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German Pages 1190 [1192] Year 2005
Preis (Hrsgj Innovative Arbeitsformen F1exibilisierung von Arbeitszeit, Arbeitsentgelt, Arbeitsorganisation
Innovative Arbeitsformen F1exibilisierung von Arbeitszeit, Arbeitsentgelt, Arbeitsorganisation Hemusgegeben von
Prof. Dr. Ulrich Preis bearbeitet von
Dr. Svenja Deich Rechtsanwältin
Angi.e Genenger WISsenschaftliche Mitarbeiterin
Dr. Stefan Greiner WISsenschaftlicher Mitarbeiter
Klaus Linde Rechtsanwalt
Dr. Viola Lindemann WISsenschaftliche Mitarbeiterin
Heidrun Meng Richterin
Laie Necati WISsenschaftliche Mitarbeiterin
Prof. Dr. Ulrich Preis Universitätsprofessor
Phil Schabestiel WISsenschaftlicher Mitarbeiter
Nadja Suhre WISsenschaftliche Mitarbeiterin
Klaus Tenbrock WISsenschaftlicher Mitarbeiter
Tim Urmersbach WISsenschaftlicher Mitarbeiter
2005
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Irrtemet über abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58. 50968 Köln Tel.: 02 2119 37 38-01, Fax: 02 21/9 37 38-9 43 e-mail: [email protected] www .otto-schmidt.de ISBN 3-504-42041-3
© 2005 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfpie/1: A ist Koch in dem Restaurant eines Kaufhauses. Auf sein Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tar(fbindung die Normen des EinzelhandelsTarifvertrags zwischen "Arbeitgeberverband Einzelhandel" und "Gewerkschaft Einzelhandel" Anwendung. Das Restaurant wird auf einen externen Gastronomie-Anbieter ausgelagert. Dabei geht das Arbeitsverhältnis des A im Wege des Betriebsübergangs auf den externen Anhieter über. Dieser ist Mitglied im "Arbeitgeberverband Gastronomie", der einen Tarifvertrag mit der "Gewerkschaft Gastronomie" 54 BAG 14.8.2001 AP Nr. 85 zu§ 77 BetrVG 1972.
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Fortgeltung von Kollektivnormen
geschlossen hat. Mangels kongruenter Tarifbindung findet weder der Einzelhandels-Tarifvertrag noch der Gastronomie-Tarifvertrag kollektivrechtliche Anwendung. Der Einzelhandels-Tar(fVertrag gilt jedoch individualvertraglich fort, § 613a Abs. 1 S. 2 BGB. Tritt nun A der" Gewerkschaft Gastronomie" bei, so finden die Normen des GastronomieTarifVertrags sofort Anwendung und verdrängen die individualrechtliche Fortgeltung, auch wenn sie ungünstiger sind. Beispie/2: Ein Betriebsteil des Betriebes X geht auf einen anderen Unternehmer über. Dieser gliedert den Betriebsteil in seinen Betrieb Y ein. In dem Betrieb X bestand eine durch Betriebsvereinbarung geregelte betriebliche Altersversorgung. Eine solche Betriebsvereinbarung existiert im Betrieb Y nicht. Die betriebliche Altersvorsorgung gilt damit zunächst hinsichtlich der übergegangenen Arbeitnehmer individualrechtlich fort. Wird innerhalb eines Jahres in dem Betrieb Y jedoch eine Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersvorsorgung geschlossen, so gilt diese kollektivrechtlich und löst die individualrechtlich fortgeltende Vereinbarung ab. Dies ist auch der Fall, wenn die neue Betriebsvereinbarung für die übergegangenen Arbeitnehmer ungünstiger ist als die im Betrieb X bestehende.
Nach Ablauf der Jahresfrist soll eine Änderung individualrechtlich fortgeltender Kollektivnormen nicht allein dadurch möglich sein, dass der neue Arbeitgeber mit den betroffenen Arbeitnehmern individualrechtliche Änderungsverträge schließt oder Änderungskündigungen ausspricht. Vielmehr gebiete eine teleologische Reduktion des § 613a Abs. I S. 2 BGB, dass (jedenfalls bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen) nach Ablauf der Jahresfrist außerdem eine einseitige Lossagung nach kollektivrechtlichen Kriterien möglich sei. Der Vorschrift könne entnommen werden, dass vor Ablauf der Veränderungssperre eine Betriebsvereinbarung ausschließlich durch kollektiven Vertrag und nach Ablauf der Jahresfrist auch durch kollektiven Vertrag abgelöst werden könne. 55 Weiterführende Literatur: Erfurter Kommentar-Preis, 4. Aufl., § 613a BGB Rn. J 15 ff.; Wank, NZA 1987, 505.
4.
Anwendung anderer Kollektivnormen
Sind nach dem Übergang andere Kollektivnormen anwendbar, so gelten diese. Es kommt dann zu keiner kollektiv- oder individualrechtliehen Fortgeltung der alten Normen, auch wenn diese günstiger sind. 55 LAG Köln 8.4.2003 NZA-RR 2003, 657.
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Greiner, Outsourcing
Zu keinerlei Fortgeltung von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung kommt es, wenn die Rechte und Pflichten bei dem Übernehmer durch eine andere Kollektivnorm (Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) geregelt werden. Diesen Fall erfasst § 613a Abs. 1 S. 3 BGB. Allgemeine Voraussetzung dafür ist, dass ein beim Übcrnehmer geltender Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung denselben sachlichen Gegenstand regelt und nach Tarif- bzw. Betriebsverfassungsrecht in der übergegangenen wirtschaftlichen Einheit gilt. Dies ist insbesondere bei Betriebszusammenlegungen der Fall, also in typischen OutsourcingSituationen. Sofern es um die Anwendung eines Tarifvertrags geht, müssen zusätzlich folgende Voraussetzungen vorliegen: •
Beide Parteien des Arbeitsvertrages müssen an den Tarifvertrag gebunden sein (kongruente Taritbindung). Voraussetzung ist somit, dass entweder beide Arbeitsvertragsparteien Mitglied der tarifschließenden Verbände sind oder aber der Tarifvertrag infolge einer Allgemeinverbindlicherklärung gilt.
•
Zum Teil wird vertreten, dass auch die einseitige Tarifbindung des Übemehmers genügen soll, jedenfalls wenn eine DGB-Gewerkschaft sowohl den vor als auch den nach dem Übergang anwendbaren Tarifvertrag geschlossen hat und der betroffene Arbeitnehmer Mitglied einer solchen ist. Dies ist jedoch mit Blick auf den Schutzzweck von § 613a BGB abzulehnen, was nun auch das BAG ausdrücklich klargestellt hat: Der Schutz durch kollektivvertragliche Regelungen soll erhalten werden. Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn eine beiderseitige kongruente Tarifbindung verlangt wird. 56
Hinweis: Durch die Gründung der Gewerkschaft ver.di ist nun ein- und dieselbe Gewerkschaft Partei einer Vielzahl von Tarifverträgen. Damit hat sich die Möglichkeit beiderseitiger kongruenter Tarifbindung und damit der Anwendungsbereich von § 613a Abs. 1 S. 3 BGB erheblich ausgeweitet. Folge ist, dass nun in weit stärkerem Maße als zuvor durch Outsourcing die Anwendung anderer Tarifnormen erreicht werden kann!
•
Der Übemehmer muss unter einen anderen Tarifvertrag fallen als der abgebende Arbeitgeber (andere Tarifzuständigkeit). Ansonsten,
56 BAG 21.2.2001 AP Nr. 20 zu § 4 TVG
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Fortgeltung von Kollektivnormen
also bei gleicher Tarifzuständigkeit, gilt der Tarifvertrag ohnehin kollektivrechtlich fort. •
Der Arbeitnehmer muss schon vor dem Betriebsübergang tarifgebunden gewesen sein, da § 613a Abs. 4 S. 2 BGB nur hinsichtlich bislang schon tarifvertraglich geregelter Rechte und Pflichten eingreift. Handelt es sich um individualvertragliche Regelungen, auch infolge einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, so gehen diese schon nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB über.
Beispiel:
Der in der Metallindustrie tätige Unternehmer U plant, die bislang durch sein Rechenzentrum ausgefiihrten Aufgaben auf einen externen Anbieter zu verlagern. Der externe Anbieter A, der Computerdienstleistungen for eine Vielzahl von Unternehmen unterschiedlicher Branchen ausfUhrt, bietet der Kernbelegscha.ft des Rechenzentrums von U die Übernahme an und übernimmt auch die Infrastruktur des Rechenzentrums (Server u.ä.). Bei U fand u.a. hinsichtlich der Entgelthöhe ein Tarifvertrag Anwendung, der zwischen IG Metall und AGV Gesamtmetall geschlossen worden war. Bei A findet hinsichtlich derselben Regelungsmaterie ein Haustarifvertrag Anwendung, der mit der Dienstleistungsgewerkscha.ft ver.di geschlossen wurde. Der Rechenzentrums-Mitarbeiter R ist Mitglied der IG Metall. Nach der Übernahme scheidet eine Anwendung des bei A geltenden Haustarifvertrages aus, da R nicht ver.di-Mitglied und somit nicht tarifgebunden ist. Es fehlt an "kongruenter Tarifgebundenheit ". Für ihn gelten also die Bedingungen des bei U bestehenden Tarifvertrags nach § 613a Abs. I S. 2 BGB individualrechtlich fort. Er kann nur dann kollektivrechtlich den Regelungen des bei A anwendbaren Tarifvertrags unterfallen, wenn er die Gewerkschaft wechselt. 57 Problem: Tarifflucht durch Outsourcing Ein Motiv fiir Outsourcing kann damit sein, die Anwendung von Tarifnormen in der ausgegliederten Abteilung zu erzielen, die für den Arbeitgeber günstiger sind. Ein Beispiel sind Restaurants in Kaufltäusern. Diese werden vielfach durch Gründung von Tochtergesellschaften rechtlich verselbstständigt, so dass sie nicht mehr dem Einzelhandels-Tarifvertrag, sondern den
57 Vgl. BAG 21.2.2001 AP Nr. 20 zu§ 4 TVG
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Greiner, Outsourcing
Regelungen für das Gaststättengewerbe unterfallen. Diese sind für den Arbeitgeber häufig günstiger. Auch in der Baubranche ist diese Tendenz festzustellen. Die Ausgliederung von Betrieben und Betriebsteilen, die selbst nicht unmittelbar bautechnisch tätig, sondern eher dem logistischen Bereich zugeordnet sind, soll die Geltung der Tarifverträge des Baugewerbes abwenden. Rechtsfolge des Outsourcings ist in diesen Fällen, dass die Tarifzuständigkeit der Tarifparteien des Hauptbetriebes in der ausgelagerten Abteilung entfällt. Damit fallen die Arbeitnehmer aus dem Anwendungsbereich des bisher geltenden Tarifvertrages heraus. Der für den ausgegliederten Bereich einschlägige Tarifvertrag findet unter den dargestellten Voraussetzungen Anwendung. Insgesamt stellt Outsourcing damit im Grundsatz ein geeignetes Mittel dar, um die Geltung von Tarifverträgen durch untemehmerisches Handeln zu beeinflussen. Probleme können sich ergeben, wenn ein Tarifvertrag nur irrfolge einer einzelvertraglichen Verweisung gilt. Hier stellt sich die Frage, wie die Verweisung auszulegen ist. Handelt es sich um eine (statische oder dynamische) Verweisung auf einen konkret benannten Tarifvertrag, gelten unabhängig von der Änderung der Umstände die Normen des in Bezug genommenen Tarifvertrags. Liegt - wie häufig - das Ziel der Verweisung in der Gleichstellung eines nicht tarifgebundenen Arbeitnehmers mit tarifgebundenen Arbeitnehmern 58 , so wird dies gerade im Falle eines Betriebsüberganges durch eine derartige Verweisung nicht erreicht: Die tarifgebundenen Arbeitnehmer unterfallen nach dem Betriebsübergang potentiell dem Anwendungsbereich eines anderen Tarifvertrags, während ftir einzelne Arbeitnehmer, in deren Arbeitsvertrag ein Tarifvertrag konkret in Bezug genommen ist, dieser fortgilt
Hinweis: Zu empfehlen ist dahe1; bereits bei der Formulierung einer solchen Bezugnahmeklausel großen Wert auf Flexibilität zu legen, um eine Fortgeltung des in Bezug genommenen Tarifvertrages nach Durclifiihrung einer Outsourcing-Maßnahme zu vermeiden. Es bietet sich an, auf' den "einschlägigen" Tarifvertrag zu verweisen. Eine solche allgemeine Klausel wird in Rechtsprechung und Literatur verbreitet für wirksam gehalten. 59 Weiterführende Literatur: Bauer/Haußmann, DB 2003, 610; Schiefer, DB 2003, 390; Reiche!, AuA 2002, 550; Schaub, BB 1995, 2003. 58 BGH 4.9.1996 AP Nr. 5 zu§ I TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag. 59 BAG 20.10.1977 AP Nr. 5 zu § 242 BOB Ruhegehalt Beamtenversorgung.
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Haftung
IX.
Haftung
Rechtsfolge eines Betriebsübergangs ist auch die Weiterhaftung des alten Betriebsinhabers. Insbesondere haftet er voll als Gesamtschuldner für Forderungen der übergegangenen Arbeitnehmer, die vor dem Betriebsübergang begründet und fallig geworden sind.
Sofern die Outsourcing-Maßnahme zu einem Betriebsübergang führt, ordnet § 613a Abs. 2 BGB eine abgestufte Weiterhaftung des bisherigen Inhabers der übergegangenen wirtschaftlichen Einheit an. Der ehemalige Betriebsinhaber wird nicht sofort aus der Haftung entlassen, sondern haftet gemeinschaftlich mit dem Übernehmer als Gesamtschuldner. Dem Wortlaut nach gilt dies nur für Ansprüche, die vor dem Betriebsübergang entstanden, jedoch erst danach fällig geworden sind. Dies wird korrigierend dahingehend ausgelegt, dass die Regelung auch für bereits vor dem Betriebsübergang fallig gewordene Ansprüche gilt. Hinweis:
Besondere Praxisrelevanz besitzt die Weiterhaftung des Alt-Arbeitgebers im Hinblick auf noch ausstehende Entgeltforderungen der übergegangenen Arbeitnehmer.
Zu berücksichtigen ist, dass die Haftung naturgemäß nur dann bestehen kann, wenn der abgebende Arbeitgeber noch existiert. Sofern mit dem Betriebsübergang eine Umwandlung verbunden ist, infolge derer der alte Arbeitgeber als juristische Person erlischt, kommt somit keine Nachhaftung mehr in Betracht. Dies stellt § 613a Abs. 3 BGB klar. Bei typischen Outsourcing-Fällen dürfte dies kaum relevant werden, da sich Outsourcing meist lediglich auf eine partielle Aufgabenverlagerung bezieht. Voll gesamtschuldnerisch haftet der abgebende Betriebsinhaber nur für Forderungen, die vor dem Betriebsübergang begründet und fallig geworden sind. Praktisch bedeutsam sind insbesondere rückständige Entgeltforderungen.
Handelt es sich hingegen um Ansprüche, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind, jedoch erst danach fällig geworden sind, so haftet er lediglich anteilig für den Teil der Forderung, der noch vor dem Betriebsübergang entstanden ist. Beispiel:
Erhält der Arbeitnehmer jährlich zum 1.12. Weihnachtsgeld als Gratifikation für vergangene Betriebstreue ausgezahlt und hat am 1.6. ein
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Greiner, Outsourcing
Betriebsübergang stattgefunden, haftet der abgebende Betriebsinhaber nur fiir den im Zeitraum vor dem Betriebsübergang begründeten Anteil, also für ein halbes Jahr (1.12. des Vorjahres bis zum Betriebsübergang am 1.6.) und somitfi'ir die Hälfte der Jahresgratifikation Hinweis: Der abgebende Betriebsinhaber haftet hingegen nicht für Amprüche, die erst nach dem Betriebsübergang entstanden und fällig geworden sind. Ebenfalls keine Haftung trifft ihn für Ansprüche, die bereits vor dem Betriebsübergang entstanden sind, jedoch erst ein Jahr nach dem Betriebsübergang oder später fällig werden. X.
Outsourcing durch Umwandlung
§ 324 UmwG erstreckt die Anwendbarkeit von § 613a BGB durch partielle Rechtsgrundverweisung auch auf Outsourcing-Maßnahmen im Wege gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolgc. Da § 613a BGB das Tatbestandmerkmal einer Übertragung "durch Rechtsgeschäft" enthält, stellt sich die Frage, was in Parallelkonstellationen geschieht, in denen der Übergang nicht auf rechtsgeschäftlicher Übertragung einer betrieblichen Aufgabe, sondern auf einer gesellschaftsrechtlichen Neustrukturierung, insbesondere einer Unternehmensspaltung, beruht. Hier handelt es sich um keinen rechtsgeschäftlichen Übergang einer Aufgabe, sondern vielmehr um Gesamtrechtsnachfolge. Auch dies stellt eine übliche Gestaltungsvariante von Outsourcing-Maßnahmen dar. In diesen Fällen bestimmt § 324 UmwG, dass § 613a Abs. 1, 4 bis 6 BGB ·"unberührt" bleiben. Die missverständliche Formulierung wirft zunächst die Frage auf, ob § 613a Abs. 1, 4 bis 6 BGB in diesen Fällen überhaupt gelten Dies·· ist mittkrweile dahingehend geklärt, dass eine soll. richtlinienkonfonnc Auslegung jedenfalls die Anwendbarkeit der Vorschritten über den Betriebsübergang auch in diesen Fällen erfordert, sofern im Rahmen der Umwandlung tatsächlich eine wirtschaftliche Einheit übergeht. Der Schutzzweck der Betriebsübergangs-Richtlinie 77/187/EWG zielt darauf ab, die betroffenen Arbeitnehmer vor den nachteiligen Folgen einer betrieblichen Umstrukturierung zu schützen. Ob es sich dabei um eine gesellschaftsrechtliche Umwandlung oder um Einzelrechtsnachfolge handelt, ist irrelevant, denn die Wirkungen für die betroffenen Arbeitnehmer sind ohne weiteres vergleichbar.
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Outsourcing durch Umwandlung
Damit bleibt allein die Frage nach dem Umfang der Verweisung zu klären. Umstritten ist, ob es sich um eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung handelt, ob also die Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a vorliegen müssen, oder ob in Fällen des § 324 UmwG die Rechtsfolgen von § 613a BGB ohne weiteres fiir anwendbar erklärt werden. Eine vollständige Rechtsgrundverweisung kann es nicht sein, da § 613a BGB gerade den rechtsgeschäftliehen Übergang vorsieht, der in diesen Fällen nicht gegeben ist. Dennoch erscheint eine Anwendung in diesen Fällen lediglich dann gerechtfertigt, wenn eine dem klassischen Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB vergleichbare Interessenlage vorliegt. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn die sonstigen Tatbestandsmerkmale - mit Ausnahme der Rechtsgeschäftlichkeit - zu bejahen sind, insbesondere also eine wirtschaftliche Einheit übergeht. Zutreffend dürfte es daher sein, in § 324 UmwG eine partielle Rechtsgrundverweisung zu sehen.
Hinweis: § 613a BGB findet also in den von § 324 UmwG erfassten Fällen nur dann Anwendung, wenn sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a BGB außer der Rechtsgeschäftlichkeit vorliegen. Insbesondere muss also eine wirtschaftliche Einheit übergehen. Zusammenfassend dehnt § 324 UmwG damit die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs auch auf die Fälle des nicht rechtsgeschäftliehen Übergangs im Wege der Gesamtrechtsnachfolge aus. Im Hinblick auf die Voraussetzungen, insbesondere das Vorliegen einer "wirtschaftlichen" Einheit, kann daher auf die allgemeinen Ausfuhrtingen verwiesen werden. Modifikationen ergeben sich bei den Rechtsfolgen an den Stellen, an denen das Umwandlungsrecht abweichende Regelungen trifft. Dies ist vor allem hinsichtlich des Kündigungsschutzes der Fall. Hier bestimmt § 323 Abs. 1 UmwG, dass die kündigungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers sich für die Dauer von zwei Jahren seit Wirksamwerden einer Spaltung oder Teilübertragung nicht verschlechtert. Die Vorschrift geht damit über den speziellen kündigungsrechtlichen Schutz des § 613a Abs. 4 BGB hinaus. Sie hat insbesondere die Anwendung des KSchG zur Konsequenz, wenn dieses bei dem abgebenden Arbeitgeber anwendbar war, bei dem neuen Arbeitgeber hingegen- etwa wegen Unterschreitens des Schwellenwertes, § 23 KSchG - an sich keine Anwendung findet. Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die bei dem abgebenden Betrieb verbleiben, wenn irrfolge der Umwandlung dessen Arbeitnehmerzahl unter den Schwellenwert des § 23 KSchG sinkt.
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Greiner, Outsourcing
Zu nennen ist außerdem das Übergangsmandat des Betriebrats des abgebenden Betriebes (§ 21a Abs. 1 BetrVG) Er führt bei Spaltungen die Geschäfte des Betriebsrats ftir die abgegebenen Unternehmensteile weiter, sofern sie betriebsratsfähig sind und nicht in einen Betrieb eingegliedert wurden, in dem ein Betriebsrat besteht. Es kann auch eine zeitlich unbegrenzte Fortgeltung von Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag vereinbart werden, wenn in ausgegliederten Betriebsteilen nach Übergang keine Betriebsratsfähigkeit gegeben ist(§ 325 Abs. 2 UmwG). XI.
Arbeitnehmerüberlassung nach Outsourcing
Verleiht das abgebende Unternehmen Arbeitnehmer dauerhaft an den Übernehmer, so ergibt sich eine Zuordnung der Arbeitnehmer meist schon aus dem AÜG Ein Rückgriff auf § 613a BGB ist dann nicht erforderlich. Von § 613a BGB abweichende Rechtsfolgen gelten, wenn im Zuge einer Outsourcing-Maßnahme der bisherige Betriebsinhaber die Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung als Verleiher an den neuen Betriebsinhaber überlässt. Sind die Arbeitnehmer damit einverstanden, gilt nicht die Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, sondern gelten die Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes als spezielle Regelungen. 60 Solche Konstruktionen sind vor allem bei Outsourcing durch Gründung von Tochtergesellschaften im Konzernverbund üblich. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die gewerbsmäßige Überlassung von Arbeitnehmern der Erlaubnis bedarf. Daran wird es in derartigen Fällen oft fehlen. Rechtsfolge ist dann, dass das Vertragsverhältnis zwischen Entleiher und Verleiher unwirksam ist, § 9 Nr. 1 AÜG (weitere Unwirksamkeitsgründe: § 9 Nr. 2-4 AÜG). In diesem Fall fingiert § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem verliehenen Arbeitnehmer und dem Entleiher, also dem Übernehmer der ausgelagerten Aufgabe. § 10 Abs. 1 AÜG ordnet somit in diesen Konstellationen die betroffenen Arbeitnehmer dem Entleiher zu, ohne dass es des Rückgriffs auf§ 613a BGB bedürfte. Weiterführende Literatur: Balze/Rebel/Schuck, Arbeitsrecht und Outsourcing, 2. Aufl., Rn. 898 ff.
60 LAG Köln 11.12.1996 NZA-RR 1997, 244.
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Wirtschaftliche Mitbestimmung
XII. Wirtschaftliche Mitbestimmung 1.
Betriebsänderung
Liegt in der Outsourcing-Maßnahme eine "Betriebsänderung", so muss der Arbeitgeber im Rahmen der Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und/oder Sozialplan verhandeln. Ein Betriebsübergang stellt nicht immer eine Betriebsänderung dar. Eine Betriebsänderung liegt nur vor, wenn einer der in § 111 S. 3 BetrVG genannten Fälle gegeben ist oder Funktionsweisen des Betriebes auf andere Weise einschneidend geändert werden, so dass die Änderung potentiell wesentliche Nachteile für wesentliche Teile der Belegschaft hat.
Allgemeines Eine Outsourcing-Maßnahme stellt für sich betrachtet noch keine Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG dar, die einen Interessenausgleich erforderlich machen würde. Auch ein Betriebsübergang ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG für sich genommen keine Betriebsänderung. Allerdings gehen mit Outsourcing und Betriebsübergängen häufig Maßnahmen einher, die Betriebsänderungen darstellen können.
Hinweis: Das BA G hat diesbezüglich entschieden, dass ein Betriebsübergang nicht automatisch auch eine Betriebsänderung i.S. v. § lll BetrVG ist. Dies soll nur der Fall sein, wenn außer dem bloßen Inhaberwechsel auch Umstrukturierungen erfolgen, die für sich eine Betriebsänderung darstellen. Die Anwendbarkeit des § Jll BetrVG wird insoweit nicht durch § 613a BGB ausgeschlossen, jedoch auch nicht indiziert. 61 Die genaue Konkretisierung des Begriffs der Betriebsänderung i.S.v. § 111 S. 1 BetrVG ist problematisch und umstritten. § 111 S. 3 BetrVG führt beispielhaft Fälle auf, die als Betriebsänderung in diesem Sinne gelten. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Es handelt sich vielmehr um bloße Beispiele. Liegt eine- gesetzlich benannte - Betriebsänderung vor, so werden die nach § 111 S. 1 BetrVG erforderlichen "wesentlichen Nachteile" vermutet bzw. fingiert. Eine separate Prüfung, ob wesentliche Nachteile vorliegen, ist also nicht notwendig. Es genügt die Feststellung, dass eine Betriebsänderung 61 BAG 16.6.1987 AP Nr. 19 zu§ 111 BetrVG 1972 BAG 4.12.1979 AP Nr. 6 zu§ 111 BetrVG 1972.
=
NZA 1987, 671; grundlegend
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Greiner, Outsourcing
stattfindet, um die Beteiligungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten auszulösen. Gesetzliche Beispiele für Betriebsänderungen sind gemäß § 111 S. 3 BetrVG • Nr. 1: Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile; •
Nr. 2: Verlegung des ganzen Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile;
•
Nr. 3: Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben;
•
Nr. 4: Grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen;
• Nr. 5: Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren. Von den ausdriicklich benannten Fällen einer Betriebsänderung kommen bei Outsourcing-Maßnahmen insbesondere die Alternativen 1, 2, 3 und 4 in Betracht. Dabei muss differenziert werden zwischen Fällen, in denen die OutsourcingMaßnahme einen Betriebsübergang darstellt und solchen, in denen dies nicht der Fall ist. Weiterführende Literatur: Picot/Schnitker, Arbeitsrecht bei Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil li; Plander, NZA 2000, 393 ff.
Outsourcing im Wege des Betriebsübergangs Geht ein Betriebsteil im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit auf einen Dritten über, so kann damit- wenn sich der Ort ändert, an dem die Aufgabe der wirtschaftlichen Einheit erfüllt wird - die Verlegung eines Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile eintreten (§ III S. 3 Nr. 3 BetrVG). Maßgeblich ist hierfür, dass eine örtliche Änderung stattfindet. Gliedert der Übemehmer die übergegangene wirtschaftliche Einheit seiner eigenen betrieblichen Organisation ein, liegt hierin meist ein Zusammenschluss mit anderen Betrieben. Zugleich wird bei einem Betriebsteilübergang der abgebenden Betrieb regelmäßig "gespalten" (§ 111 S. 3 Nr. 3 Var. 2).
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Wirtschaftliche Mitbestimmung
Beispiel]:
Unternehmer U ließ bislang die Verwaltung von Datenbanken in seinem unternehmenseigenen Rechenzentrum ausführen. Er entschließt sich, die Aufgabe auf den IT-Dienstleister X auszulagern. X übernimmt Führungskräfte sowie die IT-Infrastruktur des Rechenzentrums von U und gliedert diese in seinen bestehenden Betrieb ein. Dabei kommt es zu einer örtlichen Veränderung. Es geht eine wirtschaftliche Einheit über; deren Aufgabe wird jetzt an einem anderen Ort erfüllt. Somit liegt hierin eine Betriebs(teil)verlagerung i.S. v. § IIJ S. 3 Nr. 3 BetrVG Der Betriebsrat ist zu beteiligen. Outsourcing ohne Betriebsübergang Liegt in der Outsourcing-Maßnahme hingegen eine bloße Funktionsnachfolge - etwa weil kein nach Anzahl oder Qualität wesentlicher Teil der Belegschaft und auch keine materiellen oder immateriellen Betriebsmittel übernommen werden - so kann in der Übertragung der Aufgabe auf einen Dritten die Einschränkung oder Stilllegung des ganzen Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile liegen (§ 111 S. 3 Nr. I). Die bisherige Zweckbestimmung des Betriebs oder Betriebsteiles muss aufgehoben werden. Auch dann werden die Mitbestimmungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten ausgelöst. Beispiel 2 (Abwandlung von Beispiel]):
X übernimmt weder Mitarbeiter noch Infrastruktur, sondern erfüllt die Aufgabe mit seinem eigenen Personal und seiner eigenen Infrastruktur. Das Rechenzentrum bei U wird stillgelegt. Es liegt eine bloße Funktionsnachfolge vor. In der Stilllegung liegt eine Betriebsänderung i.S. v. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG Der Betriebsrat ist zu beteiligen. 2.
