die Kursbewegung vorsätzlich seinen Kunden, obwohl er zu dessen Interessenwahrung verpflichtet ist.481 3. Präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Insidergeschäften Auch wenn der insiderrechtliche Verbotstatbestand bzw. dessen Rechtsfolgen, die in den meisten Fällen eine Geld- oder sogar eine Freiheitsstrafe zur Folge haben können, nicht nur eine repressive, sondern aufgrund ihres Abschreckungseffekts in einem gewissen Maße auch eine präventive Wirkung haben, ist diese Wirkung allein nicht effektiv genug, um Insiderhandel bereits auf präventiver Ebene zu bekämpfen. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber im Wertpapierhandelsgesetz verschiedene Maßnahmen zur Verhinderung von Insidergeschäften vorgesehen, die genau auf dieser präventiven Ebene ansetzen. 478  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 209; Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 133; a. A. Hopt, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rn. 114, der eine Berufung auf eine spätere Schädigung durch einen rechtmäßigen Dritten nicht anerkennen will. 479  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 209. 480  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 211 m. w. N. 481  Vgl. Sethe, in; Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 134.



I. Insiderrecht in Deutschland127

Die wichtigsten Maßnahmen, d.  h. die Ad-hoc-Publizitätspflicht, die Pflicht zur Meldung von Directors’ Dealings sowie die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. a) Ad-hoc-Publizität Der Gesetzgeber erlegt dem Emittenten im Zuge der Einführung präventiver Maßnahmen zur Verhinderung von Insidergeschäften eine sog. Ad-hocPublizitätspflicht auf. Diese verpflichtet einen Emittenten von Finanzinstrumenten, solche Insiderinformationen unverzüglich zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betreffen. Durch diese Verpflichtung wird die Schaffung eines gleichen Informationsstandes der Marktteilnehmer durch eine schnelle und gleichmäßige Unterrichtung des Markts bezweckt, damit sich aufgrund einer fehlerhaften oder unvollständigen Unterrichtung des Markts keine unangemessenen ­Börsen- oder Marktpreise bilden und die Transparenz und damit auch die Funktionsfähigkeit des Markts gewährleistet sind.482 Übertragen auf die Funktion der Ad-hoc-Publizität als Präventivmaßnahme zur Eindämmung von Insidergeschäften bedeutet dies eine Verkürzung des Zeitraums, in dem eine Insiderinformation potentiell nur Insidern bekannt sein kann. Dadurch wird die Möglichkeit dieser Insider, ihren Wissensvorsprung für Insidergeschäfte auszunutzen, und damit vor allem auch eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu begehen, zeitlich beschränkt. aa) Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (1) Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 WpHG § 15 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 WpHG beschreibt die grundsätzliche Ad-hocPublizitätspflicht. Demnach hat ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich zu veröffentlichen. Zu beleuchten sind somit der Begriff des Inlandsemittenten von Finanzinstrumenten sowie die Frage, welche Arten von Insiderinformationen den Emittenten unmittelbar betreffen. (a) Inlandsemittent von Finanzinstrumenten Was unter dem Begriff des Inlandsemittenten zu verstehen ist, bestimmt § 2 Abs. 7 WpHG. Demnach sind Inlandsemittenten zum einen Emittenten, 482  BaFin,

Emittentenleitfaden 2009, IV.1, S. 47.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, mit Ausnahme solcher Emittenten, deren Wertpapiere lediglich in einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw. Vertragsstaat des EWR zugelassen sind, soweit sie in diesem anderen Staat Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten gemäß der Transparenzrichtlinie 2004 / 109 / EG unterliegen (§ 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG). Zum anderen fallen unter den Begriff solche Emittenten, für die ein anderer EU- oder EWR-Staat der Herkunftsstaat ist, deren Wertpapiere aber nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG). § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG ist darüber hinaus zu entnehmen, dass ein Emittent als Inlandsemittent angesehen wird, wenn der Herkunftsstaat des Emittenten Deutschland ist, seine Wertpapiere aber in mehreren EU- oder EWRStaaten, nicht aber in Deutschland, zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.483 Der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegt er somit nur in seinem Sitzstaat, d. h. im vorliegenden Fall Deutschland, und zwar auch dann, wenn in diesem keine Börsenzulassung besteht. Die Bezugnahme auf den Begriff des Inlandsemittenten beruht auf dem durch die Transparenzrichtlinie auf europäischer Ebene eingeführten Herkunftsstaatsprinzip. Es dient der Durchsetzung des in dieser Richtlinie und deren Durchführungsrichtlinie niedergelegten neuen Publikations- und Mitteilungsregimes, dessen Kernelemente die Veröffentlichung einer Insiderinformation durch europaweite Verbreitung, die Speicherung der veröffentlichten Insiderinformation in einem zentralen Speicherungssystem und die diesbezüglichen Mitteilungen an die Aufsichtsbehörde darstellen.484 Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass sich ein Emittent in der Regel nur mit einer Rechtsordnung und einer Aufsichtsbehörde beschäftigen muss und es somit nicht zu Mehrfachveröffentlichungen nach Maßgabe verschiedener Rechtsordnungen kommt.485 Beide in § 2 Abs. 7 WpHG genannten Varianten stellen auf einen organisierten Markt ab und klammern somit, anders als der bereits genannte § 12 S. 1 Nr. 1 WpHG, den Freiverkehr aus.486 Hinter dieser Handhabung steht folgende Überlegung des Gesetzgebers: Die Einbeziehung von Wertpapieren eines Emittenten kann auch ohne dessen Zustimmung geschehen. Würde man auch die in den Freiverkehr einbezogenen Emittenten mit der Publizitätspflicht belasten, so würde man diesen Pflichten auferlegen, die aus einer ihnen nicht zuzurechnenden Handlung herrühren.487 483  Hutter / Kaulamo,

NJW 2007, 471 (473); Nießen, NZG 2007, 41 (42). in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 1. 485  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV.2.1.1.1, S. 48. 486  Unstr. vgl. Geibel / Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rn. 41. 484  Assmann,



I. Insiderrecht in Deutschland129

Der Zulassung zu einem organisierten Markt steht gem. § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG bereits der Antrag auf Zulassung gleich. Hinsichtlich der Finanzinstrumente des Emittenten wird auf die Ausführungen in Kapitel C., I.1.a)aa) verwiesen. 487

(b) Publizitätspflichtige Informationen Ad-hoc-publizitätspflichtig sind Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen. Bereits erörtert wurde, welche Informationen Insiderinformationen darstellen. Zu klären bleibt somit, wann eine solche Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betrifft. Nach § 15 Abs. 1 S. 3 WpHG ist ein unmittelbarere Emittentenbezug insbesondere dann gegeben, wenn sich die Insiderinformation auf Umstände bezieht, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten aufgetreten sind. Der Wortlaut „insbesondere“ macht jedoch deutlich, dass es sich dabei nur um ein Regelbeispiel handelt. Erfasst sind daher auch Insiderinformationen, die außerhalb des Tätigkeitsbereichs des Emittenten eintreten, d. h. von außen kommende Umstände betreffen.488 Den Gegenpart zu den einen Emittenten unmittelbar betreffenden Informationen bilden die den Emittenten nur mittelbar betreffenden Informationen. Um den Emittenten in der Praxis einen Leitfaden an die Hand zu geben, hat das Komitee der Europäischen Aufsichtsbehörden (CESR) einen Beispielkatalog489 herausgegeben, den die BaFin in ihrem Emittentenleitfaden übernommen und erweitert hat. In diesem Katalog sind Informationen aufgelistet, die zwar Insiderinformationen sein können, den Emittenten jedoch lediglich mittelbar betreffen. Dazu zählen z. B. allgemeine Marktstatistiken, allgemeine Zinssatzentwicklungen usw. Bezugspunkt der Insiderinformation kann sowohl der Emittent selbst sein, als auch ein von ihm ausgegebenes Finanzinstrument.490 Einwände gegen diese Auslegung werden insbesondere vor dem Hintergrund gemacht, dass § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG nur von einem Bezug zum Emittenten, nicht aber zu dessen Finanzinstrumenten spricht. Dieselbe Systematik findet sich in der Marktmissbrauchsrichtlinie. 487  Kübler / Assmann,

Gesellschaftsrecht, S. 487. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 35; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV 2.2.2, S. 53. 489  CESR, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR / 02-089d, S. 13 f. 490  Simon, Der Konzern 2005, 13 (15); Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 56; a. A. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV 2.2.2, S. 53; in diese Richtung gehend auch Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 15 Rn. 76. 488  Begr.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Art. 1 Nr. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie stellt als Bezugspunkt der Insider­ information den Emittenten selbst oder dessen Finanzinstrumente zur Verfügung, wohingegen Art. 6 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie im Rahmen der Ad-hoc-Publizität nur Bezug auf den Emittenten selbst nimmt. Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte zu Art. 6 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie sowie Art. 15 Abs. 1 S. 1 WpHG sollte jedoch nicht bezweifelt werden, dass ein unmittelbarer Emittentenbezug im Sinne der Ad-hoc-Publizität auch anzunehmen ist, wenn sich eine Insiderinformation ausschließlich auf Finanzinstrumente des Emittenten bezieht.491 Darüber hinaus ist es nur schwer vorstellbar, was einen Emittenten mehr betreffen sollte als ein Umstand, der seine Finanzinstrumente unmittelbar betrifft, solange diese Betroffenheit nicht ausschließlich auf allgemeinen Marktinformationen beruht.492 Hinsichtlich derivativer Finanzinstrumente ist anzumerken, dass der Emittent nur solche Informationen zu veröffentlichen hat, die ihn selbst unmittelbar betreffen und ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential im Hinblick auf das Derivat haben. Informationen, die lediglich den Emittenten des Basiswertes betreffen, hat er somit nicht zu publizieren.493 Zur Veranschaulichung ist auf den bereits erwähnten Katalog der BaFin zu verweisen, der eine Auflistung kurserheblicher Umstände enthält. Ob im konkreten Fall eine Veröffentlichungspflicht ausgelöst wird, hängt von vielen weiteren Faktoren ab, wie z. B. der Größe und Struktur des Unternehmens, der Wettbewerbssituation etc.494 (aa) Zeitpunkt der Entstehung der Veröffentlichungspflicht Aufgrund des jüngst ergangenen Urteils des EuGH im DaimlerChrysler / Schrempp-Verfahren ist der Zeitpunkt, in dem eine Insiderinformation und damit auch eine Veröffentlichungspflicht des Emittenten entsteht, in Zukunft anders zu beurteilen. Dem Urteil zufolge entstehen Insiderinformationen zu einem früheren Zeitpunkt als bisher angenommen, und somit entsteht auch die Pflicht, solche Insiderinformationen im Wege einer Adhoc-Mitteilung zu veröffentlichen, früher. Zu beachten ist, dass insbesondere bei gestreckten Sachverhalten einerseits bei jedem Zwischenschritt zu prüfen ist, inwieweit dieser eine Insiderinformation darstellen kann. Andererseits darf das Endziel dieses gestreckten Sachverhalts, welches noch in der Zukunft liegt, nicht vergessen werden. Diesbezüglich ist stets von neu491  Simon,

Der Konzern 2005, 13 (15). in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 56. 493  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV 2.2.2, S. 55. 494  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV2.2.4, S. 55 f. 492  Assmann,



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em zu prüfen, ob dessen Verwirklichung überwiegend wahrscheinlich ist und dieses auch die sonstigen Voraussetzungen einer Insiderinformation erfüllt. Diese Zweiteilung und die damit einhergehende erhöhte Bedeutung der Zwischenschritte kann dazu führen, dass sowohl bzgl. eines Zwischenschritts als auch bzgl. des eigentlichen Endziels eine Publizitätspflicht entsteht. Aufgrund dessen befürchten manche, dass die soeben geschilderte Rechtslage zu einer Flut von Ad-hoc-Mitteilungen führen wird.495 Andere sehen dies weniger kritisch, weil das Kursbeeinflussungspotential des Endziels sich ihrer Ansicht nach oftmals in dem Moment erschöpfen werde, in dem ein Zwischenschritt publik gemacht wird.496 Darauffolgende Schritte bis zum Endziel würden für die Anleger nicht mehr dieselbe Bedeutung und weniger bzw. kein Kursbeeinflussungspotential haben, so dass diesbezüglich eine Publizitätspflicht gar nicht entsteht. (bb) U  nternehmensinterne Informationen mit unmittelbarem Emittentenbezug Die unternehmensinternen Informationen bzw. Umstände finden in § 15 Abs. 1 S. 3 WpHG Erwähnung. Es handelt sich dabei um im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Umstände, die nach dem Gesetzeswortlaut stets unmittelbaren Emittentenbezug haben. Zu den im Tätigkeitsbereich des Emittenten auftretenden Umständen zählen Maßnahmen der Geschäftsleitung und die Akte anderer Organe des Emittenten, ob sie sich nun innerhalb oder außerhalb des räumlich-betrieblichen Bereichs des Unternehmens zugetragen haben.497 Dazu gehören z. B. Geschäftsabschlüsse des Emittenten, Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse oder Strukturmaßnahmen.498 Darüber hinaus können auch interne Planungen, Strategien und Absichten zu den veröffentlichungspflichtigen unternehmensinternen Umständen zählen – und zwar unabhängig davon, ob diese zum gewünschten Erfolg führen –, wenn diese die Voraussetzungen einer Insiderinformation erfüllen.499 In den Tätigkeitsbereich des Emittenten fallen schließlich solche kursrelevanten Umstände, die bei einem seiner Konzernunternehmen eingetreten sind.500 495  Hitzer, NZG 2012, 860 (862), der einen „information overload“ befürchtet; in diese Richtung gehend auch Szesny, GWR 2012, 292. 496  Heider / Hirte, GWR 2012, 429. 497  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 59. 498  Frowein, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rn. 26; Simon, Der Konzern 2005, 13 (15). 499  Simon, Der Konzern 2005, 13 (15); Ziemons, NZG 2004, 537 (541). 500  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 72.

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(cc) U  nternehmensexterne Informationen mit unmittelbarem Emittentenbezug Umstände, die außerhalb des Tätigkeitsbereiches des Emittenten liegen, ihn oder seine Finanzinstrumente aber unmittelbar betreffen, können ebenfalls eine Ad-hoc-Publizitätspflicht hervorrufen. Zur Verdeutlichung, welche Umstände eine Publizitätspflicht des Emittenten hervorrufen können, sollen im Folgenden einige der in der Literatur am häufigsten diskutierten Beispiele aufgeführt werden. (α) Änderung eines externen Ratings Die großen Rating-Agenturen wie z. B. Standard & Poor’s und Moody’s haben in den vergangenen Jahren sehr an Bedeutung gewonnen. Aus Sicht der Anleger sind sie oft der entscheidende Maßstab für die Bonität von Emittenten und börsenzugelassenen Schuldverschreibungen, so dass die Information über eine bevorstehende Erteilung, Änderung oder einen Wegfall eines solchen externen Ratings den Kurs eines Wertpapiers erheblich zu beeinflussen vermag und als Insiderinformation qualifiziert werden kann.501 Fraglich ist jedoch, ob diese Insiderinformation den Emittenten auch unmittelbar betrifft. Gegen einen unmittelbaren Bezug wird angeführt, es handele sich bei derartigen Ratings um subjektive Urteile bzw. Entscheidungen Dritter. Zwar komme der Bewertung durch eine Ratingagentur aus Sicht des Anlegerpublikums große Bedeutung zu, jedoch richteten sich die Ratings gerade nicht an den Emittenten, sondern sollten der Information der Kapitalmarktteilnehmer dienen und beträfen den Emittenten nur reflexartig.502 Ein unmittelbarer Emittentenbezug werde daher nur dort gegeben sein, wo Tatsachen vorlägen, die sich unmittelbar auf die Betriebsmittel des Emittenten auswirkten (z. B. die Zerstörung einer Produktionsstätte durch Erdbeben oder Brandstiftung) oder wo Willensbetätigungen Dritter gegenüber dem Emittenten erfolgten (z.  B. die Kündigung eines Vertrages durch Dritte).503 Im Fall eines sich ändernden Ratings führe erst die Reaktion des Anlegerpublikums zu unmittelbaren Auswirkungen auf den Emittenten, nicht jedoch das Rating selbst.504 501  Schwintek,

Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 31. in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 15 WpHG Rn. 37; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 22. 503  Zimmer, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 15 WpHG Rn. 48. 504  Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 22. 502  Zimmer,



I. Insiderrecht in Deutschland133

Dem widerspricht ganz klar der Regierungsentwurf des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes, der die Herabstufung durch eine externe Ratingagentur als einen von außen kommenden, den Emittenten unmittelbar betreffenden Umstand qualifiziert.505 Ein solches Downrating ist eine von außen kommende und den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation, die nicht nur zu einer Veränderung der Börsennotierung führt, sondern auch eine nachhaltige Beeinträchtigung der Finanzierungsmöglichkeiten des Emittenten und seiner Stellung auf den Kapitalmärkten darstellt.506 Ein verändertes Rating als Ausdruck eines formalisierten Status des Emittenten in der Öffentlichkeit, der seine Verhältnisse bedeutend prägt, ist daher veröffentlichungspflichtig, solange es nicht öffentlich bekannt ist.507 (β) Übernahmeangebot Eine Publizitätspflicht kann auch im Rahmen der Abgabe eines Übernahmeangebotes entstehen. Im Hinblick auf mögliche Pflichten des Bieters ist jedoch § 10 WpÜG zu beachten. Nach § 10 Abs. 1 WpÜG hat der Bieter seine Entscheidung zur Abgabe eines öffentlichen Erwerbs- oder Übernahmeangebots unverzüglich zu veröffentlichen. Gemäß § 10 Abs. 6 WpÜG gilt § 15 WpHG in diesen Fällen nicht, d. h. die übernahmerechtlichen Vorschriften genießen Vorrang. Eine Publizitätspflicht entsteht jedoch, wenn es um die Eckdaten eines beabsichtigten Angebots geht, die nach § 10 WpÜG nicht aufgeführt werden müssen und auch nicht können, wenn sie erst nach der Entscheidung zur Abgabe des Angebotes festgelegt werden, und wenn diese Eckdaten kurserheblich für die Bieteraktien sind.508 Darüber hinaus ist es grundsätzlich so, dass die Veröffentlichungspflichten nach dem WpÜG den Pflichten aus § 15 WpHG nicht vorgehen, so dass der Emittent in allen Fällen, in denen die Nichtanwendbarkeit des § 15 WpHG nicht ausdrücklich normiert ist, eine mögliche Ad-hoc-Publizitätspflicht zu prüfen hat.509 Jedoch ist fraglich, ob 505  Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174 v. 24.5.2004, S. 35; anders CESR, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR / 02-089d der die bevorstehende Veröffentlichung eines externen Ratings als den Emittenten nur mittelbar betreffende Information betrachtet. 506  Kübler / Assmann, Gesellschaftsrecht, S. 488. 507  Simon, Der Konzern 2005, 13 (16); Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 15 Rn. 94; im Ergebnis bejahend auch: Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 68; differenzierend Koch, DB 2005, 267 (271); kritisch Spindler, NJW 2004, 3449 (3451). 508  Brandi / Süßmann, AG 2004, 642 (652); Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 74. 509  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV.2.2.8, S. 59.

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diese Ad-hoc-Publizitätspflicht in der Praxis große Relevanz hat. Der Bieter wird in seinem eigenen Interesse bei der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes auch die Höhe der angebotenen Gegenleistung nennen, um übertriebene Spekulationen hinsichtlich der Wertpapiere der Zielgesellschaft und gegebenenfalls auch seiner eigenen zu vermeiden.510 Auch für die Zielgesellschaft kann eine Publizitätspflicht gegeben sein, da ein Übernahmeangebot sie unmittelbar betrifft. Dies ist nicht davon abhängig, ob es sich um ein freundliches oder ein feindliches Übernahme­ angebot handelt.511 Grundsätzlich ist der Kenntnis einer bevorstehenden Übernahme Kursrelevanz zuzusprechen. Ein verständiger Anleger würde sich sicher dazu veranlasst sehen, Aktien der Zielgesellschaft zu kaufen, da in Übernahmesituationen ein Anstieg des Börsenpreises erwartet werden kann, weil der Bieter regelmäßig einen über dem gegenwärtigen Börsenkurs liegenden Preis bieten wird, um den Erfolg der Übernahme sicherzustellen. Generell besteht die Ad-hoc-Meldepflicht im Rahmen eines freundlichen Übernahmeangebots, wenn der Vorstand der Zielgesellschaft von dem Angebot erfährt.512 Werden vor Abgabe des Angebots Übernahmegespräche geführt, so ist bei der Bewertung insbesondere die neue Rechtsprechung des EuGH einzubeziehen. War es vor der Entscheidung des EuGH so, dass der Abschluss eines Letter of Intent oder allein die Durchführung einer Due Diligence noch nicht als genügend angesehen wurden, um von einer Kurserheblichkeit zu sprechen, und davon ausgegangen wurde, dass erst das Zusammenspiel mehrerer solcher Faktoren im Einzelfall zu einem Einfluss auf den Kurs der Wertpapiere und damit zu einer Veröffentlichungspflicht sowohl für die Zielgesellschaft als auch für den Bieter führen konnte513, muss dies heute anders bewertet werden. Im Hinblick auf die Zielgesellschaft wird schon dann das Vorliegen einer konkreten Information bejaht werden können, wenn sie nur eine unverbindliche Interessenbekundung erhalten hat, da allein die Information über ein Übernahmeinteresse zu einem Kursanstieg führen kann.514 Aus Sicht der Bietergesellschaft kann neuer510  Geibel,

in: Geibel / Süßmann, WpÜG, § 10 Rn. 125. AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 35; Frowein, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rn. 30. 512  Geibel, in: Geibel / Süßmann, WpÜG, § 10 Rn. 134; Bürgers, BKR 2004, 424 (426); Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (934); Geibel / Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rn. 95; Gunßer, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bandrechts-Handbuch, § 107 Rn. 92. 513  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.1.1, S. 31; Veith, NZG 2005, 254 (255 f.). 514  v. Bonin / Böhmer, EuZW 2012, 694 (697); ebenso Wilsing / Goslar, DStR 2012, 1709 (1712). 511  RegE



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dings schon der „Startschuss“ für die Übernahme einer anderen Gesellschaft eine Veröffentlichungspflicht auslösen.515 (γ) Squeeze-out Auch ein Squeeze-out ruft eine Ad-hoc-Publizitätspflicht hervor. Bei einem Squeeze-out handelt es sich um einen in §§ 327a–327f AktG geregelten Ausschluss von Minderheitsaktionären, durch den es dem Hauptaktionär einer Gesellschaft, dem Aktien in Höhe von – grundsätzlich – 95 % des Grundkapitals gehören, ermöglicht wird durch Beschluss der Hauptversammlung die Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung aus der Gesellschaft auszuschließen. Die Mitteilung eines solchen Großaktionärs über die Durchführung eines Squeeze-out-Verfahrens gegenüber dem Emittenten kann für die betroffene Gesellschaft eine publizitätspflichtige Insiderinformation darstellen, da mit diesem Verfahren eine Veränderung der Aktionärsstruktur einhergeht, die sie unmittelbar betrifft.516 (2) Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 S. 4 und 5 WpHG Eine zwingende Ad-hoc-Publizitätspflicht enthalten auch § 15 Abs. 1 S. 4 und 5 WpHG im Fall der Weitergabe von Insiderinformationen. § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG, genauso wie die europäische Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie, haben die Regulation FD der amerikanischen Securities and Exchange Commission 17 CFR §§ 243.100–103 zum Vorbild, die eine Veröffentlichungspflicht statuiert, wenn erhebliche Informationen selektiv an bestimmte, auf dem Markt professionell tätige Empfänger, weitergegeben werden. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG haben Emittenten oder in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Personen, die im Rahmen ihrer Befugnisse einem anderen Insiderinformationen mitgeteilt oder zugänglich gemacht haben, diese Insiderinformationen zeitgleich zu veröffentlichen, es sei denn, der Empfänger ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. Erfolgt 515  Wilsing / Goslar,

DStR 2012, 1709 (1712). Emittentenleitfaden 2009, IV.2.2.2, S. 53; Diekmann / Sustmann, NZG 2004, 929 (934); Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 84. Die Frage, ob ein Squeeze-out auch für die Wertpapiere des Hauptaktionärs eine Veröffent­ lichungspflicht auslöst, weil z. B. die vollständige Übernahme einer Tochtergesellschaft eine Neubewertung bei der Muttergesellschaft fordert, ist nach Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 84 eine Frage des Einzelfalls. Ein Squeezeout ist aber wohl nur in Ausnahmefällen geeignet, den Börsenkurs der Wertpapiere des Hauptaktionärs erheblich zu beeinflussen. Gleiches gilt für die Höhe der Bar­ abfindung der Minderheitsaktionäre. 516  BaFin,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

die Mitteilung oder Zugänglichmachung unwissentlich, so ist die Veröffentlichung gem. § 15 Abs. 1 S. 5 WpHG unverzüglich nachzuholen. Adressaten sind sowohl der Emittent eines Finanzinstruments, das an einem inländischen organisierten Markt zugelassen ist, als auch Dritte. Der Kreis der Dritten, die im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handeln, ist weit gefasst, beinhaltet z. B. Steuerberater, Rechtsanwälte und Investment-Banker, und setzt ganz allgemein nur das Handeln des Dritten aufgrund einer Verpflichtung durch den Emittenten voraus.517 Die Insiderinformation muss einem anderen mitgeteilt werden, d. h. Gegenstand einer Kommunikation sein oder dem anderen zugänglich gemacht werden, indem ihm die Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben wird. Dabei ist anders als bei der regulären Ad-hoc-Publizität des § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG zu beachten, dass nach dem Wortlaut auch den Emittenten nur mittelbar betreffende Informationen bekannt zu machen sind.518 Dies entspricht dem hinter der Regelung stehenden Zweck, eine Information der Öffentlichkeit auch für durchgesickerte Insiderinformationen zu schaffen.519 Eine Veröffentlichungspflicht besteht jedoch nur, wenn die Weitergabe oder Zugänglichmachung befugt geschieht. Daraus folgt, dass eine Veröffentlichungspflicht gerade dann nicht besteht, wenn eine Weitergabe oder Zugänglichmachung nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG strafbewehrt ist. Die Ad-hoc-Publizität des § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG flankiert somit nicht den verbotenen Insiderhandel.520 Die Informationen sind nur zu publizieren, wenn der Empfänger rechtlich nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Diese rechtliche Verpflichtung kann gesetzlich (z. B. in der BRAO) oder vertraglich begründet sein, wobei vertragliche Vertraulichkeitsverpflichtungen praktisch in jedem vertraglichen Schuldverhältnis als Nebenpflichten enthalten sind.521 517  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 112; Simon, Der Konzern 2005, 13 (18); Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 15 Rn. 220. 518  Für eine Veröffentlichungspflicht nur hinsichtlich unmittelbarer Informationen Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 114. 519  Statt vieler mit weiteren Begründungen Leuering, NZG 2005, 12 (14). 520  Simon, Der Konzern 2005, 13 (18). Damit unterscheidet die europäische bzw. deutsche Regelung sich maßgeblich von der bereits zitierten amerikanischen SECRegulation. Für diese ist es nicht maßgeblich, ob die Weitergabe oder Zugänglichmachung befugt oder unbefugt erfolgt. 521  v. Falkenhausen / Widder, BB 2005, 225 (227); Widder / Gallert, NZG 2006, 451 (453); Leuering, NZG 2005, 12 (16); Simon, Der Konzern 2005, 13 (19) betrachten den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG als praktisch nicht vorhanden, da die selektive Weitergabe an einen Empfänger, der nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet ist, immer i. S. d. § 14 I Nr. 2 WpHG unbefugt sein und damit den Tatbestand des § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG ausschließen wird.



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Wird die Information unwissentlich mitgeteilt oder zugänglich gemacht, ist die Veröffentlichung gem. § 15 Abs. 1 S. 5 WpHG unverzüglich nachzuholen. Auch hier gilt dies nur, wenn befugtes Handeln gegeben ist. bb) Aufschub der Veröffentlichung Die umfassende Ad-hoc-Publizitätspflicht findet in § 15 Abs. 3 WpHG ein Regulativ. Demnach ist ein Emittent unter bestimmten Voraussetzungen und für einen bestimmten Zeitraum von der im Normalfall unverzüglich zu befolgenden Ad-hoc-Publizitätspflicht befreit. Diese Vorschrift, die sich nur auf die Publizitätspflicht des § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG bezieht, trägt dem Umstand Rechnung, dass es berechtigte Interessen des Emittenten geben kann, die einen Aufschub der Publizitätspflicht erfordern. Sie ermöglicht es dem Emittenten, sich eigenmächtig von der Publizitätspflicht zu befreien. Ein Aufschub ist aber nur möglich, wenn der Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten diesen erfordert, wenn durch ihn keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und wenn die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleistet ist. Durch die jüngst ergangene Entscheidung des EuGH, aufgrund derer eine Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung in Zukunft in den meisten Fällen wohl bereits zu einem früheren Zeitpunkt angenommen werden wird, wird ein zunehmendes Gebrauchmachen von der Befreiungsmöglichkeit des § 15 Abs. 3 WpHG erwartet. (1) Berechtigtes Aufschubinteresse des Emittenten Nach § 6 S. 1 der Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpAIV), der § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG konkretisiert, liegen berechtigte Interessen des Emittenten vor, wenn die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung der Information die Interessen des Kapitalmarkts an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen. § 6 S. 2 WpAIV522 führt sodann zwei Regelbeispiele an, in denen ein Aufschubinteresse gegeben sein kann: Dies kann dies der Fall sein, wenn das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte, die geeignet wären, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu 522  Die Formulierung lehnt sich an die korrelierende Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 in der Durchführungsrichtlinie 2003 / 124 EG v. 22.12.2003 (ABl. EU Nr. L 339, S. 70) der Kommission an.

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beeinflussen, von der Veröffentlichung wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde. Das zweite Regelbeispiel betrifft Situationen, in denen durch das Geschäftsführungsorgan des Emittenten abgeschlossene Verträge oder andere getroffene Entscheidungen zusammen mit der Ankündigung bekannt gegeben werden müssten, dass die für die Wirksamkeit der Maßnahme erforderliche Zustimmung eines anderen Organs des Emittenten noch aussteht, und dies die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde. Da es sich bei den eben aufgeführten Sachverhalten nur um Regelbeispiele handelt, sind darüber hinaus natürlich auch andere Situationen denkbar, in denen berechtigte Interessen des Emittenten vorliegen können. So kann z. B. eine existenzbedrohliche Krise berechtigte Interessen des Emittenten begründen, wenn eine frühzeitige Veröffentlichung laufende und erfolgversprechende Sanierungsprogramme zunichte machen würde.523 Keine berechtigten Interessen können hingegen durch schlechte Unternehmenskennzahlen und schlechte Geschäftsentwicklungen begründet werden, da das Zurückhalten solcher Informationen ausschließlich zu Lasten des Kapitalmarkts ginge.524 Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten ergeben sich interessante Ergebnisse insbesondere für Unternehmensübernahmen und mehrstufige Entscheidungsprozesse. Im Zuge einer Unternehmensübernahme hat der Bieter nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG seine Entscheidung zur Angebotsabgabe grundsätzlich bereits mit dem entsprechenden Beschluss des Vorstandes zu veröffentlichen. Auf die Zustimmung des Aufsichtsrates darf der Bieter hingegen nicht warten. Allerdings wird dem Bieter hier regelmäßig ein Aufschub der Meldepflicht gemäß § 15 Abs. 3 WpHG gestattet werden, da eine frühzeitige Veröffentlichung des bevorstehenden Übernahmeangebots zu einem Kursanstieg der Aktien der Zielgesellschaft führen könnte. Dies hätte zur Folge, dass sich die Übernahme für den Bieter erheblich verteuert oder sogar als finanziell nicht mehr realisierbar darstellt.525 In diesem Fall sind die Interessen des Bieters vorrangig. Für die Zielgesellschaft ist in der Regel kein schützenswertes Interesse an einem Aufschub der Veröffentlichung gegeben, wenn es sich um ein feindli523  Simon,

Der Konzern 2005, 13 (20). Der Konzern 2005, 13 (20). 525  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 153; Brandi / Süßmann, AG 2004, 642 (652); Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 15 Rn. 134; kritisch zu dieser Annahme der grundsätzlichen Befreiung Widder / Bedkowski, BKR 2007, 405 (407 f.). 524  Simon,



I. Insiderrecht in Deutschland139

ches Angebot handelt. Ein Aufschub würde im Übrigen schon daran scheitern, dass die von § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG geforderte Vertraulichkeit der Insiderinformation nicht gewährleistet wäre, da die Zielgesellschaft bei einem feindlichen Angebot keine Geheimhaltungsabrede (Non-Disclosure Agreement) mit dem Bieter abgeschlossen hat.526 Für die Zielgesellschaft stellt die Ad-hocPublizität bei einer feindlichen Übernahme vielmehr ein wirksames Abwehrmittel zur Verhinderung einer solchen dar, da eine Veröffentlichung der Bieterabsichten das Angebot wie bereits erörtert erheblich verteuern kann.527 Auch im Hinblick auf die Behandlung mehrstufiger Entscheidungsprozesse ist die Möglichkeit der Befreiung von der Veröffentlichungspflicht von großer Bedeutung. Wie bereits dargelegt kann auf jeder Stufe eines solchen Prozesses eine Insiderinformation entstehen, die eine Ad-hoc-Publizitätspflicht auslöst, wenn sie kurserheblich und emittentenbezogen ist. In der Praxis findet sich die Problematik der mehrstufigen Entscheidungsprozesse oft im Zusammenhang mit Vorstandsentscheidungen, die noch der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen. Problematisch ist hier die Festlegung des Zeitpunkts, in dem eine Veröffentlichungspflicht entstehen kann. Der Vorstand kann sich in solchen Situationen zwei gegensätzlichen Verhaltenspflichten ausgesetzt sehen: Die aus den aktienrechtlichen Vorschriften resultierende gesellschaftsrechtliche Pflicht des Vorstandes, jede Handlung zu unterlassen, die den Aufsichtsrat in seiner Entscheidung beeinflussen könnte, steht auf der einen Seite. Dieser gegenüber steht die kapitalmarktrechtliche Pflicht, kursrelevante Tatsachen sofort, d. h. nach dem Beschluss des Vorstandes, jedoch vor der Zustimmung des Aufsichtsrates, zu veröffentlichen.528 Diesen Widerspruch hat auch die BaFin erkannt. Um ihn aufzulösen und zu vermeiden, dass in die Kompetenzordnung des Aktienrechts eingegriffen wird, hat sie daher die generelle Regel aufgestellt, dass eine Befreiung von der Veröffentlichungspflicht bei noch ausstehender Zustimmung des Aufsichtsrats zulässig ist.529 Da die aktienrechtliche Kompetenzordnung nicht ausgehebelt werden sollte, kann auch den Stimmen nicht gefolgt werden, die den Aufschub der Veröffentlichung von der Wahrscheinlichkeit der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig machen wollen. Diese Stimmen beziehen sich auf die in § 6 Nr. 2 WpAIV genannte Gefährdung der sachgerechten Bewertung der Veröffentlichung durch das Publikum. Eine solche Gefährdung sei dann nicht gegeben, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrates wahrscheinlich 526  Brandi / Süßmann,

AG 2004, 642 (654). in: Geibel / Süßmann, WpÜG, § 10 Rn. 135. 528  Staake, BB 2007, 1573 (1574 f.). 529  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV.3.1, S. 67; so auch Merkner / Sustmann, NZG 2005, 729 (737); Schneider, Sven H., BB 2005, 897 (898 f.); Grimme / v. Buttlar, WM 2003, 901 (909); a. A. Staake, BB 2007, 1573 (1575 ff.); kritisch zum Problem der Kompetenzordnung Messerschmidt, BB 2004, 2538 ff. 527  Geibel,

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sei.530 Eine andere Ansicht geht weiter und fordert eine Veröffentlichung stets, wenn mit einer Ablehnung durch den Aufsichtsrat „nicht ernsthaft zu rechnen“ sei.531 Gemäßigtere Stimmen plädieren nur dann für eine Veröffentlichung, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrates als „sicher“ betrachtet werden könne.532 Diese Ansichten würden den Vorstand jedoch zu einer Prognose über das Verhalten des Aufsichtsrates zwingen, welche dem Vorstand nur dann möglich wäre, wenn er vorher Absprachen mit dem Aufsichtsrat träfe.533 Eine solche Vorgehensweise würde die Stellung des Aufsichtsrates unterlaufen und wäre aufgrund des damit verbundenen Affronts gegen den Aufsichtsrat weder rechtlich tragbar noch praktikabel. (2) Keine Irreführung der Öffentlichkeit Neben dem berechtigten Interesse des Emittenten fordert § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG auch, dass der Aufschub der Veröffentlichung nicht zu einer Irreführung der Öffentlichkeit führt. Veröffentlicht der Emittent eine Insiderinformation nicht, so entsteht automatisch ein Informationsungleichgewicht auf dem Markt. Ein aus diesem zwangsläufig resultierender „falscher“, d. h. nicht alle Umstände berücksichtigender Wertpapierkurs, kann daher keine Irreführung der Öffentlichkeit darstellen, ansonsten würde die gesamte Aufschubregelung ad absurdum geführt.534 Somit stellt sich die Frage, unter welchen Umständen eine Irreführung bejaht werden kann bzw. was der Bezugspunkt für eine solche sein kann, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Tatbestandsmerkmal weder durch den europäischen noch durch den deutschen Gesetzgeber nähere Erläuterung gefunden hat. Bezugspunkt können nach allgemeiner Auffassung nur anderweitige Marktinformationen oder ein anderweitiges Verhalten des Emittenten sein. So kann eine Irreführung gegeben sein, wenn im Markt konkrete Informationen vorliegen, die mit der zu veröffentlichenden Information im Widerspruch stehen oder wenn durch den Aufschub der Veröffentlichung eine Fehlvorstellung beim Anlegerpublikum aufrecht erhalten wird, für die der Emittent die Verantwortung trägt, weil er schon vorher Signale gesetzt hatte, die im Widerspruch zu der nun zurückgehaltenen Information stehen.535 530  Veith,

NZG 2005, 254 (256). ZHR 172 (2008), 597 (633). 532  Gunßer, Ad-hoc-Publizität, S. 91 f., 94. 533  Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 144. 534  Simon, Der Konzern 2005, 13 (20); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV.3.2, S. 67. 535  Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 34; Simon, Der Konzern 2005, 13 (20); Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 160; Veith, NZG 2005, 253 (257). 531  Bachmann,



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(3) Gewährleistung der Vertraulichkeit Ein Aufschub der Veröffentlichungspflicht kommt nur dann und nur solange in Betracht, wie der Emittent die Vertraulichkeit der betreffenden Insiderinformation zu gewährleisten imstande ist. Diese Einschränkung soll sicherstellen, dass die Information dem Kapitalmarkt nicht vorenthalten wird und damit in einem größeren Kreis von Insidern das Risiko verbotenen Insiderhandels gem. § 14 Abs. 1 WpHG zunimmt.536 Art. 3 Abs. 2 der Marktmissbrauchs-Durchführungsrichtlinie 2003 / 124 / EG konkretisiert die Anforderungen, die der Emittent im Hinblick auf die Kontrolle der Vertraulichkeit der Insiderinformationen zu erfüllen hat. Demnach setzt eine solche Kontrolle voraus, dass wirksame Vorkehrungen dafür geschaffen sind, dass die Insiderinformation innerhalb des Emittenten nur an Personen gelangt, für deren Aufgaben die Information unerlässlich ist. Weiterhin müssen die Insider über die sich für sie durch die Erlangung der Insiderinformation ergebenden Pflichten und Sanktionen bei Missbrauch der Information aufgeklärt werden und diese anerkennen. Schließlich muss der Emittent Vorkehrungen treffen, die eine sofortige Veröffentlichung der Information ermöglichen, wenn er nicht mehr in der Lage ist, die Vertraulichkeit zu gewährleisten. Die Gewährleistung der Vertraulichkeit wird angezweifelt, wenn Gerüchte hinsichtlich des von der Veröffentlichungspflicht befreiten Sachverhalts aufkommen, denen ein zutreffender Tatsachenkern zugrunde liegt. Weiß der Emittent oder muss er vermuten, dass die Gerüchte durch eine Vertraulichkeitslücke in seinem Herrschaftsbereich begründet sind, so trifft ihn die Veröffentlichungspflicht, nicht jedoch, wenn die Gerüchte ihm nicht zurechenbar sind.537 Rührt ein Gerücht nicht aus dem Herrschaftsbereich des Emittenten und ist er daher nicht zur Veröffentlichung verpflichtet, so darf er in einem solchen Fall aber auch nicht aktiv gegenläufige Erklärungen abgeben, da ansonsten die Gefahr der Irreführung der Öffentlichkeit bestünde. Vielmehr hat er sich auf die sog. „no comment policy“ zu beschränken.538

536  Simon,

Der Konzern 2005, 13 (20). zu Cramburg / Royé, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 15 WpHG Rn. 16; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV.3.3, S. 67 f.; Diekmann /  Sustmann, NZG 2004, 929 (935 f.) a. A. Brandi / Süßmann, AG 2004, 642 (657); wohl ebenso Holzborn / Israel, WM 2004, 1948 (1952), die für eine Veröffent­ lichungspflicht unabhängig davon plädieren, ob das Gerücht aus dem Herrschaftsbereich des Emittenten stammt oder nicht. 538  Schneider, Sven H., BB 2005, 897 (899); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV.3.3, S. 68. 537  Fischer

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

(4) Notwendigkeit einer bewussten Entscheidung des Emittenten Viel diskutiert ist die Frage, ob es für die Befreiung von der Veröffentlichungspflicht entscheidend ist, dass der Emittent eine bewusste und ausdrückliche Entscheidung gefällt hat, dass die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen. Von einer solchen Entscheidung gehen sowohl der Gesetzgeber als auch die BaFin aus.539 Betrachtet man jedoch den Wortlaut des § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG, kommt es nur darauf an, dass die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen. Ist dies der Fall, so muss die Befreiung quasi automatisch erfolgen. Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang aber § 15 Abs. 3 S. 4 WpHG, der eine Entscheidung des Emittenten voraussetzt. Nach dieser Vorschrift, die in § 8 Abs. 5 WpAIV konkretisiert wird, muss der Emittent der BaFin bei Nachholung der Veröffentlichung die Gründe für die Befreiung „unter Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub“ mitteilen. Diese Vorgabe ist nur dann sinnvoll, wenn man § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG so auslegt, dass eine Entscheidung des Emittenten nötig ist.540 Auch eine historische Auslegung stützt diese Ansicht. Vor dem Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzesoblag der BaFin die Entscheidungsmacht über einen Aufschub der Veröffentlichungspflicht. In der Gesetzesbegründung zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz findet sich kein Hinweis darauf, dass nun eine automatische Befreiung erfolgen soll. Dies wäre aber vonnöten gewesen, wenn der Gesetzgeber mehr als nur eine Übertragung der Entscheidungszuständigkeit von der BaFin auf den Emittenten selbst hätte vornehmen wollen.541 Die europarechtlichen Vorgaben bestätigen dieses Ergebnis. In Art. 6 Abs. 2 S. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie „darf“ der Emittent die Ad-hoc-Veröffentlichung „aufschieben“, d. h. es wird ein aktives Handeln gefordert, was ohne Zweifel eine vorherige Entscheidung voraussetzt.542 Unabhängig von diesen Erwägungen ist es einem Emittenten schon aus praktischen Gründen stets zu raten, das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen ausreichend zu prüfen, um das Risiko möglicher abweichender Beurteilungen durch die Behörde oder gar ein Gericht gering zu halten und das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen besser nachweisen zu können. 539  Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15 / 3174, S. 35; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, IV.3, S. 65. 540  Widder, BB 2009, 967 (971); Schneider, Uwe H. / Gilfrich, BB 2007, 53 (54 f.); die Entscheidung nur als implizit gefordert und somit nicht als Voraussetzung für die Befreiung betrachtend Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 15 Rn. 170; eine Entscheidung des Emittenten generell ablehnend Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 15 Rn. 165e. 541  Mennicke, NZG 2009, 1059 (1061). 542  Schneider, Uwe H. / Gilfrich, BB 2007, 53 (54).



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cc) Folgen der Veröffentlichungspflichten Ergibt sich eine Veröffentlichungspflicht des Emittenten aus § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG, § 15 Abs. 1 S. 4 und 5 WpHG oder sind die Voraussetzungen des Aufschubtatbestands des § 15 Abs. 3 WpHG entfallen, hat der Emittent die Insiderinformation unverzüglich zu veröffentlichen bzw. die Veröffentlichung nachzuholen. Vor der Veröffentlichung hat der Emittent jedoch nach § 15 Abs. 4 WpHG eine Vorabmitteilung an die Geschäftsführung der inländischen organisierten Märkte, an denen seine Finanzinstrumente zum Handel zugelassen sind oder an denen Derivate gehandelt werden, die sich auf die Finanzinstrumente beziehen und an die BaFin zu machen. Neben der Veröffentlichung ist die Information dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b HGB zur Speicherung zu übermitteln, dies allerdings nicht vor der Veröffentlichung. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung muss der Emittent die Information gem. § 15 Abs. 5 S. 2 WpHG der Geschäftsführung der inländischen organisierten Märkte für Finanzinstrumente und für diesbezügliche Derivate sowie der BaFin mitteilen. Der Veröffentlichungspflicht ist unabhängig von den Börsenhandelszeiten nachzukommen.543 Wird die Veröffentlichung nachgeholt, ist die Information so zu veröffentlichen, wie sie sich zum aktuellen Zeitpunkt darstellt, d. h. es ist nicht die ursprüngliche Information zu veröffentlichen.544 Bestand zunächst eine Befreiung von einer Veröffentlichungspflicht und erledigte sich die ursprüngliche Insiderinformation (z. B. durch eine erfolgreiche Sanierung im Fall einer Unternehmenskrise), so fällt die Veröffentlichungspflicht weg.545 Wird eine unwahre Information veröffentlicht, ist diese gem. § 15 Abs. 2 S. 2 WpHG unverzüglich im Rahmen einer Ad-hoc-Mitteilung zu berichtigen, auch wenn die Voraussetzungen für eine Ad-hoc-Mitteilung nicht vorliegen. Falls der Emittent einen Befreiungstatbestand des § 15 Abs. 3 WpHG für sich in Anspruch nimmt, sollte er den Befreiungsprozess ausreichend dokumentieren und begründen, um der BaFin auch in seinem Interesse die Bewertung zu erleichtern, ob er sich rechtmäßig verhalten hat.546 Im Hinblick auf Art und Inhalt der Veröffentlichung verweist § 15 Abs. 7 WpHG auf die WpAIV. In den §§ 4, 5, 8 und 9 WpAIV finden sich detaillier543  Geibel / Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rn. 125; Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 15 Rn. 125. 544  Veith, NZG 2005, 254 (258); a. A. Holzborn / Israel, WM; 2004, 1948 (1952). 545  Versteegen, in: KölnKomm WpHG, § 15 Rn. 187, 193. 546  Simon, Der Konzern 2005, 13 (21).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

te Regelungen, die durch die BaFin im Emittentenleitfaden weiter konkretisiert wurden. Demnach ist die als Telefax oder PC-Fax zu übersendende und kurz zu fassende Mitteilung als Ad-hoc-Meldung zu kennzeichnen. Sie soll in deutscher Sprache, optional auch zusätzlich in englischer Sprache verfasst sein. Als Verbreitungssystem wird ein elektronisch betriebenes Informationssystem gefordert. Nach der Veröffentlichung auf diesem Wege soll die Meldung auch gut sichtbar auf der Internetseite des Emittenten erfolgen. dd) Rechtsfolgen unterlassener oder nicht gesetzmäßiger Ad-hoc-Mitteilungen Im Fall unterlassener oder nicht gesetzmäßiger Ad-hoc-Mitteilungen hat der Emittent sowohl mit einem Bußgeld als auch mit einer Klage auf Schadensersatz zu rechnen. (1) Bußgeld Um die Befolgung der Ad-hoc-Publizitätsplicht in ihrer Funktion als Präventivmaßnahme gegen den Insiderhandel zu gewährleisten ist eine Verletzung dieser Pflicht bußgeldbewehrt. Ein Emittent, der eine Ad-hoc-Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt oder sie nicht oder nicht rechtzeitig nachholt, begeht durch diesen Verstoß gegen § 15 WpHG eine Ordnungswidrigkeit gem. § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG.547 Diese kann nach § 39 Abs. 4 WpHG mit einer Geldbuße von bis zu einer Million  Euro geahndet werden. (2) Schadensersatzpflicht Über ein Bußgeld hinaus kann der Emittent, der die unverzügliche Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung unterlässt oder der eine unwahre Insiderinformation veröffentlicht und vorsätzlich oder fahrlässig handelt, gem. §§ 37b und 37c WpHG von einem Anleger, der aufgrund dessen Finanzinstrumente gekauft oder verkauft hat, auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen werden, den der Anleger erlitten hat, weil die Veröffentlichung 547  Bußgeldbewehrt mit bis zu 200.000 Euro ist gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpHG auch die Situation, in der der Emittent die die Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht flankierenden Mitteilungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht sowie gem. § 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG die Situation, in der der Emittent eine Mitteilung oder Bekanntmachung nicht rechtzeitig übermittelt.



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der Insiderinformation unterlassen wurde bzw. weil der Anleger auf die Richtigkeit der Insiderinformation vertraut hat.548 Zudem kann der Anleger einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB direkt gegen die verantwortlichen Organmitglieder des Emittenten geltend machen.549 Allerdings sieht sich der Anleger in der Praxis stets vor erhebliche Beweisschwierigkeiten gestellt. Der Nachweis, dass z. B. eine unrichtige Ad-hoc-Mitteilung ursächlich für den Kaufentschluss war, hat der Anleger zu führen. Bei der Beweisführung kommen ihm nicht die Grundsätze des Anscheinsbeweises zugute, da der Kaufentschluss Folge einer individuellen Willensentscheidung ist, die sich einer typisierten Betrachtung verschließt.550 Im Gegensatz zu § 37b und § 37c WpHG, in denen jeweils eine Umkehr der Beweislast für das Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit angeordnet ist, und bei denen eine Haftung des Emittenten bereits bei grober Fahrlässigkeit eintritt, fällt die Durchsetzung eines Anspruchs aus § 826 BGB schwerer.551 b) Directors’ Dealings Hinter dem Begriff der Directors’ Dealings verbergen sich Geschäfte von Vorständen, Aufsichtsräten und Führungskräften börsennotierter Unternehmen sowie diesen nahestehenden Personen oder Gesellschaftern mit eigenen Aktien, die sie an dem börsennotierten Unternehmen halten. Der Zweck, der hinter einer Meldepflicht für solche Geschäfte steckt ist folgender: Die Marktteilnehmer sollen sich auf einem transparenten Kapitalmarkt einen Eindruck davon verschaffen können, welche Geschäfte von Personen in Bezug auf die Aktien der Gesellschaft, in der sie ein Amt bekleiden oder der sie anderweitig nahestehen, getätigt werden. Ebenso wie die Ad-hoc-Publizität ist auch die Pflicht zur Meldung sog. Directors’ Dealings eine Präventivmaßnahme zur Verhinderung von Insiderhandel.552 Da durch eine solche Mitteilungspflicht die Identifizierung von Einzelheiten siehe Sethe, in: Assmann / Schneider, § 37b, c WpHG Rn. 33 ff. z. B. BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 217 / 03, NJW 2004, 2668 ff. 550  BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 218 / 03, DStR 2004, 1486 ff. 551  Vgl. dazu z. B. LG München, Urt. v. 31.1.2007 – 3 O 8154 / 06, BeckRS 2010, 01751, in dem es zu einer Klageabweisung kam, weil die Kläger weder nachweisen könnten das sie vor ihrer Kaufentscheidung Kenntnis der fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung erlangt hatten noch dass die fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilung ursächlich für die getroffene Kaufentscheidung war. 552  Ausführlich zu den verschiedenen Normzwecken des § 15c WpHG siehe Zimmer / Osterloh, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 15a WpHG Rn.  8 ff. 548  Für

549  Vgl.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Insiderhandel erleichtert wird, soll diese potentielle Täter von vornherein abschrecken.553 Sie dient aus diesem Grund aber auch der Verfolgung bereits begangener Verstöße. § 15a WpHG bestimmt eine Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht in Bezug auf Wertpapiergeschäfte von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, persönlich haftenden Gesellschaftern sowie sonstigen Führungspersonen, die befugt sind, wesentliche unternehmerische Entscheidungen des Emittenten zu treffen und regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben. Zur Vermeidung von Umgehungen sind darüber hinaus nach § 15a Abs. 1 S. 2 WpHG auch Personen erfasst, die mit den oben genannten Personengruppen in einer engen Beziehung stehen, d. h. die Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und andere Verwandte, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des meldepflichtigen Geschäfts seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt leben. Schließlich fallen nach § 15a Abs. 3 S. 2 und 3 WpHG juristische Personen in den Anwendungsbereich, bei denen die vorgenannten Personen Führungsaufgaben wahrnehmen oder die von einer solchen Person direkt oder indirekt kontrolliert werden, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden oder weitgehend dem wirtschaftlichen Interesse solcher Personen dienen. Handeln diese Personen mit Aktien oder diesbezüglichen Finanzinstrumenten des Emittenten, so haben sie dies dem Emittenten und der BaFin mitzuteilen. Die Meldepflicht besteht jedoch nach § 15c Abs. 1 S. 5 WpHG nur bei der Erreichung eines Mindestgeschäftsvolumens von mehr als 5.000  Euro pro Kalenderjahr. Gem. § 15c Abs. 4 WpHG hat der Emittent diese Meldungen unverzüglich zu veröffentlichen, der BaFin die Veröffentlichung mitzuteilen und die Meldung nach ihrer Veröffentlichung unverzüglich an das Unternehmensregister zur Speicherung zu übermitteln. Verstöße gegen die in § 15a WpHG geregelten Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten können gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. d, Nr. 5 lit. b i. V. m. § 39 Abs. 4 WpHG mit einem Bußgeld von bis zu 100.000  Euro und gem. § 39 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 39 Abs. 4 WpHG mit einem Bußgeld von bis zu 200.000 Euro geahndet werden. c) Führung von Insiderverzeichnissen Eine weitere Maßnahme, die sowohl präventiven als auch repressiven Charakter hat ist die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen, d. h. Verzeichnissen, in denen bestimmte Personen aufgeführt sind, die mit einer 553  Vgl. z. B. Buchta, DStR 2003, 740, 741; Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1220); Veil, ZGR 2005, 155 (164).



I. Insiderrecht in Deutschland

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Insiderinformation in Kontakt kommen können. Insiderverzeichnisse dienen der Überwachung von Insidergeschäften und der Verhinderung von Verstößen gegen § 14 Abs. 1 WpHG.554 Zudem soll den Personen, die Zugang zu Insiderinformationen haben, das Bestehen und die Konsequenzen des Insiderhandelsverbots deutlich gemacht werden.555 Gem. § 15c Abs. 1 WpHG müssen Emittenten und in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Personen Verzeichnisse über solche Personen führen, die für sie tätig sind und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Adressaten der Vorschrift sind über den Emittenten hinaus mangels einer Konzernklausel in § 15c WpHG nicht dessen Mutterund Tochtergesellschaften, da sie weder für Rechnung des Emittenten noch in seinem Auftrag tätig sind.556 Dies gilt auch bei Vorliegen einer Holdingstruktur sowie bei Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der Mutter- und der Tochtergesellschaft.557 Zu den Norm­ adressaten zählen weiterhin Personen, die im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handeln. Dies sind z. B. Unternehmensberater oder Rechtsanwälte.558 Eine Ausnahme von der Verpflichtung, ein Insiderverzeichnis zu führen wird gem. § 15c Abs. 1 S. 4 WpHG i. V. m. § 323 Abs. 1 S. 1 HGB für den Abschlussprüfer, seine Gehilfen oder die bei der Prüfung mitwirkenden Vertreter einer Prüfungsgesellschaft gemacht, wenn diese beauftragt werden, um einer gesetzlich vorgesehenen Prüfung nachzukommen.559 Erwähnenswert ist schließlich, dass Mitarbeiter öffentlicher Einrichtungen, wie Ministerien, Behörden oder Gerichten kein Insiderverzeichnis zu führen haben, da diese nicht im Auftrag des Emittenten handeln.560 Dies ist vor dem Hintergrund des Zwecks der Regelung nicht verständlich. Es sollten nicht nur Personen, die mit Insiderinformationen in Berührung kommen, sondern auch solche, die Insiderinformationen teilweise sogar selbst generieren, den Warnpflichten durch die Emittenten einerseits und den Dokumentations- und Überwachungspflichten andererseits unterliegen.561 554  Vgl. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 3174, S. 36; Erwägungsgrund Nr. 6 der Durchführungs-Richtlinie 2004 / 72 / EG. 555  Sethe, in: Assmann / Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 12 Rn. 149. 556  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, VII.2.3.2, S. 117. 557  Heinrich, in: KölnKomm WpHG, § 15b Rn. 29. 558  Claussen / Florian, AG 2005, 745 (763); für weitere Bespiele siehe BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 116. 559  BaFin, Emittentenleitfaden 2009, VII.2.4, S. 118. Diese Personen sind jedoch in das vom Emittenten geführte Insiderverzeichnis aufzunehmen, wenn sie im Rahmen der Prüfung Kenntnis von Insiderinformationen erhalten. 560  Zimmer, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 15 WpHG Rn. 11. 561  So Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 (25).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Wenn nötig, sind die Insiderverzeichnisse unverzüglich zu aktualisieren. Die in dem jeweiligen Verzeichnis aufgeführten Personen sind über ihre rechtlichen Pflichten, die sich aus dem Zugang zu Insiderinformationen ergeben, sowie über die Rechtsfolgen von Verstößen gegen diese aufzu­ klären. Die Verzeichnisse müssen der BaFin auf Verlangen übermittelt ­werden. Auch Verstöße gegen die Pflicht zur Führung oder Übermittlung von Insiderverzeichnissen stellen eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 8 und Nr. 9 WpHG dar. Sie werden gem. § 39 Abs. 4 WpHG mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro geahndet. 4. Mittel zur Verfolgung von Verstößen Zum Schluss ist noch die aus § 9 WpG resultierende Meldepflicht gegenüber der BaFin zu nennen, die die BaFin bei der Verfolgung bereits begangener Verstöße unterstützt. Die Meldepflicht erfasst nicht den individuellen Anleger, sondern Institutionen, die mit dem Wertpapierhandel berufsmäßig befasst sind, wie z. B. Wertpapierdienstleistungsunternehmen wie Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute sowie Clearingstellen. Diese müssen der BaFin jedes Geschäft in Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder in den regulierten Markt oder Freiverkehr einer inländischen Börse einbezogen sind, spätestens an dem auf den Tag des Geschäftsabschlusses folgenden Werktag mitteilen. Auf der Basis dieser Daten – im Jahre 2012 erhielt die BaFin über 689 Millionen Transaktionsdatensätze562 – hat die BaFin dann zu analysieren und bei vorliegen eines ausreichenden Verdachts eine Untersuchung einzuleiten. Die Meldung muss gem. § 9 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 WpHG eine Kennzeichnung zur Identifikation des Depotinhabers oder des Depots beinhalten.563 In Fällen, in denen der Auftraggeber nicht mit dem Depotinhaber identisch ist, muss die Meldung ein Kennzeichen für den Auftraggeber enthalten. Die Meldung enthält jedoch nicht die Namen des Depotinhabers.564 Erhärtet sich aufgrund der der BaFin vorliegenden Daten der Verdacht eines Verstoßes gegen das Verbot von Insidergeschäften, kann die BaFin jedoch zur genauen Identifizierung des Verdächtigen auf die gem. § 16 WpHG aufgezeichneten und aufbewahrten Daten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Unternehmen mit Sitz im Inland, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, zurückgreifen. 562  BaFin,

Jahresbericht 2012, S. 177. nur, sofern der Depotinhaber nicht selbst meldepflichtig ist. 564  Vgl. Begr. RegE 4. FFG, BT-Drs. 14 / 8017, S. 86; Hein, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 9 WpHG Rn. 56. 563  Dies



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse

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Der Aussage eines für die Insiderüberwachung zuständigen Mitarbeiters der BaFin zufolge bieten die aus den Melde- und Aufzeichnungspflichten resultierenden und der BaFin zur Verfügung gestellten Daten die beste Grundlage, um Insidergeschäfte am Markt aufzudecken und zu verfolgen.

II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse Nach der Darstellung des deutschen Insiderrechts im ersten Abschnitt dieses Kapitels soll vor diesem Hintergrund und auf Basis des gewonnenen Verständnisses für die gesetzlichen Regelungen und deren Anwendung in der Praxis in diesem Abschnitt die Rechtslage in Bezug auf Insidergeschäfte in China beleuchtet werden. Eventuelle Unterschiede zum deutschen Recht werden der besseren Verständlichkeit wegen teilweise direkt im Zusammenhang mit der jeweiligen Vorschrift und ausführlich am Ende eines bestimmten Themenkomplexes herausgestellt. Auch in China ist der Handel mit Finanzinstrumenten auf Basis einer Insiderinformation, die Preisgabe einer Insiderinformation an Dritte sowie die auf einer Insiderinformation basierende Empfehlung an Dritte, mit bestimmten Wertpapieren zu handeln, verboten. Im Gegensatz zur gesetzlichen Regelung im deutschen Wertpapierhandelsgesetz wendet sich dieses im chinesischen Wertpapiergesetz niedergelegte Verbot jedoch nicht an jedermann, sondern an eine bestimmte durch das Gesetz definierte Gruppe von Insidern. Die Behörden- und Gerichtspraxis zeigt gleichwohl, dass sowohl die chinesische Wertpapierregulierungsbehörde, die CSRC, als auch die chinesischen Gerichte ein Verbot von Insidergeschäften vollstrecken, das sich – gleich dem deutschen Recht – an jede Person richtet, die im Besitz einer Insiderinformation ist. Der chinesische Gesetzgeber hat erkannt, dass allein die Einführung eines Verbotstatbestands für Insidergeschäfte nicht genügt, um die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu gewährleisten und das Vertrauen der Anleger zu sichern. Daher hat auch er eine Ad-hoc-Publizitätspflicht eingeführt. Zudem gibt es seit Kurzem auch im chinesischen Recht weitere flankierende Maßnahmen wie z. B. die Pflicht zur Meldung von Directors’ Dealings, die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen sowie bestimmte Handelsbeschränkungen. All diese Instrumente dienen zum einen der präventiven Bekämpfung von Insiderhandel, zum anderen sollen sie bei der Ermittlung von Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften helfen. In China ist das Insiderrecht grundlegend im Wertpapiergesetz geregelt. Es enthält in §§ 73 und 76 zwei Verbotstatbestände. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diese Verbotstatbestände sind jedoch in einer eigenen Vorschrift geregelt: § 202 WpG sieht für diesen Fall die Auferlegung einer

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Verwaltungssanktion durch die CSRC vor. Vergleichbar mit §§ 38 und 39 WpHG ist auch § 202 WpG einer Blankettnorm ähnlich gestaltet, die der Ausfüllung durch die konkreten Vorschriften in §§ 73 ff. WpG bedarf. Darüber hinaus enthält das chinesische Strafgesetz in § 180 Abs. 1–3 StG einen insiderrechtlichen Straftatbestand. Dieser hat den Charakter eines selbständigen Verbotstatbestands. Er ist jedoch nur einschlägig, wenn besondere Umstände vorliegen und das Verhalten des Täters einen besonders schwerwiegenden Verstoß darstellt. Da er auf den wertpapierrechtlichen Verbotstatbestand aufsetzt, was insbesondere dadurch deutlich wird, dass er hinsichtlich der Definition der einzelnen Tatbestandsmerkmale auf das Wertpapiergesetz Bezug nimmt, wird er hier im Rahmen der Rechtsfolgen dargestellt. Im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland, wo die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das Insiderhandelsverbot schwerpunktmäßig strafrechtlicher Natur sind und nur in bestimmten Fällen, insbesondere bei bestimmten Verhaltensweisen von Sekundärinsidern eine Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt, liegt der Schwerpunkt der Rechtsverfolgung in China auf der Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen das Wertpapiergesetz, was den Erlass von Verwaltungssanktionen unter anderem in Form von Bußgeld zur Folge hat. Ein solches ist einer Geldbuße nach dem deutschen Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vergleichbar. Zu einer strafrechtlichen Sanktion kommt es – anders als im deutschen Recht – unabhängig davon, welche Art von Insider gehandelt hat, nur unter besonderen Voraussetzungen. Wie bereits angedeutet, weicht die bisherige chinesische Behörden- und Gerichtspraxis von der gesetzlichen Regelung im Wertpapiergesetz ab. Auf Seiten der CSRC resultiert dies aus dem bereits erwähnten, durchaus kritisch zu betrachtenden, „vorläufigen Leitfaden“, den die CSRC am 27. März 2007 herausgegeben hat (CSRC-Leitfaden)565. Auf Seiten der Gerichte ist überdies die jüngst durch den Obersten Volksgerichtshof und die Generalstaatsanwaltschaft herausgegebene „Interpretation on Several Issues Concerning the Specific Application of Law in the Handling of Criminal Cases of Engaging in Insider Trading or Leaking Insider Information“566 zu § 180 StG zu beachten, die für die untergeordneten Gerichte bindend ist. Zwar legt diese § 180 StG aus, jedoch ist sie aufgrund der Tatsache, dass dieser für die Begriffsbestimmungen u. a. auf die insiderrechtlichen Vorschriften im Wertpapiergesetz verweist, von gleicher Bedeutung für die Auslegung des Wertpapiergesetzes. 565  Chinesisch: 中国证券监督管理委员会关于发《证券市场操纵行为认定指引 (试行)》及《证券市场内幕交易行为认定指引(试行)》的通知. 566  Chinesisch: 最高人民法院,最高人民检察院关于办理内幕交易,泄露内幕 信息刑事案件具体应用法律若干问题的解释.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse151

Erwähnenswert sind zudem Art. 73 sowie Art. 82 Abs. 11 und 12 der vom Staatsrat erlassenen Regulation on the Administration of Futures Trading567, die den Insiderhandel im Rahmen von Termingeschäften regeln und grundsätzlich den Regelungen im Wertpapiergesetz entsprechen. Der dort geregelte Verbotstatbestand soll hier zugunsten des ausgereifteren und in der wissenschaftlichen Diskussion weit mehr beachteten Verbotstatbestands des Wertpapiergesetzes und auch zugunsten einer stringenten und verständlichen Darstellung zunächst zurückstehen; er wird im Anschluss an die Erläuterung des wertpapierrechtlichen Verbotstatbestands in seinen wesentlichen Zügen dargestellt. 1. Die Verbotstatbestände des Wertpapiergesetzes Der chinesische Gesetzgeber hat in § 73 i. V. m. § 76 WpG ein umfassendes Verbot von Insidergeschäften vorgesehen. Dieses stellt die zentrale Vorschrift des chinesischen Insiderrechts dar. Zusammengefasst enthält dieses Verbot drei Handlungsalternativen, die dem deutschen Verbotstatbestand sehr ähnlich sind: (1) den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren unter Ausnutzung einer Insiderinformation; (2) die Preisgabe einer Insiderinformation; (3) die Empfehlung an einen Dritten zum Handel mit Wertpapieren aufgrund einer Insiderinformation. Verwunderlich ist, dass der chinesische Gesetzgeber den Verbotstatbestand in zwei verschiedenen Vorschriften niedergelegt hat, deren Wortlaut zudem an entscheidenden Stellen voneinander abweicht und daher zu vielen Diskussionen in der Literatur geführt hat. § 73 WpG enthält einen generellen Verbotstatbestand und untersagt jeder Person, die von einer Insiderinformationen im Hinblick auf den Handel mit Wertpapieren weiß oder der Insiderinformationen unrechtmäßig erlangt hat, diese auszunutzen, um mit Wertpapieren zu handeln. § 76 WpG untersagt es über den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren hinaus zusätzlich auch, vor Veröffentlichung der Insiderinformation diese preiszugeben oder anderen Personen zu empfehlen, bestimmte Wertpapiere zu kaufen oder verkaufen. Jegliche Art verbotenen Handelns steht also im Zusammenhang mit dem Begriff des Wertpapiers und / oder der Insiderinformation. Zudem ist – anders als im deutschen Recht – der Begriff des Insiders ein zentrales Element der Verbotstatbestände. Daher sollen zunächst die Begriffe des Insiders, des Wertpapiers, sowie der Insiderinformation genauer erörtert werden, bevor im Anschluss eine Darstellung des durch §§ 73 und 76 WpG verbotenen Handelns erfolgt. 567  Chinesisch: 期货交易管理条例, erlassen vom Staatsrat am 6.3.2007 und in Kraft getreten am 15.4.2007, zuletzt geändert mit Wirkung zum 1.12.2012; § 82 neue Fassung entspricht § 85 der alten Fassung.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

a) Der Begriff des Insiders Im Gegensatz zum deutschen Gesetzgeber hat sich der chinesische Gesetzgeber gegen einen abstrakten Insiderbegriff auf der Ebene des Verbots­ tatbestands entschieden. Es ist folglich nicht jede Person per se Insider und unterfällt dem Verbotstatbestand, die im Besitz einer Insiderinformation ist. Der Begriff des Insiders beschreibt vielmehr einen bestimmten eingegrenzten Personenkreis. Nur diesem Personenkreis ist es untersagt, Insidergeschäfte zu tätigen. Der Begriff des Insiders ist daher im chinesischen im Gegensatz zum deutschen Recht eines der den Verbotstatbestand bestimmenden Tatbestandsmerkmale. Durch die Formulierung der Verbotstatbestände wird deutlich, dass zwischen Personen unterschieden wird, die von einer Insiderinformation Kenntnis haben und solchen, die eine Insiderinformation auf unrechtmäßigem Wege erlangt haben. Zwar lässt der Wortlaut der §§ 73 und 76 WpG zunächst vermuten, dass jede Person als Insider zu bezeichnen ist, die Kenntnis von einer Insiderinformation hat oder diese auf unrechtmäßigem Wege erlangt hat, jedoch erfolgt sodann in § 74 WpG eine Einschränkung. Demnach schließt der Begriff der Personen mit Kenntnis von Insiderinformationen nur bestimmte Personengruppen ein. Die in § 74 WpG gemachte Aufzählung wird allgemein ohne nähere Begründung als abschließend betrachtet568. Eine Ansicht führt dies auf die Wortwahl des Gesetzgebers zurück, der hier das Wort „einschließlich“569 gebraucht. In anderen Gesetzen, die der chinesische Gesetzgeber im selben Zeitraum wie das Wertpapiergesetz erlassen hat sowie in untergesetzlichen Vorschriften, werde stets der Begriff „einschließlich jedoch ohne Beschränkung“570 gebraucht, so dass der Gesetzgeber sich vorliegend bewusst für eine abschließende Aufzählung entschieden habe.571 Dieses Wortlautargument hat jedoch schon aufgrund der Tatsache, dass das Wort „einschließlich“ schon von sich aus eine offene und gerade nicht eingrenzende Konnotation hat, kein großes Gewicht. Für eine abschließende Aufzählung spricht jedoch, dass der Gesetzgeber in § 74 Nr. 7 WpG einen Auffangtatbestand vorgesehen hat, demzufolge die CSRC weitere Personen vorschreiben kann, von denen angenommen wird, dass sie Kenntnis von Insiderinformationen haben. Eines solchen Auffangtatbestands hätte es nicht bedurft, wenn die gesetzliche Regelung lediglich als beispiel568  Vgl. z. B. Meng, Journal of Jiangxi Science & Technology Normal University 2011 (5), 20 (23); Wang, Jingling, Fachbuch zum Gesetzesentwurf zum WpG, S. 208; Autorengruppe Wertpapiergestez: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 206; Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 418. 569  Chinesisch: 包括. 570  Chinesisch: 包括但不限于. 571  Howson, 60 Am. J. Comp. L. 2012, 955 (964).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse153

hafte Aufzählung zu verstehen wäre, die jederzeit um zusätzliche Personengruppen erweitert werden könnte. Die überdies in §§ 73 und 76 WpG genannten Personen, die eine Insider­ information unrechtmäßig erlangt haben, werden vom Gesetz nicht näher konkretisiert. Das Verbot von Insidergeschäften greift daher nicht wie im deutschen Recht gegenüber jedermann, sondern nur gegenüber den gesetzlich bestimmten und den von der CSRC vorgeschriebenen Personen. Die vom chinesischen Gesetzgeber als taugliche Insider bestimmten Personen, d. h. die in § 74 WpG aufgezählten Insider sowie diejenigen Personen, die eine Insiderinformation auf unrechtmäßige Weise erlangt haben, sind vergleichbar mit dem Personenkreis, den der deutsche Gesetzgeber in § 38 Abs. 2 WpHG im Rahmen der Rechtsfolgen verbotenen Insiderhandels als Primärinsider qualifiziert. Der gesetzlich vorgegebenen Unterscheidung folgend werden die in § 74 WpG genannten Insider von der Literatur überwiegend einfach als „Insider“ oder „gesetzliche Insider“ und die in §§ 73 und 76 WpG zusätzlich genannten Insider als „Nicht-Insider“ oder „illegale Insider“ bezeichnet.572 aa) Gesetzlicher Insider Innerhalb der Gruppe der gesetzlichen Insider wird eine Unterteilung danach vorgenommen, auf welche Weise die jeweilige Person Zugang zu Insiderinformationen erlangt. Demnach wird überwiegend zwischen „traditionellen Insidern“, teilweise auch „Unternehmensinsider“ genannt, „Aufsichtsbehörden-Insidern“ und „Marktinsidern“, teilweise auch „temporäre Insider“ oder „vermutete Insider“ genannt, unterschieden.573 (1) Traditionelle Insider Die traditionellen Insider sind die in § 74 Nr. 1–4 WpG genannten Personen. Erstens werden die Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitenden Angestellten des Emittenten umfasst. Unter den Begriff der leiten572  Vgl. z. B. Wang, Yu / Li / Zhang, Jinchun, Wertpapierrecht, S. 479; Zhang, Yunfang, Strafrechtliche Vorschriften zum Insiderhandel, S. 10 f.; Cai, Yi, Analyse der wichtigsten Änderungen des Wertpapiergesetzes; Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (190). 573  Vgl. u. a. Wang, Jing / Teng, Vergleichende Studie zum Wertpapiergesetz, S. 424; Huang, Hui, International Securities Markets, S. 187; Chen, Haiying / Zhu, Weiming / Ye, Jianping, Studien zur Rechtsstaatlichkeit 2008 (3), 32 (33); Wang, Juan, Analyse des Insiderhandelsüberwachungssystems, S. 6.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

den Angestellten, den das Gesetz nicht näher definiert, werden u. a. Geschäftsführer, stellvertretende Geschäftsführer, Assistenten der Geschäftsführung, Vorstandssekretärinnen, der leitende Ökonom, der leitende Wirtschaftsprüfer, der leitende Ingenieur, der Leiter der Finanzabteilung sowie regionale Handelsvertreter gefasst.574 Als zweite Gruppe der traditionellen Insider führt das Gesetz Aktionäre auf, die mehr als 5 % der Aktien des Unternehmens halten, sowie deren Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitende Angestellte oder die Personen, die die tatsächliche Kontrolle über das Unternehmen ausüben, sowie deren Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitende Angestellte. Großaktionäre bzw. Aktionäre mit einer Sperrminorität fallen deshalb unter den Insiderbegriff, weil sie in der Lage sind, Beschlüsse der Hauptversammlung zu antizipieren bzw. zu kontrollieren und daher gegenüber normalen Anlegern einen Informationsvorsprung haben.575 Unter § 74 Nr. 3 WpG fällt die dem Emittenten übergeordnete Holdinggesellschaft sowie deren Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitende Angestellte. Anders als in Deutschland werden somit nur die Holdinggesellschaft sowie deren Geschäftsführungs- und Überwachungsorgane in den Kreis der Insider einbezogen, nicht aber die sonstigen mit dem Emittenten verbundenen Unternehmen sowie deren Organmitglieder und leitenden Angestellten, die aufgrund ihrer Position die Möglichkeit haben, Kenntnis von Insiderinformationen zu erlangen. § 74 Nr. 4 WpG erfasst Angestellte, die aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen Insiderinformationen in Bezug auf das Unternehmen erlangen können. Unter den Begriff des Unternehmens fällt dabei nach einer Ansicht in der Literatur nicht nur der Emittent selbst, sondern auch das den Emittenten beherrschende Unternehmen.576 Diese Personengruppe entspricht den im deutschen Recht in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG enthaltenen Berufsinsidern. Der Tatbestand des § 74 Nr. 4 WpG dient als Auffangtatbestand gegenüber § 74 Nr. 1 WpG. § 74 Nr. 1 WpG ist zwar im Vergleich zu § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpHG in Bezug auf die im Unternehmen tätigen Personen weiter gefasst, da dieser auch leitende Angestellte nennt, die im deutschen Recht unter § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG fallen. Neben den leitenden 574  Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 204; Wang, Yu / Li / Zhang, Jinchun, Wertpapierrecht, S. 480 noch zu § 68 WpG, der Vorgängernorm des § 74 WpG; ebenso Wang, Jingling, Fachbuch zum Gesetzesentwurf zum Wertpapiergesetz, S. 207. 575  Wang, Jingling, Fachbuch zum Gesetzesentwurf zum Wertpapiergesetz, S. 207; Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 205; Huang, Hui, International Securities Markets, S. 187. 576  Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 205.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse155

