Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen: Arbeitsorganisation optimieren und rechtssicher umsetzen 9783748605300

Der Nachtdienst und die optimale Planung des Dienstes sind anspruchsvolle Aufgaben. Verantwortliche müssen wissen: Wie v

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Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen: Arbeitsorganisation optimieren und rechtssicher umsetzen
 9783748605300

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Michael Wipp, Peter Sausen

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen Arbeitsorganisation optimieren und rechtssicher umsetzen

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Michael Wipp, Peter Sausen

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen Arbeitsorganisation optimieren und rechtssicher umsetzen

Inhalt Inhalt4 Vorwort7

9

1 Ouantitativer Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst

10

2 Qualitativer Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst

17

3 Verfügbare Pflegezeit im Nachtdienst

21

4 Dauernachtdienst – Rollierendes System – Mischformen

23

5 Arbeitsorganisation 

25

6 Begleitende Rahmenstrukturen 

31

7 Anforderungen aus den QPR 

35

8 Anforderungen aus den „Prüfkatalogen“ der Landesheimaufsichten

39

9 Personalbemessung nach § 133 c SGB XI 

44

10 Konzeptbeispiel zur Nachtdienstorganisation

50

Teil II: Arbeitsrecht in der Praxis 

55

1 Grundlagen

56

2 Arbeitsrechtliche Ansätze

58

3 Die aufgeschlüsselten Regelungsinhalte des § 6 ArbZG

62

4 Weitere Vorgaben des ArbZG

68

5 Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge

77

6 Sommer- und Winterzeitumstellung 

78

7 Die Beteiligung des Betriebsrats

79

8 Haftungsrechtliche Aspekte des Nachtdienstes84

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Teil I: Strukturen, Prozesse und ein Konzeptbeispiel

5

Der Nachtdienstthematik kommt sowohl unter fachlicher, als auch unter aufsichtsrechtlicher Betrachtung eine ganz zentrale Bedeutung zu. Nachdem es viele Jahre diesbezüglich nahezu keine gesetzlichen und/oder vertraglichen Regelungen zu Besetzungsvorgaben speziell für den Nachtdienst gab, hat sich das inzwischen geändert. Bestehende Regelungen haben eines gemeinsam: Sie bilden nicht den nächtlichen Pflege- und Betreuungsbedarf ab, sondern sind Ausfluss von politischem Aktionismus auf Grundlage von Öffentlichkeitsdruck zum Handeln. Dabei ist zu bedenken, dass in nahezu allen Bundesländern, die spezielle Regelungen zur Besetzung des Nachtdienstes haben, diese zu einer anteiligen Reduzierung der Tagdienstbesetzung führen, weil die Erhöhung der Nachtdienstebesetzung zu Lasten des Tagdienstes erfolgte, vor dem Hintergrund, dass es einen generellen Pflegeschlüssel gibt, aus welchem heraus sich auch die Nachtdienstbesetzung speist. Pflegeschlüsseln ist gemeinsam, dass sie rein quantitativ eine Besetzung einfordern, aber keinen qualitativen Bezug haben. Hier zeichnet sich infolge des kommenden bundesweiten Personalbemessungssystems nach § 113 c SGB X eine qualifizierte Regelung ab. Die quantitative und qualitative Besetzung der Nachtdienste unter Berücksichtigung der individuellen Anforderungen der einrichtungsinternen Bewohnerstruktur und der Einbezug der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben aus Bundes- und Landesebene stellt eine nicht einfach zu realisierende Aufgabe dar. Das liegt zum einen daran, dass die externen Vorgaben – wenn überhaupt – nur sehr oberflächlich die jeweilige Klientel berücksichtigen (können), und zum andern an der Tatsache, dass die Vielfalt der heutigen konzeptionellen Angebote nicht mehr stimmig zu den meist einheitlichen bundeslandbezogenen Personalvorgaben passt. So wird in der Praxis versucht, Sachverhalte zusammenzuführen, bei denen das eigentlich nicht möglich ist. Die Verantwortlichen in den Einrichtungen müssen sich mit dieser Thematik beschäftigen. Der Nachtdienst – eine hoch anspruchsvolle Tätigkeit im Dunkeln – erfordert besonders zuverlässige und qualifizierte Mitarbeiter:innen, Letzteres nicht ausschließlich bezogen auf die formale Qualifikation. Während im Tagdienst nahezu immer auch andere Mitarbeiter auf Pflege und Betreuung mit einwirken, ist dies im Nachtdienst nur höchst begrenzt der Fall. Der Trend zu immer kleineren Pflegeeinrichtungen führt zwangsläufig dazu, dass in derlei Konzepten oftmals nur ein:e Mitarbeiter:in im Dienst ist. Von daher muss jede Pflegedienstleitung/Einrichtungsleitung ein System implementiert haben, welches einen Überblick darüber gewährleistet, welche konkreten nächtlichen Anforderungen an Pflege und Betreuung wann nachts bestehen und welcher quantitative und qualitative Mitarbeitereinsatz daraus resultiert. Der nächtlichen Bewohnerversorgung muss unzweifelhaft eine hohe Beachtung zuteilwerden. Gerade in der für manche Bewohner:innen schier endlosen Stille der Nacht ist es schwer, bei Krankheit und/oder Pflegebedürftigkeit noch mehr das Gefühl der Abhängigkeit und des Ausgeliefertseins erleben zu müssen. Mit einem flexiblen Nachtdienstpflegeschlüssel auf Basis eines Grundregelungskorridors, der zwingend auch arbeitsorganisatorische Konzepte berücksichtigt, könnte qualitativ mehr für