Keine Betriebsänderung
Stellt eine Outsourcing-Maßnahme keine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG dar, so wird kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten begründet. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Outsourcing-Maßnahme in einem bloßen Inhaberwechsel erschöpft. Es sind jedoch auch Fälle von Outsourcing denkbar, in denen es zu keiner Betriebsänderung kommt.
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Greiner, Outsourcing
Hinweis: Der Vorteil dieser Konstruktion ist, dass keine Beteiligungsrechte des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten entstehen. In Betracht kommt insofern vor allem ein lnhouse-Outsourcing ohne örtliche ~r änderung und ohne Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation. In dem alleinigen Inhaberwechselliegt nach zutreffender Betrachtung auch nicht immer eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation (§ 111 S. 3 Nr. 4), da ansonsten ein Betriebsübergang stets eine Betriebsänderung darstellen würde. Gerade dies lehnt das BAG jedoch in ständiger Rechtsprechung ab. Für eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation ist vielmehr erforderlich, dass sich die organisatorische Interaktion von Unternehmer und Belegschaft ändert und der Inhaberwechsel somit zumindest ftir eine gewisse Anzahl betriebsangehöriger Arbeitnehmer konkret spürbar wird. Beispiel 3 (Abwandlung von Beispiel] und 2): X übernimmt Führungskräfte sowie die IT-Infrastruktur des Rechenzentrums von U und belässt diese in den Räumlichkeiten des bisherigen Rechenzentrums. Die Arbeitsorganisation bleibt unverändert. Er übernimmt somit nur die wirtschaftliche und organisatorische Verantwortung für die fortbestehende wirtschaftliche Einheit. Hierin liegt ein Betriebsübergang im Wege des ",nhouse-Outsourcing ". Eine Betriebsänderung liegt nicht vor, sofern es nicht zu einer konkret spürbaren Ä·nderung der Betriebsorganisation kommt. Der Betriebsrat muss nicht beteiligt werden. 3.
Unbenannte Fälle
Die Aufzählung der Betriebsänderungen in § 111 S. 3 BetrVG ist nicht abschließend. Liegt keines der gesetzlich genannten Beispiele einer Betriebsänderung vor, kann auf die Generalklausel des § 111 S. 1 BetrVG zurückgegriffen werden. Das BAG hat offengelassen, ob der Katalog in § 111 S. 3 BetrVG abschließend ist oder nicht. Nach zutreffender Ansicht ist der Katalog nicht abschließend, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung. Ist keiner der benannten Fälle einschlägig, kann gleichwohl die Generalklausel des § 111 S. 1 BetrVG zum Zuge kommen. Unbenannte Fälle müssen den im Gesetz benannten vergleichbar sein. Voraussetzungen ungeregelter Fälle: Voraussetzung einer ungeschriebenen Betriebsänderung ist stets, 1042
Wirtschaftliche Mitbestimmung
•
dass die bisherigen Funktionsweisen des Betriebes in einschneidender Weise geändert werden. Die Änderung muss somit eine erhebliche Qualität aufweisen.
•
dass die Änderung potentiell wesentliche Nachteile für die Belegschaft nach sich ziehen kann. Diese können in einer materiellen oder immateriellen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (geringeres Entgelt, Verlust des Arbeitsplatzes, Verschlechterung des Arbeitsklimas) liegen.
•
dass die Änderungen zumindest wesentliche Teile der Belegschaft betreffen.
In Outsourcing-Fällen wird - wie gezeigt - in aller Regel einer der ausdrücklich benannten Tatbestände des § 111 S. 3 BetrVG eingreifen. Denkbar istjedoch beispielhaft der Fall, dass eine Aufgabe (teilweise) fremdvergeben wird, die bisher damit betraute Abteilung aber - abweichend von Beispiel 2 - nicht geschlossen wird, sondern die Gesamtzahl der Arbeitsstunden und damit das Arbeitsvolumen des betroffenen Betriebsteils reduziert wird. Hierin liegt eine unbenannte Betriebsänderung i.S.v. § 111 S. 1 BetrVG.
Gleiches gilt für den Fall, dass Outsourcing im Sinne einer sog. "befristeten Entsendelösung" praktiziert wird. Diese hat die Gründung einer Tochtergesellschaft zum Inhalt, der die bisher schon mit der Aufgabe betrauten Arbeitnehmer befristet zur Verfügung gestellt werden, ohne dass sich an den äußeren Arbeitsbedingungen etwas ändert. Sollen die Arbeitnehmer nach Ablauf der befristeten Entsendung in anderen Betrieben weiterbeschäftigt werden, so liegt hierin ein verdeckter Austausch der Belegschaft und damit eine ungeschriebene Betriebsänderung. 62 Erwogen wird auch, die Erweiterung eines Betriebs hierunter zu subsumieren, sofern die Arbeitsbelastung für die in dem Betrieb Tätigen deutlich wächst. Dies hat im Zuge von Outsourcing-Maßnahmen Bedeutung für den aufnehmenden Betrieb. Folgt man dieser Auffassung, so ist der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes zu beteiligen. Überwiegend wird diese Ansicht jedoch- zu Recht- als zu weitgehend abgelehnt. Weiterführende Literatur: Matthes. NZA 2000, 1073; Neef, NZA 1994, 97; Moll, RdA 2003, 129; Lingemann, NZA2002, 934.
62 Näher Rüthers/Bakker, ZfA 1990,245 (332 ff.).
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Greiner, Outsourcing
4.
Rechtsfolgen
Eine Betriebsänderung löst Unterrichtungs-und Beratungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat aus. Vor allem jedoch muss er mit dem Betriebsrat über einen - freiwilligen - Interessenausgleich und/oder-erzwingbaren- Sozialplan verhandeln (§ 112 BetrVG).
Allgemeines Die Rechtsfolgen der Betriebsänderung sind hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrats in §§ 111 ff. BetrVG, vor allem § 112 BetrVG, geregelt. Führt die geplante Outsourcing-Maßnahme also zu einer Betriebsänderung, sind diese Regelungen maßgeblich. § 111 S. 1 BetrVG statuiert zunächst vorrangig, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat unter den bereits erörterten Voraussetzungen über geplante Betriebsänderungen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und diese mit dem Betriebsrat zu beraten hat.
Hinweis: Rechtzeitig ist die Unterrichtung, wenn der Betriebsrat noch die Möglichkeit hat, auf die Entscheidung Einfluss zu nehmen. Die Umsetzung der geplanten Outsourcing-Maßnahme darf also noch nicht begonnen haben. Eine bestimmte Form der Unterrichtung und Beratung ist nicht vorgeschrieben. Eine "umfassende" Unterrichtung ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn der Betriebsrat in die Lage versetzt wird, dem Arbeitgeber als gleichgewichtiger Verhandlungspartner gegenüberzutreten. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat also über Inhalt, Gründe und Auswirkungen des beabsichtigten Outsourcings möglichst umfassend in Kenntnis setzen. Satz 2 erlaubt es dem Betriebsrat zudem, in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern einen Berater zu den Beratungen hinzu zu ziehen. Der Kern der Beteiligungsrechte ist jedoch in § 112 BetrVG geregelt. Hier ergibt sich eine Zweiteilung zwischen Interessenausgleich und Sozialplan. Arbeitgeber und Betriebsrat können jedoch zeitgleich über beide verhandeln. Es existiert kein klares Vor- oder Nachrangigkeitsverhältnis, nur eine inhaltliche Trennung zwischen beiden Fonnen der Mitbestimmung.
Hinweis: Was Gegenstand eines Interessenausgleichs sein kann, kann nicht Inhalt eines Sozialplans sein. In der Praxis verschwimmen allerdings oft die 1044
Wirtschaftliche Mitbestimmung
Grenzen, so dass im Rahmen eines "Sozialplans" oftmals auch -freiwillige - Regelungen getroffen werden, die eigentlich einen Interessenausgleich darstellen. 63 Interessenausgleich Zunächst sollten Arbeitgeber und Betriebsrat versuchen, einen Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zu erzielen. Dieser ist allerdings freiwillig; der Betriebsrat kann ihn nicht erzwingen. Der Arbeitgeber kann sich einer solchen Lösung auch verweigern. Scheitern Verhandlungen über einen Interessenausgleich, muss der Arbeitgeber aber gleichwohl - im Wege erzwingbarer Mitbestimmung - über einen Sozialplan verhandeln. Der Interessenausgleich hat stets die geplante Betriebsänderung als solche zum Inhalt. Er kann einen Kompromiss beinhalten, der auf eine Einschränkung der geplanten Betriebsänderung abzielt. Er kann aber auch beinhalten, dass die Betriebsänderung ohne Abstriche wie vom Arbeitgeber geplant durchgeführt werden kann oder vollkommen unterbleibt. Als Form eines Interessenausgleichs bietet sich in der Regel eine freiwillige Betriebsvereinbarung an (§ 88 BetrVG). Das Gesetz sieht für den Interessenausgleich zwingend Schriftform vor(§ 112 S. I BetrVG). Trotz Interessenausgleichs bleibt der Arbeitgeber in seiner unternehmefischen Freiheit hinsichtlich der Durchführung der Betriebsänderung frei. Die Umsetzung des Interessenausgleichs kann der Betriebsrat nach Ansicht des BAG64 nicht erzwingen. Es handele sich nur um eine Naturalobligation, also um eine unvollkommene Verbindlichkeit, auf deren Erfüllung mangels rechtlicher Verbindlichkeit nicht geklagt werden könne. Hinweis: Folge der Nichtumsetzung eines Interessenausgleichs ist aber in jedem Fall, dass die betroffenen Arbeitnehmer den Arbeitgeber nach§ 113 BetrVG auf Zahlung einer Abfindung oder andere Ausgleichszahlungen in Anspruch nehmen können. Weiterführende Literatur: Roeder/Baeck, Interessenausgleich und Sozialplan, 3. Aufl.; Preis, Kollektivarbeitsrecht S. 697 ff.; Löwisch, RdA 1989, 216.
63 Vgl. BAG 17.9.1991 APNr. 59 zu§ 112 BetrVG 1972. 64 Vgl. BAG 28.8.1991 AP Nr. 2 zu§ 85 ArbGG 1979.
1045
Greiner, Outsourcing
Sozialplan Auch neben einem Interessenausgleich kann ein Sozialplan vereinbart werden. Im Gegensatz zum Interessenausgleich ist er erzwingbar (§ 122 Abs. 4 BetrVG). Inhaltlich bezieht er sich nicht auf die Betriebsänderung als solche, sondern soll nur wirtschaftliche Nachteile ausgleichen oder mildern, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen. Die Betriebsänderung kann also in diesem Fall, sofern nicht daneben ein einschränkender Interessenausgleich existiert, in der vom Arbeitgeber beabsichtigten Form durchgeführt werden. Regelmäßig sieht der Sozialplan Abfindungen oder Ausgleichszahlungen vor.
Hinweis: Es ergibt sich also eine strikte inhaltliche Trennung zwischen Interessenausgleich und Sozialplan: Der Interessenausgleich wirkt präventiv, soll das Entstehen von Nachteilen durch die Betriebsänderung verhindern, der Sozialplan wirkt hingegen kompensatorisch, soll also entstehende Nachteile mildern. Nach herrschender Meinung handelt es sich bei dem Sozialplan zwingend um eine Betriebsvereinbarung. 65 Er bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform(§ 112 Abs. 1 S. 1, 2 BetrVG). Die Betriebspartner sind weitgehend frei, welchen Inhalt sie der getroffenen Vereinbarung geben. 66 Sie müssen lediglich die Grenzen billigen Ermessens einhalten.
Hinweis: Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Arbeitnehme1; die anlässlich der Betriebsänderung durch die Outsourcing-Maßnahme selbst gekündigt oder auf eigene Initiative einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, andere zumutbare Arbeitsplätze ablehnen oder dem Betriebsübergang nach § 613a BGB widersprechen, von der durch den Sozialplan gewährten Abfindung ausgeschlossen werden können. Ebenso kann eine Minderung der Sozialplan-Leistungen gegenüber solchen Arbeitnehmern vereinbart werden. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet die Einigungsstelle verbindlich über die Aufstellung des Sozialplans. Ob dem Betriebsrat bis 65 BAG 8.11.1988 AP Nr. 48 zu§ 112 BetrVG 1972. 66 Vgl. BAG 5.10.2000APNr. 141 zu§ 112 BetrVG 1972.
1046
Sonstige Mitbestimmungsfragen
zum Spruch der Einigungsstelle ein Unterlassungsanspruch gegen die Umsetzung der beabsichtigten Outsourcing-Maßnahmen zusteht, ist umstritten. Das BAG bejaht dies nun für die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG) recht weitgehend. 67 In Teilen der Literatur werden die dort aufgestellten Grundsätze auch auf die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten ausgedehnt. Zutreffenderweise ist ein derartiger Unterlassungsanspruch jedoch abzulehnen. Für ihn finden sich im BetrVG keine Anhaltspunkte. Weiterführende Literatur: Preis, Kollektivarbeitsrecht S. 697 ff.; Balze/Rebel!Schuck, Outsourcing und Arbeitsrecht, 2. Aufl., Rn. 350 ff.
XIII. 1.
Sonstige Mitbestimmungsfragen Personelle und soziale Angelegenheiten
Bei Outsourcing-Maßnahmen sind die Mitbestimmungsrechte in personellen und sozialen Angelegenheiten, insbesondere gern. §§ 99, 102 BetrVG zu beachten.
Werden im Umfeld einer Outsourcing-Maßnahme personelle Änderungen, etwa Kündigungen, vorgenommen, ist der Betriebsrat nach Maßgabe der §§ 99 ff. BetrVG zu beteiligen. Hier ergeben sich keine Besonderheiten. Insbesondere muss der Betriebsrat gehört werden, wenn einem Arbeitnehmer infolge einer beabsichtigten Betriebsstilllegung oder sonst aus betriebsbedingten Gründen im Umfeld der Outsourcing-Maßnahme gekündigt werden soll, § 102 BetrVG. Der Betriebsrat kann der Kündigung aus den in § 102 Abs. 3 BetrVG genannten Gründen widersprechen. Werden im Zuge der Outsourcing-Maßnahme Arbeitnehmer des abgebenden Betriebes in den Betrieb übernommen, der die Tätigkeit künftig ausführt, kann hierin eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i.S.v. § 99 BetrVG liegen. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall den Betriebsrat rechtzeitig unterrichten, ihm Auskünfte über die beabsichtigte Maßnahme geben und seine Zustimmung einholen. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung aus den in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen verweigern. In Betracht kommt dann ein Zustimmungsersetzungsverfahren, das der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht anstrengen muss. Weiterführende Literatur: Plander, NZA 2000, 393 ff.
67 Vgl. BAG 3.5.1994 AP Nr. 23 zu§ 23 BetrVG 1972.
1047
Greiner, Outsourcing
2.
Neuwahl des Betriebsrats und Übergangsmandat
Nach einer Outsourcing-Maßnahme kann die Neuwahl des Betriebsrates erforderlich werden. Bei Betriebsspaltungen und -fusionen ist das Übergangsmandat (§ 21a BetrVG) zu beachten. Eine Outsourcing-Maßnahme kann auch dazu führen, dass die betroffenen Betriebe ihre Betriebsratsfähigkeit (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG) verlieren. Geht ein Betrieb vollständig auf einen neuen Inhaber über, so berührt dies die Amtsführung des bislang bestehenden Betriebsrats grundsätzlich nicht. Er bleibt im Amt, bis seine Amtszeit regulär endet (§ 21 BetrVG). Infolge einer Outsourcing-Maßnahme kann jedoch die Neuwahl des Betriebsrats sowohl in dem ausgegliederten Betrieb oder Betriebsteil als auch in dem abgebenden Betrieb und ggf. dem aufnehmenden Betrieb erforderlich werden. Voraussetzung ist gern. § 13 Abs. 2 BetrVG, dass die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer in dem dort angegebenen Umfang gestiegen oder gesunken ist.
Hinweis: Die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer muss also gern. § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG mit Ablaufvon 24 Monaten ab dem Tag der letzten regelmäßigen Betriebsratswahl um die Hälfte, mindestens aber um 50 Arbeitnehmer gestiegen oder gesunken sein. Zu beachten ist, dass gern. § 21a Abs. 1 BetrVG für einen abgespaltenenbetriebsratsfähigen - Betriebsteil der ursprünglich zuständige Betriebsrat zuständig bleibt, solange der abgespaltene Betriebsteil nicht einem anderen Betrieb mit Betriebsrat eingegliedert wurde. Diese fortwirkende Zuständigkeit wird als Übergangsmandat des Betriebsrats bezeichnet und soll vermeiden, dass für eine Übergangszeit kein zuständiger Betriebsrat existiert. Das Übergangsmandat endet, sobald in dem Betriebsteil ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekannt gegeben ist, spätestens jedoch sechs Monate nach Wirksamwerden der Spaltung(§ 21a Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann das Übergangsmandat um weitere sechs Monate verlängert werden. Ähnliches gilt, wenn Betriebe oder Betriebsteile zusammengelegt werden (§ 21a Abs. 2 BetrVG): Hier bleibt der Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebs oder Betriebsteils zuständig. Sinkt schließlich durch die Outsourcing-Maßnahme die Zahl der in der ausgelagerten oder der verbleibenden wirtschaftlichen Einheit beschäftigten
1048
Betriebliche Altersversorgung
Arbeitnehmer auf unter fünf, so endet dort die Betriebsratsfähigkeit (§ 1 Abs. 1 BetrVG) und damit auch die Amtszeit des bestehenden Betriebsrats. 3.
Unternehmensmitbestimmung
Hinsichtlich der Unternehmensmitbestimmung schreibt § 325 Abs. 1 UmwG in den von ihm erfassten Fällen den status quo für die Dauer von fünf Jahren fest, auch wenn nach der Outsourcing-Maßnahme die gesetzlichen Voraussetzungen an sich nicht mehr gegeben sind. Im Bereich der Unternehmensmitbestimmung ist § 325 Abs. 1 UmwG zu beachten: Sofern ein Outsourcing im Wege gesellschaftsrechtlicher Universalsukzession (Umwandlung) vorliegt und die Abspaltung in dem auslagemden Unternehmen zu einem Unterschreiten der Schwellenwerte von § 1 Abs. 1 S. 2 MitbestG, §§ 76 Abs. 6, 77 Abs. 1 BetrVG 1952 führt, statuiert die Vorschrift, dass hinsichtlich der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat die vor dem Outsourcing geltenden Regelungen noch für eine Dauer von fünf Jahren fortgelten. In dem auslagemden Unternehmen bleibt es also zunächst bei dem status quo der Unternehmensmitbestimmung. Eine Einschränkung besteht lediglich insofern, als die Mitbestimmung entfällt, wenn in dem betroffenen Unternehmen nur noch ein Viertel der durch den Schwellenwert markierten Arbeitnehmeranzahl erreicht wird (§ 325 Abs. 1 S. 2 UmwG). Ergänzend normiert § 325 Abs. 2 UmwG, dass eine Fortgeltung der Arbeitnehmerrechte hinsichtlich der Unternehmensmitbestimmung auch durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung vereinbart werden kann. Weiterführende Literatur: Balze/Rebel/Schuck, Outsourcing und Arbeitsrecht, 2. Aufl., Rn 652 ff.
XIV. Betriebliche Altersversorgung Im Rahmen eines Betriebsübergangs gehen auch Versorgungsanwartschaften der aktuell beschäftigten Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Altersversorgung auf den Übernehrocr über. Dabei handelt es sich um Individualansprüche, die § 613a Abs. 1 S. 1 BGB unterfallen. Mit den Arbeitsverhältnissen gehen im Rahmen von § 613a BGB auch die Versorgungsanwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung im Grundsatz auf den Übernehrocr über. Unerheblich ist, ob es sich um verfallbare oder bereits unverfallbare Anwartschaften handelt. Daneben
1049
Greiner, Outsourcing
kommt es ggf. zu einer gesamtschuldnerischen Haftung des abgebenden Betriebsinhabers, § 613a Abs. 2 BGB.
Hinweis: Versorgungsanwartschaflen können eine enorme, oft unterschätzte wirtschaftliche Belastung für einen Betriebsübernehmer darstellen. Existiert bei dem Übernehmer bereits ein eigenes Versorgungswerk, muss auch der bestehende Harmonisierungsbedarf bedacht werden, der zu erheblichen praktischen und rechtlichen Problemen führen kann. Zu beachten ist, dass vor dem Outsourcing entstandene Versorgungsanwartschaften Individualansprüche sind, die nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB übergehen. An ihnen ändert sich somit auch dann nichts, wenn in dem aufnehmenden Betrieb eine anderweitige betriebliche Altersversorgung existiert. Hinsichtlich erst künftig (nach dem Outsourcing) entstehender Anwartschaften gilt: Handelt es sich um eine betriebliche Altersversorgung, die durch Betriebsvereinbarung geregelt wird, so geht die Betriebsvereinbarung gern. § 613a Abs. 1 S. 3 BetrVG nur dann über, wenn in dem übernehmenden Betrieb keine entsprechende Regelung existiert. Besteht dort eine betriebliche Altersversorgung, so gilt für die Zukunft diese. Dies gilt selbst dann, wenn sie gegenüber der zuvor geltenden für die Arbeitnehmer nachteilig ist. Die entstehenden Nachteile können im Rahmen eines Interessenausgleichs oder Sozialplanes ausgeglichen werden.
Hinweis: Bei der Berechnung von Fristen, insbesondere hinsichtlich der Unverfallbarkeit, werden die Beschäftigungszeiten bei dem alten Arbeitgeber berücksichtigt. Sie werden mit der Dauer der Tätigkeit für den neuen Arbeitgeber addiert, die Dauer der Betriebszugehörigkeit durch den Inhaberwechsel also nicht unterbrochen. 68 Diese Folge tritt zwingend ein und kann nicht vertraglich abbedungen werden. Dieses System betrifft jedoch nur die Anwartschaften der im Zeitpunkt des Outsourcings noch beschäftigten Arbeitnehmer. Die Versorgungslasten der bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer (Renten und unverfailbare Anwartschaften) gehen hingegen nicht auf den Betriebserwerber über. 69 Deshalb richtet sich der gesetzliche Insolvenzschutz bezüglich der Alters68 Vgl. BAG 20.7.1993 EzANr. 110 zu§ 613a BGB. 69 Vgl. BAG 11.11.1986 AP Nr. 61 zu § 6!3a BGB Rechtsprechung.
1050
=
NZA 1987, 559, ständige
Aktienoptionen
versorgung insoweit allein nach der wirtschaftlichen Lage des Betriebsveräußerers, und zwar auch dann, wenn dieser keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt, also nicht mehr Arbeitgeber ist. Die wirtschaftliche Lage bei dem Übernehmer der ausgelagerten Tätigkeit spielt dafür keine Rolle. Bezüglich der Anpassung laufender Renten kann es zu einem Berechnungsdurchgriff in dem Sinne kommen, dass nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse des betroffenen Unternehmens, sondern auch die der Konzernmutter zu berücksichtigen sind. Dies wird vor allem relevant bei internem Outsourcing durch Gründung einer Tochtergesellschaft. Unter den durch das BAG aufgestellten Kriterien ist bzgl. der Rentenanpassung in dem verselbstständigten Betrieb die wirtschaftliche Situation der Konzernmutter zu berücksichtigen. 70 Weiterführende Literatur: Fuchs, Betriebliche Sozialleistungen beim Betriebsübergang, S. 119 ff.; Balze/Rebel/Schuck, Outsourcing und Arbeitsrecht, 2. Aufl., Rn. 664 ff.
XV.
Aktienoptionen
Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Gewährung von Aktienoptionen, so hängt das Schicksal dieses Anspruchs bei Betriebsübergängen entscheidend von der Vertragsgestaltung im Einzelfall ab. Ein stark diskutiertes Thema ist in letzter Zeit das Schicksal von Aktienoptions-Vereinbarungen bei Betriebsübergängen. Da Aktienoptionen als Vergütungsbestandteile mittlerweile weite Verbreitung gefunden haben, ist diese Frage auch von großer Praxisrelevanz. Das BAG hat nun mit seinem "Nokia"-Urteil71 klargestellt, dass Aktienoptionen, die der Arbeitnehmer mit einem anderen Unternehmen als seinem Arbeitgeber vereinbart hat, bei einem Betriebsübergang nicht von § 613a BGB erfasst werden; der Übernehmer tritt also in diese Verpflichtungen nicht ein. Dies gilt auch, wenn das dritte Unternehmen, das die Verpflichtung triffi, konzernrechtlich mit dem abgebenden Unternehmen verbunden, etwa die Konzernmutter ist. Davon zu unterscheiden ist jedoch der Fall, dass der Arbeitnehmer bereits aus seinem Arbeitsvertrag Anspruch auf die Gewährung von Optionen (auch eines anderen Unternehmens) hat. Da es sich hierbei um "normale" arbeitsvertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers handelt, wird mit dem Betriebsübergang der Übernehmer gern. § 613a Abs. 1 S.l BGB Schuldner dieser Verpflichtung. 70 BAG 4.10.1994APNr. 32 zu§ 16 BetrAVG ~ NZA 1995, 368. 71 BAG 12.2.2003 AP Nr. 243 zu§ 613a BGB ~ NZA2003, 487.
1051
Greiner, Outsourcing
Hinweis: Inwieweit sich der Übergang durch eine vertragliche Verfallklausel ausschließen lässt, ist sehr umstritten. Mit Blick auf den Schutzzweck des § 61 3a BGB dürfte eine Verfallklausel regelmäßig unwirksam sein. Insgesamt besteht im Problemfeld Outsourcing und Aktienoptionen erhebliche Rechtsunsicherheit. Im Einzelfall kann es durch den Betriebsübergang zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) kommen, wenn der Bestand des Arbeitsverhältnisses mit dem alten Arbeitgeber Geschäftsgrundlage der Optionsabrede geworden ist. Die Rechtsfolge ist dann auf Vertragsanpassung gerichtet. In Betracht kommt hier insbesondere die Umwandlung in einen Wertersatzanspruch des Arbeitnehmers in Höhe des jeweiligen Aktienkurses. Schließlich ist weiterhin ungeklärt, wie es sich verhält, wenn die Aktienoptions-Vereinbarung mit dem bisherigen Arbeitgeber nicht Gegenstand des Arbeitsvertrages, sondern einer separaten Vereinbarung ist. Dann kommt es darauf an, ob diese Ansprüche im Einzelfall als "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" i.S.v. § 613a BGB qualifiziert werden können. Weiterführende Literatur: Tappert, NZA 2002, 1188; Urban-Cell!Manger, NJW 2004, 125; v.Steinau-Steinrück, NZA 2003, 473; Lipinski!Melms, BB 2003, 150.
XVI. Outsourcing und Scheinselbstständigkeit Outsourcing darf zur Vermeidung von Haftungsrisiken nicht zu Scheinselbstständigkeit führen. Probleme kö1men sich ergeben, wenn eine Outsourcing-Maßnahme zu Scheinselbstständigkeit führt.
Beispiel: Der Transportunternehmer U möchte Teile seines Transportgewerbes umstrukturieren, um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Dazu bietet er den bisher bei ihm angestellten Frachtführern an, die von ihnen gefahrenen LKW zu übernehmen und ldinfiig als selbstständige Subunternehmerfür ihn tätig zu werden. Er gibt ihnen dabei die Fahrtstrecken sowie Beginn und Ende der täglichen Dienstzeit vor. Für andere Außraggeber dürfen sie nicht tätig werden. In dem Beispielfall führt die angestrebte Outsourcing-Maßnahme dazu, dass die bisherigen Arbeitnehmer ihre Tätigkeit zwar formell als selbstständige Subunternehmer, faktisch jedoch weiterhin abhängig beschäftigt
1052
Unfallversicherung
ausführen. Auch nach Aufhebung des § 7 Abs. 4 SGB IV a.F. stellt sich somit die Problematik der Scheinselbstständigkeit Von einem derartigen "Schein-Outsourcing" kann angesichts der drohenden Rechtsfolgen nur abgeraten werden.
XVII.
Unfallversicherung
Durch den Einsatz von Arbeitnehmern eines Fremdunternehmens an der eigenen Betriebsstätte kann es zur Vermischung von Haftungs- und Risikosphären kommen, die unfallversicherungsrechtliche Probleme nach sich ziehen kann. Probleme unfallversicherungsrechtlicher Art können entstehen, wenn Mitarbeiter einer Fremdfirma die ausgesourcten Aufgaben gemeinsam mit Mitarbeitern des ausgliedemden Betriebes, mit dessen Arbeitsmitteln oder in dessen Räumen ausführen. Im Grundsatz gehören Mitarbeiter der Fremdfirma unfallversicherungsrechtlich in deren Risikobereich. Ebenso verhält es sich mit materiellen Betriebsmitteln der Fremdfirma, etwa eingesetzten Maschinen. Werden jedoch Mitarbeiter einer Fremdfirma an der Betriebsstätte des auslagernden Unternehmens eingesetzt, kann es zu Überschneidungshereichen kommen, in denen keine klare Abgrenzung der Risiko- und Haftungssphären mehr möglich ist.