Angestellten gibt es jedoch eine Vielzahl von Angestellten, die potentiell mit Insiderinformationen in Kontakt kommen können, so dass diese Situation ebenfalls einer gesetzlichen Regelung bedarf. Zu dieser Personengruppe zählen u. a. Angestellte in der Finanzabteilung, in der Dokumentenverwaltung und in den Sekretariaten sowie Schreibkräfte.577 Der Gesetzeswortlaut enthält ein Kausalitätserfordernis, d. h. die Angestellten des Unternehmens müssen die Insiderinformation aufgrund578 ihrer Stellung im Unternehmen erhalten, um als Insider qualifiziert werden zu können. Im Gegensatz zum deutschen Recht enthält der Wortlaut des § 74 Nr. 4 WpG jedoch keine Einschränkung dahingehend, dass die Information bestimmungsgemäß erlangt worden sein muss. Dieses Kriterium ist im deutschen Recht deshalb vorgesehen, weil bei Personen, bei denen eine besondere Nähe zu Insiderinformationen besteht, die sich dessen auch bewusst sind und die Insiderinformationen aufgrund dieser Nähe bestimmungsgemäß erlangen können, im Fall eines Verstoßes gegen das Verbot von Insidergeschäften ein größerer Unrechtsgehalt die Tat bestimmt als dies bei einer Person der Fall ist, deren Position im Unternehmen nicht darauf ausgelegt ist, mit Insiderinformationen in Kontakt zu kommen. Eine nicht bestimmungsgemäße Erlangung der Insiderinformation führt dann dazu, dass der jeweilige Angestellte als Sekundärinsider zu qualifizieren ist. Da im chinesischen Recht diese soeben beschriebene Möglichkeit, einen Angestellten trotz nicht bestimmungsgemäßer Erlangung einer Insiderinformation als Insider zu qualifizieren, nur dann bestünde, wenn der Angestellte die Insiderinformation widerrechtlich erlangt hätte, die Möglichkeiten innerhalb eines Unternehmens an Insiderinformationen zu gelangen jedoch vergleichsweise günstig sind, hat der chinesische Gesetzgeber sich in Bezug auf die Angestellten eines Emittenten für einen umfassenden Insiderbegriff entschieden. Er fasst also jeden Angestellten eines Emittenten unter den Insiderbegriff, unabhängig von der Art der Informationserlangung. (2) Aufsichtsbehördeninsider In § 74 Nr. 5 WpG sind die Aufsichtsbehördeninsider genannt, d. h. die Mitarbeiter der Wertpapierregulierungsbehörden und andere Angestellte, die ihren gesetzlichen Pflichten in Bezug auf die Ausgabe von und den Handel mit Wertpapieren nachkommen. In diese Personengruppe, die im deutschen 577  Wang, Jingling, Fachbuch zum Gesetzesentwurf zum Wertpapiergesetz, S. 207; Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 205; Chen, Haiying / Zhu, Weiming / Ye, Jianping, Studien zur Rechtsstaatlichkeit 2008 (3), 32 (34); Wang, Juan, Analyse des Insiderhandelsüberwachungssystems, S. 6. 578  Chinesisch 由于.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Recht ebenfalls der Kategorie der Tätigkeits- bzw. Aufgabeninsider gem. § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG zugeordnet wird, fallen u. a. Angestellte der Justizbehörden, der Gewerbesteuerbehörden, der Industriekammer und der Wirtschaftsverwaltung.579 Der deutsche Begriff des Tätigkeits- bzw. Aufgabeninsiders ist jedoch aufgrund seiner generellen Formulierung viel umfassender als der chinesische Begriff des Aufsichtsbehördeninsiders: Dieser umfasst nur Angestellte der Wertpapierregulierungsbehörden und Mitarbeiter anderer staatlicher Stellen, deren Pflicht, die Verwaltung des Wertpapierhandels durchzuführen, gesetzlich bestimmt ist. Nicht erfasst sind jedoch Beamte und sonstige Mitarbeiter anderer staatlicher Stellen, deren Aufgabe nicht die Verwaltung des Wertpapierhandels ist, die jedoch genauso mit Insiderinformationen in Kontakt kommen können. Der Sinn der Einbeziehung eines nur begrenzten Kreises staatlicher Angestellter erschließt sich nicht. Eine solche Regelung schließt viele mögliche Insider in Form von im öffentlichen Dienst tätigen Personen per se vom Insiderhandelsverbot aus. Dies ist insbesondere in einem Land wie China, in dem viele Staatsbedienstete aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung potentiell Zugang zu Insiderinformationen haben, und in dem der Kapitalmarkt noch immer politikgetrieben ist und in hohem Maße vom Staat beeinflusst wird, höchst problematisch.580 (3) Marktinsider Die Marktinsider, die ebenfalls den deutschen Aufgaben- bzw. Tätigkeitsinsidern vergleichbar sind, sind nach § 74 Nr. 6 WpG die Angestellten von sog. Recommenders, Wertpapierfirmen, die im Emissionsgeschäft tätig sind, Börsen, Wertpapierregistrierungs- und Clearingstellen und Wertpapierserviceinstitutionen. Als Recommenders581 werden Institutionen bezeichnet, die börsennotierten Unternehmen auf dem Markt ihre Unterstützung bei verschiedenen Aufgaben, z. B. bei der Zulassung der Aktien zum Handel an einer Börse, anbieten. Wertpapierserviceinstitutionen sind gem. § 169 Abs. 1 WpG Investitionsberatungs-, Finanzberatungsinstitute, Ratingagenturen, Vermögensbewertungsinstitutionen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Obwohl Anwälte bzw. Kanzleien nicht explizit genannt werden, werden sie von einigen Stimmen in der Literatur ebenfalls als unter § 74 Nr. 6 WpG fallend angesehen.582 579  Wang, Juan, Analyse des Insiderhandelsüberwachungssystems, S. 6; Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 206. 580  So auch Huang, Hui, International Securities Marktes, S. 196 f. 581  Chinesisch: 保荐人. 582  Vgl. z. B. Howson, in: Bainbridge, Research Handbook on Insider Trading, 327 (332); Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden,



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse157

Dabei wird jedoch nicht deutlich, unter welche der in § 74 Nr. 6 WpG genannten Institutionen diese gefasst werden sollen.583 (4) Ermächtigung der CSRC, weitere Insider vorzuschreiben Neben der abschließenden Aufzählung von Personen, die als Insider anzusehen sind, enthält § 74 WpG in Nr. 7 schließlich eine Ermächtigungsgrundlage für die CSRC. Durch diese wird es der CSRC erlaubt, weitere Personen vorzuschreiben, die dann als Personen mit Kenntnis einer Insiderinformation anzusehen sind. Das Wertpapiergesetz gebraucht hier den Begriff „vorschreiben“584. Dieser Begriff ist einem in einer anderen Vorschrift gewählten Wortlaut gegenüberzustellen: § 75 Abs. 2 Nr. 8 WpG ermächtigt die CSRC, weitere erhebliche Informationen als Insiderinformationen „anzuerkennen“585. Der Unterschied zwischen „vorschreiben“ und „anerkennen“ besteht darin, dass die CSRC weitere unter den Insiderbegriff fallende Personen nur durch Niederlegung in einer verwaltungsrechtlichen Vorschrift „vorschreiben“ kann. Eine „Anerkennung“ hingegen ist formlos möglich.586 Aufgrund der Tatsache, dass sich der chinesische Gesetzgeber für eine abschließende Aufzählung möglicher Insider entschieden hat, der Begriff des Insiders jedoch komplex und es daher unmöglich ist, alle denkbaren Insider aufzulisten, ist diese Ermächtigung eine Möglichkeit, vor dem Hintergrund der ständigen Weiterentwicklung des Kapitalmarkts trotzdem eine effektive Durchsetzung des Insiderhandelsverbots zu erreichen.587 Die CSRC hat aufgrund dieser Ermächtigung die Möglichkeit, aus Erfahrungen, die sie im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit gesammelt hat, Schlüsse zu ziehen und Personen dem Verbot von Insidergeschäften zu unterwerfen, die besonders prädestiniert sind, Insidergeschäfte durchzuführen, die jedoch bisher nicht in § 74 WpG erwähnt sind. Diese Ermächtigung ist ihrem Wortlaut nach eine Auffangbestimmung, d. h. sie macht keine Angaben dazu, welche Art von Personen die CSRC zu bestimmen ermächtigt ist, sondern ist vielmehr generell formuliert. Obwohl die bisher in § 74 WpG aufgeführten WpG, S. 206; Meng, Journal of Jiangxi Science & Technology Normal University 2011 (5), 20 (23); Zhao, Shuanglin, Marktmodernisierung 2009 (3), 321 (321). 583  Siehe nur Howson, in: Bainbridge, Research Handbook on Insider Trading, 327 (343 f.), der angibt, unter den Begriff der Angestellten von Wertpapierservice­ institutionen fielen vermutlich auch Anwälte. 584  Chinesisch: 规定. 585  Chinesisch: 认定. 586  Vgl. zu dieser Unterscheidung ausführlich Howson, 60 Am. J. Comp. L. 2012, 955 (973 ff.). 587  Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 206.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Insider eine sehr eng begrenzte Gruppe darstellen, ist die CSRC nicht gezwungen, sich bei der Bestimmung weiterer Insider an diesem sehr restriktiven gesetzlichen Konzept zu orientieren.588 Schon bald nach In-Kraft-Treten des jetzigen Wertpapiergesetzes trat die Lückenhaftigkeit der Regelung des Insiderbegriffes zu Tage. Die CSRC erließ aufgrund dessen einen Leitfaden, in dem sie weitere Personen als Insider qualifiziert. (a) Regelung des Insiderbegriffs Der CSRC-Leitfaden führt zunächst den Begriff des Insiders589 ein, den das Wertpapiergesetz nicht ausdrücklich gebraucht. Gem. § 5 des CSRCLeitfadens sind alle diejenigen natürlichen und juristischen Personen Insider, die Insiderinformationen direkt oder indirekt erlangen, bevor diese veröffentlicht sind. Diesen Begriff des Insiders füllt der CSRC-Leitfaden sodann in § 6 aus. Über die bereits in § 74 WpG genannten Personen hinaus zählt der CSRC-Leitfaden in § 6 Nr. 2.1–2.5 weitere Personen auf, die dem Insiderbegriff unterfallen sollen. Folgende Personen werden als Insider qualifiziert: Emittenten bzw. börsennotierte Unternehmen; kontrollierende Anteilseigner des Emittenten, Unternehmen, die vom kontrollierenden Anteilseigner des Emittenten kontrolliert werden sowie deren Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitende Angestellte; jede Partei, die in eine Fusion, Akquisition oder eine Restrukturierung einer börsennotierten Gesellschaft involviert ist, sowie deren entsprechende Angestellte; Personen, die durch die Ausübung ihres Berufes Insiderinformationen erlangen; die Ehepartner der in § 74 Nr. 1–6 WpG genannten Personen; Eltern, Kinder und Angehörige aller soeben genannten Personen; Personen, die Insiderinformationen durch Betrug, betrügerische Verhaltensweisen, Belauschen, Abhören und Handel unter der Hand erlangt haben und schließlich Personen, die Insider­ informationen auf anderem Wege erlangt haben. Besonderer Beachtung bedarf dabei § 6 Nr. 5 CSRC-Leitfaden, der jede Person, die Insiderinformationen auf anderem Wege erlangt hat, zum Insider macht. Durch diese generelle Regelung wird jede Person zum Insider, die im Besitz einer Insiderinformation ist, und zwar unabhängig davon, wie sie die Insiderinformation erlangt hat.

588  A. A. Howson, 60 Am. J. Comp. L. 2012, 955 (982), der in sehr restriktiven Handhabung des Insiderbegriffs ein gesetzliches Konzept sieht, an dem die CSRC sich bei der Bestimmung weiterer Insider zu orientieren hat. 589  Chinesisch: 内幕人.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse159

(b) R  echtliche Qualifikation und Rechtmäßigkeit der Art. 6 Nr. 2, 3 und 5 CSRC-Leitfaden Vor dem Hintergrund der soeben dargestellten Ausweitung des subjektiven Anwendungsbereichs des Verbots von Insidergeschäften durch den CSRC-Leitfaden stellt sich nun die Frage, wie dieser bzw. insbesondere Art. 6 Nr. 2, 3 und 5 CSRC-Leitfaden zu qualifizieren ist. Wie bereits erörtert, fordert § 74 Nr. 7 WpG, dass die CSRC weitere Personen als Insider durch eine formelle und durchsetzbare Regelung vorschreibt. Eine solche stellen Art. 6 Nr. 2, 3 und 5 CSRC-Leitfaden jedoch aus zwei Gründen nicht dar. Zum einen erhebt der CSRC-Leitfaden selbst keinen Anspruch darauf, als durchsetzbare Vorschrift oder Verordnung zu gelten. Vielmehr ist er seiner Einleitung zufolge ein rein internes Dokument, das sich an die Mitarbeiter der CSRC und untergeordneter Wertpapierregulierungsbehörden sowie an die Mitarbeiter der beiden Börsen in Shanghai und Shenzhen richtet. Zum anderen ist er ein vorläufiges Dokument und soll zunächst nur im Rahmen eines „Probelaufes“ zum Einsatz kommen. Die Mitarbeiter, an die der CSRC-Leitfaden verteilt wurde, werden explizit aufgefordert, während der Probezeit auftauchende Probleme und Fragen zu melden und Lösungs- oder Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.590 Soweit ersichtlich besteht dieses Probestadium zum heutigen Tage noch immer, zumindest hat die CRSC bisher keinen neuen, endgültigen Leitfaden herausgegeben. Der CSRCLeitfaden ist also ein rein internes Dokument, das die Ansicht der CSRC zu verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit den insiderrechtlichen Vorschriften des Wertpapiergesetzes wiedergibt, dem aber keine Normqualität zukommt und das daher der Ermächtigungsgrundlage des § 74 Nr. 7 WpG nicht genügt.591 Selbst wenn man annähme, dass ein solcher Leitfaden als Vorschrift im Sinne der Ermächtigungsgrundlage gelten könnte, ist der CSRC-Leitfaden zumindest nicht rechtmäßig und damit auch nicht durchsetzbar. Die CSRC darf ihn daher nicht vollziehen, wenn sie nicht unrechtmäßig handeln und ihre Entscheidungen damit angreifbar machen will. Dieser Schluss resultiert daraus, dass der CSRC-Leitfaden lediglich intern verteilt und niemals formal in einem Amtsblatt veröffentlicht wurde. Damit er jedoch Normqualität erlangen kann, hätte es einer solchen Veröffentlichung bedurft. Dies ergibt sich aus § 184 WpG. Dort heißt es, dass die von der CSRC erlassenen 590  Vgl.

Präambel des CSRC-Leitfadens. ausführlich zur Qualifikation eines solchen Leitfadens Howson, 60 Am. J. Comp. L. 2012, 955 (979 ff.). 591  Vgl.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Vorschriften und Regeln der Allgemeinheit gegenüber veröffentlicht werden müssen. Zudem ergibt sich aus §§ 76 und 77 des Gesetzgebungsgesetzes592, welches das Gesetzgebungsverfahren sowie das Verfahren zum Erlass untergesetzlicher Normen regelt: Behördliche Vorschriften müssen vom Leiter der jeweiligen Behörde unterzeichnet und danach im Amtsblatt des Staatsrates oder der jeweiligen Behörde sowie in einer überregionalen Zeitung veröffentlicht werden. Die chinesische Literatur schweigt weitestgehend zur Qualifikation und zu Fragen im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit des CSRC-Leitfadens. Teilweise wird er ohne Begründung als anwendbar erachtet. Es wird sogar darauf hingewiesen, dass dieser den gesetzlich vorgesehenen Anwendungsbereich des Insiderbegriffs wesentlich erweitert.593 Eine Stimme in der Literatur bezeichnet den CSRC-Leitfaden als geheim und unfair und weist explizit darauf hin, dass dieser als internes Dokument nur an einen kleinen Personenkreis verteilt wurde, dass jedoch die bereite Öffentlichkeit keine Kenntnis von den im CSRC-Leitfaden niedergelegten Kriterien für die Durchsetzung des Verbots von Insidergeschäften habe und daher gar nicht wisse, welche fatalen Rechtsfolgen ein Verstoß gegen dieses Verbot nach sich ziehen könne.594 Andere Stimmen hingegen erwähnen die Existenz dieses Leitfadens gar nicht und plädieren im Rahmen ihrer Analyse des Insiderbegriffs z. B. für die Aufnahme der Ehegatten und nahen Angehörigen in den Anwendungsbereich, um eine effektivere Durchsetzbarkeit des Insiderhandelsverbots zu gewährleisten.595 Diese Situation, die sich hier in Bezug auf die kritische Auseinandersetzung mit dem CSRC-Leitfaden darstellt, ist laut Aussage eines chinesischen Rechtsanwalts und Dozenten, der Kapitalmarktspezialist ist und hier nicht persönlich genannt werden möchte, Ausdruck eines Umstands, der in China häufig zu finden ist: In der chinesischen Rechtswissenschaft sei durchaus bekannt, dass es den hier diskutierten CSRC-Leitfaden gibt. Im Rahmen von Diskussionen werde es jedoch vermieden zu erörtern, ob dieser CSRCLeitfaden bzw. Art. 6 Nr. 2, 3 und 5 CSRC-Leitfaden im Besonderen rechtmäßig oder rechtswidrig sind, weil dies ein zu heikles und sensibles Thema sei. Rein theoretisch sei es jedoch offensichtlich, dass Art. 6 Nr. 2, 3 und 5 CSRC-Leitfaden nicht durchsetzbar sind, weil der CSRC-Leitfaden als sol592  Chinesisch: 中华人民共和国立法法, erlassen am 15.3.2000 und in Kraft seit dem 1.7.2000. 593  Vgl. z. B. Wu, Qidong, Legal System and Society 2008 (6), 281; Qiu, Studie zur Regelungssystematik. 594  Zheng, Yu, Wahl eines effektiven Überwachungssystems, S. 271 f. 595  Vgl. z. B. Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (191); Zhao, Shuanglin, Market Modernization 2009 (3), 321 (321); Cai, Yi, Analyse der wichtigsten Änderungen des Wertpapiergesetzes.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse161

cher niemals förmlich veröffentlicht worden sei. In der Praxis jedoch sei die CSRC dringend auf diesen Leitfaden angewiesen, um so rigide gegen verbotene Insidergeschäfte vorgehen zu können, wie sie es sich zum Ziel gemacht habe. Eine Ansicht in der nicht chinesisch-sprachigen Literatur hält den CSRCLeitfaden darüber hinaus auch deshalb für rechtswidrig, weil er ihres Erachtens ultra vires ist. Dies wird daraus abgeleitet, dass der CSRC-Leitfaden bei der Definition des Insiderbegriffs weit über das hinausgeht, was vom Wertpapiergesetz vorgegeben wird. Die Konzeption des chinesischen Wertpapiergesetzes mache deutlich, dass durch §§ 74 und 76 WpG ein eng begrenzter Personenkreis als Insider erfasst werden solle. Durch den CSRCLeitfaden, der nun alle Personen, die im Besitz einer Insiderinformation sind, zu Insidern macht, erhalte der Anwendungsbereich des Insiderbegriffs und damit auch das Insiderrecht eine ganz neue Dimension. Die CSRC gehe also weit über das hinaus, wozu sie per Gesetz berechtigt sei.596 Dieser Ansicht ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Wortlaut des § 74 Nr. 7 WpG der CSRC keine Einschränkung bei der Bestimmung weiterer Personen, die Kenntnis von einer Insiderinformation haben, vorgibt.597 Insofern ist die CSRC frei, alle Personen, die im Besitz einer Insiderinformation sind als Personen mit Kenntnis von Insiderinformationen zu qualifizieren, solange dies durch eine formelle Regelung geschieht. (c) Anwendung des CSRC-Leitfadens in der Praxis Obwohl der CSRC-Leitfaden wie soeben erörtert unrechtmäßig ist, wendet die CRSC ihn in der Praxis an und stützt ihre Entscheidungen auf diesen. Dabei zitiert sie ihn zwar nicht als Rechtsgrundlage, jedoch ergibt in vielen Entscheidungen ein Blick in das Wertpapiergesetz, dass die Person, die Adressat der jeweiligen verwaltungsrechtlichen Sanktion ist, weder als gesetzlicher Insider noch als illegaler Insider zu qualifizieren ist und eine Bestrafung nur dann möglich ist, wenn man die Grundsätze des CSRCLeitfadens anwendet. Die praktische Relevanz des CSRC-Leitfadens und insbesondere der Einbeziehung von Tippees, d. h. Personen, die eine Insiderinformation von einem gesetzlichen Insider oder einem Dritten erlangt haben, in den Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots, zeigt sich z. B. im Fall Jia Hua­ Howson, 60 Am. J. Comp. L. 2012, 955 (982). zu dieser Ermächtigungsgrundlage Han, Lili, Legal System and Society 2009 (5), 332 (338), der bemängelt, die Ermächtigungsgrundlage enthalte keinerlei Anhaltspunkte, an der sich die Qualifizierung weiterer Personen als Personen mit Kenntnis von einer Insiderinformation orientieren könne. 596  So

597  Kritisch

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

zhang und Liu Rong, den die CSRC am 21.12.2010 entschieden hat.598 Jia Huazhang war Vorstandmitglied der Xintai Science and Technology Aktiengesellschaft (Xintai AG). Der zweitgrößte Aktionär der Xintai AG, der 26,81 % der Aktien besaß, beschloss, seine Anteile an der Xintai AG zu verkaufen und schloss mit einem Käufer am 26. April 2006 einen entsprechenden Vertrag. Der Vertragsschluss wurde am 29. April 2006 veröffentlicht. Nach Vertragsschluss – aber vor dessen Veröffentlichung – kaufte Liu Rong, die Ehefrau von Jia Huazhang, Aktien der Xintai AG und verkaufte diese gewinnbringend im Mai 2006. Die CSRC gibt in ihrer Entscheidung an, Liu Rong sei in der Lage gewesen, die entsprechenden Informationen über den Vertragsschluss bereits vor der Veröffentlichung von ihrem Ehemann zu erlangen. Es werden jedoch keine Ausführungen dazu gemacht, wie Liu Rong, die ausgehend von § 76 WpG nur als illegaler Insider qualifiziert werden kann, da sie nicht in die in § 74 WpG niedergelegten Kategorien der gesetzlichen Insider eingeordnet werden kann, als illegaler Insider auf unrechtmäßige Weise an die Insiderinformation gelangt ist. Aufgrund der Sachverhaltsdarstellung der CSRC liegt hier ein ganz normaler Fall des Tipping durch den Ehemann vor. In einer solchen Situation erlangt der Tippee, hier Liu Rong, die Information nach der damaligen Rechtslage nicht unrechtmäßig, da die Information nicht durch Abhören, Erschleichen oder Diebstahl erlangt wurde. Zwar kann man aufgrund der aktuellen Rechtslage nach Herausgabe der Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft, diesen Fall als einen Fall der unrechtmäßigen Informationserlangung betrachten, jedoch galt diese Interpretation zur Zeit der Entscheidung der CSRC noch nicht. Daher kann man nur dann, wenn man den CSRC-Leitfaden zugrunde legt, der jede Person, die Insiderinformationen besitzt, zu Insidern macht, wie die CSRC zu dem Ergebnis gelangen, dass hier Insiderhandel vorlag. Da der Leitfaden jedoch nicht den Charakter einer förmlichen Regelung hat, ist jede Entscheidung der CSRC, die auf dessen Basis ergangen ist, gem. § 3 des „Law on Administrative Penalty“599 ungültig, da dieser zum einen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ vorsieht und zum anderen bestimmt, dass Sanktionen, die nicht im Einklang mit dem Gesetz ergangen sind, ungültig sind. Soweit ersichtlich sind derartige Entscheidungen der CSRC bisher jedoch nicht wegen ihrer Ungültigkeit angegriffen worden.600 598  Verwaltungssanktion 2010 Nr. 53 der CSRC v. 21.12.2012 gegen Jia Hua­ zhang und Liu Rong (中国证监会行政处罚决定书(贾华章,刘荣)– (2010) 53 号). 599  Chinesisch: 中华人民共和国行政处罚法, erlassen am 17.3.1996 und in Kraft getreten am 1.10.1996. 600  Zu einer generelle Auseinandersetzung mit denkbaren Möglichkeit gegen den CSRC-Leitfaden vorzugehen siehe Howson, Am. J. Comp. L. 2012, 955 (988 ff.).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse163

(5) Notwendigkeit der tatsächlichen Kenntnis der Insiderinformation Die Gruppe der sog. gesetzlichen Insider zeichnet sich dadurch aus, dass dem Gesetzeswortlaut folgend Personen, die unter eine der im Gesetz aufgezählten Personengruppen gefasst werden können, stets als Insider gelten, auch wenn sie tatsächlich keine Kenntnis von einer Insiderinformation haben. § 74 WpG lautet nämlich: „Personen, die Kenntnis von Insiderinformationen im Wertpapierhandel haben, schließen ein: …“. Diese Formulierung hat in der Literatur teilweise zu Kritik geführt, weil sie dadurch, dass durch sie auch Personen unter den Begriff des Insiders fasst, die zwar eine der im Gesetz vorgesehenen Positionen ausfüllen, jedoch keine Kenntnis von einer Insiderinformation haben, einen überschießenden Charakter aufweist.601 Die CSRC vertritt gegen den Gesetzeswortlaut die Auffassung, es handele sich um eine widerlegbare Vermutung. Diese Auffassung kann dem von der CSRC herausgegeben Leitfaden entnommen werden. Art. 14  CSRC-Leitfaden eröffnet gesetzlichen Insidern sowie den in Art. 6 Nr. 2 CSRC-Leitfaden genannten Personen602 die Möglichkeit zu beweisen, dass sie keine Kenntnis von der Insiderinformation hatten. Gelingt dies, wird ein Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften nicht angenommen. Für alle anderen im CSRC-Leitfaden genannten Personen muss der CSRC zufolge im Einzelfall bewiesen werden, dass sie die Insiderinformation kannten. Dass die CSRC in ihrer Entscheidungspraxis die oben beschriebene Vermutung anwendet, zeigt sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 2010 gegen She Xinqi.603 Dieser war Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der Sichuan Shengda Shiye Aktiengesellschaft (Shengda AG). She Xinqi hatte vor Veröffentlichung des Geschäftsberichts der Shengda AG für das Jahr 2006 sowie vor Veröffentlichung eines Newsletters mit den Gewinnzahlen für die erste Hälfte des Jahres 2007, die sich im Vergleich zum Vorjahr um 1.682,28 % gesteigert hatten, Aktien der Shengda AG gekauft. Während der Ermittlungen und Anhörungen gab She Xinqi an, nichts von den Berichten gewusst zu haben, als er mit den Wertpapieren der Shengda AG handelte. Die CSRC führte in ihrer Entscheidung aus, warum She Xinqi ihres Erach601  Qu,

10 Pac. Rim L. & Pol’y J. 2001, 327 (338). diesen zählen: Emittenten bzw. börsennotierte Unternehmen; kontrollierende Anteilseigner des Emittenten, Unternehmen, die vom kontrollierenden Anteilseigner des Emittenten kontrolliert werden sowie deren Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitende Angestellte; jede Partei, die in eine Fusion, Akquisition oder eine Restrukturierung einer börsennotierten Gesellschaft involviert ist, sowie deren entsprechende Angestellte; Personen, die durch die Ausübung ihres Berufes Insiderinformationen erlangen; Ehepartner der gesetzlichen Insider. 603  Verwaltungssanktion 2010 Nr. 2 der CSRC v. 18.1.2008 gegen She Xinqi (中 国证监会行政处罚决定书(佘鑫麒)– (2010) 2号). 602  Zu

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

tens Kenntnis von der Insiderinformation hatte: Sie stellte auf seine Position und seine lange Zugehörigkeit zum Unternehmen ab, denn vor seiner Position als Vorstandsmitglied und Geschäftsführer war er bereits Generalin­ spekteur in der Finanzabteilung der Shangda AG. Im Rahmen seiner aus der Satzung hervorgehenden Pflichten als Vorstandmitglied und Geschäftsführer hatte er dem Vorstand über die Geschäftstätigkeit zu berichten, Beschlüsse des Vorstands umzusetzen etc. Er musste also stets Kenntnis von allen wichtigen Vorgängen innerhalb des Unternehmens haben und insbesondere auf dem neusten Stand in Bezug auf die Finanzlage des Unternehmens sein. Darüber hinaus stellte die CSRC dar, dass sein Handelsverhalten offensichtlich im Zusammenhang mit dem Veröffentlichungszeitpunkt der jeweiligen Insiderinformation stand. Aus all diesen Gründen ließ die CSRC den Einwand des She Xinqi, der diesen auch nicht mit Beweismitteln bekräftigen konnte, nicht gelten und bestrafte ihn wegen verbotenen Insiderhandels. bb) Illegaler Insider Durch § 73 und § 76 Abs. 1 WpG werden auch solche Personen vom Anwendungsbereich des Insiderbegriffs erfasst, die Insiderinformationen unrechtmäßig erlangt haben. Wie der Begriff der „Unrechtmäßigkeit“ auszulegen ist, ist in der Literatur umstritten. Eine Ansicht in der Literatur will unter diesen Begriff nur aktives und unrechtmäßiges Handeln, also Verhaltensweisen fassen, die einen Verstoß gegen allgemeine sittliche Verhaltensweisen oder sogar einen Gesetzesverstoß bedeuten. Sie stellt darauf ab, dass der illegale Insider aktiv versuchen muss, die Information auf einem unrechtmäßigen Weg zu erlangen. Als Bespiele werden die Informationserlangung durch Diebstahl, Betrug, Bestechung, Abhören oder heimliches Belauschen, Geschäfte unter der Hand, Tauschgeschäfte sowie durch das Einfordern der Information genannt.604 Eine andere Ansicht sieht auch Personen, die Insiderinformationen auf sonstigem Wege erlangen, vom Anwendungsbereich des Insiderbegriffs umfasst. Darunter soll insbesondere der Fall gefasst werden, dass die betreffende Person die Information z. B. aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen, Verbindungen zu Kollegen etc. erlangt.605 Die Information kann dabei 604  Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (191); Wang, Yu / Li / Zhang, Jinchun, Wertpapierrecht, S. 479; Wang, Juan, Analyse des Insiderhandelsüberwachungssystems, S. 7; Zhang, Wei, Commercial Research, 2005 (20), 89 (90). 605  Wang, Zhengxun, China Strafrechts-Zeitschrift 2003 (4), 47 (51); siehe auch Zhang, Huifang, Hebei Law Science 2004 (9), 70 (72 f.), der allein unter Heranziehung des Wortlautes des Gesetzes dafür plädiert, dass nur aktives, unrechtmäßiges Verhalten eine unrechtmäßige Erlangung der Information darstellt, allerdings durch Bespiele belegt, dass es aufgrund einer solchen Auslegung zu Strafbarkeitslücken



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse165

sowohl durch rechtmäßiges aktives als auch durch passives Verhalten, d. h. rein zufällig erlangt werden, so dass z. B. auch Tippees, die eine Informa­ tion gerade nicht durch eigene Initiative, sondern ungefragt erlangen können, unter den Begriff des illegalen Insiders fallen sollen.606 Gegen diese Ansicht spricht jedoch zum einen der eindeutige Wortlaut des § 76 WpG, der ausdrücklich nur diejenigen Personen nennt, die die Insiderinformation auf unrechtmäßige Weise erlangt haben.607 Zum anderen spricht sich auch die CSRC in ihrem Leitfaden gegen die Einbeziehung solcher Personen aus, die Insiderinformationen rechtmäßig erlangt haben. In § 6 Nr. 4 CSRC-Leitfaden ist der Begriff der Unrechtmäßigkeit konkretisiert und es werden Beispiele für die unrechtmäßige Erlangung von Insiderinformationen genannt. Dem CSRC-Leitfaden zufolge sind dies die Informa­ tionserlangung durch Betrug, betrügerische Verhaltensweisen, Belauschen, Abhören und Handel unter der Hand. Schließlich unterstützt auch die jüngst vom Obersten Volksgerichtshof und von der Generalstaatsanwaltschaft he­ rausgegebene Interpretation, die seit dem 1. Juni 2012 in Kraft ist, diese Bewertung. Eine solche sog. justizielle Interpretation kann eines Beschluskommt und daher fordert, der Oberste Volksgerichtshof möge in einer Interpretation klarstellen, dass auch ein zufälliges Erlangen einer Insiderinformation sowie auch ein solches durch Freunde, Kollegen etc. eine unrechtmäßige Informationserlangung darstellt. 606  All diese Personen werden von Wang, Yu / Li / Zhang, Jinchun, Wertpapierrecht, S. 479 f. als rechtmäßige (Chinesisch 正当) Insider bezeichnet und es wird die Forderung erhoben, diese mit denjenigen Insidern gleichzusetzen, die eine Insiderinformation durch Diebstahl, Betrug etc. erlangt haben; a. A. Cai, Yi, Analyse der wichtigsten Änderungen des Wertpapiergesetzes, der das Beispiel eines Fluggasts wählt, der aus dem Flugzeug das Hauptwarenlager eines Emittenten in Flammen aufgehen sieht, um darzustellen, dass nach der chinesischen Gesetzeslage solche Personen, die eine Insiderinformation zufällig und rechtmäßig erlangen, gerade nicht unter den Insiderbegriff fallen. 607  So auch Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (191); Cai, Yi, Analyse der wichtigsten Änderungen des Wertpapiergesetzes; in diese Richtung gehend auch Guo, Jinxiu / Jiang, Jin, Wertpapiergesetz, S. 172; Qu, 10 Pac. Rim L. & Pol’y J. 2001, 327 (337 f.); a. A. Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 253, der unter Hinweis auf eine Entscheidung der CSRC aus dem Jahre 1999 (关于南方证券有限 公司,北大车行股份有限公司等机构个人违反证券法规行为的处罚决定-证监罚 字 (1999) 28号), CSRC Official Bulletin 1999 (10), S. 47 ff., in der ein Tippee wegen Insiderhandels bestraft wurde, behauptet, die Aussage, Tippees seien nach dem chinesischen Wertpapiergesetz nicht als Insider anzusehen sei zweifelhaft. Die Entscheidung der CSRC basierte jedoch auf den Provisional Measure Prohibiting Securities Fraud aus dem Jahre 1993, die es in Art. 4 Abs. 3 jedem illegalen Insider, der durch unrechtmäßige Maßnahmen oder auf anderem Wege Insiderinformationen erlangt hat, den Handel mit den entsprechenden Wertpapieren verbieten. Dort war also im Gegensatz zum heutigen Wertpapiergesetz auch das rechtmäßige Erlangen von Insiderinformationen verboten, so dass sich aus der damaligen Entscheidung der CSRC keine Rückschlüsse auf die heutige Rechtslage ziehen lassen.

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ses des ständigen Ausschusses des Staatsrates aus dem Jahre 1981608 zufolge vom Obersten Volksgerichtshof unabhängig vom Vorliegen eines entsprechenden Falls herausgegeben werden und hat im chinesischen Recht grundlegende Bedeutung für die konkrete Auslegung und Anwendung von Gesetzen in der Praxis.609 Der Oberste Volksgerichtshof übernimmt im Rahmen solcher justizieller Interpretationen eine normsetzende Funktion.610 Aus diesem Grunde werden justizielle Interpretationen des Obersten Volksgerichtshofs auch als Sekundärrecht611 bezeichnet.612 Dort wird in Art. 2 Nr. 1 eine unrechtmäßige Erlangung von Insiderinformationen dann angenommen, wenn dies durch Diebstahl, Betrug, betrügerische Verhaltensweisen, Belauschen, Verleitung durch Inaussichtstellen eines Vorteils, Ausspionieren und Handel unter der Hand geschieht. Zwar bezieht sich die Interpretation auf den in § 180 Abs. 1 StG geregelten insiderrechtlichen Straftatbestand und richtet sich nicht direkt an die Mitarbeiter der CSRC, da die Anwendung des insiderrechtlichen Straftatbestands den Gerichten obliegt, jedoch muss diese für die verwaltungsrechtlichen Vorschriften, auf die der Straftatbestand zurückgreift, als Auslegungshilfe herangezogen werden. Zudem ist zu beachten, dass die CSRC stets die ersten Ermittlungen durchführt, bevor die besonders schweren Fälle vor Gericht verhandelt werden, so dass auch sie die Interpretation in ihre Ermittlungsarbeit einfließen lassen muss. Eine Ausnahme wird jedoch in Bezug auf zwei bestimmte Personengruppen gemacht. Diese können, unabhängig davon, ob sie die Insiderinformation unrechtmäßig erlangt haben, unter bestimmten Voraussetzungen illegale Insider sein. Art. 2 Nr. 2 und Nr. 3 der Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft zufolge fallen auch Personen unter den Begriff des illegalen Insiders, die nahe Angehörige eines gesetzlichen Insiders sind oder mit diesem in enger Verbindung stehen sowie Personen, die einen gesetzlichen Insider im preissensiblen Zeitraum613 der Insiderinformation kontaktieren. Diese Personen sind aber nur dann als illegale Insider zu qualifizieren, wenn erstens sie während des preissensiblen Zeitraums mit den entsprechenden Wertpapieren oder Futures handeln, einem Dritten direkt oder indirekt empfehlen, mit diesen zu handeln oder 608  Chinesisch: 全国人民代表大会常务委员会关于加强法律解释工作的决议, erlassen und in Kraft getreten am 10.6.1981, vgl. dort Art. 2 S. 1. 609  Vgl. grundlegend dazu Wei, Li, 5 Willamette J. Int’l L. & Dis. Res. 1997, 87 ff. 610  Zu grundlegenden Fragen in Bezug auf die Rechtsgrundlage und die Bindungswirkung solcher Interpretationen vgl. Ahl, ZChinR 2007, S. 251 ff. 611  Chinesisch: 再次立法 oder 二次立法. 612  Keith / Lin, 23 China Information 2009, 223 (224). 613  Dies ist gem. Art. 5 Abs. 1 der Interpretation der Zeitraum zwischen der Entstehung der Insiderinformation und deren Veröffentlichung.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse167

wenn sie die Information an einen Dritten preisgeben und dies zur Folge hat, dass der Dritte mit den entsprechenden Wertpapieren oder Futures handelt; zweitens die getätigten Transaktionen offensichtlich anormal614 sind; drittens die Transaktionen nicht gerechtfertigt oder auf rechtmäßige Informationsquellen gestützt werden können. Es wird also eine Vermutung dahingehend aufgestellt, dass nahe Angehörige eines gesetzlichen Insiders, mit diesem eng verbundene Personen sowie Personen, die einen gesetzlichen Insider im preissensiblen Zeitraum der Insiderinformation kontaktieren unter bestimmten Voraussetzungen als illegale Insider zu qualifizieren sind, wenn diese keine Rechtfertigung für ihr Handeln haben oder nicht beweisen können, dass die Information auf Basis derer sie gehandelt haben, aus einer rechtmäßigen Quelle stammt. Für die nahen Angehörigen und eng verbundenen Personen gilt dies unabhängig davon, ob sie die Information durch aktives Handeln oder rein passiv erlangt haben. Diejenigen Personen, die mit einem gesetzlichen Insider in Kontakt treten sind jedoch nur dann als illegale Insider zu qualifizieren, wenn sie dies aus eigener Initiative getan haben, nicht aber, wenn sie die Information ohne eigene Initiative vom gesetzlichen Insider erlangt haben.615 Insbesondere die erste Personengruppe wurde aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre in den Anwendungsbereich des Insiderbegriffs aufgenommen. Die Weitergabe von Informationen innerhalb der Familie sowie im engen Freundeskreis trat in China in der letzten Zeit gehäuft auf. Der Oberste Volksgerichtshof sowie die Generalstaatsanwaltschaft wollen die614  Dies ist gem. Art 3 der Interpretation unter Berücksichtigung u. a. des zeitlichen Zusammenhangs, der Handelsabweichungen und der relevanten Interessen dann der Fall, wenn folgende Umstände vorliegen: 1. die Eröffnung oder Schließung eines Depots, die Aktivierung eines Kapitalkontos oder die Gewährung oder der Widerruf einer Transaktionstreuhand geschieht grundsätzlich zur gleichen Zeit wie die Entstehung, eine Veränderung oder die Veröffentlichung der Information; 2. eine Veränderung der Geldmittel geschieht grundsätzlich zur gleichen Zeit wie die Entstehung, eine Veränderung oder die Veröffentlichung der Information; 3. der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Futures-Verträgen geschieht grundsätzlich zur gleichen Zeit wie die Entstehung, eine Veränderung oder die Veröffentlichung der Informa­ tion; 4. der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Futures-Verträgen geschieht grundsätzlich zu der Zeit zu der die Insiderinformation erlangt wurde; 5. der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Futures-Verträgen weicht offensichtlich vom normalen Handelsverhalten ab; 6. der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Futures-Verträgen oder die Konzentration von Wertpapier- oder Futures-Beständen weicht offensichtlich von den in Bezug auf die Wertpapiere oder Futures offengelegten Informationen ab; 7. eine Entnahme oder Hinterlegung von Geldmitteln auf einem Konto steht in Zusammenhang mit einem gesetzlichen Insider oder illegalen Insider oder ist für diesen von Interesse; 8. alle anderen offensichtlich anormalen Transaktionen. 615  Miao / Liu, Xiaohu, People’s Judicature 2012 (15), 17 (19).

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sem Phänomen durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Insiderbegriffs Grenzen setzen. Aufgrund der Tatsache, dass im Rahmen persönlicher Beziehungen der Beweis, dass eine Insiderinformation weitergegeben wurde, sehr schwer fällt, haben sich der Oberste Volksgerichtshof und die Generalstaatsanwaltschaft für die Einführung der soeben dargestellten gesetzlichen Vermutung entschieden. Im Rahmen des Entwurfsprozesses wurde der Einwand erhoben, eine solche Vermutung bedeute eine Beweislast­ umkehr zu Lasten des Beschuldigten und stelle eine Ausnahme vom Grundsatz der Unschuldsvermutung dar. Eine solche Ausnahme solle sehr zurückhaltend verwendet werden und sei nur dann zulässig, wenn sie im Gesetz explizit vorgesehen sei.616 Die überwiegenden Stimmen jedoch votierten für die Vermutungsregelung und machten deutlich, dass die Wahrung der Rechte des Beschuldigten durch den Einwand der Rechtfertigung oder der legitimen Informationsquelle, der die Vermutung zu Fall bringe, gewährleistet sei.617 Während des Entwurfsprozesses der Interpretation wurde vorgeschlagen, über die gesetzlichen Insider sowie die illegalen Insider hinaus der deutschen Rechtslage vergleichbar alle Personen, die im Besitz einer Insiderinformation sind, also auch solche Personen, die ohne aktiv zu werden eine Insiderinformation erlangt haben, unter den Begriff des illegalen Insiders zu fassen.618 Diesem Vorschlag folgte die Interpretation jedoch nicht, weil eine solche rein passive Informationserlangung in der Praxis zu schwer nachzuweisen sei.619 Der Interpretation wird vorgeworfen, dass sie keine genaueren Angaben dazu macht, bis zu welchem Verwandtschaftsgrad von einem nahen Angehörigen gesprochen werden kann und was eine enge Verbindung zwischen einem gesetzlichen Insider und einem Dritten charakterisiert.620 Es wäre vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes wünschenswert, der Oberste Volksgerichtshof und die Generalstaatsanwaltschaft würden sich zu einer weiteren Präzision entschließen. Zudem wird in der Literatur diskutiert, ob es eine Rolle spielt, von wem ein illegaler Insider, der sich eines Betrugs, Diebstahls etc. schuldig macht, die Insiderinformation erlangt hat. Unterschieden wird dabei die Situation, in der ein illegaler Insider die Information von einem gesetzlichen Insider direkt erhält von einer solchen, in der der illegale Insider die Information Miao / Liu, Xiaohu, People’s Judicature 2012 (15), 17 (20). Miao / Liu, Xiaohu, People’s Judicature 2012 (15), 17 (20). 618  Vgl. Chen, Guoqing / Han, Yaoyuan / Wang, Wenli, People’s Procuratorial Semimonthly 2012 (11), 29 (30). 619  Miao / Liu, Xiaohu, People’s Judicature 2012 (15), 17 (19). 620  Liu, Xianquan, The Jurist 2012 (5), 39 (41 f.). 616  Vgl.

617  Vgl.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse169

aus zweiter bzw. dritter Hand erhält. Anders als sich die Situation im deutschen Recht darstellt, wo es nicht darauf ankommt, durch wie viele Hände die Information bereits gegangen ist, sollen einer Ansicht in der Literatur zufolge von § 76 WpG nur die Informationen erfasst sein, die von einem Insider direkt erlangt werden. Informationen, die aus zweiter, dritter usw. Hand erlangt werden, sollen den Informationsempfänger nicht zum Insider machen, da dies mit der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers, den Fokus insbesondere auf Personen aus dem Inneren des Unternehmens und Personen mit einer bestimmten Stellung im Unternehmen und nicht auf normale Angestellte zu legen, nicht vereinbar sei.621 Zudem wird angeführt, dass es in einem Fall, in dem die Insiderinformation bereits durch viele Hände gegangen ist, immer schwieriger wird zu beurteilen, ob die Information richtig oder falsch ist und dies letztendlich im Ermessen des Empfängers steht.622 Dieser weit verbreiteten Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Gesetzeswortlaut für diese Auslegung keine Grundlage bietet und auch die CSRC im Gesetz keine Grundlage für diese Auslegung sieht, weil der CSRC-Leitfaden nicht darauf hinweist, dass es darauf ankommt, von wem der illegale Insider die Insiderinformation erlangt. Der illegale Insider ist daher in weiten Teilen dem deutschen Kriminalinsider vergleichbar, der eine Insiderinformation im Zuge der Begehung oder Vorbereitung einer Straftat erlangt.623 Die aufgrund der Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft nun unter den Begriff des illegalen Insiders fallenden nahen Angehörigen und gesetzlichen Insidern eng verbundenen Personen, sowie diejenigen Personen, die einen gesetzlichen Insider vor Veröffentlichung der Insiderinformation kontaktiert haben, würden im deutschen Recht unter den Begriff des Sekundärinsiders zu subsumieren sein. cc) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme Legt man einer vergleichenden Betrachtung des deutschen und des chinesischen Rechts in Bezug auf den Begriff des Insiders den soeben beschriebenen CSRC-Leitfaden zugrunde, so ergeben sich keine Unterschiede. Sowohl nach deutschem als auch nach chinesischem Recht ist jeder Insider, 621  Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (190 f.); ähnlich Gu, Lei, Legal Forum 2000 (6), 82 (83 f.), der eine Informationserlangung aus zweiter Hand jedoch unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. bei vorsätzlichem Verhalten beider Parteien) genügen lassen will. 622  Zhang, Huiping / Xu, Anzhu, Hebei Law Science 2002, 45 (47). 623  A. A. Zhu, Lijun, Journal of Fujian Jiangxia University 2012 (2), 60 (62 f.), der den chinesischen illegalen Insider mit dem deutschen Sekundärinsider gleichsetzen will.

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der im Besitz einer Insiderinformation ist. Dann wäre das Verbot von Insidergeschäften ein sog. Allgemeindelikt und es käme für die Bejahung des Verbotstatbestands nicht mehr auf den Begriff des Insiders an. (1) Bewertung des CSRC-Leitfadens Um eine Basis zu schaffen, auf der ein Vergleich zwischen dem chinesischen und dem deutschen Insiderbegriff möglich ist, muss zunächst geklärt werden, ob der CSRC-Leitfaden eine gültige Vorschrift ist, die in den Vergleich einzubeziehen ist. Dies ist aus den bereits dargestellten Gründen zu verneinen. Zum einen ist der CSRC-Leitfaden ein rein internes Dokument, dem keine Normqualität zukommt und das daher nicht durch die Ermächtigung der CSRC gedeckt ist, durch formelle Regelung weitere Insider vorzuschreiben. Selbst wenn man unterstellte, der CSRC-Leitfaden sei von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, ist er in keinem Falle rechtmäßig und daher nicht durchsetzbar. Es fehlt an einer nach § 184 WpG notwendigen Veröffentlichung z. B. in einem Amtsblatt und darüber hinaus wurde der Leitfaden auch nicht gem. §§ 76 und 77 des Gesetzgebungsgesetzes vom Leiter der CSRC unterzeichnet, was jedoch eine notwenige Voraussetzung beim Erlass untergesetzlicher Normen ist. Insofern kann der CSRC-Leitfaden beim Vergleich des chinesischen mit dem deutschen Insiderbegriff nicht mit einbezogen werden. (2) Vergleich der gesetzlichen Regelungen Unter der Prämisse, dass der CSRC-Leitfaden, unabhängig von seiner Anwendung in der Praxis, rechtlich nicht als Basis für einen Vergleich des chinesischen mit dem deutschen Insiderbegriff dienen kann, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Zieht man vor dem Hintergrund der hier gefundenen Ergebnisse einen Vergleich zwischen dem chinesischen Wertpapiergesetz und dem deutschen Wertpapierhandelsgesetz, so lässt sich feststellen, dass die Überlegungen, mit denen der jeweilige Gesetzgeber an die Bestimmung tauglicher Täter eines Verstoßes gegen das Verbot von Insidergeschäften herangegangen ist, auf sehr unterschiedlichen Vorstellungen basieren. Der deutsche Gesetzgeber ist darum bemüht, ein umfassendes Insiderhandelsverbot zu schaffen und bezieht daher die größtmögliche Gruppe von Personen in den Anwendungsbereich dieses Verbots ein, d. h. alle diejenigen, die im Besitz einer Insiderinformation sind. Diese Herangehensweise ist deshalb sinnvoll, weil dem Schutzzweck des Insiderhandelsverbots, der Wahrung der Funktionsfähigkeit und Integrität des Kapitalmarkts, jedes Handeln auf der Basis einer Insiderinformation zuwider läuft. Dies ist völlig unabhängig davon, welche Art von Person eine solche Handlung vornimmt.



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Das Vertrauen des Anlegers in den Kapitalmarkt wird bei jeder dieser Verhaltensweisen gleichermaßen erschüttert, egal ob ein Vorstandmitglied, das die Insiderinformation direkt aus seinem Tätigkeitsbereich erlangt oder eine neutrale Person, die eine Insiderinformation im Zug durch das zufällige Mithören eines Telefonats erhält, mit den entsprechenden Wertpapieren handelt oder die Information weitergibt. Die einzige Möglichkeit, dieses Vertrauen umfassend zu schützen, ist ein Verbot von Insidergeschäften, dessen subjektiver Anwendungsbereich jeden erfasst, der im Besitz einer Insiderinformation ist. Gerade wegen dieses umfassenden Verbots hat der deutsche Gesetzgeber es für nötig erachtet, auf Rechtsfolgenseite im Hinblick auf bestimmte Verhaltensweisen bei der Schwere der Strafe danach zu differenzieren, ob die Handelnde Person durch ihre Stellung oder ihren Beruf eine besondere Nähe zu der Information hatte oder ob sie diese auf sonstigem Wege erlangt hat. Der chinesische Gesetzgeber hingegen hat den persönlichen Anwendungsbereich der Verbotsvorschrift von vornherein durch die von ihm gewählte Methode der abschließenden Aufzählung bestimmter Personengruppen, die als Insider gelten, erheblich eingeschränkt. Damit macht er deutlich, dass er nur die durch bestimmte Personen verwirklichten Insidergeschäfte als sanktionswürdig erachtete und nicht wie der deutsche Gesetzgeber jeden verwirklichten Insiderhandel bestrafen will und Unterschiede nur im Hinblick auf die Schwere der Rechtsfolgen gemacht werden sollen. Dieses Konzept des chinesischen Gesetzgebers steht dem deutschen Konzept insofern nach, als es nicht in der Lage ist, dem auch vom chinesischen Wertpapiergesetz verfolgten Schutzzweck, der Wahrung der Funktionsfähigkeit und der Integrität des Kapitalmarkts, gerecht zu werden. Dadurch, dass nur bestimmte Personen in den Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots fallen, können alle nicht von diesem Verbot erfassten Personen, die einen Informationsvorsprung gegenüber den sonstigen Anlegern haben, unbeschadet handeln und Vorteile aus der Informationsasymmetrie ziehen. Dies untergräbt das Vertrauen der anderen Anleger in die Integrität des Kapitalmarkts, was dazu führt, dass sie das Prinzip der Chancengleichheit in Frage stellen. Schrecken die Anleger aufgrund dieser Situation vor weiteren Investitionen am Kapitalmarkt zurück, kann dies fatale Folgen für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts haben. Diese Konsequenzen haben auch der Oberste Volksgerichtshof und die Generalstaatsanwaltschaft erkannt und eine Ausweitung des Insiderbegriffs auf diejenigen Personen vorgenommen, die nach der Erfahrung der letzten Jahre in besonderem Maße prädestiniert sind, aufgrund von Informationsvorsprüngen zu handeln und insofern das Vertrauen der Anleger zu beeinträchtigen. Auch wenn die Interpretation es versucht, in Zukunft eine bessere Durchsetzbarkeit des Insiderhandelsverbots gegen Personen zu errei-

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chen, die mit einem gesetzlichen Insider in einer engen (familiären) Beziehung stehen und damit insbesondere der starken chinesischen Familienkultur Rechnung trägt, bleibt noch immer Raum für den sanktionsfreien Handel auf der Basis einer Insiderinformation. An der chinesischen Rechtslage ist insofern einerseits zu kritisieren, dass der Verbotstatbestand durch den einschränkend geregelten Insiderbegriff nicht weitreichend genug ausgestaltet ist, um dem Schutzzweck des Insiderhandelsverbots wirklich gerecht zu werden. Andererseits ist nicht einmal die konkrete Aufzählung der gesetzlichen Insider geglückt, weil sie starre Formulierungen enthält und einige Personen, die mindestens genauso engen Kontakt zu einem Emittenten haben können wie diejenigen Personen, die bereits im Gesetz vorgesehen sind, von vornherein nicht nennt. Ein dahinterstehendes Konzept des chinesischen Gesetzgebers lässt sich nicht erkennen. Die Kritik, dass der Insiderbegriff im chinesischen Recht nicht weit genug gefasst und im Übrigen teilweise auch schwer handhabbar ist, lässt sich mit den folgenden Aspekten begründen: Zum einen ist die rein zufällige sowie die passive Informationserlangung durch Personen, die nicht Familienangehörige oder mit einem gesetzlichen Insider eng verbundene Personen sind, nach wie vor nicht vom Insiderhandelsverbot gedeckt. Das angeführte Argument, eine passive Informationserlangung sei in der Praxis schwer nachzuweisen, kann nicht überzeugen, insbesondere vor dem Hintergrund der dadurch implizierten Konsequenzen im Hinblick auf das Anlegervertrauen. Zum anderen wird es zwar oft der Fall sein, dass Personen unter Art. 2 Nr. 3 der Interpretation gefasst werden können, weil sie aktiv Kontakt zu einem gesetzlichen Insider aufnehmen. Es sind aber viele Situationen denkbar, in denen dies gerade nicht der Fall ist. So z. B. in Fällen, in denen Staatsbedienstete an Umstrukturierungsmaßnahmen oder Akquisitionen von Unternehmen beteiligt sind, die teilweise in staatlicher Hand sind. Im Zuge der diesbezüglichen Verhandlungen werden diese Staatsbediensteten im Zweifel Insiderinformationen erlangen, auf Basis derer sie mit den Wertpapieren des Unternehmens handeln oder die sie weitergeben können. Sie fallen nicht unter den Begriff des Insiders: Sie sind keine gesetzlichen Insider, weil sie keine Mitarbeiter der CSRC oder untergeordneter Behörden gem. § 74 Nr. 5 WpG sind und es auch nicht ihre gesetzlich vorgeschriebene Pflicht ist, die Umstrukturierungsmaßnahmen oder die Akquisition zu überwachen. Sie dürften jedoch auch nicht unter Art. 2 Nr. 3 der Interpretation fallen, wenn sie allein als Teilnehmer der Verhandlungen Insiderinformationen erlangen und diese passive Informa­ tionserlangung nicht gleichzusetzen ist mit einer aktiven Kontaktaufnahme zu einem Primärinsider. Anders wäre dies zu beurteilen, wenn ein Staatsbe-



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diensteter die Situation aktiv ausnutzt und z. B. mit einem Vorstandsmitglied des Unternehmens in Kontakt tritt, um von diesem Insiderinformationen zu erhalten. In der Praxis wird es also schwer fallen, in Situationen wie der oben beschriebenen zu differenzieren, ob der Beschuldigte die Information rein passiv erlangt hat, oder ob er in irgendeiner Weise aktiv geworden ist. Dies ist insbesondere dann schwer zu unterscheiden, wenn der Beschuldigte – wie im Fall des Staatsbediensteten – im Rahmen der Verhandlungen Fragen an einen gesetzlichen Insider stellt, die nicht auf das Erlangen einer Insider­ information zielen, deren Beantwortung jedoch nur durch Preisgabe einer Insiderinformation möglich ist. Schließlich sind dem Wortlaut der Interpretation zufolge auch solche Personen nicht erfasst, die Kontakt zu einer Person aufnehmen, die – wie der Staatsbedienstete im soeben genannten Beispiel – zwar nicht unter den Begriff des gesetzlichen Insiders fällt, jedoch im Besitz einer Insiderinformation ist und diese Information weitergibt. Der zweite hier aufgeworfene Kritikpunkt, der chinesische Gesetzgeber gebrauche innerhalb der Definition des gesetzlichen Insiders zu starre Formulierungen und sei in der Aufzählung der gesetzlichen Insider zu zurückhaltend, geht auf die folgenden Erwägungen zurück: Der chinesische Gesetzgeber lässt innerhalb der Aufzählung der gesetzlichen Insider den Gebrauch hinreichend abstrakter Begriffe vermissen. Dabei zeigt die Vorgehensweise des deutschen Gesetzgebers, der sich im Rahmen der Bestimmung der Primärinsider ebenfalls für eine abschließende Aufzählung entschieden hat, dass eine solche nicht zwingend dazu führen muss, dass man sich dem Vorwurf einer zu starren Lösung ausgesetzt sieht, wenn nur von hinreichend abstrakten Begriffen Gebrauch gemacht wird, die bereits im Hinblick auf eventuelle Änderungen in der Zukunft gewählt werden. So spricht z. B. § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpHG nicht von Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrates, sondern von Mitgliedern des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans. Durch diese Formulierung wird das Wertpapierhandelsgesetz auch im Fall möglicher in der Zukunft eintretender Änderungen der Gesellschaftsstrukturen anwendbar bleiben; es entstehen keine Regelungslücken und es bedarf keines aufwändigen Gesetzesänderungsverfahrens. Im Gegensatz zu dieser sehr flexiblen Vorschrift hat der chinesische Gesetzgeber eine starrere Herangehensweise gewählt. Die bei der Aufzählung der gesetzlichen Insider zum Ausdruck kommende Zurückhaltung und auch die nicht ausreichende Reflektion im Rahmen des Gesetzesentwurfsverfahrens, spiegelt sich verschiedentlich wider. Zum einen ist nicht erklärlich, warum das Gesetz unter die Gruppe der traditionellen Insider nur solche Aktionäre fasst, die mehr als 5 % der Aktien des

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Unternehmens halten. Entgegen der Rechtslage in Deutschland hat sich der chinesische Gesetzgeber damit für die Einführung des Erfordernisses einer Mindestbeteiligung entschieden. Nach der Vorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WpHG ist in Deutschland jeder Anteilseigner Insider und zwar unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung. Das Erfordernis einer Mindestbeteiligung wurde in Deutschland zwar im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diskutiert, man hat sich letztendlich jedoch gegen ein solches ausgesprochen, da man davon ausging, dass Kleinaktionäre ohnehin in der Regel nicht in den Anwendungsbereich des Insiderbegriffs fallen würden, weil es bei ihnen an der Kausalität zwischen Beteiligung und Erlangung der Insider­ information fehle.624 Selbst wenn sich in Deutschland das Erfordernis einer Mindestbeteiligung durchgesetzt hätte, hätte dies nicht zur Folge gehabt, dass Anteilseigner, die sich zwar unterhalb dieser Schwelle befinden, jedoch aufgrund ihrer Stellung als Anteilseigner Kenntnis von einer Insiderinformation erlangt hätten, nicht unter das Verbot von Insidergeschäften fallen würden, da dieses Verbot im deutschen Recht gegenüber jeder Person gilt, die im Besitz einer Insiderinformation ist. Dies hätte dann zur Folge, dass der Anteilseigner zwar auf Rechtsfolgenseite nicht als Primärinsider bestraft werden kann. Er ist jedoch in jedem Fall als Sekundärinsider zu qualifizieren und hat mit den entsprechenden strafrechtlichen- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. In China hingegen führt die erforderliche Mindestbeteiligung dazu, dass Fälle wie der soeben geschilderte nicht vom Insiderbegriff und damit auch nicht vom Verbotstatbestand erfasst werden; es sei denn, man kann dem Kleinaktionär vorwerfen, dass er die Insiderinformation unrechtmäßig erlangt hat. Dies würde ihn zum illegalen Insider machen, jedoch wird ein solcher Fall selten sein, wenn er aufgrund seiner Stellung als Aktionär und damit rechtmäßig Zugang zu der Insiderinformation hatte. Gerade aufgrund der Struktur des chinesischen Kapitalmarkts, der nicht wie der deutsche Kapitalmarkt durch institutionelle Anleger, sondern durch viele Kleinanleger geprägt ist, ist es im Sinne der Durchgriffskraft des Insiderhandelsverbots geboten, auf das Erfordernis einer Mindestbeteiligung zu verzichten. Weiterhin ergibt sich ein Unterschied im Hinblick auf die Erfassung verbundener Unternehmen. Anders als im deutschen Recht werden durch das chinesische Wertpapiergesetz nur die Holdinggesellschaft sowie deren Geschäftsführungs- und Überwachungsorgane in den Kreis der Insider einbezogen, nicht aber die sonstigen mit dem Emittenten verbundenen Unternehmen sowie deren Organmitglieder und leitenden Angestellten, die aufgrund ihrer Position die Möglichkeit haben, Kenntnis von Insiderinformationen zu erlangen. Dadurch ist die Reichweite des Insiderbegriffs in China im Ver624  Claussen,

ZBB 1992, 267 (270 f.); Hopt, ZGR 1991, 17 (36 f.).