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Vorwort

7



die nächtliche Betreuung erreicht werden als mit starren Vorgaben, die nicht auf der Berücksichtigung des tatsächlichen nächtlichen Pflege- und Unterstützungsbedarfs beruhen. Insbesondere einer qualifizierten und verantwortungsbewussten Arbeitsorganisation, die einen 24-Stunden-Überblick in Bezug auf den insgesamt erforderlichen Interventionsbedarf für alle Bewohner:innen im Fokus hat und nicht nur in Schichtfragmenten von Früh-, Spät- und Nachtdienst denkt, kommt hier eine große Bedeutung zu. Das vorliegende Fachbuch ist ein wichtiger Praxisbegleiter für diejenigen, die für den Nachtdienst Verantwortung tragen, und alle, die im Nachtdienst arbeiten. Es greift arbeitsorganisatorische Themen auf, wie etwa die Arbeitsablaufplanung, die erforderliche Anzahl der Mitarbeiter:innen im Nachtdienst nach quantitativen, aber insbesondere qualitativen Gesichtspunkten, Regelungen der Landesheimaufsichtsbehörden in Verbindung mit Prüfkatalogen und Anforderungen aus der QPR. Aber ebenso die Vielzahl rechtlicher Problemkonstellationen – und das sind gerade im Nachtdienst nicht wenige. Angefangen bei der erforderlichen Anzahl der Bewohnerbesuche pro Nacht über das häufig angeführte „Gewohnheitsrecht“ von Mitarbeitern, die Vorlage von Attesten, die Anzahl von Nachtdienstabfolgen, Pausenregelungen bis hin zu Fragen zu Bewohnern, welche nachts unbemerkt das Haus verlassen und sich damit in eine hilflose Lage begeben, sowie Suizid und andere zentrale Nachtdienstfragestellungen. Die Autoren wünschen sich, mit diesem Fachbuch für die anspruchsvolle Tätigkeit im Nachtdienst Pflegekräften eine Hilfestellung an die Hand zu geben, damit bestehende Strukturen im Interesse aller Beteiligten – Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen – hinterfragt werden, um die knappen verfügbaren Ressourcen möglichst zielgerichtet einzusetzen. Michael Wipp, Inhaber WippCARE, www.michael-wipp.de Peter Sausen, Rechtsanwalr & Fachanwalt für Arbeitsrecht, www.steinruecke-sausen.de

8

1 Ouantitativer Mitarbeitereinsatz MERKSATZ:

Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst

Die Kenntnis der individuellen bewohnerbezogenen erforderlichen Interventionen an Pflege und Betreuung im Nachtdienst unter Einbezug von darüber hinaus anfallenden Tätigkeiten stellen die Grundlage dafür dar, beurteilen zu können, welcher quantitative Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst erforderlich ist.

Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst Zunächst unbeeinflusst von der Frage nach möglichen bundeslandspezifischen Vorgaben zur qualitativen und quantitativen Besetzung des Nachtdienstes muss jeder dafür Verantwortliche in der Einrichtung Kenntnis darüber besitzen, welcher diesbezügliche Bedarf besteht. Davon enthebt ihn keine gesetzliche Vorgabe. Speziell für den Nachtdienst haben fünf Bundesländer konkrete quantitative Besetzungsvorgaben erlassen. Die Schwankungsbreite liegt zwischen einer Pflegefachkraft für 30–45/50 Bewohner:innen; das Mittel der Bundesländer hat als indirekte Vorgabe 1 zu 50, wobei die überwiegende bundesdeutsche Regelung darin besteht, dass nachts mindestens eine Fachkraft im Dienst anwesend sein muss. Das kommende Personalbemessungssystem macht in seiner grundsätzlichen Struktur keine spezielle Aussage zum Nachtdienst. Folglich wird sich hier zeigen, wie die Bundesländer in diesem Punkt damit umgehen werden (siehe Kapitel 9). Alle bestehenden Regelungen haben eines gemeinsam: Es sind rein quantitative Besetzungsvorgaben, welche noch nicht einmal zwischen den Pflegegraden differenzieren. Sie bilden somit nicht den tatsächlichen nächtlichen Pflege- und Betreuungsbedarf ab. Besonders kritisch ist dabei anzumerken, dass diese Regelungen in den meisten Fällen zu einer anteiligen Reduzierung der Tagdienstbesetzung führen, weil die Erhöhung der Nachtdienstbesetzung zu Lasten des Tagdienstes erfolgt, da sich die Nachtdienstbesetzung aus einem gesamten Pflegeschlüssel für 24 Stunden speist. Besondere Regelungen zu der Nachtdienstbesetzung beispielhaft an 5 Bundesländern Hessen: bis 40 Bew.: 1 PFK; 41–80: 2 PK, davon 1 PFK; 81–120 Bew: 3 PK, davon 2 PFK; 121–160 Bew.: 4 PK, davon 2 PFK Baden-Württemberg: 1 zu 45 Bayern: 1 zu 30–40 Schleswig-Holstein: bis 20 Bew: 2,29 VZÄ, darüber hinaus 1 zu 20 Bremen: 1 zu 40 PFK = Pflegefachkraft; PK = Pflegekraft; VZÄ = Vollzeitäquivalente; Bew. = Bewohner:innen