Hinweis: Um problematische Haftungssituationen zu vermeiden, bietet es sich an, eine solche Überlappung möglichst zu vermeiden. Soweit dies nicht möglich ist, muss der Auftraggeber auf die Einhaltung von Sicherheitsstandards höchsten Wert legen. Probleme können sich insofern· vor allem ergeben, wenn schlecht ausgebildete Arbeitnehmer der Fremdfirma an Maschinen des auslagemden Unternehmens tätig werden. Überprüfen hier die Mitarbeiter des auslagernden Unternehmens nicht das Vorliegen der erforderlichen Qualifikation, so handeln sie ggf. grob fahrlässig. Dann kommt sogar ein Regress des Sozialversicherungsträgers bei den Verantwortlichen in Betracht (vgl. § 111 S. 1 SGB VII). Eine Haftung des Auftraggeberuntemehmens ist vor allem dann möglich, wenn durch Führungskräfte dieses Unternehmens die Arbeitnehmer der Fremdfirma überwacht und angeleitet werden und es hierbei zu Fehlern kommt.
1053
Greiner, Outsourcing Hinweis: Hinzuweisen ist darauf, dass eine vertragliche Abhedingung der Haftungszuordnung nicht möglich ist, da es sich um sozialversicherungsrechtliche und damit öffentlich-rechtliche Vorschriften handelt. Möglich bleibt aber eine interne Freistellungsvereinbarung, nach der beispielsweise das auslagernde Unternehmen den Fremdanbieter im Falle einer Haftung in Regress nehmen kann. Weiterführende Literatur: Bauschke, NZA 2000, 1201 (1204 ff.).
XVIII.
Datenschutz
Soweit ein Unternehmen mit sensiblen Daten Dritter umgeht, kann sich bei Outsourcing-Vorhaben die Frage einer Vereinbarkeit mit Bestimmungen des Datenschutzrechts stellen. Zu beachten sind auch strafrechtliche Grenzen. Eine praktisch besonders bedeutsame Problematik von OutsourcingMaßnahmen liegt im Bereich des Datenschutzes. Gerade im öffentlichen Sektor stellen datenschutzrechtliche Bedenken oftmals das entscheidende Argument gegen eine Outsourcing-Maßnahme dar. Dies gilt aber im Grundsatz in allen Bereichen, in denen sensible Daten Dritter von einer Outsourcing-Maßnahme unmittelbar oder mittelbar betroffen sind. Beispielhaft gilt dies auch im Bereich der Banken und anderer Finanzdienstleister. Beispiel: Die Bank B möchte ihr Rechenzentrum, das bisher als eigene Abteilung geführt wurde, auf einen externen IT-Dienstleister auslagern. Zur Durchführung und Betreuung der Datenverarbeitungsprozesse ist es eiforderlich, den Mitarbeitern des externen Dienstleisters Zugriff' auf eine Vielzahl von Kundendaten zu ermöglichen. Beachtet werden müssen insbesondere strafrechtliche Grenzen, die dem Outsourcing im Wege stehen können. Zu nennen ist vor allem § 203 StGB, der das Offenbaren fremder Geheimnisse durch Amtsträger, Ärzte, Rechtsanwälte und andere Berufsgruppen unter Strafe stellt. Daneben sind die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zu beachten. Dort normiert § 11 Abs. 2 BDSG besondere Anforderungen, denen ein Privater, dem Daten zur Verfügung gestellt werden, genügen muss. Er ist unter besonderer Berücksichtigung der Eignung der von ihm getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen sorgfältig auszuwählen. Der Auftrag muss 1054
Datenschutz
schriftlich erteilt werden, wobei die Datenerhebung, -verarbeitung oder nutzung, die technischen und organisatorischen Maßnahmen und etwaige Unterauftragsverhältnisse festzulegen sind. Hinweis: Geeignete Lösungsansätze, um diese Problematik zu vermeiden, liegen •
in der Anonymisierung von Daten - dadurch kann bereits das Vorliegen "personenbezogener" Daten im Einzelfall vermieden werden;
•
in der Einwilligung des Betroffenen, die der Datenverarbeitung die Rechtswidrigkeit nimmt;
•
in einer organisatorisch-technischen Lösung, die eine "Übermittlung" (BDSG) bzw. eine "Offenbarung"(§ 203 StGB) der Daten ausschließt, indem sie in einer einheitlichen organisatorischen Einheit verbleiben.
Die letztgenannte Lösung unterliegt dabei einer gewissen Rechtsunsicherheit, da bislang keine gesicherte Rechtsprechung zu der Frage existiert, wie sich eine solche Organisationslösung im Einzelnen darstellen muss. Es ist daher - soweit möglich - zu einem Rückgriff auf die Lösungsmodelle 1 und 2 zu raten. Daneben existiert eine Vielzahl spezieller öffentlich-rechtlicher Regelungen, die Outsourcing im öffentlichen Bereich Schranken setzen. Zu nennen sind beispielhaft für die Finanzverwaltung Art. 108 GG, §§ 2, 20 FVG, § 30 AO sowie für die Sozialverwaltung § 80 Abs. 5 SGB X. Outsourcing-Modelle zu entwickeln, die diesen Vorgaben im öffentlichen Bereich Rechnung tragen, ist eine schwierige Aufgabe, die oftmals den durch Outsourcing angestrebten Rationalisierungseffekt konterkariert. Weiterführende Literatur: Mürthlein/Heck, Outsourcing und Datenschutz. Vertragsgestaltungen aus datenschutzrechtlicher Sicht; Bül/esbach/Rieß, NVwZ 1995, 444.
1055
Telearbeit Angie Genenger A. Grundlagen I. Begriff I. Definition 2. Vor- und Nachteile 3. Anforderungsprofile II. Entwicklung III. Arten I. Ausschließliche Telearbeit 2. Alternierende Telearbeit 3. Mobile Telearbeit 4. Telearbeit in Nachbarschafts- und Satellitenbüros
1058 1058 1058 1059 1061 1064 HXi6 1066 1067 1069 1070
B. Rechtsfragen I. Status des Telearbeiters 1. Arbeitnehmer 2. Heimarbeiter 3. Freier Mitarbeiter li. Implementierung III. Arbeitszeit 1. Dauer und Lage 2. Arbeitzeitschutz 3. Mehrarbeit 4. Zeiterfassung IV. Arbeitsmittel V. Arbeitsstätte VI. Zutrittsrecht zum häusIichen Telearbeitsplatz
1071 1071 1071 1075 1078 1081 1084 1084 1087 1088 1091 1W3 1094 1096
VII. Daten- und Informationsschutz
1099
VIII. Integration der Telearbeiter 1100 IX. Kosten 1101 I. Kostentragung 1101 2. Kostenerstattung 1103 X. Haftung 1105 I. Haftung des Telearbei1105 ters 2. Haftung Dritter 3. Haftung des Arbeitgebers
1110 1112
XI. Mitbestimmung I. Geltungsbereich des BetrVG
1114 1114
2. Informations-, Unterrichtungs- und Beratungsrechte
1117
3. Soziale Angelegenheiten 4. Personelle Angelegenheiten
1119 1121
5. Wirtschaftliche Angelegenheiten
1123
XII. Sozialrechtliche Auswirkungen
1125
I. Sozialversicherungsrecht 1125 2. Gesetzliche Unfallver1126 sicherung
Schrifttum: Bieter, Organisation von Telearbeit- Rechtliche und betriebswirtschaftliche Lösungen, 2001; Blanke/Schüren/Wank!Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Telcarbcit, 2002; Boemke, Das Tclearbeitsverhältnis, BB 2000, 147; Boemke./Ankersen, Telearbeit und Betriebsverfassung, RB 2000, 2254; Brand!, Telearheit, AiB 2004, 349; Col/ardin, Aktuelle Rechtsfragen der Telearbeit, 1995; Fenski, Außerbetriebliche Arbeitsverhältnisse, Heim- und Telearbeit, 1994; Gitter/Hermann/Lohmar, Telearbeit, 1985; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht-Heenen, 2. Auflage 2000, § 239; Kamp, Telearbeit - Analyse und Handlungsempfehlungen, Edition llans-ßöckler-Stiftung, Bd. 31, 2000; Kappus, Telearbeit de lege ferenda, NZA 1987, 408; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, 1986; Ki/ian/Borsum/Hoffmeister, Telearbeit und Arbeitsrecht - Ergebnisse
1057
Genenger, Telearbeit
eines Forschungsprojekts, NZA 1987, 401; Kramer, Gestaltung arbeitsvertraglicher Regelungen zur Telearbeit, DB 2000, 1329; Lenk, Telearbeit- Möglichkeiten und Grenzen einer telekommunikativen Dezentralisierung von betrieblichen Arbeitsplätzen, 1989; Peter, Kernfragen der Telearbeit, DB 1998, 573; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, IT T 20, 2002; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, in: Handbuch Multimedia-Recht, Rechtsfragen des elektronischen Geschäftsverkehrs, 2000; Prinz, Europäische Rahmenvereinbarung über Telearbeit, NZA 2002, 1268; Küttncr-Röller, Personalbuch 2004, II. Auflage 2004; Schaub, F1exibilisierung des Personaleinsatzes, BB 1998, 21 06; Schuppert, Zutrittsrechte zu Telearbeitsplätzen, 1997; Schwarzbach, Telearbeit gestalten, 2002; Simon!Kuhne, Arbeitsrechtliche Aspekte der Telearbeit, BB 1987, 201; Springer, Vertuelle Wanderarbeit, 2003; Wank, Telearbeit und Arbeitsrecht, AuA 1998, 192; ders., Te1earbeit, NZA 1999, 225; ders., Telearbeit, 2002; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, Gutachten, 1997; ders., Aktuelle Rechtsfragen der Telearbeit, NJW 1999, 527; ders., Telearbeit, 3. Auflage 2002.
A.
Grundlagen
I.
Begriff
1.
Definition
In Zeiten moderner werdender Telekommunikations- und Multimedia-
techniken ist es in vielen Branchen möglich geworden, bestimmte Arbeiten an außerbetrieblichen Arbeitsstätten ausfuhren zu können. Das Konzept einer solchen Arbeitsorganisation, einer telekommunikativ gestützten Außenarbeit, welche dem Beschäftigten die Ausübung seiner Tätigkeit an einem anderen Ort als der betrieblichen Arbeitsstätte, insbesondere am häuslichen Arbeitsplatz ermöglicht, wird vorrangig unter dem Schlagwort "Telearbeit" diskutiert. Obschon die Telearbeit einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat, fehlt es bislang- trotz zahlreicher Definitionsversuche --an einer allgemein anerkannten Definition dieser Organisationsform. Eine weitgehende Übereinstimmung besteht allerdings hinsiehtlieh der Kriterien, welche die Telearbeit kennzeichnen. Gemeinsamer Nenner der unterschiedlichen Definitionen der Telearbeit sind •
die (ausschließlich oder zeitweise) Arbeit an einem anderen Ort. als der betrieblichen Arbeitsstätte,
•
die Nutzung von Informations- und Telekommunikationstechniken an diesem dezentralen Arbeitsplatz und
1058
Begriff
•
die Vernetzung des dezentralen Arbeitsplatzes mit der betrieblichen Arbeitsstätte.
Auf Grundlage dieser Merkmale kann die Telearbeit definiert werden als eine Tätigkeit, welche - gestützt auf Telekommunikationstechnologien ausschließlich oder zeitweise an einem dezentralen Arbeitsplatz ausgeübt wird, der mit der betrieblichen Arbeitsstätte vernetzt ist. 2.
Vor- und Nachteile
Die Organisationsform Telearbeit kann sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Als Vorteil für den Telearbeiter steht die flexiblere Gestaltung seiner Arbeit im Vordergrund. Wird die Arbeit in der eigenen Wohnung ausgeübt, entfallen für den Telearbeiter zunächst Fahrtkosten und Fahrtzeit Insbesondere in strukturschwachen Gebieten wird so zum einen die Ausübung der Tätigkeit erleichtert, zum anderen die Chancengleichheit für nichtmobile, vor allem auch schwerbehinderte Erwerbstätige gefordert. Unter dem Gesichtspunkt der flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit ist zudem die dem Telearbeiter häufig eingeräumte Zeitsouveränität zu nennen, die Möglichkeit, unabhängig von der betrieblich vorgegebenen Lage der Arbeitszeit seine Tätigkeit auszuführen und eventuelle Ideen oder Vorschläge umzusetzen. Daneben ermöglicht die Arbeit an der häuslichen Arbeitsstätte eine bessere Koordination von beruflichen und privaten Anforderungen bzw. Interessen, insbesondere (den meist betroffenen Frauen) die Chance, Berufund Kindererziehung miteinander zu vereinbaren. Schließlich kann sich die Telearbeit positiv auf die Arbeitsmotivation des Erwerbstätigen auswirken: die autonome Ausführung seiner Arbeit kann zu einer erhöhten Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit bei der Aufgabenerfiillung, nicht zuletzt die Tätigkeit in der eigenen Wohnung zu einer gesteigerten Arbeitszufriedenheit führen. Die Tätigkeit von einem außerbetrieblichen Arbeitsplatz aus kann für den Telearbeiter allerdings ebenso von Nachteil sein. Gerade in den Fällen, in denen die Arbeit ausschließlich außerbetrieblich ausgeübt wird, besteht aufgrund fehlender Kontakte zum Betrieb und den dort tätigen Kollegen die Gefahr einer sozialen Isolation des Telearbeiters. Neben diesem Verlust der sozialen Kontakte ist der Verlust von betrieblichen Informationen, von Fort- und Weiterbildungsangeboten zu beftirchten, welche die Aufstiegs- und Karrierechancen des Beschäftigten beeinflussen.
1059
Genenger, Telearbeit
Ebenfalls kann die Arbeitsausübung am häuslichen Arbeitsplatz zu einer fehlenden Trennung von Beruf und Privatleben, zu einer Umgehung der Arbeitszeitschutzvorschriften und damit zur "Selbstausbeutung" des Telearbeiters führen. Dabei können sich nicht nur die - mit der Tätigkeit außerhalb festgelegter Arbeitszeiten häufig einhergehende - Ableistung von Überstunden, sondern auch die ggf. technisch und ergonomisch unzureichende Ausgestaltung der dezentralen Arbeitsstätte schädlich auf die Gesundheit des Telearbeiters auswirken. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die autonome Aufgabenerfüllung einerseits die Arbeitsmotivation und -zufriedenheit des Erwerbstätigen steigern kann, die Vermischung von beruflichen und privaten Anforderungen andererseits aber oft Auslöser für Konflikte im privaten Bereich, für eine durch den beruflichen Einfluss bedingte Beeinträchtigung von Familie und Freizeit ist. Für den Arbeitgeber bringt die Einführung von Telearbeit zahlreiche Vorteile mit sich, vonangig hinsichtlich einer flexiblen Arbeitsorganisation sowie einer Kostensenkung auf der einen und einer Effektivitätssteigerung auf der anderen Seite. Die Flexibilisierung der Arbeitsgestaltung zeigt sich insbesondere im Bereich der altemierenden und mobilen Telearbeit Hier ermöglicht die Organisationsform Telearbeit dem Arbeitgeber einen flexiblen, ggf. sogar dauerhaften Einsatz seiner Beschäftigten an bestimmten Orten, bei bestimmten Kunden, ohne dass hierbei zeitaufwändige und kostenträchtige Fahrten zwischen der betrieblichen Arbeitsstätte und dem jeweiligen Einsatzoft anfallen. Flexibellässt sich zudem die Arbeitszeit gestalten, besteht doch durch die Telearbeit die Möglichkeit, die Telearbeiter losgelöst von betrieblichen Einschränkungen an dem dezentralen Arbeitszeit nahezu "rund um die Uhr" zu beschäftigen, sei es in Form von Schichtarbeit, sei es in Form von Bereitschaftsdiensten oder Rufbereitschaft; Letzteres lässt es darüber hinaus zu, im Falle von betrieblichen Systemstörungen oder garausfallen die Aufgabenerfüllung auf die außerbetrieblich tätigen Telearbeiter zu verlagern. Der Aspekt der Kostensenkung zeigt sich zum einen in der Reduzierung der Fahrtzeiten der Telearbeiter, welche einer Reduzierung der ggf. von Arbeitgeberseite zu tragenden Fahrtkosten zur Folge hat. Zum anderen können mit der Dezentralisierung der Arbeitsplätze die Kosten für betriebliche Büroräume und -mittel, für Parkplätze und Dienstfahrzeuge, Sozialeimichtungen ctc. gesenkt werden.
1060
Begriff
Schließlich fOrdert die Einführung des modernen und innovativen Konzepts "Telearbeit" nicht nur die Attraktivität des betreffenden Unternehmens als Arbeitgeber, sondern begünstigt zudem eine effektive Arbeitsweise, welche eine erhöhte Arbeitsleistung seitens der Telearbeiter sowie eine erhöhte Produktivität und Umsatzleistung seitens des jeweiligen Unternehmens mit sich bringt. Den möglichen Vorteilen der Telearbeit stehen auch auf Arbeitgeberseite bestimmte Nachteile gegenüber. So werden durch die Auslagerung der Telearbeit freilich Kosten etwa bei der Anmietung und Ausstattung der betrieblichen Arbeitsplätze gespart, doch können stattdessen Kosten im Zusammenhang mit der (technischen) Ausgestaltung der dezentralen Arbeitsstätte anfallen. Daneben gewährleistet die Telearbeit zwar einen flexiblen zeitlichen und örtlichen Einsatz der Beschäftigten, doch entfällt mit der Auslagerung des Arbeitsplatzes und der damit einhergehenden selbstständigen Aufgabenerfüllung des Telearbeiters auch die Gewährleistung eines direkten/persönlichen Kontakts und einer ebensolchen Kontroll- und Überwachungsmöglichkeit von Seiten des Arbeitgebers. Abschließend sind die Anforderungen des Organisationskonzepts Telearbeit, welche für den Arbeitgeber neue Führungsaufgaben, für den Telearbeiter neue Arbeitsweisen, für beide Seiten jedenfalls einen Umgang mit (neuen) Informations- und Kommunikationstechnologien bedingen, nicht zu unterschätzen. Gerade bei der erstmaligen Einführung von Telearbeit können entsprechende Schulungen und Weiterbildungen der Vorgesetzten wie der Beschäftigten notwendig werden. 3.
Anforderungsprofile
Nicht jede Tätigkeit, nicht jeder Beschäftigte ist zur Durchführung von Telearbeit geeignet. Folglich müssen die auszulagernde Tätigkeit, der außerbetriebliche Arbeitsplatz und ebenso der betreffende Erwerbstätige einem bestimmten Anforderungsprofil entsprechen, welches als Grundvoraussetzung bzw. Rahmenbedingung des Organisationskonzeptes Telearbeit dient. Voraussetzung einer Einftihrung von Telearbeit ist demnach zum einen, dass die betreffenden Aufgabenbereiche für dieses Konzept geeignet sind. In der heutigen Zeit ist das Spektrum der "telearbeitsfähigen" Tätigkeiten groß. Zunächst ist jeder Betrieb, in dem die Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen ausgeführt wird, jede Tätigkeit, die zumindest die teilweise
1061
Genenger, Telearbeit
Nutzung von EDV-Systemen zur Aufgabenerfüllung verlangt, für die Einführung von Telearbeit geeignet. Grundlegende Voraussetzung ist daneben die Möglichkeit einer betrieblichen Auslagerung der Tätigkeit, die künftig im Wege der Telearbeit ausgeführt werden soll. Die dezentrale Ausübung einer Tätigkeit erfordert vor allem •
eine weitgehende Unabhängigkeit der Aufgabenerfüllung von der zentralen Betriebsstätte und ihrer Ressourcen;
•
einen orts- und zeitunabhängigen Aufgabenbereich;
•
die klare Umgrenzung des Aufgabenbereiches, damit etwa eine persönliche Absprache des Telearbeiters mit seinem Arbeitgeber und den Kollegen in der betrieblichen Arbeitsstätte nicht notwendig ist;
•
die Möglichkeit einer eigenständigen Aufgabenerfüllung seitens des Telearbeiters; in diesem Zusammenhang sind besonders solche Tätigkeiten geeignet, bei denen nicht der Arbeitsprozess, sondern das Arbeitsergebnis bzw. der Arbeitserfolg im Vordergrund stehen.
Zum anderen muss die außerbetriebliche Arbeitsstätte zur Ausübung der Tätigkeit durch den Telearbeiter geeignet sein. Es müssen daher •
überhaupt zweckentsprechende Räumlichkeiten außerhalb der Betriebsstätte vorhanden, insbesondere bei der Arbeit in der eigenen Wohnung eine hinreichende Trennung von beruflicher und privater/ familiärer Sphäre gewährleistet sein;
•
die Ausstattung und Vernetzung dieser Räumlichkeiten muss (kosten-)technisch durchfuhrbar sein;
•
daneben sind die Voraussetzungen des Datenschutzes und der Datensicherheit, des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit zu beachten, insbesondere muss bei der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes ergonomischen Anforderungen Rechnung getragen werden.
Nicht zuletzt stellt die Einführung von Telearbeit bestimmte Voraussetzungen an die persönliche und berufliche Eignung des Beschäftigten, der an einem dezentralen Arbeitsplatz tätig werden soll. Qualitäten, welchen der künftige Telearbeiter entsprechen sollte, sind neben der Fähigkeit zur autonomen Aufgabenerfüllung und Zeiteinteilung insbesondere: •
1062
die Qualifikation zur eigenständigen und eigenverantwortlichen Planung, Organisation und Durchführung der übertragenen Aufga-
Begriff
ben, ggf. bestimmte fachliche Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Informations- und Telekomrnunikationstechnologien; •
Selbstdisziplin, gerade im Bereich der ausschließlichen Telearbeit;
•
ein (hohes) Maß an Zuverlässigkeit, welches die Übertragung eines autonom zu bearbeitenden Aufgabenbereiches - ohne die Möglichkeit einer direkten bzw. persönlichen Kontrolle seitens des Vorgesetzten - rechtfertigt;
•
eine gewisse Belastbarkeit, bedingt insbesondere an der häuslichen Arbeitsstätte durch die notwendige Koordination und Abgrenzung von beruflichen und privaten/familiären Belangen.
Hinweis:
Vor Aufnahme der Tätigkeit kann sich eine Schulung oder Unterweisung der Beschäftigten (und ggf ebenso der Vorgesetzten) hinsichtlich der arbeitsschutzrechtlichen, technischen und ergonomischen Anforderungen der Telearbeit als ratsam erweisen. Klassische Anwendungsbereiche der Telearbeit, welchen den vorstehend genannten Anforderungen entsprechen, sind Tätigkeiten wie Daten- und Texterfassung, Programmierarbeiten sowie die Erstellung und Konstruktion von Hard- und Software. Neben diesen, üblicherweise in der Telekommunikations- und IT-Branche bestehenden Beschäftigungen, eignen sich ebenso Tätigkeiten im Serviceund Vertriebsbereich zur Einführung von Telearbeit Insbesondere im Außendienst, generell aber bei Beschäftigungen, die einen orts- und zeitnahen Einsatz bei Kunden oder Lieferanten erfordern, kann sich das Modell der mobilen Telearbeit bewähren. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240; Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 5 ff., 2 J ff., 82 ff.; Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 2 ff., 15 ff., 27 ff.; Boemke, BB 2000, 147 f.; Brand/, AiB 2004, 349; Col/ardin, Aktuelle Rechtsfragen der Telearbeit, S. 18 ff.; Dankai Plesterninks, Telearbeitsverträge, Rn. 2 ff.; Freudenreich/Klein/Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 9 f.; Kamp, Telearbeit - Analyse und Handlungsempfehlungen, S. 7 f., 13 ff; Kappus, Rechtsfragen der Telearbeit, S. 20 ff., 135 ff.; Kilian/Borsum/Hoffmeister, Forschungsbericht Telearbeit und Arbeitsrecht, S. 2 f., 56 ff.; dies., NZA 1987, 401; Küttner-Röller, Personalbuch 2004, Tclearbeit, Rn. I; Lenk, Telearbeit, S. 20 ff., 48 ff., 88 ff., 101 ff.; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Heenen, § 239 Rn. l; Peter, DB 1998, 573; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, Il T 20 Rn. I ff.; Schaub-Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 163 Rn. 53 f., 62 ff.; Schwarzbach, Telearbeit gestalten, S. 18 ff.; Springer, Virtuelle Wanderarbeit, S. 6 if.; Wank, Telearbeit, Rn. 13 ff.,
1063
Genenger, Telearbeit 82 ff.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 4 f.; ders., Telcarbeit, Rn. I ff., 19 f., 36 ff.
II.
Entwicklung
Die Entwicklung der Telearbeit begann in Deutschland in den achtziger Jahren des vergangeneu Jahrhunderts. Während der Begriff "Telearbeit" in der heutigen Zeit als Arbeitsorganisationsfarm einen großen Bekanntheitsgrad genießt, erwies sich die anfängliche Einführung von Telearbeit als langwierige Angelegenheit. Nicht nur die Neuartigkeit der Organisationsform an sich, sondern auch die technisch oft unzureichenden, komplizierten und kostenintensiven EDVund Telekommunikationseinrichtungen als tragende Voraussetzungen standen einer Verbreitung der Telearbeit entgegen. Hinzu kamen generelle Bedenken gegen die Telearbeit, welche sich zum einen auf die erforderlichen technischen Einrichtungen, zum anderen auf die Gefahr einer sozialen Isolation, geminderter Karrierechancen und fehlenden Kontrollmöglichkeit der Telearbeiter bezog. Erst in den neunziger Jahren des vergangeneu Jahrhunderts erlangte das Konzept der Telearbeit zunehmende Bedeutung. Erleichtert wurde die Einführung von Telearbeit dabei vor allem durch die mittlerweile technisch verbesserten, kostengünstigereD und in der Handhabung vereinfachten Telekommunikations- und Übertragungsmöglichkeiten. Ebenso führte die Durchftihrung dieser Organisationsform in größeren Unternehmen zu einer verbreiteten Akzeptanz der Telearbeit Eine gewisse Vorbildfunktion kommt in diesem Zusammenhang zum einen der 1991 veröilentlichten Betriebsvereinbarung über "außcrbctriebliche Arbeitsstätten" der IBM Deutschland GmbH sowie dem seit dem 1.1.1999 geltenden Tarifvertrag über Telearbeit bei der Deutschen Telekom AG (T-MobileY zu. Mittlerweile wird Telearbeit nicht nur in Unternehmen der IT- und Tclekommunikationsbranche, sondern ebenso im Versicherungs- und Bankenbcreich, in Automobilunternehmen oder der öffentlichen Verwaltung durchgeführt. Mit der zunehmenden Verbreitung dieser Organisationsform ist auch ihre Akzeptanz gestiegen. Im Rahmen der Studie "Deutschland Online" (2002) ergab eine Befragung über die Bereitschaft zur Telearbcit, dass über 60 % der Bürger in nicht geringem Maße zur Ausübung ihrer Arbeit an einem dezentralen Arbeitsplatz bereit wären. Abrufbar w1ter http://www.dpg.org/infogesellschaft.html ("Tarifverträge Telearbeit", rechte Spalte); abgedruckt in NZA 1998, 1214.
1064
Entwicklung Die Verbreitung der Telearbeit ist allerdings - im europäischen Vergleich -in Deutschland weiterhin zurückhaltend. Nach einer in zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) durchgeführten Erhebung der emperica GmbH 2 nahm im Jahre 1999 in den skandinavischen Ländern sowie den Niederlanden die Beschäftigung in Telearbeit einen Anteil von ca. I 0,5 bis 16,8% ein, während im seihen Jahr der Anteil der Telearbeiter in Deutschland bei ca. 6% lag (der Durchschnittswert der zehn EU-Mitgliedstaaten lag bei ca. 6, 1 %). Dieser Wert entsprach einer Einrichtung von etwa 2, I Millionen Telearbeitsplätzen in Deutschland. Der Anteil der Beschäftigten, die in mobiler und altemierender Telearbeit tätig sind, übersteigt dabei nach einer Erhebung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation (1997) deutlich denjenigen der Beschäftigten, die Telearbeit ausschließlich oder in Telecentren ausüben. Unter Zugrundelegung dieser Werte geht empirica in einer Projektionsberechnung aber davon aus, dass der Anteil der Telearbeiter unter den Beschäftigten in Deutschland bis zum Jahre 2005 auf etwa 13 %steigen wird, bei einem Durchschnittswert der berücksichtigten EU-Mitgliedstaaten von etwa II %.
Exkurs: Europäische Rahmenvereinbarung zur Telearbeit Im September 2001 hatten die europäischen Sozialpartner im Rahmen des sozialen Dialogs nach Art. 139 EG Verhandlungen über eine Rahmenvereinbarung zur Telearbeit aufgenommen. Hintergrund der Verhandlungen war zum einen die Aufforderung seitens des Europäischen Rates im Zusammenhang mit der europäischen Beschäftigungsstrategie, Vereinbarungen zur Modernisierung der Arbeitsorganisation und Flexibilisierung der Arbeitsgestaltung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität von Unternehmen zu schaffen. Zum anderen rief die Europäische Kommission die Sozialpartner im Rahmen der Modernisierung und Verbesserung der Arbeitsverhältnisse zur Aufnahme von Verhandlungen über Telearbeit auf. Als Ergebnis der Verhandlungen wurde im Juli 2002 von den europäischen Sozialpartnern die Rahmenvereinbarung über Telearbeit verabschiedet. Neben Empfehlungen zur Ausgestaltung der Telearbeit beinhaltet die Rahmenvereinbarung die maßgeblichen Sozial- und Schutzstandards, welche ein qualitativ vergleichbares Niveau bei der Ausübung von Telearbeit im Europäischen Wirtschaftsraum gewährleisten sollen. Insgesamt soll sichergestellt sein, dass den außerbetrieblich tätigen 2
http://www.empirica.com/aktuclles/madrid-pm I d.html.