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gleich zu Deutschland wesentlich eingeschränkt. Dies insbesondere deshalb, weil wiederum diejenigen Personen, die Positionen in den sonstigen mit dem Emittenten verbundenen Unternehmen bekleiden, und aufgrund dieser Position Kenntnis von einer Insiderinformation erlangen, weder als Primärinsider gelten, noch als illegaler Insider, es sei denn, sie haben die Information auf unrechtmäßigem Wege erlangt. Schließlich kommt die Zurückhaltung des chinesischen Gesetzgebers bei der Bestimmung des subjektiven Anwendungsbereichs des Insiderhandelsverbots bei den Aufsichtsbehördeninsidern und den Marktinsidern zum Ausdruck. Der Kreis dieser Insider ist durch die Aufzählung der diesem zuzurechnenden Personen stark eingeschränkt. Dies findet seinen Ausdruck darin, dass es nicht nachvollziehbar ist, wie es einigen Stimmen in der Literatur gelingen mag, Angestellte von Rechtsanwaltskanzleien, die für jedes am Markt tätige Unternehmen von großer Wichtigkeit sind, unter den Begriff der Marktinsider zu fassen, da solche Kanzleien gerade nicht unter den gesetzlich definierten Begriff der Wertpapierserviceinstitutionen fallen. Gerade Angestellte von Rechtsanwaltskanzleien sind es jedoch, die aufgrund punktueller sowie kontinuierlicher Beratung, vermehrt Zugang zu Insiderinformationen haben und für die daher in jedem Fall gewährleistet werden muss, dass sie dem Insiderhandelsverbot unterliegen. Ein weiteres Argument für die restriktive Herangehensweise der chinesischen Regelung ist die bereits erörterte Pro­ blematik, dass abgesehen von den Angestellten der Wertpapierregulierungsbehörden und sonstigen Angestellten, die ihren gesetzlichen Pflichten in Bezug auf die Ausgabe von und den Handel mit Wertpapieren nachkommen, sonstige Staatsbedienstete nicht dem Insiderhandelsverbot unterfallen, es sei denn sie haben die Insiderinformation unrechtmäßig erlangt und sind deshalb als illegale Insider zu qualifizieren. Zusammengefasst sind die vom chinesischen Gesetzgeber in den subjektiven Anwendungsbereich der Verbotstatbestände einbezogenen Insider teilweise deckungsgleich mit den Insidern, die im deutschen Recht unter den Begriff der Primärinsider fallen. Jegliche Personen, die als Nicht-Familienmitglieder und als enge Bekannte eines Primärinsiders Insiderinformationen erlangen, die also nach deutschem Recht als Sekundärinsider gelten würden, und darüber hinaus alle Personen, die eine Insiderinformation zwar aufgrund ihrer Position oder ihrer Tätigkeit erlangt haben, jedoch nicht vom engen Insiderbegriff des § 74 WpG umfasst sind, unterfallen nicht dem chinesischen Verbot von Insidergeschäften. Die gesetzliche Regelung schafft daher Raum für Umgehungen des Verbots. Viele Situationen sind nicht vom Verbotstatbestand erfasst. Zwar versucht die Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft einige Lücken zu schließen, trotzdem ist eine effektive Durchsetzung des Insiderhandelsverbots noch immer nicht gewährleistet. Dies insbesondere deshalb,

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weil diese Schlupflöcher für Personen wie Staatsbedienstete lässt, die diese in großem Umfang nutzen. Insidergeschäfte durch Staatsbedienstete haben gerade in der heutigen Zeit, in der China immer wieder wegen Machtmissbrauchs- und Korruptionsskandalen in den Medien ist, und in denen die chinesische Regierung diesen Machenschaften den Kampf angesagt hat, fatale Folgen für den Ruf Chinas aber auch für den Ruf seines Kapitalmarkts. Dieser ist noch immer in der Entwicklung und Öffnung für internationale Investoren und deshalb auf eine gute Reputation und das Vertrauen der Anleger angewiesen. Die einfachste Maßnahme, durch die einer zwar effektiven, jedoch rechtswidrigen Durchsetzung des Verbots von Insidergeschäften durch die CSRC und einer noch immer lückenhafte Durchsetzung durch die Strafgerichte Abhilfe geschaffen werden könnte, wäre eine Änderung des Wertpapiergesetzes dahingehend, dass alle Personen, die Kenntnis von einer Insiderinformation haben, Insider sind. Damit würde der Begriff des Insiders aus dem Tatbestand des Insiderhandelsverbots verschwinden und – der deutschen Rechtslage vergleichbar – nur noch in den Rechtsfolgen Relevanz erlangen können. Dort bestünde dann auch die Möglichkeit, z. B. härtere Sanktionen gegen Staatsbedienstete zu verhängen, um die schamlose Ausnutzung solcher Positionen einzudämmen. b) Die Insiderpapiere Im Gegensatz zum deutschen Recht verwendet das chinesische Wertpapiergesetz nicht den Begriff des Insiderpapiers, sondern greift in seinen Vorschriften zum Verbot der Insidergeschäfte auf die in § 2 Abs. 1 WpG genannte allgemeine Definition des Wertpapiers zurück. Dieser zufolge sind Wertpapiere im Sinne des Wertpapiergesetzes alle innerhalb der Volksrepublik China gehandelten Aktien, Unternehmensanleihen und andere Wertpapiere, die vom Staatsrat anerkannt werden. Zudem soll nach § 2 Abs. 2 WpG auch der Handel mit gelisteten Staatsanleihen und Anteilen an Wertpapierinvestmentfonds vom Anwendungsbereich des Wertpapiergesetzes und damit auch von den Vorschriften über verbotene Insidergeschäfte gedeckt sein. Eine Ansicht in der Literatur, die sich zu dieser Thematik äußert, will im Rahmen des Insiderhandels einen engen Wertpapierbegriff anwenden und lässt daher unter den Begriff der Wertpapiere nur Aktien und Anleihen fallen.625 Diese Ansicht ist jedoch zu eng und wird der Intention des Gesetzgebers nicht gerecht, der eine generalistische Herangehensweise gewählt 625  Zhang,

Yunfang, Strafrechtliche Vorschriften zum Insiderhandel, S. 2.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse177

hat, um das Entwicklungspotential des chinesischen Kapitalmarkts, der im Gegensatz zum deutschen Kapitalmarkt weit weniger entwickelt ist und insbesondere zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Wertpapiergesetzes noch schwerwiegende Reformen durchzustehen hatte, zu berücksichtigen. Der chinesische Kapitalmarkt hat sich in den vergangenen Jahren rapide entwickelt und neben Aktien und Anleihen verschiedene Finanzinstrumente hervorgebracht, die Gegenstand von Insiderhandel sein können. Einige dieser Finanzinstrumente sollen im Folgenden eine nähere Erörterung erfahren. aa) Erfasste Finanzinstrumente Gegenstand des Verbots von Insidergeschäften sind zunächst Aktien. Die Anzahl derjenigen Aktien, die Gegenstand des Insiderhandelsverbots sein können, hat sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. Dies resultiert daraus, dass auf dem chinesischen Aktienmarkt lange Zeit der Anteil der nicht handelbaren Aktien dominierte. Ende 2004 machte der Anteil der nicht handelbaren Aktien auf dem chinesischen Kapitalmarkt 64 % aus, wovon 74 % allein in staatlicher Hand waren.626 Diese Situation wurde zunehmend zu einer der größten Hürden für die Entwicklung der Kapitalmärkte in China. Um dem internationalen Wettbewerb standhalten zu können, musste die chinesische Regierung schnellstmöglich eine Lösung für dieses Problem finden. Im Jahre 2005 wurde die sog. „Split-Share Structure Reform“ in Kraft gesetzt, nachdem einige vorherige Versuche das Problem der nicht handelbaren Aktien anzugehen, gescheitert waren.627 Im Zuge dieses Programms wurden die nicht handelbaren Aktien in handelbare Aktien überführt CSRC, China Capital Markets Development Report 2008, S. 204. Inoue, 8 Nom. Cap. M. Rev. 2005 (3), 1 (2). Nachdem ein Pilotprogramm mit einer kleinen Anzahl von Unternehmen durchgeführt worden war, welches am 29.5.2005 startete, erklärten die chinesischen Behörden öffentlich die Ausdehnung des Programms auf alle an den Börsen in Shanghai und Shenzhen gelisteten Unternehmen. Die Durchführung dieser Reform sollte zügig erfolgen und bis Ende 2006 abgeschlossen sein (siehe Guiding Opinions of the China Securities Regulatory Commission, the State-owned Assets Supervision and Administration Commission of the State Council, the Ministry of Finance, the People’s Bank of China and the Ministry of Commerce on the Reform Regarding the Separation of Equity Ownership and Trading Rights of Listed Companies, verabschiedet am 23.8.2005 (中国证券监督管理委员会、国务院国有资产监督管理委员会、财政 部、中国人民银行、商务部关于上市公司股权分置改革的指导意见)). Jedes Unternehmen, das an der Reform teilnahm, hatte einen Zeitplan einzuhalten, der zwei Handelssuspensionen und nachfolgende Wiederzulassungen beinhaltete. Ende 2007 waren es 1298 in Shanghai oder Shenzhen gelistete Unternehmen, die den Prozess begonnen oder sogar abgeschlossen hatten. Diese 1298 Unternehmen stellen 98 % der zum damaligen Zeitpunkt gelisteten Unternehmen dar. 626  Siehe 627  Siehe

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und die Differenzierung zwischen handelbaren und nicht handelbaren Ak­ tien aufgehoben. Die heute in China existierenden Aktienarten lassen sich in A-Aktien, B-Aktien und H-Aktien628 unterteilen.629 Eine Differenzierung erfolgt bei diesen Kategorien von Aktien nach dem Ort, an dem die Aktien gelistet sind. Während A-Aktien und B-Aktien an inländischen Börsen gelistet sind, erfolgt das Listing von H-Aktien an ausländischen Börsen. Dies hat zur Folge, dass H-Aktien nicht Gegenstand des hier erörterten Verbots von Insidergeschäften sein können, da sich dieses nur auf Aktien bezieht, die im chinesischen Inland gehandelt werden. Die Differenzierung zwischen A- und B-Aktien stellt eine Besonderheit des chinesischen Kapitalmarkts dar. A-Aktien (A股)630 sind Aktien, die an inländische natürliche sowie juristische Personen und den Staat, aber auch an bestimmte ausländische Investoren, sog. „Qualified Foreign Institutional Investors“631 ausgegeben werden und an der Börse in chinesischen Yuan 628  Innerhalb der H-Aktien gibt es weitere Differenzierungen. Zu nennen sind hier z. B. die sog. Red Chips. Dies sind Aktien von Unternehmen, die in Hong Kong eingetragen sind, deren Hauptgeschäftsinteressen aber in Mainland China liegen; vgl. dazu Xu, Xiaoning, Market Structure, in: Fung / Zhang, Financial Markets, 137 (138). 629  Diese Unterteilung beruht auf einer von der CSRC im Jahre 2000 vorgenommenen Kategorisierung der Aktiengattungen (vgl. hierzu den Anhang „Kategorisierung der Aktien für die Publizität börsennotierter Gesellschaften“ (上市公司信息披 露文件涉及的股份类别划分) zur mittlerweile nicht mehr rechtskräftigen „Mitteilung über die Erledigung von Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Kategorisierung Aktien börsennotierter Gesellschaften“ (关于上市公司 股份分类有关业务 处理事项的通知), die von der CSRC am 8.5.2000 erlassen wurde). 630  Vgl. Abschnitt 3 Ziff. 9 der Aktienkategorisierung. 631  Der Ausschluss ausländischer Investoren vom A-Aktien Markt wurde dadurch gelockert, dass die chinesische Regierung im Jahre 2002 das sog. „Qualified Foreign Institutional Investor (QFII) Programm“ einführte, welches es lizenzierten ausländischen institutionellen Anlegern erlaubt, sowohl an der Börse in Shanghai als auch in Shenzhen mit A-Aktien zu handeln. Das Programm wurde im chinesischen Recht durch verschiedene Maßnahmen wie z. B. die „Interim Measures for the Administra­ tion of Domestic Securities Investments by Qualified Foreign Institutional Investors“ vom 5.11.2002 (合格境外机构投资者境内证券投资管理暂行办法) sowie die „The Measures for the Administration of Securities Investment within the Territory of China by Qualified Foreign Institutional Investors“ (合格境外机构投资者境内证券投资 管理办法) und einer entsprechenden „Notice on the Relevant Issues Concerning the Measures for Administration of Securities Investment within the Territory of China by Qualified Foreign Institutional Investors“ vom 24.8.2006 (关于实施 《合格境外机构 投资者境内证券投资管理办法》有关问题的通知.) umgesetzt. Zu den institutionellen Anlegern, die sich für das Programm qualifizieren können gehören gemäß Art. 2 der Maßnahmen z. B. ausländische Fondsverwaltungsinstitute, Versicherungsgesellschaften, Wertpapiergesellschaften und andere Vermögensverwaltungsinstitute. Ein Anleger, der sich als QFII qualifizieren möchte, sieht sich jedoch hohen, insbesondere finanziellen, Anorderungen gegenüber, die aber zunehmend abgebaut werden. So hat



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(CNY) notiert sind. Sie machen den Großteil der am chinesischen Kapitalmarkt gehandelten Aktien aus. B-Aktien (B股)632 sind Aktien ausländischer Anleger, deren Nennwert zwar auf CNY lautet, die jedoch an der Börse in Shanghai in US-Dollar und an der Börse in Shenzhen in Hong-Kong-Dollar gezeichnet und gehandelt werden. Zur Zeichnung und zum Erwerb dieser Aktien zugelassen sind ausländische natürliche Personen, ausländische juristische Personen, andere ausländische Institutionen und im Ausland lebende chinesische Staatsbürger. Vergleicht man A-Aktien und B-Aktien, so zeigt sich oft eine große Differenz in den Kurswerten. Dies erscheint schwer nachvollziehbar, da sie, abgesehen von der Unterscheidung hinsichtlich des Anlegerpublikums, viele gemeinsame Merkmale aufweisen, wie z. B., dass sie im Inland von chinesischen Unternehmen ausgegeben werden, dass sie an chinesischen Börsen gelistet sind und dass sie dieselben Stimmrechte und andere relevante Rechte gewähren.633 Diese Kursdifferenz resultiert aus der Tatsache, dass A-Aktien- und B-Aktienmarkt künstlich voneinander getrennt und daher voneinander unabhängig sind, was einen Handel innerhalb der einzelnen Klassen ermöglicht, nicht aber zwischen den beiden Klassen.634 Wie auf die CSRC jüngst am 27.7.2012 ein „Announcement Regarding the Provisions on Issues conerning the Implementation of the Administrative Measures for Secutrities Investment Made in China by Qualified Foreign Institutional Investors“ (发布 《关 于实施 有关问题》的通知) erlassen, welches die oben genannte Notice ablöst und weitere Vereinfachungen für ausländische Investoren vorsieht, die eine Lizenz als QFII erhalten wollen. Der Prozess der Zulassung von QFII erfolgt trotz des Erfolgs des Programms nur schrittweise. Bis Ende Januar 2013 wurden insgesamt 201 QFII zum Wertpapierhandel auf dem A-Aktienmarkt zugelassen, vgl. http: /  / www.csrc.gov.cn / pub / csrc_en / OpeningUp /  RelatedLists / QFIIs / 201303 / t20130304_221832.htm (zuletzt besucht am 20.6.2013); ausführlich dazu siehe auch Kroymann, Das Kapitalgesellschaftsrecht der VR China, S. 252 ff.; Tian, Managing International Business in China, S. 267 ff. Neben dem Programm für die Lizenzierung von QFII wurde eine weitere Möglichkeit für ausländische Investoren geschaffen, um A-Aktien zu erwerben. Im Zuge der oben beschriebenen Split-Share Structure Reform wurden von der CSRC gemeinsam mit anderen Behörden am 31.12.2005 die „Measures for the Administration of Strategic Investment in Listed Companies by Foreign Investors“ (外国投资者对上市公司战略投资 管理办法) erlassen, die einen Monat später in Kraft traten. Durch diese wurde es ausländischen strategischen Investoren ermöglicht, Aktien zu erwerben, die im Zuge der Split-Share Reform von nicht handelbaren in handelbare Aktien umgewandelt wurden. Diese Aktien wurden in der Zeit nach der Reform teilweise als G-Aktien bezeichnet (个股); vgl. dazu auch Vgl. Wolff, M&A in China, S. 112. 632  Vgl. Abschnitt 3 Ziff. 10 der Aktenkategorisierung. 633  Huang, Hui, International Securities Markets, S. 12; Wei, Yuwa, 16 WTR Currents: Int’l Trade L. J. 2007, 14 (21). 634  Tao, Colum. 13 J. Asian L. 1999, 203 (229); Friedman, 27 Brooklyn J. Int’l L. 2002, 477 (496).

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dem A-Aktienmarkt fand auch auf dem B-Aktienmarkt Internationalisierungsbestrebungen statt. Es ist mittlerweile auch chinesischen Staatsbürgern erlaubt, B-Aktien-Depots zu eröffnen und unter Gebrauch ihrer Devisen mit B-Aktien zu handeln.635 In den überwiegenden Fällen sind jedoch A-Aktien Gegenstand der bisher aufgedeckten Fälle von Insidergeschäften. Neben Aktien können auch Anleihen Gegenstand von Insidergeschäften sein. Zu den an den chinesischen Börsen gehandelten Anleihen zählen zunächst die Staatsanleihen, die zum einen als zentrale Staatsanleihen von der Zentralregierung und zum anderen als lokale Staatsanleihen von örtlichen Kommunen ausgegeben werden. Weiterhin gibt es Unternehmensanleihen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr und durch kleine und mittlere Unternehmen privat platzierte Unternehmensanleihen. Schließlich werden an den Börsen auch Options- und Wandelschuldverschreibungen gehandelt. bb) Erfasste Märkte Das Wertpapiergesetz trifft auch keine Aussage dazu, ob und auf welchen Märkten die Wertpapiere gehandelt werden müssen, um Gegenstand von Insiderhandel sein zu können. Erfasst sind ohne Zweifel die Wertpapiere, die zum Handel an den Börsen in Shanghai und Shenzhen entweder am sog. Main Board oder zum Growth Enterprise Market636 zugelassen sind. Darüber hinaus dürften jedoch auch die Wertpapiere erfasst sein, die in den Freiverkehr, das sog. Third Board, einbezogen sind. Dieser nationale OTCMarkt wurde jüngst nach einer vorausgegangenen siebenjährigen Versuchsphase etabliert und wird von der National Equities Exchange and Quotations Co. Ltd. betrieben, die am 16. Januar 2013 eröffnet wurde. Finanzinstrumente, die nicht zum Handel an einem der soeben genannten Märkte zugelassen sind und nur im Telefonhandel oder auf dem grauen Markt gehandelt werden, dürften genau wie in Deutschland nicht Gegenstand von verbotenen Insidergeschäften sein. Auch in China dient das Insi635  Am 21.2.2001 veröffentlichten die CSRC und die State Administration of Foreign Exchange diesbezüglich eine „Notice on Issues Concerning Individual ­Domestic Residents’ Investment in Foreign Currency Stocks Listed in the Domestic Stock Markets“ (关于境内居民个人投资境内上市外资股若干问题的通知). All diese Maßnahmen führten jedoch nicht zu der erhofften Annäherung der beiden Marktsegmente. Dies mag unter anderem auch daran liegen, dass inländische institutionelle Investoren bisher nicht zu Investitionen in B-Aktien zugelassen wurden (vgl. Gebka, in: Gregoriou, Stock Market Volatility, 457 (461)). 636  Dieses im Oktober 2009 etablierte Marktsegment dient kleinen, schnell wachsenden Unternehmen, die die Listing-Voraussetzungen des Main Board nicht erfüllen, als Plattform.



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derrecht dem Funktionenschutz des organisierten Kapitalmarkts, so dass Insiderhandel mit einem Finanzinstrument, das gar keinen Bezug zu diesem aufweist, dessen Funktionsfähigkeit auch nicht gefährden kann. cc) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme Eine vergleichende Betrachtung der gesetzlichen Regelung in Deutschland und China zeigt, dass die deutsche Regelung sehr dezidierte Angaben zu den in den Anwendungsbereich des Insiderrechts einbezogenen Finanzinstrumenten macht. Das chinesische Recht hingegen begnügt sich mit einer sehr allgemein gefassten Formulierung und überlässt es dem Leser des Gesetzes herauszufinden, welche Wertpapiere der Staatsrat über die in § 2 WpG genannten hinaus anerkannt hat und welche in den Anwendungsbereich des Insiderrechts fallen. Über diese Formulierung gewährleistet der chinesische Gesetzgeber jedoch, dass Finanzinstrumente, die auf dem chinesischen Kapitalmarkt zum Zeitpunkt des Erlasses des Wertpapiergesetzes noch nicht existierten, in jedem Fall vom Wertpapiergesetz umfasst sind. Der deutsche Gesetzgeber hingegen bzw. der europäische Gesetzgeber, der die entsprechenden Vorgaben gemacht hat, musste diesen Weg nicht wählen, weil er die Kapitalmärkte in der Europäischen Union, die bereits einen hohen Entwicklungsstand besitzen und daher verschiedenste Finanzinstrumente vorweisen können, als Maßstab herangezogen hat. Unabhängig davon, wie genau und umfassend die jeweilige Regelung gestaltet wurde, sind daher beide Vorschriften in der Lage, die je nach Entwicklungsstand des Kapitalmarkts jeweils existierenden Finanzinstrumente zu umfassen und zum Gegenstand des jeweiligen Verbots von Insidergeschäften zu machen. An der Vorgehensweise des chinesischen Gesetzgebers ist jedoch trotz aller Flexibilität, die diese gewährt, zu kritisieren, dass das Gesetz keine genaueren Angaben zu den einzelnen, dem Insiderhandelsverbot unterfallenden Finanzinstrumenten macht. Dies führt zu einer nicht hinreichend bestimmten Vorschrift, die vom einzelnen Anleger fordert, selbständig herauszufinden, welche Wertpapiere zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Staatsrat anerkannt sind und somit unter die Vorschriften des Wertpapiergesetzes fallen. Auch wenn das populärste Wertpapier am chinesischen Kapitalmarkt die Aktie ist, die im Wertpapiergesetz explizite Erwähnung findet, birgt die fehlende Bestimmtheit des § 2 WpG zwei Gefahren. Die vom chinesischen Gesetzgeber gewählte Vorgehensweise hat bereits in rein praktischer Hinsicht Nachteile. Da, wie sich später an verschiedenen Stellen noch zeigen wird, das Bewusstsein in der chinesischen Bevölkerung für die Existenz eines Insiderhandelsverbots und dessen Rechtsfolgen sehr

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gering ist, ist es für eine effektive Umsetzung eines solchen Verbotstatbestands enorm wichtig, dass aus dem Gesetz ganz klar hervorgeht, welche Wertpapiere von dem Verbot umfasst sind. Sind solche Vorgaben nicht ganz klar und deutlich, macht der Gesetzgeber sich selbst sowie die zur Durchsetzung des Verbotstatbestands befähigten Durchsetzungsorgane angreifbar. Sicher gilt auch in China der Grundsatz, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt. Jedoch sollte der Gesetzgeber versuchen, die Entwicklung eines Bewusstseins der chinesischen Anleger für Fehlverhalten am Kapitalmarkt zu fördern. Dies kann aber nur gelingen, wenn es Verhaltensanweisungen in Form von hinreichend bestimmten Verboten gibt. Werden Personen aufgrund von Verstößen zur Rechenschaft gezogen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, so wird eine solche Verurteilung und damit auch das Verbot an sich auf wenig Akzeptanz bei anderen Anlegern stoßen. Anstatt ein solches Verbot zu akzeptieren und denn Sinn dahinter zu suchen, werden Anleger vielleicht noch eher motiviert, nach Wegen zur Umgehung des Verbots zu suchen, als dies der Fall wäre, wenn sie die Gründe der Bestrafung zumindest nachvollziehen könnten. Auch in rechtlicher Hinsicht ist es mehr als kritisch zu beurteilen, dass auf der Basis einer so wenig bestimmten Norm nicht nur Bußgelder, sondern sogar strafrechtliche Sanktionen verhängt werden können. Das Recht eines jeden Anlegers, aus dem Gesetz erkennen zu können, welche Rechtsfolgen sein Verhalten hat, ist hier erheblich beschnitten. Auch wenn der chinesische Gesetzgeber sicherlich nach einem bestimmten Grad an Abstraktheit strebt, dürfte es für ihn angesichts der begrenzten Möglichkeiten der Gestaltung von Finanzinstrumenten ein Leichtes sein, eine so wichtige Vorschrift zum einen bestimmter zu formulieren und aber auch auf dem jeweils aktuellen Stand zu halten. Wünschenswert wäre es zudem, wenn der chinesische Gesetzgeber deutlich machen würde, welche Märkte von den Vorschriften des Wertpapiergesetzes erfasst sind. Wie beschrieben ist es vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Ziels, den Funktionenschutz eines organisierten Kapitalmarkts zu sichern, für einen rechtskundigen Anleger nachvollziehbar, dass sicherlich nur organisierte Märkte, nicht hingegen der Telefonhandel unter die Vorschriften des Wertpapiergesetzes fallen. Auch hier ist aber mit den oben bereits aufgeführten Argumenten eine bestimmte, für jeden Anleger verständliche Regelung zu fordern. c) Die Insiderinformation Neben den Begriffen des Insiders und der Insiderpapiere kommt schließlich dem Begriff der Insiderinformation als drittem Element im Rahmen der Verbotstatbestände eine zentrale Bedeutung zu. Genau wie im deutschen Recht ist nur der Handel mit Insiderpapieren unter Verwendung einer Insi-



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derinformation, nur die Preisgabe einer Information, die eine Insiderinformation darstellt, und nur die Empfehlung zum Handeln aufgrund einer Insiderinformation, widerrechtlich. Insofern stellt auch hier der Begriff der Insiderinformation ein elementares Abgrenzungskriterium zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Verhalten dar. Nach der Legaldefinition des § 75 Abs. 1 WpG, die sich im Vergleich zur ersten Version des Wertpapiergesetzes aus dem Jahre 1999 nicht geändert hat, ist eine Insiderinformation eine Information, die nicht öffentlich bekannt ist und den Betrieb oder die Finanzen eines Unternehmens betrifft oder die einen bedeutenden637 Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere dieses Unternehmens hat. Im Vergleich zur Legaldefinition im deutschen Recht lässt sich beim ersten Lesen erkennen, dass die Information nicht konkret sein muss, um als Insiderinformation gelten zu können und dass der Ermittentenbezug und die kursbeeinflussende Wirkung nicht kumulativ, sondern alternativ vorliegen müssen. Genau wie im Rahmen der Definition des Insiderbegriffs wählt das Wertpapiergesetz auch für die Insiderinformation zunächst eine relativ allgemein gefasste Definition, die vermuten lässt, dass der Anwendungsbereich des Begriffs der Insiderinformation sehr weit gefasst ist. Doch gibt es neben der abstrakten Definition in § 75 Abs. 2 WpG eine Aufzählung von insgesamt acht Fällen, in denen eine Insiderinformation vorliegt. Diese Aufzählung wird ergänzt durch die in § 67 Abs. 2 WpG aufgeführten zwölf Fälle, die eine Ad-hoc-Publizitätspflicht auslösen und gleichzeitig von § 75 Abs. 2 Nr. 1 WpG als Insiderinformation definiert werden. Auch hier stellt sich wiederum die Frage, ob diese Aufzählung eine abschließende Aufzählung ist und zu einer Einschränkung der abstrakten Definition führt, oder ob sie lediglich Beispiele für als Insiderinformationen zu charakterisierende Informationen aufzeigen will. Anders als § 74 WpG arbeitet § 75 Abs. 2 WpG nicht mit dem Wortlaut „einschließlich“, sondern bestimmt dass die aufgezählten Informationen sämtlich zu den Insiderinformationen „gehören“638. Andererseits enthält § 75 Abs. 2 Nr. 8 WpG eine Ermächtigungsgrundlage für die CRSC, weitere Informationen anzuerkennen, die einen erheblichen Einfluss auf den Handelspreis der Wertpapiere haben. Anders als in § 74 WpG wird hier jedoch nicht das Verb „vorschreiben“, sondern das Verb „anerkennen“639 gebraucht. Diese Wortwahl gibt zu erkennen, dass die An637  Das Adjektiv „bedeutend“ (Chinesisch 重大) hat inhaltlich dieselbe Bedeutung wie das vom deutschen Gesetzgeber gebrauchte Adjektiv „erheblich“. Von der chinesischen Literatur werden 重大(gewichtig, bedeutend) oder auch 重要 (wichtig, relevant) als Äquivalent für den Begriff „erheblich“ gebraucht. 638  Chinesisch: 下列信息皆属内幕信息. 639  Chinesisch: 认定.

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erkennung nicht der formalen Niederlegung in einer Vorschrift bedarf, sondern dass die CSRC jede Information, die die allgemeinen in § 75 Abs. 1 WpG genannten Kriterien erfüllt, als Insiderinformation qualifizieren kann.640 Selbst wenn man daher mit einigen Stimmen in der Literatur annähme, die Aufzählung sei eine abschließende641, so hätte dies doch keine Konsequenzen, weil die CSRC im Rahmen ihrer Ermittlungen und der Durchsetzung des Verbots von Insidergeschäften jede Information, die die Voraussetzungen der Legaldefinition erfüllt, als Insiderinformation anerkennen kann, ohne dass es vorher irgendeines förmlichen Verfahrens bedürfte, in dem diese spezifische Information in die Aufzählung aufgenommen würde. Aus diesem Grunde ist die Aufzählung in § 75 WpG als Katalog von Regelbeispielen zu charakterisieren, der von der CSRC beliebig erweitert werden kann. Der sehr weitreichenden gesetzlichen Definition setzen einige Stimmen in der chinesischen Literatur Schranken, indem sie, über den Gesetzeswortlaut hinaus, die Definition der Insiderinformation um weitere Tatbestandsmerkmale ergänzen. Dabei lässt sich keine einheitliche Linie erkennen, welche Kriterien als zwingende Voraussetzung einer Insiderinformation gefordert werden. Einige Stimmen fordern, dass eine Information zum einen nicht öffentlich bekannt und zum anderen erheblich642 bzw. preissensibel sein muss, um als Insiderinformation qualifiziert zu werden.643 Auf die im Gesetz alternativ vorgesehene Emittentenbezogenheit wird kein Bezug genommen. Andere Stimmen hingegen fordern insgesamt vier Merkmale, die eine Information vorweisen muss, um eine Insiderinformation zu sein. Dieser Ansicht zufolge muss eine Information (1) nicht öffentlich, (2) erheblich, und (3) konkret sein, sowie (4) einen Emittentenbezug aufweisen.644 Die neben dem Begriff der Information der gesetzlichen Definition zufolge geforderten zwei bzw. drei Merkmale, d. h. die Nicht-Öffentlichkeit, der auch Howson, 60 Am. J. Comp. L. 2012, 955 (974). z. B. Duan, 12 Duquesne Bus. L. J. 2009, 129 (142); Qu, 10 Pac. Rim L. & Pol’y J. 327 (340 f.); in diese Richtung gehend auch Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 207 f.; Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 416. 642  Gleichbedeutend mit „bedeutend“. 643  Huang, Chidong / Gao, Neue Erklärungen und Erläuterungen zum Wertpapiergesetz, S. 1117; Huang, Hui, International Securities Markets, S. 203; Wu, Qidong, Legal System and Society 2008 (6), 281; Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188. 644  Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 207; Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 276 ff.; Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 414 ff.; Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (84 ff.); Chen, Haiying / Zhu, Weiming / Ye, Jianping, Studien zur Rechtsstaatlichkeit 2008 (3), 32 (37 f.). 640  So 641  So



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Emittentenbezug oder die alternativ geforderte kursbeeinflussende Wirkung werden im Folgenden genauer erläutert. aa) Bezugspunkt der Information Anders als § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG, der von einer Information über Umstände spricht und damit deutlich macht, dass der Bezugspunkt einer Insiderinformation bestimmte Umstände sein müssen, spricht § 75 Abs. 1 WpG nur von einer Information. Dennoch wohnt dem Begriff der Information inne, dass diese sich auf bestimmte Umstände beziehen muss, über welche sie informiert, so dass sich die aufgrund des unterschiedlichen Gesetzeswortlauts kein Unterschied ergibt. (1) Gegenwärtige und zukünftige Umstände Der deutschen Rechtslage vergleichbar kann sich die Information nicht nur auf gegenwärtige Umstände, sondern auch auf zukünftige Umstände beziehen. Dies ergibt sich aus einigen der in § 75 Abs. 2 WpG aufgeführten Fälle, wie z. B. dem Plan eines Unternehmens, Dividenden auszuschütten oder das Stammkapital zu erhöhen. Im Gegensatz zu den in Deutschland strittig diskutierten Wahrscheinlichkeitsschwellen in Bezug auf den Eintritt des zukünftigen Ereignisses, die durch das Urteil des EuGH im Daimler / Chrysler / Schrempp-Verfahrens zumindest dahingehend gelöst wurden, als nun weitgehende Einigkeit besteht, dass eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % vorliegen muss, werden in der chinesischen Literatur solche Wahrscheinlichkeitswerte nicht herangezogen. Wie auch im Rahmen der Diskussionen in Deutschland plädiert eine Stimme in der Literatur in Anlehnung an den im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Anwendung findenden „probability / magnitude“-Test für eine Einordnung der Wahrscheinlichkeit als bewegliche Größe.645 Aus der Entscheidungspraxis der CSRC ist weder ersichtlich, dass sie diesen Test für anwendbar hält, noch dass es für die Qualifikation eines zukünftigen Ereignisses als Insiderinformation der Überschreitung einer besonderen Wahrscheinlichkeitsschwelle bedarf. Für den Anleger besteht hier somit eine deutliche Unsicherheit. Es wäre wünschenswert gewesen, die CSRC hätte z. B. im Rahmen einer Sanktionsentscheidung bereits einmal Stellung zu dieser Frage bezogen.

645  Vgl. Huang, Hui, International Securities Markets, S. 211, der in die Definition der Insiderinformation in § 75 WpG eine Anwendbarkeit des „probability /  magnitude“-Tests hineinlesen will.

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(2) Einzelfragen Im Folgenden sollen Einzelfragen zum Begriff der Insiderinformation, die bereits auf deutscher Seite diskutiert wurden, vor dem Hintergrund des chinesischen Rechts diskutiert werden. Es soll dadurch verdeutlicht werden, welche Arten von Umständen im chinesischen Recht Bezugspunkt einer Insiderinformation sein können. (a) Prognosen und Werturteile Die Frage, ob bzw. unter welchen Umständen Prognosen und Werturteile Insiderinformationen sein können, wird in der chinesischen Literatur nicht vertieft diskutiert. Aus der Entscheidungspraxis der CSRC geht jedoch hervor, dass Prognosen durchaus als Insiderinformationen bewertet werden, so z. B. aus einer Verwaltungssanktion646, die im Jahre 2010 gegen Jiang Yonggui erlassen wurde. Jiang Yonggui war Vorstandsmitglied der Shenzhenshi Tiandian AG (Tiandian AG). Für das Jahr 2007 hatte die Tiandian AG Ende Oktober eine Steigerung des Reingewinns von 50–100 % im Vergleich zum Vorjahr angekündigt. Die Finanzabteilung der Tiandian AG informierte den Vorstand jedoch am 1. Januar 2008 darüber, dass sich die Lage unerwartet anders darstellen werde und nur eine Steigerung des Reingewinns von ca. 54,61 % im Vergleich zum Vorjahr erreicht worden sei. Laut Aussage des Finanzchefs standen die Zahlen noch nicht endgültig fest, es sollten im Vergleich zu den endgültigen Daten jedoch keine zu großen Abweichungen zu erwarten sein. Die Tiandian AG gab diese Prognose durch einen Newsletter bekannt, was zu einem starken Kursabfall führte. Noch vor der Bekanntgabe im Newsletter verkaufte Jiang Yonggui Aktien, die er an der Tiandian AG hielt und ersparte sich damit einen Verlust. Die Steigerung des Reingewinns wurde schließlich im Ende April 2008 herausgegebenen Jahresbericht mit 42,11 % beziffert. Die in diesem Fall vorliegende Gewinnsteigerungsprognose wurde von der CSRC als Insiderinformation im Sinne des § 75 Abs. 2 WpG klassifiziert. (b) Z  wischen Scalping und Frontrunning: Das chinesische Phänomen des Rat Trading Ein in den letzten Jahren auf dem chinesischen Kapitalmarkt vermehrt auftretendes Phänomen hat in der Literatur zu vielen Diskussionen geführt 646  Verwaltungssanktion 2010 Nr. 23 der CSRC v. 30.6.2010 gegen Jiang Yonggui (中国证监会行政处罚决定书(姜永贵)–(2010) 23号).



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und den Gesetzgeber zum sofortigen Eingreifen veranlasst. Dieses Phänomen ist in China als Rat Trading647 bekannt. Es bezeichnet ein Verhalten von Fondsmanagern und Mitarbeitern von Kapitalanlagegesellschaften, die in dem Wissen, dass der Fonds bestimmte Aktien kaufen wird, vorher Aktien derselben Unternehmen für eigene oder fremde Rechnung kaufen und nachdem der Fonds ebendiese Aktien gekauft hat und aufgrund des Ordervolumens der Marktpreis dieser Aktien gestiegen ist, ihre Aktien mit Gewinn verkaufen. Dabei betrifft die Mehrzahl der Fälle Fondsmanager, die den Fonds unter ihrer Kontrolle haben und selbst Aktien kaufen, bevor sie für den Fonds in die gleichen Aktien investieren. In der Literatur ist umstritten, ob dieses Verhalten als Insiderhandel zu qualifizieren ist. Die überwiegende Meinung lehnt eine Qualifikation als Insiderhandel ab. Diese Auffassung wird sowohl durch die Entscheidungen der CSRC als auch durch Maßnahmen des Gesetzgebers bestätigt. Die CSRC hatte im Jahre 2008 zum ersten Mal über zwei Rat TradingFälle zu entscheiden. Im ersten Fall ging es um den Fondsmanager Wang Limin648. Dieser war Fondsmanager bei China Southern Fund und war für den Jinyuan Fonds und den Baoyuan Fonds verantwortlich. Er kaufte über ein verdecktes Wertpapierdepot, das von seinem Vater geführt wurde Ak­ tien, bevor er die gleichen Aktien für die Fonds kaufte, für die er verantwortlich war. Durch den Verkauf der Aktien generierte er einen Gewinn von ca. 1,51 Millionen CNY. Der zweite Fall betraf Tang Jian649, der als Analyst beim China International Fund und zugleich als stellvertretender Manager des Alpha Fund arbeitete. Er empfahl beiden Fonds „Xinjiang Zhonghe-Aktien“ zu kaufen, kaufte jedoch vor der Order des jeweiligen Fonds diese Aktien selbst und zwar über ein verdecktes Wertpapierdepot. Dadurch dass die Fonds in der Folgezeit weiter in diese Aktien investierten, stieg der Marktpreis der „Xinjiang Zhonghe-Aktien“ aufgrund der Ordervolumina erheblich an. Herr Tang machte durch den Verkauf seiner Aktien einen Gewinn von ca. 1,53 Millionen CNY. Die CSRC entzog beiden Tätern die Berufslizenz, konfiszierte die illegalen Gewinne und erlegte beiden Tätern ein Bußgeld von 500.000 CNY auf. Zudem erteilte sie beiden ein sog. Marktzutrittsverbot, d. h. es wurde Wang 647  Chinesisch:

老鼠仓.

648  Verwaltungssanktion

2008 Nr. 15 der CSRC v. 27.3.2008 gegen Wang Limin (中国证监会行政处罚决定书(王黎敏)– (2008) 15号). 649  Verwaltungssanktion 2008 Nr. 22 der CSRC v. 8.4.2008 gegen Tang Jian (中 国证监会行政处罚决定书(唐健)– (2008) 22号).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Limin650 für sieben Jahre und Tang Jian651 lebenslang untersagt, Wertpapiergeschäfte zu betreiben oder den Posten eines Vorstandsmitglieds, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines leitenden Angestellten in einem börsennotierten Unternehmen zu bekleiden. Keine der beiden Entscheidungen stützte sie jedoch auf einen Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften. Diese Entscheidung der CSRC sorgte für große Aufmerksamkeit, insbesondere deshalb, weil die Geldstrafe mäßig ausfiel und weil es zu diesem Zeitpunkt mangels gesetzlicher Vorschriften keine Möglichkeit gab, strafrechtliche Sanktionen zu erreichen. Es entbrannte eine Debatte über den Charakter dieses Verhaltens und darauf beruhend auch über die möglichen strafrechtlichen Qualifikationen. Es wurden zahlreiche Ansätze vertreten652, darunter u. a. der Ansatz, Rat Trading sei unter die Straftat der Veruntreuung zu fassen. Der Kern dieser Straftat sei der Umstand, dass Angestellte eines Unternehmens sich das Eigentum dieses Unternehmens unrechtmäßig aneignen. Der aus dem Rat Trading resultierende Ertrag sei eigentlich in das Eigentum des Fonds zurückzuführen, und wenn der Rat Trader sich den Ertrag selbst aneigne, erfülle dies den Tatbestand der Veruntreuung.653 Teilweise wurde es als adäquater angesehen, Rat Trading unter den Straftatbestand des § 165 StG zu fassen. Dort ist geregelt, dass Vorstände und Geschäftsführer staatseigener Unternehmen und Betriebe, die ihre Position ausnutzen, um unrechtmäßige Vorteile zu erzielen und um für sich selbst oder für andere ein Geschäft zu betreiben, das dem Geschäft des Unternehmens ähnelt, für das sie arbeiten, sich strafbar machen, wenn es sich um große Beträge handelt. Hier wurde gefordert, den Tatbestand entsprechend anzupassen, so dass u. a. auch der hier diskutierte Fall des Rat Trading eines Mitarbeiters einer Fondsgesellschaft unter den Tatbestand gefasst werden kann.654 Schließlich wurde und wird auch vertreten, Rat Trading sei eine besondere Form des Insiderhandels.655 Gegen diese Ansicht spricht sich jedoch der Großteil der Literatur aus. Zwar besteht weitgehende Einigkeit dahingehend, dass Insiderhandel und Rat Trading viele Gemeinsamkeiten haben, es jedoch aufgrund der gleichsam bestehenden Unterschiede unmöglich ist, Rat 650  Marktzutrittsverbot 2008 Nr. 6 der CSRC v. 27.3.2008 gegen Wang Limin (中国证监会市场禁入决定书(王黎敏)– (2008) 6号). 651  Marktzutrittsverbot 2008 Nr. 9 der CSRC v. 8.4.2008 gegen Tang Jian (中国 证监会市场禁入决定书(唐健)– (2008) 9号). 652  Ausführlich zu den verschiedenen Ansätzen siehe Chen, Haiying, Diskurs zur strafrechtlichen Regelung des Rat Trading. 653  Liu, Junhai, in: Zeng, Procuratorial Daily v. 28.5.2008, S. 3. 654  Zeng, Xianwen, in: Zeng, Procuratorial Daily v. 28.5.2008, S. 3. 655  Wu, Jiani / Mi, Zhongchun / Liang, Journal of Dalian University of Technology 2013 (1), 67 (67).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse189

Trading unter den Tatbestand des Insiderhandels zu fassen. Es wird angeführt, bei der dem Rat Trading zugrunde liegenden Information handele es sich nicht um eine Insiderinformation. Der Begriff der Insiderinformation werde gem. § 180 Abs. 3 StG nach dem Gesetz, d. h. in diesem Fall nach § 75 WpG bestimmt, der regelt, dass eine Insiderinformation eine Verbindung zum jeweiligen Unternehmen aufweisen müsse.656 Die dem Rat Trading zugrunde liegende Information sei eine Information über eine strategische Anlageentscheidung des Investmentfonds, habe den Charakter eines Geschäftsgeheimnisses und sei daher nicht als Insiderinformation zu klassifizieren.657 Weiterhin zielten Rat Trading bzw. Insiderhandel auf die Verletzung unterschiedlicher Geschädigter ab. Während der Insiderhandel sowohl die rechtmäßigen Interessen der Summe der Anleger als auch des einzelnen am Markt tätigen Anlegers schädige, verletze das Rat Trading die rechtmäßigen Interessen der Kunden der Fondsverwaltungsgesellschaften.658 Schließlich handele es sich bei einer Insiderinformation um eine noch nicht offengelegte Information, die jedoch offenzulegen sei, während die Information im Rahmen des Rat Trading einen inneren Umstand des Fonds betreffe und nicht notwendigerweise einer Offenlegungspflicht unterliege.659 Die Einordnung als eine eigene Kategorie von Straftat – und nicht als Insiderhandel – wurde durch den Gesetzgeber bestätigt. Zur effektiven Bekämpfung des Rat Trading sah dieser sich veranlasst, das Verhalten unter Strafe zu stellen. Im Rahmen der siebten Änderung des Strafgesetzes, welche am 28. Februar 2009 in Kraft trat, wurde in § 180 StG ein neuer, allgemein gefasster Absatz 4 eingefügt, der das Ausnutzen nicht öffentlicher Informationen, die keine Insiderinformationen sind, bei Vorliegen einer „ernsten Sachlage“660 zur Straftat macht. Dieser verbietet es Angestellten von Börsen, Terminbörsen, Wertpapierfirmen, Futures Brokerage-Unternehmen, Fondsverwaltungsgesellschaften, Geschäftsbanken, Versicherungsunternehmen oder einem anderen Finanzinstitut sowie die Mitarbeitern der entsprechenden Regulierungsbehörden oder Industrieverbänden unter Verletzung der entsprechenden Vorschriften, unveröffentlichte Informationen, die nicht Insiderinformationen sind, und die sie durch Ausnutzen ihrer Position erlangt haben, zu gebrauchen, um mit Wertpapieren oder Futures zu handeln, die in Verbindung mit dieser Infor656  Mi,

Xing, Legal System and Society 2012 (29), 86 (86). Journal of Political Science and Law, 2010 (1), 59 (61 f.); Lu / Sheng, Journal of Kunming University of Science and Technology 2010 (6), 41 (46). 658  Huang, Taiyun, People’s Court Daily v. 8.4.2009, S. 6; Lu, Journal of Political Science and Law, 2010 (1), 59 (62). 659  Feng, Hebei Law Science 2009 (9), 87 (88); Wang, Hui, Legality Vision, 2012 (10), 32 (32); Zhao, Chen, Legal System and Economy 2011 (3), 76 (76). 660  Chinesisch: 情节严重的. 657  Lu,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

mation stehen oder es anderen Personen ausdrücklich oder implizit zu empfehlen, mit diesen Wertpapieren oder Futures zu handeln. Wenn die Sachlage ernst ist, wird eine Bestrafung nach § 180 Abs 1 StG vorgenommen, d. h. der Rat Trader wird wie ein Insider bestraft. Teilweise wird an diesem neuen Straftatbestand Kritik geübt. Einer Ansicht in der Literatur zufolge hätte es eines neuen Straftatbestands nicht bedurft. Vielmehr hätte man im Wege der richterlichen Interpretation den Anwendungsbereich der Insiderinformation und damit den Anwendungsbereich des insiderrechtlichen Straftatbestands des § 180 Abs. 1 StG erweitern und auch die dem Rat Trading zugrunde liegenden nicht öffentlichen Informationen unter diesen fassen können.661 Dies wird jedoch von der Literatur aufgrund der oben genannten Unterschiede zwischen der dem Rat Trading und dem Insiderhandel zugrundeliegenden Information abgelehnt. Auch der Gesetzgeber macht durch die neue Regelung im Strafgesetz deutlich, dass er die dem Rat Trading zugrundeliegende Information nicht als Insiderinformation betrachtet. Aufgrund der Ähnlichkeit dieses Straftatbestands zum Insiderhandel hat er die Regelung des Rat Trading wohl im Zusammenhang mit der Regelung des Insiderhandelsstraftatbestands als am sinnvollsten erachtet.662 Zudem geht aus den oben zitierten Entscheidungen der CSRC sowie weiteren Entscheidungen663 hervor, dass die CSRC nicht die Insiderhandelstatbestände im Wertpapiergesetz bemüht, sondern ihre verwaltungsrechtlichen Sanktionen stets auf ein Zusammenspiel der § 199 WpG i. V. m. § 43 WpG sowie § 97 i. V. m. § 18 Investmentfondsgesetz a. F.664 stützt. Dabei verbietet § 43 Abs. 1 WpG jedem Angestellten einer Börse, einer Wertpapierfirma oder einer Wertpapierregistrierungs- und Wertpapierclearingstelle sowie den Mitarbeitern der Wertpapierregulierungsbehörden und allen anderen Angestellten, denen durch Gesetz oder Verwaltungsvorschriften der Handel mit Wertpapieren untersagt ist, während ihrer Anstellungs- oder Amtszeit Aktien zu halten oder direkt oder indirekt zu kaufen oder verkaufen. § 18 Investmentfondsgesetz a. F. verbietet Vorständen, Aufsichtsräten, Geschäftsführern und anderen Angestellten einer Fondsverwaltungsgesellschaft jegliche Wertpapiertransaktionen und sonstige Handlungen, die das Eigentum des Fonds und 661  Chen,

Haiying, Diskurs zur strafrechtlichen Regelung des Rat Trading. auch: Cai, Xilei, Journal of Shandong Police College 2009 (2), 32 (36). 663  Z.  B. die Verwaltungssanktion 2011 Nr. 29 der CSRC gegen Han Gang v. 7.7.2011 (中国证券会行政处罚决定书(韩刚)– (2011) 29号) und die Verwaltungssanktion 2011 Nr. 52 der CSRC gegen Xu Chunmao v. 28.11.2011 (中国证券 会行政处罚决定书(许春茂)– (2011) 52号). 664  Law of the People’s Republic of China on Securities Investment Fund, in Kraft seit dem 1.6.2004 (中华人民共和国证券投资基金法); ab dem 1.6.2013 ist ein geändertes Investmentfondsgesetz in Kraft. 662  So



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse191

die legitimen Interessen der Fondsanleger verletzen. Dies macht deutlich, dass nach Ansicht der CSRC der Schwerpunkt des Verhaltens des Rat Trading auf der Verletzung der Pflichten gegenüber den Anteilseignern des jeweiligen Fonds liegt. Bemerkenswert an den Entscheidungen der CSRC in den Fällen Wang Limin und Tang Jian ist, dass die CSRC sich offensichtlich dagegen entschieden hat, das jeweilige Verhalten als Insiderhandel einzustufen, jedoch keine Begründung dafür liefert, warum sie so entscheiden hat. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu kritisieren, dass die beiden Fälle völlig unterschiedliche Szenarien beinhalten. Im Fall Wang Limin wusste dieser in seiner Position als Fondsmanager, dass er selbst für den Fonds, für den er die Verantwortung trug, bestimmte Aktien kaufen würde. In dem Wissen um diese Absicht und auch in dem Wissen, dass das beträchtliche Ordervolumen, das er für den Fonds vorgesehen hatte, den Marktpreis der Aktien in die Höhe treiben würde, kaufte er zunächst diese Aktien für sich selbst. Dieser Fall ist dem Verhalten vergleichbar, das im deutschen Kapitalmarktrecht die Bezeichnung Frontrunning trägt, allerdings mit dem Unterschied, dass es sich hier nicht um das Wissen hinsichtlich bestimmter Kundenaufträge handelt, sondern um eine rein innere Absicht. Bevor die CSRC sich gegen eine mögliche Bestrafung auf Basis der insiderrechtlichen Vorschriften wandte, hätte sie zumindest erörtern müssen, ob es möglich ist, diese innere Absicht unter den Begriff der Insiderinformation zu subsumieren. Im Fall Tang Jian empfahl dieser den Fonds, lediglich Aktien eines bestimmten Unternehmens zu kaufen, wobei er selbst zu diesem Zeitpunkt bereits eine Anzahl dieser Aktien gekauft hatte. Er ging davon aus, der jeweilige Fonds werde sich an seine Empfehlung halten und der Aktienpreis werde durch die getätigten Orders erheblich steigen. Dieser Fall ähnelt dem in Kapitel C., I.1.b)(3)(b) erörterten Fall des Scalping. Dem Verhalten von Sascha Opel vergleichbar beriet Tang Jian Fonds und nutzte sein Wissen darüber, dass er bestimmte Empfehlungen abgeben werde, denen Folge geleistet werden würde, aus, um selbst Gewinne zu erzielen. Auch hier sah die CSRC sich nicht genötigt zu begründen, warum sie eine Bestrafung nach insiderrechtlichen Vorschriften nicht in Betracht zog. Die in der Literatur vorgebrachten Argumente, insbesondere das Argument, eine Insiderinformation müsse sich auf innere Umstände des Emittenten beziehen, dürfte die CSRC nicht von der Anwendung der Insiderhandelsvorschriften abgehalten haben. Zum einen deutet schon die Legaldefinition der Insiderinformation in § 75 Abs. 1 WpG nicht auf dieses Erfordernis hin, da sie von einer Information entweder einen Bezug zur Geschäftstätigkeit oder Finanzlage des Emittenten oder ein Kursbeeinflussungspotential fordert. Zum anderen hat die CSRC in ihrem internen CSRC-Leitfaden in

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Art. 8 Nr. 5 bestimmt, dass Insiderinformationen alle erheblichen Informa­ tionen sind, die einen beachtlichen Einfluss auf den Marktpreis der Wert­ papiere haben. In Art. 9 CSRC-Leitfadens wird definiert, dass eine Information immer dann einen beachtlichen Effekt auf den Handelspreis der Wertpapiere hat, wenn bei Veröffentlichung der Information der Handelspreis der Wertpapiere innerhalb eines kurzen Zeitraums eine beachtliche Abweichung aufweist. Hier wird somit deutlich, dass es auf den Bezug zum Emittenten nicht zwingend ankommt. Auch das in der Literatur aufgeworfene Argument, bei einer Insiderinformation handele es sich um eine noch nicht offengelegte Information während es sich bei Informationen über Investitionsoptionen eines Fonds eher um ein Geschäftsgeheimnis bzw. eine nicht zwingend zu veröffentlichende Information handele, kann nicht überzeugen. Der Begriff der Insiderinformation kann nicht durch eine potentiell bestehende Offenlegungspflicht definiert werden. Vielmehr muss der Begriff der Insiderinformation als Ausgangspunkt dienen und ausgehend davon bestimmt werden, für welche Art von Insiderinformationen man es als nötig erachtet, eine Offenlegungspflicht zu regeln, um den Zeitraum, in dem eine Insiderinformation existiert, zu verkürzen und somit die Integrität des Kapitalmarkts zu schützen. Aufgrund dieser Überlegungen wäre es wünschenswert gewesen, die CSRC hätte ihre Entscheidung näher begründet und dargelegt, warum sie das jeweils zu beurteilende Verhalten nicht unter den Tatbestand des Insiderhandelsverbots subsumieren konnte. Im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland, wo sich der BGH insbesondere aufgrund der europarechtlichen Vorgaben gehalten sah, den Fall Sascha Opel nicht als Insiderhandel zu bewerten, hätte die CSRC im Fall Tang Jian anders entscheiden können. Zumindest aber hätte sie in ihrer Entscheidung eine dezidierte Begründung liefern können. Dies hätte durchaus den Obersten Volksgerichtshof dazu bewegen können, eine richterliche Interpretation in Bezug auf den Begriff der Insiderinformation zu veröffentlichen, im Zuge derer er hätte klarstellen können, ob die oben genannten inneren Absichten unter den Begriff der Insiderinformation fallen oder nicht. Für den Fall, dass der Oberste Volksgerichtshof dies bejaht hätte, hätte es nicht einmal der überschnellen Änderung des Strafgesetzbuches im Jahre 2009 bedurft. Unabhängig von diesen Überlegungen stellen im chinesischen Recht sowohl das Rat Trading eines Fondsmanagers als auch das in Deutschland unter den Begriff des Frontrunning fallende Verhalten von Mitarbeitern von Finanzdienstleistungsinstituten aufgrund von § 180 Abs. 4  StG eine Straftat dar. Im deutschen Recht fällt zwar das klassische Frontrunning unter den Begriff der Insiderinformation und damit in den Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots, jedoch ist aufgrund des Urteils des BGH im Fall Sascha Opel ungewiss, wie der Fall des hier diskutierten Rat Trading durch Fondsmanager bewertet werden würde. Aufgrund der harten Strafen, die



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse193

Fondsmanagern in China in den letzten Jahren für Rat Trading auferlegt wurden665, ist die effektive Durchsetzung dieses Verbots in China besser gewährleistet als in Deutschland, wo Unsicherheit hinsichtlich der Qualifikation des Verhaltens und der Frage, ob dieses überhaupt strafbar ist, besteht und daher der Abschreckungseffekt wesentlich geringer sein dürfte. (c) Gerüchte Der Qualifikation von Gerüchten wird in der chinesischen Literatur nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt und auch aus der Entscheidungspraxis der CSRC können keine Schlüsse gezogen werden. Einzig eine Ansicht in der Literatur macht deutlich, dass sie Gerüchte und bloßen Klatsch nicht als Insiderinformationen qualifizieren will.666 Eine Gegenstimme betont, der Wortlaut des § 75 Abs. 1 WpG mache deutlich, dass der Anwendungsbereich der Insiderinformation nicht auf verifizierbare Fakten beschränkt sei und somit auch vage oder unsichere Ereignisse als Insiderinformation qualifiziert werden könnten, solange sie nur Kursbeeinflussungspotential aufwiesen.667 Allein der Blick in das chinesische Wertpapiergesetz lässt vermuten, dass der Gesetzgeber auch Gerüchte in den Anwendungsbereich des Begriffs der Insiderinformation aufnehmen wollte. Ansonsten hätte er – dem europäischen bzw. deutschen Gesetzgeber gleich – fordern könne, dass nur konkrete oder spezifische Informationen Insiderinformationen darstellen können. Da der Gesetzeswortlaut jedoch auf dieses Merkmal verzichtet, ist allein vom Wortlaut zunächst davon auszugehen, dass Gerüchte durchaus den Charakter einer Insiderinformation haben. In der Praxis jedoch ergeben sich aufgrund dieser Einordnung andere Schlüsse als sie auf der deutschen Seite gezogen wurden. Für den deutschen Kapitalmarkt wird die Ansicht vertreten, dass Gerüchte von den Anlegern schon gar nicht als konkrete Informationen wahrgenommen werden und aufgrund dessen nicht auf ihrer Basis gehandelt wird. Es ist aber höchst fraglich, ob die Glaubwürdigkeit eines Gerüchts auf dem chinesischen Kapitalmarkt wirklich als so gering erkannt wird, dass es im Verkehr nicht als tatsächliche Information akzeptiert wird. Man muss an dieser Stelle berücksichtigen, dass der chinesische 665  So z. B. im Fall Han Gang (韩刚), der am 22.5.2011 vom Volksgericht des Futian Distrikts in Shenzhen als erster Rat Trader strafrechtlich verurteilt wurde und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie eine Geldstrafe von 310.000 CNY erhielt sowie der Fall Li Xuli (李旭利), der am 24.11.2012 vom Ersten Mittleren Volksgericht in Shanghai wegen Rat Trading zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und einer Geldstrafe von 18 Millionen CNY verurteilt wurde. In beiden Fällen unterlagen die erzielten Gewinne dem Verfall. 666  Vgl. Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (85). 667  Huang, Hui, International Securities Markets, S. 210.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Kapitalmarkt im Vergleich zum deutschen Kapitalmarkt hoch spekulativ ist, Gerüchte insofern auf fruchtbareren Boden fallen und Geschäfte auf Basis bloßer Gerüchte schneller getätigt werden als dies in Deutschland der Fall ist.668 Insofern werden Gerüchte anders als in Deutschland nicht durch den Kapitalmarkt als untaugliche Anlageinformation ausgeschieden, und zählen damit auch rein praktisch zu den Insiderinformationen. (d) Unrichtige Informationen In der Literatur wird überwiegend gefordert, die Information müsse wahr sein, um eine Insiderinformation sein zu können.669 Das Kriterium der Wahrheit soll helfen, eine Abgrenzung zu bloßem Klatsch und Gerüchten zu schaffen.670 Weiterhin wird vorgebracht, der Anwendungsbereich des § 75 Abs. 1 WpG würde erweitert, wenn man eine unwahre Information auch als potentielle Insiderinformation anerkennen wollte. Vor dem Hintergrund des Zwecks des Insiderhandelsverbots, der den Wertpapierhandel auf einer fairen Wettbewerbsplattform sicherstellen will, falle ein Handel auf Basis falscher Informationen nicht unter den Insiderhandelstatbestand, sondern vielmehr unter den Tatbestand der Marktmanipulation.671 Dabei wird im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland kein Unterschied gemacht zwischen Informationen, die von Anfang an als erkennbar unwahr bezeichnet werden können – die unstreitig nicht als konkrete Information gelten können – und solchen Informationen, die sich erst im Nachhinein als unwahr erweisen. Hat eine solche Information, die den Anschein der Wahrheit für sich hat, Kursbeeinflussungspotential, können aufgrund dieser Information ebenso Informationsasymmetrien entstehen und illegale Gewinne erzielt werden, wie bei Vorliegen einer wahren Information, die sich nicht im Nachhinein als falsch darstellt. Insofern führt die von den überwiegenden Stimmen in der chinesischen Literatur vertretene Ansicht dazu, dass Wertpapierhandel aufgrund einer unerkannt falschen Information durch das Raster des Verbots­ tatbestands fällt, was sich mit dem Schutzzweck des Insiderhandelsverbots nicht vereinbaren lässt, dessen Durchsetzung gefährdet und zu Ungleichbehandlungen führt. Handelt eine Person unwissentlich auf Basis einer falschen Insiderinformation und weist diese falsche Insiderinformation ebenso 668  Wan / Chen,

Jianlin, 21 Colum. J. Asian Law, 115 (126). z. B. Zhang, Xiaoning, Journal of Kunming University of Science and Technology 2009 (3), 77 (80); Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 415; Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 207; in diese Richtung gehend auch Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 278; a. A. Zheng, Shunyan, Recht­ liche Beweismittel bei unrechtmäßigem Verhalten auf dem Wertpapiermarkt, S. 156. 670  Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (85). 671  Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (190). 669  Vgl.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse195

ein Kursbeeinflussungspotential auf wie eine wahre Information, verstößt die handelnde Person aus ihrer Sicht gleichermaßen gegen das Gesetz wie eine Person, die auf Basis einer richtigen Insiderinformation handelt und ist daher zu bestrafen. (e) Mehrstufige Entscheidungsprozesse Während in Deutschland das Problem der mehrstufigen Entscheidungsprozesse stets große Aufmerksamkeit erfahren und insbesondere durch das jüngst ergangene Urteil im Fall DaimlerChrysler / Schrempp Präsenz und Brisanz erlangt hat, steht dieses in China nicht im Fokus der Diskussion. Mit der Diskussion um den Entstehungszeitpunkt einer Insiderinformation im deutschen Recht vergleichbar ist das Konzept des preissensiblen Zeitraums, das zwar nicht im chinesischen Wertpapiergesetz verankert ist, das jedoch durch den CSRC-Leitfaden eingeführt und auch durch die Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft bestätigt wurde. Nach Art. 12 CSRC-Leitfaden beurteilt sich das Vorliegen von Insiderhandel im chinesischen Recht nach drei Kriterien: (1) es muss ein Insider handeln; (2) die Information, auf deren Basis gehandelt wird, muss eine Insiderinformation sein; (3) der Handelnde kauft oder verkauft die entsprechenden Wertpapiere innerhalb des preissensiblen Zeitraums oder empfiehlt anderen Personen, diese Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen, oder gibt die entsprechende Information preis. Art. 10 CSRC-Leitfaden bestimmt, dass der preissensible Zeitraum mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem die Insiderinformation zu entstehen beginnt und mit dem Zeitpunkt endet, in dem die Information veröffentlicht wird oder keinen beachtlichen Einfluss mehr auf den Handelspreis der Wertpapiere hat. Die CSRC setzt also bei der Frage, ab wann eine Insiderinformation vorliegen kann und somit das Insiderhandelsverbot einschlägig ist, sehr früh an. Es genügt bereits der Beginn des Entstehens der Insiderinformation. Welcher Zeitpunkt dies im Einzelfall sein kann, lässt sich an einer Verwaltungssanktion aus dem Jahre 2012 gegen Li Linjie und Tan Binghui672 darstellen. Li Linjie war stellvertretender Geschäftsführer des Marketing and Sales Office der Guangxi Wuzhou Pharmaceutical (Group) AG (Wuzhou Pharmaceutical AG)673, einer Tochtergesellschaft der Guangxi Wuzhou Zhongheng Group AG (Zhongheng AG)674. Die Wuzhou Pharmaceutical AG 672  Verwaltungssanktion 2012 Nr. 55 der CSRC gegen Li Linjie und Tan Binghui v. 26.12.2012 (中国证券会行政处罚决定书(李琳杰,覃炳辉)– (2012) 55号). 673  Chinesisch: 广西梧州制药(集团)股份有限公司. 674  Chinesisch: 广西梧州中恒集团股份有限公司.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

plante mit der Shandong Buchang Yiyao Vertriebs GmbH (Shandong GmbH)675 einen Produkt-Vertriebsvertrag abzuschließen. Aus diesem Grunde begannen die ersten Verhandlungen im Hinblick auf die Frage der Zusammenarbeit am 3. November 2011 zunächst zwischen der Zhongheng AG und der Shandong GmbH. Am frühen Morgen des 5. November 2011 kamen die Parteien über die konkrete Zusammenarbeit überein und kurz darauf wurden u. a. Li Linjie und Tan Binghui über die Verständigung hinsichtlich der Zusammenarbeit informiert. Am Nachmittag desselben Tages wurde der Produkt-Vertriebsvertrag zwischen der Wuzhou Pharmaceutical AG und der Shandong GmbH unterzeichnet und Li Linjie und Tan Binghui wohnten der Unterzeichnungszeremonie bei. Am 6. November 2011 veröffentlichte die Zhongheng AG eine Mitteilung in Bezug auf den Abschluss eines wichtigen Produkt-Vertriebsvertrags durch ihre Tochtergesellschaft. Sowohl Li Linjie als auch Tan Binghui kauften am 5. November 2011 – jeweils kurz nachdem sie über die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen informiert worden waren – Aktien der Zhongheng AG, die sie nach der Veröffentlichung der Insiderinformation gewinnbringend verkauften. In ihrer Entscheidung bezeichnet die CSRC den Produkt-Vertriebsvertrag als Insiderinformation im Sinne des § 75 WpG, der preissensible Zeitraum beginnt der Entscheidung zufolge jedoch bereits am 3. November 2011, d. h. ganz zu Beginn der Gespräche der Zhongheng AG und der Shandong AG. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine grundsätzliche Einigung hinsichtlich der möglichen Zusammenarbeit, vielmehr handelte es sich zunächst nur um Sondierungsgespräche. Bereits zu diesem Zeitpunkt wäre der CSRC zufolge der Handel mit den entsprechenden Wertpapieren verboten gewesen. An der Entscheidung der CSRC sowie auch an der Formulierung der entsprechenden Regelung im CSRC-Leitfaden lässt sich erkennen, dass anders als im deutschen Recht nicht die einzelnen Zwischenschritte auf dem Weg zum Endziel in den Blick genommen und als Insiderinformation bewertet werden, sondern nur das Endziel. Im vorliegenden Fall hätte die CSRC durchaus allein auf die ersten Verhandlungen oder auf das Übereinkommen hinsichtlich der Vertriebsvereinbarung am frühen Morgen des 5. November 2011 abstellen und diesbezüglich zu einer Beurteilung gelangen können, ob diese singulären Ereignisse für sich gesehen schon eine Insiderinformation darstellen. Dies tut sie aber nicht, sondern stellt allein auf das Endziel, den Produkt-Vertriebsvertrag, ab. Anders als im deutschen Recht wird eine Insiderinformation als Ganzes betrachtet und schon durch den ersten Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des Inhaltes, auf den sich die Insiderinforma­ tion bezieht, erlangt diese Information den Charakter einer Insiderinforma­ tion. Dies wird auch bestätigt durch Art. 5 Abs. 3 der Interpretation des 675  Chinesisch:

山东步长医药销售有限公司.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse197

Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft, wobei der Zeitpunkt, zu dem eine Insiderinformation entsteht, durch diese Interpretation in Zukunft noch früher wird angesetzt werden müssen. Dort heißt es, bereits der Zeitpunkt, zu dem eine Person mit der Vollziehung einer Initiative, eines Plans sowie einer Vorbereitungsmaßnahme oder einer strategischen Entscheidung beginnt, soll als Beginn der Entstehung der Insiderinformation und damit als Startpunkt des preissensiblen Zeitraums gelten. Der deutschen Rechtslage nach dem Urteil des EuGH im Fall Daimer Chrysler / Schrempp vergleichbar, stellt weder der CSRC-Leitfaden noch die CSRC in ihren Entscheidung auf die Eintrittswahrscheinlichkeit des Endziels ab. Andererseits wird aber nicht in die Prüfung miteinbezogen, ob die Insiderinformation im Stadium ihrer Entstehung überhaupt schon das Potential zur Kursbeeinflussung hat, was eigentlich zwingende Voraussetzungen dafür ist, dass überhaupt von einer Insiderinformation gesprochen werden kann. Würde der Fall DaimerChrysler / Schrempp daher nach chinesischem Recht beurteilt werden müssen, so würde bereits die Erklärung der Rücktrittsabsicht gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden den ersten Schritt zur Verwirklichung des Rücktrittsplans darstellen und die Insiderinformation bereits mit Abgabe dieser Erklärung entstehen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese bloße Erklärung bereits den Kurs der entsprechenden Wertpapiere zu beeinflussen in der Lage wäre. bb) Nicht öffentlich bekannte Information § 75 Abs. 1 WpG verlangt sowohl in der Situation, in der die Information den Betrieb oder die Finanzen eines Unternehmens betrifft als auch in der Situation, in der die Information einen erheblichen Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere dieses Unternehmens haben kann, dass die Informa­ tion nicht öffentlich bekannt ist. Genau wie im deutschen Recht kann sie nur unter dieser Voraussetzung überhaupt eine Insiderinformation sein. Nach in China vorherrschender Meinung, die sich auch im Gesetz bestätigt findet, ist eine Information dann als öffentlich anzusehen, wenn sie den gesetzlichen Vorschriften gemäß veröffentlicht worden ist.676 § 70 WpG gibt vor, dass eine veröffentlichungspflichtige Information durch die von der CSRC bestimmten Medien veröffentlicht und zur selben Zeit der Öffentlichkeit am Sitz des Unternehmens sowie auch an der Börse zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden muss. 676  So z. B. Guo, Jinxiu / Jiang, Jin, Wertpapiergesetz, S. 173 sowie Wang, Yu /  Li / Zhang, Jinchun, Wertpapierrecht, S. 168 noch zu § 64 WpG (1999), der Vorgängernorm des § 70 WpG; Huang, Hui, International Securities Markets, S. 212; Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 416.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Von dieser Ermächtigung hat die CSRC im Zusammenhang mit einer Bekanntmachung677 Gebrauch gemacht und sieben Zeitungen (Zhongguo Zhengquan Baoshe678 (Chinesische Wertpapiernachrichten), Jinrong Shi­ baoshe679 (Finanz Zeit), Jingji Ribaoshe680 (Tägliche Wirtschaftsnachrichten), Shanghai Zhengquan Baoshe681 (Shanghaier Wertpapiernachrichten), Zhengquan Shibaoshe682 (Wertpapiernachrichten), Zhongguo Gaige Baoshe683 (Chinesische Reformnachrichten), Zhongguo Ribaoshe684 (China Daily) sowie eine wöchentlich erscheinende Fachzeitung (Zhengquan Shichang Zhoukanshe685 (Securities Market Weekly)) als geeignete Medien zur Veröffentlichung von Informationen anerkannt.686 Die Information muss in mindestens einer der oben genannten Zeitungen oder in der Securities Market Weekly veröffentlicht werden.687 Weiterhin bestimmt die CSRC in § 6 der Administrative Measures for the Disclosure of Information of Listed Companies688, dass die Information nicht auf der Homepage des Unternehmens oder in anderen Medien veröffentlicht werden darf, bevor sie nicht in einem von der CSRC bestimmten und oben genannten Medium veröffentlicht ist. Genau wie im deutschen Recht ist eine Information nicht öffentlich bekannt, wenn sie nur einem bestimmten Personenkreis bekannt oder zugänglich ist, wie dies z. B. im Rahmen einer Pressekonferenz der Fall ist.689 Jedoch ist in China im Gegensatz zu Deutschland deutlich der Wille des 677  Bekanntmachung im Zusammenhang mit der Frage der Gebühren für die Veröffentlichung von Informationen durch börsennotierte Gesellschaften in ausgewiesenen Zeitungen und Fachzeitschriften (关于指定报刊披露上市公司信息收费问题的 通知) vom 5. Juni 1995. 678  Chinesisch: 中国证券报社. 679  Chinesisch: 金融时报社. 680  Chinesisch: 经济日报社. 681  Chinesisch: 上海证券报社. 682  Chinesisch: 证券时报社. 683  Chinesisch: 中国改革报社. 684  Chinesisch: 中国日报社. 685  Chinesisch: 证券市场周刊社. 686  Für Unternehmen, die zum Marktsegment des Growth Enterprise Market zugelassen sind hat die CSRC fünf Websites bestimmt, mittels derer diese Unternehmen ihren Publizitätspflichten nachkommen können: 中国资本证券网 (www.ccstock. cn), 巨潮资讯网 (www.cninfo.com.cn), 中证网 (www.cs.com.cn), 中国证券网 (www.cnstock.com), 证券时报网 (www.secutimes.com), vgl. http: /  / www.gov. cn / gzdt / 2009-09 / 20 / content_1421953.htm. 687  OECD, Corporate Governance of Listed Copmanies in China, S. 71. 688  Chinesisch: 上市公司信息披露管理办法. 689  Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass § 6 der Maßnahmen über die Veröffentlichung von Informationen durch börsennotierte Gesellschaften eine Beantwortung von Fragen von Journalisten nicht als Veröffentlichung der fraglichen Information gelten lässt, so auch Guo, Jinxiu / Jiang, Jin, Wertpapiergesetz, S. 173.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse199

Gesetzgebers zu erkennen, die Information einem breiten Anlegerpublikum zugänglich zu machen, so dass sich das in Deutschland geltende Konzept der Bereichsöffentlichkeit an dieser Stelle nicht übertragen lässt.690 Aus dem Zusammenspiel der Regelungen zur Veröffentlichung von Informationen lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber die Information einer unbestimmten Anzahl von Marktteilnehmern fordert und es gerade nicht ausreicht, wenn es einer unbestimmten Anzahl von Personen aus dem Kreis der Marktteilnehmer möglich ist, Kenntnis von der Information zu nehmen. Diese Erkenntnis ergibt sich daraus, dass die von der CSRC als zur Veröffentlichung geeignet bestimmten Medien zwar bis auf die China Daily und die China Reform News alle einen wirtschaftlichen Bezug aufweisen und es sich bei der Securities Market Weekly sogar um eine Fachzeitschrift handelt, diese jedoch von einem breiten Anlegerpublikum gelesen werden und nicht nur von professionellen Marktteilnehmern. Im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland ist eine Veröffentlichung über allgemein zugängliche elektronische Informationssysteme, die tendenziell eher von professionellen Marktteilnehmern genutzt werden, in China keine zulässige Möglichkeit der Veröffentlichung. Der Versuch, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen wird auch dadurch deutlich, dass der Emittent über die Veröffentlichung über Printmedien hinaus verpflichtet ist, die Information an der Börse, an der die Wertpapiere des Emittenten gehandelt werden, zu übermitteln und diese am Sitz des Emittenten zur Einsicht auszulegen. In China findet sich daher eine Situation, die in Deutschland durch das Konzept der Bereichsöffentlichkeit vermieden werden soll: Mit der Forderung, das bereite Anlegerpublikum zu erreichen, wird der Zeitraum, in dem es zu verbotenem Insiderhandel kommen kann, verlängert. Zudem ist es wesentlich schwieriger, im Hinblick auf die Verbreitung der Information eine Gleichbehandlung der Anleger zu erreichen. Um eine solche Gleichbehandlung zu gewährleisten, käme nur die Einführung eines Instruments in Betracht, welches einer Handelssperre gleichkommt. In diesem Fall würde die Information erst nach Ablauf einer bestimmten Frist nach Veröffentlichung der Information als veröffentlicht gelten. Während dieser Frist bestünde für alle diejenigen, die bereits Kenntnis von der Insiderinformation haben oder diese in der Sperrzeit erlangen, ein Handelsverbot.691 In diese Richtung geht der von der CSRC herausge690  So auch Huang, Hui, International Securities Markets, S. 214; ebenso Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 248 noch zur ersten Version des Wertpapiergesetzes aus dem Jahre 1999. 691  In diese Richtung gehend Huang, Hui, International Securities Markets, S. 213 ff.; Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (189); Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (85); Zhang, Xiaoning, Journal of Kunming University of Science and Technology 2009 (3), 77 (79); Lei, Jinan Finance 2011 (1), 81

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gebene CSRC-Leitfaden. Dort wird in Art. 10 bestimmt, dass es einen sogenannten „preissensiblen Zeitraum“ gibt, der mit der Entstehung der Insiderinformation beginnt und endet, wenn die Information veröffentlicht worden ist oder wenn sie keinen Einfluss mehr auf den Marktpreis der Wertpapiere ausüben kann. Damit soll die oben angesprochene Gleichbehandlung der Anleger erreicht werden, indem auch den Anlegern, die nicht unmittelbar an der Informationsquelle sitzen, Zeit gegeben wird, um von der Information Kenntnis zu nehmen. Das Konzept, dass der Markt die veröffentlichte Information zunächst „verdauen“ muss und sie erst dann als öffentlich bekannt anzusehen ist, wenn sie keinen Einfluss mehr auf den Marktpreis hat, ist jedoch in der rechtlichen Praxis in China nicht von Relevanz. Zum einen stellt die CSRC in ihren Verwaltungssanktionen bei der Bestimmung des Endes des preissensiblen Zeitraums auf den Tag der Veröffentlichung der Information ab.692 Zum anderen sieht auch die bereits erwähnte Interpretation des Obersten Volksgericht und von der Obersten Volksstaatsanwaltschaft in Art. 5 der Interpretation vor, dass der „preissensible Zeitraum“ mit Entstehung der Insiderinformation beginnt und endet, wenn diese veröffentlicht wird. Auf eine Verarbeitung der Information durch den Markt wird folglich nicht abgestellt. Bei allem wird jedoch außer Acht gelassen, dass dem Insiderhandel mit viel geringerem Aufwand durch die Einführung des Konzepts der Bereichs­ öffentlichkeit Grenzen gesetzt werden können und auch für potentielle Täter der Zeitraum, in dem sie einen vorwerfbaren Gesetzesverstoß begehen können, verkürzt werden kann. Schließlich würde dadurch auch gewährleistet, dass die Informationen sich schneller im Marktpreis der Wertpapiere niederschlagen. Es lässt sich an dieser Stelle die gleiche Argumentation (83), die alle dafür plädieren, die Information erst dann als öffentlich zu qualifizieren, wenn der Markt eine gewisse Zeit hatte, um diese zu „verdauen“; in diese Richtung gehend wohl auch Zhao, Shuanglin, Marktmodernisierung 2009, 321 (322). 692  Anders entschied die CSRC in der Verwaltungssanktion 2012 Nr. 55 der CSRC v. 26.12.2012 gegen Li Linjie und Tan Binghui (中国证监会行政处罚决定书 (李琳杰,覃炳辉)-(2012)55号). Dort bestimmte die CSRC, dass das Ende des preissensiblen Zeitraums durch den Tag des Vertragsschlusses (dieser Vertragsschluss war in diesem Fall die streitgegenständliche Insiderinformation) sei und nicht der darauffolgende Tag der Veröffentlichung des Vertragsschlusses. Warum die CSRC diesen Fall so beurteilte, geht aus der Entscheidung nicht hervor. Welcher der beiden Tage das Ende des preissensiblen Zeitraums darstellte, war in diesem konkreten Fall jedoch für die Entscheidung ohnehin irrelevant; als Beispiel für eine Entscheidung der CSRC, in der sie – wie im Regelfall – auf die Veröffentlichung der Information abstellt vgl. die einzige in englischer Sprache abrufbare Verwaltungssanktion 2012 Nr. 3 der CSRC v. 26.3.2012 gegen Zhou Hehua, abrufbar unter: http: /  / www.csrc.gov.cn / pub / csrc_en / regulatory / AdministrativeSanction / 201203 /  t20120326_207702.htm (zuletzt besucht am 19.10.2013).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse201

anbringen, die auch auf deutscher Seite dazu geführt hat, dass der Gesetzgeber sich für das Konzept der Bereichsöffentlichkeit entschieden hat. Wenn man darauf vertraut, dass ein Kreis von professionellen Anlegern, der innerhalb der breiten Anlegeröffentlichkeit durchaus Gewicht hat, die Informa­ tionen, die er erhalten hat, als Entscheidungsgrundlage für Handelsaktivitäten gebraucht, so kann man davon ausgehen, dass durch diese Handelsaktivitäten die Information unmittelbar in den Börsenkurs eingepreist wird und Insidern daher die Möglichkeit genommen wird, Gewinne aus Insidergeschäften zu erlangen.693 cc) Inhalt der Information Nach der Erläuterung der Frage, unter welchen Umständen eine nicht öffentlich bekannte Information vorliegt, ist nun zu klären, welche Art von nicht öffentlich bekannten Informationen überhaupt Insiderinformationen sein können. Diesbezüglich unterscheidet der allgemeine Tatbestand des § 75 Abs. 1 WpG zwei Fälle, in denen eine Insiderinformation vorliegen kann: (1) wenn eine nicht öffentlich bekannte Information vorliegt, die den Betrieb oder die Finanzen eines Unternehmens betrifft oder (2) wenn eine nicht öffentlich bekannte Information vorliegt, die erheblichen Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere des entsprechenden Unternehmens hat. Hier stellt sich – wie schon angedeutet – vom Wortlaut her der erste Unterschied zum deutschen Recht dar. Während das deutsche Recht neben dem Emittenten- oder Insiderpapierbezug zusätzlich verlangt, dass die Information sich auf den Marktpreis des Wertpapiers auswirkt, stellt das chinesische Recht den Emittentenbezug und die Kursrelevanz in ein Alternativverhältnis. Ein Insiderpapierbezug ist in § 75 Abs. 1 WpG von vornhe­ rein nicht vorgesehen. (1) Direkter oder indirekter Emittentenbezug der Information Ausgehend vom Gesetzeswortlaut sind emittentenbezogene Informationen solche, die sich auf die Finanzlage oder die Geschäftstätigkeit des Emittenten beziehen. In § 75 Abs. 2 WpG zählt der chinesische Gesetzgeber Informationen auf, die als Insiderinformationen zu qualifizieren sind. Der Umfang dieser als Regelbeispiele zu qualifizierenden Insiderinformationen kann von der CSRC beliebig erweitert werden.694 693  Vgl. im Hinblick auf die Gesetzeslage in Deutschland: Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12 / 6679, S. 46; dies für China befürwortend: Huang, Hui, International Securities Markets, S. 214 f. 694  Siehe dazu Kapitel C., II.1.c)(dd).