10

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Die aus dem bewohnerbezogenen nächtlichen Pflege- und Betreuungsbedarf abgeleiteten erforderlichen Interventionen stellen eigentlich das wesentliche Merkmal für die erforderliche qualitative und quantitative Besetzung des Nachtdienstes dar. Gerade an der Frage, wie viele Mitarbeiter:innen im Nachtdienst eingesetzt sein müssen/sollen, scheiden sich die mehr oder weniger qualifizierten und/oder emotionalen Diskussionen. Nicht unberechtigt stellt sich die Frage nach dem quantitativen Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst neben derjenigen nach der erforderlichen Qualifikation als qualitativem Korrektiv. Betrachtet man die Nachtdienstthematik im Detail, lässt bereits der abendliche Beginn, aber analog auch das morgendliche Ende des Nachtdienstes in Verbindung mit dem Beginn des darauffolgenden Frühdienstes aussagekräftige Rückschlüsse auf die Arbeitsorganisation unter qualitativen Gesichtspunkten zu. Diese beiden Schnittstellenorganisationen stellen zentrale Parameter der qualifizierten nächtlichen Betreuung der Bewohner:innen dar. Richtet man den Blick auf den tageszeitlichen Beginn des Nachtdienstes, lässt sich relativ einfach unter Einbezug der Besetzung der Dienste von Spät- und Nachtdienst zurückrechnen, wann Abendessen und Abendversorgung stattfinden. Das bedeutet, dass ein Organisationssystem implementiert sein muss, welches auch in dem Zeitraum ca. 2 Stunden vor Beginn des Nachtdienstes und bis Abschluss des „ersten geplanten Durchgangs“ der Bewohnerversorgung innerhalb des Nachtdienstes eine konkret geplante zeitliche Abfolge dessen, was wann bei welchem Bewohner bzw. welcher Bewohnerin erfolgt, transparent darstellt. Eine arbeitsorganisatorische völlige Fehlplanung – und nicht selten praktiziert – ist, dass der Spätdienst komplett alle Bewohner:innen versorgt, als käme danach kein Dienst mehr, und infolgedessen der Nachtdienst, ungeachtet dessen, welche Leistungen davor und in welcher zeitlichen Abfolge vom Spätdienst wann bei welchem Bewohner bzw. welcher Bewohnerin erbracht wurden, mit seiner Arbeit beginnt, als wäre davor kein Dienst anwesend gewesen. Mit einer beispielsweise einfachen Planstecktafel, welche als stationäre Tourenplanung die grobe zeitliche Abfolge der Bewohnerbetreuung darstellt, lässt sich die individuelle Abfolge der erforderlichen Besuche planen und somit zeit-, ressourcenschonend, bewohner- und mitarbeiterorientiert gleichermaßen arbeiten. Bevor überhaupt über die quantitative und/oder qualitative Ausstattung der erforderlichen Besetzung im Nachtdienst nachgedacht werden kann, muss man sich über die konkrete Bewohnerklientel und deren Hilfebedarf im Klaren sein. Hier hat zumindest die bayerische Regelung Kriterien benannt, ansatzweise auch Baden-Württemberg, in anderen Bundesländern fehlen diese in den jeweiligen Verordnungen, soweit diese überhaupt vorhanden sind, völlig. Inwieweit diese Kriterien tatsächlich hilfreich sind, soll der Bewertung des Einzelnen überlassen werden; teilweise sind diese Kriterien auch noch ziemlich veraltet. Kriterien (in Kurzform dargestellt) AVPfleWoqG § 15 Abs.1: ■■

Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner mit den „Pflegestufen“ 2 und 3 überwiegen

11

Überlappungszeiten Erhebungsdatum: Anzahl

Überlappungszeiten

Einrichtung: X Montag bis Freitag Arbeitsbereich: Verantwortliche/r Mitarbeiter/in: X Samstag, Sonntag, Feiertag Bez. Arbeitszeit 17.00 18.00 19.00 20.00 21.00 22.00 23.00 00.00 01.00 02.00 03.00 04.00 05.00 06.00 07.00 08.00 09.00

Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst

Fachkraft Pflegehelfer

Schichtzeiten Spätdienst 14.00 - 22.00 Uhr 16.00 - 21.00 Uhr

S S

7,50 5,00

Fachkraft Pflegehelfer

Nachtdienst 21.00 - 7.00 Uhr 20.00 - 6.00 Uhr

N1 N2

10,00 10,00

Fachkraft Fachkraft Pflegehelfer

Frühdienst 6.30 - 14.30 Uhr 7.00 - 13.00 Uhr 6.30 - 14.30 Uhr

F F F

7,5 5,50 7,50

Spät- zu Nachtdienst u.a. Dienstübergabezeiten Essenszeiten Bewohner

Nacht- zu Frühdienst

Fachkraft Einsatz Pflegehelfer Einsatz Überlappungsbereiche markiert

Abbildung 1.1:  Überlappungszeiten Spät-, Nacht- und Frühdienst

■■ ■■ ■■ ■■

Hohe Anzahl an immobilen Bewohnerinnen und Bewohner Erkenntnisse über Unruhezustände z. B. von demenziell erkrankten Bewohnern Die Einrichtung erstreckt sich auf mehr als ein Gebäude Die Einrichtung erstreckt sich über mehr als zwei Geschosse

Kriterien Baden-Württemberg (PErsVO – Entwurf/Verordnungsbegründung): „…. dass die zuständige Behörde einen besseren Personalschlüssel (< 40) einfordern kann, wenn die Bedarfslage es erfordert.“ Als Beispiele sind genannt: ■■ ■■ ■■

12

deutlich erhöhter Pflegebedarf, Anzahl der immobilen oder demenziell erkrankten Bewohner:innen, konkrete bauliche Gestaltung.