1065
Genenger, Telearbeit
Telearbeitern ein Schutzniveau geboten wird, welches demjenigen in den betrieblichen Einrichtungen entspricht. An den Anfang der Rahmenvereinbarung gestellt ist eine Definition der Telearbeit Vergleichbar der allgemeinen Auslegung des Begriffs "Telearbeit" wird sie definiert als "eine Form der Organisation und/oder Ausführung von Arbeit unter Verwendung von Informationstechnologie im Rahmen eines Arbeitsvertrages/eines Beschäftigungsverhältnisses, bei der die Arbeit, die auch in den Einrichtungen des Arbeitgebers ausgeführt werden könnte, regelmäßig außerhalb dieser Einrichtungen verrichtet wird". Neben der Festlegung von Definition und Anwendungsbereich der Telearbeit behandelt die Rahmenvereinbarung unter anderem Fragen der Beschäftigungsbedingungen, des Daten- und Gesundheitsschutzes sowie der Haftung, Kostentragung und Arbeitsorganisation. Die von den europäischen Sozialpartnern vorgelegte Rahmenvereinbarung stellt eine freiwillige Vereinbarung dar, welche einen gewissen arbeitsschutz- und sozialrechtlichen europäischen Standard für Telearbeit sicherstellen soll. Die Umsetzung der Rahmenvereinbarung erfolgt von den Mitgliedern der europäischen Sozialpartner auf nationaler Ebene entsprechend den einzelstaatlichen Verfahren und Gepflogenheiten (vgl. Art. 139 Abs. 2 EG). Weiterführende Literatur: Blanke!Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 2 Rn. 15 ff.; Boemke, BB 2000, 147; Brand/, AiB 2004, 349, 351 f.; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 5 Rn. 176 f.; Kamp, Telearbeit - Analyse und Handlungsempfehlungen, S. 7; Kappus, Rechtsfragen der Telearbeit, S. 32 ff.; ders., NZA 1987, 408; Kilian!Borsum!Ho.ffmeister, Forschungsbericht Telearbeit und Arbeitsrecht, S. 35 ff.; Lenk, Tclearbeit, S. 31 ff.; Peter, Dß 1998, 573; Preis, Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 3 ff.; Prinz, NZA 2002, 1268; Schuppert, Zutrittsrechte zu Telearbeitsplät:ten, S. 11 ff.; Simun!Kulzne, BB 1987, 201; Wank, Telearbeit, Rn. 82 ff.; Wcdde, Telearbeit, Rn. 21 ff. Zur europäischen Rahmenvereinbarung über Telearbeit siehe Prinz, RdA 2002, 1268 fT.; Abdruck der Rahmenvereinbanmg in RdA 2003, 55 sowie abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/employment_social/news/2002/oct/teleworking._agreement_de. pdf.
111.
Arten
1.
Ausschließliche Telearbeit
Bei der ausschließlichen Telearbeit erbringt der Beschäftigte seine Arbeitsleistung nur an einem dezentralen Arbeitsplatz, sei es in der eigenen Wohnung ("Teleheimarbeit"), sei es an einer anderen außerhalb des Betriebes gelegenen Arbeitsstätte. 1066
Arten
Dem Beschäftigten steht bei dieser Form der Telearbeit kein Arbeitsplatz mehr in der Betriebsstätte des Arbeitgebers zur Verfügung. Es entfallen damit nicht nur vollständig die Kosten für die Einrichtung eines betrieblichen Arbeitsplatzes, die Fahrtkosten und -zeiten, sondern ebenso jeder persönliche bzw. direkte Kontakt zwischen dem Telearbeiter und seinem Arbeitgeber bzw. seinen Kollegen (deswegen auch isolierte Telearbeit genannt). Die Kommunikation mit dem Arbeitgeber und den im Betrieb Beschäftigten findet daher allein oder zumindest überwiegend über den Austausch mit Hilfe der Telekommunikationsmedien statt. Diese Art der Telearbeit eignet sich mithin vorrangig nur für solche Aufgabenbereiche, bei denen der Beschäftigte nicht auf einen (ständigen) persönlichen Kontakt, auf Absprachen mit dem Arbeitgeber und den Kollegen oder auf einen zentralen Arbeitsplatz im Betrieb angewiesen ist. Abstellend auf die Arbeitstätigkeit kommt die ausschließliche Telearbeit demnach vor allem im Bereich von Texterfassungs- und Programmierungsarbeiten in Betracht. Abstellend auf die Telearbeiter werden insbesondere diejenigen Personen die "Teleheimarbeit" bevorzugen, die permanent an ihre Wohnung gebunden sind, etwa aufgrund der Erziehung von (Klein-)Kindern oder auch aufgrund einer Behinderung, welche die Anwesenheit an einem betrieblichen Arbeitsplatz erschwert oder gar unmöglich macht. Die Verbreitung dieser Form der Telearbeit ist jedoch weiterhin sehr gering. Nach einer Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation waren im Jahre 1997 von insgesamt 875.000 Telearbeitern lediglich 22.000 (ca. 2,51 %) in "Teleheimarbeit" beschäftigt. Es ist nicht zu erwarten, dass der Anteil der ausschließlich in Telearbeit Beschäftigten in den nächsten Jahren steigen wird. Weiterführende Literatur: Bieler, Organisation von Telcarbeit, Rn. 68 ff.; ßlanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 7 f.; Boemke, BB 2000, 147; Collardin, Aktuelle Rechtsfragen der Telearbcit, S. 19; Kamp, TelearbeitAnalyse und llandlungsempfehlungen, S. 5; Kramer, DB 2000, 1329; Lenk, Telearbeit, S. 28 f.; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Heenen, § 239 Rn. 2, 9; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 9; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 14 ff.; Schwarzbach, Telearbeit gestalten, S. 15; Simun!Kuhne, BB 1987, 201; Wank, Telearbeit, Rn. 202 ff., 240 tf.; Wedde, Telearbeit, Rn. 6 f.
2.
Alternierende Telearbeit
Im Gegensatz zur ausschließlichen Telearbeit findet die alternierende Telearbeit sowohl an einer außerbetrieblichen Arbeitsstätte (meist der eige-
1067
Genenger, Telearbeit
nen Wohnung des Telearbeiters) als auch am betrieblichen Arbeitsplatz statt. Der Telearbeiter behält mithin seinen Arbeitsplatz in der Betriebsstätte seines Arbeitgebers, unabhängig davon, dass er seine Aufgaben teilweise an der dezentralen Arbeitsstätte erfüllt. Die Kosten für die Einrichtung und Ausstattung eines betrieblichen Arbeitsplatzes können folglich ebenso wie die Fahrtkosten und Fahrtzeiten nicht oder nur in geringerem Maße als bei der "Teleheimarbeit" gespart werden. Vorteil der altemierenden Telearbeit ist demgegenüber, dass der Telearbeiter in den betrieblichen Ablauf, die betrieblichen Informations-, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten eingebunden bleibt und überdies den persönlichen und direkten Kontakt zu seinem Arbeitgeber und seinen Kollegen nicht vollkommen aufgrund der Telearbeit verliert. Die alternierende Telearbeit wird als die flexibelste Art der Organisationsform Telearbeit eingestuft werden können. Die Aufteilung der Tätigkeiten des Telearbeiters an der betrieblichen und außerbetrieblichen Arbeitsstätte lässt sich individuell und den Bedürfnissen des Betriebes sowie der aktuellen Auftragslage anpassen. Diese Flexibilität sowie die Verhinderung einer sozialen Isolation des Telearbeiters dürften dazu beigetragen haben, dass - nach der mobilen Telearbeit- der größte Anteil der Telearbeiter in der Form der altemierenden Telearbeit beschäftigt ist. Von den nach einer Erhebung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (1997) 875.000 Telearbeitern waren 350.000, mithin 40 % in alternierender Telearbeit tätig. Von einer weitergehend hohen Verbreitung der altemierenden Telearbeit kann auch zukünftig ausgegangen werden, zumal in den privatwirtschatllichen Unternehmen und auch in der öffentlichen Verwaltung bei der Durchfuhrung von Telearbeit überwiegend das Modell der altemierenden Telearbeit gewählt wird. 3 Weiterführende Literatur: Bieter, Organisation von Tclcarbeit, Rn. 75 f.; Blanke/Schürcn/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 9 f.; Boemke, I3B 2000, 147; Kamp, Telearbeit -Analyse und Handlungsempfehlungen, S. 5; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Heenen, § 239 Rn. 2, 12; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 10 f.; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 17 f; Schwarzbach, Telearbeit gestalten, S. 15; Wank, Telearbcit, Rn. 73 ff.; ders., NZA 1999, 225, 230, 239; Wedde, Tclearbeit, Rn. 8 f
3
Vgl. etwa Anlage I zum Tarifvertrag über Telearbeit bei der Deutschen Telekom AG (T-Mobile), abrufbar unter http://www.dpg.org/infogesellscbaft.html ("Tarifverträge Telearbeit", rechte Spalte), abgedruckt in NZA 1998, 1246.
1068
Arten
3.
Mobile Telearbeit
Das Modell der mobilen Telearbeit ähnelt demjenigen der alternierenden Telearbeit. Ebenso wie bei der altemierenden Telearbeit erbringt der "mobile" Telearbeiter seine Arbeitsleistung zu einem Teil an der betrieblichen Arbeitsstätte. Der andere Teil der Arbeitsleistung erfolgt demgegenüber nicht - wie bei der altemierenden Telearbeit - in der eigenen Wohnung oder an einem bestimmten anderen außerbetrieblichen Arbeitsplatz, sondern wird an verschiedenen, wechselnden Orten außerhalb der Betriebsstätte erbracht. Bei dieser Form der Telearbeit behält der Telearbeiter demnach seinen betrieblichen Arbeitsplatz, die Kosten fiir die entsprechende Anmietung und Büroausstattung bleiben dem Arbeitgeber nicht erspart. Der in Telearbeit Beschäftigte bleibt dafiir in den Ablauf des Betriebes eingebunden, die Gefahr seiner sozialen Isolation und der fehlenden Kenntnis von betrieblichen Informationen, Fort- und Weiterbildungsangeboten besteht nicht in gleichem Maße wie bei der ausschließlichen Telearbeit Der Einsatz an verschiedenen Orten außerhalb der Betriebsstätte ermöglicht dem Arbeitgeber einen flexiblen, geographisch unabhängigen Einsatz des Telearbeiters, abgestimmt auf die aktuellen Bedürfnisse des jeweiligen Betriebes oder Unternehmens. Das Modell der mobilen Telearbeit wird daher vorrangig bei Außendiensttätigkeiten, wie z.B. bei Handelsvertretern oder Journalisten Anwendung finden, bei denen es einen räumlich engen und - aufgrund des Wegfalls häufiger Fahrten zwischen der betrieblichen Arbeitsstätte und dem jeweiligen Einsatzort - zeitnahen Kontakt zu den betreffenden Kunden oder Lieferanten ermöglicht, und zwar (gestützt auf moderne und mobile Kommunikationstechniken) unter Aufrechterhaltung des Kontaktes zur Betriebsstätte des Arbeitgebers. Die dargestellten Vorteile können die Verbreitung der mobilen Telearbeit erklären. Der größte Anteil der Telearbeiter war - und wird es voraussichtlich auch künftig sein - in Form der mobilen Telearbeit beschäftigt. Von den im Jahre 1997 etwa 875.000 Telearbeitern waren- so eine Studie des Fraunhofer Instituts ftir Arbeitswirtschaft und Organisationetwa 500.000, also knapp 60 % "mobile" Telearbeiter. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1242; Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 65 ff.; Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 11 f.; Boemke, BB 2000, 147; Collardin, Aktuelle Rechtsfragen der Telearbeit, S. 21; Kamp, Telearbeit-Analyse und Handlungsempfehlungen, S. 5; Kramer, DB 2000, 1329; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Heenen, § 239 Rn. 2, 12; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, li T 20 Rn. 15; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 20;
1069
Genenger, Telearbeit Simon/Kuhne, BB 1987, 201; Schwarzbach, Telearbeit gestalten, S. 16; Wank, Telearbeit, Rn. 76 ff.; ders., NZA 1999,225,230, 233; Wedde, Telearbeit, Rn. 10 ff.
4.
Telearbeit in Nachbarschafts- und Satellitenbüros
Die Ausübung von Telearbeit kann in Telecentren, genauer in Nachbarschafts- und Satellitenbüros erfolgen. Kennzeichnend für beide Arbeitsformen ist die Aufgabenerfüllung durch die Telearbeiter von einer außerbetrieblichen, in Wohnortnähe der Beschäftigten gelegenen gemeinsamen Arbeitsstätte aus. Bei der Tätigkeit in Nachbarschaftsbüros werden den Telearbeitern Arbeitsplätze außerhalb des Betriebes zur Verfügung gestellt. Die Bereitstellung geeigneter Arbeitsräume kann in dieser Organisationsform sowohl seitens des Arbeitgebers, seitens der Telearbeiter, aber auch seitens eines Dritten erfolgen, der die Vermietung entsprechender Räumlichkeiten anbietet. Bei den Erwerbstätigen innerhalb eines Nachbarschaftsbüros muss es sich nicht um Telearbeiter desselben Betriebes handeln; vielmehr können die Mitarbeiter verschiedener Unternehmen gemeinsam die Ausstattung, Struktur und Wohnortnähe der Satellitenbüros nutzen. Erfolgt die Tätigkeit in Satellitenbüros, so werden den Telearbeitern ebenfalls Räumlichkeiten außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte bereitgestellt. Im Gegensatz zu den Nachbarschaftsbüros handelt es sich bei den Satellitenbüros um Büros des Unternehmens, dem die Telearbeiter angehören. Die Büros werden mithin vom Arbeitgeber betrieben und seinen Beschäftigten zur Verfügung gestellt. Die Satellitenbüros können daher als "Filialen" oder "Zweigstellen" angesehen werden, womit die Aufgabenerfüllung in den Satellitenbüros gleichsam eine Repräsentation des jeweiligen Unternehmens darstellt. Zur Abgrenzung der Telearbeit in Nachbarschaftsbüros einerseits, in Satellitenbüros andererseits ist demnach darauf abzustellen, ob die Tätigkeit in gemeinschaftlichen Büros verschiedener Unternehmen (Nachbarschaftsbüros) oder in ausgelagerten Büros eines Unternehmens (Satcllitenbüros) ausgeübt wird. Die Telearbeit in Telecentren betrifft den geringsten Anteil der Telearbeiter. Waren im Jahre 1997 nach einer Erhebung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation insgesamt 875.000 Erwerbstätige in Telearbeit beschäftigt, so gab es unter ihnen lediglich 3.500 in Nachbarschafts- oder Satellitenbüros tätige Telearbeiter, was einen Anteil von 0,4 % aller Telearbeiter bedeutet. Eine Steigung des Anteils der in die-
1070
Status des Telearbeiters
ser Form der Telearbeit Beschäftigten dürfte auch in naher Zukunft nicht zu erwarten sein. Weiterführende Literatur: Bieter, Organisation von Telearbeit, Rn. 71 ff.; Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 13 f.; Boemke, BB 2000, 147; Collardin, Aktuelle Rechtsfragen der Telearbeit, S. 21; Lenk, Telearbeit, S. 28; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Heenen, § 239 Rn. 2, 9; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, li T 20 Rn. 12 ff.; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 19; Simon/ Kuhne, BB 1987, 201; Schwarzbach, Telearbeit gestalten, S. 16; Wank, Telearbeit, Rn. 60 ff.; Wedde, Telearbeit, Rn. 14 ff.
B.
Rechtsfragen
I.
Status des Telearbeiters
1.
Arbeitnehmer
Der Status des Arbeitnehmers ist grundsätzliche Voraussetzung für das Eingreifen der Regelungen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Die Einstufung des Telearbeiters als Arbeitnehmer ist davon abhängig, inwieweit er von dem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, in welchem Umfang er dessen Weisungs- und Direktionsrecht unterliegt und in die betriebliche Organisation eingegliedert ist.
Allgemeines Die Aufgabenerfüllung im Rahmen von Telearbeit wirft die Frage nach dem Status des Telearbeiters auf; der Begriff "Telearbeit" beschreibt allein die Tätigkeitsform, trifft jedoch keine Aussage über das dieser Tätigkeit zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Insbesondere eine Einordnung als Arbeitnehmer hätte weitreichende Konsequenzen im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts. Nicht nur die Regelungen des Arbeitsrechts, vor allem die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften des Arbeitszeit-, Entgeltfortzahlungs-, Bundesurlaubs- oder des Kündigungsschutzgesetzes, sondern etwa auch die Verteilung des Haftungsrisikos im Schadensfalle setzen die Arbeitnehmereigenschaft des Telearbeiters voraus.
Hinweis: Zu beachten ist, dass es bei der Feststellung des arbeitsrechtlichen Status nicht entscheidend auf die vertragliche Einordnung und Bezeichnung des
1071
Genenger, Telearbeit
Beschäftigten, sondern auf die tatsächliche Durchfiihrung des Vertragsverhältnisses ankommt. 4 Eine gesetzliche Definition des "Arbeitnehmers" existiert nicht. Nach allgemeiner, der Rechtsprechung des BAG5 und der h.L. 6 zugrunde liegender Definition, die mangels einer speziellen gesetzlichen Regelung der Telearbeit zur Feststellung des Status des Beschäftigten herangezogen werden kann, ist Arbeitnehmer, wer auf Grund eines privatrechtliehen Vertrages zur (entgeltlichen) Leistung von Arbeit im Dienste eines anderen verpflichtet ist. Entscheidender Maßstab zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und (selbstständigen) freien Mitarbeitern ist dabei die in § 84 Abs. 1 S. 2 HGB getroffene Wertentscheidung, wonach selbstständig ist, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und die Arbeitszeit frei bestimmen kann. Tragendes Kriterium für die Beurteilung der Unselbstständigkeit, der Arbeitnehmereigenschaft eines Beschäftigten ist mithin seine persönliche Abhängigkeit. Diese äußert sich zum einen in der Weisungsgebundenheit des Erwerbstätigen, der bei der Arbeitserbringung in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist. Zum anderen findet die persönliche Abhängigkeit ihre Bestätigung in der Eingliederung des Beschäftigten in die betriebliche Arbeitsorganisation, in seiner Angewiesenheit insbesondere auf die materiellen Ressourcen des Arbeitgebers (vgl. die Abgrenzung "Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter" im Text "Freie Mitarbeit"). Im Gegensatz zum Merkmal der persönlichen Abhängigkeit zeichnet die wirtschaftliche Abhängigkeit einen Beschäftigten nicht ohne weiteres als Arbeitnehmer aus. Sollte der Telearbeiter von seinem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig sein, kann er - bei zusätzlichem Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit - zwar als Arbeitnehmer angesehen werden. Bei alleinigem Vorliegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit ist jedoch ebenso
4 5
6
BAG 3.4.1990APNr. 11 zu§ 2 HAG; BAG 22.3.1995AP Nr. 21 zu§ 5ArbGG 1979. St. Rspr., vgl. BAG 8.6.1967 AP Nr. 6 zu§ 611 BGB Abhängigkeit; BAG 15.3.1978 AP Nr. 26 zu§ 611 BGB Abhängigkeit; BAG 26.7.1995 AP Nr. 79 zu§ 611 BGB Abhängigkeit. Grundlegend Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band I, § 9 II; vgl. nur Hanau!Adomeit, Rn. 534; Lieb, § I I; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Richardi, § 24 Rn. 12; Preis, Arbeitsrecht- Individua1arbeitsrecht, § 8 I; Schaub-Schaub, § 8 I I; Zöllner/Loritz, § 4 IV.
1072
Status des Telearbeiters
seine Einordnung als Heimarbeiter oder als arbeitnehmerähnlicher freier Mitarbeiter denkbar.
Hinweis: Abweichend von der allgemeinen Definition ist nach Wank7 das Kriterium des Unternehmerrisikos, also das Risiko, keine Aufträge zu erhalten und dementsprechend kein Einkommen zu erzielen, wesentlich für die Abgrenzung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern. Die fehlende Belastung mit dem Unternehmerrisiko spreche for die Arbeitnehmereigenschafl. Die typischerweise mit der Telearbeit einhergehende (ausschließliche oder teilweise) Tätigkeitsausübung von einem außerbetrieblichen Arbeitsplatz aus, steht der Einstufung des Telearbeiters als Arbeitnehmer nicht entgegen; die räumliche Ausgliederung und Unabhängigkeit bedingt nicht per se eine persönliche Weisungsfreiheit und Ungebundenheit des Telearbeiters. Je größer aber der Umfang der außerhalb der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeiten ist, desto gewichtiger müssen die für eine persönliche Abhängigkeit des Telearbeiters sprechenden Indizien sein. Insbesondere im Bereich der ausschließlichen Telearbeit, bei der jedenfalls die räumliche Eingliederung in die betriebliche Organisation gänzlich aufgehoben ist, kommt der Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit des Telearbeiters und der damit zusammenhängenden Frage seiner statusrechtlichen Einordnung entscheidende Bedeutung zu.
Kriterien Auf die Weisungsgebundenheit des Telearbeiters, auf seine persönliche Abhängigkeit, mithin auf seine Arbeitnehmereigenschaft deuten insbesondere folgende Kriterien hin:
7
•
der Telearbeiter kann seine Arbeitszeit nicht frei bestimmen, sei es, dass er denselben Arbeitszeiten wie die im Betrieb beschäftigten Kollegen unterliegt, sei es, dass er anderweitig festgelegte Arbeitszeiten zur Erfiillung seiner Aufgaben vorgeschrieben bekommt;
•
die inhaltliche Ausübung und der Umfang der Tätigkeit hat nach bestimmten, von dem Arbeitgeber festgelegten Richtlinien zu erfolgen oder der Telearbeiter hat vorgegebene Software zu verwenden;
•
im Bereich der mobilen Telearbeit sind dem Telearbeiter Ort, Zeit und Ausführung der außerbetrieblichen Kontakte im Wesentlichen vorgegeben.
Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 122 ff.
1073
Genenger, Telearbeit In gleicher Weise können folgende Indizien für die Eingliederung des Telearbeiters in die betriebliche Organisation und damit letztlich für seine Einstufung als Arbeitnehmer sprechen
•
der Telearbeiter unterliegt nicht nur an seinem betrieblichen, sondern auch an seinem außerbetrieblichen Arbeitsplatz der Kontrolle bzw. Überwachung des Arbeitgebers;
•
eine regelmäßige Darlegung bzw. Berichterstattung bezüglich der Aufgabenerfüllung ist vorgesehen;
•
der Telearbeiter ist in die Organisations- und Dienstpläne des Betriebes einbezogen bzw. seine ständige Dienstbereitschaft wird erwartet;
•
ungeachtet der (teilweise) außerbetrieblichen Aufgabenerfüllung ist der Telearbeiter auf die betrieblichen Ressourcen und Arbeitsmittel angewiesen;
•
Tätigkeiten, die der vom Telearbeiter außerbetrieblich erbrachten weitgehend entsprechen, werden im betrieblichen Bereich von Arbeitnehmern erbracht.
Sofern die persönliche Abhängigkeit des Telearbeiters seine räumliche Unabhängigkeit vom betrieblichen Arbeitsplatz in den Hintergrund treten lässt, kann dies für seine erhöhte Schutzbedürftigkeit und folglich für seine Einordnung als Arbeitnehmer sprechen. Beispiel:
Telearbeiter, die sich von den in der Betriebsstätte beschäftigten Arbeitnehmern ausschließlich dadurch unterscheiden, dass sie vergleichbare Tätigkeiten (teilweise oder ausschließlich) von einer dezentralen Arbeitsstätte aus erbringen, werden als Arbeitnehmer einzustufen sein. insbesondere im Bereich von Texter:fassungs- und anderen Schreibarbeiten kann das die Telearbeit charakterisierende Kriterium der räumlichen Ausgliederung nicht allein die Eigenscha:ft eines Telearbeiters als Arbeitnehmer entfallen lassen. Ebenso ist regelmäßig von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, wenn zwischen dem Telearbeiter und seinem Vorgesetzten eine ständige OnlineVerbindung besteht, der Telearbeiter durch den notwendigen Zugriff auf die zentralen Rechnersysteme in die betriebliche Arbeitsorganisation eingebunden ist. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1241; Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 131 ff.; Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsfor-
1074
Status des Telearbeiters men, Teil 3 Rn. 37 ff., 43 ff.; Boemke, BB 2000, 147, 148 ff.; Fenski, Außerbetriebliche Arbeitsverhältnisse, Heim- und Telearbeit, S. 129 ff.; Kappus, Rechtsfragen der Telearbeit, S. 68 ff.; Kilian/Borsum/Hoffmeister, Forschungsbericht Telearbeit und Arbeitsrecht, S. 79 ff.; dies., NZA 1987, 401, 404 f.; Lenk, Telearbeit, S. 158 ff.; Peter, DB 1998, 573; PreisPreis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 16 ff.; ders., Arbeitsrecht- Individualarbeitsrecht, § 8; ders., Rechtsfragen der Te1earbeit, Rn. 21 ff.; Simon/Kuhne, BB 1987, 201, 202 f.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 7 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 83 ff., 92 ff.
2.
Heimarbeiter
Der Telearbeiter ist als Heimarbeiter einzustufen, wenn er zwar nicht persönlich, dafür aber wirtschaftlich vom Auftraggeber abhängig ist. Seine Arbeitsleistung erfolgt in diesen Fällen auf Grundlage eines Dienst- oder Werkvertrags. Abzugrenzen ist die Telearbeit auf Grundlage eines Arbeitsvertrags von der Telearbeit, welcher ein Dienst- oder Werkvertrag zugrunde liegt. In diesen Fällen kommt insbesondere eine Bewertung des Telearbeiters als Heimarbeiter in Betracht. Gerade am Anfang ihrer Entwicklung wurde die Telearbeit häufig als Heimarbeit im Sinne des Heimarbeitsgesetzes (HAG) eingeordnet. Vor allem bedingt durch die fehlende Eingliederung in die betriebliche Arbeitsorganisation, wurde die Arbeitnehmereigenschaft des Telearbeiters verneint und die Vorschriften des HAG angewandt.
Hinweis: Mittlerweile wird aus dem Umstand, dass der Telearbeiter seine Arbeitsleistung in der eigenen Wohnung erbringt, nicht mehr automatisch gefolgert, dass es sich deshalb um Heimarbeit im Sinne des HAG handelt. Vielmehr scheint nun die Erbringung der Telearbeit auf Grundlage eines Arbeitsverhältnisses der Regelfall zu sein. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 HAG sind diejenigen Erwerbstätigen als Heimarbeiter anzusehen, die in selbstgewählter Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder Betriebsstätte) allein oder mit Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistem arbeiten.
Hinweis: Ebenso wie bei der Feststellung des arbeitsrechtlichen Status kommt es bei der Einordnung des Telearbeiters als in Heimarbeit Beschäftigtem im Sinne des HAG nicht auf die vertragliche Bezeichnung des Telearbeiters, sondern auf die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses an.
1075
Genenger, Telearbeit
Bezeichnend für den Status eines Heimarbeiters ist nicht seine persönliche, sondern seine wirtschaftliche Abhängigkeit. Im Gegensatz zum (Außen-)Arbeitnehmer unterliegt er in zeitlicher, örtlicher ("in selbstgewählter Arbeitsstätte") und fachlicher Hinsicht nicht dem Direktionsrecht des Auftraggebers. Insbesondere muss der Arbeitsplatz, an dem er seine Tätigkeit erbringt, nicht nur räumlich, sondern auch tatsächlich von der Arbeitsstätte des Auftraggebers getrennt sein; der Arbeitsplatz des Heimarbeiters ist damit der Kontrolle des Auftraggebers entzogen. In Abgrenzung zu einem Selbstständigen ist der Heimarbeiter demgegenüber in wirtschaftlicher Hinsicht an seinen Auftraggeber gebunden ("im Auftrag von ... "); er trägt kein kaufmännisches Risiko und tritt nicht selbst nach außen am Markt in Erscheinung. Aus diesem Grunde ist der Heimarbeiter zwar auf der einen Seite aufgrund persönlicher Unabhängigkeit einem Selbstständigen ähnlich, bedarf aber auf der anderen Seite aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit eines vergleichbaren Schutzes wie ein Arbeitnehmer. Für die Einordnung eines Telearbeiters als Heimarbeiter im Sinne des HAG sprechen demnach insbesondere: •
die zeitliche, örtliche und fachliche Weisungsunabhängigkeit des Telearbeiters;
•
die räumliche und - mangels eines Kontrollrechts - tatsächliche Trennung des Arbeitsplatzes des Telearbeiters von der Arbeitsstätte des Auftraggebers;
•
die eigenständige Auswahl und Unterhaltung der Arbeitsstätte;
•
die Erbringung der Tätigkeit mit Hilfe von Familienangehörigen.