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In den Bereich der emittentenbezogenen Informationen fällt eine Großzahl der vom Gesetzgeber in § 75 Abs. 2 WpG sowie in § 67 Abs. 2 WpG aufgezählten Regelbeispiele. So ist der Plan eines Unternehmens, Dividenden auszuschütten oder das Stammkapital zu erhöhen nach § 75 Abs. 2 Nr. 2 WpG und der Plan, ein börsennotiertes Unternehmen zu übernehmen nach § 75 Abs. 2 Nr. 7 WpG, eine emittentenbezogene Insiderinformation.695 Auch eine bedeutende Veränderung in der Kapitalstruktur der Gesellschaft (Nr. 3) oder der Besicherung der Gesellschaftsschulden (Nr. 4) stellt eine solche dar. Durch § 75 Abs. 2 Nr. 5 WpG wird unter den Begriff der Insiderinformation eine Situation gefasst, in der für den Betrieb des Unternehmens wesentliches Vermögen verpfändet, verkauft oder abgeschrieben wird und dies insgesamt 30 % des wesentlichen Vermögens betrifft. § 75 Abs. 2 Nr. 6 WpG fasst ein Verhalten eines Vorstandsmitglieds, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines leitenden Angestellten, für welches eine Haftung auf erheblichen Schadensersatz entsteht, unter den Begriff der Insiderinformation. Weiterhin zu nennen sind die durch die Verweisung in § 75 Abs. 2 WpG auf § 67 Abs. 2 WpG in den Anwendungsbereich einbezogenen Fälle. Auch hier sind mit Ausnahme des § 67 Abs. 2 Nr. 6 WpG die folgenden Umstände zu finden, die eine emittentenbezogene Information darstellen: Nr. 1 eine wesentliche Veränderung der Geschäftspolitik oder des Umfangs der Geschäftstätigkeit des Unternehmens; Nr. 2 eine Entscheidung des Unternehmens zu einer erheblichen Investition oder zum Kauf erheblicher Vermögenswerte; Nr. 3 der Abschluss eines wesentlichen Vertrags durch das Unternehmen, der einen bedeutenden Einfluss auf die Vermögensgegenstände, die Verbindlichkeiten, die Rechte und Interessen oder den Unternehmenserfolg haben kann; Nr. 4 das Auftreten einer wesentlichen Verbindlichkeit oder eines Zahlungsausfalls in Bezug auf eine wesentliche Verbindlichkeit, die fällig ist; Nr. 5 das Auftreten eines wesentlichen Defizits oder Verlustes; Nr. 7 eine Veränderung im Hinblick auf die Vorstandsmitglieder, ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder oder der Geschäftsführer des Unternehmens; Nr. 8 eine wesentliche Veränderung in Bezug auf die Beteiligungsquote der Aktionäre oder derjenigen, die die faktische Kontrolle über das Unternehmen haben, wenn diese nicht weniger als 5 % der Aktien halten oder kontrollieren; Nr. 9 eine Entscheidung des Unternehmens zu einer Kapitalherabsetzung, einer Verschmelzung, einer Abspaltung, einer Auflösung oder einem Insolvenzantrag; Nr. 10 jede erhebliche 695  Anders Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 245, der den Plan des Emittenten, ein börsennotiertes Unternehmen zu akquirieren, als Marktinformation betrachtet, obwohl ein solcher Plan sich unmittelbar auf die Geschäftstätigkeit und die Finanzlage des Emittenten bezieht.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse203

Rechtsstreitigkeit, in die das Unternehmen involviert ist, oder wenn ein Hauptversammlungsbeschluss oder ein Beschluss des Vorstandes in Übereinstimmung mit dem Gesetz aufgehoben oder für ungültig erklärt wurde, und Nr. 11 wenn das Unternehmen in ein Verbrechen involviert ist, das vor Gericht gebracht und von der Justiz verfolgt worden ist oder wenn ein Vorstandsmitglied, ein Aufsichtsratsmitglied oder ein leitender Angestellter des Unternehmens Verdächtiger ist und ihm von der Justiz Maßnahmen auferlegt werden. An dieser Aufzählung ist erkennbar, dass sowohl unternehmensinterne Informationen, wie z. B. die Entscheidung zu einer Kapitalherabsetzung, als auch unternehmensexterne Informationen, die jedoch einen Emittentenbezug aufweisen, wie z. B. die Situation, in der das Unternehmen oder ein Vorstands-, Aufsichtsratsmitglied oder ein leitender Angestellter wegen eines Verbrechens oder eines entsprechenden Verdachts verfolgt werden oder im Fall der Abgabe eines Übernahmeangebots durch ein anderes Unternehmen,696 unter den Begriff der emittentenbezogenen Information fallen. (2) Marktinformationen mit Kursbeeinflussungspotential Die zweite Kategorie von Informationen, die der Gesetzgeber als Insiderinformationen klassifiziert, sind solche, die einen erheblichen Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere des Emittenten haben. Da die soeben beschriebene Kategorie der emittentenbezogenen Informationen bereits alle Informationen umfasst, die irgendeinen Bezug zum Emittenten aufweisen, können in die nun zu erörternde Kategorie der Informationen mit Kursbeeinflussungspotential nur solche Informationen fallen, die außerhalb der direkten Unternehmenssphäre entstehen, d. h. Marktdaten und Marktinformationen, die keinen Bezug zum Emittenten aufweisen. (a) Marktinformationen Vor dem Hintergrund der vom chinesischen Gesetzgeber gewählten gesetzlichen Regelung wird teilweise angenommen, der Gesetzgeber habe Marktinformationen nicht in den Anwendungsbereich des Insiderbegriffs aufnehmen wollen. Dies wird damit begründet, dass er im Rahmen der in § 75 Abs. 2 WpG sowie auch in § 67 Abs. 2 WpG aufgezählten Ereignisse einen deutlichen Schwerpunkt auf emittentenbezogene Informationen 696  Anders Huang, Hui, International Securities Markets, S. 205, der die Abgabe eines Übernahmeangebots durch ein anderes Unternehmen als Marktinformation klassifiziert.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

legt.697 Dem ist jedoch entgegenzusetzen, dass gerade anhand der vom Gesetzgeber gewählten Ereignisse deutlich wird, dass auch unternehmens­ externe Vorgänge ohne Emittentenbezug als potentielle Insiderinformation in Frage kommen.698 So ist der in § 67 Abs. 2 Nr. 6 WpG genannte Fall der erheblichen Veränderung der externen Bedingungen für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens eine nicht emittentenbezogene Information. Als weitere Beispiele werden in der Literatur u. a. eine Anpassung des Zinssatzes oder der Stempelsteuer, eine Änderung der Währungspolitik und der Ausbruch eines Krieges angeführt.699 Wie in Deutschland ist es somit nicht maßgeblich, ob die Marktinformationen sich auf einen Kreis von Emittenten oder den gesamten Markt bezieht, so dass z. B. politische Ereignisse sowie gesamtwirtschaftliche Informationen eine Insiderinformation darstellen können.700 (b) Kursbeeinflussungspotential Damit die hier diskutierten Informationen als Insiderinformationen gelten können, müssen sie in der Lage sein, einen erheblichen Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere des Emittenten auszuüben. Im Gegensatz zu den Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud aus dem Jahr 1993, in denen in Art. 5 noch die Rede von einer möglichen Kursbeeinflussung war, ist dieser Möglichkeitsaspekt im WpG weggefallen.701 Der Gesetzeswortlaut des § 75 Abs. 1 S. 1 WpG spricht von Informationen, die einen erheblichen Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere haben. Er geht daher von einer Ex-Post-Betrachtung aus. In der chinesischen Literatur wird dieses Kriterium der Kursbeeinflussung oft unter den Stich697  Ye, Lin / Wang, Shihua / Wang, Huajie / Liu, Fuhua, Security Law, S. 322; in diese Richtung gehend auch Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 415; Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 278. 698  So z. B. auch Duan, 12 Duquesne Bus. L. J. 2009, 129 (142). 699  Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188; Zhang, Xiaoning, Journal of Kunming University of Science and Technology 2009 (3), 77 (80); Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (85) nennt auch Fusionsverhandlungen des Emittenten mit einem anderen Unternehmen als rein wertpapierbezogene und damit kursrelevante Information, obwohl Fusionsverhandlungen genau wie der Plan einer Unternehmensakquisition die Geschäftstätigkeit und die Finanzlage des Emittenten direkt betreffen. 700  So auch Huang, Hui, International Securities Markets, S. 205; Jia, Journal of Taiyuan University 2012 (2), 23 (24). 701  Insofern irreführend z. B. die Übersetzungen von Huang, Hui, International Securities Markets, S. 203 sowie Duan, Duquesne Bus. L. J. 2009 (12), 129 (141, Fn. 88), die beide von Information sprechen, die einen erheblichen Einfluss auf den Marktpreis eines Wertpapiers haben können.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse205

wort der „Erheblichkeit“ bzw. „Wichtigkeit“ der Information diskutiert. Es wird vertreten, bei der Beurteilung der Erheblichkeit komme es auf zwei Faktoren an. Es sei darauf abzustellen, wie ein Anleger die Information bewertet und ob er sie als erheblich genug betrachtet, um eine Anlageentscheidung zu treffen. Ferner müsse die Reaktion des Wertpapierkurses nach Veröffentlichung der Information in die Bewertung miteinbezogen werden.702 Dabei wird wie in Deutschland auf den vernünftigen Anleger abgestellt.703 Teilweise wird gefordert, die Information müsse entweder die Anlageentscheidungen der Anleger oder den Marktpreis der Wertpapiere beeinflussen.704 Andere wiederum stellen nur auf den Einfluss der Information auf den Marktpreis der Wertpapiere ab.705 Dem Gesetzeswortlaut folgend erachten es einige Stimmen in der Literatur als notwendig, dass die Information tatsächlich Einfluss auf den Marktpreis hat.706 Diese Ansicht findet auch Bestätigung im CSRC-Leitfaden, der in Art. 7 sowie in Art 8 Abs. 5 vorschreibt, die Information müsse den Wertpapierkurs erheblich beeinflussen. Andererseits ist in Art. 85 der vom Staatsrat erlassenen und später genauer erörterten Regulation on the Administration of Futures Trading nur von einem Kursbeeinflussungspotential die Rede. Es scheint so, als hätten sich die für den Erlass der jeweiligen Vorschrift verantwortlichen Organe nicht genügend Gedanken über die Wortwahl und die Gewährleistung der Einheitlichkeit der Insiderhandelsregelungen gemacht, insbesondere weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass Futures anders behandelt werden sollen als die Wertpapiere im Sinne des Wertpapiergesetzes. Ginge man allein vom Wortlaut des Wertpapiergesetzes und des CSRC-Leitfadens aus, so wäre der Anwendungsbereich der Insiderinformation theoretisch wegen der Ex-Post-Per­ spektive erheblich eingeschränkt. Die vorherrschende Meinung in der Literatur plädiert deshalb dafür, ein Kursbeeinflussungspotential genügen zu lassen und nicht auf die tatsächliche Lage nach Veröffentlichung der Infor702  Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (189); Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (85); Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 277; Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 207; Wang, Jingling, Fachbuch zum Gesetzesentwurf zum WpG, S. 210. 703  Lei, Jinan Finance 2011 (1), 81 (84); Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (85); Huang, Hui, International Securities Markets, S. 205. 704  Zhao, Shuanglin, Market Modernization 2009 (3), 321 (322). 705  So Huang, Hui, International Securities Markets, S. 206 ff., der sich explizit gegen die Einbeziehung der Sicht der Anleger ausspricht, da diese subjektiv geprägt sei und zu Rechtsunsicherheit führe; Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 415; Wu, Qidong, Legal System and Society 2008 (6), 281. 706  So z. B. Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 207; Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (85); Wang, Jingling, Fachbuch zum Gesetzesentwurf zum WpG, S. 210.

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mation abzustellen.707 Dieser Ansicht zufolge würde sich die Situation daher wie in Deutschland darstellen: Es würde allein auf eine Ex-ante-Beurteilung in Bezug auf die Erheblichkeit der Information ankommen, und eben nicht darauf, ob die Information später wirklich Auswirkungen auf den Marktpreis der Wertpapiere hat. Welchen der beiden Ansätze die CSRC in der Praxis verfolgt, ist schwer zu beurteilen. Zum einen unterlag in den den Entscheidungen der CSRC zugrunde liegenden Fällen der Wertpapierkurs stets Schwankungen, zum anderen ist der Wortlaut der Entscheidungen grundsätzlich sehr allgemein gefasst. Oft wird keine Differenzierung zwischen emittentenbezogenen Informationen und Marktinformationen vorgenommen. Aus diesem Grunde kann man aus den Entscheidungen auch nicht schlussfolgern, ob und inwieweit die CSRC, ähnlich den deutschen Gerichten, eine tatsächlich eingetretene Kursbeeinflussung in ihre Entscheidungen mit einbezieht und diese als Indiz für das Vorliegen eines Kursbeeinflussungspotentials heranzieht. (3) A  lternativverhältnis zwischen Emittentenbezug und Kursbeeinflussungspotential Im Gegensatz zum deutschen Recht stehen die beiden soeben erörterten Merkmale einer Insiderinformation, der Emittentenbezug und das Kursbeeinflussungspotential, in einem Alternativverhältnis. Das Gesetz sieht vor, dass eine nicht öffentlich bekannte Information entweder einen Bezug zum Emittenten aufweisen oder in der Lage sein muss, den Kurs der Wertpapiere des Emittenten zu beeinflussen. Hält man sich streng an das gesetzlich vorgesehene Alternativverhältnis von Emittentenbezug und Kursbeeinflussungspotential, müsste man jede ein Unternehmen betreffende, nicht öffentlich bekannte Information als Insiderinformation definieren, unabhängig davon, ob sie einen erheblichen Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere des Emittenten hat. Dies kann zu zweifelhaften Ergebnissen führen, wie ein in der Literatur besprochenes Beispiel zeigt: Der Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens ist erkältungsbedingt krankgeschrieben und erscheint nicht zur Arbeit. Wenn nun die Sekretärin dies weiß und der Ansicht ist, die Abwesenheit des Vorstandsvorsitzenden wirke sich negativ auf die Geschäfte des Unternehmens aus, und aus diesem Grunde ihre Aktien verkauft, 707  Guo, Jinxiu / Jiang, Jin, Wertpapiergesetz, S. 173; Huang, Hui, International Securities Markets, S. 210 f.; Wu, Qidong, Legal System and Society 2008 (6), 281; in diese Richtung gehend Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (189), der nur davon spricht, dass es sich bei erkennbarem Einfluss auf den Marktpreis offensichtlich um eine Insiderinformation handelt, aber nicht ausschließt, dass die bloße Möglichkeit des Einflusses genügt; ebenso wohl auch Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 416.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse207

würde dies nach chinesischem Recht Insiderhandel darstellen, weil es sich um eine emittentenbezogene nicht öffentlich bekannte Information handelt, obwohl die Information über die Erkältung des Vorstandsvorsitzenden keinen erheblichen Einfluss auf die Aktien hat.708 Nach der hier vertretenen Auffassung kann ein solches Ergebnis nicht gewollt sein, wenn man sich den Sinn und Zweck des Insiderhandelsverbots vor Augen führt. Das Insiderhandelsverbot bezweckt den Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Die Funktionsfähigkeit ist gefährdet, wenn Anleger das Vertrauen in diese verlieren. Das geschieht jedoch nur dann, wenn ein begrenzter Kreis von Insidern aufgrund eines Wissensvorsprungs Bewegungen am Kapitalmarkt antizipieren und diese durch Handelsaktivitäten, die der Veröffentlichung der entsprechenden Information vorangehen, ausnutzen und dadurch Gewinne erzielen bzw. Verluste vermeiden kann. Zu erheblichen Gewinnen oder der Vermeidung erheblicher Verluste kann es aber nur dann kommen, wenn die Information dergestalt ist, dass sie zu einer nennenswerten Schwankung des Marktpreises der betroffenen Wertpapiere führt. Nur solche Fälle der erheblichen Auswirkung auf den Marktpreis will das Insiderhandelsverbot abdecken. Im oben geschilderten Fall der Vorstandssekretärin ist mangels Kursschwankungen die Erzielung eines illegalen Gewinns undenkbar, so dass keine Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts besteht und ein Verbot daher jeglicher Rechtfertigung entbehrt. Diese gesetzgeberische Fehlleistung, die bereits in der ersten Fassung des Wertpapiergesetzes enthalten war, und die der Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzesänderung nicht behoben hat, hat schon damals Widerspruch in der Literatur hervorgerufen. Es wurde an den Gesetzgeber appelliert, den Gesetzeswortlaut zu ändern und klarzustellen, dass eine Insiderinformation nur vorliegen kann, wenn diese ein bedeutendes Kursbeeinflussungspotential besitzt.709 Auch wenn der Gesetzgeber diesem Appell nicht Folge geleistet hat, findet sich zumindest soweit ersichtlich in der Praxis kein Fall, in dem ein reiner Emittentenbezug für die Bejahung einer Insiderinformation genügt hat. Aus den von der CSRC entschiedenen Fällen geht stets hervor, dass Insiderhandel immer dann angenommen wurde, wenn es zu Kursschwan708  Beispiel nach Wang, Jingling, Fachbuch zum Gesetzesentwurf zum WpG, S. 210. 709  So auch Zhang, Yurun, Chinesisches Wertpapiergesetz, S. 244, der folgenden Wortlaut vorschlägt: „Die Geschäftstätigkeit oder die Finanzlage eines Unternehmens betreffende oder andere Informationen, die einen erheblichen Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere dieses Unternehmens haben und die noch nicht offengelegt sind, sind Insiderinformationen.“.

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kungen kam, so dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzeswortlaut so auszulegen ist, dass eine Insiderinformation entweder eine Information ist, die den Betrieb oder die Finanzen eines Unternehmens betrifft und den Kurs der entsprechenden Wertpapiere erheblich beeinflussen kann oder eine Information ist, die den Emittenten zwar nicht betrifft, aber einen erheblichen Einfluss auf den Kurs der Wertpapiere des Emittenten haben kann. (4) Auslegung der gesetzlichen Regelbeispiele Vor dem Hintergrund der bisherigen Darstellung stellt sich nun die Frage, wie die gesetzlichen Regelbeispiele auszulegen sind, d. h. ob das bloße Vorliegen eines solchen Ereignisses dazu führt, dass von einer Insiderinformation gesprochen werden kann. Unbestritten dürfte sein, dass es sich bei den im Gesetz aufgelisteten Ereignissen stets um Informationen handeln muss, die noch nicht öffentlich bekannt sind, da ihnen ansonsten von vornherein der Charakter einer Insiderinformation fehlt.710 Eine Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass alle in § 67 Abs. 2 und § 75 Abs. 2 WpG aufgezählten Fälle per se eine Kursbeeinflussung verursachen und deshalb ohne weitere Prüfung als Insiderinformation anzusehen sind.711 Eine andere Ansicht fordert im Gegensatz dazu stets eine selbständige Prüfung, ob das Ereignis sich wirklich auf den Kurs ausgewirkt hat.712 Der letzteren Ansicht ist der Vorzug zu geben. Nur bei einer gesonderten Prüfung im Einzelfall wird dem Schutzzweck des Insiderhandelsverbots Rechnung getragen. Ist eine Information nicht in der Lage, den Kurs eines Wertpapieres zu beeinflussen, so besteht wie bereits an anderer Stelle erörtert keine Möglichkeit für einen Insider, aus einem Informationsvorsprung einen Vorteil zu erlangen, so dass die Funktionsfähigkeit und die Integrität des Kapitalmarkts nicht gefährdet sind und es in solchen Situationen keines Schutzes durch ein Verbot von Insidergeschäften bedarf. dd) Ermächtigung der CSRC, weitere Ereignisse und Informationen „vorzuschreiben“ bzw. „anzuerkennen“ Neben der strengen Kategorisierung durch gesetzliche Beispiele hat der Gesetzgeber der CSRC einen Freiraum gelassen, weitere Ereignisse unter den Begriff der Insiderinformation zu fassen, um der gesetzlichen Regelung Flexibilität zu geben. So kann die CSRC nach § 67 Abs. 2 Nr. 12 WpG auch Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 244. Yurun, Chinesisches Wertpapiergesetz, S. 244; Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 277. 712  Bian, Kommentar zum WpG, S. 125. 710  So

711  Zhang,



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse209

weitere Fälle vorschreiben, in denen ein bedeutendes Ereignis vorliegt. Zudem kann sie nach § 75 Abs. 2 Nr. 8 WpG weitere Informationen, die einen erheblichen Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere haben, als Insider­ informationen anerkennen. Hier ist ein Unterschied festzustellen zwischen dem Wortlaut der beiden Vorschriften. Während § 67 Abs. 2 Nr. 12 WpG die CSRC ermächtigt, weitere bedeutende Ereignisse vorzuschreiben713, d. h. in einer Vorschrift niederzulegen, wird die CSRC durch § 75 Abs. 2 Nr. 8 WpG ermächtigt, weitere erhebliche Informationen als Insiderinformationen anzuerkennen714, wobei diese Wortwahl zu erkennen gibt, dass die Anerkennung nicht unbedingt der formalen Niederlegung in einer Vorschrift bedarf.715 Von der Ermächtigung des § 67 Abs. 2 Nr. 12 WpG hat die CSRC im Jahre 2007 in den von ihr erlassenen „Administrative Measures for the Disclosure of Information of Listed Companies“716 Gebrauch gemacht, auf die im Rahmen der Erörterung der Ad-hoc-Publizitätspflicht in Kapitel C., II.4.a) noch näher eingegangen werden wird. Dort werden in Art. 30 Abs. 2 weitere erhebliche Ereignisse genannt, die über die Verweisung in § 75 Abs. 2 Nr. 1 WpG zur Insiderinformation werden. Auch für den Gebrauch der Ermächtigung des § 75 Abs. 2 Nr. 8 WpG lässt sich in der Entscheidungspraxis der CSRC ein Bespiel finden, und zwar in der bereits dargestellten Verwaltungssanktion717, die im Jahre 2010 gegen J­iang Yonggui erlassen wurde. Die in diesem Fall vorliegende ­Prognose in Bezug auf die Steigerung des Reingewinns der Tiandian AG, auf Basis derer Jiang Yonggui Aktien, die er an der Tiandian AG hielt verkaufte, um einen Verlust zu vermeiden, wurde von der CSRC als In­ siderinformation klassifiziert. In der Entscheidung fehlt jedoch zum einen die Angabe des § 75 WpG und zum anderen auch eine Aussage dazu, unter welches der gesetzlichen Regelbeispiele die CSRC eine solche Gewinnsteigerungsprognose subsumieren will. Ein Blick in den Kanon der gesetzlichen Regelbeispiele führt zu dem Schluss, dass weder die in § 67 Abs. 2 WpG noch die in § 75 Abs. 2 WpG ausdrücklich aufgeführten Beispiele einschlägig sind. Daher ist hier ein Fall von § 75 Abs. 2 Nr. 8 WpG anzunehmen, auch wenn die CSRC dazu in ihrer Entscheidung nicht ausdrücklich Stellung bezogen hat. Diese Vorgehensweise der CSRC lässt sich 713  Chinesisch:

规定. 认定. 715  So auch Howson, 60 Am. J. Comp. L. 2012, 955 (974). 716  Chinesisch: 上市公司信息披露管理办法, erlassen von der CSRC am 30. Januar 2007 und am selben Tag in Kraft getreten. 717  Verwaltungssanktion 2010 Nr. 23 der CSRC v. 30.6.2010 gegen Jiang Yonggui (中国证监会行政处罚决定书(姜永贵)– (2010) 23号). 714  Chinesisch:

210

C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

in vielen ihrer Entscheidungen finden. Im Normalfall ist in den Entscheidungen angegeben, welche Art von Insiderinformation vorliegt, und es wird die genaue Nummer innerhalb des § 67 Abs. 2 bzw. § 75 Abs. 2 WpG zitiert. Es finden sich aber viele Entscheidungen, in denen die gesetzlichen Regelbeispiele nicht einschlägig sind. In diesen Fällen zieht die CSRC es vor, die jeweilige Information unter Verweis auf § 75 Abs. 2 WpG als Insiderinformation einzustufen. Dabei erwähnt sie § 75 Abs. 2 Nr. 8 WpG nicht, beruft sich nicht auf die darin enthaltene Ermächtigung, und erklärt nicht, dass sie die vorliegende Information, die keinem der gesetzlichen Beispiele zuzuordnen ist, als Insiderinformation anerkennt. ee) Ausnahmetatbestand Aufgrund des relativ weit gefassten Begriffs der Insiderinformation wird von vielen Stimmen in der chinesischen Literatur eine Ausnahme für solche Informationen gemacht, die Analysen und Prognosen darstellen, die aufgrund öffentlich bekannter Umstände erstellt werden. Diese sollen keine Insiderinformationen sein, selbst wenn sie den Kurs von Wertpapieren erheblich beeinflussen könnten.718 Allerdings stützen sich die hier zitierten Stimmen nicht auf das Wertpapiergesetz. In diesem ist kein solcher Ausnahmetatbestand vorgesehen. Vielmehr rekurrieren sie auf § 5 Abs. 2 der Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud aus dem Jahre 1993, die jedoch mittlerweile nicht mehr in Kraft sind und auf deren Basis somit auch kein Ausnahmetatbestand mehr angenommen werden kann. Unter Heranziehung des Art. 4 Nr. 4 Alt. 2 der Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft könnte man jedoch folgern, dass im Fall von Analysen und Prognosen, die aufgrund öffentlich bekannter Informationen erstellt werden, eine Ausnahme gemacht wird. Dieser sieht vor, dass Insiderhandel nicht vorliegt, wenn die Wertpapiergeschäfte auf der Basis rechtmäßiger Informationsquellen getätigt werden. Insofern liegt die Vermutung nahe, insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser Ausnahmetatbestand in früheren Jahren bereits gesetzlich niedergelegt war, dass sowohl die CSRC als auch die Gerichte im Fall von Prognosen und Analysen, die auf öffentlich bekannten Informationen basieren, das Vorliegen einer Insiderinformation verneinen. Somit wäre dies wiederum mit der Rechtslage in Deutschland vergleichbar, wo in § 13 Abs. 2 WpHG ein derartiger Ausnahmetatbestand geregelt ist. 718  Guo, Jinxiu / Jiang, Jin, Wertpapiergesetz, S. 173; siehe auch Huang, Hui, 17 Australian J. Corp. L. 2005, 281 (290); Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S.  276 f.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse211

ff) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme Zieht man über die bereits punktuell vorgenommene Analyse der Vorschriften hinaus einen Vergleich zum deutschen Wertpapierhandelsgesetz, so stellen sich auf den ersten Blick aufgrund des unglücklich gefassten Wortlautes des chinesischen Wertpapiergesetzes eklatante Unterschiede heraus, die sich jedoch bei eingehender Betrachtung relativieren lassen. Das chinesische Wertpapiergesetz spricht im Gegensatz zum deutschen Wertpapierhandelsgesetz nicht von einer „Information über Umstände“, sondern nur von einer „Information“, wie es z. B. auch die europäische Marktmissbrauchsrichtlinie getan hat. Dem Begriff der Information ist immanent, dass eine Information bestimmte Umstände zum Inhalt haben muss, auf die sie sich bezieht. Insofern ergibt sich aus der unterschiedlichen Wortwahl kein konzeptioneller Unterschied. Wie schon im Rahmen des Insiderbegriffs arbeitet der chinesische Gesetzgeber zunächst mit einer generellen Definition, die der deutschen Definition sehr ähnlich ist. Dies zumindest dann, wenn man mit der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass der in § 75 Abs. 1 WpG vom Wortlaut her als ausreichend erachtete Emittentenbezug einer Information für deren Qualifikation als Insiderinformation eine gesetzgeberische Fehlleistung ist und in der Durchsetzungspraxis keine Relevanz beanspruchen kann.719 Obwohl eine solche abstrakte und damit sehr flexible Definition der Insiderinformation genügt hätte und – wie sich vor dem Hintergrund des deutschen Rechts erkennen lässt – durchaus praktikabel ist, hat der chinesische Gesetzgeber sich jedoch zusätzlich für die Aufzählung verschiedener Beispiele entschieden, deren Charakter für den Rechtsanwender nicht deutlich zum Ausdruck kommt. Diese von vielen als abschließende und damit einschränkende Aufzählung von Beispielen kritisierte Liste, die in § 75 Abs. 2 WpG abgebildet ist, ist jedoch nichts anderes als eine Aufzählung von Regelbeispielen. Durch diese soll dem Rechtsanwender vor Augen geführt werden, welche möglichen Szenarien als Insiderinformation in Betracht kommen. Dadurch, dass die CSRC ermächtigt wird, formlos weitere Informationen als Insiderinformationen anzuerkennen, erfährt der Begriff der Insiderinformation keinerlei Einschränkung.720 Vielmehr ist es der CSRC im Rahmen ihrer Ermittlungen möglich, eine Information dahingehend 719  Vgl.

dazu ausführlich Kapitel C., II.1.c)cc)(3). z. B. Qu, 10 Pac. Rim L. & Pol’y J. 2001, 327 (340 f.), der, ohne auf die Möglichkeit der Anerkennung weiterer Insiderinformationen durch die CSRC einzugehen, wie viele andere moniert, dass der Begriff der Insiderinformation durch die Aufzählung eine Einschränkung erfahre und dadurch das Insiderrecht ineffektiv mache, weil er die wichtigsten und typischsten Arten von Insiderinformationen nicht enthalte. 720  A. A.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

zu prüfen, ob sie die Voraussetzungen der Legaldefinition erfüllt und sie bei Vorliegen dieser Voraussetzungen als Insiderinformation anzuerkennen. Im Ergebnis ist diese Vorgehensweise daher mit derjenigen der BaFin vergleichbar, die auch in jedem Einzelfall prüft, ob eine Insiderinformation vorliegt. Während der CSRC die in § 75 Abs. 2 und § 67 Abs. 2 WpG sowie in Art. 30 der Administrative Measures for the Disclosure of Information of Listed Companies genannten Regelbeispiele, die bestimmte kurserhebliche Informationen aufzählen, als Orientierungshilfe dienen, orientiert sich die BaFin an ihrem im Emittentenleitfaden niedergelegten Katalog von Umständen, in denen in der Regel ein erhebliches Preisbeeinflussungspotential gegeben ist. Beide Behörden haben jedoch selbst in dem Fall, dass eines der Regelbespiele einschlägig ist, gesondert zu prüfen, ob auch die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, die von der Legaldefinition des Begriffs der Insiderinformation gefordert werden. Im Folgenden sollen einige zentrale Fragen, die sich im Zuge der Analyse des Begriffs der Insiderinformation gestellt haben, nochmals aufgeworfen und es soll erläutert werden, welche der beiden Rechtsordnungen mit den besseren Lösungsansätzen aufwarten und inwieweit der eine Gesetzgeber eventuell von den Erfahrungen des anderen profitieren kann. (1) Information über Umstände Wie die vorangegangene Analyse gezeigt hat, lassen sich viele in der deutschen Rechtswissenschaft diskutierte Bezugspunkte einer Insiderinformation, wie z. B. zukünftige Umstände oder Prognosen auch im chinesischen Begriff der Insiderinformation wiederfinden, auch wenn die chinesische Rechtswissenschaft ihre Aufmerksamkeit bisher nicht auf die extensive Analyse dieser Teilaspekte gerichtet hat. (a) Funktion des Merkmals der Konkretheit der Information Vergleicht man die chinesische mit der deutschen Legaldefinition der Insiderinformation, fällt auf, dass die chinesische Definition nicht fordert, dass die Information konkret sein muss, um als Insiderinformation klassifiziert werden zu können. Einige Stimmen in der chinesischen Literatur sind jedoch der Ansicht, die Information müsse einen gewissen Grad an Konkretheit aufweisen, um als Insiderinformation bewertet werden zu können.721 721  Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 207; Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (85 f.); Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 278; Zhang, Xiaoning, Journal of Kunming University of ­Science and Technology 2009 (3), 77 (80).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse213

Es stellt sich daher die Frage, ob es sinnvoll ist, die Konkretheit der Information als Voraussetzung für das Vorliegen einer Insiderinformation zu fordern. Dies ist dann der Fall, wenn ihr eine bestimmte Funktion zukommt. Der europäische Gesetzgeber hatte sich bereits beim Erlass der Insiderrichtlinie dazu entschieden, das Merkmal der „präzisen Information“ in die Definition der Insiderinformation aufzunehmen, um Börsengerüchte von vornherein aus diesem Begriff auszuscheiden. Zu erörtern ist daher, ob es sinnvoll ist, Gerüchte nicht als Insiderinformation zu klassifizieren und ob dies allein durch den Gebrauch des Merkmals der Konkretheit erreicht werden kann. Es kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass auf einem Kapitalmarkt viele Gerüchte umgehen und diese für den Kapitalmarkt sicherlich allein schon deshalb relevant sind, weil es Marktteilnehmer gibt, die durchaus spekulationsfreudig agieren und es auch aufgrund solcher Spekulationsgeschäfte zu Kursbewegungen kommt. Jedoch darf man hier den eigentlichen Schutzzweck des Insiderhandelsverbots nicht außer Acht lassen. Dieses Verbot soll verhindern, dass einzelne Anleger Informations­ asymmetrien, die z. B. durch ihre Position in einem Unternehmen oder am Markt entstehen, zu ihrem Vorteil ausnutzen und dadurch das Vertrauen in die Marktintegrität und die damit verbundene Chancengleichheit erschüttern. Ein solches Vertrauen ist aber dann nicht beeinträchtigt, wenn Anleger irrational und spekulationsfreudig handeln, da stets auf den verständigen Anleger abzustellen ist und dieser sich zu einem solchen Verhalten nicht hinreißen ließe, sondern nur auf der Basis zumindest teilweise verifizierbarer Informationen handeln würde. Eine Kriminalisierung jeglicher auf bloßen Gerüchten basierender Transaktionen wäre daher zu ausufernd und würde dem Sinn und Zweck des Insiderhandelsverbots zuwider laufen. Diese Eingrenzung des Begriffs der Insiderinformation lässt sich auch nicht auf andere Weise gewährleisten. Eine Stimme in der chinesischen Literatur will dem Merkmal der Konkretheit deshalb seinen Sinn absprechen, weil das Kriterium der Erheblichkeit, welches die mögliche Auswirkung der Information auf den Kurs der Wertpapiere beschreibt, ausreichend sei, um das Maß an Informationsasymmetrie zu bestimmen.722 Eine vergleichbare Diskussion gab es auch in der deutschen Literatur und zwar vor folgendem Hintergrund: Die Marktmissbrauchsrichtlinie sieht vor, dass eine Information konkret ist, wenn sie spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf mögliche Auswirkungen einer Reihe von Umständen oder eines Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundene derivative Finanzinstrumente zulässt. Aufgrund dieser Definition wurde in der deutschen Rechtswissenschaft teilweise die Frage aufgeworfen, ob dadurch der Begriff der konkreten Information nicht mit dem Merkmal der Eignung 722  Huang,

Hui, International Securities Markets, S. 211.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

zur erheblichen Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises verschränkt wird.723 Dies würde dazu führen, dass das Merkmal der Kurserheblichkeit eine Doppelfunktion hätte und man sich fragen könnte, ob dem Merkmal der Konkretheit der Information überhaupt noch eine zusätzliche Abgrenzungsfunktion zukommt. Richtigerweise geht es im Rahmen der Überprüfung der Konkretheit der Information aber nicht darum, wie sie sich potentiell auf den Kurs bestimmter Finanzinstrumente auswirken würde. Vielmehr setzt die Beurteilung der Konkretheit der Information einen Schritt früher an und überprüft nur, ob die Information spezifisch genug ist, um überhaupt eine Einschätzung ihrer Kurserheblichkeit in Bezug auf ein bestimmtes Finanzinstrument zu ermöglichen.724 Es zeigt sich also, dass das Merkmal der Konkretheit durchaus seine Berechtigung hat und gerade zur Abgrenzung von Gerüchten unverzichtbar ist. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse stellt sich nun die Frage, ob dem chinesischen Gesetzgeber ans Herz gelegt werden sollte, den Begriff der Konkretheit der Information in die Definition der Insiderinformation aufzunehmen. Die einzig mögliche Entgegnung auf diese Frage ist eine positive. Im Gegensatz zur Situation auf dem deutschen Kapitalmarkt, wo – selbst wenn man die Ansicht vertreten würde, Gerüchte könnten Insiderinforma­ tionen sein – die meisten Gerüchte schon rein praktisch keine Relevanz erlangen würden, weil sie im Verkehr nicht als konkrete Information akzeptiert würden, stellt sich die Situation auf dem chinesischen Kapitalmarkt anders dar. Dieser ist wie bereits gesagt hoch spekulativ und aus diesem Grunde kommt einem Gerücht wesentlich mehr Gewicht zu und Entscheidungen werden schneller allein auf der Basis von Gerüchten getroffen als dies in Deutschland der Fall ist. Möchte der chinesische Gesetzgeber dem Zweck des Insiderhandelsverbots folgend solche Spekulationsgeschäfte nicht unter den Schutz dieses Verbots stellen, so ist es vor dem Hintergrund der Marktsituation in China noch viel wichtiger als es dies für den deutschen Gesetzgeber jemals war, das Insiderhandelsverbot auf den Handel mit solchen Informationen zu beschränken, die keine Gerüchte darstellen.

723  Vgl. Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn. 12; Merkner / Sustmann, NZG 2005, 729 (731). 724  So auch CESR, CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR / 02-089d, S. 7 f.; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, III.2.1.1., S. 19; Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 13 Rn. 8; Schwark / Kruse, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 13 WpHG Rn. 14.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse215

(b) Zukünftige Umstände Die Bewertung zukünftiger Umstände als Insiderinformation ergibt sich im deutschen Recht direkt aus dem Wortlaut des Wertpapierhandelsgesetzes. Das chinesische Wertpapiergesetz hingegen äußert sich zu der Frage, ob auch zukünftige Umstände eine Insiderinformation darstellen können nicht. Einzig aus den aufgeführten Regelbeispielen lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber auch in der Zukunft eintretende Umstände als potentielle Insiderinformationen betrachtet. Welche Kriterien er dabei jedoch angewendet wissen will, um zu bestimmen, ob das zukünftige Ereignis eine Insiderinformation darstellt, bleibt unklar. Vor dem Hintergrund des vom chinesischen Gesetzgeber verfolgten Schutzes der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts kann jedoch nicht jedes zukünftige Ereignis eine Insiderinformation darstellen. Es muss sich zumindest soweit konkretisiert haben, dass es nicht mehr nur den Charakter eines Gerüchts oder einer vagen Idee hat, sondern bereits als konkreter Plan bewertet werden kann, dessen Umsetzung zu einem bestimmten Grad wahrscheinlich ist. Es sollte insofern deutlich gemacht werden, ab wann z. B. das Vorliegen eines Plans für gegeben angesehen wird. Ob die in der deutschen rechtswissenschaftlichen Diskussion und Rechtsprechung herangezogenen Grenzwerte dabei hilfreich sind, ist fraglich. Während das Erfordernis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des zukünftigen Ereignisses im deutschen Recht eine hinreichende Abgrenzung bloßer Spekulationen von einem bereits eingetretenen Ereignis vergleichbaren zukünftigen Ereignis vorzunehmen vermag, stellt sich die Situation in China aufgrund der dort vorliegenden Bedingungen am Kapitalmarkt anders dar. Der chinesische Kapitalmarkt ist wie schon soeben dargestellt hoch spekulativ und volatil, Gerüchte und Spekulationsgeschäfte spielen somit eine viel größere Rolle als dies auf dem deutschen Kapitalmarkt der Fall ist. Insofern fällt die Abgrenzung zwischen bloßen Gerüchten bzw. Spekulationen und einem zukünftigen Ereignis deutlich schwerer. Daher erreichen zukünftige, noch nicht verwirklichte Ereignisse eine Vergleichbarkeit mit einem bereits existierenden Umstand in der Wahrnehmung der Anleger bereits ab einer geringeren Eintrittswahrscheinlichkeit, als dies in Deutschland der Fall ist. Für den chinesischen Kapitalmarkt wäre daher im Hinblick auf den Regelungszweck des Insiderhandelsverbots, Anlegern einen chancengleichen Zugang zu preiserheblichen Informationen zu gewähren, eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit in Bezug auf das künftige Ereignis, und zwar im Sinne einer Wahrscheinlichkeit von 50 %, bereits ausreichend. Dem chinesischen Gesetzgeber ist folglich zu raten, eine Regelung in das Wertpapiergesetz aufzunehmen, die den Eintritt eines zukünftigen Ereignisses an eine bestimmte Wahrscheinlichkeit knüpft. Dabei könnte die gesetzliche Regelung durchaus abstrakt formuliert werden, wobei klar werden sollte, dass nicht die im deutschen Recht geforderte Schwelle von mehr als 50 %

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

erreicht werden muss. Dies könnte z. B. durch Einfügung eines Satzes in § 75 Abs. 1 WpG erfolgen, der explizit auch zukünftige Ereignisse als Insiderinformationen klassifiziert, wenn ihr Eintritt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Wie der Begriff der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auszulegen ist, wäre dann z. B. dem Obersten Volksgerichtshof zu überlassen. Dieser könnte, in Anlehnung an die momentane Situation auf dem chinesischen Kapitalmarkt, in Form einer richterlichen Interpretation den Begriff der überwiegenden Wahrscheinlichkeit so auslegen, dass der Einritt des zukünftigen Ereignisses eine Wahrscheinlichkeit von 50 % aufweisen muss. Entwickelt sich der chinesische Kapitalmarkt in den kommenden Jahren zu einem etwas reiferen, weniger spekulativen Markt, und wären aufgrund dessen Gerüchte und Spekulationen besser von sich möglicherweise verwirklichenden Ereignissen zu unterscheiden, könnte diese Schwelle entsprechend angepasst werden. (c) Information über innere Umstände Inwieweit eine Information über innere Umstände eine Insiderinformation darstellt, wird in Deutschland und China unterschiedlich bewertet. Unbestritten ist, dass die Absicht einer Person, die einen kurserheblichen Inhalt hat, für einen Dritten eine Insiderinformation darstellt. Nicht so einfach zu beantworten ist jedoch die Frage, ob eine eigene Absicht als Insiderinformation für die Person selbst bewertet werden kann. Der BGH hat der Frage, ob man sein eigener Insider sein kann, im Rahmen seines Urteils zur der Einordnung des Scalping eine klare Absage erteilt. Dem Urteil des BGH ist grundsätzlich darin zuzustimmen, dass Scalping als eine Form des Marktmissbrauchs einzuordnen ist, weil der europäi­ sche Gesetzgeber Scalping im Anhang zur Marktmissbrauchsrichtlinie eindeutig als eine solche eingeordnet hat. Die für den BGH im Vordergrund stehende Begründung anhand des Gesetzeswortlauts hingegen ist nicht zwingend und wirft große Probleme auf. Der BGH lehnt die Einordnung von Scalping als eine Form des Insiderhandels auch deshalb ab, weil die diesem Verhalten zugrunde liegende innere Absicht keine „Information“ sei. Eine Information müsse um als solche gewertet werden zu können stets einen Drittbezug aufweisen, da es dem Sprachgebrauch fremd sei, dass man sich selbst über eigene Gedanken informiere. Ein solcher Schluss ist nicht zwingend nötig, auch wenn der BGH den Wortsinn des Begriffs „Information“ auf seiner Seite hat. Die Marktmissbrauchsrichtlinie erkennt nämlich an, dass z. B. die Absicht, bestimmte Finanzinstrumente zu erwerben, für den Erwerber eine Insiderinformation darstellen kann. Zur Bejahung des Insiderhandelstatbestands kommt man in



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diesem Falle deshalb nicht, weil bei der Verwirklichung der Absicht die Insiderinformation nicht verwendet wird. Der BGH scheint bei seiner Urteilsfindung nicht bedacht zu haben, dass die generelle Forderung, eine Information müsse einen Drittbezug aufweisen, zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Beurteilung aller anderen inneren Absichten führt. Als Beispiel soll der hier bereits genannte Fall dienen, dass ein Fondsmanager in der Absicht, für den Fonds bestimmte Wertpapiere zu erwerben, sich vorher selbst mit denselben Wertpapieren eindeckt, um diese nach Durchführung der Order für den Fonds, die aufgrund des Ordervolumens zu einem Kursanstieg führt, wieder zu verkaufen. Der Fondsmanager macht sich nach chinesischem Recht gem. § 180 Abs. 4  StG strafbar, der Rechtsprechung des BGH zufolge wäre der Fondsmanager jedoch nicht zu bestrafen, da es sich bei der Absicht, nach dem Eigengeschäft auch für den Fonds zu kaufen, um einen inneren Umstand handelt, der keinerlei Drittbezug aufweist. Im Vergleich zum chinesischen Recht besteht hier somit eine sichtbare Lücke im vom deutschen Gesetzgeber bezweckten umfassenden Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Gleiches gilt für alle sonstigen Fälle, in denen Wertpapiertransaktionen vor dem Hintergrund bestimmter innerer Absichten und Pläne getätigt werden, wie z. B. in der Situation, dass ein Vorstandsvorsitzender sein Amt niederzulegen plant und vor Bekanntgabe dieser Pläne seine Wertpapiere, die er an dem von ihm geführten Unternehmen hält, zur Vermeidung eines Verlusts verkauft, weil er mit einem Kursverfall rechnet. Solche Verhaltensweisen sind durchaus als strafwürdig zu betrachten, weil sie Personen zuzurechnen sind, die im Markt eine Stellung bekleiden, aufgrund derer sie in der Lage sind, Einfluss auf den Kurs von Wertpapieren zu nehmen. Sie sind zudem auch nicht vergleichbar mit den bereits erläuterten unternehmerischen Plänen und Entscheidungen, die allgemein nicht als strafwürdig gelten, weil sie der Durchführung eines zuvor gefassten Plans dienen. In diesen Fällen ist der Plan jedoch stets allein auf den Erwerb von Wertpapieren bezogen, und es kommt kein weiterer Faktor hinzu, der den Erwerb auslöst. Dies ist in den zuvor beschriebenen Situationen anders. Dort fasst eine Person einen Plan, dessen Verwirklichung Einfluss auf den Marktpreis bestimmter Finanzinstrumente haben wird. Unabhängig von diesem Plan, den der Handelnde ohne jegliche Transaktion durchführen könnte, beschließt er dennoch, vor Durchführung seines Plans bestimmte Wertpapiere zu kaufen oder verkaufen. Dies geschieht eindeutig nicht in Umsetzung seines Plans, sondern als völlig eigenständig zu bewertende Handlung. Die Frage, die sich nun stellt, ist die Einordnung eines solchen Verhaltens. Die Vorgaben des BGH machen eine Einordnung als Insiderhandel

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

momentan unmöglich. Unabhängig davon besteht aber ohnehin die Frage, ob sich der Unrechtsgehalt eines solchen Verhaltens nicht besser im Bereich des Marktmissbrauchs verorten ließe. Denn hier geht es nicht vordergründig darum, einen Informationsvorsprung auszunutzen, sondern es geht dem Handelnden darum, seine Stellung im Markt und die daraus resultierende Einflussmöglichkeit auf den Kurs bestimmter Wertpapiere zu seinen Gunsten auszunutzen. Während der Insider das Steigen oder Fallen des Wertpapierkurses nicht in der Hand hat, kann z. B. ein Fondsmanager mit einem nahezu sicheren Gewinn rechnen, dessen Eintrittszeitpunkt und vielleicht auch dessen Höhe sehr stark in seiner Hand liegen. Insofern ist dem deutschen Gesetzgeber zu raten, ähnlich dem chinesischen Gesetzgeber, einen eigenen Verbotstatbestand einzuführen, der ein solches Ausnutzen innere Absichten unter Strafe stellt. Anders als im chinesischen Recht sollte der Verbotstatbestand sich jedoch nicht nur auf Mitarbeiter von Börsen, Wertpapierdienstleistungsunternehmen etc. beschränken, sondern ein allgemeines Verbot enthalten, welches jegliches Ausnutzen innerer Absichten, deren Verwirklichung geeignet ist, den Kurs eines Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen, unter Strafe stellt. Ein solches Verbot wäre auch nicht zu weitreichend, weil diese Absichten genau wie jede Insiderinformation auf ihr Kursbeeinflussungspotential hin überprüft werden müssten und insofern von vornherein Absichten all derjenigen Personen ausscheiden, deren Stellung im Markt nicht stark genug ist, um einen Einfluss auf den Kurs eines Finanzinstruments hervorrufen zu können. (d) Mehrstufige Entscheidungsprozesse Auch bei der Beurteilung mehrstufiger Entscheidungsprozesse weisen das deutsche und das chinesische Insiderrecht Unterschiede auf. Im deutschen Recht gilt, spätestens seit dem Urteil des EuGH im DaimlerChrysler /  Schrempp-Verfahren, die Auffassung, dass bei gestreckten Sachverhalten jede einzelne Verwirklichungsstufe auf dem Weg zum Endziel eine Insiderinformation sein kann, wenn der Zwischenschritt die Merkmale der Insider­ informationsbegriffs erfüllt. Zu dieser Schlussfolgerung kam es, weil bei der Beurteilung von Informationen auf deren Tauglichkeit als Insiderinforma­ tion nicht das Endziel eines bestimmten Prozesses im Vordergrund steht, sondern die Überzeugung besteht, dass bereits die dahin führenden Schritte selbst für die Kapitalmarktteilnehmer von solcher Bedeutung sein können, dass sie diese in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen. In China hingegen gilt ein völlig anderes Konzept. Aus der zitierten Entscheidung der CSRC im Fall Li Linjie und Tan Binghui725 geht hervor, dass die CSRC einen 725  Vgl.

oben Kapitel C., II.1.c)aa)(2)(e).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse219

Sachverhalt stets als Ganzes betrachtet und nur auf das Endziel abstellt, auch wenn zu dessen Verwirklichung mehrere Zwischenschritte nötig sind. Würde man allein auf das Endziel abstellen und das Entstehen einer Insider­ information erst bei dessen Verwirklichung annehmen, so wäre dieser Zeitpunkt ein sehr später. Wohl aus diesem Grunde behalf sich die CSRC mit einem Trick und führte das Konzept des preissensiblen Zeitraums ein. Der sog. preissensible Zeitraum beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die Insiderinformation zu entstehen beginnt bzw. nach der neusten Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft mit dem Beginn der Vollziehung einer Initiative, eines Plans, einer Vorbereitungsmaßnahme oder einer strategischen Entscheidung. An dieser Stelle kommt das bereits geschilderte Problem zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber sich bisher keine Gedanken darüber gemacht zu haben scheint, wie er Umstände behandeln möchte, die erst in der Zukunft verwirklicht werden. Der momentanen Gesetzeslage zufolge scheint es für die Beurteilung, ob eine Insiderinformation vorliegt, nicht darauf anzukommen, ob ein Umstand wahrscheinlich eintritt oder nicht. Aus diesem Grunde wird auch bei den hier erörterten gestreckten Sachverhalten nur geprüft, ob das Endziel geeignet wäre, im Falle der Veröffentlichung den Kurs bestimmter Wertpapiere zu beeinflussen. Wird dies bejaht, so beginnt der preissensible Zeitraum mit dem ersten Schritt auf dem Weg der Verwirklichung des Endziels, und zwar unabhängig davon, ob der Eintritt des Endziels zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon hinreichend wahrscheinlich ist. Damit erreicht das chinesische Insiderrecht zwar ein hohes Maß an Abdeckung, jedoch ist die Frage, ob dieses Konzept im Vergleich zur deutschen Herangehensweise vorzugswürdig ist. Führt man sich nochmals die Entscheidung der CSRC im Fall Li Linjie und Tan Binghui vor Augen, so kann man berechtigte Zweifel an diesem Konzept haben. Die CSRC hat den Beginn des preissensiblen Zeitraums in diesem Fall bereits mit dem Beginn von Verhandlungen gesehen, die dazu dienen sollten, erst einmal grundsätzlich zu überlegen, ob eine Zusammenarbeit überhaupt in Frage kommt. Ob es am Ende zu einer Zusammenarbeit kommen und wie diese aussehen würde, war zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar. Der Abschluss eines Vertriebsvertrags war somit noch in weiter Ferne. Bewertet man nach der chinesischen Konzeption den Vertriebsvertrag als Insiderinformation, so ist der erste Schritt hin zu dessen Verwirklichung jedoch in der Tat das erste Sondierungsgespräch, mag es noch so generell und ergebnisoffen sein. Dieses Beispiel zeigt, dass das momentan angewendete chinesische Konzept insbesondere vor dem Hintergrund des Zwecks des Insiderhandelsverbots nicht tragbar ist, da es die Regelung verkompliziert, vor allem aber, weil es das Insiderhandelsverbot unangemessen ausweitet. Bei der Begründung kann auf die Argumentation zum

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Problem der Gerüchte und der Bewertung zukünftiger Umstände zurückgegriffen werden. Genau wie in diesen beiden Fällen ist es auch bei gestreckten Sachverhalten so, dass das Insiderhandelsverbot erst dann bemüht werden sollte, wenn eine Information entstanden ist, die in der Lage ist, zu einem Informationsungleichgewicht zu führen, das die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts deshalb beeinflusst, weil es sich auf das Anlegervertrauen auswirkt. Würde der chinesische Gesetzgeber wie bereits befürwortet eine Regelung einführen, die zukünftige Umstände explizit in den Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots aufnimmt, wenn ihre Verwirklichung eine bestimmte Wahrscheinlichkeitsgrenze überschreitet, so wäre die Beibehaltung des Konzepts des preissensiblen Zeitraums obsolet. Der preissensible Zeitraum der Insiderinformation würde unter diesen Umständen nämlich erst dann beginnen dürfen, wenn der Eintritt des Ereignisses die geforderte Wahrscheinlichkeitsschwelle erreicht hätte. Nach neuer Diktion läge dann aber schon eine Insiderinformation vor, so dass sich der Rückgriff auf den preissensiblen Zeitraum erübrigt. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist das deutsche Konzept überzeugender, das gerade nicht das Endziel als maßgeblichen Bewertungsgegenstand betrachtet, sondern völlig losgelöst von diesem bei jedem einzelnen Schritt die Frage stellt, ob dieser die Charakteristika einer Insiderinforma­ tion erfüllt. Im Fall Li Linjie und Tan Binghui hätte die CSRC unter Anwendung dieser Vorgaben zu dem Schluss kommen müssen, dass die zunächst geführten Gespräche über eine potentielle Zusammenarbeit in keinem Falle kurserheblich und damit keine Insiderinformation gewesen wären; das grundsätzliche Übereinkommen hinsichtlich des Vertriebsvertrags hingegen wäre als Insiderinformation zu qualifizieren gewesen. (2) Nicht öffentlich bekannte Information Sowohl im deutschen Wertpapierhandelsgesetz als auch im chinesischen Wertpapiergesetz ist ein bedeutendes Charaktermerkmal der Insiderinformation deren Nichtöffentlichkeit. Die beiden Gesetzgeber verfolgen jedoch hinsichtlich der Frage, wann eine Information als öffentlich bekannt anzusehen ist, verschiedene Ansätze. Beide Rechtsordnungen sehen eine Insiderinformation dann als öffentlich bekannt an, wenn diese in dem jeweils gesetzlich vorgesehenen Medium veröffentlicht worden ist. Während nach deutschem Recht die Offenlegung der Information gegenüber einer sog. Bereichsöffentlichkeit genügt, strebt das chinesische Recht eine Offenlegung gegenüber der Allgemeinheit an. Aufgrund der Tatsache, dass sich der chinesische Gesetzgeber für die Information der Allgemeinheit entschieden hat,



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geschieht eine Veröffentlichung durch überregionale Zeitungen, da dieses Medium wohl die einzige Möglichkeit darstellt, alle Anleger in China zu erreichen. Die Konsequenz der Entscheidung für ein solches Offenlegungskonzept wird einem hier plastisch vor Augen geführt. Der Zeitraum, in dem eine Insiderinformation weiteren Personen bekannt wird und von diesen ausgenutzt werden kann, wird durch den Versuch, die Allgemeinheit zu informieren, merklich verlängert. Dies führt dazu, dass unter chinesischem Recht die Information für einen längeren Zeitraum den Charakter einer Insiderinformation behält und die Integrität des Kapitalmarkts länger gefährdet ist, als dies im deutschen Recht der Fall ist. Das deutsche Konzept der Bereichsöffentlichkeit, welches die Information eines Teils der Anleger z. B. über ein elektronisches Informationssystem zulässt, ist dem chinesischen Konzept deutlich überlegen. Zwar muss man bei dieser Beurteilung auch die Besonderheiten des chinesischen Kapitalmarkts und insbesondere der Anlegerstruktur berücksichtigen. Diese zeichnet sich im Gegensatz zur deutschen Anlegerstruktur durch einen sehr hohen Anteil an Kleinanlegern aus, so dass das oftmals gegen die Bereichsöffentlichkeit angeführte Argument, diese würde professionelle Marktteilnehmer bevorzugen, hier in besonderem Maße einschlägig ist, weil die professionellen Marktteilnehmer in der Minderzahl sind. Jedoch gilt es auch für den chinesischen Kapitalmarkt ein Konzept zu finden, welches die verschiedenen Interessen am besten in Einklang bringt und einen größtmöglichen Funktionenschutz für den Kapitalmarkt gewährleistet. Die gleichzeitige Information aller über ganz China verteilten Kleinanleger ist auch mit Printmedien nicht zu erreichen. Selbst wenn sich der Gesetzgeber jedoch in einem ersten Schritt dazu entscheiden würde, eine Informationsverbreitung auf elektronischem Wege zuzulassen, folgt daraus jedoch noch immer nicht, dass die Kenntnisnahme durch die Allgemeinheit schneller, und vor allem flächendeckender geschieht. Der elegantere Weg wäre daher auch für den chinesischen Kapitalmarkt die gezielte Information einer Bereichsöffentlichkeit z. B. über ein elektronisches Informationssystem. Professionelle Marktteilnehmer könnten so zeitnah und vor allem zeitgleich von der Insiderinformation Kenntnis nehmen, es bestünde keine Unsicherheit bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Veröffentlichung und die Informationen würden durch die Anlageentscheidungen der professionellen Marktteilnehmer umgehend in den Kursen Berücksichtigung finden. Diese schnelle Kursanpassung garantiert eine angemessene Berücksichtigung aller vertretenen Interessen, insbesondere auch der Interessen der Kleinanleger, da diese nicht fürchten müssen, ihre Anlageentscheidungen über einen nicht kalkulierbaren Zeitraum, in dem sich der Markt nach und nach an eine neue Information anpasst, auf der Basis „falscher“ Kurse treffen zu müssen.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

(3) Inhalt der Information Die Arten von nicht öffentlich bekannten Informationen, die nach dem deutschen und chinesischen Recht eine Insiderinformation darstellen können, ähneln sich sehr, auch wenn die Gesetzgeber bei der gesetzlichen Niederlegung auch an dieser Stelle wiederum verschiedene Herangehensweisen gewählt haben. Der deutsche Gesetzgeber wählt allgemein gesprochen eine abstrakte Herangehensweise, während der chinesische Gesetzgeber wieder zur bereits aus anderen Vorschriften bekannten Kombination von abstrakter Definition und konkreten Regelbeispielen greift. Inhaltlich macht dies jedoch, wie sich gezeigt hat, überwiegend keinen Unterschied. So sind sowohl vom deutschen als auch vom chinesischen Recht Informationen mit direktem und indirektem Bezug zum Emittenten bzw. seinen Finanzinstrumenten sowie auch Marktinformationen taugliche Insiderinformationen. Das Regelungskonzept des chinesischen Gesetzgebers weist jedoch einige Unstimmigkeiten auf, die bereits aufgezeigt wurden. Zum einen stellt er den Emittentenbezug und das Kursbeeinflussungspotential in ein Alternativverhältnis. Auch wenn es bisher keine Strafe wegen Insiderhandels gab, die auf der Verwendung einer allein emittentenbezogenen Information ohne Kursbeeinflussungspotential beruhte, ist ein offensichtlicher Wortlautfehler in einer so zentralen Vorschrift nicht tragbar. Rein dem Wortlaut nach sieht sich der Anleger momentan einem völlig ausufernden, dem Gesetzeszweck fremden und nicht verständlichen Insiderhandelsverbot gegenüber, was unweigerlich zu vielen Unsicherheiten und, wie die Vergangenheit gezeigt hat, unnützen Diskussionen führt. Schon um sein Gesicht zu wahren sollte der chinesische Gesetzgeber diesen faux pas so schnell wie möglich eliminieren. Zu begrüßen ist, dass die überwiegende Ansicht in der chinesischen Literatur Marktdaten in den Kreis der potentiellen Insiderinformationen aufnehmen möchte und dass sich dieser Ansatz auch in den vom chinesischen Gesetzgeber genannten Regelbeispielen wiederfindet. Solche Informationen können einen Emittenten oder dessen Finanzinstrumente genauso betreffen wie jede andere Information, die sich im direkteren Umfeld des Emittenten bildet. Die Einbeziehung solcher Informationen führt auch nicht zu einem ausufernden Anwendungsbereich des Begriffs der Insiderinformation, weil durch das Merkmal der Kurserheblichkeit eine automatische Auslese bestimmter Marktdaten erfolgt. Denn diejenigen Marktdaten, die keinerlei Bezug zu einem Emittenten oder entsprechenden Finanzinstrumenten haben, können sich logischerweise auch nicht auf den Kurs der Finanzinstrumente auswirken und sind deshalb mangels Kursbeeinflussungspotentials keine Insiderinformationen. Ein Regelungsunterschied ergibt sich bei der Frage, ob die Information im Falle ihrer Veröffentlichung den Kurs bestimmter Finanzinstrumente wirklich beeinflussen muss. Während der deutsche Gesetzgeber ein bloßes



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse223

Kursbeeinflussungspotential genügen lässt, fordert der chinesische Gesetzeswortlaut eine tatsächliche Kursbeeinflussung. Wie bereits aufgezeigt wurde, würde eine solche Regelung den Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots stark einschränken und auch den Schutzzweck über Gebühr beschneiden. Das Insiderhandelsverbot hat zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und zur Sicherung des Anlegervertrauens schon dann anzusetzen, wenn nur die Gefahr der missbräuchlichen Ausnutzung eines Informationsvorsprungs besteht. Dem chinesischen Gesetzgeber ist daher dringend zu raten, das Wertpapiergesetz entsprechend anzupassen. Momentan sind weder die CSRC noch die Gerichte aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelung in der Lage, Insiderhandel zu bestrafen, wenn sich herausstellt, dass es nach Veröffentlichung der Information nicht zu einer erheblichen Kursbewegung gekommen ist. Hinzu kommt die bereits aufgezeigte Unstimmigkeit, die sich bei einem Blick in die entsprechende Regelung in der Regulation on the Administration of Futures Trading ergibt. Diese lässt ein Kursbeeinflussungspotential genügen, was zur Folge hat, dass das Insiderhandelsverbot in Bezug auf Futures wesentlich weiter gefasst ist als das Verbot im Wertpapiergesetz. Diesem Missstand sollte der chinesische Gesetzgeber auch im Sinne einer effektiven Durchsetzung des wertpapierrechtlichen Insiderhandelsverbots schnellstmöglich ein Ende setzen. Im Gegensatz zum deutschen macht der chinesische Gesetzgeber keine Angaben dazu, auf welcher Basis die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung zu bestimmen ist. Dies spiegelt die Gesetzeslage vor Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes wider. Erst durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz hat der deutsche Gesetzgeber einen subjektiven Ansatz zur Bestimmung der Einung der Information zur erheblichen Kursbeeinflussung in das Gesetz aufgenommen, indem er auf den (börsenkundigen) verständigen Anleger abstellt. Fraglich ist, ob dem chinesischen Gesetzgeber, insbesondere zur besseren Konkretisierung der Erheblichkeitsschwelle geraten werden sollte, den deutschen subjektiven Ansatz zu übernehmen, oder ob ein objektiver, an bestimmte Schwellenwerte geknüpfter Ansatz geeigneter wäre. Der objektive Ansatz hat zwar für sich, dass er dem Rechtsanwender eine konkrete Vorgabe macht, auf deren Basis er sein Handeln anhand genau definierter Werte festmachen kann, jedoch ist dem objektiven Ansatz vorzuwerfen, dass er nicht genügend Rücksicht auf die verschiedenen am Kapitalmarkt gehandelten Finanzinstrumente, deren Volatilität und darauf nimmt, dass bei Finanzinstrumenten mit einem breiten Markt die Veröffentlichung einer Insiderinformation in der Regel zu wesentlich geringeren Kursausschlägen führt als in einem sehr kleinen Markt.726 726  So auch Schäfer, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn. 56.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Insofern führt der subjektive, vom deutschen Gesetzgeber eingeführte Ansatz, der eine Beurteilung im Einzelfall ermöglicht, zu interessengerechteren Ergebnissen. Auch wenn diesem Ansatz eine gewisse Unbestimmtheit insbesondere vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen das Insiderhandelsverbot vorgeworfen wird, streitet für ihn, dass sich der Anwendungsbereich des Begriffs der Erheblichkeit der Kursbeeinflussung durchaus anhand von Auslegung ermitteln lässt. (4) Relevanz des Merkmals des Emittentenbezugs Der letzte hier im Rahmen der Insiderinformation aufzuwerfende Punkt ist eine Frage, die bereits im deutschen Teil ausführlich erörtert wurde. Vor diesem Hintergrund soll nun überprüft werden, ob die für das deutsche Recht gefundenen Gedanken und Argumente auch für das chinesische Recht fruchtbar gemacht werden können. Für das deutsche Recht wurde dem Emittenten- und Insiderpapierbezug, obwohl er ausdrücklich im Gesetz genannt ist, eine besondere Abgrenzungsfunktion im Vergleich zum Merkmal des Kursbeeinflussungspotentials abgesprochen. Obwohl der Fokus des chinesischen Wertpapiergesetzes wegen der überwiegend emittentenbezogenen gesetzlichen Beispiele in § 75 Abs. 2 WpG auf dem Emittentenbezug liegt, stellt sich aufgrund der praktischen Handhabung und vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks jedoch genauso die Frage, ob das Merkmal des Emittentenbezugs (das Merkmal des Insiderpapierbezugs nennt das chinesische Gesetz nicht gesondert) gegenüber dem Merkmal des Kursbeeinflussungspotentials vernachlässigt werden kann. Was auf deutscher Seite als vorzugswürdig erachtet worden ist, kann auch für die chinesische Seite gelten und wird im chinesischen Recht dadurch deutlich, dass der Wortlaut des § 75 Abs. 1 WpG allein das Vorliegen eines Kursbeeinflussungspoten­ tials einer Information für deren Qualifikation als Insiderinformation genügen lässt. Die rechtliche Situation im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Insiderinformation stellt sich insofern nach dem hier gefundenen Ergebnis im chinesischen Wertpapiergesetz genauso dar wie im deutschen Wertpapierhandelsgesetz. Es sind nicht nur Informationen erfasst, die sich auf den Emittenten beziehen, sondern auch Marktdaten, die einen erheblichen Einfluss auf den Marktpreis der Wertpapiere haben können. Es genügt also ein bloßes Abstellen auf das Kursbeeinflussungspotential, weil schon aus einem solchen ein zumindest mittelbarer Bezug der Information zum Emittenten abzuleiten ist. Hätte die Information keinen Bezug zu einem oder mehreren Emittenten, wäre sie nicht in der Lage, den Kurs der entsprechenden Wertpapiere zu bewegen. Auch auf chinesischer Seite kommt man daher zu dem Ergebnis, dass allein das Merkmal des Kursbeeinflussungspotentials genügt, um den Schutzzweck der Insiderhandelsverbote zu gewährleisten,