Als quantitativ ausreichend im Sinne der heutigen personellen Stellenschlüssellogik wäre die Mindestbesetzung von 1 zu 50 mit einer Fachkraft und einem verfügbaren Zeitkontingent von 10–15 Minuten/Bewohner:in und Nacht. Dabei muss natürlich die Dauer des Nachtdienstes berücksichtigt werden, weil diese unmittelbar – bei gleicher Besetzung – das durchschnittlich verfügbare bewohnerbezogene Zeitkontingent verlängert bzw. verkürzt. Das Schaubild zeigt die genannten Überlappungszeiten von Spät- zu Nacht- und von Nacht- zu Frühdienst. In Kapitel 5 zur Arbeitsablauforganisation im Nachtdienst wird beispielhaft beschrieben, wie diese Zeiten sinnvoll für alle Beteiligten geplant werden könnten. Grundsätzlich stellen sich für die Verantwortlichen folgende Fragen, die es zu beantworten gilt: In welcher zeitlichen Abfolge fallen nachts bei welchem Bewohner/welcher Bewohnerin

Bereich

■■ ■■ ■■

welche pflegerischen/betreuenden Interventionsbedarfe mit welchem Qualifikationsbedarf und mit etwa welchem zeitlichen Umfang an?

Welche quantitative Besetzung mit welchem qualitativen Umfang resultiert daraus in einer Zeitschiene bezogen auf den konkreten Ablauf des Nachtdienstes? Welche Tätigkeiten werden im Nachtdienst durchgeführt, deren Platzierung im Nachtdienst gerechtfertigt ist oder überdacht werden sollte? Tabelle 1.1:  Übersicht zu den Nachtdienstbesetzungsregelungen, Quelle: bpa Bundesverband Aktuelle Regelungen

Grundlage

Anmerkungen

BadenWürttemberg

Es muss ständig eine Pfle- § 10 Abs. 1 LPersVO gefachkraft anwesend sein. Mindestens pro 45 Bewohner muss je eine/ein Beschäftigte/r eingesetzt werden, davon muss mindestens die Hälfte eine Pflegefachkraft sein. Von der georderten Nachtschichtbesetzung kann auf Antrag und mit vorheriger Zustimmung der Heimaufsicht abgewichen werden, wenn eine fachgerechte Pflege sichergestellt ist.

§ 10 Abs. 2 LPersVO das 1,5fache bei „Geschlossener Unterbringung“

Bayern

1 zu 30–40, konzeptabhän- AVPfleWoqG § 15 Abs. 1, ministerielles Schreiben gig und abhängig von vom 12.03.2019 Bewohnerstruktur und baulichen Gegebenheiten.

Pflegekraft muss tatsächlich tätig sein, Anwesenheits- oder Rufbereitschaft nicht ausreichend.

RheinlandPfalz

Keine konkreten Regelungen 1 zu 50 (etabliert).

---------

Zusätzlich 1 Fachkraft bei „Geschlossenem Bereich“

Saarland

In Einrichtungen mit pflegebedürftigen oder besonders betreuungsbedürftigen Bewohnerinnen oder Bewohnern muss auch bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein.

§ 6 Abs. 2 Verordnung über personelle Anforderungen für Einrichtungen nach dem Landesheimgesetz Saarland (PersVLHeimGS)

Hessen

Hessisches Ministerium f. In Einrichtungen mit pflegebedürftigen oder beson- Soziales und Integration ders betreuungsbedürftigen Bewohnerinnen oder § 7 (3) HGBPAV Bewohnern muss auch bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein.