Beispiel:
Telearbeiter, die für einen Auftraggeber spezielle Software von einer selbstgewählten Arbeitsstätte aus entwickeln, werden diese Tätigkeit im Wesentlichen selbstbestimmt und damit regelmäßig als Heimarbeiter im Sinne des HAG ausüben. Beschäftigte, welche in Form der alternierenden oder mobilen Telearbeit ihre Arbeitsleistung nicht ausschließlich an einer (außerbetrieblichen) selbstgewählten Arbeitsstätte erbringen, werden dagegen nicht als Heimarbeiter anzusehen sein.
1076
Status des Telearbeiters
Hinweis: Da Grundlage eines Heimarbeitsverhältnisses nicht ein Arbeitsvertrag ist, finden die Regelungen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts keine direkte Anwendung auf die Heimarbeiter. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit sind sie aber einem Arbeitnehmer ähnlich schutzbedürftig, weswegen einige arbeitsrechtliche Gesetze Heimarbeiter ausdrücklich in ihren Schutzbereich einbeziehen, vgl. etwa §§ 1 Abs. 1, 11 EFZG, § 12 BUrlG Problem: Qualifikation der Tätigkeit
Teilweise 8 wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass nur einfache Arbeiten, nicht aber qualifizierte Angestelltentätigkeiten dem Begriff des Heimarbeiters im Sinne des § 2 HAG unterfallen. Letztere seien nicht in dem Maße sozial schutzbedürftig, dass die Anwendung des HAG gerechtfertigt wäre. Zudem habe sich der Heimarbeiter nicht, wie der Arbeitnehmer, zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet, sondern könne bei der Aufgabenerfüllung auch Familienangehörige hinzuziehen. Diese Übertragbarkeit als Ausnahme zu § 613 BGB beruhe darauf, dass in Heimarbeit einfache Arbeit vergeben werde. Demgegenüber wird eine nach der Qualifikation der Tätigkeit differenzierende Anwendung des HAG von der nunmehr überwiegenden Ansicht in der Literatur9 abgelehnt. Unabhängig von der Schwierigkeit einer Abgrenzung von "einfachen" und "qualifizierten" Tätigkeiten, ergibt sich eine beschränkte Anwendbarkeit des HAG weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus Sinn und Zweck des HAG. Solange der einzelne Erwerbstätige wirtschaftlich von dem oder den Auftraggeber(n) abhängig ist und auch die sonstigen Voraussetzungen der Heimarbeit vorliegen, ist nicht ohne weiteres ersichtlich, warum allein die Qualifikation der Tätigkeit seiner sozialen Schutzbedürftigkeit und der Einordnung als Heimarbeiter entgegenstehen sollte. Nach letzterer Ansicht ist es demnach für die statusrechtliche Einstufung eines Telearbeiters regelmäßig irrelevant, ob er an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte (einfache) Texterfassungs- und Schreibarbeiten tätigt oder (qualifiziertere) Arbeiten, etwa selbstständige Erstellung von Programmen und Software, ausführt; sind die übrigen Anforderungen des § 2 HAG 8 9
Küttner-Röller, Telcarbeit, Rn. 8; Maus/Schmidt, HAG, § 2 Rn. 63 ff. Albrecht, NZA 1996, 1240, 1241; Kappus, Rechtsfragen der Telearbeit, S. 247; Kilian/ Borsum/Hojfmeister, NZA 1987, 401, 404; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 25; Simon/Kuhne, BB 1987,201, 203; Wedde, Telearbeit, Rn. 201.
1077
Genenger, Telearbeit
erfüllt, ist von einer qualifikationsunabhängigen Anwendung des HAG auf alle Beschäftigten auszugehen. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1241; Bieler, Organisation von Te1earbeit, Rn. 134; Fenski, Außerbetriebliche Arbeitsverhältnisse, Heim- und Te1earbeit, S. 131 ff.; Gitter/Herrmann/Lolunar, Telearbeit, S. 28 ff.; Kappus, Rechtsfragen der Telearbeit, S. 146 ff.; Kilian/Borsum!Hoffmeister, Forschungsbericht Telearbeit und Arbeitsrecht, S. 118 ff.; dies., NZA 1987, 401, 404 f.; Lenk, Telearbeit, S. 162 ff.; Peter, DB 1998, 573, 575; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 24 f.; ders., Rechtsfragen der Te1earbeit, Rn. 43 ff.; Simon!Kuhne, BB 1987, 201, 203 f.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 29 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 190 ff.
3.
Freier Mitarbeiter
Ist der Telearbeiter bei der Gestaltung seiner Arbeit und der Verwertung seiner Arbeitskraft im Wesentlichen frei, wird sein Status regelmäßig der eines freien Mitarbeiters sein. Im Hinblick auf das Vorliegen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit ist der Telearbeiter entweder als arbeitnehmerähnlicher oder als selbstständiger freier Mitarbeiter zu qualifizieren.
Allgemeines Die Ausübung der Telearbeit kann sowohl auf Grundlage eines Arbeitsverhältnisses, eines Heimarbeitsverhältnisses als auch unter Zugrundelegung eines Dienstvertrages als freier Mitarbeiter erfolgen. Eine gesetzliche Definition des Begriffes der "freien Mitarbeit" existiert bislang nicht. Jedoch liegen bestimmte Kriterien vor, nach denen die Qualifikation eines Beschäftigten als freier Mitarbeiter erfolgen kann. Kennzeichnend für den Status eines freien Mitarbeiters ist seine persönliche Unabhängigkeit. Der freie Mitarbeiter ist - in Anlehnung an die in § 84 Abs. 1 S. 2 HGB getroffene Wertung der Selbstständigkeit - in der Gestaltung seiner Arbeitsbedingungen im Wesentlichen frei und so weder in zeitlicher, örtlicher noch fachlicher Hinsicht dem Direktionsrecht eines Dritten unterworfen. Seine persönliche Selbstständigkeit äußert sich zudem in der fehlenden Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation. Tragendes Kriterium für die Abgrenzung zu einem Arbeitnehmer ist damit die persönliche Unabhängigkeit des freien Mitarbeiters (vgl. dazu die Abgrenzung "Arbeitnehmer und freie Mitarbeit" im Text "Freie Mitarbeit"). Im Gegensatz zu einem in Heimarbeit Beschäftigten im Sinne des HAG ist der freie Mitarbeiter nicht zwingend außerhalb der Arbeitsstätte des Auftrag-
1078
Status des Telearbeiters
gebers beschäftigt. Insbesondere die Ausübung der Tätigkeit in Form der alternierenden Telearbeit steht folglich der Einordnung eines Telearbeiters als freier Mitarbeiter nicht entgegen.
Selbstständiger freier Mitarbeiter Im Regelfall sind freie Mitarbeiter Selbstständige. Sie sind nicht nur persönlich, sondern ebenfalls wirtschaftlich unabhängig. Dementsprechend können sie nicht nur im Wesentlichen ihre Arbeit in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht frei und selbstbestimmt gestalten (vgl. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB), sondern darüber hinaus eigenverantwortlich über die Verwendung ihrer Arbeitskraft am Markt disponieren. Kennzeichen der wirtschaftlichen Unabhängigkeit eines freien Mitarbeiters ist daher vor allem, dass er ein kaufmännisches Risiko trägt: auf der einen Seite hat er die Möglichkeit, seine Arbeitskraft gewinnbringend zu verwenden, auf der anderen Seite besteht für ihn die Gefahr, dass sich aufgrund der Marktlage seine Einkommenschancen nicht verwirklichen. Seine persönliche Unabhängigkeit unterstellt, wird ein Telearbeiter grundsätzlich den Status eines selbstständigen freien Mitarbeiters innehaben, wenn er •
über die Verwertung seiner Arbeitskraft frei disponieren kann;
•
die Ausübung seiner Tätigkeit an der Auftragslage und den Notwendigkeiten des freien Marktes orientiert;
•
überwiegend für mehrere Auftraggeber tätig wird.
Beispiel: Regelmäßig als selbstständige freie Mitarbeiter zu qualifizieren sind Telearbeiter, z.B. Programmierer oder andere EDV-Spezialisten, die eigene Technik- und Kommunikationsmittel besitzen und ihre Arbeitsleistung in wechselndem Umfang verschiedenen Unternehmen anbieten bzw. einzelne Aufträge verschiedener Firmen annehmen. Hinweis: Selbstständige sind aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit nicht einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig Die Vorschriften des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts finden daher auf sie keine Anwendung.
1079
Genenger, Telearbeit
Arbeitnehmerähnlicher freier Mitarbeiter
Ein freier Mitarbeiter kann allerdings auch als arbeitnehmerähnliche Person eingeordnet werden. Liegt seine Unabhängigkeit zwar in persönlicher, nicht aber in wirtschaftlicher Hinsicht vor, so ist er einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig, wenn die übrigen Voraussetzungen einer Qualifikation als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 12a TVG gegeben sind. Hinweis: Der Status einer arbeitnehmerähnlichen Person hat grundsätzlich nicht die Anwendung des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts zur Folge. Die anwendbaren Rechtsvorschriften richten sich vielmehr nach dem Vertragstyp, welcher dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegt, im vorliegenden Falle mithin grundsätzlich nach dem Dienstvertragsrecht, §§ 611 jJ. BGB. Auf die arbeitnehmerähnlichen Personen sind daher vor allem nicht die (speziellen) Kündigungsschutzvorschriften anwendbar, vgl. § 2 ArbPZSchG, § 9 MuSchG sowie§§ 85 jJ. SGB IX Demgegenüber unterfallen die arbeitnebmerähnlichen Personen aber gemäß § 5 Abs. I S. 2 ArbGG der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Darüber hinaus ist in bestimmten Fällen die Anwendung arbeitsschutzrechtlicher Normen auf arbeitnehmerähnliche Personen ausdrücklich normiert, etwa im Bereich des Bundesurlaubsgesetzes (§ 2 S. 2 BUr!G) sowie des Arbeitsschutz- und Beschäftigtenschutzgesetzes (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbSchG, § I Abs. 2 BeschSchG).
Folgende Kriterien können bei einem Telearbeiter auf die Qualifikation als arbeitnehmerähnlicher freier Mitarbeiter, besonders auf seine wirtschaftliche Abhängigkeit hinweisen: •
der Beschäftigte ist in zeitlicher und fachlicher Hinsicht autonom, er unterliegt weder festgelegten Arbeitszeiten noch etwaigen fremdbestimmten Vorgaben bei der Ausübung seiner Tätigkeit (Abgrenzung zum Arbeitnehmer);
•
die Ausübung der Telearbeit erfolgt nicht ausschließlich an einer selbstgewählten Arbeitsstätte, sondern auch im Betrieb des Auftraggebers (Abgrenzung zur Heimarbeit);
•
der Telearbeiter erfüllt seine Aufgaben weitgehend ohne die Hilfe weiterer Personen;
1080
Implementierung
•
der Beschäftigte übt die Tätigkeit grundsätzlich nur für einen Auftraggeber aus und verfügt über keine anderweitigen Einnahmen bzw. Einkommenschancen, die seine Existenz sichern.
Hinweis:
Soweit nichts anderes angegeben ist, beziehen sich die nachfolgenden Rechtsfragen auf die Telearbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1241 f.; Blanke/Schüren/ Wank/ Wedde, Teil 3 Rn. 78 ff.; Danko/Plesterninks, Telearbeitsverträge, Rn. 13 ff.; Kilian/ Borsum/Hoffmeister, Forschungsbericht Telearbeit und Arbeitsrecht, S. 164 ff.; Lenk, Telearbeit, S. 166 ff.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 26 f.; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 40 ff., 52 ff.; ders., Arbeitsrecht- Individualarbeitsrecht, § 8 f.; Simon!Kuhne, BB 1987, 201, 204; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 43 ff.
II.
Implementierung
Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers in Telearbeit bedarf einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung. Gegen den Willen des Arbeitnehmers kann die Abänderung seines Arbeitsverhältnisses in ein Telearbeitsverhältnis nicht erfolgen. Bei fehlender einvernehmlicher Vertragsänderung muss eine Änderungskündigung erfolgen. Vergleichbare Maßstäbe gelten im Falle einer ausschließlichen Beendigung der Telearbeit unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen. Einführung von Telearbeit Bei einer Einstellung neuer Arbeitnehmer bestehen bezüglich der Telearbeit keine Besonderheiten. Die Neueinstellung von Telearbeitern unterliegt den gleichen gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Regelungen wie eine Einstellung im Rahmen eines herkömmlichen Beschäftigungsverhältnisses. Besonderheiten gilt es zu beachten, sofern bereits bestehende Arbeitsverhältnisse in Telearbeitsverhältnisse umgewandelt werden sollen. Mit der Einführung von Telearbeit geht eine Änderung des bisherigen Arbeitsverhältnisses einher. Neben der Umstellung auf die Bildschirmarbeit hat die Telearbeit typischerweise eine teilweise oder vollständige Auslagerung des Arbeitsplatzes zur Folge (s. zur Nachweispflicht des Arbeitgebers bezüglich des Arbeitsortes § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NachwG). Dem Arbeitgeber ist eine Änderung der Arbeitsbedingungen in einem bestehenden Arbeitsverhältnis nur innerhalb seines Direktionsrechts mög1081
Genenger, Telearbeit
lieh. Die Aufnahme der Telearbeit auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz stellt jedoch in der Regel eine Versetzung dar, welche nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst ist. Selbst wenn der betreffende Arbeitsvertrag eine Klausel erhält, nach welcher der Arbeitgeber zu einer Versetzung des Arbeitnehmers befugt ist, berechtigt ihn dies jedoch nicht dazu, die Ausübung von Telearbeit von der Wohnung des Arbeitnehmers aus zu verlangen. Der grundrechtliche Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und seine mittelbare Einwirkung auf das Arbeitsverhältnis über die §§ 854 ff., 242 BGB steht dem Verlangen des Arbeitgebers zur Einrichtung eines häuslichen Arbeitsplatzes entgegen.
Hinweis: Soll der Telearbeiter die Arbeit an einer anderen außerbetrieblichen Arbeitsstätte als dem häuslichen Arbeitsplatz erbringen, etwa in einem Nachbarschafts- oder Satellitenbüro, so kann der Arbeitgeber diese Versetzung auf Grundlage einer entsprechenden vertraglichen Klausel vornehmen. Die Umgestaltung eines Arbeitsverhältnisses in ein Telearbeitsverhältnis kann folglich generell nur auf freiwilliger Basis zustande kommen. Ist der Arbeitnehmer mit der Einführung der Telearbeit einverstanden, so bedarf es lediglich einer Zusatzvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag, welche die mit der Telearbeit einhergehenden Änderungen zum Gegenstand hat, jedenfalls soweit sie nicht ohnehin vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst sind. Hierzu zählen etwa •
Änderungen der Arbeitszeit, besonders eine durch die Telearbeit bedingte flexiblere Arbeitszeitgestaltung;
•
Kostentragung und -erstattung;
•
Aufteilung der Haftung;
•
Zugang zur häuslichen Arbeitsstätte.
Kommt ein Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer nicht zustande, weigert dieser sich vielmehr, künftig in Form der Telearbeit tätig zu werden, kann der Arbeitgeber die Einführung von Telearbeit nicht auf vertraglicher Basis gegen den Willen des Arbeitnehmers durchsetzen. Sofern einzelne Arbeitsbedingungen im Rahmen der Telearbeit nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers oder einer entsprechenden Klausel im Arbeitsvertrag umfasst sind, muss er eine Änderungskündigung im Sinne von § 2 KSchG aussprechen. Diesbezüglich gelten im Rahmen der Telearbeit keine Besonderheiten, so dass es dem betreffenden Arbeitnehmer offen steht, die ge-
1082
Implementierung
änderten Arbeitsbedingung zu akzeptieren, sie abzulehnen (und unter den allgemeinen Voraussetzungen Kündigungsschutzklage zu erheben, §§ 2, 1 Abs. 2 und 3 KSchG) oder unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung(§ 1 Abs. 2 und 3 KSchG) anzunehmen.
Hinweis: Initiiert der Arbeitnehmer die Aufnahme von Telearbeit, so kann dies generell nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber durch eine entsprechende Vertragsänderung eifolgen. Eine gegen den Willen des Arbeitgebers eifolgte Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in ein Telearbeitsverhältnis kann allenfalls in Betracht kommen, wenn die Weigerung des Arbeitgebers, auch den betreffenden Arbeitnehmer in Telearbeit zu beschäftigen, einen Verstoß gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz darstellt. Problem: Betriebsbedingte Kündigung Dem Arbeitgeber könnte neben der Änderungskündigung ebenfalls das Recht zustehen, gestützt auf die Umwandlung der Arbeitsverhältnisse in Telearbeitsverhältnisse betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, wenn sich die Arbeitnehmer etwa weigern, die Telearbeit vom häuslichen Arbeitsplatz auszuüben. Liegen die Voraussetzungen einer Anwendbarkeit des KSchG vor, setzt die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung ihre soziale Rechtfertigung voraus (vgl. § I Abs. 2 und 3 KSchG). Eine solche kann im Zusammenhang mit der Einführung von Telearbeit allenfalls bei einer vollständigen organisatorischen Umgestaltung des betreffenden Betriebes anzunehmen sein, die in der Sache den bisherigen Betrieb entfallen lässt. Abgesehen davon wird eine betriebsbedingte Beendigungskündigung grundsätzlich sozial ungerechtfertigt sein, sofern der betreffende Beschäftigungsbedarf unverändert bleibt, die Telearbeit auch künftig in Form eines Arbeitsverhältnisses vergeben werden soll und ihre Ausübung weiterhin vom Unternehmerischen Zweck des Arbeitgebers umfasst ist. In diesen Fällen stellt die betriebsbedingte Änderungskündigung im Allgemeinen ein milderes Mittel dar, welches zur Unzulässigkeit der Beendigungskündigung führt.
Rückkehr auf alten Arbeitsplatz Im Rahmen der Beendigung der Telearbeit unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen gelten vergleichbare Maßstäbe wie bei der Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in Telearbeitsverhältnisse. 1083
Genenger, Telearbeit
In erster Linie ist em Konsens zwischen dem Arbeitgeber und dem Telearbeiter zu suchen. Sie können einvernehmlich durch eine entsprechende vertragliche Regelung die Rückkehr des Telearbeiters auf seinen alten Arbeitsplatz vereinbaren. In diesem Zusammenhang kann es sich empfehlen, bereits in der vertraglichen Vereinbarung betreffend die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Telearbeitsverhältnis eine entsprechende Regelung bezüglich der Beendigung von Telearbeit und der Rückkehr auf den alten Arbeitsplatz festzulegen.
Weigert sich der Telearbeiter, seine bis zur Einführung der Telearbeit ausgeübte Arbeit an seinem alten Arbeitsplatz wieder aufzunehmen, wird es dem· Arbeitgeber in der Regel durch Ausübung seines Direktionsrechts nicht möglich sein, dem betreffenden Beschäftigten seinen bisherigen Arbeitsplatz wieder zuzuweisen. Denn gerade wenn der Telearbeiter seine Arbeit in Form der ausschließlichen Telearbeit allein von einem häuslichen Arbeitsplatz ausübte, kann die Rückkehr an die betriebliche Arbeitsstätte eine Versetzung darstellen. In diesem Falle empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, bei der EinfUhrung von Telearbeit in den vertraglichen Vereinbarungen entweder eine Versetzungsklausel oder ein Widerrufsrecht bezüglich der ausschließlichen Beendigung der Telearbeit unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen festzulegen. Weiterführende Literatur: Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 93 ff.; Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 98 ff., 167 ff.; Danko/Plesterninks, Telearbeitsverträge, Rn. 22 ff.; Kilian/Borsum/Ho.ffmeister, Forschungsbericht Telearbeit und Arbeitsrecht, S. 247 ff., 267 ff.; dies., NZA 1987, 401, 406; Kramer, DB 2000, 1329; Peter, DB 1998, 573, 574 f.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 30; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. ll6 ff.; Schaub, BB 1998, 2106, 2108 f.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Tclcarbeit, S. 70 ff., 114 ff.; ders., NJW 1999, 527, 530.
111.
Arbeitszeit
1.
Dauer und Lage
Die Vertragsparteien haben bei der Ausgestaltung der Telearbeit Dauer und Lage der Arbeitszeit zu vereinbaren. Im Unterschied zur Dauer der Arbeitszeit kann die Gestaltung der Arbeitszeitlage vollständig oder teilweise dem Telearbeiter überlassen werden. Bei der Einführung von Telearbeit müssen die Vertragsparteien Absprachen über die Dauer und Lage der Arbeitszeit treffen. Vor allem die Dauer der Arbeitszeit bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung. Da der Umfang der Vergütung des Telearbeiters regelmäßig
1084
Arbeitszeit
durch den Umfang seiner Arbeitszeit bedingt ist, müssen die Parteien das vom Telearbeiter zu erbringende Arbeitszeitvolumen festlegen, etwa in Form einer bestimmten Wochen-, Monats- oder Jahresarbeitszeit Ebenso bedarf es einer Absprache zwischen den Vertragsparteien über die Lage der Arbeitszeit, über die Frage, wann der Telearbeiter seine Leistung zu erbringen hat. Bei der Gestaltung der Arbeitszeitlage müssen die unterschiedlichen Interessen des Auftraggebers einerseits, des Telearbeiters andererseits Berücksichtigung finden. Während der Auftraggeber ein Interesse daran haben wird, zu festgelegten Zeiten auf die Arbeitsleistung des Telearbeiters zugreifen zu können (betriebsbestimmte Arbeitszeit), wird dieser eine weitgehend frei bestimmte Einteilung seiner Arbeitszeiten wünschen (selbstbestimmte Arbeitszeit). Eine Vereinbarung fester Arbeitszeiten würde zwar nicht unzulässig sein, doch wird die freie Gestaltung der Arbeitszeit gerade als eines der typischen bzw. positiven Merkmale der Telearbeit angesehen. Inwieweit eine konkrete Festlegung der Arbeitszeitlage erfolgt, hängt davon ab, in welcher Form die Telearbeit ausgeübt wird. Bei der ausschließlichen Telearbeit ist es möglich sein, dem Beschäftigten eine weitgehend freie Gestaltung seiner Arbeitszeit einzuräumen. Der Telearbeiter wird in diesen Fällen allein außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte tätig, so dass - vor allem bei Vorgabe eines bestimmten Arbeitsvolumens und -ergebnisses - grundsätzlich keine Notwendigkeit besteht, ihn der Vorgabe eines festgesetzten Arbeitszeitrahmens oder den betriebsüblichen Arbeitszeiten zu unterwerfen. Im Rahmen der alternierenden Telearbeit ist eine Vereinbarung über die Arbeitszeitlage in zweifacher Weise erforderlich. Neben der Lage der Arbeitszeit als solcher sollte eine Absprache darüber getroffen werden, in welchem Umfang die Arbeitsleistung in bzw. außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte erfolgen soll. Während die Einteilung der Arbeitszeit außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte überwiegend dem Telearbeiter überlassen werden kann, empfiehlt sich jedoch aus organisatorischen Gründen eine konkrete Vereinbarung, an welchen Tagen die Arbeitsleistung im Betrieb bzw. an dem dezentralen Arbeitsplatz zu erbringen ist.
Hinweis:
Gerade im Falle der alternierenden Telearbeit kann es für den Arbeitgeber vorteilhaft sein, sich das Recht vorzubehalten, die Arbeitszeit des Telearbeiters betriebsbestimmt festzulegen. Sofern der Telearbeiter an der dezentralen Arbeitsstätte etwa in Folge von Strom-, Computerausfällen oder 1085
Genenger, Telearbeit
sonstigen Systemstörungen nicht in der Lage ist, seine Arbeit auszuüben, kann der Arbeitgeber nunmehr während dieser Zeit von dem Telearbeiter die Tätigkeitsausübung an der betrieblichen Arbeitsstätte verlangen. Aufgrund einer solchen Vereinbarung ist es dem Arbeitgeber möglich, den mit dem ihm auferlegten Betriebsrisiko regelmäßig einhergehenden wirtschaftlichen Schaden gering zu halten.
Bei der mobilen Telearbeit wird der Beschäftigte überwiegend festgelegten Arbeitszeiten unterworfen sein. Seine Tätigkeit an der zentralen Arbeitsstätte wird generell im Rahmen der dort geltenden Arbeitszeiten erfolgen. Ebenso wird die außerbetriebliche Ausübung seiner Tätigkeit regelmäßig konkreten Zeitvorgaben unterliegen. Beispielsweise wird einem Außendienstarbeiter der Besuch bestimmter Kunden oder Lieferanten, einem Reporter die Berichterstattung über aktuelle Ereignisse vorgegeben sein, was einer dispositiven Zeiteinteilung entgegensteht. Vergleichbar wird - abgesehen vielleicht von Gleitzeitregelungen - den Telearbeitern in Nachbarschafts- und Satellitenbüros eine im Wesentlichen freie Einteilung ihrer Arbeitszeit nicht möglich sein, da sie in den ausgelagerten Büros grundsätzlich in ähnlicher Weise festgelegten Bürozeiten unterliegen werden wie die Beschäftigten in der betrieblichen Arbeitsstätte. Hinweis: Zur Flexibilisierung der Arbeitszeit kann sich eine Kombination der Organisationsform Telearbeit mit bestimmten Arbeitszeitmodellen, etwa Vertrauensarbeitszeit oder Arbeitszeitkonten, anbieten.
Muster:
Alternierende Telearbeit 10
a. Die zu leistende Arbeitszeit ftir die zu erledigenden Arbeitsaufgaben ist die tarifvertraglich/arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit. Sie beträgt zurzeit ... Stunden pro Woche/Monat. b. Der Arbeitnehmer wird ab dem ... seine Arbeitsleistung an folgenden Wochentagen in seiner Wohnung (häusliche Arbeitsstätte) erbringen: ... An den übrigen Wochentagen ... erbringt er die Arbeitsleistung im Betrieb des Arbeitgebers (betriebliche Arbeitsstätte). Der Arbeitsplatz in der Wohnung des Arbeitnehmers ist durch Kommunikationsmittel mit dem Betrieb des Arbeitgebers verbunden.
10 Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 30.
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Arbeitszeit
c. Während der Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers gelten die betriebsüblichen Arbeitszeiten, während der Tätigkeit in der häuslichen Arbeitsstätte hat der Arbeitnehmer zu folgenden Zeiten erreichbar zu sein (Ansprechzeiten); ... Im Übrigen ist er in der Einteilung der Lage der Arbeitszeit frei (selbstbestimmte Arbeitszeit). d. Systemstörungen im Bereich der häuslichen Arbeitsstätte hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unverzüglich anzuzeigen und das weitere Vorgehen mit ihm abzustimmen. Führt die technische Störung dazu, dass die Arbeitsleistung am Telearbeitsplatz nicht erbracht werden kann, kann der Arbeitgeber verlangen, dass die Arbeitsleistung im Betrieb erbracht wird. e. Fahrzeiten zwischen Telearbeitsplatz und Betrieb gelten nicht als betriebsbedingt und finden keine Anrechnung auf die Arbeitszeit. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1242 f.; Boemke, BB 2000, 147, 150; Freudenreich/K/ein/Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 89 f.; Kamp, Telearbeit - Analyse und Handlungsempfehlungen, S. 28 ff.; ienk, Tclearbeit, S. 171 ff.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, li T 20 Rn. 31 ff.
2.