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse225

da ohne jegliche Kursbewegung kein illegaler Gewinn entstehen kann und daher auch keine Vorteile aus einer eventuell vorliegenden Informations­ asymmetrie gezogen werden können. Dieses Ergebnis wird auch durch den CSRC-Leitfaden gestützt. Dort wird zwar in Art. 7 CSRC-Leitfaden die Definition des § 75 Abs. 1 WpG wiederholt, wobei hier bereits zu bemerken ist, dass von einer noch nicht veröffentlichten Information gesprochen wird, die die Geschäftstätigkeit oder die Finanzlage des Unternehmens betrifft, oder die auf den Marktpreis der Wertpapiere eines727 Unternehmens einen erheblichen Einfluss hat. Hier ist bereits zu erkennen, dass auch Informationen, die mehrere Emittenten betreffen, der deutschen Rechtslage vergleichbar Insiderinformationen sein können. Zudem bestimmt die CSRC in § 8 Abs. 5 CSRC-Leitfaden, dass alle erheblichen Informationen, die auf den Marktpreis der Wertpapiere eines Unternehmens einen erheblichen Einfluss haben, Insiderinformationen sind. Durch diese Formulierung wird deutlich, dass der Emittentenbezug der Information vernachlässigt werden kann. (5) Ausnahmetatbestand Wie die vorangegangene Analyse gezeigt hat, nimmt das deutsche Wertpapierhandelsgesetz Bewertungen, die ausschließlich aufgrund von öffentlich bekannten Umständen erstellt werden, ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Insiderinformationsbegriffs aus. Das chinesische Wertpapiergesetz enthält keine solche Regelung, obwohl dessen Vorgängernorm einen dem deutschen Recht vergleichbaren Ausnahmetatbestand vorsah. Dass auf diese mittlerweile nicht mehr rechtskräftige Regelung nicht zurückgegriffen werden kann, wurde bereits dargestellt. Es stellt sich daher die Frage, ob der chinesische Gesetzgeber sich bewusst dafür entschieden hat, den Ausnahmetatbestand nicht in das Wertpapiergesetz zu übernehmen. Dafür könnte sprechen, dass der Ausnahme für Bewertungen auf der Basis öffentlich bekannter Umstände allein klarstellender Charakter zukommen kann. Dies liegt daran, dass derartige Bewertungen und Analysen, wenn sie allein aus der Auswertung öffentlich bekannter Umstände stammen, keine Insiderinformation darstellen können, weil es jedem Marktteilnehmer unbenommen ist, auf dieselben öffentlich zugänglichen Quellen zurückzugreifen, um eine eigene Analyse vorzunehmen. Eine solche Eigenleistung kann, stets unter der Voraussetzung, dass sie allein auf der Auswertung öffentlich bekannter Quellen beruht, keinen ungerechtfertigten Informationsvorsprung darstellen und unterfällt daher schon gar nicht dem Schutzzweck des Insiderhandelsverbots. Obwohl solche Bewertungen und Analysen also offen727  In

§ 75 Abs. 1 WpG heißt es „dieses“ Unternehmens (chinesisch: „该“).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

sichtlich nicht unter den Begriff der Insiderinformation fallen, kann es trotzdem sinnvoll sein, ihnen einen Ausnahmetatbestand zu widmen, auch wenn dieser dann nur deklaratorischen Charakter haben kann. Die Wichtigkeit von Finanzjournalisten, Journalisten, Analysten und Ratingagenturen und ihrer Arbeitsprodukte für einen Kapitalmarkt ist nicht zu unterschätzen. Sie leisten aufgrund ihrer Analysen wichtige Beiträge zum Funktionieren des Markts und der Börse und sind für eine Vielzahl von Anlegern ein bedeutendes Element im Rahmen ihrer Anlageentscheidungen. Wegen dieser hervorgehobenen Stellung, die solchen Analysen zukommt, ist es gerechtfertigt und auch zweckmäßig, ihnen eine deutliche Safe-Harbour-Regelung zuzuweisen, um den Anlegern zu signalisieren, dass sie sich bei ihren Anlageentscheidungen auf Analysen stützen können, ohne damit gegen das Insiderhandelsverbot zu verstoßen. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses spricht viel für eine ausdrückliche gesetzliche Ausnahmeregelung. Auch wenn sich, wie bereits gezeigt, in die Interpretation des Obersten Volksgerichtshof und der Generalstaatsanwaltschaft eine dem deutschen Recht vergleichbare Regelung hineinlesen lässt, macht die hier diskutierte Ausnahmeregelung aufgrund der Tatsache, dass sie eine große Relevanz für das tägliche Marktgeschehen hat nur Sinn, wenn sich aus ihr ganz eindeutig entnehmen lässt, welche Informationen vom Begriff der Insiderinformation ausgenommen werden sollen. d) Verbotenes Handeln Nach einer umfassenden Analyse der zentralen Begriffe des Insiders, der Wertpapiere sowie der Insiderinformation folgt nun eine Erläuterung der Verhaltensweisen eines Insiders, die unter Verwendung von Insiderinformationen und / oder Wertpapieren erfolgen und aus diesem Grunde verboten sind. Der chinesische Gesetzgeber hat das Verbot von Insidergeschäften in zwei verschiedenen Vorschriften des Wertpapiergesetzes niedergelegt. So findet sich in § 73 WpG ein eher generalistisch formuliertes Insiderhandelsverbot, dem zufolge es jedem gesetzlichen oder illegalen Insider untersagt ist, eine Insiderinformation auszunutzen, um mit Wertpapieren zu handeln. § 76 WpG untersagt es über den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren hinaus zusätzlich, vor Veröffentlichung der Insiderinformation diese preiszugeben oder anderen Personen auf der Basis einer Insiderinformation den Kauf oder Verkauf bestimmter Wertpapiere zu empfehlen.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse227

aa) Das Erwerbs- und Veräußerungsverbot Auch im chinesischen Wertpapiergesetz stellt das Verbot der Durchführung von Erwerbs- und Veräußerungsgeschäften unter Verwendung einer Insiderinformation das zentrale Verbot des Insiderrechts das. (1) Erwerb und Veräußerung Sowohl einem Insider, der Zugang zu Insiderinformationen hat als auch jeder Person, die Insiderinformationen unrechtmäßig erlangt hat, ist es verboten, Wertpapiere des Unternehmens, auf das sich die Insiderinformation bezieht, zu erwerben oder veräußern, solange die Information nicht veröffentlicht worden ist. Erwerb und Veräußerung der Wertpapiere können sowohl durch den Insider selbst für eigene Rechnung geschehen als auch durch einen Wertpapierhändler sowie durch einen Dritten, dem man als Strohmann seine eigenen Geldmittel zur Verfügung stellt.728 Der CSRC-Leitfaden sieht in Art. 13 Nr. 2 vor, dass Erwerb oder Veräußerung von Wertpapieren auch unter dem Namen eines Dritten geschehen können. Dabei wird in den folgenden Situa­ tionen angenommen, dass unter dem Namen eines Dritten gehandelt wird: Erstens wenn man dem Dritten direkt oder indirekt Wertpapiere oder Barmittel zur Tätigung der Geschäfte zur Verfügung stellt, die aus den Geschäften resultierenden Gewinne oder Verluste jedoch einem selbst zufallen; und zweitens wenn man das Recht hat, die von einem Dritten gehaltenen Wertpapiere zu verwalten, zu verwenden und über diese zu verfügen. Wie im deutschen Recht stellt sich im chinesischen Recht die Frage, wie die Begriffe „erwerben“ und „veräußern“ auszulegen sind. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund schwierig, dass in China höchst umstritten ist, ob das im deutschen Recht bekannte Trennungsprinzip sowie auch das Abstraktionsprinzip Anwendung finden, ob zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft unterschieden wird und ob die Geschäfte in ihrer Wirksamkeit unabhängig voneinander sind. Obwohl im Rahmen der Diskussionen um die Änderungen des Sachenrechts (SachR)729, die im Jahre 2007 in Kraft traten, erwogen wurde, das Trennungs- und Abstraktionsprinzip in dieses aufzunehmen, hat man sich letztendlich dagegen entschieden.730 Dennoch währt der Streit weiterhin. Manche wollen die beiden Prinzipien z. B. 728  Jia, Journal of Taiyan University 2012 (2), 22 (24); Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 280. 729  Chinesisch: 中国人民共和国物权法, erlassen am 16.3.2007 und in Kraft getreten am 1.10.2007. 730  Chen, Lei / Rhee, in: Chen / Rhee, Towards a Chinese Civil Code, 1 (6).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

aufgrund der Formulierung des § 23 SachR, der vorschreibt, dass die Übertragung einer beweglichen Sache mit deren Übergabe erfolgt, in das Sachenrecht hineinlesen.731 Nach herrschender Meinung handelt es sich bei der Übergabe jedoch um einen Realakt und nicht wie in Deutschland um ein Verfügungsgeschäft, und diese ist auch nicht unabhängig von der Gültigkeit des zugrundeliegenden Vertrags.732 Daher gilt in China allenfalls das Trennungsprinzip, wenn man dieses befürwortet, obwohl die Übergabe nicht als Rechtsgeschäft angesehen wird, keinesfalls aber das Abstraktionsprinzip.733 Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, wie im deutschen Recht auf den früheren Zeitpunkt, d. h. auf den Abschluss des Vertrags abzustellen, da der spätere Übertragungsakt von diesem Vertrag abhängt und daher mit dessen Abschluss bereits eine gesicherte Rechtsposition geschaffen ist. Teilweise wird dafür plädiert, unter den Begriff des Erwerbens bzw. Veräußerns über normale Wertpapierkäufe und -verkäufe hinaus z. B. auch Wertpapiertauschgeschäfte, die Übertragung von Wertpapierverträgen sowie die Wertpapierleihe zu fassen.734 Gleiches dürfte für Leerverkäufe gelten, da es nicht darauf ankommen kann, ob der Insider zuvor auch wirklich Inhaber der Wertpapiere war. Wie die Verpfändung, Vererbung oder Schenkung zu behandeln ist, wird in der Literatur nicht thematisiert, jedoch lassen sich diese genauso wenig unter den Begriff des Kaufens bzw. Verkaufens fassen wie dies im deutschen Recht im Hinblick auf die Begriffe des Erwerbs oder der Veräußerung der Fall ist. Bei der Verpfändung entsteht für den Sicherungsnehmer durch die Verpfändung kein Verfügungsrecht über die Wertpapiere. Die Vererbung kann aufgrund der Tatsache, dass sie einen gesetzlichen Übergang der Wertpapiere und nicht einen rechtsgeschäftlichen Übergang beschreibt und zudem keine Gegenleistung beinhaltet, nicht unter den Verbotstatbestand fallen. Gleiches gilt für die Schenkung, da diese ebenfalls keine Gegenleistung voraussetzt. Auch das Unterlassen eines Geschäfts aufgrund einer Insiderinformation dürfte im chinesischen Recht ebenso wenig wie im deutschen Recht unter den Verbotstatbestand fallen, da diesem das aus dem mittlerweile auch in China geltenden Grundsatz „nulla poena sine lege“ abgeleitete Analogieverbot entgegensteht. Der Grundsatz „nulla poena sine lege“ findet sich nicht nur im Strafgesetz735, sondern auch im 731  Vgl. z. B. Chen, Wan, Journal of Heilongjiang Administrative Cadre College of Politics and Law 2012 (4), 72 ff. 732  Bu, JZ 2010, 26 (27); dies., Einführung in das chinesische Recht, S. 135; Chen, Lei / Rhee, in: Chen / Rhee, Towards a Chinese Civil Code, 1 (6); Stürner, in: FS Frank, 195 (198 f.). 733  Zinser, JURA 2013, 67 (70). 734  Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 280; Zhang, Dingyue, Kontroverse Pro­ bleme im Hinblick auf strafbaren Insiderhandel, S. 17. 735  Vgl. § 3 StG.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse229

Law on Administrative Penalty736, welches die Verfahrensvorschriften für den Erlass von Verwaltungssanktionen enthält. (2) Die Verwendung der Information In der chinesischen Literatur gibt es eine umfangreiche Debatte in Bezug auf die Frage, ob der Insider bereits Insiderhandel begeht, wenn er bloß im Besitz einer Insiderinformation ist und mit entsprechenden Wertpapieren handelt oder ob es für die Bejahung von Insiderhandel notwendig ist, dass der Insider die entsprechende Transaktion gerade aufgrund seiner Information tätigt und es somit einer kausalen Verbindung zwischen dem Besitz der Insiderinformation und Wertpapierhandel bedarf. Diese im USamerikanischen Recht als „possession versus use“ Debatte bekannte Diskussion rührt in China aus den unterschiedlichen Formulierungen der §§ 73 und 76 WpG, die sich in gewisser Weise widersprechen.737 In § 73 WpG spricht das Gesetz davon, dass der Insider die Insiderinformation für seine Wertpapierhandelsaktivitäten ausnutzen muss. § 76 WpG hingegen verbietet jedem Insider, der Zugang zu Insiderinformationen hat und Personen, die Insiderinformationen unrechtmäßig erlangt haben, Wertpapiere des entsprechenden Unternehmens zu kaufen oder verkaufen. Er sagt jedoch nichts dazu, ob dies unter Verwendung der Insiderinformation geschehen muss, so dass sich aus dem Wortlaut schließen lässt, dass ein bloßes Handeln im Besitz einer Insiderinformation, unabhängig davon, ob die Handlung auf der Insiderinformation beruht, für die Erfüllung des Tatbestands des Insiderhandels genügt. Der Oberste Volksgerichtshof hat kürzlich durch eine Mitteilung Klarheit in die Debatte gebracht und bestimmt, dass unter bestimmten Voraussetzungen vermutet werden soll, dass die handelnde Person die Insiderinformation zur Tätigung von Wertpapiergeschäften ausgenutzt hat. (a) M  einungsstand in der chinesischen Literatur und in der behördlichen Praxis vor der Mitteilung des Obersten Volksgerichtshofs Die sich widersprechenden Vorschriften der §§ 73 und 76 WpG haben in der Vergangenheit in der Literatur für viele Kontroversen gesorgt. Eine Ansicht in der Literatur wollte den bloßen Besitz der Insiderinformation 736  Vgl.

§ 3 des Law on Administrative Penalty. dazu Huang, Hui, 5 J. Bus. L. 2012, 379 (390); ders., International Securities Markets, S. 227 ff.; Zhao, Shuanglin, Market Modernization 2009 (3), 321 (322); Zhang, Yunfang, Strafrechtliche Vorschriften zum Insiderhandel, S. 17. 737  Vgl.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

zum Zeitpunkt des Handels mit den entsprechenden Wertpapieren für einen Verstoß gegen den Verbotstatbestand genügen lassen.738 Dies wurde insbesondere damit begründet, dass der Beweis, dass der Insider aufgrund der Insiderinformation gehandelt hat und nicht aufgrund anderer Faktoren, in der Regel sehr schwer fallen bzw. unmöglich sein dürfte.739 Die Gegenansicht forderte den Gebrauch der Insiderinformation, wie es auch im deutschen Recht der Fall ist.740 Wird der Gebrauch der Information verlangt, so wird es der CSRC in vielen Fällen nicht leicht fallen, diesen Gebrauch zu beweisen. Um dieser Gefahr entgegenzutreten, wurde vorgeschlagen, eine Kausalitätsvermutung dahingehend aufzustellen, dass das Vorliegen von Insiderhandel immer dann vermutet wird, wenn ein gesetzlicher oder ein illegaler Insider vor Veröffentlichung der Insiderinformation mit Wertpapieren handelt, auf die sich die Insiderinformation bezieht.741 Dieser Ansicht zufolge musste dann nur bewiesen werden, dass der Handelnde ein gesetzlicher oder illegaler Insider war, dass es sich bei der relevanten Information um eine Insiderinformation handelte und dass der Handelnde vor Veröffentlichung der Insiderinformation mit den mit dieser Information in Verbindung stehenden Wertpapieren gehandelt hat. Das Vorliegen von Insiderhandel kann konsequenterweise nur dann verneint werden, wenn dem Insider der Beweis gelingt, dass er nicht aufgrund der Insiderinformation gehandelt hat, sondern aufgrund anderer Faktoren. Es wird also eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beschuldigten befürwortet. Dieser Ansicht schloss sich auch die CSRC an. Sie hatte im Jahre 2008 über einen Fall zu entscheiden, in dem dieses Problem erstmals ausdrücklich zum Tragen kam. Im der CSRC vorliegenden Fall742 war Deng Jun Vorstandsvorsitzender und Qu Li stellvertretende Geschäftsführerin der Liaoning Zhongqi Futures Management AG (Liaoning AG). Im Rahmen einer bei dieser Gesellschaft durchgeführten Kapitalerhöhung wurde nach einem neuen Investor gesucht, der durch den Kauf der Aktien zum 738  Zhao, Shuanglin, Market Modernization 2009 (3), 321 (322); Cai, Yi, Analyse der wichtigsten Änderungen des Wertpapiergesetzes; Wang, Yu / Li / Zhang, Jinchun, Wertpapierrecht, S. 481; Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 419. 739  Vgl. z. B. Zhao, Shuanglin, Market Modernization 2009 (3), 321 (322); Cai, Yi, Analyse der wichtigsten Änderungen des Wertpapiergesetzes. 740  Vgl. Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 210; Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 280; Zhang, Yunfang, Strafrechtliche Vorschriften zum Insiderhandel, S. 17; ebenso Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (191), der dasselbe Problem im Rahmen des § 180 des chinesischen Strafgesetzes analysiert, der ebenfalls nicht explizit einen Gebrauch der Insiderinformation voraussetzt. 741  Xue, Untersuchung der zivilrechtlichen Haftung, S. 169 f. 742  Verwaltungssanktion 2008 Nr. 46 der CSRC v. 19.11.2008 gegen Deng Jun und Qu Li (中国证监会行政处罚决定书(邓军,曲丽)-(2008)46号).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse231

Mehrheitsaktionär werden sollte. Im Zuge dessen wurden von einer Bietergesellschaft, der Jieli Shiye AG, zwei Personen zur Durchführung einer Due Diligence in die Liaoning AG gesendet. Deng Jun und Qu Li wurden nur darüber informiert, dass von den beiden Personen eine Due Diligence in Bezug auf einen möglichen Erwerb der Aktien der Liaoning AG durchgeführt werden würde, sie wurden jedoch nicht über die Identität der Mitarbeiter der Jieli Shiye AG aufgeklärt. Deng Jun fand jedoch über das Internet und weitere Nachforschungen heraus, dass die beiden Personen Mitarbeiter der Jieli Shiye AG waren und dass die Jieli Shiye AG den konkreten Plan hatte, die Aktien der Jiaoning AG zu erwerben. Er informierte Qu Lin da­ rüber und beide kauften vor Veröffentlichung der Nachricht des Erwerbs der Aktien durch die Jieli Shiye AG, Aktien dieser Gesellschaft und verkauften diese später gewinnbringend. Im Zuge der von der CSRC durchgeführten Ermittlungen, die in der Verwaltungssanktion nicht dargelegt sind, behaupteten Deng Jun und Qu Li, sie hätten die Aktien nicht aufgrund ihrer Kenntnis vom geplanten Erwerb gekauft, sondern aufgrund einer selbstständig durchgeführten Analyse der Kursbewegungen dieser Aktie.743 Die CSRC ließ dieses Argument nicht gelten. Zwar ist sie mit den überwiegenden Stimmen in der Literatur der Ansicht, dass verbotener Insiderhandel nur vorliegen kann, wenn der Wertpapierhandel unter Verwendung der Insiderinformation geschehen ist. Sie wendet jedoch aufgrund der bereits angesprochenen Beweisschwierigkeiten eine Vermutungsregelung dahingehend an, dass eine Verwendung der Insiderinformation vermutet wird, wenn der Insider nicht in der Lage ist zu beweisen, dass er die Insiderinformation nicht für seine Wertpapiergeschäfte genutzt hat.744 Die Etablierung dieser Vermutungsregelung in der Praxis zeigt sich in dem kurze Zeit später von der CSRC entschiedenen und bereits erwähnten Fall Qu Xiang. Auch dieser behauptete, nicht aufgrund der ihm bekannten Insiderinformation gehandelt zu haben. Vielmehr habe er aufgrund eigener Analysen erkannt, dass die Aktien Potential hätten. Dass er gleichzeitig in einer Position war, in der er die Möglichkeit hatte, die entsprechende Insiderinformation zu erlangen, sei es bloßer Zufall. Die CSRC urteilte, dass Qu Xiangs Behauptung nicht ausreiche, um auszuschließen, dass er nicht doch gerade aufgrund der Information gehandelt hat.745 Dieser Vorgehensweise wird entgegengehalten, dass dies zumindest im Bereich des strafbaren Insiderhandels einen Verstoß gegen die Unschulds743  Verwaltungssanktionskommission der CSRC, Fälle wertpapierrechtlicher Verwaltungssanktionen, S. 4. 744  Verwaltungssanktionskommission der CSRC, Fälle wertpapierrechtlicher Verwaltungssanktionen, S. 6. 745  Verwaltungssanktion 2008 Nr. 49 der CSRC v. 27.11.2008 gegen Qu Xiang (中国证监会行政处罚决定书(瞿湘)– (2008) 49号) a. E.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

vermutung bedeutet, für verwaltungsrechtliche Sanktionen hingegen wird die Vermutungsregelung akzeptiert.746 Da eine Verwaltungssanktion jedoch den Charakter einer Bestrafung hat, ist die Überlegung geboten, ob der Grundsatz der Unschuldsvermutung – genau wie im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht – auch hier Anwendung finden sollte. Allerdings ist bereits die Frage, ob in China der Grundsatz der Unschuldsvermutung überhaupt gilt, nach der Änderung des Strafprozessrechts747 im Jahre 1996 umstritten.748 Der Grundsatz der Unschuldsvermutung ließe sich allenfalls dem Strafprozessrecht entnehmen, und wäre damit auf Strafprozesse anwendbar Im Gegensatz zum deutschen Recht ist er nämlich nicht in der Verfassung verankert bzw. aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbar, da China dieses nicht für sich in Anspruch nimmt, und daher nicht ohne weiteres auf verwaltungsrechtliche Verfahren anwendbar. Zudem ergibt sich aus dem Law on Administrative Penalty keine Unschuldsvermutung, so dass davon auszugehen ist, dass diese zumindest in den hier diskutierten verwaltungsrechtlichen Verfahren keine Geltung hat. Insofern kann ein ­ Verstoß gegen die Unschuldsvermutung an dieser Stelle nicht angeführt werden. Allerdings könnte die CSRC durch die Anwendung einer solchen gesetzlich nicht vorgesehenen Vermutungsregelung gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ verstoßen haben, der in Art. 3 des Law on Administrative Penalty niedergelegt ist und daher im vorliegenden Fall anwendbar ist. Demzufolge ist eine Bestrafung nur dann möglich, wenn diese im Gesetz vorgesehen ist. Die hier angewendete Vermutungsregelung ist jedoch nicht gesetzlich festgelegt. Aufgrund der widersprüchlichen gesetzlichen Regelung des Verbotstatbestands, der in § 73 WpG eine Verwendung der Information fordert, in § 76 WpG jedoch kein Verwendungserfordernis voraussetzt, ist die Verwendung der Information dem Gesetz nicht immanent, so dass hier ein Verstoß gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ angenommen werden muss.

746  Su, 21 Century Economic Report v. 5.1.2011, Die Wahrheit über Zhang Tingwang, Gaochun Ceramics Insiderhandel. 747  Chinesisch: 中华人民共和国刑事诉讼法, erlassen am 1.7.1979 und zuletzt geändert am 14.3.2012. 748  Dazu ausführlich in Kapitel C., II.3.b)bb)(1).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse233

(b) B  estätigung durch die Mitteilung des Obersten Volksgerichtshofs in Bezug auf die Zusammenfassung der Konferenz zu bestimmten Beweisproblemen im Zusammenhang mit der Verhandlung von Verwaltungssanktionsentscheidungen (Konferenz-Mitteilung) Diesem Missstand in der verwaltungsrechtlichen Praxis hat der Oberste Volksgerichtshof durch eine Mitteilung vom 13. Juli 2011749 abgeholfen. Aufgrund der in vielen Fällen auftauchenden Probleme und Fragen in Bezug auf die Beweisbarkeit verbotenen Insiderhandels führte der Oberste Volksgerichtshof eine Studie durch. Er befragte die beteiligten Behörden und Gerichte und gab schließlich im Rahmen einer Konferenz Regelungen für bestimmte im Verwaltungsverfahren auftretende Beweisprobleme bekannt, wie im Rahmen des Verwaltungsverfahrens mit bestimmten Beweisproblemen umgegangen werden sollte. Eine solche Mitteilung750 ist zu unterscheiden von einer justiziellen Interpretation. Justizielle Interpretationen können gem. Art. 6 der Provisions of the Supreme People’s Court on the Judicial Interpretation Work751 nur als „Auslegungen“752, „Bestimmungen“753, „Antworten“754 und „Beschlüsse“755 des Obersten Volksgerichtshofs ergehen. Die hier diskutierte Mitteilung fällt daher nicht in den Kanon der justiziellen Interpretationen, wird jedoch in der Praxis als Unterfall einer justiziellen Interpretation angesehen756 und entfaltet daher normative Wirkung. Dort findet sich in Art. 5 eine Regelung zur Bestimmung des Vorliegens von Insiderhandel. Darin heißt es, dass Insiderhandel immer dann vorliegt, wenn die zu bestrafende Person keine vernünftigen Erklärungen hat oder ihrerseits Beweismittel beibringt, die ausschließen, dass sie die Insiderinformation verwendet hat, um Wertpapierhandel zu betreiben und wenn die von der Aufsichtsbehörde beigebrachten Beweismittel das Vorliegen einer der folgenden Situationen beweisen können: (1) wenn einer der in § 74 WpG genannten gesetzlichen Insider Wertpapierhandel betreibt, der mit der Insiderinformation in Verbindung steht; (2) wenn die Wertpapierhandelsaktivitäten der Ehepartner, Eltern oder Kinder eines in § 74 WpG genannten gesetzlichen Insiders oder anderer Personen, die in enger Verbindung zu die749  Chinesisch: 最高人民法院印发《关于审理证券行政处罚案件证据若干问题 的座谈会纪要》的通知(法 (2011) 225号). 750  Chinesisch: 通知. 751  Chinesisch: 最高人民法院关于司法解释工作的规定, in Kraft getreten am 1.7.1997, zuletzt geändert mit Wirkung zum 1.4.2007. 752  Chinesisch: 解释. 753  Chinesisch: 规定. 754  Chinesisch: 批复. 755  Chinesisch: 决定. 756  Vgl. Leibküchler, ZChinR 2012, 17 (17 i. V. m. Fn. 4 und 5).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

sem stehen, mit der Insiderinformation grundlegend übereinstimmen; (3) wenn eine Person aufgrund der Ausübung ihres Berufes von einer Insiderinformation erfährt und Wertpapierhandel betreibt, der mit der Insiderinformation in Verbindung steht; (4) wenn eine Person, die auf unrechtmäßigem Wege eine Insiderinformation erlangt hat, Wertpapierhandel betreibt, der mit der Insiderinformation in Verbindung steht; (5) wenn eine Person mit einem gesetzlichen Insider oder einer anderen Person, die von einer Insiderinformation erfahren hat, vor Veröffentlichung der Information in Kontakt tritt und deren Wertpapierhandelsaktivitäten mit der Insiderinformation in hohem Maße übereinstimmen. Diese vom Obersten Volksgerichtshof etablierte Vermutungsregelung stellt im Gegensatz zu der von der CSRC verwendeten Praxis konkrete Voraussetzungen auf, bei deren Vorliegen vermutet werden kann, dass der Handelnde die Insiderinformation verwendet hat. Der CSRC wird aufgegeben, bestimmte Umstände zu beweisen. Nur wenn ihr dieser Beweis gelingt, kann auf die Vermutungsregelung zurückgegriffen werden. Der Handelnde hingegen muss entweder vernünftige Erklärungen für sein Verhalten präsentieren oder Beweismittel beibringen, die ausschließen, dass er die Insiderinformation verwendet hat, wenn er einer Sanktion entkommen will. Durch diese Mitteilung des Obersten Volksgerichtshofs steht nun auch kein Verstoß gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ mehr im Raum, da die Mitteilung einen quasi-gesetzlichen Charakter hat. (c) Einzelfälle Im Folgenden sollen einige ausgewählte Einzelfälle dargestellt werden, die bereits auf der deutschen Seite Berücksichtigung gefunden haben, in denen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot mangels Verwendung einer Insiderinformation nicht einschlägig ist. (aa) Face-to-Face-Geschäfte Nach überwiegender Ansicht in der deutschen Literatur ist ein außerbörslicher Pakethandel zwischen zwei Personen vom Insiderhandelsverbot auszunehmen, wenn beide Parteien den gleichen Informationsstand haben. Dieses Problem wird, soweit ersichtlich, in der chinesischen Literatur nicht diskutiert, jedoch kann der Fall eines Face-to-Face-Geschäfts auf Basis der bisher gefundenen Ergebnisse nicht anders bewertet werden als dies im deutschen Recht der Fall ist. Dies kann insbesondere mit dem auch in China geltenden Schutzzweck des Insiderhandelsverbots, die Integrität und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu wahren, begründet werden. Dabei



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spielt die Publizität von Informationen für die Effizienz des Kapitalmarkts eine Schlüsselrolle,757 da diese die Chancengleichheit in Bezug auf den Zugang zu Informationen sicherstellt. Wenn jedoch zwei Personen den gleichen Informationsstand haben und daher eine Informationsasymmetrie ausgeschlossen ist, kann ein Handeln auf dieser Informationsgrundlage die Chancengleichheit auf dem Kapitalmarkt nicht beeinträchtigen und auch keinem Verbot unterliegen. Die Schlussfolgerung findet auch Bestätigung in Art. 4 Nr. 3 der Interpretation des Obersten Volksgerichtshof und der Generalstaatsanwaltschaft. Dort heißt es, Insiderhandel solle nicht vorliegen, wenn die Handelsaktivitäten auf Basis einer Information erfolgen, die bereits durch einen Dritten enthüllt758 worden ist. Die Formulierung ist zwar nicht eindeutig, weil nicht gesagt wird, in welcher Weise und gegenüber wem diese Enthüllung stattfinden muss. Jedoch geht aus dem Kontext hervor, dass nur der Fall des Face-to-Face-Geschäfts, d. h. die Enthüllung gegenüber dem Vertragspartner, gemeint sein kann. Würde der Dritte die Information gegenüber einer Person (A) enthüllen und diese Person würde daraufhin mit einer weiteren Person (B) ein Wertpapiergeschäft tätigen, würde der Dritte gegen das Preisgabeverbot verstoßen und A würde – zumindest nach den Regelungen des CSRC-Leitfadens – als Tippee gegen das Erwerbsverbot verstoßen, so dass dieser Fall in der Interpretation nicht gemeint sein kann. Weiterhin kann die Interpretation nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Insiderinformation aufgrund der Enthüllung durch den Dritten bereits als offengelegt gilt und so ihren Charakter als Insiderinformation verliert, da eine Enthüllung der Information durch eine Person nicht als Offenlegung im rechtlichen Sinne bewertet werden kann. Eine solche ist nur über die von der CSRC bestimmten Medien möglich. Insofern kann die Interpretation nur so ausgelegt werden, dass die Enthüllung der Information gegenüber dem zukünftigen Vertragspartner zu erfolgen hat. In diesem Fall haben beide Personen den gleichen Informationsstand, und ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot ist – wie auch im deutschen Recht – nicht gegeben, da der typische Unrechtsgehalt des Insiderhandels entfällt. (bb) Unternehmerische Pläne Für das deutsche Recht wurde bereits beschrieben, dass unternehmerische Pläne und Entschlüsse, die unabhängig von einer eventuellen Kenntnis der Insiderinformation umgesetzt werden sollen, nicht dem Insiderhandelsverbot unterfallen können. Eine teilweise Entsprechung dieser sog. Masterplan757  Zheng, Shunyan, Rechtliche Beweismittel bei unrechtmäßigem Verhalten auf dem Wertpapiermarkt, S. 14. 758  Chinesisch: 披露.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Ausnahme hat auch die CSRC in Art. 19 Nr. 2 CSRC-Leitfaden vorgesehen. Diesem zufolge liegt Insiderhandel nicht vor, wenn der kontrollierende Aktionär oder mit dem Unternehmen verbundene Aktionäre aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht mit den Wertpapieren des Emittenten handeln. Diese Regelung ist jedoch wesentlich enger gefasst als der Anwendungsbereich der im deutschen Recht anerkannten Masterplan-Ausnahme. Zum einen betrifft sie nur Geschäfte, die aufgrund eines vorher geschlossenen Vertrags oder aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung getätigt werden, nicht aber solche Geschäfte, die allein aufgrund eines vorher gefassten Plans durchgeführt werden sollen. Zum anderen betrifft sie nur den kontrollierenden Aktionär sowie mit dem Emittenten verbundene Aktionäre, nicht jedoch solche Anleger, die noch keine Aktien des Emittenten halten und den Plan haben, diese Aktien zu erwerben.759 Eine sinnvollere Formulierung erfolgte nun durch die Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft. In Art. 4 Nr. 2 der Interpretation ist eine Ausnahme vorgesehen, die die MasterplanAusnahme wesentlich treffender beschreibt. Demzufolge liegt verbotener Insiderhandel nicht vor, wenn die Wertpapiere aufgrund eines vor Erlangung des Insiderwissens unterzeichneten Vertrags, einer vorher erteilten Order oder eines zuvor gefassten Plans gehandelt werden.760 (cc) Öffentliche Übernahmen Vor dem Hintergrund der Erörterungen zu unternehmerischen Plänen kann sich keine andere Bewertung im Hinblick auf öffentliche Übernahmen ergeben. Fasst der Bieter den Plan, eine Gesellschaft zu übernehmen und führt im Zuge der Umsetzung dieses Plans eine Due-Diligence-Prüfung durch, so ist der Erwerbsplan bereits gefasst und das Ergebnis der Due Diligence kann diesen Plan allenfalls bestärken. Für den Fall, dass das Ergebnis der Due-Diligence-Prüfung dazu führt, dass der Bieter von seinem Plan ablässt, liegt lediglich ein Unterlassen vor, welches jedoch keinen 759  Vor dem Hintergrund dieser Regelung ist unklar, warum die CSRC in Art 21 Nr. 1 CSRC-Leitfaden eine so generelle Formulierung aufgenommen hat, dass Art. 19 Nr. 2 CSRC-Leitfaden seine Berechtigung zu verlieren scheint. Dort ist geregelt, dass kein Insiderhandel vorliegt, wenn der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren keinen Bezug zu einer Insiderinformation hat. Unter diese weite Formulierung könnte man jeden der hier diskutierten Einzelfälle fassen; er entbehrt jeder Konturierung und ist daher in der Praxis nicht zu handhaben. 760  Für kritische Anmerkungen zu dieser Annahme siehe Xie, Securities Market Herald 2012 (11), 4 (6), der fordert, dass in die Interpretation genauere Regelungen aufgenommen werden, unter welchen Voraussetzungen diese Ausnahme vom Insiderhandelsverbot anerkannt werden kann.



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verbotenen Insiderhandel darstellt. Allerdings sollte beachtet werden, dass die Insiderinformation nicht in das Handeln des Bieters einfließen darf. Passt dieser aufgrund der erlangten Insiderinformationen z. B. den Angebotspreis nach unten an, so dürfte nicht mehr allein auf die Ausnahme der bloßen Umsetzung eines Plans nach Art. 4 Nr. 2 der Interpretation zurückgegriffen werden. Es sollte gefragt werden, ob der Plan gem. Art. 21 Nr. 1 CSRC-Leitfaden unabhängig von den erlangten Insiderinformationen umgesetzt wird. Der in Bezug auf die Marktmissbrauchsrichtlinie im europäischen Recht vertretenen Auffassung des EuGH, eine Verwendung der Insiderinformation sei dann zu verneinen ist, wenn der Angebotspreis über dem Marktpreis der Aktien liegt, ist auch für das chinesische Recht zuzustimmen. In diesem Fall ist nicht ersichtlich, welchen Sondervorteil der Bieter aus der eventuellen Verwendung von Insiderinformationen ziehen sollte. Schlägt er jedoch einen geringeren Angebotspreis vor oder korrigiert er seinen Angebotspreis nach Durchführung der Due-Diligence-Prüfung auf einen unter dem Marktpreis der Aktien des Zielunternehmens liegenden Wert, so muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Entscheidung auf Insiderinformationen beruhte und somit das Insiderhandelsverbot zum Tragen kommt. (3) Gewinn und Gewinnerzielungsabsicht Zwei weitere wichtige Frage sind, ob der Insider durch das Geschäft überhaupt einen Gewinn erzielen muss oder ob allein der Handel mit den entsprechenden Wertpapieren – unabhängig davon, ob der Insider am Ende einen Gewinn oder einen Verlust verzeichnet – für die Verwirklichung des Verbotstatbestands genügt und ob dem Insider eine Gewinnerzielungsabsicht nachgewiesen werden muss. Der deutschen Rechtslage vergleichbar kommt es nicht darauf an, ob der Insider tatsächlich einen Gewinn verzeichnen kann, so dass das Erwerbsund Veräußerungsverbot ausgehend von der deutschen Terminologie den Charakter einer Gefährdungshaftung hat. Dies ergibt sich aus mehreren Entscheidungen der CSRC. In einem Fall aus dem Jahre 2008761 war Qu Xiang stellvertretender Bürovorsteher der Shenzhenshi Tefa Group AG, die wiederum kontrollierende Aktionärin der Shenzhenshi Teli Group AG (Teli AG) war. Die Teli AG wollte auf der Basis eines bereits bestehenden Kooperationsvertrags in Bezug auf den Wiederaufbau und die Weiterentwicklung zweier Fabriken mit der Shenzhenshi Jimeng Jewelery AG (Jimeng AG) ein Joint Venture gründen, welches für die Teli AG große finanzielle 761  Verwaltungssanktion 2008 Nr. 49 der CSRC v. 27.11.2008 gegen Qu Xiang (中国证监会行政处罚决定书(瞿湘)– (2008) 49号) a. E.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Vorteile mit sich brächte. Qu Xiang, der den entsprechenden Verhandlungen beiwohnte, kaufte vor Veröffentlichung der Information über den Fortgang der Zusammenarbeit und die Gründung des Joint Ventures Aktien der Teli AG. Als Qu Xiang die Aktien nach ca. drei Monaten wieder verkaufte, machte er einen Verlust. In der Entscheidung gibt die CSRC an, sich der Situation bewusst zu sein, dass Qu Xiang durch den Insiderhandel einen Verlust erlitten hat, über diese Feststellung hinaus äußert sie sich jedoch nicht weiter zu diesem Problem und erlegt Qu Xiang ein Bußgeld auf. Aus dieser Entscheidung ist zu schließen, dass die CSRC eine Verwaltungssanktion unabhängig davon erlässt, ob der Insiderhandel tatsächlich zu einem Gewinn geführt hat. Im Hinblick auf die Frage einer möglichen Gewinnerzielungsabsicht besteht die einhellige Auffassung, dass es wie im deutschen Recht nicht Ziel des Insiders sein muss, einen Gewinn zu erzielen oder einen Verlust zu vermeiden.762 Eine solche Gewinnerzielungs- bzw. Verlustvermeidungsabsicht wurde – ähnlich der deutschen Rechtslage vor dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz – in § 3 der Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud gefordert. Sie ist aber im heutigen Wortlaut der §§ 73 und 76 WpG nicht mehr zu finden. Dies ist wohl auf die Erkenntnis des chinesischen Gesetzgebers zurückzuführen, dass es kaum denkbar ist, dass ein Insider ohne die Absicht einen entsprechenden Gewinn zu erzielen, handelt und daher das Erfordernis des Beweises einer solchen Gewinnerzielungsabsicht Behörden und Gerichte nur vor unnötige Probleme gestellt hat. Zwar könnte man aus der Tatsache, dass § 73 WpG vom Ausnutzen763 der Information spricht, schließen, dass der Gesetzgeber eine Gewinnerzielungsabsicht im Gesetz verankern wollte. Doch findet sich diese Wortwahl nicht in der spezielleren Norm des § 76 WpG wieder, der es einem Insider verbietet, Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen und kein Ausnutzen der Insiderinformation fordert. Daraus und auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber die ausdrücklich in den Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud niedergelegte Gewinnerzielungsabsicht nicht in das WpG übernommen hat, ist zu schließen, dass der Beweis einer solchen Absicht nicht nötig ist.764 762  Vgl. z. B. ausführlich Guo, Feng, Journal of Law Application 2008 (4), 84 (88); Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 419; Guo, Jinxiu / Jiang, Jin, Wertpapiergesetz, S. 174; anders nur Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleit­ faden, WpG, S. 210, die auf die Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud abstellen, in denen der Handelnde das Ziel der Erzielung eines Gewinnes oder der Verringerung eines Verlustes haben musste. 763  Chinesisch: 利用. 764  Insofern führt auch die Formulierung des § 73 der Regulation on the Administration of Futures Trading, in dem ebenfalls vom Ausnutzen der Information die



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bb) Das Preisgabeverbot Der chinesische Gesetzgeber will nicht nur verhindern, dass auf Basis einer Insiderinformation mit Wertpapieren gehandelt wird, sondern auch, dass die Insiderinformation an andere Personen weitergegeben wird, die diese wiederum zu ihrem Vorteil nutzen können. Der wertpapiergesetzliche Verbotstatbestand verbietet es einem Insider, die Insiderinformation anderen Personen preiszugeben.765 Es wird angenommen, dass davon jede Art der Zugänglichmachung umfasst ist, d. h. diese kann egal ob schriftlich oder mündlich durch eine direkte Unterrichtung eines Dritten oder durch einen Andeutung erfolgen.766 Eine Preisgabe wird auch dann bejaht, wenn der Insider dem Dritten die Möglichkeit gibt, Kenntnis von der Insiderinformation zu nehmen.767 Anders als im deutschen Recht wird nicht diskutiert, ob der Dritte die Information in diesem Fall auch tatsächlich zur Kenntnis nehmen muss. Umfasst die Preisgabe einer Insiderinformation jedoch neben der direkten Unterrichtung auch den Fall, dass der Insider dem Dritten lediglich die Möglichkeit gibt, von der Insider­ information Kenntnis zu nehmen, so wäre es angemessen, für diese Form der Preisgabe zu fordern, dass der Dritte tatsächlich Kenntnis von der Information nimmt. Nur in diesem Fall besteht das Risiko, dass der Dritte mit den entsprechenden Wertpapieren handelt, die Information seinerseits preisgibt oder aufgrund der Information eine Empfehlung ausspricht. Erst wenn diese Voraussetzung vorliegt, ist eine Preisgabe in der Form, dass es einem Dritten ermöglicht wird, Kenntnis von einer Information zu nehmen, vergleichbar mit der direkten Preisgabe einer Information an einen Dritten. Unter das Preisgabeverbot fällt auch die Situation, in der der Insider die Information zunächst preisgibt und anschließend eine Empfehlung auf Basis der Insiderinformation ausspricht.768 Das chinesische WpG differenziert nicht danach, ob die Informationsweitergabe befugt oder unbefugt erfolgt.769 Früher wurde zum Teil gefordert, Rede ist, zu keinem anderen Ergebnis, da der Gesetzgeber keine unterschiedliche Behandlung von Futures und sonstigen Wertpapieren gewollt haben kann und im verwaltungsrechtlichen Sanktionstatbestand des § 202 WpG, der dem § 73 der Regulation on the Administration of Futures Trading gleicht, ebenfalls kein Ausnutzen der Insiderinformation vorgesehen ist. 765  Chinesisch: 泄漏. 766  Lei, Comparative Study, S. 75; Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 280; Zhang, Dingyue, Kontroverse Probleme im Hinblick auf strafbaren Insiderhandel, S. 18. 767  Lei, Comparative Study, S. 75. 768  Cheng, Law Review 2006 (4), 136 (139). 769  Siehe dazu schon Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 259.

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dass der die Insiderinformation Erhaltende tatsächlich aufgrund dieser Information Wertpapierhandel betreibt.770 Diese Ansicht rührte vermutlich aus der Formulierung der Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud, die in § 4 Nr. 2 forderten, dass der Insider die Information preisgibt, um andere zu veranlassen, diese Information zu nutzen, um mit Wertpapieren zu handeln. In der aktuelleren Literatur wird dieses Kriterium nicht mehr herangezogen. Vielmehr wird in der Preisgabe der Information bereits ein Gebrauch der Insiderinformation und somit ein Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften gesehen.771 Darauf, ob für den Insider, der die Information preisgibt, ein Gewinn aus der Preisgabe resultiert oder nicht, kommt es nicht an.772 cc) Das Empfehlungsverbot Schließlich ist es einem Insider verboten, es anderen Personen zu empfehlen, bestimmte Wertpapiere zu kaufen oder verkaufen. Eine Empfehlung liegt vor, wenn der Insider einen günstigen Zeitpunkt für ein Geschäft, bestimmte Wertpapiere oder ein bestimmtes Geschäftsvolumen vorschlägt oder auf ein bestimmtes Preisniveau der Wertpapiere hinweist.773 Im Gegensatz zum Preisgabeverbot unterrichtet der Insider den Empfehlungsempfänger hier nicht über den Inhalt der Insiderinformation.774 Der Insider muss nach allgemeiner Ansicht auf der Basis der ihm bekannten Insiderinformation eine solche Empfehlung aussprechen.775 Auch hier findet sich also wiederum die Voraussetzung des Gebrauchmachens der Insiderinformation. Zwar ist im Wortlaut des § 76 WpG im Gegensatz zu § 4 Nr. 1 der Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud nicht mehr ausdrücklich ein Handeln aufgrund der Insiderinformation gefordert, jedoch ergibt sich bereits aus der Natur der Sache, dass eine Empfehlung nur 770  Cheng, Law Review 2006 (4), 136 (139); zu diesem Problem auch Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 259 mit Verweis auf Huang, Chidong / Gao, Neue Erklärungen und Erläuterungen zum Wertpapiergesetz, S. 1123; Bian, Kommentar zum WpG, S. 128. 771  Wang, Juan, Analyse des Insiderhandelsüberwachungssystems, S. 8. 772  Wang, Juan, Analyse des Insiderhandelsüberwachungssystems, S. 8. 773  Lei, Comparative Study, S. 78. 774  Vgl. dazu das Beispiel zur Abgrenzung von Preisgabe einer Insiderinforma­ tion und Empfehlung auf Basis einer Insiderinformation bei Cheng, Law Review 2006 (4), 136 (139). 775  Cai, Yi, Analyse der wichtigsten Änderungen des Wertpapiergesetzes; Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 280; Wang, Juan, Analyse des Insiderhandelsüberwachungssystems, S. 8; in diese Richtung gehend auch Liu, Tianli / Huo, Rechtsvergleichende Analyse zu den Voraussetzungen des Insiderhandels.



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aufgrund einer dem Insider bekannten Information erfolgen kann, um unter den Verbotstatbestand gefasst werden zu können. Aus dem Wortlaut des § 76 WpG ergibt sich, dass – vergleichbar der deutschen Rechtslage – die bloße Empfehlung für das Eingreifen des Verbotstatbestands genügt und ein darüber hinausgehendes Handeln des Empfehlungsempfänger gemäß der Empfehlung nicht nötig ist.776 dd) Ausnahmetatbestände § 76 Abs. 2 WpG sieht im Rahmen einer Ausnahme vor, dass kein Insiderhandel vorliegen soll, wenn ein Aktionär, der allein oder gemeinsam mit einer anderen Person aufgrund eines Vertrags oder anderer Vereinbarungen 5 % oder mehr der Aktien einer börsennotierten Gesellschaft hält, weitere Aktien der Gesellschaft kaufen will. Weiterhin sieht der CSRC-Leitfaden in Art. 19 Nr. 1 vor, dass der Rückkauf von Aktien durch börsennotierte Unternehmen keinen Insiderhandel darstellt. Er macht somit dieselbe Ausnahme vom Insiderhandelsverbot wie § 14 Abs. 2. Alt.  1 WpHG. Für Kursstabilisierungsmaßnahmen hingegen ist keine ausdrückliche Ausnahme vorgesehen; solche könnten jedoch gegebenenfalls gem. Art. 19 Nr. 3 CSRC-Leitfaden auf Basis des dort vorgesehenen Genehmigungsvorbehalts von der CSRC genehmigt werden. Schließlich enthält Art. 19 Nr. 2 CSRC-Leitfaden i. V. m. Art. 20 Nr. 1 CSRC-Leitfaden die bereits im Rahmen der Verwendung der Insiderinforma­ tion diskutierte Masterplan-Ausnahme für die Umsetzung unternehmerischer Pläne und Entschlüsse.777 ee) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme Generell verbieten sowohl das deutsche Wertpapierhandelsgesetz als auch das chinesische Wertpapiergesetz den Handel mit Wertpapieren auf Basis einer Insiderinformation, die Weitergabe bzw. Preisgabe einer Insiderinformation sowie die Abgabe einer Empfehlung zur Tätigung bestimmter Wertpapiergeschäfte. 776  So auch Huang, Hui, 17 Australian Journal of Corporate Law 2005, 281 (288); a. A. Yang, Fei / Zuo, Wertpapiergesetz, S. 280. 777  Art. 20 CSRC-Leitfaden enthält weitere Ausnahmen, allerdings werden hier nur Situationen genannt, in denen denklogisch kein Insiderhandel vorliegen kann, z. B. der Fall, dass der Handelnde rechtmäßige Gründe hatte zu glauben, die Information sei bereits offengelegt worden oder dass er nicht wusste, dass es sich bei der Person, die die Information preisgab, um einen Insider oder bei der preisgegebenen Information um eine Insiderinformation handelte.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Anders als in Deutschland unterfallen in China die meisten Insiderfälle mangels Vorliegens eines schweren oder besonders schweren Falls dem wertpapierrechtlichen Verbotstatbestand und haben keine strafrechtlichen Konsequenzen. Dies hat jedoch grundsätzlich keinen Einfluss auf die Vergleichbarkeit der in beiden Ländern im Gesetz niedergelegten Verbotstatbestände. (1) Das Erwerbs- und Veräußerungsverbot Hinsichtlich des Erwerbs- und Veräußerungsverbots ergeben sich im Vergleich zum deutschen Recht keine nennenswerten Unterschiede. Im deutschen Recht, wo ganz strikt zwischen obligatorischem und dinglichem Geschäft getrennt wird, ist bei der Auslegung der Begriffe Erwerb bzw. Veräußerung auf das obligatorische Geschäft und nicht erst auf das Verfügungsgeschäft abzustellen. Dies jedoch nur, wenn das obligatorische Geschäft unbedingt und bindend ist. Dann nämlich erhält der Insider bereits eine gesicherte Erwerbs- oder Veräußerungsposition und es kann insofern nicht mehr auf die Erlangung der Verfügungsmacht über das gehandelte Finanzinstrument ankommen. Würde man erst das dingliche Geschäft als insiderrelevantes Geschäft ansehen, würden alle diejenigen Fälle, in denen der Insider z. B. Verkäufe tätig, ohne jedoch tatsächlich über das Finanzinstrument zu verfügen, durch das Raster fallen, obwohl solche Geschäfte das Anlegervertrauen genauso negativ beeinflussen können wie Geschäfte, in denen der Handelnde tatsächlich Verfügungsmacht über das Finanzinstrument hat. In China ist es schon deshalb geboten, an den Abschluss des Vertrags anzuknüpfen, weil dort höchst umstritten ist, ob es die im deutschen Recht bekannte Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft überhaupt gibt. Der chinesische Gesetzgeber hat sich trotz lang anhalten Diskussionen schlussendlich gegen die Einführung des Trennungsund Abstraktionsprinzips in das neue Sachenrecht entschieden. Die herrschende Meinung in der chinesischen Literatur sieht die Übergabe richtigerweise als Realakt an, der anders als im deutschen Recht nicht unabhängig von der Gültigkeit des Vertrags ist. Aus diesem Grunde ist nicht nur dem Abstraktions-, sondern auch dem Trennungsprinzip im chinesischen Recht die Geltung abzusprechen. Zwar kann man zwischen dem Vertrag und der anschließend erfolgenden Übergabe unterscheiden, jedoch stellt diese kein Rechtgeschäft dar, so dass auch die Anwendung des Trennungsprinzips obsolet ist, da dieses gerade von zwei getrennten Rechtsgeschäften ausgeht. Ein zentrales Problem des chinesischen Erwerbs- und Veräußerungsverbots ist die Frage, ob für die Bejahung eines Verstoßes eine Verwendung der Insiderinformation zu fordern ist. Die Problematik ist an dieser Stelle insofern nicht mit der Rechtslage in Deutschland vergleichbar, als ein Verstoß



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gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot dort stets strafrechtliche Konsequenzen hat und nicht wie im chinesischen Recht auch verwaltungsrechtliche Rechtsfolgen, die der deutschen ordnungswidrigkeitenrechtlichen Geldbuße vergleichbar sind, vorgesehen sind. Auch wenn das chinesische Gesetz in sich widersprüchlich ist, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, ob der Gesetzgeber eine Verwendung fordert oder nicht, spricht viel dafür, der generellen Norm des § 73 WpG zu entnehmen, dass die Verwendung der Insiderinformation vom Gesetzgeber als eine notwendige Voraussetzungen für die Bejahung eines Verstoßes gegen das Insiderhandelsverbot gesehen wurde. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass in der entsprechenden Regelung, die sich auf Futures bezieht, auch eine Verwendung der Insiderinformation gefordert wird und es nicht gewollt sein kann, dass der Handel mit Futures anderen Maßstäben unterworfen wird als der Handel mit Wertpapieren. Die in der Rechtspraxis mittlerweile vom Obersten Gerichtshof durch die Konferenz-Mitteilung bestätigte Vermutungsreglung dahingehend, dass bei Vorliegen bestimmter von der CSRC zu beweisender Umstände vermutet wird, dass der Handelnde unter Verwendung einer Insiderinformation agiert hat, ist zunächst deshalb nicht zu beanstanden, weil im chinesischen Recht der Grundsatz der Unschuldsvermutung für den Erlass von Verwaltungssanktionen – unabhängig davon, ob man diesen Umstand kritisieren mag – nicht gilt und insofern der Einführung einer Vermutungsregelung nichts im Wege steht. Das sich auf der Basis dieser neuen Entwicklungen darstellende Gesamtkonzept der verwaltungsrechtlichen Bestrafung von Verstößen gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot ist jedoch trotzdem nicht ganz schlüssig. Einerseits scheint die CSRC und auch die Rechtsprechung davon auszugehen, dass auf das Merkmal der Verwendung nicht verzichtet werden kann. Andererseits sehen beide sich erheblichen Beweisschwierigkeiten gegenüber und versuchen, durch Vermutungsregelungen zu praxisgerechteren Ergebnissen zu kommen. Die Darlegung der Voraussetzungen der Vermutungsregelung dürfte der CSRC in der Regel nicht schwer fallen. Die Voraussetzungen sind recht einfach gestrickt, und es dürfte daher leicht sein, zumindest eine Verbindung zwischen dem Handeln eines Insiders und einer Insiderinformation oder eine Übereinstimmung des Handelns mit der Insiderinformation darzulegen. Auf der Basis dieser Vermutungsregelung wird daher die Ahndung des Handelnden in Zukunft die Regel sein. Bei einer so weitreichenden Vermutungsregelung, die das Erwerbs- und Veräußerungsverbot quasi als absolutes Verbot darstehen lässt, wäre es sinnvoller gewesen, man hätte sich zu der Position bekannt, das Element der Verwendung der Insiderinformation nicht als eine der Voraussetzungen für die Verwirklichung des Verbotstatbestands betrachten zu wollen. Dann hätte der Gesetzgeber sowohl das Wertpapiergesetz als auch die entsprechende Regelung in Bezug auf den Handel mit Futures von dem Erfordernis der Verwendung der Insiderinformation befreien müssen. Ge-

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setzlich vorgesehen gewesen wäre dann ein absolutes Verbot, welches jedem, der auch nur im Besitz einer Insiderinformation ist, den Handel mit den entsprechenden Finanzinstrumenten verbietet. Hätte der chinesische Gesetzgeber dieses Verbot als zu harsch empfunden, hätte er sich durchaus entschließen können, Ausnahmetatbestände in das Gesetz aufzunehmen, die dem Rechtsanwender vor Augen führen, in welchen Situationen sein Handeln nicht unter den Verbotstatbestand fällt, obwohl er im Besitz einer Insiderinformation ist. Dies würde jedem die Möglichkeit geben, sein Handeln und seine Entscheidungen ausreichend zu dokumentieren und sich so gegen eine eventuelle Ahndung zu schützen. Der Weg jedoch, den der Oberste Volksgerichtshof gegangen ist, indem er quasi durch die Hintertür ein absolutes Handelsverbot im Gewand bestimmter Vermutungsregelungen einführt, ist bedenklich. Die Komplexität der insiderrechtlichen Regelungen wird es nur wenigen Rechtsanwendern ermöglichen, die Rechtsfolgen eines Verstoßes zu überblicken und sich dementsprechend zu verhalten. Im Sinne der Normklarheit wäre es daher wünschenswert, der chinesische Gesetzgeber würde sich für ein Konzept entscheiden und entweder eine eindeutiges absolutes Handelsverbot in das Gesetz aufnehmen oder die Anwendbarkeit der Vermutungsregelungen überdenken. (2) Das Preisgabe- und Empfehlungsverbot Im Hinblick auf das Preisgabeverbot, das dem deutschen Weitergabeverbot entspricht, ergibt sich zwischen den beiden Rechtsordnungen ein nennenswerter Unterschied. Während in Deutschland eine Weitergabe von Insiderinformationen nur dann unter das Weitergabeverbot fällt, wenn diese Weitergabe unbefugt war, unterfällt im chinesischen Insiderrecht jede Weitergabe von Insiderinformationen dem Preisgabeverbot. Zu Recht wird im deutschen Recht die Weitergabe einer Insiderinformation an einen unternehmensinternen Dritten nicht als unbefugt betrachtet, wenn eine solche Weitergabe für diesen zur ordnungsgemäßen Ausübung seiner Tätigkeit nötig ist. Vor dem Hintergrund, dass der Informationsfluss in einem Unternehmen zwischen verschiedenen Personen oder sogar Abteilungen unerlässlich ist und die täglichen Abläufe in hohem Maße gestört würden, wenn man jegliche Weitegabe von Informationen verbieten würde, ist eine solche Herangehensweise die einzig denkbare. Genauso selbstverständlich ist, dass die Informationsweitergabe an Unternehmensexterne wesentlich restriktiver zu handhaben ist und eine solche nur dann als befugt gelten kann, wenn sie für die Aufgabenerfüllung durch den unternehmensexternen Dritten unerlässlich ist. Unterbindet man diese existentiell wichtigen Informationsströme ohne Ausnahme, stellt man die Praxis vor nicht zu lösende Probleme. Der Informationsfluss im Unternehmen wird dadurch unmöglich gemacht, ob-



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wohl eine innerbetriebliche Weitergabe von Informationen oftmals zur sachgerechten Ausübung bestimmter Aufgaben und Tätigkeiten unerlässlich ist. Gleiches gilt für die Informationsweitergabe an Unternehmensexterne. Dem chinesischen Wertpapiergesetz zufolge wäre es verboten, im Rahmen einer Due Diligence Insiderinformationen an den potentiellen Käufer weiterzugeben. Diese Weitergabe ist jedoch zwingend nötig, wenn der Verkäufer nicht riskieren will, dass der Käufer die Vertragsverhandlungen abbricht. Auch jede Informationsweitergabe an Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer etc., sei es im Rahmen eines Akquisitionsvorhabens oder eines sonstigen Projekts wäre unzulässig. Dass dieses Ergebnis nicht gewollt sein kann, liegt auf der Hand. Die CSRC und die Gerichte haben, soweit ersichtlich, bisher nicht über einen solchen Fall entschieden. Um der Situation in der Praxis gerecht zu werden und den Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots nicht beliebig auszudehnen, ist dem chinesischen Gesetzgeber dringend zu raten, dieses Verbot dahingehend einzuschränken, dass – wie im deutschen Recht – nur die unbefugte Preisgabe von Insiderinformationen verboten ist. Es ist zu bedauern, dass der Oberste Volksgerichtshof und die Generalstaatsanwaltschaft nicht die Chance genutzt haben, diese offensichtlich inadäquate Regelung im Rahmen der Interpretation so auszulegen und teleologisch zu reduzieren, dass nur die unbefugte Preisgabe von Insiderinformationen erfasst ist. Im Hinblick auf das Empfehlungs- bzw. Empfehlungs- und Verleitungsverbot ergibt sich zwischen den beiden Rechtsordnungen kein großer Unterschied. Das chinesische Wertpapiergesetz spricht allein von dem Begriff der Empfehlung, das deutsche Wertpapierhandelsgesetz spricht davon, dass der Täter einem Dritten den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten entweder empfehlen oder ihn dazu verleiten kann, wobei das Empfehlen einen Unterfall des Verleitens darstellt. Das chinesische Insiderhandelsverbot dürfte aufgrund der Tatsache, dass es sonstige Formen des Verleitens nicht explizit ausschließt nicht weniger weitreichend sein als das deutsche Äquivalent. Die Tathandlung des Verleitens setzt voraus, dass der Wille eines Dritten in Bezug auf eine bestimmte Insiderpapiertransaktion beeinflusst wird, und es ist nur schwer vorstellbar, welches Verhalten, das den Willen eines anderen derart beeinflusst, nicht zugleich den Charakterzug einer Empfehlung haben soll. Dass das Verleiten als Oberbegriff behandelt wird, der das Empfehlen umschließt, unterliegt die Tathandlung des Verleitens ansonsten denselben Voraussetzungen wie die des Empfehlens.778 Aus diesen Gründen ist anzunehmen, dass ihr in der Praxis wenig Bedeutung zukommt.

778  So

auch Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 14 Rn. 126 ff.

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(3) Ausnahmetatbestände Die im chinesischen Recht vorgesehenen Ausnahmetatbestände zum Insiderhandelsverbot sind grundsätzlich vergleichbar mit den im deutschen Recht zu findenden Regelungen. Einzig auf die Ausnahme der Kursstabilisierungsmaßnahmen, die im chinesischen Recht keine ausdrückliche Entsprechung finden, soll an dieser Stelle noch einmal eingegangen werden. Unter den Begriff der Kursstabilisierungsmaßnahmen fallen Geschäfte, die zur Vermeidung bestimmter Kursentwicklungen dienen. Sie sollen Kursentwicklungen entgegen wirken, die sich nicht aufgrund der Geschäftslage des Emittenten oder der allgemeinen Marktentwicklung vollziehen. Eingesetzt werden Kursstabilisierungsmaßnahmen beispielsweise, wenn bestimmte Finanzinstrumente unter Verkaufsdruck geraten sind. Solche Situationen kommen häufig nach der Platzierung von Wertpapieren am Markt vor. Die kursstabilisierenden Geschäfte sollen helfen, z. B. erhebliche Preisschwankungen zu vermeiden, die aufgrund der erhöhten Nachfrage nach den emittierten Wertpapieren entstehen, die jedoch nicht den korrekten Marktwert der Papiere widerspiegeln. Insofern dienen Kursstabilisierungsmaßnahmen vor allem der Funktionsfähigkeit des Markts und damit auch wiederum dem Schutz der Anleger. Ein stabiler Markt, der auch bei Neuemissionen nicht den Anschein erweckt, großen Volatilitäten zu unterliegen, stärkt das Vertrauen der Anleger in den Markt. Es ist daher zu begrüßen, dass der europäische und damit auch der deutsche Gesetzgeber eine solche Ausnahme im Gesetz vorgesehen haben. Dem chinesischen Gesetzgeber ist zu raten, über die bloße Durchführung von Rückkaufprogrammen, die ebenfalls der Kursstabilisierung dienen können, hinaus auch explizit sonstige Maßnahmen zur Kursstabilisierung aus dem Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots herauszunehmen. Erfüllen solche Maßnahmen den Tatbestand des Insiderhandelsverbots und werden deshalb nicht vorgenommen, wird die Volatilität des chinesischen Markts, die ohnehin schon viel größer ist als die des deutschen Markts, in bestimmten Situationen nur unterstützt und untergräbt z. B. bei der Neuplatzierung von Aktien das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt. e) Vorsatz Ob ein Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften, welches die Verhängung einer Verwaltungssanktion zur Folge hat, Vorsatz oder Fahrlässigkeit (oder ein ähnliches subjektives Merkmal) erfordert, ist ungeklärt. Während § 14 StG die Strafbarkeit wegen Insiderhandels eindeutig davon abhängig macht, dass der Täter vorsätzlich handelte und § 15 Abs. 2 StG zufolge ein fahrlässiges Verhalten nur bestraft werden kann, wenn dies aus-



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drücklich angeordnet ist, fehlt eine entsprechende Regelung im Verwaltungssanktionsrecht. § 202 WpG, der die Verhängung von Verwaltungssanktionen wegen Insiderhandels regelt, erfordert seinem Wortlaut nach nicht Vorsatz, Fahrlässigkeit oder andere subjektive Merkmale. Es existiert im chinesischen Law on Administrative Penalty auch keine § 10 des deutschen Ordnungswidrigkeitengesetzes vergleichbare Norm, die generell für die Verhängung von Verwaltungssanktionen Vorsatz erfordert. Die CSRC und die Literatur behandeln diese Frage nicht, sondern streifen sie lediglich. Teilweise wird unter einem „Vorsatzerfordernis“ nur die Forderung behandelt, dass der Handelnde wissen muss, dass es sich bei der Information, von der er Kenntnis hat, um eine noch nicht öffentlich bekannte Information mit Kursbeeinflussungspotential handelt.779 Darüber hinaus gibt es im Rahmen des Preisgabeverbots eine Diskussion, ob eine Preisgabe der Information nur dann ein verbotswidriges Verhalten darstellen kann, wenn die Preisgabe vorsätzlich erfolgt.780 Aus der Entscheidungspraxis der CSRC geht hervor, dass sie in Bezug auf das Preisgabeverbot zumindest ein fahrlässiges Handeln voraussetzt.781 Daraus lässt sich jedoch keine Schlussfolgerung dahingehend ziehen, dass Vorsatz oder Fahrlässigkeit im Hinblick auf alle objektiven Merkmale des Verbotstatbestands gefordert wird. Allerdings verdeutlicht diese Diskussion, auch wenn sie nicht ein generelles Vorsatz- oder Fahrlässigkeitserfordernis zum Gegenstand hat, sondern sich nur auf Einzelfragen insoweit bezieht, in welche Richtung eine Beantwortung dieser Frage gehen müsste (und in einigen Jahren wahrscheinlich auch gehen wird): Die Verhängung von Sanktionen wegen vo­rangegangenen Fehlverhaltens erfordert immer auch ein subjektives Element. Es bleibt abzuwarten, wie das chinesisch Recht die Voraussetzungen insoweit ausgestaltet.