Keine Neuerungen -------

In der Begründung zur Verordnung wird von folgenden Besetzungen im ND ausgegangen: Bis 40 Bew. 1 Pflegefachkraft (PFK), 41 – 80 Bew. 2 Pflegekräfte, davon 1 PFK;

1  Ouantitativer Mitarbeitereinsatz

Bundesland

13

Tabelle 1.1:  Übersicht zu den Nachtdienstbesetzungsregelungen, Quelle: bpa Bundesverband Bundesland

Aktuelle Regelungen

Grundlage

Hessen

Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst 14

Anmerkungen 81 – 120 Bew. 3 Pflegekräfte, davon 2 PFK; 121-160 Bew. 4 Pflegekräfte, davon 2 PFK Abhängig von den konkreten Umständen vor Ort, Abweichungen mit Zustimmung der zuständigen Behörde möglich

Nordrhein -Westfalen

Jederzeit, auch nachts und § 21, Abs. 5 Wohn- und Teilhabegesetz NRW am Wochenende mind. eine zur Leistung des konkreten Betreuungsbedarfes geeignete Fachkraft. Heimaufsicht kann bei Bedarf mehr festlegen.

Niedersachsen

Keine konkreten Regelungen.

Sachsen

In stationären Einrichtungen mit pflegebedürftigen Bewohnern muss auch bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein.

SächsBeWoG § 3; Abs. 3 Ziff. Bei mehreren Gebäuden, 2; SächsBeWoGDVO in jedem Gebäude eine § 19 Abs. 2 Pflegefachkraft

SachsenAnhalt

Mindestens eine Fachkraft im Nachtdienst, mit 100 und mehr anwesenden Bewohnern mindestens eine weitere Fachkraft, mit 200 und mehr anwesenden Bewohnern mindestens zwei weitere Fachkräfte.

§ 8 Abs. 3 WTG PersVO LSA

Hamburg

Keine konkreten Regelungen.

SchleswigHolstein

Bis 20 Plätze 2,29 VZÄ eine Pflegefachkraft; darüber hinaus 1 zu 20.

Schiedsstellenspruch/ Rahmenvertrag § 75 SGB XI; DVO § 11 Abs. 1

Bremen

Betreuungsschlüssel 1 : 40, von den Beschäftigten muss eine Person eine Fachkraft für pflegerische Betreuung sein

PersonalV zum Bremischen Wohn- u. Betreuungsgesetz, gültig ab 1.5.2019

In der SGB XI-Einrichtung muss Pflegefachkraft nachts anwesend sein, in der EGH könnte es auch eine Betreuungsfachkraft sein.

---------

Tabelle 1.1:  Übersicht zu den Nachtdienstbesetzungsregelungen, Quelle: bpa Bundesverband Aktuelle Regelungen

MecklenburgVorpommern

Keine konkreten Regelungen

Brandenburg

(1) Durch die Anwesenheit von Fachkräften muss sichergestellt sein, dass Bewohnerinnen und Bewohner zu jeder Tagesund Nachtzeit krankheitsoder behinderungsbedingt erforderlich werdende Hilfe und Unterstützung erhalten. (2) Hierfür muss in Einrichtungen, in denen sich die Bewohnerinnen und Bewohner rund um die Uhr aufhalten, auch nachts mindestens eine Fachkraft anwesend sein. (3) Die Erfüllung der Anforderung des Absatzes 1 kann auch durch den Nachweis erfolgen, dass nach dem tatsächlichen Pflege- oder Betreuungsbedarf die unverzügliche Herbeiholung einer Fachkraft in Notfallsituationen ausreicht und gewährleistet ist. Des Weiteren erbringt die Pflegeeinrichtung entsprechend dem individuellen Pflegebedarf Pflegeleistungen bei Tag und Nacht einschließlich an Sonn- und Feiertagen.

Grundlage

Anmerkungen Enthalten im Personalkorridor für Pflege & Betreuung. In der Pflegesatzvereinbarung wird die einrichtungsindividuelle Nachtwachenbesetzung festgeschrieben.