Arbeitszeitschutz
Bei der Ausübung von Telearbeit sind die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zu beachten. Die Anwendbarkeit des ArbZG ergibt sich unabhängig davon, ob die Tätigkeit in oder außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte ausgeübt wird. Die Einführung der Telearbeit ermöglicht den Vertragsparteien regelmäßig eine flexible Arbeitszeitgestaltung. Dies gilt insbesondere, wenn der Telearbeiter seine Arbeit vollständig oder zumindest teilweise außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte erbringt und in diesem Rahmen ggf. nicht den betrieblichen Arbeitszeiten unterliegt. Die Gestaltungsfreiheit der Vertragsparteien wird allerdings begrenzt durch die zwingenden Vorgaben des Arbeitszeitschutzes, besonders durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Die Regelungen des ArbZG sind sowohl bei der Ausübung der Telearbeit an der betrieblichen Arbeitsstätte als auch an dem dezentralen Arbeitsplatz zu beachten. Sofern der Telearbeit ein Arbeitsvertrag zugrunde liegt, obliegt es dem Arbeitgeber, die Beachtung der Regelungen des ArbZG zu garantieren. Die Einhaltung dieser zwingenden Arbeitszeitvorgaben wird im Rahmen der Telearbeit allerdings dann problematisch sein, wenn ihre Ausübung außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte erfolgt. Der Arbeitgeber hat in diesem Falle regelmäßig nicht die Möglichkeit, die Arbeitszeit der Be-
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Genenger, Telearbeit
schäftigten durch festgelegte Betriebsöffnungszeiten, Stechuhren, persönliche Anwesenheitskontrolle, etc. zu steuern. Gerade im Falle der ausschließlichen Telearbeit müssen Maßnahmen oder Vereinbarungen getroffen werden, welche die Arbeitsausübung nach Maßgabe des ArbZG gewährleisten. Neben der Vereinbarung eines allgemeinen Arbeitszeitrahmens empfiehlt sich ebenfalls die Festlegung von Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen und Mindestruhezeiten, auch wenn dies nicht ohne weiteres einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung entspricht, welche mit dem Konzept der Telearbeit überwiegend assoziiert wird. Sollen demgegenüber dem Telearbeiter für die außerbetriebliche Tätigkeit keine konkreten Arbeitstage, Arbeitszeiträume oder Pausenregelungen vorgegeben werden, ist besonders bei der Erbringung von Mehrarbeit der Ausgleich der (zuviel) erbrachten Arbeitsleistung zu garantieren. Mangels hinreichender Kontrollmöglichkeiten kann es dabei für den Arbeitgeber vorteilhaft sein, bei der Telearbeit außerhalb der Betriebsstätte dem Telearbeiter die Verpflichtung zur Einhaltung der Arbeitszeitvorgaben zu übertragen. Beispiel:
Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren einen bestimmten (täglichen, wöchentlichen oder monatlichen) Zeitrahmen, in dem der Telearbeiter seine Arbeitsleistung erbringt oder sie übernehmen die betriebliche Arbeitszeit ebenfalls für die Tätigkeit am dezentralen Arbeitsplatz. Der technische Zugriff auf die ED V-Systeme wird außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit gesperrt. Der Arbeitnehmer hat ein von ihm geführtes Arbeitszeittagebuch dem Arbeitgeber in regelmäßigen Abständen vorzulegen. Weiterführende Literatur: A!brecht, NZA 1996, 1240, 1242 f.; Blanke/Schüren/Wank/ Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 150 ff.; Boemke, BB 2000, 147, 150; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, ll T 20 Rn. 39; ders., Arbeitsrecht - Individualarbeitsrecht, § 26 IIl 4; Wedde, Telearbeit, Rn. 455 ff.
3.
Mehrarbeit
Bei der Beurteilung, ob die Arbeitsleistung eines Telearbeiters als "Mehrarbeit" eingestuft werden kann, ist danach zu unterscheiden, ob die Erbriogong der Arbeit im Rahmen der betriebsbestimmten oder der selbstbestimmten Arbeitszeit erfolgte~ Ungeachtet der Vorgabe und Vereinbarung konkreter Arbeitszeiten kann der Telearbeiter zur Arbeitsleistung über den festgelegten Zeitrahmen hinaus "gezwungen" sein. 1088
Arbeitszeit
In diesem Zusammenhang bestehen überwiegend tarifliche, betriebliche oder arbeitsvertragliche Regelungen, welche einen Ausgleich für die Erbringung der Mehrarbeit vorsehen, sei es im Wege der Abgeltung durch finanzielle (Überstunden-)Zuschläge, sei es im Wege der Gewährung von Freizeit.
Liegt dem Beschäftigungsverhältnis eine Vereinbarung über die Abgeltung von Mehrarbeit zugrunde, so hat bei der Erbringung der Arbeitsleistung durch den Telearbeiter ggf. zunächst eine Feststellung zu erfolgen, in welchem Rahmen er die Mehrarbeit erbracht hat, genauer, ob sie im Rahmen der betriebsbestimmten oder der selbstbestimmten Arbeitszeit erfolgt ist. Wurde die Arbeit außerhalb der vorgegebenen Arbeitszeiten im voraus angeordnet, erfolgte sie folglich während der betriebsbestimmten Arbeitszeit, so ist die vom Telearbeiter in diesem Sinne erbrachte Leistung als Mehrarbeit einzuordnen. Sein Anspruch auf Abgeltung der geleisteten Überstunden ergibt sich aus der seinem Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden Vereinbarung. Bei der vollständigen oder teilweisen Ausübung der Telearbeit außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte handelt es sich dagegen häufig um selbstbestimmte Arbeitszeit. Dem Telearbeiter obliegt es, innerhalb einer Zeitspanne eigenverantwortlich über Lage und Dauer seiner täglichen Arbeitszeit zu entscheiden. Abhängig von der Ausgestaltung des vorgegebenen Zeitrahmens kann es dem Telearbeiter dabei möglich sein, selbst darüber zu entscheiden, zu welchen Zeiten er Mehrarbeit leistet bzw. die geleistete Mehrarbeit wieder ausgleicht. Der Zweck insbesondere der Mehrarbeitszuschläge liegt allerdings vor allem darin, den Beschäftigten eine "Entschädigung" fiir die ihnen vorgeschriebene Erbriogong von Überstunden zu gewähren. Wurden die Voraussetzungen fiir die Mehrarbeit demgegenüber eigenständig durch den Telearbeiter im Rahmen seiner selbstbestimmten Arbeitszeit erbracht, wäre dies grundsätzlich mit Sinn und Zweck der Vereinbarung von Mehrarbeitsregelungen unvereinbar; dies muss jedenfalls in den Fällen gelten, in denen der Telearbeiter nicht aufgrund des Umfangs der ihm obliegenden Aufgaben oder der zwingenden Einhaltung bestimmter Termine zur Mehrarbeit verpflichtet war. Hinweis: Existieren weder tarifliche noch betriebliche Regelungen über die Voraussetzungen und die Abgeltung von Mehrarbeit, so empfiehlt sich eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, welche den Arbeitgeber nur dann zur
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Genenger, Telearbeit
Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen verpflichtet, wenn der Telearbeiter die Überstunden mit ausdrücklicher Einwilligung bzw. nach Absprache mit dem Arbeitgeber erbringt. Eine solche Vereinbarung kann zudem dazu beitragen, eventuelle Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Telearbeiter und seinem Arbeitgeber über die Anzahl der tatsächlich geleisteten " Überstunden " zu vermeiden. Arbeitszeiten können folglich regelmäßig nur dann als Mehrarbeit anerkannt werden, wenn sie im voraus angeordnet wurden, mithin während der betriebsbestimmten Arbeitszeit erfolgten, nicht jedoch, wenn der Telearbeiter während der selbstbestimmten Arbeitszeit die "Überstunden" ohne Absprache mit seinem Arbeitgeber, mithin autonom erbracht hat.
Hinweis: Eine Differenzierung zwischen betriebs- und selbstbestimmter Arbeitszeit hat erst recht zu erfolgen, wenn es um Entgeltzuschläge für andere "ungünstige" Arbeitszeiten geht, etwa um finanzielle Zuschläge für Sonn- und Feiertags- oder auch Nachtarbeit. In diesen Fällen kann der Telearbeiter grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf einen gewährten Entgeltzuschlag haben, wenn die betreffende Arbeitszeit im voraus angeordnet wurde, sie während der betriebsbestimmten Arbeitszeit erfolgte. Dagegen wird der Telearbeiter den Entgeltzuschlag nicht beanspruchen können, wenn er die dafür erforderlichen Voraussetzungen während der selbstbestimmten Arbeitszeit eigenverantwortlich geschaffen hat. Ansonsten wäre es dem Telearbeiter etwa möglich, die Arbeitsleistung an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte ausschließlich an Sonn- und Feiertagen zu erbringen, um auf diese Weise die für diese Arbeitszeiten gewährten finanziellen Zuschläge zu erhalten. Empfehlenswert ist eine vertragliche Regelung betreffend die Entgeltzuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtarbeit.
Muster:
Überstunden 11
a. Überstunden sind nur dann zuschlagspflichtig, wenn der Arbeitgeber diese im Voraus angeordnet hat oder der Arbeitnehmer sie im Voraus beim Arbeitgeber angemeldet hat und dieser sie bewilligt hat. Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich. b. Zuschlagspflichtige Überstunden sind ausgeschlossen für den Anteil an der Arbeitszeit, der nicht betriebsbestimmt ist, das ist für den Arbeits-
11 Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, li T 20 Rn. 39.
1090
Arbeitszeit
zeitanteil am Telearbeitsplatz die Arbeitszeit außerhalb der festgelegten Ansprechzeiten. c. Diese Bestimmungen gelten entsprechend für sonstige zuschlagspflichtige Arbeitszeiten, insbesondere Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtarbeit. d. Für angeordnete sowie bewilligte Überstunden werden folgende Zuschläge gezahlt: .... Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1243; Boemke, BB 2000, 147, 151; Kamp, Telearbeit-Analyse und Handlungsempfehlungen, S. 34 f.; Kramer, DB 2000, 1329, 1330 f.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 40 f.; ders., ArbeitsrechtIndividualarbeitsrecht, § 26 III 4.
4.
Zeiterfassung
Bei der Ausübung der Telearbeit, insbesondere bei der Arbeitserbriogong außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte, ist die Erfassung der geleisteten Arbeitszeit zu gewährleisten.
Die vom Telearbeiter geleistete Arbeitszeit muss vom Arbeitgeber vorrangig aus zwei Gründen erfasst werden: Zum einen bedingt das Arbeitszeitvolumen die Vergütung des Arbeitnehmers. Zum anderen hat der Arbeitgeber für die Einhaltung der zwingenden arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Vorgaben des ArbZG, Sorge zu tragen. Die Erfassung der Arbeitszeit obliegt demnach dem Arbeitgeber (s. § 16 Abs. 2 ArbZG). Wird die Telearbeit zumindest teilweise von dem betrieblichen Arbeitsplatz bzw. einem Nachbarschafts- oder Satellitenbüro aus geleistet, stehen dem Arbeitgeber in der Regel hinreichende Möglichkeiten zur Erfassung der Arbeitszeit zur Verfügung (etwa Torkontrollen, Stechuhren, persönliche Anwesenheitskontrollen, o.ä. ). Erfolgt die Arbeitsleistung demgegenüber vollständig oder teilweise von der außerbetrieblichen Arbeitsstätte, insbesondere von dem häuslichen Arbeitsplatz aus, stehen dem Arbeitgeber, abgesehen etwa von einer (mitbestimmungspflichtigen) Zugriffskontrolle auf die EDV-Systeme bei OnlineVerbindungen, nahezu keine Möglichkeiten der Arbeitszeiterfassung und -kontrolle zur Verfügung. Die Erfassung der Arbeitszeit wird daher überwiegend dem außerbetrieblich tätigen Arbeitnehmer übertragen. In der Praxis durchgesetzt hat sich die Zeiterfassung mittels eines Arbeitszeitbuches. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, vertraglich festzulegen, in welchem Umfang der Telearbeiter Arbeits- und Ausfallzeiten (Urlaub,
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Genenger, Telearbeit
Krankheit, usw.) bzw. geleistete Überstunden einzutragen hat sowie in welchen Abständen er zur Vorlage des Arbeitszeitbuches verpflichtet ist. Hinweis:
Im Zusammenhang mit der Aufzeichnungspflicht und eines diesbezüglich ggf. bestehenden Auskunftsanspruchs des Betriebsrats (§ 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG) ist auf eine neuere Entscheidung des BAG hinzuweisen, welche zwar primär den Bereich der Vertrauensarbeitszeit betraf, deren Grundsätze aber auf den Bereich der Arbeitszeiterfassung im Rahmen der Telearbeit übertragen werden könnten. 12
Muster:
Zeiterfassung 13
a. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, bei seiner Tätigkeit an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte die Vorgaben des ArbZG einzuhalten, insbesondere die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden (§ 3 ArbZG) und die mindestens elfstündige Ruhepause zwischen zwei Arbeitstagen (§ 5 Abs. 1 ArbZG). b. Die Zeiterfassung der ggf. im Betrieb/imNachbarschaftsbüro/ im Satellitenbüro geleisteten Arbeitszeiten richtet sich nach den jeweils geltenden Regelungen. c. Die Zeiterfassung der geleisteten Arbeitszeiten und -aufgaben an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte erfolgt durch den Arbeitnehmer in einem Arbeitstagebuch, das dem Vorgesetzen jeweils unmittelbar nach Monatsende vorzulegen ist. Ebenfalls darin festzuhalten sind Zeiten, in denen die zu leistende Arbeit auf Grund von Krankheit, Urlaub, Arbeitsbefreiung, Ausfallzeiten ctc. nicht erbracht wurde. Mit Zustimmung des Arbeitnehmers besteht für den Betriebsrat die Möglichkeit, Einblick in die erfassten geleisteten Arbeitszeiten zu nehmen. d. Eine maschinelle I >eistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber findet nicht statt. Weitert'iihrende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1242 f.; Boemke, BB 2000, 147, 151; Co/lardin, Aktuelle Rechtsfragen der Te1earbeit, S. 139 ff.; Kamp, Telearbeit -
Analyse und Hand1ungsempfehlungen, S. 35 f.; Kramer, DB 2000, 1329, !331; Wedde, Telearbeit, Rn. 465 ff.
12 BAG 6.5.2003 AP Nr. 61 zu§ 80 BetrVG 1972. 13 Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, Ir T 20 Rn. 38.
1092
Arbeitsmittel
IV.
Arbeitsmittel
Arbeitsmittel sind dem Telearbeiter vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Die Vertragsparteien können jedoch vereinbaren, dass der Telearbeiter seine eigenen Arbeitsmittel verwendet.
Die fiir die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Arbeitsmittel hat der Arbeitgeber den Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Dies gilt bei der Telearbeit grundsätzlich unabhängig davon, ob diese ausschließlich oder alternativ von der häuslichen Arbeitsstätte oder von einem anderen dezentralen Arbeitsplatz aus verübt wird. Die dem Telearbeiter zur VerfUgung zu stellenden Arbeitsmittel umfassen nach der Bereitstellung einer geeigneten Räumlichkeit - die Büro- und Telekommunikationseinrichtungen sowie allgemein notwendiges Büromaterial. Bei:;piel: Schreibtisch, Aktenschränke, u.ä. Büromöbel; EDV--Anlage, Telefon, Telefax, Hard- und Software; Papier, Formulare, Schreibmittel, etc.
Überlässt der Arbeitgeber damit die Arbeitsmittel dem Telearbeiter, so bleiben sie in seinem Eigentum. Dies hat den Vorteil, dass der Arbeitgeber dem Telearbeiter sowohl bei der Arbeitsausübung an der betrieblichen als auch an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte verbindlich vorgeben kann, in welchem Umfang er zur Nutzung der Arbeitsmittel berechtigt ist. Zur Vermeidung etwaiger Uneinigkeiten, welche hinsichtlich des Umfangs der Überlassung und der Nutzung der Arbeitsmittel entstehen können, sind den Vertragsparteien vertragliche Regelungen zum Thema Arbeitsmittel anzuraten. Zum einen erscheint eine konkrete Auf1istung (Inventarliste) derjenigen Arbeitsmittel empfehlenswert, welche dem Telearbeiter zur VerfUgung gestellt wurden. Zum anderen sollte eine vertragliche Absprache über die Übernahme der Pflege und Wartung insbesondere der Telekommunikationseinrichtungen getroffen sowie festgelegt werden, ob und in welchem Umfang der Telearbeiter zur privaten Nutzung der Arbeitsmittel sowie ihrer Überlassung an Dritte berechtigt sein soll. Die Vertragsparteien können jedoch ebenso eine Absprache dahingehend treffen, dass der Telearbeiter seine eigenen Arbeitsmittel bei der Ausübung seiner Tätigkeit verwendet. Gerade bei der Ausübung der Telearbeit am häuslichen Arbeitsplatz kann es sich anbieten, dass der Telearbeiter die bereits vorhandenen Arbeitsmittel nutzt, sei es die in der Räumlichkeit
1093
Genenger, Telearbeit
befindlichen Büromöbel, sei es etwaig verfügbare Telekommunikationsmedien (PC, Telefon, Telefax, etc.). Da der Telearbeiter allein die Erbringung der Arbeitsleistung, nicht aber eine Investition in die Anschaffung und Pflege bzw. Wartung der Arbeitsmittel schuldet, hat er gegen seinen Arbeitgeber generell einen Anspruch auf Erstattung der diesbezüglichen Aufwendungen. Hier empfehlen sich wiederum vertragliche Vereinbarungen, welche die seitens des Telearbeiters bereitgestellten Arbeitsmittel festhalten und Fragen der Kostenerstattung regeln. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1243; Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 58, 84 f.; Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 118 ff.; Boemke, BB 2000, 147, !52; Küttner-Kreilner, Personalbuch 2004, Arbeitsmittel Rn. 1 f.; Lenk, Telearbeit, S. 66 ff.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, li T 20 Rn. 46 ff.; Schaub-Schaub, § 163 Rn. 82 ff.
V.
Arbeitsstätte
Die Einrichtung des Telearbeitsplatzes erfordert die Beachtung des gesetzlichen Arbeitsschutzes, insbesondere der Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Die Einführung von Telearbeit setzt voraus, dass den Beschäftigten geeignete Räumlichkeiten zur Ausübung ihrer Tätigkeit zur Verfugung stehen. Die Telearbeitsplätze müssen sowohl den Unfallverhütungsvorschriften der Unfallversicherungsträger als auch den maßgeblichen Bestimmungen der Arbeitsstätten- und Bildschirmarbeitsverordnung genügen. Erfolgt die Ausübung der Telearbeit in Nachbarschafts- und Satellitenbüros, so ergeben sich keine telearbeitsspezifischen Besonderheiten. Die Büroräume in der außerbetrieblichen Arbeitsstätte werden regelmäßig denselben arbeitschutzrechtlichen Standards entsprechen wie die betrieblichen Arbeitsplätze. Ebenso wie die Arbeitsplätze im Betrieb und in den Nachbarschafts- bzw. Satellitenbiiros, muss auch der häusliche Arbeitsplatz den Vorgaben des gesetzlichen Arbeitsschutzes, vorrangig den allgemeinen Gnmdsätzen betreffend Unfallverhütung, Arbeitssicherheit und Ergonomie entsprechen. Möchte der Telearbeiter demnach seine Tätigkeit von zu Hause aus verrichten, so hat er einen Arbeitsraum vorzuweisen, welcher hinsichtlich Größe und Beschaffenheit geeignet ist, einen dauernden Aufenthalt und die zufriedenstellende Ausübung der Telearbeit zu gewährleisten. Es bietet sich an, die einzelnen Anforderungen betreffend die Qualität der häuslichen Arbeitsstätte vertraglich festzuhalten. 1094
Arbeitsstätte
Beispiel: Bestimmte Mindestgrundfläche zur Berücksichtigung telearbeitsspezifischer und ergonomischer Einrichtungen und Maßnahmen; Einstrahlung von Tageslicht; Blendschutzeinrichtungen bei direkter Sonneneinstrahlung; ausreichende Arbeitsplatzbeleuchtung; Belüftung. Der Arbeitsplatz muss zudem von den übrigen Wohnräumen getrennt und abschließbar sein. Die Erbringung der Telearbeit an der häuslichen Arbeitsstätte ist mithin davon abhängig, dass die Räumlichkeit den arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen genügt. Zu einer diesbezüglichen Überprüfung sollte dem Arbeitgeber bzw. dem Betriebsrat die Möglichkeit eingeräumt werden, das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vor Aufnahme der Telearbeit durch eine Besichtigung der häuslichen Arbeitsstätte zu überprüfen. Ohne eine solche Vereinbarung steht dem Zutritt zum häuslichen Arbeitsplatz ohne den Willen des Telearbeiters generell die grundrechtlich geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG entgegen. Hinweis: Lebt der Beschäftigte in einer Mietwohnung, so hat er dem Arbeitgeber vor Abschluss des Telearbeitsvertrages nachzuweisen, dass der Vermieter mit der Einrichtung und dauerhaften Nutzung des Telearbeitsplatzes einverstanden ist; die Gestaltung eines Wohnraums als Arbeitsplatz entspricht nicht der üblicherweise mietvertraglich vorgesehenen Nutzung. Nach Aufnahme der Tätigkeit kann im Laufe des Telearbeitsverhältnisses sowohl seitens des Telearbeiters als auch seitens des Arbeitgebers ein Interesse daran bestehen, den häuslichen Arbeitsplatz aufzugeben. Gründe hierfür können etwa ein geplanter Umzug des Telearbeiters oder eine zunehmend verschlechterte Arbeitsleistung an der häuslichen Arbeitsstätte sem. Vor dem Hintergrund des grundgesetzliehen Schutzes der Wohnung (Art. 13 GG) muss im Rahmen der alternierenden Telearbeit auf der einen Seite dem Telearbeiter die Möglichkeit der Aufgabe seines häuslichen Arbeitsplatzes eingeräumt sein, ohne dabei sein Vertragsverhältnis insgesamt aufgeben zu müssen. Auf der anderen Seite muss der Arbeitgeber sofern die Initiative zur Arbeitsplatzaufgabe nicht ohnehin von ihm ausgeht - rechtzeitig über die Aufgabe des häuslichen Arbeitsplatzes informiert werden, damit er dem Telearbeiter eine Arbeitsstätte im Betrieb oder in einem Nachbarschafts- oder Satellitenbüro zur Verfübrung stellen kann. Empfehlenswert ist daher die Festlegung einer vertraglichen Vereinbarung, welche die Aufgabe des häusliche Arbeitsplatzes zum Gegenstand 1095
Genenger, Telearbeit
hat und diesbezüglich beispielsweise die Einhaltung bestimmter Fristen statuiert. Weiterführende Literatur: Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 32; Boemke, BB 2000, 147, 151; Kramer, DB 2000, 1329, 1332; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 41 ff.; Schwarzbach, Telearbeit gestalten, S. 35 ff.; Wedde, Telearbeit, Rn. 423 ff.
VI.
Zutrittsrecht zum häuslichen Telearbeitsplatz
Ein generelles Zugangsrecht zur häuslichen Arbeitsstätte des Telearbeiters steht weder staatlichen Stellen noch dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber zu. Im Wege einzelvertraglicher Absprache kann jedoch ein begrenztes Zutrittsrecht vereinbart werden. Bei Ausübung der Telearbeit an der häuslichen Arbeitsstätte kann sich die Frage nach einem Zugangsrecht zum privaten Wohnbereich des Telearbeiters ergeben. Ein solcher Zugang kann etwa zur Kontrolle der Einhaltung bestimmter Arbeitsschutzmaßnahmen sowohl seitens staatlicher Stellen als auch seitens des Betriebsrates oder des Arbeitgebers erforderlich werden. Im Gegensatz zu der betrieblichen Arbeitsstätte besteht hinsichtlich der häuslichen Arbeitsplätze kein zwingendes Zugangsrecht Vielmehr stehen gesetzliche Regelungen einem jederzeitigen Zutrittsrecht zur privaten Wohnung entgegen. Zum einen kann sich der Telearbeiter bei einer beabsichtigten Kontrolle seiner häuslichen Arbeitsstätte durch staatliche Stellen unmittelbar auf den Schutz privaten Wohnraums gemäß Art. 13 GG berufen. Aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Unverletzlichkeit der Wohnung steht ihm im Allgemeinen ein Abwehrrecht gegenüber einem - ohne oder gegen seinen Willen erfolgenden - Zugang zu seiner privaten Wohnung zu. Allerdings ist zu beachten, dass die notwendige Überprüfung der Einhaltung von Arbeitschutzvorschriften auch dem - ebenfalls verfassungsrechtlich gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gewährleisteten - Schutz des Telearbeiters dient. Tn diesem Sinne könnte zu überlegen sein, ob etwa § 22 Abs. 2 ArbSchG, welcher das Grundrecht des Art. 13 GG zum Zwecke der Kontrolle von betrieblichen Arbeitsstätten einschränkt, auf die Überprüfung häuslicher Arbeitsplätze erweitert werden kann. In Anbetracht des hohen Rangs der verfassungsrechtlich garantierten Unverletzlichkeit der Wohnung ist eine solche Ausdehnung jedoch abzulehnen.
1096
Zutrittsrecht zum häuslichen Telearbeitsplatz
Hinweis: Ein Zutritt staatlicher Stellen zur privaten Wohnung kann daher nur unter den strengen Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 3 bis 7 GG gegen den Willen des Telearbeiters geschehen, sofern dies zur Abwehr einer dringenden oder gemeinen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen unvermeidbar ist. Zum anderen kann der Telearbeiter gegenüber einem Zutritt von Seiten des Betriebsrates oder des Arbeitgebers den über die allgemeinen zivilrechtliehen Abwehransprüche der §§ 854 ff. BGB mittelbar zum Ausdruck kommenden grundrechtliehen Schutz der privaten Wohnung geltend machen. Der Zugang zum häuslichen Arbeitsplatz kann danach generell nur im Einverständnis mit dem Telearbeiter erfolgen. Zur Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Arbeitsschutzvorschriften und der Kontrolle ihrer Einhaltung lässt sich allerdings ein Zugang zu dem in der privaten Wohnstätte gelegenen Arbeitsplatz nicht vermeiden. Damit der Arbeitgeber, von ihm beauftragte Personen sowie andere gesetzlich zu einem Zutritt zum Arbeitsplatz Verpflichtete nicht in jedem Einzelfall das diesbezügliche Einverständnis des Telearbeiters erneut einholen müssen, empfiehlt sich der Abschluss einer einzelvertraglichen Vereinbarung, welche die Art und Weise eines Zugangsrechtes zum Gegenstand hat. Selbst die Vereinbarung einer solchen Klausel verhindert in der Praxis freilich nicht, dass die vertraglich Zutrittsberechtigten faktisch auf die Zutrittsgewährung seitens der Wohnungsinhaber angewiesen sind. Zudem stehen im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre des Telearbeiters die §§ 138, 242 BGB der Vereinbarung eines unbegrenzten Zugangsrechts entgegen. Problem: Stillschweigende Zustimmung zum Zutritt Ein Zutritt zur privaten Wohnstätte bedarf generell des Einverständnisses des Wohnungsinhabers. Fraglich könnte aber sein, ob der Telearbeiter mit Aufnahme der Arbeit am häuslichen Arbeitsplatz stillschweigend einem Zugangsrecht zum Zwecke der Überprüfung von Arbeitsschutzmaßnahmen zugestimmt hat. Eine solche konkludente Einwilligung wird auf der einen Seite im Hinblick auf die vergleichbaren Bedingungen der betrieblich und außerbetrieblich ausgeübten Telearbeit bejaht. Der gesetzliche Arbeitsschutz gelte am häuslichen Arbeitsplatz in gleichem Umfang wie an der zentralen Betriebsstütte, so dass der Telearbeiter diesbezüglich in seinem privaten Wohnraum nicht nur die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten habe, sondern auch dulden müsse, dass der Arbeitgeber seinerseits Maßnahmen zur Sicher1097
Genenger, Telearbeit
stellung der ihm obliegenden gesetzlichen Schutzpflichten trifft. ln diesem Sinne sei eine stillschweigend erklärte Zustimmung des Telearbeiters bezüglich eines - im Rahmen der Arbeitszeit - vorgenommenen Zugangs des Arbeitgebers oder von ihm beauftragter Personen zur Kontrolle der Arbeitsschutzvorschriften zu seinem häuslichen Arbeitsplatz anzunehmen. 14 Auf der anderen Seite wird die Annahme einer konkludenten Zustimmung bezüglich einer Überprüfung der Einhaltung gesetzlicher Schutzvorschriften abgelehnt. 15 Diese Ansicht überzeugt, da ansonsten der hohe Rang der gemäß Art. 13 GG geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung unterlaufen würde, deren Einschränkung generell nur unter Beachtung der Voraussetzungen aus Art. 13 Abs. 3 bis 7 GG möglich ist. Ein Zugang zur häuslichen Arbeitsstätte kann daher nur im Einverständnis mit dem Telearbeiter bzw. aufgrund einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung erfolgen.
Muster:
Zugang zur Wohnung des Telearbeiters 16
a. Dem Arbeitgeber, von ihm beauftragten Personen sowie Personen, die auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen Zugang zur häuslichen Arbeitsstätte haben müssen, gewährt der Arbeitnehmer Zugang zu dieser, soweit dies aus sachlichen Gründen erforderlich ist, insbesondere zur Überprüfung, ob die vertraglich vereinbarten Anforderungen an den Telearbeitsplatz eingehalten werden. b. Mit Ausnahme von dringenden Fällen erfolgt eine Terminabsprache mit · dem Arbeitnehmer. c. Der Arbeitnehmer sichert zu, dass auch die mit ihm m häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen mit dieser Regelung einverstanden sind. Weiterführende Literatur: Bieler, Organisation von Tclearbeit, Rn. 169 fi; Blanke/ Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungslormen, Teil 3 Rn. !56 ff.; Collardin, Aktuelle Rechtsfragen der Telearbeit, S. 40 ff., 70 ff.; Freudenreich/Klein!Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 64 f; Kramer, DB 2000, 1329, 1332; Mün14 Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 157; Peter, DB 1998, 573, 575; Wank, Telearbeit, Rn. 449; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 147; ders., Telcarbeit, Rn. 506 ff. 15 Bielf!r, Organisation von Telearbeit, Rn. 170; Col/ardin, Aktuelle Rechtsrragen der Telearbcit, S. 65 ff.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, TI T 20 Rn. 65; differenzierend Schuppert, Zutrittsrechte zu Telearbeitsplätzen, S. 44 ff. 16 Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, Il T 20 Rn. 62.