779  Huang, Hui, 17 Australian J. Corp. L. 2005, 281 (290); ders., International Securities Markets, S. 229; in diese Richtung gehend auch Yang, Liang, Theorie des Insiderhandels, S. 218. 780  Fahrlässiges Verhalten als ausreichend betrachtend Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG, S. 210, die sich jedoch unverständlicherweise auf die Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud beziehen, die nicht mehr in Kraft sind; Zeng, Yang, Wertpapierrecht, S. 419 sowie Wang, Yu / Li / Zhang, Jinchun, Wertpapiergesetz, S. 481, die von einer „unbewussten“ (Chinesisch: 无意) Preisgabe sprechen, im Ergebnis jedoch auf eine fahrlässige Preisgabe abstellen; für ein vorsätzliches Verhalten plädierend Huang, Hui, 5 J. Bus. L. 2012, 379 (387); Yang, Liang, Theorie des Insiderhandels, S. 218. 781  Verwaltungssanktion 2010 Nr. 32 der CSRC v. 9.8.2010 gegen Kuang Yong, Zhang Shuyu und Xu Qin (中国证监会行政处罚决定书(况勇、张蜀渝、徐琴) -(2010)32号).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

2. Der Verbotstatbestand der Regulation on the Administration of Futures Trading Neben dem Wertpapiergesetz verbietet auch § 73 der vom Staatsrat erlassenen Regulation on the Administration of Futures Trading (Futures Regulation) Insidergeschäfte auf der Basis von Insiderinformationen in Bezug auf den Handel mit Terminkontrakten. a) Rechtslage in China Im Folgenden sollen die wesentlichen vier Unterschiede dieses Verbots­ tatbestands im Vergleich zum wertpapierrechtlichen Verbotstatbestand dargestellt werden. Der erste Unterschied besteht im Hinblick auf die erfassten Insider. Das Verbot von Insidergeschäften besteht auch in der Futures Regulation nicht für jedermann, sondern nur für bestimmte, in § 82 Abs. 12 Futures Regulation aufgezählte Personen sowie für Personen, die die Insiderinformation auf unrechtmäßigem Wege erlangt haben. § 82 Abs. 12 Futures Regulation bestimmt, dass Personen, die Kenntnis von Insiderinformationen haben, solche sind, die durch ihre Position im Management, ihre Kontrollfunktion oder ihren Beruf oder die durch ihre Pflichten als Angestellte oder professionelle Berater Zugang zu Insiderinformationen haben oder diese erhalten, einschließlich der leitenden Angestellten der Terminbörsen sowie anderer Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Position an Insiderinformationen gelangen können und Angestellter der Terminhandelsüberwachungsbehörden sowie anderer damit verbundener Abteilungen. Hier wird also wie in § 74 WpG wieder das Wort „einschließlich“782 gewählt, was zu der Frage führt, ob die Aufzählung abschließend ist. Es lässt sich für die Bejahung eines abschließenden Charakters die Argumentation zu diesem Problem im Rahmen des wertpapierrechtlichen Insiderbegriffs übertragen, insbesondere deshalb, weil auch § 82 Nr. 12 der Regulation on the Administration of Futures Trading eine Ermächtigungsgrundlage enthält auf Basis derer die CSRC weitere Personen vorschreiben kann, die als Personen mit Kenntnis von Insiderinformationen anzusehen sind. Diese Auslegung führt hier jedoch zu einer noch größeren Lückenhaftigkeit des Insiderbegriffs als dies im Wertpapiergesetz der Fall ist, weil die Futures Regulation eine noch eingeschränktere Anzahl an Personen zu Insidern macht. In der Praxis behilft die CSRC sich hier mit dem unrechtmäßigen CSRC-Leitfaden, der auch auf den Handel mit Futures Anwendung findet. 782  Chinesisch:

包括.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse

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Dies resultiert daraus, dass im zweiten Teil des CSRC-Leitfadens, der sich mit dem Insiderhandelsverbot auseinandersetzt, in Art. 4 Abs. 2 klargestellt wird, dass die Regelungen des Leitfadens auch auf jegliche Art von Insiderhandel anwendbar sein sollen, der an anderen vom Staatsrat genehmigten Börsen auftritt. Ein weiterer Unterschied zum Wertpapiergesetz sind die Finanzinstrumente, auf die sich der Verbotstatbestand bezieht. Die Futures Regulation bezieht sich auf an Terminbörsen gehandelte Futures. Dabei unterscheidet Art. 82 Abs. 1 S. 1 Futures Regulation zwischen Warenterminkontrakten und Finanzterminkontrakten. Bei den Warenterminkontrakten dienen landwirtschaftliche Produkte, industrielle Produkte, Energie und andere Waren sowie auch der entsprechende Warenindex als Basiswerte. Bei den Finanzterminkontrakten können handelbare Wertpapiere, Zinssätze, Devisenkurse und andere Finanzprodukte sowie die entsprechenden Indizes den Basiswert darstellen. In China gibt es momentan drei Warenterminbörsen (Dalian Commodity Exchange, Shanghai Futures Exchange und Zhengzhou Commodity Exchange) und eine Terminbörse (China Financial Futures Exchange), an denen die Terminkontrakte gehandelt werden. Ein dritter Unterschied, der bereits kurz zur Sprache gekommen ist, ergibt sich im Hinblick auf die Definition der Insiderinformation. § 82 Abs. 11 Futures Regulation definiert diese als Information, die noch nicht veröffentlicht worden ist und einen erheblichen Einfluss auf den Handelspreis der Futures haben kann. Hier kommt es also im Gegensatz zum Gesetzeswortlaut des Wertpapiergesetzes nicht darauf an, ob der Handelspreis wirklich beeinflusst wurde. Der Wortlaut entspricht damit dem des deutschen Wertpapierhandelsgesetzes und auch den im Rahmen dieser Darstellung zum wertpapierrechtlichen Insiderinformationsbegriff gefundenen Ergebnis. Auch hier werden Fälle einer erheblichen Insiderinformation aufgezählt, wie z. B. die von der CSRC und entsprechenden Abteilungen formulierten Leitlinien, Entscheidungen der Terminbörsen oder Details in Bezug auf Geldmittel und Handelstendenzen der Mitglieder und Kunden der Terminbörsen, die einen erheblichen Einfluss auf den Handelspreis der Futures haben können. Genauso wie im wertpapierrechtlichen Insiderinformationsbegriff ist es hier unbeachtlich, ob diese Aufzählung eine abschließende oder eine bespielhafte ist783, weil die CSRC ermächtigt wird, formlos weitere Informationen als Insiderinformationen anzuerkennen, die den Voraussetzungen der Legaldefinition entsprechen. Der letzte Unterschied ergibt sich bei der Betrachtung der verbotenen Verhaltensweisen. Im Gegensatz zum wertpapierrechtlichen Verbotstatbe783  Im Gegensatz zum wertpapierrechtlichen Insiderinformationsbegriff wird hier wieder das Wort „einschließlich“ gebraucht, was für eine abschließende Regelung spricht.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

stand enthält dieses Verbot nur zwei Handlungsalternativen: erstens den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren unter Ausnutzung einer Insiderinformation und zweitens die Preisgabe einer Insiderinformation. Es ist somit kein Empfehlungsverbot enthalten. Das ist nicht nachvollziehbar, weil der insiderrechtliche Straftatbestand in § 180 StG ein Handels-, Preisgabe- und Empfehlungsverbot enthält. Dies hat zur Konsequenz, dass in Fällen, in denen ein Insider eine Empfehlung an einen Dritten ausspricht alleine eine strafrechtliche Sanktion in Betracht kommt. b) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme Zunächst lässt sich feststellen, dass der Verbotstatbestand der Futures Regulation teilweise noch lückenhafter geregelt ist als der wertpapierrechtliche Verbotstatbestand. Ein grundlegender Unterschied zwischen der chinesischen und der deutschen Regelungssystematik ergibt sich schon deshalb, weil der deutsche Gesetzgeber für Wertpapiere und Futures eine einheitliche Regelung im Wertpapierhandelsgesetz vorsieht. Der chinesische Gesetzgeber hingegen hat im Wertpapiergesetz nur Wertpapiere erfasst und für Futures eine eigene gesetzliche Regelung vorgesehen. Diese Vorgehensweise ist insofern nicht nachvollziehbar, als Futures in China keine Finanzinstrumente sind, die sich erst in den letzten Jahren entwickelt haben. Warenterminbörsen entwickelten sich vielmehr bereits zur Zeit der Entstehung der ersten Börsen. Insofern hätte der chinesische Gesetzgeber bei der letzten Änderung des Wertpapiergesetzes vorausschauend den Anwendungsbereich des Gesetzes über die Wertpapiere hinaus auch auf Futures ausweiten können. Stattdessen hat der Staatsrat im Jahre 2007 eine spezielle Vorschrift erlassen, die die Behandlung von Futures ganz unabhängig vom Wertpapiergesetz erfasst. Hier scheint jedoch vor dem Hintergrund der bereits existierenden Regelungen im Wertpapiergesetz sowie des § 180 StG, der sowohl Insidergeschäfte mit Wertpapieren als auch mit Futures unter Strafe stellt, nicht sauber gearbeitet worden zu sein. Wie soeben dargestellt, weist der futuresrechtliche Verbotstatbestand erhebliche Unterschiede zu den wertpapierrechtlichen Regelungen auf. Dies ist insbesondere deshalb nicht zu begreifen, weil der Verbotstatbestand so eng gefasst ist, dass er viele Verhaltensweisen von vornherein gar nicht erfasst. Einziger plausibler Grund für diese Unstimmigkeiten ist, dass zwei verschiedene Organe, der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses und der Staatsrat, tätig geworden sind, um ein Gesetz bzw. eine Verwaltungsvorschrift über eine eng zusammenhängende Thematik zu erlassen, ohne sich jedoch dabei abzustimmen. Die lückenhafte Regelung zum Handel mit Futures führt dazu, dass hier viele Schlupflöcher für Insider bestehen. Diese Schlupflöcher sind jedoch insbesondere deshalb bedenklich, weil sie im Vergleich zu den Rege-



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lungen im Wertpapiergesetz zu sehr viel weniger strikten Bestrafungsmöglichkeiten führen. Eine unterschiedlich strenge Behandlung von Insidergeschäften mit Wertpapieren und Insidergeschäften mit Futures ist jedoch nicht mit plausiblen Argumenten zu rechtfertigen. Gerade weil der Handel mit Futures wesentlich höhere Gewinnmargen bietet als der Handel mit Wertpapieren und die Gewinne, die Insider auf diesen Märkten erzielen um ein Vielfaches höher sind, wäre ein zumindest vergleichbarer Sanktions­ mechanismus angebracht. Eine solche Zusammenführung der inhaltlichen Weite der Verbotsvorschriften wurde zwar ansatzweise durch die neuste Interpretation des Obersten Volksgerichtshof und der Generalstaatsanwaltschaft erreicht. Diese bezieht sich auf den in § 180 StG geregelten Straftatbestand, der sowohl den Handel mit Wertpapieren als auch den Handel mit Futures umfasst und impliziert, dass hinsichtlich der zentralen Begriffe des Verbotstatbestands eigentlich nicht danach unterschieden werden sollte, ob es sich um Wertpapiere oder Futures handelt. Auch wenn die Interpretation eine gewisse Vereinheitlichung dadurch zu erreichen versucht, dass sie gerade nicht zwischen Futures und Wertpapieren unterscheidet, sondern eine einheitliche Auslegung für beide Arten von Finanzinstrumenten vornimmt, genügt dies allein nicht, um die sich aufgrund des Gesetzestextes ergebenden Unterschiede zu überbrücken. Es wäre daher wünschenswert, der chinesische Gesetzgeber würde eine Vereinheitlichung der Regelungen vorantreiben. Insbesondere die Tatsache, dass die Futures Regulation kein Empfehlungsverbot vorsieht und ein solches daher nur strafrechtliche Konsequenzen haben kann, wenn es die Voraussetzungen des Straftatbestands erfüllt, kann vom Gesetzgeber nicht ernsthaft bezweckt sein und sollte ihn zu einer raschen Änderung bewegen. 3. Sanktionen und Haftung Wie das deutsche Recht sieht das chinesische Recht im Fall eines Verstoßes gegen das Verbot von Insidergeschäften explizit sowohl verwaltungsrechtliche als auch strafrechtliche Sanktionen vor, die es im Folgenden zu erläutern gilt. Das chinesische Wertpapiergesetz bietet ferner eine Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch, auf die im Anschluss an die Sanktionen eingegangen wird.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

a) Verwaltungssanktionen aa) Einziehung der illegalen Gewinne, Bußgeld Gem. § 202 WpG ist jeder Insider, der Zugang zu Insiderinformationen hat oder jede Person, die Insiderinformationen auf unrechtmäßigem Wege erlangt hat, die entsprechenden Wertpapiere kauft oder verkauft, die Information preisgibt oder anderen Personen empfiehlt, Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen, bevor die Information, die sich auf die Ausgabe von oder den Handel mit Wertpapieren bezieht, bzw. jede andere Information, die einen erheblichen Einfluss auf den Preis der Wertpapiere hat, veröffentlicht worden ist, verpflichtet, die Wertpapiere, die sie unrechtmäßig hält zu veräußern. Die illegalen Erträge sollen eingezogen werden und es soll ein Bußgeld in Höhe des 1–5fachen Betrags der illegalen Erträge auferlegt werden. Für den Fall, dass es keine illegalen Erträge gibt oder diese weniger als 30.000 CNY784 betragen, soll das Bußgeld 30.000 bis 600.000 CNY785 betragen. Sollte eine Einheit786 verbotenen Insiderhandel betrieben haben, wird gegenüber der verantwortlichen Person oder jeder anderen Person, die als unmittelbar verantwortlich gilt, eine Verwarnung ausgesprochen; es wird ein Bußgeld in Höhe von 30.000 bis 300.000 CNY787 erhoben. Dies ist der Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG vergleichbar. Wenn ein Beamter der CSRC Insiderhandel betreibt, soll eine härtere Strafe ausgesprochen werden. Art. 73 der Regulation on the Administration of Futures Trading sieht weitgehend dieselbe Strafe für den Handel mit Futures vor, allerdings soll für den Fall, dass es keine illegalen Erträge gibt oder diese weniger als 100.000 CNY betragen, das Bußgeld 100.000 bis 500.000 CNY788 betragen. Zudem soll eine höhere Strafe für Beamte der Futures-Regulierungsbehörden, des Staatsrates, Mitarbeiter eines Terminbörse oder einer Überwachungsstelle, die die Verwahrung der Sicherheitseinlage in Bezug auf den Kontraktwert überwacht, ausgesprochen werden.

784  Ca.

3.600 Euro (Stand 19.10.2013). 3.600–72.000 Euro (Stand 19.10.2013). 786  Chinesisch: 单位. Dieser Begriff ist im Wertpapiergesetz nicht näher definiert. Aus dem Gebrauch des Begriffs in den Vorschriften des Wertpapiergesetzes (vgl. z. B. § 10 WpG, § 113 Abs. 2 WpG, § 122 WpG), der den Begriff der Einheit stets in Abgrenzung zur natürlichen Person gebraucht, lässt sich schließen, dass die Einheit juristische und sonstige Vereinigungen mit Rechtspersönlichkeit umfasst. Im Strafgesetz ist in § 30 StG Definition der Einheit niedergelegt. Demnach fallen (Handels-)unternehmen, Unternehmen, staatliche Institutionen, Behörden und Vereinigungen unter den Begriff der Einheit. 787  Ca. 3.600–36.000 Euro (Stand 19.10.2013). 788  Ca. 12.000–60.000 Euro (Stand 19.10.2013). 785  Ca.



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Der CSRC-Leitfaden enthält weitere Konkretisierungen in Art. 23 CSRCLeitfaden hinsichtlich der Kalkulation789 des unrechtmäßig erhaltenen Gewinns oder des vermiedenen Verlusts und in Art. 24 und Art  25  CSRCLeitfaden im Hinblick auf die Strafbemessung. Diese soll höher ausfallen, wenn z. B. der unrechtmäßig erlangte Gewinn eine sehr große Summe darstellt, oder wenn der Verantwortliche die Wertpapierregulierungsbehörde und ihre Mitarbeiter an der Ausübung ihrer Tätigkeit hindert, oder diese mit Gewalt oder Drohungen oder auf andere Weise davon abhält. Sie soll niedriger ausfallen, wenn der Verantwortliche z. B. mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet, oder wenn er den durch den Insiderhandel entstandenen Schaden kompensiert oder verringert. bb) Marktzutrittsverbot Über die Verhängung eines Bußgeldes hinaus kann die CSRC gem. § 233 Abs. 1 WpG sowie § 81 Futures Regulation in ernsten Fällen auch ein sog. Marktzutrittsverbot erteilen, wenn „die Sachlage ernst“790 ist. Dieses bedeutet, dass es dem Verantwortlichen für eine bestimmte Zeit oder sogar lebenslang verboten werden kann, jegliche Art von Wertpapiergeschäften zu betreiben. Nach der wertpapiergesetzlichen Regelung kann dies zudem bedeuten, dass es dem Verantwortlichen verboten werden kann, den Posten eines Vorstandsmitglieds, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines leitenden Angestellten in einem börsennotierten Unternehmen zu bekleiden. Aus der Entscheidungspraxis der CSRC geht hervor, dass diese im Gegensatz zu den deutschen Strafgerichten, die zwar kein Marktzutrittsverbot, aber zumindest ein Berufsverbot nach § 70 StGB aussprechen können, häufig von dieser Sanktion Gebrauch macht. cc) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme Auch wenn das deutsche Recht im Vergleich zum chinesischen Recht nur in wenigen Fällen ein Bußgeld für einen Insiderhandelsverstoß vorsieht und daher im Prinzip hinsichtlich des Bußgeldes keine Vergleichbarkeit besteht, ist dennoch auffällig, dass das chinesische Gesetz relativ geringe Bußgeldrahmen für die Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot vorsieht. Die obers789  Illegaler Gewinn (Profit) = Marktwert der Wertpapiere zum Basisdatum + gesamter Verkaufsbetrag + kumulierter Cash-Betrag – aufgewendeter Bargeldbetrag zum Kauf der Wertpapiere – Ausgabepreis der Aktien – Transaktionskosten. Illegaler Gewinn (vermiedener Verlust) = gesamter Verkaufsbetrag – theoretischer Marktwert der verkauften Wertpapiere zum Basisdatum – Transaktionskosten. 790  Chinesisch: 情节严重的。

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

te Grenze liegt – sogar für einen Verstoß gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot – bei 600.000 CNY791, während das deutsche Wertpapierhandelsgesetz für die Weitergabe einer Insiderinformation oder das empfehlen bzw. verleiten durch eine Sekundärinsider bereits ein Bußgeld von bis zu 200.000 Euro vorsieht. An dieser Stelle gibt es zwei maßgebliche Kritikpunkte an der chinesischen Regelung. Vor dem Hintergrund, dass es im Hinblick auf die Gewinnerzielungsmöglichkeiten am chinesischen und am deutschen Kapitalmarkt keine Unterschiede gibt, ist nicht verständlich, warum der Gesetzgeber für einen Verstoß gegen das Verbot, Insiderpapiere zu erwerben oder veräußern, keine höheren Geldbußen vorgesehen hat. Dessen Unrechtsgehalt ist wesentlich größer als der der Preisgabe oder des Empfehlens, da der Handelnde hier aktiv am Markt auftritt und in der Regel die Generierung eines eigenen Gewinns bezweckt. Darüber hinaus ist die obere Grenze des gesetzlich vorgesehenen Bußgeldes zu kritisieren. Auch wenn die CSRC durchaus schon Fälle entschieden hat, in denen die Geldbuße sich am oberen Ende bewegte, wie z. B. im Fall des Rat Trading der beiden Fondsmanager Wang Limin und Tang Jian, wird selbst in solchen Fällen die geringe Höhe der Geldbuße kritisiert. Eine Erhöhung der Geldbuße würde daher ohne Zweifel einen wesentlich größeren Abschreckungseffekt produzieren und wäre ein kleiner, sehr einfacher Schritt auf dem Weg der chinesischen Regierung zur erfolgreicheren Bekämpfung des Insiderhandels. Im Gegensatz zu den nicht ausreichend hohen Bußgeldern bietet das chinesische Gesetz aber mit dem sog. Marktzutrittsverbot ein sehr effektives Mittel zur Bekämpfung von Insiderhandel. Dieses Marktzutrittsverbot, durch das es einem Insider, der gegen einen der insiderrechtlichen Verbotstatbestände verstoßen hat, für eine bestimmte Zeit oder sogar lebenslang untersagt werden kann, jegliche Art von Wertpapiergeschäften zu betreiben oder den Posten eines Vorstandsmitglieds, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines leitenden Angestellten in einem börsennotierten Unternehmen zu bekleiden, erfüllt ausweislich des Gesetzeswortlauts eine repressive, zusätzlich bestrafende Funktion. Der Erlass eines solchen Verbots ist nicht von einer negativen Zukunftsprognose abhängig und kann daher immer dann vorgenommen werden, wenn die Sachlage ernst ist. Insofern besteht hier ein Unterschied zum deutschen Recht, wo ein strafrechtliches Berufsverbot eine Sicherungsmaßnahme darstellt, daher allein dem Schutz der Allgemeinheit vor spezifischen, mit der Ausübung des Berufs verbundenen Gefahren in der Zukunft dient und keinerlei repressiven Charakter aufweist. Sowohl das unter den Begriff des chinesischen Marktzutrittsverbots gefasste Tätigkeits- als auch insbesondere das Marktzutrittsverbot selbst haben, insbesondere vor dem Hintergrund, dass beide lebenslang verhängt werden können, eine erheb­ 791  Ca.

72.000 Euro (Stand 19.10.2013).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse255

liche abschreckende Wirkung. Dem Tätigkeitsverbot dürfte dabei weniger abschreckende Wirkung zukommen, da es nur für ein sehr eingeschränktes Tätigkeitsfeld, nämlich die Tätigkeit als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied sowie als leitender Angestellter eines börsennotierten Unternehmens, gilt. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die die CSRC in den vergangenen Jahren insbesondere mit Angestellten von Fondsgesellschaften gemacht hat, wäre dem chinesischen Gesetzgeber zu raten, das Tätigkeitsverbot z. B. auf Fonds- und Wertpapiergesellschaften auszuweiten und leitende Angestellte dieser Gesellschaften dem Tätigkeitsverbot zu unterwerfen. Grundsätzlich ist aber zu begrüßen, dass der chinesische Gesetzgeber ein solches Verbot überhaupt im Wertpapiergesetz vorgesehen hat und dass die CSRC, anders als deutsche Gerichte, von diesem Verbotstatbestand auch regen Gebrauch macht. Dass ein solches Tätigkeitsverbot ein durchaus probates Mittel ist, scheint auch der europäische Gesetzgeber verstanden zu haben, sieht er doch in der auf europäischer Ebene diskutierten Marktmissbrauchsverordnung ein generelles vorübergehends Tätigkeitsverbot vor, sowie ein an das verantwortliche Mitglied eines Leitungsorgans eine Wertpapierfirma oder eine andere verantwortliche Person gerichtetes vorübergehendes Verbot, Aufgaben in der Wertpapierfirma wahrzunehmen. Dieser Schritt, der sich unmittelbar im deutschen Recht widerspiegeln wird, ist als sehr positiv zu bewerten, da eine über ein bloßes Bußgeld hinausgehende Sanktion in Form eines Tätigkeitsverbots für viele Personen einen weitaus größeren Einschnitt bedeuten wird, der mit viel Schmach und einem großen Reputationsverlust einhergeht. Sicherlich ist der Anreiz, diese negativen Effekte zu vermeiden ein gutes Instrument, um Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften von vornherein unattraktiv zu machen. Anders zu bewerten ist jedoch das vom chinesischen Gestezgeber ebenfalls vorgesehene Marktzutrittsverbot, d. h. das Verbot, jedwede Wertpapiergeschäfte am Markt zu tätigen. Ein solches Verbot ist dem deutschen Recht fremd und es ist sehr fraglich, ob dieses im chinesischen Recht vorgesehene und sicherlich sehr effektive Instrument in das deutsche Recht übernommen werden sollte. Ein solches Verbot bedeutet, insbesondere wenn es ein lebenslanges ist, einen erheblichen Eingriff in Grundrechte wie z. B. die Eigentumsgarantie, die Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit einer Person, da ihr für einen bestimmten Zeitraum oder für immer untersagt wird, Wertpapiergeschäfte am Kapitalmarkt zu tätigen. Dieser Grundrechtseingriff, der grundsätzlich wohl überhaupt nur in schweren Fällen möglich sein dürfte, verfolgt zwar mit dem Schutz der Funktionalität des Kapitalmarkts einen legitimen Zweck und ist zur Verwirklichung dieses Zwecks auch geeignet. Sogar die im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu prüfende Erforderlichkeit der Einführung eines Marktzutrittsverbots könnte man bejahen. Es ist nämlich keine Maßnahme denkbar, die weniger einschneidend und genauso effektiv bei der Verfolgung des legitimen Ziels wäre. Zwar kann man argu-

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

mentieren, dass eine Freiheits- oder eine hohe Geldstrafe schon genügend Abschreckungseffekt haben und daher den Funktionenschutz des Kapitalmarkts genauso gut gewährleisten können wie ein Marktzutrittsverbot. Jedoch haben die Erfahrungen gezeigt, dass auch ein strafbewährtes Verbot Insider nicht davon abhalten kann, verbotenen Insiderhandel zu betreiben. Es besteht also stets die Gefahr, dass diese Personen, auch wenn sie sich schon einmal strafbar gemacht haben, ein weiteres Mal ihr Glück versuchen und hoffen, unentdeckt zu bleiben. Dies könnte durch ein Marktzutrittsverbot verhindert werden. Allerdings scheitert zumindest ein lebenslanges Verbot an der fehlenden Angemessenheit, weil der Eingriff in die oben genannten Grundrechte so erheblich ist, dass er einem Anleger vor dem Hintergrund des Nutzens eines Marktzutrittsverbots nicht zugemutet werden kann. Ein Anleger, der mit einem lebenslänglichen Marktzutrittsverbot belegt wird, ist nicht mehr in der Lage, sein Vermögen seinen Wünschen entsprechend zu diversifizieren und kann sein Kapital nicht mehr in Wertpapieren anlegen. Da z. B. Aktien eine sehr flexible Geldanlagemöglichkeit bieten, die es dem Anleger erlaubt, in sehr kurzer Zeit umzudisponieren und neue Aktien zu kaufen oder alte Aktien abzustoßen, verlöre er ein hohes Maß an Flexibilität, wenn er sein Vermögen nur noch in weniger leicht handelbare Gesellschaftsanteile, Immobilien etc. investieren könnte. Stellt man diesem erheblichen Eingriff den Schutz der Funktionalität des Kapitalmarkts gegenüber und führt sich noch einmal vor Augen, dass höchst uneinheitlich bewertet wird, ob Insiderhandel überhaupt zu einem Schaden des Einzelnen führt, und dass das Insiderhandelsverbot letztendlich nur eingeführt wurde, um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben, so ist ein solch erheblicher Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen nicht gerechtfertigt. Dem vom Gesetzgeber mit dem Insiderhandelsverbot verfolgte Zweck des Funktionenschutzes wird schon durch das Insiderhandelsverbot ausreichend Rechnung getragen. Angemessen könnte allenfalls ein zeitlich beschränktes Handelsverbot sein, wenn dies z. B. auf ein Jahr begrenzt würde. Dies würde zwar auch einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Anlegers bedeuten, jedoch wäre dieser Eingriff zeitlich begrenzt und insofern weniger schwerwiegend. Allerdings kann auch ein solches Konzept letztendlich vor allem aus praktischen Erwägungen nicht überzeugen. Ein befristetes Handelsverbot würde sich immer direkt an eine Verurteilung wegen Insiderhandels zu einer Freiheits- oder zu einer Geldstrafe anschließen. Ist ein Täter jedoch gerade überführt worden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er in dem der Verurteilung nachfolgenden Zeitraum direkt wieder Insiderhandel betreibt eher gering. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Marktzutrittsverbot nur in schweren Fällen, d. h. wenn große Summen an Geld im Spiel waren, überhaupt in Frage kommen würde, ist nicht zu erwarten, dass ein Anleger, der gerade erst die illegal erwirtschafteten Gewinne herausgeben und eine hohe Geldstrafe zahlen



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musste oder sogar eine Freiheitsstrafe verbüßt, sich sofort erneut in illegale Handelsaktivitäten verstrickt. Schon deshalb ist an der Sinnhaftigkeit eines befristeten Handelsverbots zu zweifeln. Eine Maßnahme, deren Erfolgsaussichten jedoch als so gering zu betrachten sind, kann schwerlich einen Eingriff in die Eigentumsgarantie, die Berufsfreiheit oder die allgemeine Handlungsfreiheit rechtfertigen. Gegen das lebenslange als auch das befristete Marktzutrittsverbot spricht zudem, dass dies auch Effekte produzieren kann, die vom Gesetzgeber durch Einführung eines Insiderhandelsverbots gerade zu vermeiden versucht werden. Wenn Anleger befürchten müssen, einen so erheblichen Eingriff in ihre Grundrechte zu erleiden, werden sie vielleicht davor zurückschrecken, ihr Kapital auf dem Kapitalmarkt anzulegen, um einer solchen Gefahr von vornherein zu entgehen. Dadurch würde der Markt illiquide und würde im Extremfall zusammenbrechen. Genau eine solche Illiquidität versucht das Insiderhandelsverbot zu vermeiden, indem es den Anlegern eine Chancengleichheit in Bezug auf den Zugang zu Informationen zu gewähren versucht und damit bezweckt, dass Anleger den Kapitalmarkt als Investitionsmedium nutzen. Wird dieses Verbot jedoch durch eine zusätzliche Maßnahme durchgesetzt, die Anleger genau entgegengesetzt motiviert und dazu führt, dass diese vorsichtshalber Investitionen auf dem Kapitalmarkt nicht mehr in Erwägung ziehen, läuft auch das Insiderhandelsverbot, um das es ja primär geht, leer. Eine Strafe hingegen sollte den Täter in genügendem Maße veranlassen, in Zukunft von illegalen Handelsaktivitäten Abstand zu nehmen, sie macht es ihm aber nicht unmöglich, in Zukunft mit Finanzinstrumenten zu handeln. Die Bestrafung von Insiderhandel hat also nur den positiven Effekt, dass die Allgemeinheit der Anleger das Vertrauen in den Kapitalmarkt nicht verliert und Insider grundsätzlich davon abgehalten werden, Insidergeschäfte zu tätigen. Sie führt aber nicht dazu, dass diese Anleger, die alle irgendwann einmal Insider werden können, von vornherein davor zurückschrecken, in Finanzinstrumente zu investieren. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses ist die Einführung eines Marktzutrittsverbots in das deutsche Wertpapierhandelsgesetz abzulehnen. b) Strafrechtliche Sanktionen Neben den Verbotstatbeständen des Wertpapiergesetzes und der Futures Regulation enthält auch das Strafgesetz in § 180 Abs. 1–3 einen eigenen Verbotstatbestand, der jedoch hinsichtlich der Begriffe des Insiders und der Insiderinformation auf das Gesetz und die verwaltungsrechtlichen Gesetze und Vorschriften verweist. Unterschiede, die sich aufgrund der Tatsache ergeben, dass es sich hier um einen Straftatbestand handelt, werden nach der Erläuterung des Straftatbestands erörtert.

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aa) Straftatbestand § 180 Abs. 1  StG besagt: Jeder gesetzliche oder illegale Insider, der vor Veröffentlichung von Informationen, die die Wertpapieremission, den Wertpapier- oder Futureshandel betreffen oder von anderen Informationen, die einen erheblichen Einfluss auf den Handelspreis der Wertpapiere oder Futures haben, diese Wertpapiere kauft oder verkauft oder mit Futures handelt, die mit der Insiderinformation in Verbindung stehen, diese Information preisgibt oder anderen Personen direkt oder indirekt empfiehlt, die soeben genannten Handelsaktivitäten zu unternehmen, soll, wenn die „Sachlage ernst“792 ist, zu einer befristeten Freiheitsstrafe793 von nicht mehr als fünf Jahren, oder einer Haftstrafe und / oder einer Geldstrafe in Höhe des ein- bis fünffachen der illegalen Gewinne verurteilt werden. Nach Art. 6 der bereits erwähnten Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft liegt eine solche „ernste Sachlage“ vor, wenn der mit den Wertpapieren getätigte Handel ein Volumen von 500.000 CNY794 und mehr aufweist, wenn die Sicherheitsleistungen für den Handel mit Futures 300.000 CNY795 oder mehr betragen, wenn der generierte Gewinn oder der vermiedene Verlust 150.000 CNY796 oder mehr beträgt oder wenn andere ernste Umstände vorliegen. Wenn die „Sachlage besonders ernst“797, ist soll eine befristete Freiheitsstrafe von nicht weniger als fünf Jahren, aber nicht mehr als zehn Jahren und eine Geldstrafe in Höhe des ein- bis fünffachen der illegalen Gewinne verhängt werden. Besonders ernste Umstände sind nach Art 7 der Interpretation dann anzunehmen, wenn der mit den Wertpapieren getätigte Handel ein Volumen von 2,5 Millionen CNY798 und mehr aufweist, wenn die Sicherheitsleistungen für den Handel mit Futures 1,5 Millionen CNY799 oder mehr betragen, wenn der generierte Gewinn oder der vermiedene Verlust 750.000 CNY800 oder mehr beträgt oder wenn andere besonders ernste Umstände vorliegen. 792  Chinesisch:

情节严重的. befristete Freiheitsstrafe ist gem. § 45  StG grundsätzlich eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis 15 Jahren und ist abzugrenzen von einer Haftstrafe, die gem. § 42  StG eine Freiheitsstrafe zwischen einem und sechs Monaten ist. 794  Ca. 60.000 Euro (Stand 19.10.2013). 795  Ca. 36.000 Euro (Stand 19.10.2013). 796  Ca. 18.000 Euro (Stand 19.10.2013). 797  Chinesisch: 情节特别严重的. 798  Ca. 300.000 Euro (Stand 19.10.2013). 799  Ca. 180.000 Euro (Stand 19.10.2013). 800  Ca. 90.000 Euro (Stand 19.10.2013). 793  Eine



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse259

Wenn eine Einheit handelt, soll diese gem. § 180 Abs. 2 StG eine Geldstrafe erhalten und die verantwortlichen Führungskräfte oder die Personen, die unmittelbar für die Straftat verantwortlich sind, sollen zu einer befristeten Freiheitsstrafe von nicht mehr als fünf Jahren, oder zu einer Haftstrafe verurteilt werden. Als Einheit gelten gem. § 30 StG Handelsunternehmen, Unternehmen, staatliche Institutionen, Behörden und Vereinigungen. Während im deutschen Strafrecht aufgrund des dort geltenden persönlichen Schuldprinzips die Strafbarkeit juristischer Personen und sonstiger Vereinigungen ausgeschlossen ist, ist im chinesischen Strafrecht die Verhängung einer sog. Verbandsstrafe möglich. Auch wenn das Strafgesetz bereits im Jahre 1997 um den Straftatbestand des Insiderhandels erweitert wurde, kam es erst im Jahre 2003 zur ersten strafrechtlichen Verurteilung.801 Dieses erste Urteil in einem Insiderhandelsprozess wurde begrüßt, stellt es doch sechs Jahren nach In-Kraft-Treten des geänderten Strafgesetzes den ersten Erfolg bei der effektiven Durchsetzung und Anwendung des Insiderstraftatbestands dar. Dennoch kam es auch in den folgenden Jahren zu relativ wenigen Verurteilungen. Die Tendenz jedoch ist steigend. Laut Aussage des Obersten Volksgerichtshofs stieg die Zahl der Fälle von einem Fall im Jahre 2007 auf elf Fälle im Jahre 2011. Auch die Interpretation des Obersten Volksgerichtshof und der Generalstaatsanwaltschaft zeigt, dass die strafrechtliche Verfolgung von Insiderhandelsfällen zunehmend in den Fokus der Behörden und Gerichte, vor allem aber auch der Öffentlichkeit gerät. bb) Wesentliche Unterschiede im Vergleich zum wertpapierrechtlichen Verbotstatbestand Grundsätzlich verweist der Straftatbestand, wie bereits erwähnt, im Hinblick auf die Definition des Insiders und der Insiderinformation auf das Gesetz und die verwaltungsrechtlichen Gesetze und Vorschriften. Im Vergleich zu den Erörterungen zur Auslegung der grundlegenden insiderrechtlichen Vorschriften im Wertpapiergesetz und in der Regulation on the Administration of Futures Trading ergeben sich jedoch im Hinblick auf den Straftatbestand des § 180 StG einige erwähnenswerte Unterschiede.

801  Im Zugrundeliegenden Fall wurden Ye Huanbao und Gu Jian vom Volksgericht des Luo Districts der Stadt Shenzhen zu drei Jahren bzw. zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und beide erhielten zudem eine Geldstrafe i.H.v. 800.000 CNY.

260

C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

(1) V  erwendung der Insiderinformation beim Erwerbs- und Veräußerungsverbot Auch beim strafrechtlichen Verbotstatbestand stellt sich die Frage, ob der Handelnde die Insiderinformation für seine Insidergeschäfte verwenden muss. In der Literatur wird im Gegensatz zur wertpapierrechtlichen Regelung wesentlich heftiger diskutiert, ob im Rahmen des § 180 StG überhaupt eine Verwendung der Insiderinformation vorausgesetzt wird und – so dies bejaht wird –, ob bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen vermutet werden sollte, dass der Insider die Insiderinformation für seine Geschäfte verwendet hat. Die Diskussion rührt daher, dass § 180 StG genau wie § 76 WpG nicht von einer Verwendung der Insiderinformation spricht. Er verbietet es schlicht gesetzlichen oder illegalen Insidern, Wertpapiere oder Futures des entsprechenden Unternehmens zu kaufen oder zu verkaufen. Eine Stimme in der Literatur vertritt die Ansicht, dass die Verwendung der Insiderinformation keine Tatbestandsvoraussetzung ist.802 Dies wird insbesondere damit begründet, dass der Beweis, der Insider habe aufgrund der Insiderinformation gehandelt und nicht aufgrund anderer Faktoren, in der Regel unmöglich sein dürfte und daher viele Insider den strafrechtlichen Konsequenzen ihres Verhaltens entkommen könnten.803 Die Gegenmeinung fordert die Verwendung der Insiderinformation als Tatbestandsvoraussetzung, wie es auch im deutschen Recht der Fall ist.804 Als Argument wird angeführt, dass die Vorschriften im chinesischen Recht, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen, überwiegend einen Gebrauch der Insiderinformation fordern, wobei zum einen auf §§ 3 und 4 der Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud und zum anderen auf § 67 WpG in der Fassung aus dem Jahre 1999 und auf den diesen heute ersetzenden § 73 WpG zurückgegriffen wird.805 Zudem ergebe eine Analyse der Natur des Insiderhandels, dass der Gebrauch der Insiderinformation ein dem Insiderhandel immanentes Element sei: Wenn Anleger Wertpapierhandel betreiben, so treffen sie ihre Entscheidungen stets nach sorgfältiger Analyse der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen, andernfalls würde es sich um blinde Anlageentscheidungen handeln.806 Schließlich seien eventuelle Beweisschwierigkeiten auf prozessualer Ebene kein Grund, die Voraussetzungen im materiellen 802  Pang, Journal of National Presecutors College 1998 (1), 20 (22); Lei, Comparative Study, S. 74. 803  Pang, Journal of National Presecutors College 1998 (1), 20 (22). 804  Vgl. z. B. Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (191); Zhang, Yunfang, Strafrechtliche Vorschriften zum Insiderhandel, S. 17. 805  Cheng, Law Review 2006 (4), 136 (137); Yu, Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (191 f.). 806  Zhang, Huiping / Xu, Anzhu, Hebei Law Science 2002 (1), 45 (47).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse261

Recht anzupassen. Vielmehr obliege es dem Prozessrecht, mit dem Problem der Beweisbarkeit umzugehen.807 Um den angeführten Beweisschwierigkeiten entgegenzutreten wird – wie im Rahmen des wertpapierrechtlichen Tatbestands – die Anwendung einer Kausalitätsvermutung vorgeschlagen. Die Anwendung einer solchen Vermutung wird auch von den Stimmen vorgeschlagen, die die Verwendung der Insiderinformation als Tatbestandsvoraussetzung ablehnen, und für die eine solche Vermutung daher eigentlich nicht nötig sein sollte.808 Unter Anwendung der Vermutung muss also nur bewiesen werden, dass der Handelnde ein gesetzlicher bzw. illegaler Insider ist, dass eine Insiderinformation vorliegt und dass der Insider vor deren Veröffentlichung mit den mit dieser Information in Verbindung stehenden Wertpapieren oder Futurs gehandelt hat. Das Vorliegen von Insiderhandel kann konsequenterweise nur dann verneint werden, wenn dem Insider der Beweis gelingt, dass er nicht aufgrund der Insiderinformation gehandelt hat, sondern aufgrund anderer Faktoren.809 Durch die Anwendung einer solchen Vermutung kommt es zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Insiders. Dieser Vorgehensweise wird entgegengesetzt, dass dies im Bereich des strafbaren Insiderhandles einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung bedeutet.810 Ob in China im Strafprozess die Unschuldsvermutung gilt und ob infolgedessen überhaupt gegen diese verstoßen werden kann, ist höchst umstritten. Im Rahmen der Änderungen des Strafprozessrechts wurde die ausdrückliche Verankerung erwogen. Aus § 12 Strafprozessrecht811 und aus der Tatsache, dass nun eine Differenzierung zwischen „Angeklagtem“ und „Verdächtigem“ gemacht wird, wollen manche Stimmen die Unschuldsvermutung herauslesen.812 Dem wird entgegengehalten, dass § 12 Strafprozessrecht lediglich eine Zuständigkeitsregelung sei und klarstelle, dass nur aufgrund eines gerichtlichen Urteil die Schuld feststehe und nicht, weil ein anderes Organ, wie z. B. die Staatsanwaltschaft dies bestimme.813 807  Cheng,

Law Review 2006 (4), 136 (138). Ping, Hebei Law Science 2010 (2), 188 (192); Cheng, Law Review 2006 (4), 136 (138); sowie auch Pang, Journal of National Presecutors College 1998 (1), 20 (22); Lei, Comparative Study, S. 75. 809  In diese Richtung gehend auch Zhang, Yunfang, Strafrechtliche Vorschriften zum Insiderhandel, S. 17. 810  Su, 21 Century Economic Report v. 5.1.2011, Die Wahrheit über Zhang Tingwang, Gaochun Ceramics Insiderhandel. 811  Dieser lautet: Keiner soll als schuldig gelten, bevor nicht ein Gericht ihn dem Gesetz nach verurteilt hat. 812  Huang, Daphne, 7 Pac. Rim L. & Pol’y J. 1998, 171 (181); Reamey, 27 Ariz. J. Int’l & Comp. L. 2010, 693 (721). 813  Chen, Haoliang, Flüchtige Analyse der Anwendbarkeit der Unschuldsvermutung; Lewis, 50 Colum. J. Transnat’l L. 2012, 287 (321 f.). 808  Yu,

262

C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Wie sich an der oben angeführten Meinung in der Literatur zeigt, die die hier diskutierte Kausalitätsvermutung als einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung betrachtet, wird diese auch von einigen Stimmen in der kapitalmarktrechtlichen Literatur als anwendbar erachtet. Dies resultiert daraus, dass im Rahmen der Diskussionen um den Entwurf der Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft ebenfalls darauf hingewiesen wurde, dass die Unschuldsvermutung zu beachten sei.814 Dem Vorwurf eines Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung wird entgegengehalten, eine Vermutung wie die hier gegenständliche Kausalitätsvermutung sei eine Beweisregelung; sie stehe nicht im Gegensatz zum Prinzip der Unschuldsvermutung, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Vermutung angewendet werden kann, auf der Basis einschlägiger Erfahrungswerte zusammengestellt werden.815 Selbst wenn man unter diesen Voraussetzungen eine Kausalitätsvermutung und damit eine Beweiserleichterung zugunsten der Ermittlungsbehörden und der Strafgerichte und zu Lasten des Insiders zulassen würde, so kann eine solche nur Geltung beanspruchen, wenn sie gesetzlich geregelt ist. Ist dies nicht der Fall, so liegt wiederum ein Verstoß gegen den in § 3 StG niedergelegten Grundsatz „nulla poena sine lege“ vor. Einige Stimmen in der Literatur sehen in der neusten Interpretation des Obersten Volksgerichtshof und der Generalstaatsanwaltschaft zu § 180 StG eine solche quasi-gesetzlich niedergelegte Vermutungsregelung. Eine Ansicht sieht eine solche Vermutungsregelung in Art. 2 Nr. 2 und 3 der Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft, der sich jedoch nur auf nahe Angehörige und enge Bekannte eines gesetzlichen Insiders sowie auf Personen bezieht, die Kontakt zu einem gesetzlichen Insider aufnehmen. Für diese Personen stellt die Interpretation unter bestimmten Voraussetzungen die Vermutung auf, dass sie als illegale Insider gelten.816 In Bezug auf diese Personen wollen manche Stimmen in der Literatur der Interpretation auch eine Kausalitätsvermutung dergestalt entnehmen, dass ein Handeln aufgrund der Insiderinformation bejaht werden kann, wenn eine anormale Transaktionstätigkeit vorliegt.817 Dabei wird bewusst nur auf nahe Angehörige und enge Bekannte eines gesetzlichen Insiders sowie auf Personen, die Kontakt zu einem gesetzlichen Insider aufnehmen, Bezug genommen, weil bei diesen Personen der Beweis, Miao / Liu, Xiaohu, People’s Judicature 2012 (15), 17 (20). Xiaanquan, The Jurist 2012 (5), 39 (44). 816  Ausführlich dazu siehe bereits oben Kapitel C., II.1.a)bb). 817  Liu, Xianquan, The Jurist 2012 (5), 39 (44 f.); Zhang, Haixiao / Zhong, China Law & Practice, Nov. / Dec. 2012. 814  Vgl. 815  Liu,



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse263

dass sie unter Verwendung der Insiderinformation gehandelt haben, schwerer zu führen sei als bei den gesetzlichen Insidern und solchen, die die Insiderinformation durch Diebstahl, Betrug etc. erlangt haben. Bei letzteren falle der Beweis im Sinne einer sicheren Überzeugung des Gerichts, dass sie die Insiderinformation verwendet haben insbesondere dann leicht, wenn sie, nachdem sie die Information aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen oder durch einen Diebstahl erlangt haben, vor der Veröffentlichung der Information mit den entsprechenden Wertpapieren handeln.818 Diese Ansicht ist durchaus kritisch zu sehen, da Art. 2 der Interpretation sich lediglich mit dem Begriff des Insiders und nicht mit dem verbotenen Handeln beschäftigt. Eine andere Ansicht will aus Art. 4 der Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft eine generelle Vermutungsregelung hinsichtlich der Verwendung der Insiderinformation herauslesen.819 Dieser besagt, dass Insiderhandel immer dann nicht vorliegt, wenn eine Transaktion, die von einer Person mit Kenntnis von einer Insiderinformation aufgrund eines schriftlichen Vertrags, eines Plans oder einer Order durchgeführt wird oder wenn diese auf eine andere rechtmäßige Informationsquelle oder andere rechtmäßige Gründe gestützt wird. Auch hier ist fraglich, ob man aus dieser Regelung den generellen Schluss ziehen kann, der Oberste Gerichtshof und die Generalstaatsanwaltschaft hätten eine Vermutungsregelung aufstellen wollen. Naheliegender ist es, dass in Art. 4 der Interpretation lediglich Ausnahmetatbestände zum Insiderhandelsverbot niedergelegt werden sollten. Wie die Gerichte in der Praxis bisher verfahren sind, d. h. ob sie eine Verwendung der Information für nötig gehalten haben oder nicht, ist nicht nachvollziehbar, da Strafurteile in China in der Regel nicht veröffentlicht werden und die Richter zudem nicht gehalten sind, das Urteil umfassend zu begründen. Nichts desto trotz ist zu hoffen, dass strafrechtliche Urteile, die nach Erlass der Interpretation erlassen wurden und werden, in der Literatur und in den Medien diskutiert werden und sich herausstellen wird, ob sich die Gerichte – für den Fall, dass sie die Verwendung der Insiderinformation als nötig erachten – der teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht anschließen, dass die Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft eine Vermutungsregelung aufstellt, die ihnen die Verurteilung in gewissem Maße erleichtert.

818  So

Liu, Xianquan, The Jurist 2012 (5), 39 (44). Hui, in: Bainbridge, Research Handbook on Insider Trading, 303

819  Huang,

(313).

264

C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

(2) Vorsatz Eine strafrechtliche Verurteilung erfordert stets, dass der Täter vorsätzlich gehandelt hat.820 Unabhängig davon, dass bei bestimmten Insidern per Gesetz gilt, dass sie Kenntnis von der Insiderinformation haben, müssen sie in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale Vorsatz aufweisen. D. h. sie müssen z. B. wissen, dass es sich bei der Information, die sie besitzen, um eine nicht öffentlich bekannte Information handelt, die in der Lage ist, den Wert bestimmter Finanzinstrumente zu beeinflussen. Sie müssen sich ihrer Position und der daraus folgenden Qualifikation als Person mit Kenntnis einer Insiderinformation bewusst sein, und sie müssen auf der Basis der Insiderinformation Transaktionen durchführen oder eine Empfehlung aussprechen oder diese Insiderinformation weitergeben wollen. Aus diesem Grunde erfüllt auch die unter dem wertpapierrechtlichen Verbotstatbestand von der CSRC als Verstoß qualifizierte fahrlässige Preisgabe einer Insiderinformation an einen Dritten in keinem Fall den Straftatbestand. (3) A  nwendung des Insiderbegriffs des CSRC-Leitfadens durch die Strafgerichte Nach Herausgabe des CSRC-Leitadens durch die CSRC, der nach dem hier gefundenen Ergebnis in Bezug auf die Erweiterung des Insiderbegriffs rechtswidrig ist, stellte sich die Frage, ob auch die Strafgerichte auf diesen Leitfaden, der ausdrücklich nur für den internen Gebrauch innerhalb der CSRC bestimmt war und der sich nur an die Mitarbeiter der CSRC und untergeordneter Wertpapierregulierungsbehörden sowie an die Mitarbeiter der beiden Börsen in Shanghai und Shenzhen richtet, zurückgreifen würden, um auf Basis dessen gegen einen größeren Personenkreis vorgehen zu können. Aufgrund der seit Erlass des CSRC-Leitfadens von chinesischen Gerichten gesprochenen Strafurteile lässt sich diese Frage positiv beantworten. Als Beispiel soll hier ein Fall dienen, der in China große Aufmerksamkeit erregt hat, weil er die erste Verurteilung eines Staatsbediensteten wegen Insiderhandels zum Gegenstand hatte. Angeklagte war Li Qihong, die damalige Bürgermeisterin der Stadt Zhongshan. Sie war zuständig für die Überwachung einer Restrukturierungsmaßnahme, die ein börsennotiertes Unternehmen durchführte, welches sich mehrheitlich in staatlicher Hand befand. Li Qihong gab Insiderinformationen in Bezug auf die Restruktu820  Vgl. § 14 StG. Gem. § 15 Abs. 2  StG ist Fahrlässigkeit nur dann zu bestrafen ist, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse265

rierungsmaßnahme an ihren Ehemann sowie an ihre Schwägerin weiter, die daraufhin mit den Aktien der Gesellschaft handelten und einen großen Gewinn erzielten. Darüber hinaus wurde sie wegen Bestechung angeklagt. Li Qihong wurde vom Mittleren Volksgericht in Guangzhou im April 2011 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt, wobei auf die Straftat des Insiderhandels eine Freiheitsstrafe von 9 Jahren entfiel. Würde man das zum damaligen Zeitpunkt geltende Wertpapiergesetz anwenden, so käme man zu dem Schluss, dass eine Bestrafung von Li Qihong nicht möglich war, weil sie nicht als gesetzlicher Insider, insbesondere nicht als Aufsichtsbehördeninsider, qualifiziert werden kann. Sie ist keine Angestellte der CSRC und ist im Rahmen der Überwachung der Restrukturierung auch nicht ihren gesetzlichen Pflichten in Bezug auf die Ausgabe von und den Handel mit Wertpapieren nachgekommen. Sie ist auch kein illegaler Insider, weil sie die Insiderinformation nicht unrechtmäßig, sondern durch die ihr erteilte Aufgabe erlangt hat. Zum damaligen Zeitpunkt war die Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft noch nicht in Kraft, so dass das Gericht auch auf diese und den erweiterten Anwendungsbereich des Begriffs des illegalen Insiders zurückgreifen konnten. Das Gericht konnte Li Qihong also nur als Insider qualifizieren, wenn es seinem Urteil den CSRC-Leitfaden zugrunde legte. Diesem zufolge konnte das Gericht Li Qihong entweder als Person qualifizieren, die in eine Restrukturierung einer börsennotierten Gesellschaft involviert ist821, als Person, die durch die Ausübung ihres Berufes Insiderinformationen erlangt hat822 oder als Person, die eine Insiderinformation auf sonstigem Wege erlangt hat823. Wie das Gericht vorgegangen ist, lässt sich nicht sagen. Dies liegt daran, dass chinesische Strafgerichte nicht verpflichtet sind ihr Urteil detailliert zu begründen. In den meisten Fällen beschränken sich die Gerichte darauf, die Norm zu zitieren aufgrund derer die Verurteilung erfolgt. Sie begründen nicht, wie sie zu dieser Entscheidung gelangt sind. Ferner werden Strafurteile in der Regel nicht veröffentlicht. Auf der Website des Gerichts in Guangzhou findet sich zwar eine Analyse824 zum Fall Li Qihong. Aus dieser geht jedoch nicht hervor, auf welcher Grundlage Li Qihong als Insider qualifiziert wurde. Hier liegt also ein eindeutiger Verstoß gegen den Grundsatz in § 3 StG niedergelegten Grundsatz „nulla poena sine lege“ vor und es ist beachtlich, wenn auch aus den bereits im Rahmen der Erläute821  Art. 6

Abs. 2 Nr. 3 CSRC-Leitfaden. Abs. 2 Nr. 4  CSRC-Leitfaden. 823  Art. 6 Abs. 5  CSRC-Leitfaden. 824  Abrufbar unter: http: /  / www.gzcourt.gov.cn / aljx / 2012 / 02 / 13160542947.html (zuletzt besucht am 19.10.2013). 822  Art. 6

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

rungen zum CSRC-Leitfaden genannten Gründen verständlich, dass sich niemand kritisch zu diesem Urteil geäußert hat.825 cc) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme Ein Vergleich der insiderrechtlichen Straftatbestände im chinesischen und im deutschen Recht bringt einige maßgebliche Unterschiede hervor, die im Folgenden erläutert werden sollen. (1) Anwendungsbereich Ein erster Unterschied ergibt sich bereits auf der Rechtsfolgenseite. Im deutschen Recht kommt es sowohl auf die Art der Informationserlangung als auch darauf an, welche der verbotenen Handlungsalternativen der jeweilige Insider verwirklicht. In China hingegen werden alle Insider gleich bestraft, und es wird auch nicht differenziert, welche Art von Insider welche der verbotenen Handlungsalternativen verwirklich hat. Damit unterfällt jeder Insider grundsätzlich dem verwaltungsrechtlichen Verbotstatbestand und nur bei Vorliegen ernster Umstände wird das jeweilige Handeln strafrechtlich relevant. Anders als im deutschen Recht wird also nicht berücksichtigt, dass z. B. die Personen, die im chinesischen Recht als gesetzliche Insider gelten, aufgrund einer besonderen Nähebeziehung zum jeweiligen Emittenten leichter an Insiderinformationen gelangen und die Weitergabe der Information oder die Abgabe einer Empfehlung auf Basis der Information einen höheren Unrechtsgehalt aufweist, als dies bei außerhalb des Emittenten stehenden Dritten der Fall ist, die keinerlei Verbindung zum Emittenten haben und die vielleicht sogar zufällig an die Information gelangt sind. Eine solche Differenzierung im Hinblick auf die strafrechtlichen Rechtfolgen eines bestimmten Handelns ist jedoch geboten und vorzugswürdig, weil sie dem Grundgedanken des Strafrechts, die Bestrafung stets an dem Maß des verwirklichten strafwürdigen Unrechts zu orientieren, besser entspricht. (2) Notwendigkeit der Verwendung der Insiderinformation Ein zentrales Problem sowohl im deutschen als auch im chinesischen Recht ist die Frage, ob für die Verwirklichung des strafrechtlichen Veräußerungs- und Erwerbsverbots die Verwendung der Information nötig ist. Diese Frage hat sich für das chinesische Recht bereits im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Tatbestands gestellt, da im chinesischen Recht bei einem Verstoß 825  Howson,

in: Bainbridge, Research Handbook on Insider Trading, 327 (343 f.).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse267

gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot sowohl verwaltungsrechtliche als auch strafrechtliche Sanktionen vorgesehen sind.826 Im deutschen Recht stellt sich diese Problematik hingegen allein im strafrechtlichen Bereich, da ein Verstoß gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot stets eine Straftat darstellt, egal ob ein Primär- oder ein Sekundärinsider gehandelt hat. (a) Gesetzestext Die entsprechenden Regelungen in China und Deutschland unterscheiden sich im Hinblick auf das Erfordernis der Verwendung der Insiderinforma­ tion. Während im deutschen Wertpapierhandelsgesetz die Verwendung der Insiderinformation ganz eindeutig ein Tatbestandsmerkmal darstellt, ist die Rechtslage in China uneindeutig. Im chinesischen Recht, z. B. in den im Wertpapiergesetz und in der Futures Regulation geregelten Verboten, wird überwiegend eine Verwendung vorausgesetzt, in der entsprechenden Norm im Strafgesetz ist aber nicht niedergelegt, dass es für die Erfüllung des Tatbestands einer Verwendung der Insiderinformation bedarf. Diese uneinheitliche Regelungssystematik hat wie dargestellt zu vielen Diskussionen geführt. Die überwiegenden Stimmen plädieren dafür, eine Verwendung der Information zur Verwirklichung des Tatbestands zu fordern. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts des Strafgesetzes schwierig, insbesondere weil bei einem Straftatbestand, der so in den Fokus der Aufmerksamkeit der Behörden und Gerichte gerückt ist, wohl nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Fehlen der Verwendung der Insider­information als Tatbestandsmerkmal bloß ein redaktioneller Fehler des Gesetzgebers ist. Gegen einen solches bloßes Versehen spricht auch die Tatsache, dass eine Behebung dieses Fehlers im Zuge der Einführung des § 180 Abs. 4  StG zur Strafbarkeit des Rat Trading ohne Probleme möglich gewesen wäre. (b) Anwendbarkeit einer Vermutung Sowohl in Deutschland als auch in China wird diskutiert, ob man eine Vermutung aufstellen kann, dass der Handelnde die Insiderinformation verwendet hat. (aa) Verwendungsvermutung im chinesischen Recht In China plädieren diejenigen Vertreter, die die Verwendung der Information als Voraussetzung für die Tatbestandsverwirklichung fordern, für die 826  Vgl.

Kapitel C., II.3.

268

C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Anwendung einer Vermutung. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine solche Vermutung nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstößt. Hier eröffnet sich ein neues, sehr grundlegendes Pro­ blem, nämlich die Frage, ob die Unschuldsvermutung in China überhaupt Anwendung findet. Dies ist in China wie bereits gesehen sehr umstritten. Für die Anwendbarkeit der Unschuldsvermutung sprechen trotz nicht ganz eindeutiger Regelung im Strafprozessrecht die besseren Argumente. Auch wenn der Ansicht, die die Anwendbarkeit der Unschuldsvermutung ablehnt, dahingehend zuzustimmen ist, dass § 12 Strafprozessrecht nichts dazu sagt, dass eine Person als unschuldig gilt, bis das Gegenteil bewiesen ist, sondern nur auf die Verurteilung durch ein Gericht abstellt, was nicht zwingend impliziert, dass diese Verurteilung auf einer adäquaten Beweisführung beruht, so kann aus einem Zusammenspiel der Normen entnommen werden, dass die Unschuldsvermutung implizit im Strafprozessrecht niedergelegt ist. Dies kann zum einen damit begründet werden, dass § 12 Strafprozessrecht bestimmt, niemand solle als schuldig gelten, bevor nicht ein Gericht ihn nach dem Gesetz verurteilt habe. Diese Norm kann man nicht nur als Zuständigkeitsnorm der Gerichte lesen, sondern auch dahingehend, dass eine Bezeichnung als „schuldig“ erst dann möglich ist, wenn ein auf Gesetzen basierendes Verfahren stattgefunden hat, aufgrund dessen ein Urteil gefällt worden ist. Würde § 12 Strafprozessrecht allein die Zuständigkeit der Gerichte festlegen wollen, so hätte es genügt, wenn dieser gelautet hätte: „Keiner soll als schuldig gelten, bevor ihn ein Gericht verurteilt hat.“. Der Zusatz „dem Gesetz nach“ jedoch macht deutlich, dass dieses Gericht nicht nur zuständig, sondern auch an das Gesetz gebunden ist. Dieses Gesetz, das Strafprozessrecht, enthält Normen, die darauf schließen lassen, dass die Unschuldsvermutung Einzug in das Strafverfahren gehalten hat. So differenziert dieses z. B. zwischen „Verdächtigem“, „Angeklagtem“ und „Täter“ – eine Differenzierung, die nicht nötig wäre, wenn man von Anfang an davon ausgeht, dass eine Person schuldig ist. Zudem ermöglicht § 53 Abs. 1 Strafprozessrecht eine Verurteilung erst dann, wenn die Beweismittel zuverlässig und genügend sind. Gem. § 53 Abs. 2 Strafprozessrecht ist dies der Fall, wenn unter anderem die Gesamtbewertung der Beweismittel ergibt, dass alle Fakten ohne begründete Zweifel bewiesen sind. Würde das Gericht von der Schuld des Angeklagten ausgehen, so wäre ein Beweis seiner Schuld unnötig und die Vorschrift obsolet. Selbst wenn man mit manchen Stimmen in einer Vermutung keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung sehen will, steht jedoch fest, dass eine entsprechende Regelung bislang nicht im Gesetz vorgesehen ist und die Anwendung einer solchen einen Verstoß gegen den auch im chinesischen Strafrecht verankerten Grundsatz „nulla poena sine lege“ bedeutet. Wie bereits dargelegt lesen einige Stimmen in der Literatur eine solche Vermu-



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse269

tungsregelung in die Interpretation des Obersten Gerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft hinein. Würde die Interpretation eine Vermutungsregelung aufstellen, wäre das Argument des Verstoßes gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ nicht mehr haltbar, da die Interpretation im chinesischen Recht quasigesetzlichen Charakter hat. Jedoch ist eine dahingehende Auslegung der Interpretation strikt abzulehnen. Eine solche Vermutungsreglung kann nicht in Art. 2 Nr. 2 und 3 der Interpretation gesehen werden. Diese Regelung, die sich auf nahe Angehörige und enge Bekannte eines gesetzlichen Insiders sowie auf Personen bezieht, die Kontakt zu einem gesetzlichen Insider aufnehmen, stellt die Vermutung auf, dass diese Personen unter bestimmten Voraussetzungen als illegale Insider qualifiziert werden können. Manche Stimmen in der Literatur wollen der Regelung darüber hinaus auch eine Vermutung dahingehend entnehmen, dass diese Personen unter Verwendung einer Insiderinformation gehandelt haben, wenn ein bestimmtes Verhalten in Bezug auf den Handel mit Wertpapieren oder Futures vorliegt. Dieser Schluss ist verfehlt. Unter Anwendung der Interpretation lässt sich lediglich unter bestimmten Voraussetzungen die Vermutung aufstellen, dass bestimmte Personen als illegale Insider zu qualifizieren sind, nicht jedoch, dass sie unter Verwendung einer Insiderinformation gehandelt haben. Dies zeigt sich zum einen daran, dass es in Art. 2 der Interpretation um die Auslegung des Begriffs des illegalen Insiders geht und nicht um die Auslegung der verbotenen Verhaltensweisen. Zum anderen wäre es bei einer solchen Auslegung nicht nachzuvollziehen, warum eine Kausalitätsvermutung nur für die in Art. 2 Nr. 2 und 3 der Interpretation genannten Personen und nicht auch für die in Art. 2 Nr. 1 der Interpretation genannten illegalen Insider sowie die gesetzlichen Insider gelten soll. Eine solche umfassende Kausalitätsvermutung ist in Art. 5 der oben genannten, das Verwaltungsverfahren betreffenden Konferenz-Mitteilung zu finden. Es wäre für den Obersten Volksgerichtshof und die Generalstaatsanwaltschaft naheliegend gewesen, diese Vermutung in die Interpretation zu übernehmen, wenn sie eine solche auch für die Verfolgung strafrechtlicher Insiderhandelsfälle hätten etablieren wollen. Auch der anderen Stimme in der chinesischen Literatur, die Art. 4 der Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs und der Generalstaatsanwaltschaft eine Vermutungsregelung im Hinblick auf die Verwendung der Information entnehmen will, ist zu widersprechen. Diese Regelung normiert Ausnahmetatbestände, in denen Insiderhandel nicht vorliegen soll, wie z. B. in Situationen, in denen eine Person aufgrund eines vor Erlangung der Insiderinformation geschlossenen Vertrags handelt. Aus dieser Vorschrift innerhalb der Interpretation kann jedoch nicht geschlossen werden, dass in allen Fällen, in denen die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands nicht

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

vorliegen, stets vermutet werden kann, dass die handelnde Person die Insiderinformation zur Durchführung von Wertpapiergeschäften verwendet hat. Art. 4 der Interpretation impliziert lediglich, dass es grundsätzlich einer Verwendung der Insiderinformation bedarf und die bloße Kenntnis der Information nicht zur Verwirklichung des Straftatbestands genügt. Für das chinesische Recht kann daher festgehalten werden, dass es eine gesetzlich niedergelegte Vermutungsregelung für die Verwendung der Insiderinformation im insiderrechtlichen Straftatbestand momentan nicht gibt. Wenn man entgegen dem Gesetzeswortlaut davon ausgeht, dass die Verwendung der Insiderinformation eine Voraussetzung für die Tatbestandsverwirklichung ist, würde die Anwendung einer solchen Vermutungsregelung daher einen Verstoß gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ bedeuten. Geht man jedoch davon aus, dass es einer Verwendung der Insiderinformation nicht bedarf, weil der Gesetzgeber ein absolutes Handelsverbot für Insider einführen wollte, bedarf es einer solchen Vermutungsregelung schon gar nicht, weil das bloße Handeln mit Wertpapieren oder Futures in Kenntnis einer Insiderinformation bereits für die Tatbestandsverwirklichung genügt. (bb) Verwendungsvermutung im deutschen Recht Im deutschen Recht hat die Vermutung der Verwendung der Insiderinformation aufgrund des EuGH-Urteils im Spector Photo Group-Fall Brisanz erlangt. Herrschende Meinung bis dato war, dass die Insiderinformation zumindest mitursächlich für das Handeln des Insiders gewesen sein muss. Der EuGH hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine Verwendung der Insiderinformation unter Wahrung der Verteidigungsrechte des Handelnden impliziert ist, wenn dieser Primärinsider ist, über eine Insiderinformation verfügt und für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Insiderinformation bezieht, erwirbt oder veräußert oder dies versucht. Dieses Urteil, das sich auf ein belgisches Verwaltungsverfahren bezog, ist in der Literatur auf viel Kritik gestoßen, weil es dem EuGH schon systematisch nicht zu gelingen scheint, sauber zwischen der Kausalität zwischen der Insiderkenntnis und der Tathandlung einerseits und der Frage des Vorsatzes andererseits zu unterscheiden und weil dieses Urteil auf das deutsche Insiderstrafrecht übertragen zu einer Kausalitätsbzw. Vorsatzvermutung führt, die mit den Grundgedanken des deutschen Strafrechts nicht vereinbar sind. Der überwiegenden Ansicht in der Literatur, die das Urteil des EuGH nicht auf das deutsche Insiderrecht übertragen will, ist zuzustimmen. Das Urteil bezog sich auf ein Verwaltungsverfahren, welches wohl vergleichbar ist mit dem in Deutschland bekannten Ordnungswidrigkeitenverfahren. Für dieses gelten grundsätzlich die gleichen Prinzipien wie für das Strafverfahren, d. h. insbesondere auch die Unschuldsvermutung.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse271

So kann man sich schon an dieser Stelle fragen, ob die Ansicht des EuGH, Vermutungen rechtlicher und tatsächlicher Art seien jeder Rechtordnung bekannt und Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die den Grundsatz der Unschuldsvermutung enthält, stehe diesen nicht entgegen, wenn diese unter Berücksichtigung des Gewichts der betroffenen Belange und Wahrung der Verteidigungsrechte gebraucht werden,827 nicht auch im Verwaltungsverfahren die Rechte des Betroffenen zu sehr einschränkt. Zugunsten des EuGH kann man hier jedoch anbringen, dass ein Verwaltungs- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren gerade kein Strafverfahren ist und den Betroffenen nur wegen Ungehorsams und nicht wegen einer ethisch vorwerfbaren Schuld ahndet. Damit geht einher, dass die Ahndung eines Verstoßes gerade nicht den Charakter einer Strafe wegen der Begehung einer Straftat hat. Der Betroffene läuft nicht Gefahr, ins Bundeszentralregister eingetragen zu werden und muss auch keine Freiheitsstrafe fürchten. Aufgrund dieses weniger harten Eingriffs könnte man die Anwendung einer Vermutung rechtfertigen.828 Vor dem Hintergrund des soeben Gesagten ist das Ergebnis im Hinblick auf eine Übertragung der Urteilsgrundsätze auf das deutsche Insiderstrafrecht umso eindeutiger. Wenn schon im Verwaltungsverfahren zweifelhaft ist, ob eine solche Vermutung die Rechte des Betroffenen nicht über Gebühr einschränkt, so ist für das Strafverfahren ganz eindeutig ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung festzustellen. Vermutungen kennt das deutsche Recht im Bereich des Zivilrechts, nicht aber in Bereichen, in denen der Staat Strafen gegen Bürger verhängt. Das Strafrecht ist nach allgemeiner Ansicht immer als ultima ratio und vor allem nur dann einsetzbar, wenn der Beschuldigte alle Voraussetzungen eines entsprechenden Straftatbestandes verwirklicht hat. Dies zu beweisen obliegt dem Staat und gerade nicht dem Beschuldigten. Insofern ist eine Übertragung des Urteils auf das deutsche Insiderstrafrecht schon aus diesem Grunde abzulehnen. Ein weiteres Argument gegen die Übertragung in das deutsche Recht ist die Tatsache, dass die vom EuGH aufgestellt Vermutung nicht gesetzlich niedergelegt ist. Entgegen der Ansicht des EuGH kann man Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie und damit § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auch nicht so auslegen, dass dieser eine Vermutung dahingehend enthält, dass eine Person, die über eine Insiderinformation verfügt und Transaktionen mit Finanzinstrumenten durchführt, auf die sich die Insiderinformation bezieht, diese Insiderinformation in der Regel verwendet. Zwar wollte der Gesetzgeber durch die Abschaffung des Begriffs der „Ausnutzung der Information“ 827  Vgl.

EuGH, BeckRS 2009, 71428 Rn. 43. diese Richtung gehend auch Langenbucher / Brenner / Gellings, BKR 2010, 133 (135). 828  In

272

C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

den Erwerbs- und Veräußerungstatbestand von subjektiven Elementen befreien. Jedoch hat er dies dadurch, dass er nun den Begriff „Verwendung“ einsetzt, nicht vollends erreicht. Die Verwendung einer Information für eine Transaktion beinhaltet schon begriffslogisch das Bewusstsein, dass Gebrauch von dieser Information gemacht wird. Da der Gesetzgeber es also grundsätzlich für nötig gehalten hat, die Verwendung der Insiderinformation als Tatbestandsvoraussetzung zu fordern, kann der EuGH nun nicht dagegen argumentieren, die Verwendung sei in der Regel impliziert. Vor dem Hintergrund all dessen ist die Anwendung einer Vermutung der Kausalität zwischen dem Besitz der Insiderinformation und einem getätigten Geschäft mit Finanzinstrumenten im deutschen Recht abzulehnen. Wegen der hier aufgezeigten Verstöße gegen verfassungsrechtliche Prinzipien dürfte überdies auch keine Pflicht der deutschen Behörden und Gerichte bestehen, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG entsprechend europarechtskonform auszulegen.829 (c) Folgerungen für den chinesischen und deutschen Gesetzgeber Aufgrund der mit dem insiderrechtlichen Erwerbs- und Veräußerungsverbot sowohl in China als auch in Deutschland einhergehenden Diskussionen, Unstimmigkeiten und vor allem Unsicherheiten, stellt sich die Frage, was den beiden Gesetzgebern für den Umgang mit dieser Problematik in der Zukunft geraten werden sollte. Betrachtet man das chinesische strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Insiderhandelsverbot, so ist dem chinesischen Gesetzgeber zu raten, zunächst die Unstimmigkeiten zwischen diesen beiden Vorschriften, aber auch den Vorschriften innerhalb des Wertpapiergesetzes zu beseitigen und sich zu entscheiden, ob er in der Verwendung der Insiderinformation eine Voraussetzung für die Verwirklichung des Tatbestandes sieht. Entscheidet der Gesetzgeber sich für die Notwendigkeit der Verwendung der Insiderinformation, sollte er den Straftatbestand des § 180 Abs. 1 StG entsprechend ergänzen. Entscheidet er sich gegen die Notwendigkeit der Verwendung und damit für das momentan im Strafgesetz vorgesehene Regelungskonzept, sollte er – ähnlich dem amerikanischen Gesetzgeber – Ausnahmetatbestände formulieren, in denen ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot nicht vorliegt. Denn auch wenn der chinesische Gesetzgeber ein absolutes Handelsverbot befürwortet, welches bereits jegliche Transaktionen beim bloßen Besitz einer Insiderinformation verbietet, darf er den eigentlichen Zweck des Verbots nicht außer Acht lassen. Dieses soll den Kapitalmarkt und sei829  In

diese Richtung gehend auch Nietsch, ZHR 174 (2010), 556 (578 f.).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse273

ne Anleger nur vor Insidern schützen, die die Chancengleichheit deshalb beeinträchtigen, weil sie aufgrund eines Informationsvorsprungs handeln. Wenn eine Person, obwohl sie Insider ist, jedoch nicht aufgrund einer In­ siderinformation handelt, beeinträchtigt sie diese Chancengleichheit nicht und kann daher die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts nicht gefährden. Sie zu bestrafen würde daher der Konzeption des Insiderhandelsverbots zuwiderlaufen. Die ausdrückliche Formulierung von Ausnahmetatbeständen würde den einzelnen Anleger in die Lage versetzen, seine Anlageentscheidungen im Hinblick auf einen potentiellen Verstoß bewusster zu treffen und ihm von vornherein die Möglichkeit geben, die Gründe für seine Anlageentscheidung so zu dokumentieren, dass er im Zweifelsfall beweisen kann, dass sein Handeln nicht unter das Insiderhandelsverbot fällt. Im Hinblick auf das deutsche Wertpapierhandelsgesetz besteht nach dem hier gefundenen Ergebnis kein Handlungsbedarf. So muss der Gesetzgeber nicht, wie von einigen Stimmen in der Literatur gefordert, tätig werden und einen Katalog mit Ausnahmetatbeständen vom Insiderhandelsverbot formulieren. Vielmehr kann die gesetzliche Regelung so erhalten bleiben, da die vom EuGH aufgestellte Vermutung nicht in den deutschen Verbotstatbestand hineingelesen werden muss. Dennoch kann man sich auch für das deutsche Gesetz fragen, welches Regelungskonzept das bessere ist und ob der deutsche Gesetzgeber nicht besser das momentan im chinesischen Strafgesetz angelegte Konzept des absoluten Handlungsverbots einführen sollte. Dieses hat zwar für sich, dass es eine sehr klare Regelung schafft. Jedoch würde die Beweislast dafür, dass gerade kein Insiderhandel vorliegt, wiederum dem Insider aufgegeben, da dieser die den Ausnahmetatbestand begründenden Tatsachen vorzutragen hätte. Dem deutschen Strafrecht ist ein Straftatbestand fremd, der zum einen ein absolutes Verbot enthält, zum anderen dem Betroffenen aber die Möglichkeit gibt sich dadurch zu verteidigen, dass er die Einschlägigkeit eines bestimmten Ausnahmetatbestands beweist, der sein Verhalten rechtfertigt oder entschuldigt. Dem Amtsermittlungsgrundsatz zufolge liegt es in der Hand des Staates, den Tathergang zu beweisen. Die Staatsanwaltschaft wird gemeinhin als „objektivste Behörde der Welt“ bezeichnet, weil sie als Organ der Rechtspflege nicht nur gegen den Beschuldigten ermittelt, sondern auch verpflichtet ist, nach Tatsachen zu suchen, die den Beschuldigten entlasten. Anders als in den USA, wo die Verfolgungsbehörden nur nach belastenden Fakten suchen und es in der Hand des Beschuldigten liegt, sich gegen die belastenden Fakten zu verteidigen, muss ein Beschuldigter nach den im deutschen Strafprozessrecht geltenden Prinzipien seine Unschuld nicht beweisen. Diese Prinzipien zugunsten einer dem amerikanischen System vergleichbaren Regelung des Verbots von Insidergeschäften außer Kraft zu setzen, würde die gesamte Strafrechtsordnung auf den Kopf stellen und entspricht nicht dem in Deutschland herrschenden Verständnis.