§ 5 Strukturqualitätsverordnung (SQV)

§ 12 Rahmenvertrag § 75 SGB XI

1  Ouantitativer Mitarbeitereinsatz

Bundesland

15

Tabelle 1.1:  Übersicht zu den Nachtdienstbesetzungsregelungen, Quelle: bpa Bundesverband

Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst 16

Bundesland

Aktuelle Regelungen

Grundlage

Anmerkungen

Berlin

Eine mind. 24-stündige Pflegefach-kraftpräsenz und eine (Pflege-)Hilfskraft aufgrund Anforderungen Arbeitsstättenverordnung

WTG-PersVo vom 16.05.2011 i.V.m. Rahmenvertrag gem. § 75 Abs. 1 u. 2 (2011/2017), ergänzt durch Regelungen für Personen mit besonderem pflegerischem Aufwand in den Anlagen zum RV A-E idF vom 01.06.2017.

Eine mind. 24-stündige Pflegefach-kraftpräsenz und eine (Pflege-)Hilfskraft aufgrund Anforderungen Arbeitsstättenverordnung

Thüringen

Keine konkreten Regelungen.

---------

Jedoch wird ein Orientierungswert von 1:50 bis 1:60 angenommen mit entsprechender FKQ von 50% bzw. mindestens 1 PFK

Faustregel über alle Bundesländer: Mindestens eine Pflegefachktraft als ständig anwesend. Hinweis: Regionale Vorgaben und/oder spezielle Empfehlungen/Auflagen der Aufsichtsbehörden können jeweils davon abweichen.

2 Qualitativer Mitarbeitereinsatz MERKSATZ: Die Kenntnis der individuellen bewohnerbezogenen erforderlichen Interventionen an Pflege und Betreuung im Nachtdienst unter Einbezug von darüber hinaus anfallenden Tätigkeiten stellt die Grundlage dafür dar, beurteilen zu können, welcher qualitative Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst erforderlich ist.

Im ersten Kapitel des Fachbuches ging es um die quantitative Besetzung des Nachtdienstes. Daran muss sich zwangsläufig die Frage nach den qualitativen Anforderungen an die Besetzung anschließen. Hierzu werden, wie bereits beschrieben, seitens des Gesetzgebers und/oder der Vertragspartner Kostenträgern wenig konkrete Vorgaben gemacht (siehe Kapitel 7 und 8). Das Gießkannenprinzip der aktuell noch gültigen Fachkraftquote in der Ausprägung von 1993 berücksichtigt nur oberflächlich bis gar nicht den konkreten fachlichen Pflege- und Betreuungsbedarf.

Die aus dem Pflege- und Betreuungsbedarf abgeleiteten fachlichen Anforderungen sind das wesentliche Indiz für die erforderliche Besetzung mit Fachkräften. Beispiel: Ist in der Überlappungszeit zum Nachtdienst vermehrt Behandlungspflege zu leisten oder andere fachkraftbezogene Tätigkeiten, so kann ein später Spätdienst ggf. bis 22.00 Uhr diese Zeiten mit abdecken, während in Abhängigkeit von der Größe der Einrichtung die restliche Zeit im Nachtdienst eine Fachkraft mit Helfern arbeitet. Es stellt absolut kein Qualitätsmerkmal dar, unberücksichtigt der Anforderungen aus der Klientel eine doppelte Nachtdienstbesetzung an Fachkräften vorzuhalten und dafür dieselben im Tagdienst reduzieren zu müssen. Den qualitativen Besetzungsanforderungen wird die Pflegedienstleitung gerecht, indem sie belegen kann, wann der Fachkrafteinsatz in welchem quantitativen Umfang unter Einbezug landesgesetzlicher und vertraglicher Regelungen erforderlich ist, und nicht nach unreflektiert quantitativ ausgerichteten Schichtbesetzungen handelt. Zwingende Voraussetzung zur Beurteilung des erforderlichen Fachkrafteinsatzes im Nachtdienst ist wie bereits beschrieben die detaillierte Kenntnis des nächtlichen Interventionsbedarfes; eine reine Pflegegradbetrachtung ist dazu unzureichend (siehe Tabelle 2.1, Seite 18). Die überwiegende bundesdeutsche Regelung besteht darin, dass mindestens eine Person im Nachtdienst eine Fachkraft sein muss. Bei quantitativ geforderter Besetzung, separat für den Tagdienst und für den Nachtdienst (= Schleswig-Holstein) und nicht in einem Gesamtpersonalschlüssel für 24 Stunden, kann eine Fachkraftreduktion im Tagdienst – eigentlich – nicht auftreten; dennoch führt es dazu, dass die Fachkraftbe-