1098
Daten- und Informationsschutz ebener Handbuch Arbeitsrecht-Heenen, § 239 Rn. 20; Peter, DB 1998, 573, 575; PreisPreis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 62 ff.; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 135 ff.; Schuppert, Zutrittsrechte zu Telearbeitsplätzen, S. 25 ff.; Schwarzbach, Telearbeit gestalten, S. 47 f.; Wank, Telearbeit, Rn. 436 ff.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 131 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 493 ff.
VII. Daten- und Informationsschutz Im Rahmen von Telearbeit sind besondere Anforderungen an den Daten- und Informationsschutz zu stellen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zu. Die Verarbeitung personenbezogener Daten bedingt die Beachtung der einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorschriften. Insbesondere die Regelungen des BDSG, welches den Schutz des Einzelnen vor einem, das Persönlichkeitsrecht verletzenden Umgang mit seinen personenbezogenen Daten zum Gegenstand hat (vgl. § 1 BDSG), finden auch dann Anwendung, wenn Daten und Informationen im Rahmen von Telearbeit verarbeitet werden. Sofern die Arbeit in Nachbarschafts- und Satellitenbüros oder- im Rahmen der altemierenden und mobilen Telearbeit - an der betrieblichen Arbeitsstätte erbracht wird, ergeben sich keine telearbeitsspezifischen Besonderheiten. Veränderte Bedingungen bezüglich der Einhaltung des gesetzlichen Datenschutzes stellen sich dagegen bei der außerhalb der Betriebsstätte ausgeübten Telearbeit, sei es etwa in Hotelzimmern und Zugabteilen innerhalb der mobilen Telearbeit, sei es am häuslichen Arbeitsplatz innerhalb der ausschließlichen Telearbeit In diesen Fällen ist es zum einen dem Arbeitgeher nicht möglich, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben zu kontrollieren, zum anderen besteht außerhalb des betrieblichen Arbeitsplatzes die erhöhte Gefahr eines unberechtigten Zugriffs und einer unerlaubten Kenntnisnahme Dritter. Gemäß § 9 BDSG sind technische und organisatorische Maßnahmen zur dem Arbeitgeber als datenverarbeitender Stelle obliegenden - Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften zu treffen. Der Arbeitgeber muss demnach durch geeignete Anordnungen gewährleisten, dass personenbezogene Daten gerade im Bereich der außerbetrieblichen Verarbeitung durch den Telearbeiter und vor unberechtigten Dritten geschützt werden.
1099
Genenger, Telearbeit
Beispiel: Begrenzte Freigabe personenbezogener Daten zur Verarbeitung außerhalb der Betriebsstätte; Datenschutz durch Passwörter und Benutzerkennung; besondere Berechtigungen bezüglich eines außerbetrieblichen Zugriffs auf schützenswerte Dateien; erhöhte Anforderungen an die Aufbewahrung und Sicherung von Notebooks, Software, Disketten etc.
Zur Gewährleistung eines umfassenden Schutzes sind die betreffenden Telearbeiter ausführlich in den sicheren und vertrauensvollen Umgang mit personenbezogcnen Daten einzuweisen. Hierzu gehören vorrangig eine Unterrichtung über die erforderlichen Schutzvorkehrungen, ihren persönlichen Umgang mit den schützenswerten Daten und Informationen sowie die Sicherung dieser Daten vor einem Zugriff fremder bzw. - an der häuslichen Arbeitsstätte - angehöriger Personen. Empfehlenswert erscheint eine, den Telearbeitern zur Verfügung zu stellende, schriftliche Zusammenfassung (Merkblätter, Broschüren) der Sicherheitsvorkehrungen sowie eine vertragliche Vereinbarung betreffend den außerbetrieblichen Umgang mit personenbezogenen Daten und die Verpflichtung zur Einhaltung des gesetzlichen Datenschutzes. Letztlich erfordert der Umgang mit personenbezogenen Daten außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte ein erhöhtes Maß an Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Telearbeiter. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1243; Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 120 ff.; B1anke/Schüren!Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 175 ff; Kramer, DB 2000, 1329, 1331; Peter, DB 1998, 573, 575 f.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, li T 20 Rn. 60 ff.; Schwarzbach, Telearbeit gestalten, S. 50 f.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Tclearbeit, S. 101 ff.; ders., NJW 1999, 527, 533 f.; ders., Telearbeit, Rn. 527 n:
VIII. Integration der Telearbeiter Die Ausübung von Telearbeit kann die Gefahr einer sozialen Isolation der Telearbeiter mit sich bringen. Es sind daher MaHnahmen zu treffen, welche eine fortbestehende Integration der Telearbeiter in die betriebliche Organisation ermöglichen. Mit der Einführung von Telearbeit geht auf der einen Seite eine erhöhte Selbstständigkeit der Arbeitsausführung seitens der Telearbeiter einher. Auf der anderen Seite besteht - vor allem im Hereich der ausschließlichen Telearbeit- die Gefahr, dass die Telearbeiter von den betrieblichen Abläufen weitgehend ausgeschlossen und von ihren Kollegen isoliert werden.
1100
Kosten
Zur Verhinderung einer sozialen Isolation, des Verlustes sozialer Kontakte und einer damit ggf. verbundenen verringerten Arbeitsmotivation und -Zufriedenheit können beispielsweise folgende Maßnahmen dienen: •
Einführung fester Bürotage bzw. Anberaumung wöchentlicher oder monatlicher Mitarbeitertreffen;
•
Ausgestaltung der Telearbeit in Form der alternierenden anstelle einer ausschließlichen Telearbeit;
•
Information der Telearbeiter über betriebliche Abläufe und Maßnahmen;
•
Unterrichtung über Schulungs- und Fortbildungsangebote.
Weiterführende Literatur: Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 42 f.; Kamp, Telearbeit- Analyse und Handlungsempfehlungen, S. 37 ff.; Lenk, Telearbeit, S. I 00 ff.
IX.
Kosten
1.
Kostentragung
Die Kosten, welche mit der Ein- und Durchführung der Telearbeit einhergehen, hat regelmäßig der Arbeitgeber zu tragen.
Im Zusammenhang mit der Telearbeit werden verschiedene Kosten sowohl bei den Arbeitgebern als auch den Telearbeitern entstehen. Die Kosten können sowohl bei der Einführung als auch bei der anschließenden Ausführung der Telearbeit anfallen. Im Regelfall geht es um folgende Aufwendungen: •
erstmalige Anmietung geeigneter Räumlichkeiten;
•
Anschaffung von Büroeinrichtung und -material (Schreibtische, Aktenschränke, Papier, Schreibmittel);
•
Ausstattung der Räumlichkeit mit technischen Geräten und Unterhaltung der Telekommunikationseinrichtungen (EDV-Anlage, Telefon, Telefax, Hard- und Software, Reparatur- und Wartungskosten);
•
fortlaufende Unterhaltung der (außerbetrieblichen) Arbeitsstätte (Raummiete, Energie- und Heizkosten);
•
ggf. anfallende Transportkosten oder Zuschüsse für Fahrt- und Benzinkosten.
Die jeweiligen Kosten sind dabei generell vom Arbeitgeber zu tragen. Ihm obliegt grundsätzlich sowohl die Einrichtung als auch die fortlaufende Unterhaltung des ausgelagerten Arbeitsplatzes. 1101
Genenger, Telearbeit
Ob und inwieweit die Kosten direkt vom Arbeitgeber übernommen werden oder sie zunächst vom Telearbeiter getragen und anschließend erstattet werden, hängt primär von der Gestaltungsform der Telearbeit ab. Wird die Telearbeit in Nachbarschafts- und Satellitenbüros ausgeübt, fallen die Kosten regelmäßig allein auf Seiten des Arbeitgebers an. Er wird die Anmietung bzw. den Kauf und die Ausstattung der ausgelagerten Räumlichkeiten ebenso übernehmen wie die Unterhaltungskosten für die Büround Telekommunikationseinrichtungen. Die Kosteutragong an den ausgelagerten Arbeitsplätzen in den Nachbarschafts- und Satellitenbüros entspricht daher grundsätzlich derjenigen an der betrieblichen Arbeitsstätte. In gleicher Weise wird der Arbeitgeber die Raum- und Raumausstattungskosten in den Fällen mobiler und alternierender Telearbeit tragen, sofern der Telearbeiter die außerbetriebliche Ausübung seiner Arbeit an einem vom Arbeitgeber bereitgestellten Arbeitsplatz wahrnimmt. Allein in denjenigen Fällen, in welchen der Telearbeiter seine Arbeit an der häuslichen Arbeitsstätte ausübt, wird im AUgemeinen nicht der Arbeitgeber, sondern der Telearbeiter für die Erfüllung der Aufwendungen aufkommen (und die aufgewandten Kosten ggf. später vom Arbeitgeber erstattet erhalten. Hinweis: Im Hinblick auf die anfallenden Raum- und Raumausstattungskosten wird sich diejenige Form von Telearbeit für den Arbeitgeber als günstig erweisen, in welcher der Telearbeiter (nahezu) ausschließlich an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte tätig wird. Vor allem bei der ausschließlichen Telearbeit und der Telearbeit in Nachbarschafts- und Satellitenbüros werden auf ihn allein die Kosten für den ausgelagerten, nicht jedoch für einen zusätzlichen betrieblichen Arbeitsplatz zukommen. Demgegenüber werden gerade bei der alternierenden und ggf auch bei der mobilen Telearbeit dem Arbeitgeber nicht nur Kosten für die Einrichtung eines außerbetrieblichen, sondern ebenso für die Bereitstellung eines betrieblichen Arbeitsplatzes entstehen. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1243; Bieler, Organisation von Te1earbeit, Rn. 58, 84 f.; Blanke/Schüren!Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil3 Rn. 118 ff.; Boemke, BB 2000, 147, 152; Lenk, Telearbeit, S. 66 ff.; PreisPreis, Der A_rbeitsvertrag, II T 20 Rn. 49 ff.; Schaub-Schaub, § 163 Rn. 82 ff.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 89 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 353 ff.
1102
Kosten
2.
Kostenerstattung
Kommt der Telearbeiter selbst für die Kosten auf, welche im Zusammenhang mit der Arbeitsausübung entstehen, so werden ihm diese in der Regel vom Arbeitgeber ersetzt. Der Aufwendungsersatz kann zum einen aufvertraglicher Grundlage, zum anderen gemäߧ 670 BGB analog erfolgen. Im Allgemeinen stellt der Arbeitgeber dem Telearbeiter die erforderlichen Büro- und Telekommunikationseinrichtungen sowie die notwendigen Büromittel zur Verfugung und trägt die damit zusammenhängenden Kosten. In den Fällen, in welchen der Telearbeiter seine Arbeitsleistung an der häus-
lichen Arbeitsstätte erbringt, muss er regelmäßig (zunächst) selbst die laufend anfallenden Kosten tragen. Beispiel: Der Beschäftigte übt die Telearbeit in einem Raum seiner Mietwohnung aus und hat für die aufkommenden Miet-, Strom- und Heizkosten einzustehen. Der Telearbeiter nutzt seine eigenen Arbeitsmittel, so dass etwa Wartungskosten für die eigene EDV-Anlage sowie Telefon- und Telefaxkosten anfallen können.
Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber allerdings nur die Erbriogong der Arbeitsleistung, nicht aber ist er verpflichtet, eigenes Kapital in die Einrichtung und Ausstattung seines Arbeitsplatzes zu investieren. Dementsprechend sind ihm generell die aufgewendeten Kosten vom Arbeitgeber zu erstatten. Zum einen können die Vertragsparteien ausdrückliche Vereinbarungen zum Thema Kosteutragong treffen, beispielsweise vertraglich festhalten, in welcher Höhe und fiir welche Art von Aufwendungen der Telearbeiter von dem Arbeitgeber Ersatz verlangen kann. In diesem Zusammenhang werden sich allerdings nicht immer etwaige Schwierigkeiten und (Rechts-)Streitigkeiten vermeiden lassen, welche mit dem Nachweis und der Berechnung entstandener Kosten (etwa der anteiligen Energie- und Heizkosten) einhergehen können. Gerade bei regelmäßig und dauerhaft anfallenden Kosten empfiehlt es sich daher, vertraglich einen pauschalierten Zuschuss festzulegen, welchen der Arbeitgeber dem Telearbeiter zu Deckung der angefallenen und laufend anfallenden Kosten gewährt.
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Genenger, Telearbeit
Hinweis: Sind die im Vertrag vereinbarten pauschalierten Zahlungen unverhältnismäßig niedrig angesetzt, kann eine solche vertragliche Regelung gemäß § 138 BGB sittenwidrig sein.
Ein Aufwendungsersatzanspruch des Telearbeiters kann sich zum anderen aus einer analogen Anwendung des § 670 BGB ergeben. Hinweis: Gemäß § 670 BGB ist ein Auftraggeber dem Beauftragten zum Ersatz derjenigen, bei der Ausführung des Auftrags entstandenen Aufwendungen verpflichtet, welche Letzterer nach den Umständen for elforderlieh halten durfte. Eine unmittelbare Anwendung von § 670 BGB kommt nur bei solchen Arbeitsverhältnisses in Betracht, die eine Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB zum Gegenstand haben; in allen anderen Fällen ist§ 670 BGB analog anzuwenden. 17
Danach kann der Telearbeiter von seinem Arbeitgeber den Ersatz von Aufwendungen verlangen, wenn •
in dem der Telearbeit zugrunde liegenden Arbeitsvertrag keine oder nur begrenzte Regelungen über die Kostenerstattung getroffen wurden, die Aufwendungskosten insbesondere nicht mit der (entsprechend erhöhten) Arbeitsvergütung des Telearbeiters abgegolten werden,
•
er die Aufwendungen (unabhängig von der objektiven Erforderlichkeit) subjektiv für notwendig halten durfte und
•
sie in Bezug auf die Arbeitsleistung gemacht hat.
Beispiel: Mangels vertraglicher Abrede kann der Telearbeiter gemäß § 670 BGB analog die Ausgaben for die eigens zur Ve"({ügung gestellten Räumlichkeiten (Miet-, Strom- und Heizkosten), Büro- und Telekommunikationseinrichtungen (Anschaffungskosten für Büromöbel, PC-, Telefax- und Telefonanlage; Kosten für Pflege und Wartung der technischen Geräte) sowie Büromaterial (Papier, Schreibmittel) ersetzt verlangen. 17 St. Rspr., BAG 1.2.1963APNr. 10zu § 670 BGB; BAG 21.9.1966APNr. 2zu § 675 BGB; BAG 8.5.1980 AP Nr. 6 zu§ 611 BGB Gefahrdungshaftung des Arbeitgebers; BAG 16.3.1995 AP Nr. 12 zu§ 611 BGB Gefahrdungshaftung des Arbeitgebers.
1104
Haftung
Nicht gemäß § 670 BGB analog erstattungsfähig sind dagegen persönliche Aufwendungen des Telearbeiters, etwa Kosten für Kleidung, Verpflegung und etwaige Fahrten zur Arbeitsstätte. Hinweis: Einsparungen, welche dem Beschäftigten aufgrund der Telearbeit im persönlichen Bereich zugute kommen, sind bei der Berechnung des Aufwendungsersatzes gemäߧ 670 BGB (analog) unerheblich und dürfen nicht mit den sonstigen anfallenden Kosten aufgerechnet werden. Der Wegfall von Fahrten zur betrieblichen Arbeitsstätte, welcher vorrangig im Falle der ausschließlichen Telearbeit zu Einsparungen seitens des Beschäftigten führt, zählt beispielsweise zu den persönlichen, außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Kosten, 18 welche nicht in die Berechnung der Aufwandsentschädigung einbezogen werden dürfen. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1243; Blanke/Schüren/Wank! Wedde, Teil 3 Rn. 118 ff.; Boemke, BB 2000, 147, 152; Erfurter Kommentar-Preis,§ 611 BGB Rn. 691 ff.; Kramer, DB 2000, 1329, 1331 f.; Münchener Handbuch ArbeitsrechtBlomeyer, § 96 Rn. 77 ff.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, li T 20 Rn. 49 ff.; ders., Arbeitsrecht- lndividualarbeitsrecht, § 37; Schaub-Schaub, §§ 85, 163 Rn. 82 ff.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 92 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 358 ff.
X.
Haftung
1.
Haftung des Telearbeiters
Verursacht der Telearbeiter durch schuldhartes Verhalten einen Schaden, so ist er grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet. Liegt der Telearbeit ein Arbeitsverhältnis zugrunde, kommen dem Telearbeiter die allgemeinen Grundsätze der (eingeschränkten) Arbeitnehmerhaftung im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zugute. Haftung gegenüber dem Arbeitgeber Bei der Arbeitsausübung eines Beschäftigten können Schäden an den Arbeitsmitteln des Arbeitgebers eintreten. Im Bereich der Telearbeit wird es sich vor allem um Schäden an der im Besitz des Beschäftigten befindlichen Hard- und Software handeln.
18 BAG 26.8.1960APNr. 2 zu§ 611 BGB Wegezeit.
1105
Genenger, Telearbeit
Beispiel:
Beschädigung des PCs oder sonstiger Telekommunikationseinrichtungen, unsachgemäße Handhabung von Software, Einschleusung von Computerviren oder Ausspähung von Daten durch Dritte at{(grund mangelnder Sicherungsmaßnahmen. Im Falle einer schuldhaften Beschädigung von Arbeitsmitteln seitens des Telearbeiters, kann sich ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers aus den allgemeinen zivilrechtliehen Regeln, besonders aus § 280 Abs. 1 BGB und- auf deliktischer Ebene - aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben.
Hinweis:
Die Gefahr einer Beschädigung von Arbeitsmitteln, die nicht auf ein schuldhaftes Verhalten des Beschäftigten, sondern etwa auf Zufall oder bloße Abnutzung zurückzuführen ist, trägt der Arbeitgeber. Sofern ihm daher nicht wegen schuldhaften Verhaltens des Telearbeiters ein entsprechender Schadensersatzanspruch zusteht, hat der Arbeitgeber für den Ersatz und die Reparatur der betreffenden Arbeitsmittel aufzukommen. Verursacht der Beschäftigte bei der Ausübung der Telearbeit durch eine zu vertretende (§ 276 BGB) arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dem Arbeitgeber einen Schaden, so ist er hierfür nach § 280 Abs. 1 BGB einstandspflichtig. Ist der Telearbeiter als Arbeitnehmer einzustufen, kommen ihm die Grundsätze über die eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs 19 zugute, wenn er den Schaden bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit (am betrieblichen oder außerbetrieblichen Arbeitsplatz) verursacht hat. Da es unbillig erscheint, den Arbeitnehmer auch bei bloßer Unachtsamkeit für den vollen Schaden einstehen zu lassen, richtet sich der Umfang seiner Haftung nach dem Grad seines Verschuldens.
19 St. Rspr., BAG 25.9.1957 APNr. 4 zu§§ 898, 899RVO; BAG 3.11.1970APNr. 61 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG 12.2.1985 AP Nr. 86 zu § 611 DGB Haftung des Arbeitnehmers; DAG 24.11. 1987 AP Nr. 93 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG (GS) 27.9.1994 AP Nr. 103 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG 12.11.1998 AP Nr. 117 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.
1106
Haftung
Hinweis: Liegt der Telearbeit kein Arbeitsverhältnis zugrunde, finden die allgemeinen Haftungsregeln des Dienst- und Werkvertragsrechts Anwendung. Im vertraglichen Bereich richtet sich die Haftung nach den§§ 635 jJ. BGB, im deliktischen Bereich nach §§ 823 jJ. BGB. Die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung kommen nicht zum Tragen.
Unter Zugrundelegung der beschränkten, nicht mehr von der Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit abhängigen, 20 Arbeitnehmerhaftung hat bei leichter Fahrlässigkeit allein der Arbeitgeber, bei vorsätzlicher Verursachung allein der Telearbeiter den Schaden zu tragen. Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist der Schaden unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände quotal zu verteilen. Liegt grobe Fahrlässigkeit seitens der Telearbeiters vor, wird teilweise eine Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers abgelehnt/' teilweise eine Haftungserleichterung auch bei grober Fahrlässigkeit befürwortet, jedenfalls wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko der Tätigkeit stehe. 22 In der Praxis erfolgt in diesen Fällen oft eine Haftungsbeschränkung auf zwei bis drei Monatsgehälter. Im Rahmen von Telearbeit kann eine Haftungsbeschränkung bei grob fahrlässiger Schadensverursachung etwa angenommen werden, wenn der Wert der Hard- und Software den Verdienst des Telearbeiters erheblich übersteigt. Hinweis: Die beschränkte Arbeitnehmerhaftung wird auf eine analoge Anwendung des§ 254 BGB gestützF 3 (s. aber auch§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB "aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses"). Mangels Verschuldens der Pflichtverletzung trifft den Arbeitgeber zwar kein "echtes" Mitverschulden. Da er jedoch kraft seiner Organisationsmacht den Arbeitsablauf und die Arbeitsbedingungen kontrollieren kann, muss er sich die betreffende Betriebsgefahr zurechnen lassen.
Den Vertragsparteien steht es offen, die mit dem Eintritt eines Schadens einhergehenden Fragen zu regeln, um auf diese Weise Streitigkeiten über die Verteilung und den Umfang der Haftung zu vermeiden. Die vertraglichen 20 Seit BAG (GS) 27.9.1994 AP Nr. 103 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 21 BGH 11.3.1996 AP Nr. 109 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 22 BAG 12.10.1989 AP Nr. 97 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG 25.9.1997 AP N:r. 111 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG 12.11.1998 AP Nr. 117 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 23 BAG (GS) 27.9.1994 AP Nr. 103 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.
1107
Genenger, Telearbeit
Vereinbarungen dürfen die haftungsrechtliche Position des Arbeitnehmers aber nicht verschlechtern, sondern nur verbessern, etwa mittels einer Haftungsreduzierung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Zudem kann sich eine versicherungsrechtliche Lösung der Haftungsfragen empfehlen. Zum einen kann der Arbeitgeber für den Telearbeiter eine Haftpflichtversicherung abschließen, welche diesen bei zu vertretender Schadensverursachung entlastet. Zum anderen kann der Telearbeiter zum Abschluss einer Versicherung vertraglich verpflichtet werden, wobei der Arbeitgeber für die Erstattung der Versicherungsprämie aufkommt.
Hinweis: Bei dem Abschluss einer Versicherung ist zu beachten, dass gemäß § 61 VVG der Versicherer von der Leistungsverpflichtung befreit ist, wenn der Versicherungsfall vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt wurde. Haftung gegenüber Dritten Führt eine vom Telearbeitnehmer zu vertretende Pflichtverletzung nicht bei seinem Arbeitgeber, sondern - etwa im Rahmen der mobilen Telearbeit bei einem Dritten zu einem Schaden, finden die Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung keine Anwendung. Der nach diesen Grundsätzen mögliche innerbetriebliche Schadensausgleich findet im Verhältnis zu (außerbetrieblichen) Dritten keine Rechtfertigung, da diese sich nicht - wie der Arbeitgeber - analog § 254 BGB die Betriebs- und Organisationsgefahr zurechnen lassen müssen. 24 Der Telearbeiter ist daher im Außenverhältnis unbeschränkt zum Schadensersatz verpflichtet. Sofern der Schaden bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden ist, steht ihm aber im Innenverhältnis zu seinem Arbeitgeber ein Freistellungsanspruch zu. Der Arbeitgeber ist soweit zur Freistellung des Telearbeiters und damit zur Zahlung des Schadensersatzes verpflichtet, als er den Schaden nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung zu tragen hätte, wenn der Telearbeiter ihm und nicht einem außenstehenden Dritten gegenüber den Schaden verursacht hätte. 25
24 BGH 19.9.1989 AP Nr. 99 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BGH 21.12.1993 AP Nr. 104 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 25 BAG (GS) 25.9.1957 AP Nr. 4 zu§§ 898, 899 RVO; BAG 6.7.1964 AP Nr. 34 zu § 611 BOB Haftung des Arbeitnehmers; BAG 23.6.1988 AP Nr. 94 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.
1108
Haftung
Beispiel: Der Telearbeiter verursacht bei der (betrieblich veranlassten) Wahrnehmung von Kundendiensten bei einem Marketing-Unternehmen leicht fahrlässig eine Beschädigung der dort verwendeten Software. Im Außenverhältnis zu dem Unternehmen ist der Telearbeiter unbeschränkt zum Schadensersatz verpflichtet; im Innenverhältnis steht dem Telearbeiter gegenüber seinem Arbeitgeber ein Anspruch auf vollständige Freistellung von der Schadensersatzforderung zu, da er nach den Grundsätzen der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung bei leichter Fahrlässigkeit nicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet wäre. Hinweis: Die dargestellten Grundsätze über die Haftung gegenüber betriebsfremden Dritten gelten auch dann, wenn der Telearbeiter - etwa bei Ausübung der Tätigkeit in Nachbarschafts- und Satellitenbüros - einem Arbeitskollegen schuldhaft einen Sachschaden zufügt. Verursacht der Telearbeiter durch eine betriebliche Tätigkeit in zu vertretender Weise einen Personenschaden des Arbeitskollegen, so ist § 105 SGB VIJ (gesetzliche Unfallversicherung) anzuwenden. Liegen die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII vor, stehen dem geschädigten Arbeitnehmer allein Ersatzansprüche gegen die Träger der Unfallversicherung, grundsätzlich aber nicht gegen seinen Arbeitskollegen zu. Muster:
Haftung des Telearbeiters26
a. Der Arbeitnehmer haftet fiir eine Schädigung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Ausübung der Telearbeit nach folgenden Grundsätzen: Bei leichter Fahrlässigkeit entfällt eine Haftung, bei mittlerer Fahrlässigkeit erfolgt eine Schadensteilung, bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der Arbeitnehmer voll. Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist die Haftung der Höhe nach auf ein Bruttomonatsgehalt, bei grober Fahrlässigkeit auf drei Bruttomonatsgehälter beschränkt. Diese Grundsätze finden bei Schädigungen durch im Haushalt des Arbeitnehmers lebende Familienangehörige und berechtigte Besucher entsprechende Anwendung, falls die Schädigung im Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit des Telearbeitnehmers erfolgt und keine Haftpflichtversicherung fiir den Schaden aufkommt.
26 Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, Il T 20 Rn. 53.
1109
Genenger, Telearbeit
b. Tritt ein Schaden an einem vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsmittel ein, hat der Arbeitnehmer diesen unverzüglich schriftlich dem Arbeitgeber mitzuteilen. c. Schädigt der Arbeitnehmer, ein Familienmitglied oder ein berechtigter Besucher im Zusammenhang mit der Ausübung der Telearbeit einen Dritten, stellt der Arbeitgeber die genannten Personen nach den obigen Grundsätzen von der Haftung gegenüber dem Dritten frei bzw. ersetzt den gezahlten Betrag, falls keine Haftpflichtversicherung für den Schaden aufkommt. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1245; Bieter, Organisation von Telearbeit, Rn. 180; Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 110 ff.; Boemke, BB 2000, 147, 152 f.; Collardin, Aktuelle Rechtsfragen der Telearbeit, S. 172 ff.; Kamp, Telearbeit - Analyse und Handlungsempfehlungen, S. 46 ff.; Kramer, DB 2000, 1329, 1331; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Blomeyer, §§59 ff.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20 Rn. 54 ff.; ders., Arbeitsrecht Individualarbeitsrecht, §53; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 127 ff.; Schaub-Linck, § 52 Rn. 12 ff.; Wank, Telearbeit, Rn. 460 ff.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 77 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 305 ff.
2.