274

C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Die letzte Frage ist daher nur noch, ob ein absolutes Verbot gegenüber dem Verbot, welches nur bei Verwendung der Insiderinformation einschlägig ist, so viel vorteilhafter ist. Dies dürfte zu verneinen sein. Auch wenn dem Verbotstatbestand, der eine Verwendung der Insiderinformation fordert, stets vorgeworfen wird, er sei mit erheblichen Beweisschwierigkeiten belastet, zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass Gerichte auch zu einer Verurteilung gelangen können, wenn der Angeklagte behauptet, die Insiderinformation nicht verwendet zu haben. Das Gericht schaut in der Regel auf die Umstände des Falles, das normale Handelsverhalten des Insiders und die konkreten zeitliche Abläufe der gegenständlichen Transaktionen. Bestehen hinreichend enge Zusammenhänge, widerspricht das Handelsverhalten des Insiders seinen sonstigen Aktivitäten am Markt und kommen sonstige Indizien hinzu, kann dies für eine Überzeugung des Gerichts genügen, dass der Insider nur auf der Basis einer Insiderinformation gehandelt haben kann. Vor dem Hintergrund, dass bei dieser gesetzlichen Konzeption der Beweis der Umstände des Falls maßgeblich in der Hand des Staates liegt, also gerade nicht dem Einzelnen aufgebürdet wird und trotzdem eine Verurteilung möglich ist, wenn es genügend Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Transaktion die Voraussetzungen des Insiderhandelstatbestands erfüllt, ist die Wahl einer Regelung zu befürworten, die eine Verwendung der Insiderinformation voraussetzt. c) Zivilrechtliche Haftung aa) Rechtslage in China Während im deutschen Recht für Schadensersatzansprüche, die aus verbotenen Insidergeschäften resultieren, nur eine allgemeine Anspruchsgrundlage herangezogen werden kann, wurde in das chinesische Wertpapiergesetz im Zuge der letzten Gesetzesänderung eine spezielle Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche in § 76 Abs. 3 WpG aufgenommen. Dieser verpflichtet Insider zum Ersatz des Schadens, den ein Anleger aufgrund von Insiderhandel erlitten hat. Die Aufnahme einer solchen Anspruchsgrundlage in das Wertpapiergesetz rührt daher, dass die Gerichte sich in der Vergangenheit außerstande sahen, sich mit Schadensersatzklagen, die auf Begehungen von Verletzungen im Wertpapierbereich gründeten, auseinanderzusetzen. Weder enthielt das Wertpapiergesetz aus dem Jahre 1999 eine Anspruchsgrundlage für Schäden, die Anlegern aufgrund von Insiderhandel entstehen, noch ließ sich ein Schadensersatzanspruch auf allgemeine zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen stützen.830 Im Wertpapiergesetz aus dem Jahre 1999 fand sich einzig eine sehr vage gefasste Anspruchsgrundlage für falsche und irrefüh830  Vgl.

Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 263 m. w. N.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse275

rende Darstellungen. Zudem waren auch sonstige Fragen, wie z. B. welche Gerichte für die Entscheidung solcher Fälle zuständig sein sollen, oder ob die Kläger bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, um Klage zu erheben, ungeklärt. Aufgrund dieser misslichen Lage, in der die chinesischen Gerichte in keiner Weise auf zivilrechtliche Schadensersatzklagen wegen Insiderhandels vorbereitet waren, wurde der chinesische Oberste Volksgerichtshof, der gem. § 127 S. 1 der chinesischen Verfassung831 für die Überwachung der Rechtsprechungstätigkeit der untergeordneten Gerichte zuständig ist, aktiv. Durch eine Mittelung vom 21. September 2001832 wies er die örtlichen Volksgerichte an, vorübergehend keine Klagen in Bezug auf Insiderhandel, Marktmanipulation und andere Arten von Wertpapierbetrug zuzulassen. Begründet wurde dies damit, dass aufgrund der Tatsache, dass die Verhältnisse in der Gesetzgebung und der Justiz momentan eingeschränkt seien, nicht die nötigen Voraussetzungen bestünden, um solche Fälle zuzulassen und zu verhandeln. Diese strikte Haltung des Obersten Volksgerichtshofs änderte sich jedoch bereits einige Monate später und so gab er eine zweite Mitteilung833 heraus, in der er alle mittleren Volksgerichte anwies, Klagen in Bezug auf falsche und irreführende Darstellungen, nicht aber in Bezug auf Insiderhandel oder Marktmanipulation, anzunehmen. Durch eine am 9. Januar 2003 herausgegebene Mitteilung (Verfahrens-Mitteilung)834 wurden weitere Konkretisierungen, insbesondere in Bezug auf das Verfahren vorgenommen. Eine Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Schäden, die im Rahmen von Insiderhandel entstehen, gab es jedoch noch immer nicht. Der Ruf nach einer solchen wurde zunehmend eindringlicher, vor allem deshalb, weil der Eindruck entstand, eine effiziente Überwachung des Wertpapierhandels könne nur gewährleistet sein, wenn auch einzelne Anleger im Fall von Anomalien im Wertpapierhandel, die zu ihren Lasten gehen, ein Recht auf Schadensersatz und auch die Befugnis haben, dieses gerichtlich geltend zu machen.835 831  Chinesisch: 中国人民共和国宪法, in Kraft getreten am 4.12.1982 und zuletzt geändert am 14.3.2004. 832  Notice of the Supreme People’s Court on Refusing to Accept Civil Compensation Cases Involving Securities for the Time Being (最高人民法院关于涉证券民 事赔偿案件暂不予受理的通知). 833  Notice of the Supreme People’s Court on the Relevant Issues Concerning the Acceptance of Cases of Disputes over Civil Tort Arising from False Statement in the Securities Market (最高人民法院关于受理证券市场因虚假陈述引发的民事侵 权纠纷案件有关问题的通知), erlassen und in Kraft getreten am 15.1.2002. 834  Notice of the Supreme People’s Court on Trying Cases of Civil Compensa­tion Arising from False Statement in Securities Market (最高人民法院关于审理证券市 场因虚假陈述引发的民事赔偿案件的若干规定). 835  Vgl. Wu, Gaochen / Tang, Contemporary Law Review 2003 (2), 89 (89 ff.); Wang, Liming, Chinese Journal of Law, 2001 (4), 55 (55 ff.); Hu, Modern Business 2008 (32), 284 (285).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Aufgrund dieser Entwicklung sah sich der chinesische Gesetzgeber genötigt, den bereits erwähnten § 76 Ab. 3 WpG in das Gesetz aufzunehmen, der jedoch nur eine sehr allgemeine Formulierung enthält, auf Basis derer es für Anleger schwierig sein sollte, einen Schadenersatzanspruch durchzusetzen. Bemerkenswert ist auch, dass der Oberste Volksgerichtshof seine Einstellung hinsichtlich privatrechtlicher Klagen, die aufgrund verbotenen Insiderhandels erhoben werden, seit dem Jahre 2002 – trotz Einführung einer Schadensersatzanspruchsgrundlage in das Wertpapiergesetz – bis heute nicht geändert hat. Ein Schadensersatzanspruch könnte sich theoretisch zudem aus dem allgemeinen Vertragsrecht oder dem Recht der unerlaubten Handlung ableiten lassen, jedoch dürfte es für den Geschädigten wie im deutschen Recht schwierig sein, z. B. die Kausalität zwischen dem Handeln des Insiders und seinem Schaden zu beweisen.836 Ein Blick in die Gerichtspraxis zeigt, dass trotz aller Schwierigkeiten im Jahre 2008 eine erste auf verbotenem Insiderhandel basierende Schadensersatzklage vor dem Mittleren Volksgericht in Nanjing erhoben wurde. Im Jahr zuvor hatte der Vizepräsident des Obersten Volksgerichtshofs Xi Xiaoming im Rahmen einer Richtertagung dafür plädiert, dass die Gerichte entgegen der zweiten Mitteilung des Obersten Volksgerichtshofs aus dem Jahre 2002 auch Klagen in Bezug auf Insiderhandel und Marktmanipulation annehmen. Hinsichtlich eventueller prozessualer Fragen sollten die Gerichte auf die im Jahre 2003 vom Obersten Volksgerichtshof herausgegebene dritte Mitteilung in Bezug auf die prozessuale Handhabung von Klagen wegen falscher und irreführender Darstellungen und die darin enthaltenen Vorgaben zurückgreifen.837 Dieser Appell führte dazu, dass im Januar 2008 Chen Ningfeng durch seinen Anwalt eine Schadensersatzklage beim Mittleren Volksgericht gegen Chen Jianliang, der zuvor durch die CSRC mit einer Verwaltungssanktion838 wegen Insiderhandels belegt worden war, erheben ließ. Chen Jianliang war stellvertretender Geschäftsführer der Tianshan Zement Aktiengesellschaft (Tianshan AG). Als solcher wusste er von bevorstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen und handelte auf Basis dieser Information mit den Aktien der Tianshan AG. Chen Ningfeng handelte im selben Zeitraum mit Aktien der Tianshan AG. Er machte geltend, durch den Insiderhandel des Chen Jianliang habe er einen Verlust erlitten. Die zentralen Punkte, mit denen sich das Gericht zu beschäftigen hatte, waren zum einen Huang, Hui, 5 J. Bus. L. 2012, 379 (392 f.). Zivilrechtliche Ansprüche können unrechtmäßigen Wertpapierhandel eindämmen (Chinesisch: 民事索赔能有效遏制证券违法行为), in: Lawtime, abrufbar unter: http: /  / www.lawtime.cn / info / zhengquan / qtwf / 20090423649.html (zuletzt besucht am 19.10.2013). 838  Verwaltungssanktion 2007 Nr. 15 der CSRC v. 28.4.2007 gegen Chen Jian­ liang (中国证监会行政处罚决定书(陈建良)– (2007) 15号). 836  Vgl. 837  Vgl.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse277

die Frage, ob der Insiderhandel überhaupt kausal für den Schaden des Chen Ningfeng war und zum anderen die Frage, wie die Höhe des Schadensersatzes zu berechnen sei.839 Schlussendlich kam es jedoch nicht zu einer Entscheidung durch das Gericht, weil der Beklagte dem Kläger eine außergerichtliche Zahlung anbot, und der Kläger die Klage daraufhin zurücknahm. Dennoch war dieser Fall insofern ein erster Schritt, als Investoren die Möglichkeit vor Augen geführt wurde, aus verbotenem Insiderhandel resultierende Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Es folgten weitere Klageerhebungen, z. B. im Fall Pan Haishen, in dem es zuvor zu einer Verwaltungssanktion840 durch die CSRC kam. Pan Haishen war Vorstandsmitglied der Da Tang Telecommunications Science and Technology Aktiengesellschaft (Da Tang AG). Für das Jahr 2006 hatte die Da Tang AG einen Gewinn in Aussicht gestellt. Im Zuge der Vorbereitungen des Geschäftsberichts wurde jedoch klar, dass die Da Tang AG mit großer Wahrscheinlichkeit statt eines Gewinns einen erheblichen Verlust würde ausweisen müssen. Darüber wurde der Vorstand informiert, wobei die Größe des Verlustes zunächst noch nicht beziffert war, sich aber aus den dem Vorstand vorliegenden Unterlagen berechnen ließ. Pan Haishen verkaufte vor der Veröffentlichung des Geschäftsberichts des Jahres 2006 Aktien, die er an der Da Tang AG hielt. Nach Tätigung dieser Geschäfte fiel der Aktienkurs – wie von Pan Haishen erwartet – und der Verkauf der Aktien ersparte ihm einen Verlust. In diesem Fall wurde im Jahre 2009 das erste Urteil in einem insiderrechtlichen Schadensersatzprozess gefällt. Chen Zuling machte Schadensersatzansprüche gegen Pan Haishen vor dem Ersten Mittleren Volksgericht in Peking geltend. Das Gericht wies die Klage ab, weil es keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Insiderhandel durch Pan Haishen und dem von Chen Zuling erlittenen Verlust feststellen konnte.841 Die Fälle aus der Praxis zeigen, dass Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche auf der Basis der gesetzlichen Anspruchsgrundlage von strengen Voraussetzungen abhängig ist, so dass die Eindämmungsfunktion, die zivilrechtlichen Ansprüchen vom Vizepräsidenten des Obersten Volksgerichtshofs Xi Xiaoming zugesprochen wurden, hinter den Erwartungen zurückbleibt. Dies liegt auch daran, dass nach Art. 6 der Verfahrens-Mitteilung ein 839  Vgl. Zivilrechtliche Ansprüche können unrechtmäßigen Wertpapierhandel eindämmen (Chinesisch: 民事索赔能有效遏制证券违法行为), in: Lawtime, abrufbar unter: http: /  / www.lawtime.cn / info / zhengquan / qtwf / 20090423649.html (zuletzt besucht am 19.10.2013). 840  Verwaltungssanktion 2008 Nr. 12 der CSRC v. 20.3.2008 gegen Pan Haishen (中国证监会行政处罚决定书(潘海深)– (2008) 12号). 841  Vgl. Erstes Mittleres Volksgericht in Peking, Entscheidung Nr.  8217 v. 22.10.2009, Chen Zuling vs. Pan Haishen (北京市第一中级人民法院民事判决 书,(2009)一中民初字第8217号,陈祖灵与潘海深).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Kläger seine Schadensersatzklage nur auf eine vorherige Verwaltungssanktion durch die CSRC oder ein gerichtliches Strafurteil gründen kann. Es wäre wünschenswert, der Oberste Volksgerichtshof würde zum einen die zweite Mitteilung aus dem Jahre 2002 neu fassen und die Gerichte anweisen, nicht nur Klagen in Bezug auf falsche und irreführende Darstellungen, sondern auch in Bezug auf Insiderhandel und Marktmanipulation anzunehmen. Zum anderen sollte das Vorliegen einer Verwaltungssanktion oder eines Strafurteils nicht mehr zwingende Voraussetzung der Klageerhebung sein. Schließlich sollten weitere Hindernisse und zentrale Punkte geklärt werden: wer Klage erheben darf, welche Beweise erbracht werden müssen, um unrechtmäßigen Insiderhandel nachzuweisen, welche Partei die Beweislast trägt, wie die Bestimmung der Kausalität zwischen dem Verlust des Anlegers und der Handlung des Insiders erfolgt, wie die Höhe des Schadensersatzes zu berechnen ist etc.842 Erst wenn diese Fragen geklärt sind, könnte eine effektive Durchsetzung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche überhaupt erfolgversprechend sein. bb) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme Die Regelungsansätze im deutschen und chinesischen Recht zur Frage der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit eines Insiders lassen zwei komplett unterschiedliche Ansätze erkennen. Die überwiegenden Stimmen in Deutschland messen dem Insiderhandelsverbot keinen individualschützenden Charakter bei. Für den deutschen Gesetzgeber steht der Funktionenschutz des Kapitalmarkts und der damit eng verbundene Schutz der Gesamtheit der Anleger im Vordergrund. Die mit der Einführung eines Insiderhandelsverbots bezweckte Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit des Kapitalmarkts soll auf rein marktfunktionaler Ebene bereits durch den Schutz des Anlegervertrauens gewährleistet werden, nicht hingegen durch die Gewährung mate­ rieller Ansprüche auf Ersatz individueller Schäden. Für diese Ansicht des deutschen Gesetzgebers spricht auch, dass er für den Fall eines Verstoßes gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht explizit Anspruchsgrundlagen für Schadenersatz im Wertpapierhandelsgesetz niedergelegt hat, sich jedoch für den Fall eines Verstoßes gegen das Insiderhandelsverbot nicht zu einem solchen Vorgehen berufen sah. Der chinesische Gesetzgeber hingegen hat sich für die Einführung eines individuellen Schadensersatzanspruchs entschieden und stellt sich dadurch auf den Standpunkt, dass das Insiderhandelsverbot sehr wohl auch dem Schutz des einzelnen Anlegers zu dienen bestimmt ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welcher der vorzugswürdige Ansatz ist. Dabei kommt man nicht umhin zu analysieren, ob ein Scha842  Vgl.

auch Duan, 12 Duquesne Bus. L. J. 2009 (12), 129 (157).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse279

densersatzanspruch des einzelnen Anlegers überhaupz zweckmäßig ist. Dies bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem, ob ein solcher in der Lage ist, der Durchsetzung des Insiderhandelsverbots zusätzlich zu nützen, oder ob die bereits vorgesehenen Sanktionen nicht ausreichend für eine effektive Durchsetzung sind. Die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs neben den gesetzlich vorgesehenen ordnungswidrigkeiten- und strafrecht­ lichen Folgen, bedeutet nach der hier vertretenen Auffassung keinen zusätzlichen Gewinn und macht die Durchsetzung des Insiderhandelsverbots nicht effektiver. Der Grund dafür ist sowohl in Deutschland als auch in China vor allem praktischer Natur, denn die Durchsetzung eines solchen Schadensanspruchs ist auf der Basis der aktuellen Rechtslage weder in Deutschland noch in China denkbar. Dabei hilft es in China auch nicht weiter, dass der Gesetzgeber eine sehr unkonkrete Rechtsgrundlage im Wertpapiergesetz vorgesehen hat, die es dem individuellen Anleger grundsätzlich ermöglicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Denn egal, ob eine Rechtsordnung eine solche spezielle Anspruchgrund­ lage vorsieht oder ob der Anspruch wie in Deutschland auf eine allgemeine Schadensersatzanspruchsgrundlage zu stützen versucht wird, sind die Probleme, die sich bei der Durchsetzung ergeben, stets dieselben. Zum einen stellt sich die Frage, ob dem Anleger, der mit einem Insider kontrahiert, überhaupt ein Schaden entsteht. Dies kommt schon in der oftmals gebrauchten Bezeichnung des Insiderhandels als „victimless crime“ zum Ausdruck. Ein Schaden ließe sich z. B. im Verkaufsfall gedanklich nur wie folgt konstruieren: Der Marktwert eines Finanzinstruments liegt bei 30. Der Anleger würde für 31 verkaufen, der Insider bietet 32, weil er weiß, dass der Kurs bei Veröffentlichung der ihm bereits bekannten Information auf 40 steigen wird. Die Differenz zwischen dem Marktwert und dem inneren Wert des Finanzinstruments, der sich bisher mangels Veröffent­ lichung der Information noch nicht gebildet hat, liegt also bei 10. Der Anleger wird daher für 32 verkaufen, obwohl er eigentlich für 40 verkaufen könnte. Diese Kursdifferenz könnte der Anleger als entgangenen Gewinn geltend machen. Selbst wenn man also einen Schaden des Anlegers bejahen würde, wird der Anleger in den meisten Fällen den Beweis der Kausalität zwischen Insiderhandel und Schaden schuldig bleiben. Will ein Anleger eine Transaktion am Markt tätigen, gibt er im Falle des Verkaufs bzw. des Kaufs stets einen Minimal- bzw. einen Maximalwert an, zu dem die Transaktion durchgeführt werden soll. Da diese Transaktionen durch elektronische Abwicklungssystemme automatisch durchgeführt werden, kann der Anleger sich seinen Vertragspartner nicht aussuchen und gerät allein durch Zufall an einen Insider. Diese Art der Abwicklung hat aber auch zur Folge, dass der Anleger grundsätzlich auch mit jedem anderen Vertragspartner zu denselben Konditionen gehandelt hätte, denn die Praxis zeigt, dass eine Transaktion, die getätigt werden soll in der Regel auch

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

getätigt wird.843 Schließlich kann die für den Schaden verantwortliche Pflichtverletzung auch nicht in einem Unterlassen der Veröffentlichung der Insiderinformation durch den Insider gesehen werden.844 Den Insider trifft nämlich weder im deutschen noch im chinesischen Recht eine Offenlegungspflicht. Eine solche richtet sich nur an den Emittenten. Zwar rechtfertigt allein ein Problem auf der Ebene der Anspruchsdurchsetzung nicht die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs per se. Die Praktikabilität und Effektivität eines Anspruchs ist jedoch bei der grundsätzlichen Entscheidung für oder gegen die Einführung einer Anspruchsgrundlage von großer Bedeutung. Wenn man nur aus Prinzip einen individuellen Anlegerschutz bejaht und diesen auch nur dann als gegeben erachtet, wenn man dem individuellen Anleger einen materiellen Anspruch auf Schadensersatz im Falle von Insiderhandel gewährt, so hat dies nicht zwingend eine Besserstellung und einen höherwertigen Schutz des Anlegers zur Folge. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist zunächst einmal nur ein stumpfes Schwert, denn der Anleger hat das Bestehen der Voraussetzungen für den Anspruch zu beweisen. Genau aus diesem Grunde herrscht unter den deutschen Rechtswissenschaftlern die Auffassung, die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs sei von vornherein wenig zweckdienlich. Würde der Gesetzgeber sich für die Einführung eines solchen Anspruchs entscheiden oder würde durch ein Urteil des BGH klargestellt, dass die Rechtsprechung dem Insiderhandelsverbot die Eigenschaft eines Schutzgesetzes i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB zuspricht, bestünde die Gefahr, dass dies zu einer Klageflut und einer völligen Überlastung der Gerichte führt. Gleiches gilt für die Rechtslage in China. Zwar ist die Gefahr einer Klageflut in China aktuell nicht ganz so hoch wie in Deutschland, da sich das Bewusstsein der Anleger, ihre Rechte vor Gericht verteidigen zu können, noch in der Entwicklung befindet. Jodoch zeigen die beschriebenen aktuellen Fälle, dass auch chinesische Anleger geneigt sind, vor Gericht Schadensersatz wegen Insiderhandels zu erstreiten. Auf der Basis der momentan zur Verfügung stehenden generellen Anspruchsgrundlage des § 823 Abs. 2 BGB im deutschen Recht, aber auch auf der Basis der chinesischen wertpapierrechtlichen Schadensersatzanspruchsgrundlage des § 76 Abs. 3 WpG sind solche Klagen jedoch aufgrund der bereits genannten Beweisschwierigkeiten nicht erfolgversprechend. Gleiches 843  Vgl. Binninger, Gewinnabschöpfung als kapitalmarktrechtliche Sanktion, S. 164; a. A. Grechenig, Schadensersatzpflicht bei Verletzung von § 14 WpHG?, S. 15 Fn. 97, der davon ausgeht, dass eine Transaktion ohne Vorhandensein eines Insiders nicht zustande gekommen wäre, da nur ein Insider mit entsprechenden Informationen ein so hohes Angebot gemacht bzw. eine entsprechende Order erteilt hätte. 844  So aber Kirchner, in: FS Kitagawa, S. 665 (672, 679 f.).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse281

gälte für eine eventuell vom deutschen Gesetzgeber in das Wertpapierhandelsgesetz eingeführte Anspruchsgrundlage, die den zivilprozessualen Grundsätzen der Beweislastverteilung folgt. Wollten der deutsche sowie der chinesische Gesetzgeber einen Schadensersatzanspruch des individuellen Anlegers handhabbarer machen, so wäre dies nur dann möglich, wenn sie die Beweislastverteilung zugunsten des Anlegers anpassten. Dies könnte z. B. die Einführung einer Kausalitätsvermutung zwischen Insidergeschäft und Schaden des Anlegers bedeuten. Es würde dann das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen Insidergeschäfts und Schaden vermutet, es sei denn, der Insider könnte beweisen, dass der Kausalzusammenhang aus bestimmten Gründen nicht gegeben ist. Dem Insider jedoch derartige Beweislast aufzuerlegen, würde zu weit führen. Die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast orientieren sich nämlich daran, welcher Verantwortungsbereich von welcher Partei beherrscht wird und wo der Beweis bestimmter Tatsachen der einen oder der anderen Partei folglich leichter fallen bzw. nahezu unmöglich sein wird. Würde man dem Insider nun den Beweis auferlegen, dass der Anleger bereits zum Kauf von Wertpapieren entschlossen und es nur eine Frage des Zufalls war, dass er diese von einem Insider und nicht von einem anderen Anleger gekauft hat, so würde man ihm den Beweis von Umständen auferlegen, die im Verantwortungsbereich des Anlegers liegen. Der Insider wird kaum in der Lage sein, diesen Beweis zu führen, um sich zu entlasten. Der Insider wäre hier übermäßig benachteiligt, weil er in der Regel zur Zahlung des Differenzschadens herangezogen würde, obwohl der Anleger in den meisten Fällen die Finanzinstrumente ohnehin zu denselben Konditionen verkauft hätte. Eine solche Ausuferung des Schadensersatzrechts ist abzulehnen. Der deutsche Gesetzgeber kann sich mit Blick auf die chinesische Regelung eines insiderrechtlichen Schadensersatzanspruchs und den entsprechenden Erfahrungen aus der Praxis in seiner Entscheidung gegen die Gewährung individueller Schadensersatzansprüche bestätigt sehen. Dem chinesischen Gesetzgeber ist zu raten, die Rechtsgrundlage für den insiderrechtlichen Schadensersatzanspruch aus dem Wertpapiergesetz zu streichen. Momentan ist der praktisch wertlos. Selbst wenn die Anspruchsgrundlage durch den Gesetzgeber oder im Rahmen einer Interpretation des Obersten Volksgerichtshofs konkretisiert und praktisch handhabbar gemacht würde, so wäre dies nur zulasten des Insiders möglich, was jedoch aus den oben genannten Gründen abzulehnen ist. 4. Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Insidergeschäften Auch wenn den verwaltungs- und strafrechtlichen Rechtsfolgen verbotener Insidergeschäfte ein gewisser Abschreckungseffekt zuzusprechen ist, hat der chinesische Gesetzgeber erkannt, dass dieser allein nicht effektiv genug

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

ist, um Insidergeschäfte präventiv zu bekämpfen. Daher hat er sich wie der deutsche Gesetzgeber veranlasst gesehen, verschiedene Maßnahmen einzuführen, die verbotene Insidergeschäfte bereits auf präventiver Ebene bekämpfen sollen. Die wichtigsten Maßnahmen, d.  h. die Ad-hoc-Publizitätspflicht, die Pflicht zur Meldung von Directors’ Dealings, die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen sowie die Beschränkung bestimmter Wertpapiergeschäfte sollen im Folgenden näher erörtert werden. a) Ad-hoc-Publizität Ähnlich dem deutschen versucht auch der chinesische Gesetzgeber den Zeitraum, in dem eine Insiderinformation noch nicht veröffentlicht ist und Insider diese zu ihrem Vorteil ausnutzen und dadurch die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts beeinträchtigen können, durch eine Ad-hoc-Publizitätspflicht zu verkürzen. Zudem sollen dadurch die Komplikationen und Kosten der Insiderüberwachung minimiert werden.845 Der Anknüpfungspunkt der Ad-hoc-Publizitätspflicht des chinesischen Wertpapiergesetzes ist das Vorliegen eines sog. „erheblichen Ereignisses“. Bei einer genauen Analyse zeigt sich, dass sich die Begriffe der Insiderinformation und des erheblichen Ereignisses sich zum größten Teil überschneiden und daher gewährleistet ist, dass bei Vorliegen einer Insiderinformation auch eine Ad-hoc-Publizitätspflicht besteht. Unglücklicherweise ist der Begriff des erheblichen Ereignisses nicht nur im Wertpapiergesetz, sondern zudem in Art. 30 ff. der Administrative Measures for the Disclosure of Information of Listed Companies846 (Disclosure Rules) sowie auch in Kapiteln VII–XI der Zulassungsvorschriften der Börsen in Shanghai847 (im Folgenden ZV Shanghai) und Shenzhen848 (im Folgenden ZV Shenzhen) geregelt, was zu vielen Überschneidungen und zu einem hohen Maß an Undurchsichtigkeit führt. Die Börsenzulassungsvorschriften zeigen viele Situationen, die ein erhebliches Ereignis darstellen. Entscheidend ist im Rahmen der hier erörterten Ad-hoc-Publizität als Präventivmaßnahme des Insiderhandels nur eine Pub845  Chen,

Mengfa, Detaillierte Erklärungen zum WpG, S. 241. 上市公司信息披露管理办法, erlassen von der CSRC am 30. Januar 2007 und am selben Tag in Kraft getreten. 847  Chinesisch: 上海证券交易所股票上市规则, zuletzt geändert im Juli 2012, abrufbar als Anhang unter: http: /  / edu.sse.com.cn / cs / zhs / xxfw / flgz / rules / sserules /  sseruler20120707a.html (zuletzt besucht am 19.10.2013). 848  Chinesisch: 深圳证券交易所股票上市规则, zuletzt geändert im November 2012, abrufbar unter: http: /  / www.szse.cn / main / files / 2012 / 11 / 30 / 754939359998. pdf (zuletzt besucht am 19.10.2013). 846  Chinesisch:



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse283

lizitätspflicht, die sich auf Insiderinformationen bezieht. Eine solche findet sich in § 67 WpG und in den Disclosure Rules. Die in diesen beiden Regelungswerken genannten erheblichen Ereignisse werden auch – teilweise mit leichten Abwandlungen – in den Zulassungsvorschriften wiedergegeben. Manchmal erfahren sie zusätzlich eine Konkretisierung, die als Auslegungshilfe herangezogen werden kann.849 Die Publizitätspflicht bezieht sich im Wertpapiergesetz lediglich auf Informationen, die einen erheblichen Einfluss auf den Handelspreis von Wertpapieren haben können, wohingegen von den Disclosure Rules sowie auch in den Zulassungsvorschriften der Börsen sowohl Informationen umfasst sind, die den Handelspreis von Wertpapieren betreffen, als auch solche, die den Handelspreis von Futures betreffen. aa) Die Pflicht zur Veröffentlichung erheblicher Ereignisse Grundnorm der Ad-hoc-Publizitätspflicht ist § 67 WpG. Dieser bestimmt, dass bei Auftreten eines erheblichen Ereignisses, das einen vergleichsweise großen Einfluss auf den Handelspreis der Aktien eines börsennotierten Unternehmens haben kann und das den Anlegern bisher noch nicht bekannt ist, das Unternehmen verpflichtet ist, unverzüglich eine Ad-hoc-Mitteilung in Bezug auf das erhebliche Ereignis bei der CSRC sowie der entsprechenden Börse einzureichen und diese öffentlich bekanntzumachen. Die Mitteilung muss den Grund, die aktuelle Situation und die möglichen rechtlichen Konsequenzen des erheblichen Ereignisses darlegen. § 67 Abs. 2 WpG führt sodann auf, welche Situationen ein solches erhebliches Ereignis darstellen.850 Auf der Basis einer in § 67 Abs. 2 Nr. 12 WpG enthaltenen Ermächtigungsgrundlage hat die CSRC in Art. 30 Disclosure Rules weitere erhebliche Ereignisse vorgesehen. Sowohl die erheblichen Ereignisse des WpG als auch diejenigen der Disclosure Rules haben aufgrund einer Verweisung in § 75 Abs. 2 Nr. 1 WpG zudem den Charakter einer Insiderinformation, so dass die diesbezüglich bestehende Veröffentlichungspflicht ganz eindeutig im Einklang ist mit der Vorstellung, dass die Veröffentlichungspflicht ein präventives Instrument zur Verhinderung von Insidergeschäften darstellt. Allerdings beinhaltet dieses Konzept eine Lücke: Für die in § 75 Abs. 2 Nr. 2–7 WpG genannten Insiderinformationen besteht nach dem WpG keine Publizitätspflicht. Nur in einigen Fällen ergibt sich teilweise eine Veröffentlichungspflicht aus den Disclosure Rules. In den überwiegenden Fällen jedoch besteht eine Pflicht zur Veröffentlichung nur schon Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 185. in § 67 Abs. WpG angeführte Aufzählung hat wiederum einen abschließenden Charakter. Der CSRC ist es jedoch unbenommen, weitere erhebliche Ereignisse förmlich vorzuschreiben. 849  So

850  Die

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

aufgrund der Zulassungsvorschriften der Börsen, die im Gegensatz zum Wertpapiergesetz und den Disclosure Rules weniger schwere Sanktionen für den Fall vorsehen, dass die Veröffentlichungspflicht nicht befolgt wird. Im Folgenden wird dargestellt, welche Ereignisse nach dem Wertpapiergesetz und den Disclosure Rules veröffentlichungspflichtig sind, wobei die Zulassungsvorschriften der Börsen herangezogen werden, wenn sich aus ihnen Konkretisierungen ergeben, die als Auslegungshilfe dienen können. Zudem werden die in § 75 Abs. 2 Nr. 2–7 WpG genannten Insiderinformationen nochmals aufgegriffen. Es wird untersucht, inwieweit sich für diese Veröffentlichungspflichten aus den Disclosure Rules oder zumindest aus den Zulassungsvorschriften der Börsen ergeben. Schließlich werden die in der Regulation on the Administration of Futures Trading genannten Insiderinformationen dahingehend untersucht, ob diese eine Ad-hoc-Publizitätspflicht verursachen können. (1) Erhebliche Ereignisse im Sinne des Wertpapiergesetzes Die in § 67 Abs. 2 Nr. 1 WpG genannte wesentliche Veränderung der Geschäftspolitik oder des Umfangs der Geschäftstätigkeit des Unternehmens, findet sich ebenso in den Disclosure Rules und den Zulassungsvorschriften851 wie eine Veränderung im Hinblick auf die Vorstandsmitglieder, ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder oder der Geschäftsführer des Unternehmens gem. § 67 Abs. 2 Nr. 7 WpG.852 Zu erwähnen ist hier, dass in den Disclosure Rules zusätzlich die Situation genannt ist, in der der Vorstandsvorsitzende oder ein Geschäftsführer seine Pflichten nicht mehr erfüllen kann. Gleiches gilt für die Situation einer wesentlichen Veränderung in Bezug auf die Beteiligungsquote der Aktionäre oder derjenigen, die die faktische Kontrolle über das Unternehmen haben, wenn diese nicht weniger als 5 % der Aktien halten oder kontrollieren.853 Die in § 67 Abs. 2 Nr. 9 WpG geregelte Entscheidung des Unternehmens zu einer Kapitalherabsetzung, einer Verschmelzung, einer Abspaltung, einer Auflösung oder einem Insolvenzantrag854 ist wie die Situation, dass das Unternehmen in ein Verbrechen involviert ist, das vor Gericht gebracht und von der Justiz verfolgt 851  Vgl. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 Disclosure Rules sowie Ziffer 11.12.3 Nr. 2 ZV Shanghai und Ziffer 11.11.3 Nr. 2 ZV Shenzhen. 852  Vgl. Art. 30 Abs. 2 Nr. 7 Disclosure Rules sowie mit ähnlicher Formulierung, zusätzlich aber noch die Situation der Niederlegung des Amtes nennend Ziffer 11.12.3 Nr. 6 ZV Shanghai und Ziffer 11.11.3 Nr. 7 ZV Shenzhen. 853  Vgl. § 67 Abs. 2 Nr. 8 sowie Art. 30 Abs. 2 Nr. 8 Disclosure Rules und Ziffer 11.9.1 ZV Shanghai bzw. Ziffer 11.11.3 Nr. 6 ZV Shenzhen. 854  Vgl. Art. 30 Abs. 2 Nr. 9 sowie Ziffern 11.7.1 ff.; 11.9.2; 11.11.1 ff. ZV Shanghai und Ziffern 11.11.5; 11.10.1 ff. ZV Shenzhen.



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worden ist oder dass ein Vorstandsmitglied, ein Aufsichtsratsmitglied oder ein leitender Angestellter des Unternehmens Verdächtiger ist und ihm von der Justiz Maßnahmen auferlegt werden855 auch in den Disclosure Rules und den Zulassungsvorschriften geregelt. Eine Entscheidung des Unternehmens zu einer erheblichen Investition oder zum Kauf erheblicher Vermögenswerte gem. § 67 Abs. 2 Nr. 2 WpG ist in Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 Disclosure Rules niedergelegt. Auch in den Zulassungsvorschriften der Börsen findet sich eine ähnliche Regelung. Ziffer 9.1 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ZV Shanghai und ZV Shenzhen regelt den Kauf856 von Vermögenswerten, wobei gem. Ziffer 9.1 Abs. 2 ZV Shanghai und Shenzhen von vornherein solche Geschäfte ausscheiden, die das tägliche Geschäft betreffen, wie z. B. der Kauf von Rohmaterial, Treibstoff und Energie, es sei denn, es handelt sich dabei um einen Asset-Swap. Sowohl der Kauf von Vermögenswerten als auch externe Investitionen sind nach Ziffer 9.2 ZV Shanghai und Shenzhen nur unter den folgenden Voraussetzungen zu veröffentlichen: (1) der Gesamtwert der involvierten Vermögensgegenstände übersteigt 10 % des zuletzt testierten Gesamtvermögens; (2) der Transaktionsbetrag übersteigt 10 % des zuletzt testierten Nettovermögens; (3) das Transaktionsvolumen übersteigt das im vergangenen Finanzjahr testierte Betriebsergebnis um mehr als 10 % und das Gesamtgeschäftsvolumen beträgt mehr als 10 Millionen CNY857; (4) das Transaktionsvolumen übersteigt den im vergangenen Finanzjahr testierten Reingewinn um mehr als 10 % und das Gesamtgeschäftsvolumen beträgt mehr als eine Millionen CNY858.859 Eine Veröffentlichungspflicht besteht darüber hinaus gem. Ziffer 9.10 ZV Shanghai, wenn bei Zusammenrechnung der Transaktionen der letzten zwölf Monate, die derselben Art angehören und dasselbe oder im Zusammenhang stehendes Vermögen betreffen, die in Ziffer 9.2 ZV Shanghai niedergelegten Schwellenwerte erreicht werden. Als Beispiele für 855  Vgl. § 67 Abs. 2 Nr. 11, Art. 30 Abs. 2 Nr. 11 sowie Ziffer 11.12.2. Nr. 10, 11 ZV Shanghai bzw. Ziffer 11.11.2 Nr. 10, 11 ZV Shenzhen. 856  In Ziffer 9.1 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZV Shanghai ist im Gegensatz zum WpG auch der Verkauf von Vermögenswerten genannt. Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, 2004, S. 186 sieht hierin eine Konkretisierung und Ausweitung des Wertpapiergesetzes, und nimmt auch im Fall einer Entscheidung zum Verkauf erheblicher Vermögenswerte eine Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 67 Abs. 1 WpG an. 857  Ca. 1.200.000 Euro (Stand19.10.2013). 858  Ca. 120.000 Euro (Stand 19.10.2013). 859  Genannt ist in Ziffer 9.2 Nr. 2 ZV Shanghai und Shenzhen überdies noch die Situation, in der der aus der Transaktion resultierende Gewinn 10 % des testierten Reingewinns vergangenen Finanzjahres übersteigt und der Gesamtgeschäftsvolumen als 1 Million CNY beträgt. Dieser wurde hier nicht explizit aufgelistet, da er sich denklogisch nur auf Verkäufe von Vermögensgegenständen beziehen kann, die jedoch nicht Gegenstand des § 67 Abs. 2 Nr. 3 WpG sind.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

den Kauf erheblicher Vermögenswerte wird in der Literatur die Anschaffung einer Fabrik oder einer zentralen Anlage genannt.860 Auch der Abschluss eines wesentlichen Vertrags durch das Unternehmen gem. § 67 Abs. 2 Nr. 3 WpG, der einen bedeutenden Einfluss auf die Vermögensgegenstände, die Verbindlichkeiten, die Rechte und Interessen oder den Unternehmenserfolg haben kann, findet sich sowohl in Art. 30 Abs. 2 Nr. 3 Disclosure Rules, als auch in Ziffer 11.12.3 Nr. 8 ZV Shanghai und Ziffer 11.11.3 Nr. 9 ZV Shenzhen. Wesentliche Verträge, die zu einer Veröffentlichungspflicht führen sind gem. Ziffer 11.12.3 a. E. ZV Shanghai nur solche Verträge, die die in Ziffer 9.2 ZV Shanghai niedergelegten und oben bereits erörterten Kennzahlen aufweisen. Dieser Verweis auf die Kennzahlen und somit eine analoge Anwendung der Ziffer 9.2 fehlt in Ziffer 11.11.3 a. E. ZV Shenzhen. Dies dürfte jedoch nur ein redaktioneller Fehler sein, da an anderen Stellen von einer solchen Verweisung Gebrauch gemacht wird. Das in § 67 Abs. 2 Nr. 4 WpG geregelte Ereignis des Auftretens einer wesentlichen Verbindlichkeit oder eines Zahlungsausfalls in Bezug auf eine wesentliche Verbindlichkeit, die fällig ist, findet sich ebenso in Art. 30 Abs. 2 Nr. 4  Disclosure Rules, wobei hier zudem noch das Auftreten einer Schadensersatzverpflichtung, die eine große Summe betrifft, genannt ist. Darüber hinaus enthalten Ziffer 11.12.2 Nr. 2 ZV Shanghai und Ziffer 11.11.2 Nr. 2 ZV Shenzhen ähnliche Regelungen, wobei auch hier – in diesem Fall in beiden Zulassungsvorschriften – auf die Kennzahlen in Ziffer 9.2 verwiesen wird. Das Auftreten eines wesentlichen Defizits oder Verlustes gem. § 67 Abs. 2 Nr. 5 WpG wird auch in Art. 30 Abs. 2 Nr. 5 Disclosure Rules und in Ziffer 11.12.2 Nr. 1 ZV Shanghai bzw. Ziffer 11.11.2 Nr. 1 ZV Shenzhen, wiederum mit Verweis auf Ziffer 9.2, aufgeführt. § 67 Abs. 2 Nr. 6 WpG nennt den Fall der erheblichen Veränderung der externen Bedingungen für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens, was in Art. 30 Abs. 2 Nr. 6 Disclosure Rules gespiegelt wird. Auch die Zulassungsvorschriften enthalten diese Situation in Ziffer 11.12.3 Nr. 7 ZV Shanghai und Ziffer 11.11.3 Nr. 8 ZV Shenzhen, sie nennen jedoch konkrete Situationen, die eine Veränderung der externen Bedingungen bedeuten wie z. B. eine erhebliche Veränderung der Preise und der Beschaffungsmöglichkeiten von Waren und von Rohmaterialien und eine Veränderung der Absatzmöglichkeiten. In der Literatur werden darüber hinaus eine Veränderung der (Wirtschafts-)Politik, der Gesetze und Verwaltungsvorschriften, der Umwelt, der Wettbewerbssituation sowie eine Anpassung der Zinssätze durch die Banken als Beispiele herangezogen.861 860  Chen,

Mengfa, Detaillierte Erklärungen zum WpG, S. 238. WpG-Kommentar, WpG, S. 98; Chen, Mengfa, Detaillierte Erklärungen zum WpG, S. 239. 861  Autorengruppe



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse287

Das in § 67 Abs. Nr. 10 WpG geregelte erhebliche Ereignis, dass eine erhebliche Rechtsstreitigkeit auftaucht, in die das Unternehmen involviert ist, oder dass ein Hauptversammlungsbeschluss oder ein Beschluss des Vorstandes in Übereinstimmung mit dem Gesetz aufgehoben oder für ungültig erklärt wird, ist auch in Art. 30 Abs. 2 Nr. 10 Disclosure Rules geregelt. In Ziffern 11.1 und 11.1.2 ZV Shanghai bzw. Shenzhen wird dies dahingehend konkretisiert, dass eine Veröffentlichungspflicht nur besteht, wenn es sich um Rechtsstreitigkeiten oder ein Schiedsverfahren handelt, die einen Betrag zum Gegenstand haben, der zehn Millionen CNY862 übersteigt und mehr als 10 % der zuletzt testierten Nettovermögens des Unternehmens beträgt. Zudem besteht eine Veröffentlichungspflicht, wenn die Summe der Beträge, die Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten oder Schiedsverfahren sind, in zwölf aufeinanderfolgenden Monaten die oben genannten Schwellenwerte erreichen. (2) Weitere erhebliche Ereignisse im Sinne der Disclosure Rules Neben den oben erörterten erheblichen Ereignissen, die Art. 30 Abs. 2 Nr. 1–11 Disclosure Rules nennen und die eine Wiederholung der Vorschriften des Wertpapiergesetzes darstellen, enthält Art. 30 Abs. 2 Disclosure Rules noch weitere erhebliche Ereignisse. Art. 30 Abs. 2 Nr. 12 nennt als erhebliches Ereignis ein neu erlassenes Gesetz, eine neu erlassene Vorschrift oder Regel oder eine neue Wirtschaftspolitik, die erheblichen Einfluss auf das Unternehmen hat.863 Dieses Ereignis kann als Unterkategorie einer erheblichen Veränderung der externen Bedingungen864 für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens angesehen werden. Weiterhin besteht gem. Art. 30 Abs. 2 Nr. 13 Disclosure Rules eine Publizitätspflicht bei einem Beschluss des Vorstands zur Emission neuer Aktien, zur Durchführung eines anderen Finanzierungsplans oder eines Aktienoptionsprogramms. Auch eine Gerichtsentscheidung, die es dem kontrollierenden Aktionär untersagt, seine Aktien zu übertragen, oder wenn 5 % oder mehr der Aktien, die von einem Aktionär gehalten werden, gepfändet, eingefroren, gerichtlich versteigert, in Verwaltung oder Treuhand gegeben werden oder wenn die Stimmrechte solcher Aktionäre beschränkt sind, ist ein erhebliches Ereignis.865 Gleiches gilt für den Fall, dass wichtige Vermögensgegenstände beschlagnahmt, sichergestellt, eingefroren, mit einer Hypo862  Ca.

1.200.000 Euro (Stand 19.10.2013). ehebliche Ereignis findet sich auch in Ziffer 11.12.3 Nr. 8 ZV Shanghai bzw. Ziffer 11.11.3 Nr. 10 ZV Shenzhen. 864  Vgl. § 67 Abs. 2 Nr. 6 WpG bzw. Art. 30 Abs. 2 Nr. 6  Discolsure Rules. 865  Vgl. Art. 30 Abs. 2 Nr. 14 sowie auch Ziffer 11.12.3 Nr. 12 ZV Shanghai bzw. 11.11.3 Nr. 13 ZV Shenzhen. 863  Dieses

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

thek belastet oder gepfändet werden oder dass das wichtigste oder das gesamte Geschäft zum Stillstand kommt.866 Weiterhin verlangen Art. 30 Abs. 2 Nr. 17 und 18 Disclosure Rules eine Veröffentlichung, wenn das Unternehmen eine erhebliche Sicherheit leistet oder wenn es eine große Summe staatlicher Zuschüsse erhält oder sonstige Mehreinnahmen hat, die einen bedeutenden Einfluss auf die Vermögensgegenstände, die Verbindlichkeiten, die Rechte und Interessen oder den Unternehmenserfolg haben können.867 In den Zulassungsvorschriften ist die Leistung einer Sicherheit in Ziffer 9.1 Nr. 4  ZV Shanghai und Shenzhen geregelt. Eine Publizitätspflicht besteht daher nur, wenn die Sicherheit eine der in Ziffer 9.2 ZV Shanghai und Shenzhen genannten Größenordnungen erreicht. Nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 19 Disclosure Rules stellen Veränderungen der Rechnungslegungsrichtlinien oder der rechnungslegungsrelevanten Schätzungen ein erhebliches Ereignis dar.868 Schließlich nennt Art. 30 Abs. 2 Nr. 20 Disclosure Rules als letztes erhebliches Ereignis die Situation, dass eine bereits veröffentlichte Information einen Fehler enthält oder dass das Unternehmen die Information nicht wie vorgeschrieben veröffentlicht oder dass die veröffentlichte Information eine falsche Aufzeichnung enthält, so dass das Unternehmen durch die zuständige Behörde verpflichtet wird, eine Korrektur vorzunehmen oder der Vorstand entscheidet, eine Korrektur vorzunehmen. Genau wie § 67 WpG ermächtigt auch Art. 30 Abs. 2 Nr. 21 Disclosure Rules die CSRC, weitere Umstände vorzuschreiben, die ein erhebliches Ereignis darstellen. (3) I nsiderinformationen im Sinne des Wertpapiergesetzes als erhebliche Ereignisse Die in § 75 Abs. 2 Nr. 2–7 WpG aufgezählten Informationen, die eine Insiderinformation darstellen, lösen im Gegensatz zu den oben genannten erheblichen Ereignissen keine Ad-hoc-Publizitätspflicht nach dem Wertpapiergesetz aus, da sie keine erheblichen Ereignisse im Sinne des § 67 WpG sind. Anders als § 75 Abs. 2 Nr. 1 WpG, der durch die Verweisung auf § 67 Abs. 2 WpG alle dort aufgezählten erheblichen Ereignisse zu einer Insiderinformation macht, enthält § 67 WpG keine solche Verweisung auf § 75 Abs. 2 WpG. 866  Vgl. Art. 30 Abs. 2 Nr. 15 und 16 Disclosure Rules sowie Ziffer 11.12.2 Nr. 8 und 9 ZV Shanghai bzw. 11.11.2 Nr. 8 und 9 ZV Shenzhen. 867  Vgl. in Bezug auf Art. 30 Abs. 2 Nr. 18 auch Ziffer 11.12.3 Nr. 13 bzw. Ziffer 11.11.3 Nr. 14 ZV Shenzhen. 868  Vgl. auch Ziffer 11.12.3 Nr. 3 ZV Shanghai und Ziffer 11.11.3 Nr. 3 ZV Shenzhen.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse289

Rein tatsächlich werden Emittenten trotzdem verpflichtet, den Großteil der in § 75 Abs. 2 WpG genannten Insiderinformationen im Wege der Adhoc-Publizität zu veröffentlichen. Sowohl in den Disclosure Rules als insbesondere auch in den Zulassungsvorschriften der Börsen finden sich Vorschriften, in deren Anwendungsbereich die Insiderinformationen des § 75 Abs. 2 WpG fallen.869 Weder in den Disclosure Rules noch in den Zulassungsvorschriften geregelt ist der Fall des § 75 Abs. 2 Nr. 4 WpG, d. h. eine wesentliche Veränderung in der Besicherung der Gesellschaftsschulden. In den überwiegenden Fällen besteht also zumindest eine Veröffentlichungspflicht aufgrund der Zulassungsvorschriften. Dies hat zur Folge, dass Verstöße gegen die in den Zulassungsvorschriften niedergelegten Veröffentlichungspflichten andere Rechtsfolgen haben als Verstöße gegen das Wertpapiergesetz und die Disclosure Rules. Während letztere Bußgelder vorsehen, können die Börsen gem. Ziffer 12.10 ZV Shanghai bzw. Ziffer 12.19 ZV Shenzhen die Aktien und Derivate des Emittenten vom Handel suspendieren sowie gem. Ziffer 17.2 ZV Shanghai und Shenzhen – abhängig von der Schwere des Falls – nur eine schriftliche Kritik oder eine öffentliche Anprangerung ausgeben. (4) I nsiderinformationen im Sinne der Regulation on the Administration of Futures Trading als erhebliche Ereignisse Die Regulation on the Administration of Futures Trading nennt in § 82 Abs. 11 als Insiderinformationen die von der CSRC und entsprechenden Abteilungen formulierten Leitlinien, Entscheidungen der Terminbörsen oder Details in Bezug auf Geldmittel und Handelstendenzen der Mitglieder und Kunden der Terminbörsen, die einen erheblichen Einfluss auf den Handels869  Der in § 75 Abs. 2 Nr. 2 WpG genannte Plan eines Unternehmens, Dividenden auszuschütten oder eine Kapitalerhöhung durchzuführen findet sich in Ziff. 11.4 ZV Shanghai und Shenzhen; die in § 75 Abs. 2 Nr. 6 WpG genannte Schadensersatzpflicht für Handlungen von Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrates oder eines leitenden Angestellten ist in Ziff. 11.12.2 Nr. 3 ZV Shanghai bzw. Ziff. 11.11.2 Nr. 3 ZV Shenzhen geregelt; der in § 75 Abs. 2 Nr. 7 WpG genannte Plan einer Akquisition ist in Ziff. 11.9 ZV Shanghai bzw. Ziff. 11.8. ZV Shenzhen geregelt. Abweichungen ergeben sich in Bezug auf folgende erhebliche Ereignisse: die in § 75 Abs. 2 Nr. 3 WpG genannte Veränderung der Kapitalstruktur ist in Art. 34 Disclo­ sure Rules nur in Bezug auf eine Akquisition, eine Verschmelzung, eine Abspaltung sowie die Ausgabe oder den Rückkauf von Aktien geregelt und in Ziffer 11.6.2 Nr. 7 ZV Shanghai und Shenzhen nur im Zusammenhang mit dem Rückkauf eigener Aktien; die in § 75 Abs. 2 Nr. 5 WpG geregelte Situation, in der für den Betrieb des Unternehmens wesentliches Vermögen verpfändet, verkauft oder abgeschrieben wird und dies insgesamt 30 % des Vermögens betrifft, findet sich in Art. 30 Abs. 2 Nr. 15 Disclosure Rules, jedoch ohne Schwellenwert und auch nicht für den Fall des Verkaufs oder der Abschreibung.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

preis der Futures haben können. Diese sind weder in den Disclosure Rules noch in den Zulassungsvorschriften der Börsen als erhebliche Ereignisse benannt, so dass eine Publizitätspflicht nicht besteht. Dies könnte sich damit erklären lassen, dass Verpflichteter in Bezug auf die Veröffentlichung von Informationen, die z. B. die Geldmittel und die Handelstendenzen der Mitglieder der Terminbörsen betreffen, nicht der einzelne Emittent sein kann. Diese Informationen betreffen ein Unternehmen in keiner Weise, sondern beziehen sich auf die Handelssituation am Futures-Markt, so dass ein Emittent im Zweifel gar keine Kenntnis dieser Details haben wird. bb) Zeitpunkt der Entstehung der Veröffentlichungspflicht Wie im deutschen Recht entsteht auch im chinesischen Recht die Veröffentlichungspflicht nicht erst dann, wenn die zu veröffentlichende Information eine vollendete Tatsache darstellt. Die Veröffentlichungspflicht setzt früher an und ist mit der Rechtslage zu vergleichen, die im deutschen Wertpapierhandelsgesetz für mehrstufige Entscheidungsprozesse gilt. Dies kommt insbesondere in Art. 31 Disclosure Rules sowie Ziff. 7.3 und 7.4 ZV Shanghai und Shenzhen zum Ausdruck. Diese Vorschriften verpflichten ­einen Emittenten zur Offenlegung von Informationen über ein erhebliches Ereignis, wenn der Vorstand oder der Aufsichtsrat einen Beschluss in Bezug auf dieses gefasst haben, wenn die beteiligten Parteien in Bezug auf das erhebliche Ereignis eine Absichtserklärung (sog. Letter of Intent) oder eine Vereinbarung abgeschlossen haben oder wenn die Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder oder leitenden Angestellten Kenntnis von dem erheblichen Ereignis haben oder haben sollten. Die Vorschriften verlangen eine Offenlegung sogar vor Eintreten der soeben erörterten Situationen, wenn es schwer ist, das erhebliche Ereignis geheim zu halten, wenn dieses bereits preisgegeben worden ist, wenn auf dem Markt bereits Gerüchte existieren oder wenn es zu anormalen Handelsaktivitäten in Bezug auf die Wertpapiere oder die Derivate des Emittenten kommt. In diesen Fällen hat der Emittent die aktuelle Situation sowie die Risikofaktoren, die den Fortschritt des erheblichen Ereignisses beeinträchtigen könnten, offenzulegen. cc) Aufschub der Veröffentlichung Anders als im deutschen ist im chinesischen Recht auf Gesetzesebene keine zeitweise Befreiungsmöglichkeit von der Veröffentlichungspflicht für den Emittenten vorgesehen. In der im Jahre 1993 vom Staatsrat erlassenen Interim Provisions on the Management of the Issuing and Trading of Stocks, die einen ersten Versuch einer nationalen Kapitalmarktrechtsgesetzgebung darstellte, war in Art. 60 Abs. 1 S. 2 eine Befreiungsmöglichkeit von der



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse291

Veröffentlichungspflicht für den Fall vorgesehen, dass der Emittent ausreichende Gründe hatte anzunehmen, die Offenlegung bestimmter erheblichen Ereignisse sei schädlich für die Interessen der Gesellschaft und die Unterlassung der Veröffentlichung führe nicht zu einer erheblichen Veränderung des Aktienpreises. Dieser Ausnahmetatbestand wurde jedoch nicht in das Wertpapiergesetz übernommen. Auch in den Disclosure Rules findet sich keine solche Regelung. Nur die Börsenzulassungsvorschriften enthalten eine Befreiungsmöglichkeit. So sieht Ziffer 2.17 ZV Shanghai bzw. Ziffer 2.19 ZV Shenzhen vor, dass ein Emittent bei der Börse eine Rückstellung der Veröffentlichung beantragen kann, wenn die zu veröffentlichende Information eine Unsicherheit beinhaltet, ein temporäres Geschäftsgeheimnis ist oder in eine andere, von der Börse anerkannte Kategorie fällt und als Konsequenz eine unverzügliche Veröffentlichung dieser Information die Interessen des Emittenten beeinträchtigen oder die Anleger irreführen würde. Dies ist jedoch nur unter den folgenden Voraussetzungen möglich: (1) die zu veröffentlichende Informa­ tion ist noch nicht preisgegeben worden; (2) die diesbezüglichen Insider haben eine schriftliche Zusicherung abgegeben, diese Information geheim zu halten; (3) es gibt keine außergewöhnlichen Preisschwankungen bei den Aktien oder den entsprechenden Derivaten des Unternehmens. Im Rahmen der Beantragung der Zurückstellung der Veröffentlichung hat der Emittent die Gründe für den Antrag und den schätzungsweisen Zeitraum der Rückstellung darzulegen. Mit Genehmigung der Börse kann der Emittent die Veröffentlichung grds. bis zu zwei Monate zurückstellen. Genehmigt die Börse die Rückstellung nicht oder entfallen die Gründe für die Rückstellung, so hat der Emittent seiner Veröffentlichungspflicht nachzukommen. Ein weiterer Fall, in dem ein Emittent eine Rückstellung der Veröffentlichung beantragen kann, ist in Ziffer 2.18 ZV Shanghai bzw. Ziffer 2.20 ZV Shenzhen geregelt. Demnach ist im Fall, dass die zu veröffentlichende Information ein Staatsgeheimnis oder ein Geschäftsgeheimnis ist oder in eine andere, von der Börse anerkannte Kategorie fällt und als Konsequenz eine unverzügliche Veröffentlichung dieser Information oder die Erfüllung einer unter den Zulassungsvorschriften bestehenden Verpflichtungen zu einer Verletzung der in Bezug auf den Schutz eines Staatsgeheimnisses relevanten Gesetze und Vorschriften führen würde oder die Interessen des Emittenten beeinträchtigen würde, kann dieser bei der Börse einen Dispens von der Veröffentlichung oder der Erfüllung der entsprechenden Pflicht unter den Zulassungsvorschriften beantragen. Dass die Zulassungsvorschriften der Börsen Befreiungstatbestände vorsehen, nicht aber das Wertpapiergesetz oder die Disclosure Rules, stellt in gewisser Weise einen Widerspruch dar und führt zu der Frage, ob eine von

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

einer Börse erlassene Befreiungsentscheidung durch die CSRC aufgehoben werden kann. Dies wäre insbesondere vor dem Hintergrund denkbar, dass es sich bei den Börsen um Mitgliederinstitutionen handelt, die der CSRC unterstellt sind und von dieser überwacht werden. Allerdings sind die Zulassungsvorschriften der Börsen gem. Art. 9 Disclosure Rules der CSRC zur Genehmigung vorzulegen, so dass die Genehmigung der CSRC Voraussetzung dafür ist, dass die Zulassungsvorschriften der Börsen wirksam in Kraft treten können. Wenn die CSRC jedoch die Befreiungsvorschriften genehmigt hat, so hat sie diese anerkannt. Sie würde sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzen, wenn sie eine im Einzelfall erteilte Befreiungsgenehmigung – falls diese korrekt ist – kassiert. dd) Folgen der Veröffentlichungspflichten Unterliegt der Emittent einer Veröffentlichungspflicht oder sind die Voraussetzungen für die Rückstellung der Veröffentlichung weggefallen, so hat er die Information unverzüglich zu veröffentlichen. Dies gilt gem. Art. 33 Disclosure Rules und Ziff. 7.7 ZV Shanghai und Shenzhen auch dann, wenn das erhebliche Ereignis in einer Tochtergesellschaft auftritt, die vom Emittenten kontrolliert wird, und wenn es wahrscheinlich einen erheblichen Einfluss auf die Wertpapiere und Derivate des Emittenten hat. Dazu hat der Emittent gem. Art. 6 und 7 Disclosure Rules einen Entwurf der Ad-hoc-Mitteilung sowie weitere Dokumente, die zukünftig als Referenzen dienen sollen, an die jeweilige Börse zur Registrierung sowie an das örtlich zuständige Büro der CSRC zu senden. Zudem muss er diese Dokumente sowohl in den von der CSRC vorgeschriebenen Medien870 veröffentlichen als auch zur öffentlichen Einsichtnahme an seinem Gesellschaftssitz auslegen. Der Emittent kann die zu veröffentlichende Information auch auf seiner Website oder in anderen Medien offenlegen, dies jedoch nicht, bevor eine Veröffentlichung in den von der CSRC vorgeschriebenen Medien erfolgt ist. Die Dokumente sollen gem. Art 8 Disclosure Rules in chinesischer Sprache verfasst sein. Wenn der Emittent die Dokumente zusätzlich in einer weiteren Sprache einreicht, hat er dafür zu sorgen, dass die beiden Fassungen identisch sind. Im Fall von Diskrepanzen ist die chinesische Fassung maßgeblich. Hinsichtlich der in den Zulassungsvorschriften der Börsen niedergelegten Ad-hoc-Publizitätspflicht ist nur bestimmt, dass die Ad-hoc-Mitteilung bei der jeweiligen Börse eingereicht und auf der Website der Börse veröffentlicht werden soll.871 Im Hinblick auf die konkrete Form und den Inhalt der Veröffentlichung hat die Börse in Shanghai ein „Memorandum zur täglichen Informations­ 870  Siehe 871  Vgl.

dazu bereits oben Kapitel C., II.1.c)bb). Ziff. 7.2 ZV Shanghai und Shenzhen.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse293

offenlegung durch börsennotierte Gesellschaften – Leitfaden zur Form von Ad-hoc-Mitteilungen“872 herausgegeben, das eine Anleitung zur Erstellung 40 verschiedener Ad-hoc-Berichte gibt.873 Wenn ein Emittent bereits eine Ad-hoc-Mitteilung gemacht hat und ein danach liegender Fortschritt oder eine Veränderung des erheblichen Ereignisses den Handelspreis seiner Wertpapiere und Derivate erheblich beeinflussen könnte, soll auch dies gem. Art. 32 Disclosure Rules und Ziff. 7.5 ZV Shanghai und Shenzhen zu einer Offenlegungspflicht führen. ee) Rechtsfolgen unterlassener oder nicht gesetzmäßiger Ad-hoc-Mitteilungen (1) Sanktionen Kommt der Emittent seinen Veröffentlichungspflichten nicht nach oder enthält die offengelegte Information eine falsche Darstellung, ist sie irreführend, oder wurden bedeutende Aspekte ausgelassen, wird dem Emittenten gem. § 193 Abs. 1 WpG bzw. Art. 61 Disclosure Rules, der auf § 193 WpG verweist, aufgegeben, eine Korrektur vorzunehmen. Er erhält eine Verwarnung und muss mit einer Geldbuße von 300.000 bis 600.000 CNY874 rechnen. Gleiches gilt gem. § 193 Abs. 2 WpG bzw. Art. 62 Disclosure Rules, wenn er die Übersendung der Ad-hoc-Mitteilung an die Börse und die CSRC unterlässt oder wenn diese Mitteilung eine falsche Darstellung enthält, wenn sie irreführend ist oder wenn bedeutende Aspekte ausgelassen wurden. In beiden Fällen kann auch die verantwortliche Person oder jede andere Person, die als unmittelbar verantwortlich gilt, eine Verwarnung erhalten. Es kann ihr ein Bußgeld in Höhe von 30.000 bis 300.000 CNY875 auferlegt werden. Liegt nur ein Verstoß gegen die Börsenzulassungsvorschriften vor, was der Fall ist, wenn eine der in § 75 Abs. Nr. 2–7 WpG genannten Insiderinformationen nicht ordnungsgemäß veröffentlicht wird, können die Börsen gem. Ziffer 12.10 ZV Shanghai bzw. Ziffer 12.19 ZV Shenzhen die Aktien und Derivate des Emittenten vom Handel suspendieren sowie gem. Zif872  Chinesisch:上市公司日常信息披露工作备忘录第一号-临时公告格式指引 (2012修订), erlassen von der Börse Shanghai am 1. November 2012, abrufbar unter: www.chinalawinfo.com. 873  Die Börse Shenzhen hat ein im Jahre 2008 erlassenes vergleichbares Memorandum, welches Anleitungen zu 17 verschiedenen Ad-hoc-Berichten enthielt, im Jahre 2010 für ungültig erklärt und seitdem (Stand Juni 2013) keinen neuen Leit­ faden erlassen. 874  Ca. 3.600–72.000 Euro (Stand 19.10.2013). 875  Ca. 3.600–36.000 Euro (Stand 19.10.2013).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

fer 17.2 ZV Shanghai und Shenzhen abhängig von der Schwere des Falls nur eine schriftliche Kritik oder eine öffentliche Anprangerung herausgeben. (2) Schadensersatzpflicht Neben den oben beschriebenen Sanktionen kommt gem. § 69 S. 1 WpG auch eine Schadensersatzpflicht des Emittenten in Betracht im Fall von irre­ führenden Ad-hoc-Mitteilungen oder dem Fall, dass wesentliche Aspekte ausgelassen wurden und einem Anleger daraus ein Schaden entsteht. Unter das Verbot, wesentliche Aspekte auszulassen, fällt nach Auslegung des Obersten Volksgerichtshofs in seiner am 9. Januar 2003 herausgegebenen Verfahrens-Mitteilung876 auch der Fall, in dem die Publizitätspflicht nicht erfüllt wird.877 Die Anspruchsgrundlage des § 69 S. 1 WpG ist konkreter gefasst als diejenige des insiderrechtlichen Schadensersatzanspruchs. Sie hat zudem den Vorteil, dass eine weitere Konkretisierung durch die bereits genannte Mitteilung des Obersten Volksgerichtshofs aus dem Jahre 2003 erfolgte.878 § 69 S. 2 WpG sieht eine gesamtschuldnerische Haftung des Emittenten und der Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder, leitenden Angestellten oder anderen Personen, die als unmittelbar verantwortlich gelten vor. b) Directors’ Dealings Ähnlich den im deutschen Wertpapierhandelsgesetz in § 15a WpHG geregelten Directors’ Dealings, beinhaltet das chinesische Gesellschaftsgesetz (GesG)879 in § 142 Abs. 2 S. 1  GesG eine vergleichbare Regelung, die Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitende Angestellte einer börsennotierten Gesellschaft verpflichtet, dieser gegenüber die Anzahl der Aktien der Gesellschaft, die sie halten, sowie mögliche Veränderungen anzugeben.880 Eine ähnliche Regelung findet sich darüber hinaus in Art. 11 der Notice on Issuing the Rules on the Management of Shares Held by the 876  Notice of the Supreme People’s Court on Trying Cases of Civil Compensa­tion Arising from False Statement in Securities Market (最高人民法院关于审理证券市 场因虚假陈述引发的民事赔偿案件的若干规定). 877  Vgl. Art. 17  Verfahrens-Mitteilung. 878  Vgl. ausführlich zur Haftung aus § 63 WpG a. F., die die Vorgängernorm des heutigen § 69 WpG darstellt Pißler, Chinesisches Kapitalmarktrecht, S. 200 ff. 879  Chinesisch: 中华人民共和国公司法, erlassen vom Standing Committee des National People’s Congress am 27.10.2005 und in Kraft getreten am 1. Januar 2006. 880  Auch in Ziffer 3 der ZV Shanghai und Shenzhen sind solche Regelungen enthalten.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse295

Directors, Supervisors and Senior Management Officers of Listed Com­ panies and the Changes Thereof (Directors’ Dealings Rules)881, die ihrer Präambel folgend der Implementierung und Durchsetzung des Gesellschaftsgesetzes dienen. Dieser bestimmt, dass die oben genannten Personen jede Veränderung der von ihnen gehaltenen Aktien an die Gesellschaft melden müssen und dass die Gesellschaft diese Information wiederum innerhalb von zwei Handelstagen nach Auftreten der Veränderung auf der Website der jeweiligen Börse öffentlich bekannt machen muss. Um eine Einhaltung der Meldepflichten zu gewährleisten, hat das jeweilige Unternehmen gem. Art. 15 Directors’ Dealings Rules Vorschriften zu etablieren, die die Erfüllung der Pflichten der entsprechenden Personen, Auskunft über die gehaltenen und gehandelten Aktien zu geben, sichern. Die Durchsetzung der Meldepflichten erfolgt also unternehmensintern und nicht wie in Deutschland durch eine Kontrolle von außen. c) Führung von Insiderverzeichnissen Im Rahmen des von der CSRC in den letzten Jahren immer härter gefochtenen Kampfs gegen verbotenen Insiderhandel hat diese im Jahre 2011 eine Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen eingeführt. Am 25. November 2011 traten die Provisions for Listed Companies on the Establishment of the System for the Registration and Administration of Insiders (Registration Provisions)882 in Kraft, die der deutschen Vorschrift in § 15b WpHG vergleichbar sind und Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften präventiv bekämpfen sollen. Gem. Art. 5 Registration Provisions ist jede börsennotierte Gesellschaft verpflichtet, ein System für die Regis­ trierung von gesetzlichen Insidern einzurichten sowie Vorschriften zur Geheimhaltung der Information einzuführen. Vor Veröffentlichung einer Insiderinformation soll die jeweilige börsennotierte Gesellschaft nach Art. 6 Registration Provisions ein Insiderverzeichnis in Bezug auf alle in den verschiedenen Stadien des jeweils die Insiderinformation darstellenden Projekts tätigen Personen erstellen. Gleiches gilt gem. Art. 8 Registration Provisions für Personen, die Aktien an dem Emittenten halten oder diesen tatsächlich kontrollieren, wenn diese ein für den Emittenten erhebliches Ereignis oder ein sonstiges Ereignis, das Kursrelevanz besitzt, initiieren oder in ein solches involviert sind. Die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen gilt 881  Chinesisch: 中国证券监督管理委会关于发布《上市公司董事,监事和高级 管理人员所持本公司股份及其变动管理规则》的通知, erlassen von der CSRC am 5.4.2007 und am selben Tag in Kraft getreten. 882  Chinesisch: 关于上市公司建立内幕信息知情人登记管理制度的规定, erlassen am 25.10.2011 und in Kraft getreten am 25.11.2011.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

auch für beauftragte Rechtsanwaltskanzleien und andere Dienstleister, wenn der Grund der Beauftragung ein erhebliches Ereignis ist, sowie für Kaufinteressenten, Gegenparteien bei Vermögensumstrukturierungen etc. Auch für Mitarbeiter der staatlichen Verwaltung sieht Art. 9 Registration Provisions eine Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen vor. Die oben genannten Normadressaten haben ihre Insiderverzeichnisse an die entsprechende börsennotierte Gesellschaft zu übermitteln. Die Geheimhaltungspflichten der Insider sowie Rechtsfolgen bei eventuellen Verstößen sollen z. B. durch eine von den Insidern zu unterzeichnende Vertraulichkeitsvereinbarung spezifiziert werden.883 Wenn der börsennotierten Gesellschaft ein Fall verbotenen Insiderhandels bekannt wird, soll sie gem. Art. 12 Registration Rules den Insider den vorgeschriebenen Rechtsfolgen unterwerfen und dies anschließend innerhalb von zwei Werktagen an das örtliche Büro der CSRC berichten. Bei Verstößen gegen die Registration Rules kann die CSRC eine Korrektur verlangen oder ein Warnschreiben herausgeben. Bei schweren Verstößen kann sie die für die Umsetzung des Registrierungssystems verantwortlichen Vorstandsmitglieder, insbesondere den Vorstandvorsitzenden, gem. Art. 15 Registration Rules als für sein Amt ungeeignet bezeichnen und ihn Maßnahmen unterwerfen, die seinen Zugang zum Markt beschränken. Als Annex zu den Registration Rules hat die CSRC ein Muster eines Insiderverzeichnisses angehängt, welches eine Auflistung aller geforderten Angaben enthält. d) Handelsbeschränkungen Ein weiteres Mittel zur Prävention von Insiderhandel sind Handelsbeschränkungen, die bestimmten Insidern auferlegt werden und die in China zunehmend an Popularität gewinnen. Insbesondere durch zeitliche Beschränkungen und Haltefristen für Aktien wird versucht, den Insiderhandel für bestimmte gesetzliche Insider, die täglich mit Insiderinformationen konfrontiert werden, von vornherein unattraktiv zu machen. Diese Maßnahmen, die es im deutschen Recht nicht gibt, sind ein effektives Mittel zur Prävention von Insiderhandel. Sie stellen jedoch einen erheblichen Eingriff in die Handlungsfreiheit eines Anlegers dar. Ob ein solcher Eingriff notwendig und damit zu rechtfertigen ist, ist vor dem Hintergrund der auch in China eingeführten Insiderverzeichnisse und der Pflicht zur Mitteilung von Directors’ Dealings sehr fraglich.

883  Vgl.

Art. 11 Abs. 2  Registration Regulation.



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse297

aa) Handelsvolumenbeschränkungen § 142 Abs. 2 S. 2 GesG bestimmt, dass ein Vorstandsmitglied, Aufsichtsratsmitglied oder ein leitender Angestellter während seiner Amtszeit pro Jahr nicht mehr als 25 % der von ihm gehaltenen Aktien an der Gesellschaft, für die er tätig ist, veräußern darf.884 Diese Vorschrift wird durch Art. 5 Directors’ Dealings Rules konkretisiert, der eine Ausnahme von den Handelsbeschränkungen für den Fall vorsieht, dass die oben genannten Personen weniger als 1000 Aktien ihrer Gesellschaft halten. bb) Zeitliche Handelsbeschränkungen Darüber hinaus ist es den oben genannten Personen gem. Art. 13 Directors’ Dealing Rules untersagt, in den folgenden Situationen mit den Aktien, die sie an der Gesellschaft halten, zu handeln: (1) 30 Tage vor Bekanntgabe der regelmäßigen Geschäftsberichte; (2) zehn Tage vor Bekanntgabe der Ergebnisprognose oder Ergebnismitteilung; (3) im Zeitraum zischen dem Auftreten eines erheblichen Ereignisses oder eines Entscheidungsprozess, wenn dies wahrscheinlich einen erheblichen Einfluss auf den Handelspreis der Aktien des Emittenten hat, bis zwei Handelstage nach der gesetzmäßigen Offenlegung. Schließlich dürfen Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitende Angestellte gem. § 142 Abs. 2 S. 4  GesG bzw. Art  4 lit. a  Directors’ Dealings Rules auch innerhalb der auf ihre Entlassung folgenden sechs Monate nicht die Aktien, die sie beim Emittenten halten, veräußern. Bei Verstößen gegen diese Handelsrestriktionen wird der Verantwortliche gem. Art. 16 Directors’ Dealings Rules i. V. m. § 204 WpG angewiesen, eine Berichtigung vorzunehmen, er wird verwarnt und es wird ihm ein Bußgeld von nicht mehr als dem Gegenwert der veräußerten Aktien auferlegt. cc) Short Swing Trading § 47 Abs. 1 S. 1 WpG regelt sog. Short Swing-Geschäfte. Diese Vorschrift beinhaltet zwar keine Handelsbeschränkung, jedoch wirkt sie verhaltenssteuernd: Gewinne, die Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder, leitende Angestellte sowie Aktionäre, die mehr als 5 % der Aktien eines börsennotierten Unternehmens halten, dadurch erlangen, dass sie Aktien dieses Unternehmens sechs Monate nach dem Kauf wieder verkaufen oder sechs 884  Solche Regelungen sind ebenfalls in Ziffer 3 ZV Shanghai und Shenzhen enthalten.

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Monate nach dem Verkauf wieder kaufen, stehen dem Unternehmen zu. Sie sind gem. § 47 Abs. 1 S. 2 WpG vom Vorstand einzuziehen. Darüber hinaus wird ein Verstoß gegen das Verbot der Short Swing-Geschäfte nach § 195 WpG mit einer Geldbuße von 30.000 CNY bis 100.000 CNY885 geahndet. Die Gewinne werden unabhängig davon abgeschöpft, ob die Handelnde Person auf Basis einer Insiderinformation tätig geworden ist. Insofern ist die Vorschrift einer Halteobliegenheit vergleichbar. e) Rechtsvergleichende Betrachtung und Stellungnahme Ein Vergleich der präventiven Maßnahmen, die das chinesische und das deutsche Recht zur Bekämpfung des Insiderhandels vorgesehen haben, zeigt teilweise unterschiedliche Herangehensweisen der beiden Gesetzgeber. Die wichtigsten Unterschiede sollen im Folgenden erörtert werden und es soll analysiert werden, welche Herangehensweise die bessere ist. aa) Ad-hoc-Publizität Die Regelung der Ad-hoc-Publizität in China und Deutschland lässt zwei grundverschiedene Ideen erkennen. Während in Deutschland die Ad-hocPublizitätspflicht durch die Anknüpfung an das Vorliegen einer Insiderinformation eng mit dem Insiderrecht verbunden und ein wesentlicher Zweck der Ad-hoc-Publizität die frühzeitige Prävention von Insiderhandel ist, stellt sich die Situation im chinesischen Recht ganz anders dar. Dieses erkennt zwar auch die Qualitäten einer Ad-hoc-Publizität im Hinblick auf die Prävention von Insiderhandel an. Es verfolgt aber keinen insiderrechlichen Ansatz, sondern die Ad-hoc-Publizität wird vorwiegend als Mittel der Markttransparenz verstanden. Aus diesem Grunde ist es nicht verwunderlich, dass der chinesische Gesetzgeber den Begriff des erheblichen Ereignisses als Anknüpfungspunkt für eine Ad-hoc-Publizitätspflicht gewählt hat und dieser nicht komplett deckungsgleich ist mit dem Begriff der Insiderinformation. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn man die Regelung des § 67 Abs. 2 WpG ins Verhältnis setzt zu § 75 Abs. 2 Nr. 2–7 WpG. Während die in § 67 Abs. 2 WpG genannten erheblichen Ereignisse durch eine Verweisung in § 75 Abs. 2 Nr. 1 WpG eine Insiderinformation sein können, sind die in § 75 Abs. 2 Nr. 2–7 WpG aufgezählten Insiderinformationen mangels Verweisung keine erheblichen Ereignisse i. S. d. § 67 WpG und damit nach dem Wertpapiergesetz nicht veröffentlichungspflichtig. An dieser Stelle wird ganz klar, dass der chinesische Gesetzgeber mit 885  Ca.

3.600–12.000 Euro (Stand 19.10.2013).



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse299

der Ad-hoc-Publizität nicht primär eine Prävention des Insiderhandels betreiben möchte. Diese beiden unterschiedlichen Regelungskonzepte führen zu der Frage, welches Konzept das bessere ist. Die Regelung des deutschen Gesetzgebers, der die Ad-hoc-Publizität mit dem Begriff der Insiderinformation verknüpft, kann in bestimmten Situationen zu ungewollten Ergebnissen führen. In den vergangenen Jahren wurde der Begriff der ad-hoc-pflichtigen Insiderinformation immer mehr ausgeweitet. Durch das neuste Urteil des EuGH im Fall DaimlerChrysler / Schrempp wurden Zwischenschritte innerhalb mehrstufiger Entscheidungsprozesse eindeutig als potentiell veröffentlichungspflichtige Insiderinformation eingeordnet und zwar unabhängig von der Eintrittswahrscheinlichkeit des Endziels dieses Prozesses. Damit rückt der Zeitpunkt der Entstehung einer Insiderinformation sehr weit nach vorne. Zwar ist dem EuGH voll und ganz zuzustimmen, dass ein einzelner Zwischenschritt unabhängig vom Eintreten des Endziels bewertet werden muss. Zum einen kann ein Schritt auf dieser Ebene bereits den Charakter einer Insiderinformation aufweisen, zum anderen ist das konkrete Endziel eines mehrstufigen Prozesses ganz zu Beginn oftmals nicht konkret eingrenzbar und bestimmbar, so dass ein Bezug auf dieses in manchen Situationen schwer fallen dürfte. Diese Aussage kann so unbedingt jedoch nur für die Beurteilung gelten, zu welchem Zeitpunkt eine Insiderinformation entsteht und ab welchem Zeitpunkt damit das Insiderhandelsverbot greift. Für die Ad-hoc-Publizitätspflicht müssen hingegen andere Maßstäbe angelegt werden. In der Praxis dürfte es nämlich in den meisten Fällen schwer fallen zu entscheiden, welche Informationen schon als konkrete Informationen bezeichnet werden können und zudem ein Kursbeeinflussungspotential aufweisen. Diese stets im Einzelfall zu beantwortende Frage, die von vielen Faktoren abhängt, wie z. B. der Stellung des Markts zum betroffenen Emittenten, der Einschätzung des Markts, wie sich eine bestimmte Gegebenheit gerade beim betroffenen Emittenten auswirkt etc., birgt ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit und viel Raum für Fehleinschätzungen seitens der Emittenten. So berechtigt der Wunsch auch sein mag, Insiderhandel in einem möglichst frühen Stadium nicht nur durch ein entsprechendes Verbot, sondern auch durch eine Adhoc-Publizitätspflicht zu bekämpfen, darf man nicht aus den Augen verlieren, welche Auswirkungen das frühe Entstehen einer Insiderinformation vor dem Hintergrund der damit einhergehenden Ad-hoc-Publizitätspflicht in der Praxis hat. Emittenten sind gezwungen, bei jeder Stufe eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses zu analysieren, ob die gerade vollendete Stufe sowie die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bald zu erreichende nächste Stufe sowie auch – vor dem Hintergrund des Voranschreitens des Prozesses – das Endziel eine Insiderinformation darstellt. Da, anders als nach der bisher geltenden herrschenden Meinung, die Eintrittswahrscheinlichkeit des

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Endziels keine Rolle mehr spielt, und es wie bereits gesagt schwer einschätzbar ist, ab wann eine Information im konkreten Fall als Insiderinformation qualifiziert werden kann, werden Emittenten nun vorsichtshalber den Selbstbefreiungstatbestand für sich in Anspruch nehmen oder, falls sie Zweifel an dessen Einschlägigkeit haben, die Information, die von ihnen als Insiderinformation bewertet wird, veröffentlichen. Diese Gegebenheiten versetzen die Emittenten in eine sehr missliche Lage. Zwar ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Emittenten die Möglichkeit der Selbstbefreiung haben und nicht gezwungen sind, eine Veröffentlichung vorzunehmen, die ihre eigenen Interessen beeinträchtigt. Diese Möglichkeit befreit den Emittenten jedoch nicht von der Last, auf jeder Stufe des Prozesses über die Notwenigkeit einer Selbstbefreiung nachzudenken und vor allem im Falle, dass eine solche für notwendig erachtet wird, den Entscheidungsprozess bzgl. der Selbstbefreiung sowie das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen hinreichend zu dokumentieren. Nur wenn dies ausreichend dokumentiert ist, kann der Emittent bei einer abweichenden Beurteilung durch die BaFin oder ein Gericht in Bezug auf die Befreiungsvoraussetzungen entsprechend nachzuweisen versuchen, dass er die Veröffentlichung der Information nicht vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat. Kritisch zu beurteilen ist also die extreme Belastung des Emittenten in Bezug auf die mit der Einhaltung der Ad-hoc-Pflicht verbundenen internen Verwaltungsund Dokumentationsmaßnahmen. Entscheidet sich der Emittent aus Unsicherheit, ob die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen oder nicht für eine Veröffentlichung, so hat dies zwei negative Konsequenzen. Zum einen wird der Markt mit Informationen gespeist, die Vorgänge in einem sehr frühen Stadium eines zusammenhängenden Prozesses betreffen und die die Anleger dazu verleiten können, auf der Basis dieser Informationen zu handeln, ohne zu analysieren, in welche Richtung sich das Geschehen entwickeln wird und wie sich diese Entwicklungen auf den Markt auswirken. Dies führt dazu, dass der Markt von Informationen getrieben sein würde, die zwar im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung korrekt sind, die aber oftmals noch keinen Schluss auf die weitere Entwicklung oder das eigentliche Endziel zulassen, dessen Wichtigkeit bei der Bewertung nicht völlig außer Acht gelassen werden kann. Konsequenz dessen dürfte es sein, dass Anleger auf der Basis der vorhandenen Informationen, und insbesondere auf der Basis der allerersten Veröffentlichung, die auf einen mehrstufigen Prozess hindeutet, zu spekulieren beginnen, wie das Endergebnis aussehen mag und wie dieses den Markt beeinflusst, um dann entsprechende Transaktionen auf dem Markt zu tätigen. Auch wenn dieses Argument einleuchtet, darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Bewertung einzelner Informationen im Hinblick auf ihre Wertigkeit alleine Aufgabe des Markts ist und insofern niemand anderem die Entscheidung überlassen werden sollte, wann eine Information „reif



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genug“ für die Veröffentlichung auf dem Markt ist. Unabhängig davon, ob man eine drohende Überinformierung886 des Markts gut oder schlecht heißt, gibt es jedoch noch eine zweite negative Folge einer solchen frühen Ver­ öffentlichung. Diese birgt nämlich Gefahren für den veröffentlichungspflichtigen Emittenten, der Informationen auf den Markt gibt, deren öffentliche Bekanntheit für ihn mit negativen Auswirkungen, z. B. im Hinblick auf Konkurrenten, die Entstehung von Strohfeuern innerhalb und außerhalb des Unternehmens, den geordneten Ablauf seiner eigenen Organisation etc. verbunden sein können. Diese Ausführungen zeigen, welch hohes Maß an Unsicherheit die Verknüpfung der Ad-hoc-Publizitätspflicht mit dem Begriff der Insiderinforma­ tion sowohl für die Emittenten als auch für den Markt mit sich bringt. Man könnte dieses Dilemma umgehen, wenn man zwar dabei bleibt, dass Insiderinformationen zu einem sehr frühen Zeitpunkt entstehen können und bereits zu diesem Zeitpunkt das Insiderhandelsverbot greift, wenn man aber die Adhoc-Publizitätspflicht von dem Vorliegen einer Insiderinformation abkoppelt und eine Ad-hoc-Pflicht erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lässt. Dies würde zwar dazu führen, dass die positive Wirkung der Ad-hoc-Publizität in Bezug auf die Durchsetzung des Insiderhandelsverbots leidet, weil dem Insiderhandel nun nicht mehr ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt die Grundlage entzogen wird. Jedoch sind an dieser Stelle die Interessen der Emittenten als vorrangig zu berücksichtigen. Den Emittenten kann es nicht zugemutet werden, einen schier unüberblickbaren Aufwand zu betreiben, um die im Unternehmen ablaufenden Prozesse ständig auf ihre Ad-hoc-Pflichtigkeit zu überprüfen und ein entsprechendes Prüfungs- und Dokumentationssystem zu unterhalten. An einen reibungslosen Ablauf der unternehmensinternen Prozesse wäre dann oft nicht mehr zu denken. Die momentane Rechtslage treibt die Emittenten dazu, in hohem Maße von der Selbstbefreiungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, wenn sie nicht riskieren wollen, Informationen veröffentlichen zu müssen, deren Bekanntheit ihnen in einem relativ frühen Stadium eines mehrstufigen Prozesses schaden würde. Es ist jedoch sehr fraglich, ob eine Regelung zu rechtfertigen ist, die provoziert, dass in der Praxis in der Regel eine gesetzlich vorgesehene Befreiungsmöglichkeit genutzt wird. Hinzu kommt, dass der Emittent sich nach den deutschen Regelungen im Wertpapierhandelsgesetz selbst von der Veröffentlichungspflicht befreien muss und nicht, wie dies im chinesischen Recht vorgesehen ist, einen Antrag bei der BaFin auf Genehmigung einer Befreiung von der Veröffentlichungspflicht stellen kann. Die Emittenten bewegen sich daher in unsicherem Terrain, weil sie selbst abschätzen müssen, ob ein Befreiungstatbestand vorliegt und sich nicht auf eine behördliche Genehmigung stützen können. 886  So

Hitzer, NZG 2012, 860 (862).

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

Einen ersten Schritt in die richtige Richtung macht die auf europäischer Ebene diskutierte Marktmissbrauchsverordnung. Diese differenziert zwischen präzisen Informationen, die veröffentlichungspflichtig sind und solchen Informationen, die noch nicht präzise sind, im Falle ihrer Veröffentlichung jedoch geeignet wären, den Kurs bestimmter Finanzinstrumente zu beeinflussen. Letztere Informationen sind nicht veröffentlichungspflichtig, unterliegen aber dem Insiderhandelsverbot.887 Ob dies die oben angesprochenen Probleme adäquat zu lösen vermag, ist jedoch fraglich. Zu begrüßen ist, dass dem Entwurf der Marktmissbrauchsverordnung zufolge z. B. der Stand von Verhandlungen, vorläufig in Verhandlungen vereinbarte Bedingungen etc. nicht als publizitätspflichtige Informationen gelten sollen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass weiterhin schwer zu bewerten ist, ab wann eine präzise Information vorliegt. Um das Interesse der Emittenten an einer möglichst späten Veröffentlichung, das Interesse der Anleger an einer möglichst frühen Veröffentlichung sowie das Interesse des Kapitalmarkts an sich, nicht mit zu vielen, teilweise nichtssagenden oder sich überschneidenden Informationen überflutet zu werden, in Einklang zu bringen, wäre es wünschenswert, der europäische bzw. deutsche Gesetzgeber könnte sich auf ein Konzept einlassen, dass einen bestimmten Zeitpunkt konkretisiert, zu dem eine Veröffentlichungspflicht für die Emittenten entsteht. Ein solches Konzept könnte man verwirklichen, indem man „safe-harbour-Regelungen“ einführt, die bestimmte Informationen, wie z. B. den Stand von Verhandlungen etc. nicht der Veröffentlichungspflicht unterwirft. Eine andere Möglichkeit wäre es, den Schwerpunkt der Bewertung wie vor dem Urteil des EuGH auf das Endziel eines Prozesses zu legen. Anknüpfungspunkt müsste daher das Endziel eines Prozesses sein und eine Ad-hoc-Publizitätspflicht könnte z. B. ab dem Zeitpunkt eintreten, ab dem das Erreichen des Endziels wahrscheinlicher ist als dessen Ausbleiben. Dieses Konzept verschiebt die Adhoc-Publizität mehr in die Richtung der Kapitalmarkttransparenz denn der Prävention von Insiderhandel. Das wäre jedoch nach der hier vertretenen Ansicht für alle Beteiligten das beste Ergebnis. Jeglicher Insiderhandel, der vor dieser Veröffentlichung getätigt wird, würde in ausreichendem Maße durch das Insiderhandelsverbot, die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen, die Meldung von Directors’ Dealings sowie die Meldungen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen über getätigte Geschäfte an die BaFin abgedeckt werden können. Sobald eine Information, die das Ergebnis eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses ist, sich so verfestigt hat, dass 887  Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), 20.10.2011, KOM (2011), 651 endg., in der geänderten Fassung vom 25.7.2012, COM (2012) 421 final, Einzelerläuterungen, Kapitel II, 3.4.2.1; Art. 6 und 12 des Vorschlags.



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die Interessen der Emittenten hinter denen des Markts und der Anleger zurückstehen müssen, weil der Markt für eine korrekte Bewertung der Finanzinstrumente auf diese Information angewiesen ist, müsste der Emittent, dem diese Information zuzurechnen ist, jedoch zur Veröffentlichung verpflichtet werden. bb) Directors’ Dealings Die chinesische Regelung zu den Directors’ Dealings ist weniger ausgereift und daher nicht so effektiv wie das deutsche Äquivalent. Von der Meldepflicht sind weder Personengruppen erfasst, die in einer verwandtschaftlichen Beziehung zu Vorstandsmitgliedern, Aufsichtsratsmitgliedern und leitende Angestellten stehen, noch die in § 15a Abs. 3 S. 2 und 3 WpHG genannten juristischen Personen. Aufgrund dessen bieten die chinesischen Vorschriften mehr Raum für Umgehungen als die entsprechenden Regelungen im deutschen Recht. Darüber hinaus obliegt die Durchsetzung der Meldepflichten in China dem Unternehmen in Form von internen Maßnahmen selbst und nicht einer unabhängigen Kontrollinstanz, wie es in Deutschland der Fall ist, wo die Überwachung der Einhaltung der Meldepflichten der BaFin obliegt. Die Unternehmen haben Transaktionen der entsprechenden Personen auch nicht der CSRC zu melden, sondern müssen die Information über getätigte Geschäfte nur auf der Website der jeweiligen Börse publizieren. Dies hat zur Folge, dass die CSRC, anders als die BaFin, gar nicht über die getätigten Geschäfte informiert ist. Die chinesische Regelung birgt daher die Gefahr, dass Meldepflichten weniger strikt beachtet werden, als dies in Deutschland der Fall ist. Es wäre wünschenswert, der chinesische Gesetzgeber würde die Überwachung in die Hände der CSRC legen und die Meldepflichten auf Geschäfte von nahen Angehörigen der Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitenden Angestellten ausweiten. Schließlich bedarf es im chinesischen im Gegensatz zum deutschen Recht nicht der Überschreitung eines bestimmten Handelsvolumens, damit eine Mitteilungspflicht überhaupt ausgelöst wird. Es findet also eine Überwachung aller Geschäfte statt und Bagatellfälle werden, anders als im deutschen Recht, nicht ausgeschlossen. Bei der ohnehin sehr niedrigen Bagatellgrenze, die in Deutschland gilt, macht dies jedoch keinen großen Unterschied. cc) Führung von Insiderverzeichnissen Ein Unterschied bei der Regelung der Führung von Insiderverzeichnissen stellt sich hinsichtlich der Reichweite der Verpflichtung dar. Auffällig ist, dass der chinesischen Regelung zufolge auch die Aktionäre des Emittenten

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oder eine Person, die den Emittenten tatsächlich kontrolliert, die Pflicht zur Führung eines Insiderverzeichnisses trifft, wenn diese ein kurserhebliches Ereignis initiieren oder in ein solches involviert sind. Gleiches gilt für Mitarbeiter der staatlichen Verwaltung, die in Kontakt mit einer Insiderinformation kommen sowie z. B. für Kaufinteressenten oder Gegenparteien bei Vermögensumstrukturierungen. Im deutschen Recht hingegen sind Aktionäre sowie Mutter- und Tochtergesellschaften des Emittenten, Kaufinteressenten und Behörden nicht zur Führung eines Insiderverzeichnisses verpflichtet.888 Dies ist vor dem Hintergrund des deutschen Gesetzeswortlauts, der fordert, dass die Person im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten tätig ist und die Information bestimmungsgemäß erhält verständlich, jedoch vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks kritisch zu sehen. Die Verpflichtung zur Führung von Insiderverzeichnissen soll gewährleisten, dass die Aufsichtsbehörden möglichst schnell nachvollziehen können, welche Personen vor Veröffentlichung einer Insiderinformation Zugang zu dieser Insiderinformation hatten. Dass dabei nicht jede potentiell mit einer Insiderinformation in Kontakt kommende Person außerhalb des Emittenten und der von ihm beauftragten Personen zur Führung eines Insiderverzeichnisses verpflichtet werden kann, ist selbstverständlich. Jedoch sollte der deutsche Gesetzgeber darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll ist, bei bestimmten Anlasstatbeständen, wie z. B. einem Unternehmenskauf, an dem nicht nur der Kaufinteressent sowie die für diesen tätigen Personen, sondern auch oftmals Behörden im Spiel sind und Insiderinformationen erlangen, diesen Personen in solchen Fällen die Pflicht zur Führung eines Insiderverzeichnisses aufzuerlegen. Auch wenn die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen in China begrüßenswerterweise weiter gefasst ist als in Deutschland, hat diese zum Nachteil, dass sie eine vergleichsweise milde Bestrafung bei Verstößen vorsieht. Das chinesische Recht handelt in solchen Fällen nur mit dem „Shaming-Prinzip“, indem es die CSRC ermächtigt, bei Verstößen gegen die Verpflichtung eine Warnung herauszugeben oder bei schweren Verstößen die verantwortlichen Personen als für ihr Amt ungeeignet zu bezeichnen. Auch wenn damit ein Reputationsverlust einhergeht, dürfte die im deutschen Recht vorgesehene Geldbuße wirkungsvoller sein, vor allem weil sie grundsätzlich eingesetzt wird und nicht nur in schweren Fällen. dd) Handelsbeschränkungen Im Gegensatz zum deutschen Gesetzgeber hat der chinesische Gesetzgeber verschiedene Handelsbeschränkungen vorgesehen, die bei der Prävention 888  Vgl. z. B. Zimmer, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 15b WpHG Rn.11.



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verbotener Insidergeschäfte helfen sollen. Daher stellt sich die Frage, ob dem deutschen Gesetzgeber geraten werden kann, vergleichbare Regelungen einzuführen. (1) Handelsvolumen- und zeitliche Handelsbeschränkungen Die im chinesischen Recht geltenden Handelsvolumenbeschränkungen, die es Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern sowie leitenden Angestellten untersagen, pro Jahr mehr als 25 % der Aktien zu verkaufen, die sie an der Gesellschaft halten, für die sie tätig sind, dient dazu, zu verhindern, dass die erfassten Personen die Chance nutzen, einen Großteil ihrer Aktien zu verkaufen, wenn sie von Informationen Kenntnis erlangen, die sich positiv auf den Kurs ihrer Aktien auswirken. Denselben Zweck erfüllen die im chinesischen Gesetz niedergelegten zeitlichen Handelsbeschränkungen, die es denselben Personen untersagen, in bestimmten Situationen, z. B. zehn Tage vor Bekanntgabe der Ergebnisprognose der Gesellschaft mit Aktien dieser Gesellschaft zu handeln. Diese Regelungen stellen sicherlich eine sehr effektive Möglichkeit der Prävention von Insiderhandel dar. Sie verbieten den Handel mit bestimmten Wertpapieren in Situationen, in denen in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass Insiderhandel vorliegt. Nichts desto trotz ist sehr kritisch zu beleuchten, ob diese Regelungen in das deutsche Recht übernommen werden sollten, da sie einen erheblichen Eingriff z. B. in die Eigentumsgarantie und allgemeine Handlungsfreiheit der betroffenen Personen darstellen. Genau wie die bereits diskutierten Marktzutrittsbeschränkungen dienen sie einem legitimen Zweck, dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, und sind auch geeignet, diesen Zweck zu erfüllen. Allerdings ist bereits höchst fraglich, ob diese Regelungen vor dem Hintergrund des damit verbundenen Grundrechtseingriffs erforderlich sind, d. h. ob es keine gleich effektive, aber weniger einschneidende Maßnahme gibt, die den Funktionsschutz des Kapitalmarkts auf gleiche Weise zu gewährleisten in der Lage ist. Eine solche gleich effektive Maßnahme stellen die sowohl im chinesischen als auch im deutschen Recht vorgesehenen Verpflichtungen zur Meldung von Directors’ Dealings sowie zur Führung von Insiderverzeichnissen dar. Durch diese Vorschriften, die sich im chinesischen Recht an dieselben Personen richten wie die Handelsbeschränkungen, kann gewährleistet werden, dass die Aufsichtsbehörde Insidergeschäfte unmittelbar aufdecken und verfolgen kann. Dass dieses System in China weniger gut funktioniert als dies in Deutschland der Fall ist, liegt daran, dass die Überwachung der Directors’ Dealings nicht in der Hand der CSRC liegt und die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen so unerheblich sind, dass kein großer Anreiz besteht, dieser Pflicht Folge zu leisten. Würde man also die Kompetenzen der

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

chinesischen Aufsichtsbehörde erweitern und Sanktionen einführen, die die verantwortlichen Personen veranlassen, sorgfältig Insiderverzeichnisse zu führen, bedürfte es der Handelsbeschränkungen nicht mehr. Diese Maßnahmen wären dann auch effektiv genug, um nicht mehr nur repressive, sondern aufgrund der hohen Trefferquote, die die Aufsichtsbehörde würde vorweisen können, auch präventive Wirkung zu entfalten. Insofern besteht auf Seiten des deutschen Rechts erst recht kein Bedürfnis für die Einführung einer solchen Regelung. Ein Problem, das noch im Raum steht, ist der Umgang mit aus einer Gesellschaft ausscheidenden Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern sowie leitenden Angestellten. Für diese sieht das chinesische Recht eine sechsmonatige Haltefrist vor. Sie sind von dem chinesischen Regelungen zu den Directors’ Dealings sowie den Insiderverzeichnissen nicht erfasst. Auch im deutschen Wertpapierhandelsgesetz gibt es keine Regelung zum Umgang mit solchen Personen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass diese Personen aufgrund ihrer Tätigkeit für die börsennotierte Gesellschaft durchaus an Informationen gelangt sein könne, die zur Zeit ihres Ausscheidens noch nicht relevant waren, jedoch in der Zeit nach ihrem Ausscheiden relevant werden können. Auch werden die Kontakte, die diese Personen zu der Gesellschaft haben, erst nach und nach weniger und vor allem weniger vertraulich werden. Es ist insofern durchaus sinnvoll, diese Personen, die in der Regel lange für die Gesellschaft tätig gewesen sind und daher auch nach ihrem Ausscheiden über besondere Informationen verfügen können, für einen begrenzten Zeitraum nach ihrem Ausscheiden einer gewissen Kontrolle zu unterstellen. Dies muss jedoch nicht mittels einer Halteverpflichtung geschehen, wie dies im chinesischen Recht vorgesehen ist. Vielmehr wäre es sowohl dem deutschen als auch dem chinesischen Gesetzgeber zu raten, diese Personen für einen bestimmten Zeitraum weiterhin der Verpflichtung zur Meldung ihrer Geschäfte zu unterstellen und die Gesellschaft, bei der sie tätig waren zu verpflichten, diese Personen für diesen Zeitraum weiterhin in den Insiderverzeichnissen zu führen. Durch diese Maßnahmen wird verhindert, dass die Verantwortlichen übermäßig von ihrem während ihrer Tätigkeit erlangten Wissen profitieren. Da ein unmittelbares Profitieren jedoch nur während der Zeit kurz nach ihrem Ausscheiden denkbar ist, könnte eine Frist von drei bis sechs Monaten für die Verpflichtung zur Meldung ihrer Geschäfte und die Pflicht zur Aufnahme in die Insiderverzeichnisse bereits genügen. (2) Short Swing Trading Die Regelung der Short Swing-Geschäfte im chinesischen Recht ist keine unmittelbare Handelsbeschränkung, jedoch sind ihre Auswirkungen mit ei-



II. Insiderrecht in China und rechtsvergleichende Analyse307

ner Halteobliegenheit vergleichbar. Das chinesische Wertpapiergesetz gibt vor, dass Gewinne, die Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder sowie leitende Angestellte und Aktionäre, die mehr als 5 % der Aktien des börsennotierten Unternehmens halten, durch Geschäfte mit Aktien dieser Gesellschaft erzielen, die sie vor weniger als sechs Monaten gekauft oder verkauft haben, der börsennotierten Gesellschaft zustehen. Auch hier stellt sich die Frage, ob eine Übertragung dieser Regelung in das deutsche Recht angetan ist. Das Prinzip der Short Swing-Geschäfte und die damit verbundene Gewinn­abschöpfung ist auch in Deutschland bekannt, und es wird diskutiert, ob der deutsche Gesetzgeber eine solche Gewinnabschöpfung in das Gesetz aufnehmen sollte.889 Bei der chinesischen Regelung ist zunächst zu bedenken, dass diese völlig unabhängig davon einschlägig ist, ob dem Handelnden überhaupt Insiderhandel vorgeworfen werden kann. Die Pflicht zur Gewinnherausgabe trifft vielmehr jeden Verantwortlichen. Auch wenn der Regelung zuzugeben ist, dass solche Geschäfte in der Regel Insidergeschäfte sind, rechtfertigt diese Annahme noch keine von einer vorwerfbaren Handlung völlig unabhängige Gewinnabschöpfung. In der deutschen Literatur wird daher teilweise vorgeschlagen, nicht eine der chinesischen Regelung vergleichbare, sondern eine solche einzuführen, die an eine Verletzung der Mitteilungspflichten in Bezug auf Directors’ Dealings anknüpft und infolgedessen deren Durchsetzung effektiver machten könnte. Diesem Vorschlag zufolge würde eine Gewinnabschöpfung nur dann erfolgen, wenn der Handelnde seine Mitteilungspflichten nach § 15a WpHG verletzt hat. Die Einführung einer solchen Regelung würde bewirken, dass Insider davon Abstand nehmen, ihren Informationsvorsprung auszunutzen, weil sie damit rechnen müssten, den aus der Transaktion resultierenden Gewinn abzuführen, wenn sie die Transaktion nicht mitteilen. Würden sie jedoch die von ihnen geforderte Mitteilung machen, so müssten sie damit rechnen, von der BaFin entdeckt und schließlich wegen Insiderhandels bestraft zu werden.890 Eine solche Vorschrift könnte daher eine effektive Präventivmaßnahme darstellen, und es ist dem deutschen Gesetzgeber zu raten, über die Einführung einer solchen Maßnahme nachzudenken. ee) Meldepflichten Zum Schluss soll kurz auf die in § 9 WpHG geregelten Meldepflichten eingegangen werden. Diese verpflichten Institutionen, die berufsmäßig mit dem Wertpapierhandel befasst sind, jedes getätigte Geschäft an die BaFin zu melden. Die BaFin hat aufgrund dieser Pflichten mit erheblichen Datendazu vgl. Veil, ZGR 2005, 155 ff. ZGR 2005, 155 (191).

889  Ausführlich 890  Veil,

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C. Gesetzliche Regelung der Insidergeschäfte

sätzen zu kämpfen, sie hat aber den Vorteil, einen Überblick über einen Großteil der am Markt getätigten Geschäfte zu besitzen und hat dadurch eine solide Grundlage, um Insidergeschäfte aufzudecken und zu verfolgen. Diese Meldepflichten haben sich nach eigener Einschätzung der BaFin zu einem der wichtigsten Mittel bei der Durchsetzung des Insiderhandelsverbots entwickelt. In China hingegen stellt sich die Situation ganz anders dar. Weder für berufsmäßig mit dem Wertpapierhandel befasste Institutionen noch für niemanden sonst besteht eine Pflicht zur Meldung getätigter Geschäfte an die CSRC. Einzig die Börsen in Shanghai und Shenzhen sind verpflichtet, ungewöhnliche Preis- und Handelsvolumenabweichungen zehn Tage vor und nach der Veröffentlichung erheblicher Ereignisse an die CSRC zu melden. In Bezug auf einzelne am Markt getätigte Geschäfte ist die CSRC jedoch auf sich selbst gestellt. Dies ist im Vergleich zum deutschen Überwachungssystem ein schwerer Nachteil. Der chinesische Gesetzgeber sollte dringend in Erwägung ziehen, eine Verpflichtung bestimmter Institutionen zur Meldung von Wertpapiergeschäften einzuführen. Dies würde zwar einen erhöhten Aufwand für die CSRC bedeuten, da sie all die gemeldeten Daten zu verarbeiten hätte, um auf Basis dessen dann Analysen durchführen zu können. Vor dem Hintergrund, dass der chinesische Gesetzgeber, die Behörden sowie auch die Gericht in der vergangenen Zeit massiv gegen Insiderhandel vorzugehen versuchen, sollte dies jedoch kein Hindernis sein.

D. Praxis der Aufsichtsbehörden und Gerichte im Umgang mit Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften Nachdem die Regelung des Verbots von Insidergeschäften sowohl in Deutschland als auch in China umfassend dargestellt worden ist, soll zum Abschluss ein kurzer Blick in die Praxis der Verfolgung von Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften durch die Aufsichtsbehörden und Gerichte erfolgen.

I. Deutschland Eine Betrachtung der in den vergangenen Jahren verfolgten Fälle macht deutlich, mit welcher Fülle von potentiellen Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften die BaFin in jedem Jahr konfrontiert ist. In den Jahren 1995 bis 2012891 hat die BaFin insgesamt 813 Untersuchungen eingeleitet und davon 445 Fälle und damit mehr als die Hälfte mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen von Insidergeschäften wieder eingestellt. 368 Fälle wurden aufgrund der Bejahung eines Anfangsverdachts an die Staatsanwaltschaft übergeben. Die Staatsanwaltschaft bearbeitete im erfassten Zeitraum insgesamt 1070892 Verfahren gegen einzelne Beschuldigte, und stellte davon 974 Verfahren (ca. 91 %) aus verschiedenen Gründen ein, davon 204 Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage. In 98 Verfahren kam es zu einer gerichtlichen Entscheidung, wobei in 51 Verfahren ein Strafbefehl erlassen wurde. 891  Die im Folgenden für den erfassten Zeitraum genannten Zahlen entstammen den Jahresberichten der BaWe bzw. der BaFin, abrufbar unter: http: /  / www.bafin.de /  DE / DatenDokumente / Dokumentlisten / ListeJahresberichte / liste_jahresberichte_node. html;jsessionid=529AFA6329B5DB29E4CE194A3380ABC9.1_cid390 (zuletzt besucht am 19.10.2013), erfassen jedoch nur die von der BaFin verfolgten Straftaten. Eine Statistik in Bezug auf Fälle, die lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellen, existiert nicht, da derartige Fälle sehr selten vorkommen. 892  Die Zahl der von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren weicht von der Zahl der von der BaFin untersuchten Fälle ab, weil die Staatsanwaltschaft in den von der BaFin untersuchten Fällen einzelne Verfahren gegen die an einem Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften beteiligten Beschuldigten einleitet.

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D. Umgang mit Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften

Die übrigen Verfahren wurden nach Durchführung einer Hauptverhandlung entschieden, dabei kam es zu 39 Verurteilungen und fünf Freisprüchen.893 In früheren Zeiten waren es vor allem Primärinsider, die wegen Insidergeschäften verfolgt wurden. Dies lag maßgeblich daran, dass nach Einführung eines offiziellen Insiderhandelsverbots, das zudem als Straftatbestand ausgestaltet war, sich zunächst ein Unrechtsbewusstsein und auch ein Bewusstsein hinsichtlich der Rechtsfolgen verbotenen Insiderhandels entwickeln musste. Die Beweisführung im Rahmen der Ermittlungen gegen Primärinsider fiel verhältnismäßig leicht, vor allem dann, wenn diese kurz vor Herausgabe einer Ad-hoc-Mitteilung durch den entsprechenden Emittenten selbst handelten und die Insiderinformation nicht lediglich weitergaben oder eine Empfehlung aussprachen. In diesen Fällen waren die Umstände und der Tathergang leichter nachzuzeichnen und eine Verurteilung möglich. In den letzten Jahren hat sich jedoch das Bewusstsein der Marktteilnehmer verändert. Spätestens seitdem es in Deutschland zum ersten Mal zu einer Hauptverhandlung und einer entsprechenden Verurteilung kam, ist der Straftatbestand in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Diesen Effekt konnten die in den Jahren zuvor von Gerichten erlassenen Strafbefehle nicht erzeugen. Diese Wahrnehmung, die Tatsache, dass präventive Maßnahmen wie z. B. Insiderverzeichnisse sowie die Pflicht im Rahmen der Directors’ Dealings, über getätigte Geschäfte Rechenschaft abzulegen, existieren und zudem die Erkenntnis, dass die BaFin einen tiefgreifenden Überblick über die am Markt getätigten Geschäfte hat und daher in der Lage ist, jeder außergewöhnlichen Abweichung auf den Grund zu gehen, führen mehr und mehr dazu, dass Insider andere Wege beschreiten und ihre Handelsaktivitäten zu verbergen versuchen. Zudem hat die BaFin aufgrund der bereits genannten Meldepflichten über am Markt abgeschlossene Geschäfte die Möglichkeit, jede außergewöhnliche Aktivität am Markt zu verfolgen. Den Jahresberichten der BaFin zufolge findet die überwiegende Zahl der Insidergeschäfte im Rahmen von Übernahmen und Fusionen statt. Dabei handeln laut Aussage eines für die Insiderüberwachung zuständigen Mitarbeiters der BaFin Primärinsider heutzutage oftmals nicht mehr selbst. Sie gäben die Information an einen Dritten weiter, der dann die entsprechenden Insiderpapiere kaufe und den Gewinn aus dem Geschäft an den Primärinsider zurückfließen lasse. Dabei wählten Primärinsider in vielen Fällen ihren Schwager für die Abwicklung der Geschäfte aus, da dieser meist einen 893  Zusätzlich sind in den Jahresberichten 2009 und 2012 der BaFin insgesamt drei „sonstige Entscheidungen“ eines Gerichts aufgeführt, die nicht näher spezifiziert werden.



II. China311

anderen Nachnamen trage und sich daher der Informationsfluss nicht so leicht nachvollziehen lasse. Unterlaufe den beiden Beteiligten ein Fehler und werde die Kick-Back-Zahlung an den Primärinsider z. B. nicht in bar, sondern per Überweisung geleistet, so sei die Staatsanwaltschaft in der Lage, den nötigen Nachweis für das Vorliegen von Insiderhandel zu führen und nicht gezwungen, das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Auch der Beweis der Informationsweitergabe falle oft schwer und könne in Fällen, in denen der Täter bestreitet, dass er im Besitz einer Insiderinformation war, nur nachgewiesen werden, wenn eine SMS oder Ähnliches vorliege, die die Informationsweitergabe beweise. Selbst in den Fällen, in denen ein Primärinsider selbst gehandelt habe oder in denen der Beweis der Informationsweitergabe gelinge, komme es häufig zu einer Einstellung, dann jedoch gem. § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage. Dies habe verschiedene Gründe und rühre daher, dass die Beschuldigten um jeden Preis vermeiden wollten, dass es zu einem Strafbefehl oder zu einem Urteil komme und ihnen als Folge dessen eventuell sogar ein Berufsverbot gem. § 70 StGB erteilt werde. Weiterhin solle aus Sicht des Beschuldigten vermieden werden, dass ein gegen ihn laufendes Ermittlungsverfahren durch die Erhebung einer Anklage oder durch Stellung eines Strafbefehlsantrags im Markt bekannt werde, da dies zu einem beachtlichen Reputationsverlust für den Beschuldigten führen würde. Um diesen Verlust und alle weiteren Nachteile einer Verurteilung zu verhindern, seien viele Beschuldigte zur Zahlung erheblicher Summen bereit. Die Justiz sei in den meisten Fällen sehr entgegenkommend und lasse sich, insbesondere weil es sich in den meisten Fällen um Ersttäter handele, auf eine Einstellung gegen Geldauflage ein. Die Fälle, in denen es zu einer Verurteilung oder dem Erlass eines Strafbefehls kam, sind überwiegend geprägt durch ein geringes Strafmaß. In vielen Verurteilungen zu einer Geldstrafe werden nicht mehr als 90 Tagessätze angesetzt. Die bisher schwerste Strafe in einem rein insiderrechtlichen Verfahren wurde im bereits genannten Telekom-Fall verhängt: Der ehemalige Telekom-Manager erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurde. Sein Bekannter wurde hingegen zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

II. China Den Jahresberichten der CSRC lassen sich keine genauen Statistiken entnehmen, in wie vielen Fällen die CSRC seit Einführung des ersten Insiderhandelsverbots ermittelt hat und zu wie vielen Strafurteilen es in den

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D. Umgang mit Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften

vergangenen Jahren gekommen ist. Jedoch wurde durch eine Arbeitsgruppe des Forschungsinstituts der Börse in Shenzhen eine Studie894 zu den zwischen den Jahren 1993 und November 2010 von der CSRC erlassenen Verwaltungssanktionen in Bezug auf Gesetzesverletzungen im Wertpapierbereich herausgegeben, die auch einige Zahlen in Bezug auf Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot enthält. Dieser Studie zufolge gab es zwischen 1993 und November 2010 insgesamt nur 41 Fälle von Insiderhandel, die von der CSRC sanktioniert wurden. Im Dezember 2010 kam noch eine Verwaltungssanktion hinzu. Während es in den Anfangsjahren zu maximal einer Verwaltungssanktion pro Jahr durch die CSRC kam895, waren 14 dieser Fälle im Jahre 2010 Gegenstand einer Verwaltungssanktion. Bis zum Jahre 2011 gab es insgesamt nur elf Fälle, die vor einem Strafgericht verhandelt wurden.896 Einzig die letzten Jahresberichte der CSRC897 machen Angaben dazu, wie viele Untersuchungen die CSRC eingeleitet hat und in welchen Fällen es zu Sanktionen kam. So wurden in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 100 formelle Ermittlungen durchgeführt sowie 157 informelle Untersuchungen, bei denen zwar ein Verdacht bestand, einige Fakten jedoch noch einer weiteren Klärung bedurften. In 19 Fällen kam es zu einer Verwaltungssanktion und 35 Fälle wurden an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, weil die Sachlage ernst genug war, um unter den Straftatbestand des § 180 StG zu fallen. Wie in Deutschland stehen die meisten Insiderhandelsfälle im Zusammenhang mit einer Übernahme. In China lässt die geringe Zahl an Verwaltungssanktionen und Strafurteilen Probleme mit der Durchsetzung des Insiderhandelsverbots erkennen. Anders als die BaFin, die aufgrund der Meldepflichten in Bezug auf am Markt getätigte Geschäfte stets ein Datenvolumen zur Verfügung hat, das sie analysieren und mögliche Verstöße aufgrund von Unregelmäßigkeiten und sonstigen Auffälligkeiten identifizieren kann, ist die CSRC auf Hinweise der Börsen in Shanghai und Shenzhen angewiesen, die zur Überwachung des täglichen Handelsverhaltens verpflichtet sind. Mit Hilfe von vor einigen Jahren aus den USA eingeführten Überwachungssystemen werden ungewöhnliche Preis- und Handelsvolumenabweichungen zehn Tage vor und nach der Veröffentlichung erheblicher Ereignisse aufgespürt und dann an die 894  Task-Force,

Securities Market Herald 2011 (9), 60 ff. Song, Ein System der rechtlichen Verantwortlichkeit für Insiderhandel ist bereits geschaffen, in: China Securities Journal v. 24.9.2008. 896  Vgl. Huang, Hui, 5 J. Bus. L. 2012, 379 (396) sowie Song, Ein System der rechtlichen Verantwortlichkeit für Insiderhandel ist bereits geschaffen, in: China Securities Journal v. 24.9.2008. 897  Abrufbar unter: http: /  / www.csrc.gov.cn / pub / csrc_en / about / annual / (zuletzt be­sucht am 19.10.2013). 895  Vgl.



II. China313

CSRC gemeldet.898 Die CSRC kann sich daher nur auf eigene Beobachtungen des Markts sowie auf Hinweise der Börsen stützen. Im Gegensatz zur Situation in Deutschland, wo mittlerweile ein Bewusstsein für das im Rahmen des Insiderhandels verwirklichte Unrecht besteht, stellt sich die Lage in China anders dar. Es gibt professionelle Marktteilnehmer, die sich der Tatsache bewusst sind, dass jegliche Art von Insiderhandel verboten ist und ein Gesetzesverstoß erhebliche Rechtsfolgen haben kann. Zu diesen zählte z. B. der bereits erwähnte ehemals reichste Mann Chinas Huang Guangyu. Dieser brachte insgesamt 79 Personen dazu, unter ihrem Namen Wertpapierdepots zu eröffnen, über die er selbst jedoch die Kontrolle ausübte und die entsprechenden Transaktionen durchführte. Dies war ihm möglich, weil Inhaber eines Wertpapierdepots in China überwiegend über das Internet handeln. Daher ist es möglich, einer dritten Person die Zugangsdaten zum eigenen Depot zu geben, damit diese unter dem Namen des Dritten handeln kann und es den Aufsichtsbehörden erschwert wird, die richtigen Verbindungen zwischen Insidern, Informa­ tionsfluss und Transaktion zu ziehen. Diese Art des verdeckten Handelns ist in China weit verbreitet.899 Auf der anderen Seite ist jedoch einem Großteil der Anleger nicht bewusst, dass Insiderhandel einen Gesetzesverstoß darstellt. Li Qihong, die vormalige Bürgermeisterin der chinesischen Stadt Zhongshan, die unter anderem wegen Insiderhandels zu insgesamt elf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, gab vor Gericht an, sie verstehe das chinesische Wertpapiergesetz überhaupt nicht. Es sei ihr zwar klar gewesen, dass ihr Handeln ein Disziplinarvergehen darstelle, nicht jedoch, dass es strafrechtliche Folgen habe.900 Aufgrund verschiedener schwerer Bestrafungen wie z. B. die Verurteilungen von Li Qihong sowie Huang Guangyu, die durch die Medien gingen, ist anzunehmen, dass das Bewusstsein, dass Insiderhandel in China bestraft wird, zugenommen hat. Selbst wenn aber ein solches Bewusstsein zunehmend vorhanden ist, heißt dies nicht, dass die Anleger in China in Zukunft vor entsprechenden Wertpapierhandelsaktivitäten zurückschrecken. Zum einen ist die Anzahl der Fälle, in denen es zu einer Verwaltungssanktion oder zu einem Strafurteil kam, so gering, dass die Wahrscheinlichkeit, entdeckt und bestraft zu werden, von vielen als vernachlässigbar eingeschätzt wird. Vor dem Hintergrund der möglicherweise zu erzielenden hohen Gewinne erscheint es daher lohnend, das Risiko einer Bestrafung in Kauf zu nehShen, 9 J. Bus. & Sec. L. 2009, 41 (55). Yu, Wahl eines effektiven Überwachungssystems, S. 278. 900  Kong / Mao, Outlook Weekly 2011 (20), 12 (13). 898  Vgl.

899  Zheng,

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D. Umgang mit Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften

men.901 Zum anderen wird die Weitergabe von Insiderinformationen durch die chinesische Kultur, insbesondere die traditionellen gesellschaftlichen Werte, unterstützt. In der chinesischen Kultur wird den familiären Bindungen und den Verbindungen zu Freunden und Bekannten große Beachtung geschenkt, so dass es für einen Insider schwierig, wenn nicht sogar aus moralischen Gründen unmöglich ist, Familienmitgliedern oder Freunden einen Gefallen auszuschlagen, und z. B. wertvolle Informationen nicht weiterzugeben.902 Teilweise wird Tipping sogar als eine Art von Akquise betrachtet.903 Problematisch an dieser Situation ist, dass Insiderhandel, der auf einem Tipp beruht, viel schwerer aufzudecken ist als ein solcher, der durch einen gesetzlichen Insider getätigt wird, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die sozialen Verbindungsnetze der Chinesen sehr weitreichend sind und es der CSRC daher schwer fallen wird, den Informationsfluss nachzuverfolgen und zu beweisen. Das Problem der chinesischen Wertekultur spiegelt sich in gewisser Weise auch im Überwachungsverhalten der CSRC sowie bei der Durchsetzung des Insiderhandelsverbots wider. Dies rührt daher, dass ehemalige Mitarbeiter der CSRC oder der Börsen oftmals in Leitungsfunktionen in einem Unternehmen oder in einer Investmentfondsgesellschaft wechseln und es der CSRC dann schwer fällt, die Insiderhandelsverbot gegenüber diesen „Bekannten“ durchzusetzen.904 Im Vergleich zu Deutschland gab es in China auffällig wenige Fälle, in denen Insiderhandel bestraft wurde. Innerhalb dieser Fälle ist nur eine geringe Anzahl an Strafurteilen zu verzeichnen. Diese Zahlen in Verbindung mit den soeben dargestellten kulturellen Hintergründen und der Zurückhaltung seitens der CSRC lassen auf eine hohe Dunkelziffer schließen. Immerhin ist seit dem Jahr 2010 eine Steigerung der Zahl der aufgedeckten Fälle erkennbar; auch die Gerichte scheinen härter durchzugreifen. Die bisher ergangenen Urteile sollten aufgrund des gehobenen Strafmaßes durchaus einen Abschreckungseffekt haben. Das bisher schwerste Urteil erging im Fall Huang Guangyu. Dieser wurde zu insgesamt 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, wobei auf die Straftat des Insiderhandels eine Einzelfreiheitsstra901  Zhang, Xiuquan / Huang, Xin, Journal of Henan Administrative Institute of Politics and Law 2002 (5), 21 (22). 902  Zhang, Xiuquan / Huang, Xin, Journal of Henan Administrative Institute of Politics and Law 2002 (5), 21 (23). 903  Sorenson, 5 Bus. L. Brief (Am. U.) 2008, 22 (26); Huang, Hui, International Securities Markets, S. 69 f. 904  Ye, Tan, Bei der Ermittlung und Sanktionierung von Insiderhandel gibt es zwei schwierige Probleme.



II. China315

fe von neun Jahren entfiel. Trotz dieses Abschreckungseffekts wird eine Kosten-Nutzen-Analyse bei vielen Chinesen dazu führen, dass sie sich – anders als ein deutscher Insider – zu Insidergeschäften hinreißen lassen, weil die Statistik der bisher bestraften Fälle von Insidergeschäften in China verdeutlicht, dass die Wahrscheinlichkeit entdeckt und bestraft zu werden sehr gering ist.

E. Zusammenfassung Die vorangegangene Analyse hat gezeigt, dass das deutsche und das chinesische Insiderrecht sich im Grundsatz sehr ähnlich sind. In beiden Rechtsordnungen ist es verboten, auf der Basis einer Information, die geeignet ist, den Börsen- oder Marktpreis bestimmter Finanzinstrumente zu beeinflussen, mit diesen Finanzinstrumenten zu handeln oder einem Dritten deren Erwerb oder Veräußerung zu empfehlen. Ferner ist die Preisgabe einer solchen Information an einen Dritten verboten. Es gibt jedoch einen maßgeblichen Unterschied. Während sich das Verbot von Insidergeschäften in Deutschland an jedermann richtet und damit ein Allgemeindelikt darstellt, ist in China der vom Insiderhandelsverbot erfasste Personenkreis auf bestimmte vom Gesetz vorgeschriebene Personen beschränkt. Diese Beschränkung bietet viel Raum für Umgehungen und macht ein effektives Vorgehen gegen Insiderhandel unmöglich. Das Vertrauen der Anleger und damit die Funktionsfähigkeit eines Kapitalmarkts können jedoch nur gewahrt werden, wenn die Anleger versichert sind, dass das Ausnutzen von Informationsvorsprüngen umfassend bekämpft wird. Dies ist nur durch ein Verbot von Insidergeschäften möglich, dass sich an jeden Anleger richtet. Im Vergleich zum sehr ausgereiften deutschen Insiderrecht ist das chinesische Insiderrecht lückenhaft. Der chinesische Gesetzgeber hat sich bei der Regelung des Insiderrechts von der Erfahrung der westlichen Länder, insbesondere den USA, die als Mutterland des Verbots von Insidergeschäften gelten, inspirieren lassen. Dennoch ist es ihm nicht gelungen, ein in sich stimmiges Insiderrecht zu schaffen, das seinem Zweck – der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts – gerecht wird. Vielmehr macht es den Eindruck, als habe er die seines Erachtens geeignetesten Vorschriften und Ideen der jeweiligen westlichen Rechtsordnung einfach übernommen, ohne jedoch darüber nachzudenken, dass sich dadurch Widersprüche und Ungereimtheiten ergeben können. Dies hat zur Folge, dass sich teilweise Vorschriften finden, die vor dem Hintergrund des Zwecks des Insiderrechts schon in sich nicht schlüssig sind. Darüber hinaus ist das Insiderrecht für den Rechtsanwender unüberischtlich, da sich nicht nur im Wertpapierhandelsgesetz, sondern auch in anderen Vorschriften insiderrechtliche Regelungen finden. Dieser „Flickenteppich“ verschiedener Regelungen wird dadurch vergrößert, dass in den letzten Jahren immer wieder versucht worden ist, die Unzulänglichkeiten des bestehenden Insiderrechts auszubessern. Interessanterweise ist es nicht der Gesetzgeber, der tätig geworden ist



E. Zusammenfassung317

und die Chance genutzt hat, auf der Basis neuer Erkenntnisse ein verbessertes Insiderrecht zu implementieren. Vielmehr ist es die CSRC, die die Lückenhaftigkeit des Insiderrechts erkannt und auf eine ihr ganz eigene Art eingegriffen hat. Sie hat – teilweise über das Gesetz hinaus, teilweise sogar durch einen klaren Verstoß gegen das Gesetz – eine Rechtspraxis etabliert, die eine effektive, jedoch gesetzeswidrige Durchsetzung eines dem deutschen Verbot von Insidergeschäften in seiner Reichweite vergleichbaren Verbots ermöglicht. Zum Teil wurde die Vorgehensweise der CSRC durch den Obersten Volksgerichtshof zum Quasi-Gesetz gemacht und damit für die Zukunft legalisiert. Es bleiben jedoch Bereiche, in denen eine Verfolgung von Verstößen gegen das Verbot von Insidergeschäften nur aufgrund der Rechtspraxis der CSRC möglich ist und in denen zu befürchten steht, dass sogar die Strafgerichte diese Rechtspraxis übernommen haben. Bestrebungen seitens der CSRC diese Rechtspraxis durch Erlass rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften zu legalisieren – dazu wäre sie aufgrund der ihr vom Gesetzgeber erteilten weitreichenden gesetzlichen Ermächtigungen durchaus befugt – sind nicht ersichtlich. Ob die Zukunft eine Änderung bringt, bleibt abzuwarten. Wenn das Rechtsbewusstsein der chinesischen Bevölkerung sich jedoch weiter entwickelt, müssen die CSRC sowie die Gerichte damit rechnen, dass ihre Entscheidungen, die auf einer rechtswidrigen Rechtspraxis basieren, wegen ihrer Rechtswidrigkeit angegriffen werden. Dieser Druck von außen könnte bewirken, dass der Gesetzgeber sich genötigt sieht, das Insiderrecht nochmals zu überarbeiten, von Widersprüchen zu befreien und die momentan allein durch die Rechtspraxis ausgefüllten Lücken durch eine gesetzliche Regelung zu schließen. Wiederum sehr ähnlich stellt sich die Situation in Deutschland und China im Hinblick auf die Verfolgung der verschiedenen Insider dar. Die Verfolgungsorgane haben verhältnismäßig geringe Schwierigkeiten, das Verbot von Insidergeschäften gegenüber denjenigen Primärinsidern bzw. gesetzlichen Insidern durchzusetzen, die die Pflicht haben, Directors’ Dealings zu melden, die in Insiderverzeichnissen aufgeführt sind und die in China zudem noch bestimmten Handelsbeschränkungen unterliegen. Die Überwachung dieser Primärinsider und gesetzlichen Insider durch die Insiderverzeichnisse und die Pflicht zur Mitteilung getätigter Geschäfte ist relativ effektiv. Es ist leichter zu beweisen, dass diese Personen aufgrund ihrer Position oder Stellung Kenntnis von Insiderinformationen haben. Daher können Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften durch Primärinsider in der Regel aufgedeckt werden. Schwierigkeiten hingegen bereitet beiden Ländern die Verfolgung von allen anderen Insidern, d. h. denjenigen Personen, die eine Insiderinformation nicht aufgrund ihrer Position oder ihrer Tätigkeit erlangt haben. Die einzige Möglichkeit, auf diese Personen aufmerksam zu werden, resultiert für die BaFin aus den Mitteilungen der Wertpapierdienstleistungs-

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E. Zusammenfassung

unternehmen. Die CSRC muss auf die Meldungen der Börsen über anormale Preis- und Handelsvolumenabweichungen zurückgreifen. Doch allein das Aufspüren eines potentiell anormalen Handelsverhaltens genügt nicht für eine Sanktion. Vielmehr müssen die Behörden und Gerichte den Informationsfluss zum Handelnden nachweisen. Dies fällt insbesondere den chinesischen Gerichten und Behörden schwer. Während in Deutschland Informa­ tionen in der Regel nur im engen Familien- und Freundeskreis weitergegeben werden, führen die gesellschaftlichen Strukturen in China dazu, dass Informationen nicht nur an Personen, die einem Primär- bzw. gesetzlichen Insider sehr nahe stehen, sondern an das weite und nicht zu übersehende Netz der chinesischen „Guanxi“905 weitergegeben werden. Dieses Problem wird jedoch auch in Zukunft in beiden Ländern schwer zu lösen sein, weil Präventivmaßnahmen wie Insiderverzeichnisse vernünftigerweise nur an der Quelle der Information ansetzen können, sich aber nicht auf Personen ausweiten lassen, die keinen direkten Zugang zu einer Insiderinformation haben.

905  Chinesisch:

关系, zu übersetzen als Netzwerk persönlicher Verbindungen.

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320 Literaturverzeichnis Autorengruppe Wertpapiergesetz der Volksrepublik China, Interpretation und Praxisleitfaden (《中華人民共和國證券法》釋義及實用指南 - 編寫組): Das Wert­ papiergesetz der Volksrepublik China, Interpretation und Praxisleitfaden (《中華 人民共和國證券法》釋義及實用指南), Beijing 2005 (zit.: Autorengruppe Wertpapiergesetz: Interpretation und Praxisleitfaden, WpG). Bachmann, Gregor: Kapitalmarktrechtliche Probleme bei der Zusammenführung von Unternehmen, in: Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht 172 (2008), S. 597 ff. (zit.: Bachmann, ZHR 172 (2008)). Bainbridge, Stephen M.: The Insider Trading Prohibition: A Legal and Economic Enigma, in: University of Florida Law Review, Vol. 38, 1986, S. 35 ff. (zit.: Bainbridge, 38 U. Fla. L. Rev. 1986). Bank, Stephan: Das Insiderhandelsverbot in M&A-Transaktionen, in: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2012, S. 1337 ff. (zit.: Bank, NZG 2012). Beyer-Fehling, Hermann / Bock, Alexander: Die deutsche Börsenreform und Kommentar zur Börsengesetznovelle, Frankfurt am Main 1975 (zit.: Beyer-Fehling /  Bock, Börsenreform und Börsengesetznovelle). Bian, Yaowu (卞耀武): Kommentar zum Wertpapiergesetz der Volksrepublik China (中华人民共和国证券法释义), Beijing 1999 (zit.: Bian, Kommentar zum WpG). Binninger, Melanie: Gewinnabschöpfung als kapitalmarktrechtliche Sanktion: Systematik und Konzeption einer Gewinnabschöpfung im Kapitalmarktrecht, dargestellt am Beispiel des deutschen und US-amerikanischen Insiderrechts, Berlin 2010 (zit.: Binninger, Gewinnabschöpfung). Bonin, Gregor von / Böhmer, Jörg: Der Begriff der Insiderinformation bei gestreckten Sachverhalten, in: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2012, S. 694 ff. (zit.: v. Bonin / Böhmer, EuZW 2012). Brandi, Tim Oliver / Süßmann, Rainer: Neue Insiderregeln und Ad-hoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Transaktionen, in: Die Aktiengesellschaft 2004, S. 642 ff. (zit.: Brandi / Süßmann, AG 2004). Bremer, Heinz: Rechtsprobleme der Insider-Regeln, in: Betriebs-Berater 1971, S. 803 ff. (zit.: Bremer, BB 1971). Bu, Yuanshi: Einführung in das chinesische Recht, München 2009 (zit.: Bu, Einführung in das chinesische Recht). ‒ Verfügung- und Verpflichtung im chinesischen Zivil- und Immaterialgüterrecht – Über die Rezipierbarkeit des Abstraktionsprinzips in China, in: Juristen Zeitung 2010, S. 26 ff. (zit.: Bu, JZ 2010). Buchta, Jens: Die Haftung des Vorstands einer Aktiengesellschaft – aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung (Teil II), in: Deutsches Steuer­ recht 2003, S. 704 ff. (zit.: Buchta, DStR 2003). Sprache übersetzt. Soweit chinesischsprachige Zeitschriften und Bücher zusätzlich einen offiziellen englischsprachigen Namen haben, wird dieser angegeben. Im Übrigen wird der Name vom Chinesischen ins Deutsche übersetzt.

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Stichwortverzeichnis A-Aktien  178 ff. Ad-hoc-Publizität – Aufschub der Veröffentlichung  137 ff., 290 ff. – erhebliches Ereignis i. S. d. Disclosure Rules  287 f. – erhebliches Ereignis i. S. d. WpG  284 ff. – Inlandsemittent  127 ff. – nach chinesischem Recht  282 ff. – nach deutschem Recht  127 ff. – publizitätspflichtige Information  129 ff. – Rechtsfolgen  144 f., 293 f. – rechtsvergleichend  298 ff. Administrative Measures for the Disclosure of Information of Listed Companies  209, 282 siehe auch Disclosure Rules Adverse Selection  47 Agency-Kosten  52 f. Amtsermittlungsgrundsatz  273 Anlegerschutzverbesserungsgesetz  30 f. Anreizmodell  48 ff. B-Aktien  178 ff. Bereichsöffentlichkeit  siehe Insider­ information Berufsverbot  124, 254 f. Bid-ask-spread  48 China Securities and Regulatory Commission (CSRC)  36, 39 CSRC-Leitfaden  41, 150, 158, 159 ff., 170, 227 DaimlerChrysler / Schrempp-Verfahren  76 ff.

Directors’ Dealing Rules  295 Directors’ Dealings – nach chinesischem Recht  294 f. – nach deutschem Recht  145 f. – rechtsvergleichend  303 Disclosure Rules  282, 283 ff., 287 f. Emittentenleitfaden  31 f. Empfehlung betreffend die Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen  26 Empfehlungen zur Lösung sog. Insiderprobleme  23 Empfehlungs- und Verleitungsverbot – nach chinesischem Recht  240 f. – nach deutschem Recht  112 f. – rechtsvergleichend  244 f. Erhebliches Kursbeeinflussungspotential  siehe Insiderinformation Erwerbs- und Veräußerungsverbot – Face-to-Face-Geschäfte  106, 234 f. – Kausalitätsvermutung  104 f., 230, 261 f., 267 ff., 270 ff. – Masterplan-Ausnahme  107 f., 235 f. – nach chinesischem Recht  227 ff., 260 ff. – nach deutschem Recht  100 ff. – öffentliche Übernahmen  108 f., 236 f. – rechtsvergleichend  242 ff. – unternehmerische Pläne  107 f., 235 f. – Verwendung der Information  101 ff., 229 ff., 242 ff., 266 ff. Face-to-face-Geschäfte  siehe Erwerbsund Veräußerungsverbot Fiduciary Duty Theory  65 Finanzinstrumente  siehe Insiderpapiere

Stichwortverzeichnis Finanzmarktrichtlinie  31 Finanzmarktrichtlinie-Durchführungsrichtlinie  31 Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz  31 Finanzterminkontrakt  249 Free-rider-Problematik  51 f. Frontrunning  siehe Insiderinformation Georgakis-Entscheidung  83 Gesetz gegen unlautere Börsengeschäfte in Wertpapieren  24 Gewinnerzielungsabsicht  101, 237 f. Growth Enterprise Market  180 Guanxi  318 H-Aktien  178 Handelsbeschränkungen  296 ff., 304 ff. – Handelsvolumenbeschränkungen  297, 305 f. – Short Swing Trading  297 f., 306 f. – zeitliche Handelsbeschränkungen  297, 305 f. Handelssperre  199 Inlandsemittent  siehe Ad-hoc-Publizität Insider  152 ff. – Anteilsinsider  117 f. – Aufsichtsbehördeninsider  155 f. – Berufs-, Tätigkeits- und Aufgaben­ insider  118 ff. – gesetzliche Insider  153 ff. – illegaler Insider  164 ff. – Kriminalinsider  120 f. – Marktinsider  156 f. – nach chinesischem Recht  152 ff. – nach deutschem Recht  115 ff. – Organinsider  115 ff. – Primärinsider  115 ff. – Sekundärinsider  121 f. – traditioneller Insider  153 ff. Insiderinformation – Bereichsöffentlichkeit  89, 199 – Drittbezug  76, 81 ff., 216 f.

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– Eintrittswahrscheinlichkeit  77 f. – Emittenten- oder Insiderpapierbezug  91 ff., 201 ff., 222, 224 f. – erhebliches Kursbeeinflussungs­ potential  93 ff., 204 ff., 222 f. – Frontrunning  83 ff., 191 – Gerüchte  85, 193 f., 213 f. – konkrete Information  74 ff., 212 ff. – Kursbeeinflussungspotential  93 ff., 204 ff. – mehrstufige Entscheidungsprozesse   86 ff., 195 ff., 218 ff. – nach chinesischem Recht  182 ff. – nach deutschem Recht  74 ff. – nicht öffentlich bekannte Information  89 f., 197 ff., 220 f. – Prognosen und Werturteile  79 f., 186 – rechtsvergleichend  211 ff. – Scalping  80 ff., 191, 216 – unrichtige Informationen  86, 194 f. – zukünftige Umstände  76 ff., 185, 215 f. Insiderpapiere – nach chinesischem Recht  176 ff. – nach deutschem Recht  68 ff. – rechtsvergleichend  181 f. Insiderrichtlinie  28 f. Insiderverzeichnis – nach chinesischem Recht  295 f. – nach deutschem Recht  146 ff. – rechtsvergleichend  303 f. Interim Provisions on the Management of the Issuing and Trading of Stocks  37 f., 290 f. Interpretation on Several Issues Concerning the Specific Application of Law in the Handling of Criminal Cases of Engaging in Insider Trading or Leaking Insider Information  41, 150, 165 ff. Justizielle Interpretation  233 Kursstabilisierungsmaßnahmen  113, 241, 246

346 Stichwortverzeichnis Law of Conservation of SecuritiesTheorie  56 Law on Administrative Penalty  162, 229, 232, 247 Market-Maker  47 f. Marktdaten  siehe Marktinformationen Markteffizienz  45 f. Marktinformationen  92, 130, 140, 203 f., 222 Marktmissbrauchsrichtlinie  29 f. Marktzutrittsverbot  187 f., 253, 254 ff. Masterplan-Ausnahme  siehe Erwerbsund Veräußerungsverbot Meldepflicht  148 f., 307 f. Misappropriation Theory  65 Moral Hazard  50 f. Nulla Poena Sine Lege  162, 228, 232, 234, 262, 265, 268, 269 f. Öffentliche Übernahmen  siehe Erwerbsund Veräußerungsverbot Perverse Incentives  51 Plan to Consolidate and Liquidate the Securities Trading Centers  39 Plan to Consolidate and Restructure the Unregulated Stock Trading Plattforms  38 Politik der offenen Türen  34 Possession versus Use Debatte  229 Preisgabe bzw. Weitergabeverbot – nach chinesischem Recht  219 f., – nach deutschem Recht  109 ff. – rechtsvergleichend  244 f. – unbefugte Weitergabe  110 ff. Preissensibler Zeitraum  195 f., 200, 219 Price Decoding  46 f. Primärinsider  siehe Insider Principal-Agent-Ansatz  52 f. Probability / Magnitude-Test  77, 185 Provisional Measures on Prohibiting Securities Fraud  37 f., 40, 204, 210, 238, 240, 260

Provisional Measures on the Administration of Securities Companies  37 Provisions for Listed Companies on the Establishment of the System for the Regulation and Administration of Insiders  295 Qualified Foreign Institutional Investors  178 Rat Trading  187 ff. Regulation on the Administration of Futures Trading  41, 223, 248 ff. Scalping  siehe Insiderinformation Segré-Bericht  25 Sekundärinsider  siehe Insider Short Swing Trading  siehe Handels­ beschränkungen Spector Photo Group-Entscheidung  103 ff. Split-Share Structure Reform  177 f. State Council Securities Committee (SCSC)  36, 39 Third Board  180 Tippee  161 Trade Decoding  46 Trennungs- und Abstraktionsprinzip  100, 227 f., 242 Unschuldsvermutung  105, 168, 231 f., 243, 261 f., 268, 270 f. Unternehmerische Pläne  siehe Erwerbsund Veräußerungsverbot Verbandsgeldbuße  123, 252 Verbandsstrafe  259 Verordnung über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kurs­ stabilisierungsmaßnahmen  31 Verwendungsvermutung  siehe Kausa­ litätsvermutung Victimless Crime  55, 57, 279 Vorläufiger Leitfaden  siehe CSRCLeitfaden

Stichwortverzeichnis Vorsatz – nach chinesischem Recht   246 f. – nach deutschem Recht  104 f., 114 – rechtsvergleichend  264 Vorschlag für eine Verordnung zur Neuregelung von Insidergeschäften und Marktmanipulation  32 f. Vorschlag zu einer Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für InsiderGeschäfte und Markt­manipulation 32 f.

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Warenterminkontrakt  249 Weitergabeverbot  109 ff. siehe auch Preisgabe- bzw. Weiter­ gabeverbot Wertpapiergesetz der Volksrepublik China  39 ff. Zweites Finanzmarktförderungsgesetz  24, 27 ff.