Haftung Dritter
Bei der Schadensverursachung durch einen Dritten können die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung zur Anwendung kommen. Im Rahmen der Telearbeit können neben dem Arbeitnehmer auch dritte Personen mit den Arbeitsmitteln des Arbeitgebers in Berührung kommen. Insbesondere in den Fällen, in welchen die Telearbeit am häuslichen Arbeitsplatz ausgeübt wird, kann sich ein zusätzliches Haftungsrisiko daraus ergeben, dass Familienangehörige oder sonstige Dritte (Mitbewohner, regelmäßige Besucher) beim Kontakt mit den Arbeitsmitteln Schäden verursachen. Ob und inwieweit die Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung auch bei der Schadensverursachung durch Dritte herangezogen werden können, ist differenziert zu betrachten. Ist der entstandene Schaden allein durch einen Dritten verursacht worden, so ist die eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung generell nicht anwendbar. Sofern neben dem Dritten der Telearbeiter für den Eintritt des Schadens mitverantwortlich ist, ist die Ausdehnung der Grundsätze über die Arbeitnehmerhaftung auf den Dritten zu befürworten. Andernfalls würde eine gesamtschuldnerische Haftung zwischen dem Dritten und dem Arbeitnehmer gemäß §§ 426, 840 BGB bestehen; danach würde der Telearbeiter
1110
Haftung
zwar ggf. nach dem sog. innerbetrieblichen Schadensausgleich gegenüber seinem Arbeitgeber von der Zahlung eines Schadensersatzes befreit sein, aber gegenüber dem Dritten zur Ausgleichszahlung nach §§ 426, 823, 840 BGB verpflichtet werden können, womit die den Arbeitnehmer begünstigende Haftungserleichterung ausgehöhlt würde ("Gestörte Gesamtschuld"). Ergibt sich die Haftungsbeschränkung des Telearbeiters nicht aus den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen, sondern beruht sie auf vertraglicher Vereinbarung, so ist durch Auslegung zu ermitteln, inwieweit sie auch zugunsten von Dritten Wirkung entfaltet. Dabei wird die Einbeziehung von Familienangehörigen und Mitbewohnern eher zu befürworten sein, als diejenige von Besuchern und Gästen. Zur Vermeidung derartiger Abgrenzungsschwierigkeiten ist den Vertragsparteien eine Absprache dahingehend anzuraten, ob eine vertragliche Haftungsmilderung auf dritte Personen erstreckt werden soll, und wenn ja, aufwelche Personen. Hinweis: Die Haflungsprivilegierung eines Mitschädigers findet - ungeachtet der arbeitsrechtsspezifischen Grundsätze - nach überwiegender Meinung im Rahmen der sog. gestörten Gesamtschuld Berücksichtigung. Danach soll in dem Falle, in dem die Haftung eines der Schädiger vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen ist, diese Haflungsprivilegierung sowohl im Innenals auch im Außenverhältnis gegenüber dem Geschädigten dadurch Beachtung finden, dass der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Schädiger um den Betrag gekürzt wird, welchen der privilegierte Schädiger ohne die Haflungsprivilegierung dem nicht privilegierten Schädiger im Innenverhältnis (§ 426 Abs. 1 BGB) schuldete. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1245; Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 180; B1anke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 115; Boemke, BB 2000, 147, 153; Co/lardin, Aktuelle Rechtsfragen der Te1earbeit, S. 179 ff.; Fenski, Außerbetriebliche Arbeitsplätze, Heim- und Te1earbeit, S. 111; Kamp, Telearbeit-Analyse und Handlungsempfehlungen, S. 46 ff.; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Blomeyer, § 59 Rn. 69 ff.; Münchener Handbuch ArbeitsrechtHeenen, § 239 Rn. 19; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 84 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 338 ff.
1111
Genenger, Telearbeit
3.
Haftung des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er dem Telearbeiter oder einem Dritten einen Schaden zufügt. Bei der Schadensersatzpflichtigkeit ist zwischen Personen- und Sachschäden zu differenzieren.
Bei der Durchführung der Telearbeit können dem Beschäftigten Schäden durch den Arbeitgeber entstehen. Inwieweit dem Telearbeiter gegenüber seinem Arbeitgeber ein Schadensersatzanspruch zusteht, hängt davon ab, ob es sich bei dem eingetretenen Schaden um einen Personen- oder Sachschaden handelt. Bei einem Personenschaden richtet sich der Ausgleich nach den§§ 104 ff. SGB VII. Der Telearbeiter unterliegt unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Erleidet der Telearbeiter nunmehr bei der Ausübung seiner versicherten Tätigkeit einen Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII), ist die Haftung des Arbeitgebers unabhängig vom Rechtsgrund (Vertrag, Delikt, Gefährdung) gemäß § 104 SGB VII grundsätzlich ausgeschlossen. Er ist danach dem Telearbeiter allein dann zum Ausgleich verpflichtet, wenn er den Unfall vorsätzlich verursacht hat oder der Unfall bei einem Weg zu oder von der Arbeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII) eingetreten ist. In den übrigen Fällen erfolgt der Schadensausgleich durch die Träger der Unfallversicherung. Hinweis:
Entsprechendes gilt gegenüber den Angehörigen oder Hinterbliebenen des Telearbeiters. Die Haftung des Arbeitgebers ist auch ihnen gegenüber nach § 104 Abs. 1 SGB VII weitgehend ausgeschlossen. Handelt es sich demgegenüber im konkreten Fall nicht um einen Arbeitsunfall, richtet sich der Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber nach den allgemeinen zivilrechtliehen Regeln der§§ 823 ff. BGB.
Erleidet der Telearbeiter demgegenüber im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Tätigkeit einen Sach- oder Eigenschaden, so ist der Arbeitgeber unabhängig vom Vorliegen seines Verschuldens zum Schadensersatz verpflichtet. 27 Gestützt wird seine Ausgleichspflicht auch in diesen Fällen 27 St. Rspr., BAG (GS) 10.11.1961 AP Nr. 2 zu§ 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; BAG 8.5.1980 AP Nr. 6 zu§ 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; BAG 20.4.1989 AP Nr. 9 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; BAG 14.12.1995 AP Nr. 13 zu§ 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers.
1112
Haftung
auf eine analoge Anwendung von § 670 BGB. 28 Danach hat der Telearbeiter gegen seinen Arbeitgeber einen Ersatzanspruch, wenn •
ihm der Schaden bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung entstanden ist,
•
den Arbeitgeber daran kein Verschulden trifft,
•
der Schaden nicht seinem, sondern dem Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers zuzuordnen ist,
•
er mit dem Schadenseintritt nicht notwendig bzw. regelmäßig rechnen musste, es sich also nicht um einen arbeitsadäquaten Schaden handelte und
•
er aufgrund einer entsprechend erhöhten Vergütung nicht selber das Risiko eines Schadenseintritts trägt.
Beispiel:
Der in mobiler Telearbeit tätige Versicherungsvertreter V wird auf dem Weg zu einem Kunden in einen Unfall verwickelt. Sein Pkw, den er mit Billigung des Arbeitgebers anstelle eines Dienstwagens eingesetzt hat, wird erheblich beschädigt. Für den bei der Erbringung der Arbeitsleistung entstandenen, dem Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers zuzurechnenden (Dienstfahrt, Einsatz des arbeitnehmereigenen Pkws) Schaden, hat der V gegen seinen Arbeitgeber einen Ausgleichsanspruch analog § 670 BGB, obwohl Letzteren an der Entstehung des Unfalls kein Verschulden trifft. Hinweis:
Wird nicht dem Telearbeiter, sondern einem Dritten ein Sachschaden zugefügt, so kann dieser gegenüber dem Arbeitgeber einen Ersatzanspruch nach den allgemeinen zivilrechtliehen Regeln der §§ 823 jJ. BGB geltend machen. Voraussetzung dafür ist allerdings ein Verschulden des Arbeitgebers. Weiterführende Literatur: Blanke/Schüren/WankJWedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 116 f.; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Blomeyer, § 96 Rn. 27 ff., 61 ff.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, 11 T 20 Rn. 66 ff.; ders., Arbeitsrecht Individualarbeitsrecht, §§ 37 III, 54; Schaub-Linck, §52 Rn. 97 ff.; Schaub-Schaub, § 85 Rn. 6 ff.; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 86 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 347 ff. 28 Grundlegend BAG (GS) I 0.11.1961 AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefahrdungshaftung des Arbeitgebers.
1113
Genenger, Telearbeit
XI.
Mitbestimmung
1.
Geltungsbereich des BetrVG
Das BetrVG kommt im Rahmen der Telearbeit uneingeschränkt zur Geltung, wenn der Anwendungsbereich dieses Gesetzes gegeben ist. Die Organisationsform Telearbeit schließt nicht die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) aus. Sofern der Geltungsbereich des BetrVG gegeben ist, unterfallen die Telearbeiter wie andere Arbeitnehmer den Bestimmungen dieses Gesetzes. Persönlicher Anwendungsbereich
Der persönliche Anwendungsbereich des BetrVG ergibt sich aus § 5 BetrVG. Danach gelten als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG Angestellte und Arbeiter unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder in Telearbeit beschäftigt werden. Neben den somit nach § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfassten Telearbeitern, die ihre Arbeit auf Grundlage eines Arbeitsverhältnisses ausüben, unterfallen gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 BetrVG ebenfalls die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes (HAG) beschäftigten Telearbeiter dem persönlichen Geltungsbereich des BetrVG, wenn sie in der Hauptsache für den Betrieb tätig werden. Hinweis: Dagegen findet das BetrVG keine Anwendung auf arbeitnehmerähnliche und selbstständige freie Mitarbeiter, auf mithelfende Familienangehörige der Heimarbeiter sowie nach überwiegender Ansicht auf die gemäß § I Abs. 2 HAG Gleichgestellten. Sofern die Telearbeiter- etwa im Rahmen der mobilen Telearbeit- im Ausland tätig werden, kann das BetrVG auf sie anwendbar sein, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Telearbeiter behält, sei es aufgrund seiner Weisungsbejitgnis, der Vereinbarung eines Rückrufrechts oder der zeitlichen Begrenzung des Aufenthalts (,,Ausstrahlung" des Inlandsbetriebs). 29 Sachlicher Anwendungsbereich
Der sachliche Anwendungsbereich ergibt sich aus § 1 Abs. 1 BetrVG. Danach ist ein Betrieb nur dann betriebsratsfähig, wenn in diesem in der Regel 29 BAG 25.4.1978 AP Nr. 16 Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht; BAG 27.5.1982 AP Nr. 3 zu § 42 BetrVG 1972; BAG I 0.9.1985 AP Nr. 3 zu § 117 BetrVG 1972; BAG 7.12.1989 AP Nr. 27 zu Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht.
1114
Mitbestimmung
mindestens fiinf ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer, von denen drei wählbar sind, beschäftigt werden. Anknüpfungspunkt des sachlichen Anwendungsbereichs des BetrVG ist damit die Organisationseinheit "Betrieb". Der Begriff des Betriebes ist gesetzlich nicht definiert. In der Literatur und Rechtsprechung wird unter dem "Betrieb" im Sinne des BetrVG eine organisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer ein Unternehmer allein oder mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. 30 Ist eine organisatorische Zusammenfassung von Arbeitsplätzen als Betrieb anzusehen und erfiillt sie die Voraussetzungen des sachlichen Anwendungsbereichs des BetrVG, so stellt sich im Rahmen der Telearbeit die Frage, ob die Arbeitsstätte des einzelnen Telearbeiters dem betreffenden Betrieb zugeordnet werden kann. Dabei ist nach der jeweiligen Ausübungsform der Telearbeit zu differenzieren. Bei der Tätigkeitsausübung in Form der alternierenden und mobilen Telearbeit sind die Telearbeiter dem Betrieb zuzuordnen, in dem ihre betriebliche Arbeitsstätte liegt, von der aus sie die Telearbeit anteilig ausüben. Vergleichbar anderen Außendienstarbeitnehmern erfolgt die Zuordnung zu dem betreffenden Betrieb aufgrund des einheitlichen Arbeitsverhältnisses selbst dann, wenn die Tätigkeitsausübung an der betrieblichen Arbeitsstätte nur einen geringen Anteil der Telearbeit umfasst. Im Rahmen der ausschließlichen Telearbeit wird ebenfalls eine Zuordnung zu dem jeweiligen Betrieb unabhängig davon erfolgen, dass der Telearbeiter seine Arbeitsleistung ausschließlich an der häuslichen Arbeitsstätte erbringt. Der dem BetrVG zugrunde liegende Betriebsbegriff ist nicht nur räumlich, sondern auch funktional zu verstehen. Die räumliche Trennung steht der Einbeziehung der außerbetrieblichen Arbeitsplätze nicht entgegen, sofern sie erkennbar zusammen mit den betrieblichen Arbeitsplätzen eine einheitliche Organisation darstellen bzw. einem einheitlichen Leitungsapparat unterstehen. 31 Ein solcher einheitlicher Organisationsrahmen wird sich bei der Telearbeit generell schon durch den Anschluss der dezentralen Telekommunikationssysteme an die betrieblichen Systeme des Arbeitgebers ergeben, welcher die gegenseitige Übermittlung von Arbeitsergebnissen und Informationen ermöglicht. 30 St. Rspr., BAG 7.8.1986 AP Nr. 5 zu§ I BetrVG 1972; BAG 25.9.1986 AP Nr. 7 zu § I BetrVG 1972; BAG 14.8.1988 AP Nr. 9 zu§ I BetrVG 1972. 31 BAG 7.8.1986APNr. 5 zu§ I BetrVG 1972; BAG 29.1.1987 APNr. 7 zu§ 1 BetrVG 1972.
1115
Genenger, Telearbeit
Entsprechendes gilt grundsätzlich bei der Telearbeit in Nachbarschaftsund Satellitenbüros. Die räumliche Trennung steht auch in diesem Falle der Zuordnung der Büros zum zentralen Betrieb nicht entgegen, sofern sich die Gesamtheit der betrieblichen und außerbetrieblichen Arbeitsplätze insgesamt als organisatorische Einheit darstellt.
Hinweis: Neben der informationstechnischen Verknüpfung der dezentralen und zentralen Systeme können des Weiteren Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers gegenüber den außerbetrieblich tätigen Telearbeitern, ihre Zusammenarbeit mit den zentral arbeitenden Kollegen, die Angewiesenheil auf betriebliche Arbeitsressourcen sowie die Ausstattung der außerbetrieblichen Telearbeitsplätze mit Mitteln des Arbeitgebers Kriterien für das Vorliegen einer organisatorischen Einheit sein. Erfolgt die Ausübung der Telearbeit in Nachbarschafts- oder Satellitenbüros, ist bezüglich der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung aber zu beachten, dass die dezentrale Büroeinheit als Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG einzuordnen sein könnte. Üben in den Nachbarschafts- und Satellitenbüros fünf ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer, von denen drei wählbar sind, ihre Arbeit aus (vgl. § 1 Abs. 1 BetrVG) und liegen die durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständigen Büros räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt, so sind sie gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG selbstständige Betriebe und nicht dem Hauptbetrieb zuzuordnen. Die Frage nach der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung kann für die in den Büros tätigen Telearbeiter insbesondere in Zusammenhang mit Betriebsratswahlen Bedeutung erlangen (vgl. § 4 Abs. I S. 2 bis 5 BetrVG).
Rechte der Telearbeiter Findet das BetrVG auf das Telearbeitsverhältnis Anwendung, so gelten für die Telearbeiter die gleichen Rechte wie für ihre ausschließlich betrieblich beschäftigten Kollegen. Telearbeitern im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG steht daher unter den Voraussetzungen der §§ 7, 8 BetrVG sowohl ein aktives als auch ein passives Wahlrecht zu. Bei Ausübung der Telearbeit in einem betriebsratslosen Nachbarschafts- oder Satellitenbüro, das die Voraussetzungen eines selbstständigen Betriebs im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfüllt, können die Telearbeiter die Teilnahme an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb beschließen (§ 4 Abs. 1 S. 2 bis 5 BetrVG).
1116
Mitbestimmung
Hinweis:
Gemäߧ 24 Abs. 2 BetrVG kann der Wahlvorstand die schriftliche Stimmabgabe mittels Briefwahl für Betriebsteile und Nebenbetriebe beschließen, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind. Auf diese Weise kann die Beteiligung der überwiegend oder ausschließlich außerbetrieblich tätigen Telearbeiter an der Betriebswahl gewährleistet werden.
Besteht in dem jeweiligen Betrieb bereits ein Betriebsrat, so kann der Telearbeiter weitere Rechte in Anspruch nehmen. In diesem Zusammenhang sind zu nennen •
Besuch von Sprechstunden des Betriebsrates, vgl. § 39 BetrVG;
•
Teilnahme an Betriebsversammlungen; vgl. §§ 42 ff. BetrVG;
•
Beschwerderecht, vgl. §§ 83 f. BetrVG.
Weiterführende Literatur: Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 143; Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Rn. 205 ff.; Boemke/Ankersen, BB 2000, 2254; Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, §§ 1, 5; Danko/Plesterninks, Telearbeitsverträge, Rn. 32 ff.; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, §§ I, 5; Kilian/Borsum/Hoffmeister, Forschungsbericht Telearbeit und Arbeitsrecht, S. 217 ff.; dies., NZA 1987, 401, 405; Lenk, Telearbeit, S. 184 f.; Peter, DB 1998, 573, 576 f.; Preis, Arbeitsrecht- Kollektivarbeitsrecht, § 147 I- III; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 60 ff.; Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, §§ I, 5; Simon/Kuhne, BB 1987, 201, 204 f., 208; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung der Telearbeit, S. 196 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 589 ff., 745 ff.
2.
Informations-, Unterrichtungs- und Beratungsrechte
Bei der Einführung von Telearbeit stehen dem Betriebsrat Informations-, Beratungs- und Unterrichtungsrechte zu. Plant der Arbeitgeber die Einführung von Telearbeit, so stehen dem Betriebsrat in diesem Zusammenhang bestimmte Mitwirkungsrechte zu, die sich vorrangig auf die Erlangung von Informationen über geplante Maßnahmen beziehen. Informationsrechte des Betriebsrats können sich dabei gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG ergeben. Hierdurch kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die geplante Ausgestaltung der Telearbeit und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigten zu informieren und ihm auf Verlangen die dazu erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dabei steht dem Betriebsrat die Möglichkeit offen, für die mit der Organisationsform Telearbeit einhergehenden Fragen sachkundige Arbeitnehmer und/oder Sachverständige hinzuziehen(§ 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 BetrVG). 1117
Genenger, Telearbeit
Beispiel: Von den in § 80 Abs. 1 BetrVG benannten allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats werden Aspekte der Gleichstellung (Nr. 2a) und der Förderung schutzbedürftiger Personen im Vordergrund stehen, ermöglicht doch die Telearbeit vor allem in Form der ausschließlichen Telearbeit die Einbeziehung gerade solcher Beschäftigter in das Arbeits/eben, die aus personenbedingten Gründen an ihre häusliche Wohnstätte gebunden sind. Neben den allgemeinen Informationsrechten aus § 80 Abs. 2 BetrVG können sich spezielle Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrats aus § 90 BetrVG ergeben. Die Einführung von Telearbeit wird regelmäßig Angelegenheiten betreffen, die sich auf die organisatorische und technische Gestaltung der Arbeitsplätze, das Arbeitsverfahren und die Arbeitsumgebung auswirken können (vgl. vor allem§ 90 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BetrVG). Beispiel: Einführung von Bildschirmgeräten, ED V-, Kommunikationsanlagen und Terminals (,,technische Anlagen"), Einsatz und Nutzung von Bildschirmsystemen und -geräten ("Arbeitsverfahren und -ablauf"), Auslagerung betrieblicher Arbeitsplätze bzw. Umgestaltung in Bildschirmarbeitsstätten (,,Arbeitsplätze"). In diesem Falle hat der Arbeitgeber den Betriebsrat gemäß § 90 Abs. 1 BetrVG rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen über die geplante Ausgestaltung der Telearbeit zu unterrichten. Zudem trifft den Arbeitgeber nach § 90 Abs. 2 S. 1 BetrVG die Pflicht, die in Zusammenhang mit der Telearbeit geplanten Maßnahmen so rechtzeitig mit dem Betriebsrat zu beraten, dass dessen Vorschläge und Bedenken hinsichtlich dieser Maßnahmen noch Beriicksichtigung finden können. Die Einführung von Telearbeit wird regelmäßig nicht ohne personelle Veränderungen möglich sein. Erfolgt nunmehr im Vorfeld eine Personalplanung seitens des Arbeitgebers, so ist der Betriebsrat gemäß § 92 Abs. 1 BetrVG darüber (anhand von Unterlagen) rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Dariiber hinaus hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat die erforderlichen personalpolitischen Maßnahmen zu beraten, wobei es Letzterem nach § 92 Abs. 2 BetrVG zusteht, eigene Vorstellungen hinsichtlich der Personalplanung vorzubringen. Hinweis: Die Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates sind damit in der Planungsphase auf die Wahrnehmung von Unterrichtungs- und Bera1118
Mitbestimmung
tungsrechten beschränkt. Er kann zwar umfassend Informationen über die geplanten Maßnahmen gewinnen, doch steht ihm keine Möglichkeit offen, die Einführung von Telearbeit zu verhindern oder eigene Vorschläge in Bezug auf die Ausgestaltung der Telearbeit verbindlich gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1243 f.; Bieler, Organisation von Telearbeit, Rn. 144 ff.; Blanke/Schüren!Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 212 ff.; Däubler/Kittner!Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, §§ 80, 90, 92; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, §§ 80, 90, 92; Lenk, Telearbeit, S. 185 ff.; Peter, DB 1998, 573, 577 f.; Preis-Preis, Der Arbeitsvertrag, II T 20, Rn. 73; ders., ArbeitsrechtKollektivarbeitsrecht, § 151 I, II; ders., Rechtsfragen der Telearbeit, Rn. 74 ff.; Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, §§ 80, 90, 92; Schaub-Schaub, § 163 Rn. 86 ff.; Simon/Kuhne, BB 1987, 201, 205; Wank, AuA 1998, 192, 194; Wedde, Forschungsbericht Entwicklung derTelearbeit, S. 217 ff.; ders., Telearbeit, Rn. 812 ff., 855 ff.
3.
Soziale Angelegenheiten
Berührt die Organisation von Telearbeit soziale Fragen, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 BetrVG betroffen. Im Zusammenhang mit der Einführung von Telearbeit werden regelmäßig soziale Angelegenheiten der Beschäftigten betroffen sein. In diesen Fällen steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG zu, wenn keine gesetzlichen - wie generell bei der Telearbeit - oder tariflichen Regelungen vorliegen. Mit dem Mitbestimmungsrecht geht ein Initiativrecht einher, so dass der Betriebsrat eigene Vorstellungen entwickeln und durchsetzen kann. Von den in § 87 Abs. 1 BetrVG abschließend aufgezählten Tatbeständen sind im Rahmen der Telearbeit vor allem folgende zu berücksichtigen: § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG
Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Lage der Arbeitszeit zu. Damit ist es ihm generell möglich, nicht nur auf Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen der Telearbeiter, sondern ebenso auf die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (Nr. 2) oder die vorübergehende Ausübung von Kurzarbeit oder Überstunden (Nr. 3) einzuwirken. Allerdings wird gerade bei der ausschließlichen Ausübung der Telearbeit vom häuslichen Arbeitsplatz aus eine Beteiligung des Betriebsrates zu Gunsten einer dem Telearbeiter frei gestellten Arbeitszeit- und Pausenregelung ausgeschlossen sein. Eine Einflussnahme des Betriebsrats auf die Verteilung der Arbeitszeit wird in diesen Fällen
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schon im Rahmen der Planung der Telearbeit einhergegangen sein bzw. einhergegangen sein müssen. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Des Weiteren ist die Einführung technischer Einrichtungen, die objektiv und unmittelbar geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, mitbestimmungspt1ichtig. Die objektive Eignung zur Überwachung soll nach der Rechtsprechung bereits vorliegen, wenn beispielsweise ein Computerprogramm Verhaltens- und Leistungsdaten erfasst und aufzeichnet. 32 Demzufolge ist dieser Mitbestimmungstatbestand vor allem bei der Telearbeit bedeutsam, da eine Verhaltens- und Leistungskontrolle der Beschäftigen zum einen durch die Vernctzung ihrer Bildschirmarbeitsplätze mit den Systemen des Arbeitgebers möglich ist, zum anderen regelmäßig mit der Verwendung von Software die Speicherung bestimmter Daten einhergeht. Jedenfalls wird das Mitbestimmungsrecht zum Tragen kommen, wenn der Arbeitgeber die Einfiihrung und Verwendung von zur Verhaltens- und Leistungsüberwachung bestimmten Computerprogrammen plant. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG
Die besonderen Bedingungen an den Telearbeitsplätzen können erhöhte Gesundheitsrisiken für die Beschäftigten zur Folge haben. Von Bedeutung ist daher die Mitbestimmungspflichtigkeit von Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Voraussetzung des Mitbestimmungsrechts ist das Vorliegen ausfüllungsbedürftiger gesetzlicher Schutzvorschriften, welche dem Arbeitgeber einen Handlungsspielraum hinsichtlich der Wahl verschiedener Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Telearbeiter eröffnen. Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrates können sich im Rahmen der Telearbeit insbesondere aus den Regelungsspielräumen des Arbeitsschutzgesetzes und der Bildschirmarbeitsverordnung ergeben. Zusätzliche Schutzmaßnahmen als die gesetzlich vorgesehenen kann der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht durchsetzen.
§ 87 Abs. 1 Nr. 10, 11 BetrVG Schließlich kann das Mitbestimmungsrecht bezüglich der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen (Nr. 10) und leistungsbezogenen Entgelten (Nr. 11) im Rahmen der Telearbeit relevant werden. Dem Betriebsrat wird es 32 BAG 6.12.1983 APNr. 7 zu§ 87 BetrVG 1972 ·Überwachung.
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Mitbestimmung
hierdurch beispielsweise ermöglicht, Ungleichbehandlungen zwischen der Vergütung von betrieblicher und häuslicher Telearbeit zu verhindern, eine Bezahlung nach einheitlichen Grundsätzen oder die Festlegung von Regeln für Zielvereinbarungen durchzusetzen. Zu beachten ist zudem das dem Betriebsrat nach § 91 BetrVG zustehende Initiativrecht hinsichtlich der Einführung von Ausgleichs- und Abhilfemaßnahmen, wenn die Arbeitnehmer durch Änderungen des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung, die gesicherten arbeitswissenschaftliehen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, besonders belastet werden. Die mit der Einführung von Telearbeit regelmäßig einhergehenden Änderungen von Arbeitsablauf und -umgebung können z.B. dann zu einer Belastung der Telearbeiter führen, wenn die Qualität der Bildschirmgeräte den Anforderungen der Bildschirmarbeitsverordnung widerspricht oder der Telearbeitsplatz nur bedingt ergonomischen Anforderungen entspricht. Beispiel: Die seitens des Betriebsrates gemäß § 91 BetrVG zu initiierenden Maßnahmen zur Abwendung, Milderung und zum Ausgleich von Belastungen können auf eine ergonomische Gestaltung der Arbeitsstätte, gesundheitliche Kontrollen infolge der Bildschirmarbeit, spezielle Arbeitsschutzeinrichtungen (Blendschutzeinrichtungen, u.ä.) oder Zuschläge zu Gunsten der Telearbeiter (höhere Vergütung, mehr Freizeit) gerichtet sein. Weiterführende Literatur: Albrecht, NZA 1996, 1240, 1243 f.; Bieter, Organisation von Telearbeit, Rn. 147 ff.; Blanke/Schüren/Wank/Wedde, Handbuch Neue Beschäftigungsformen, Teil 3 Rn. 227 ff.; Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, §§ 87, 91; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, §§ 87, 91; Kilian/Borsum/Hoffmeister, Forschungsbericht Telearbeit und Arbeitsrecht, S. 229 fi; Lenk, Tclcarbeit, S. 187 ff.; Peter, DB 1998, 573, 578; Preis, Arbeitsrecht - Kollektivarbcitsrccht, § 153 f.; ders., Rechtsfragen der Telearheit, Rn. 80 ff.; Richardi, Betriebsvcrfassungsgcsctz, §§ 87, 91; Simon!Kuhne, BB 1987.201,206 f.; Wedde, Telearheit, Rn. 948ft
4.
Personelle Angelegenheiten
Die Veränderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Organisation von Telearbeit kann mitbestimmungspflichtige personelle Einzelmaßnahmen zur Folge haben. Die Organisationsform Telearbeit hat nicht zwangsläufig eine Veränderung der Personalstruktur des betreffenden Betriebes oder Unternehmens zur Folge. Dennoch kann es im Rahmen der Planung und anschließenden Durch-
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Genenger, Telearbeit
fi.ihrung der Telearbeit zu personellen Einzelmaßnahmen kommen, welche die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auslösen. In der Planungsphase wird der Betriebsrat insbesondere gemäß § 92 Abs. 1 BetrVG bei der Personalplanung zu beteiligen sein. In diesem Rahmen hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die sich mit der Planung und Umsetzung der Telearbeit ergebenden personellen Maßnahmen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und diese mit ihm zu beraten. Dabei kann der Betriebsrat auch seinerseits Vorschläge bezüglich der Personalplanung machen, § 92 Abs. 2 BetrVG. Beispiel:
Verteilung des Personals auf betriebliche und außerbetriebliche Telearbeitsplätze, Nutzung der durch die neue Organisationsform gewonnenen Kapazitäten, Anfordenmgsprofile und Stellenbeschreibungen künftiger Telearbeitsplätze. Hinweis:
Ein echtes Mitbestimmungsrecht kommt dem Betriebsrat nach§ 92 BetrVG nicht zu. Seine Beteiligung ist auf die gemeinsame Beratung und das Vorbringen allgemeiner Vorschläge begrenzt, die Entscheidungsbefitgnis verbleibt dem Arbeitgeber. Bei der Umsetzung der Telearbeit kommen dem Betriebsrat demgegenüber echte Mitbestimmungsrechte zu. So können mit dem eingeführten Organisationskonzept Einstellungen neuer Beschäftigter und die Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung des vorhandenen Personals verbunden sein. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen, welche dieser aus den in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen, insbesondere bei Verstößen gegen gesetzliche, tarifliche und betriebsverfassungsrechtliche Regelungen (Nr. 1) oder bei einer zu befürchtenden Benachteiligung der betroffenen Arbeitnehmer (Nr. 4), verweigern kann. Vor allem der Tatbestand der Versetzung wird im Rahmen der Telearbeit Bedeutung erlangen, da die Auslagerung von Büroarbeit als Telearbeit regelmäßig den in § 95 Abs. 3 BetrVG genannten Voraussetzungen einer V