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Unreflektierter Fachkrafteinsatz ist kein Qualitätsmerkmal

17

Tabelle 2.1: Studie zu Arbeitsanteilen im Nachtdienst Die Wingenfeld/Schnabel Studie aus dem Jahr 2002, der bis heute keine bekannte gleichwertige Studie in Qualität und Untersuchungsgenauigkeit gefolgt ist, zeigt für den Nachtdienst folgendes Leistungsprofil:

Unreflektierter Fachkrafteinsatz ist kein Qualitätsmerkmal

• Hilfe beim Toilettengang

33,2 %

• Lagern/Betten

19,2 %

• Orientierungs-/ged. fördernde Maßnahmen, spez. psych. Pflegeintervention, Einzelgespräche

17,6 %

• Hilfen bei der Nahrungsaufnahme

9,1 %

• Waschen

5,3 %

• Aufstehen und Zubettgehen

4,6 %

• Sonstige

11 %

setzung bei ohnehin schwieriger Arbeitsmarklage kaum zu realisieren ist. Ein Mehr an Qualität ist aus einem höheren Fachkraftanteil an der nächtlichen Versorgung ohnehin nicht grundsätzlich abzuleiten. Das belegen auch entsprechende Untersuchungen dazu. Die Aufgabenstellung besteht darin zu prüfen, welche konkreten nächtlichen Tätigkeiten anfallen, die das Tätigwerden einer Fachkraft erfordern, wie z. B. Maßnahmen im Rahmen der Behandlungspflege, spezielle Anforderungen. Tabelle 2.2:  : Studie zu Parallelen der Arbeitsanteile im Tag- und Studie Nachtdienst Die Wingenfeld/Schnabel Studie belegt auch die drei Hauptfelder in einer Aufteilung wie folgt: Hilfe bei Alltagsverrichtungen

Früh- / Spätdienst

Nachtdienst

74,7 %

74,9 %

Behandlungspflege

8,6 %

5%

Psychische Betreuung

16,7 %

20,2 %

Gesamt

100 %

100 %

Alltagsverrichtungen: Diese umfassen Hilfen bei den „gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens“ wie sie in § 14 Abs.4 SGB XI (= alter Pflegebedürftigkeitsbegriff) beschrieben waren. Behandlungspflege: Diese Definition orientiert sich an sozialrechtlichen Kriterien

18

Der Abschlussbericht aus der Studie zu dem Personalbemessungsverfahren (PeBeM) nach § 113 c SGB XI zeigt Kriterien auf, welche durchaus hilfreich sein können bei der Beurteilung, welcher Qualifikationsbedarf für welche Tätigkeiten erforderlich ist. Dort wird die Gruppe G (= Durchführung körpernaher Pflegeinterventionen) in 4 Klassen unterteilt. Diese Unterteilung ist qualifiziert erarbeitet und somit auch gut nutzbar für die jetzige Alltagspraxis, unbenommen von der Intention von PeBeM. Ebenso könnten die Aufgabenklassen C (= Durchführung komplizierter medizinisch diagnostischer und medizinisch-therapeutischer Aufgaben) und F (= Durchführung einfacher medizinisch-diagnostischer und medizinisch-therapeutischer Aufga-

ben) als neutraler, wissenschaftlich begründeter Beurteilungsmaßstab herangezogen werden (Abbildung 2.1 und 2.2). „Wenn man sich das Anforderungsprofil in der Nacht für einen typischen Wohnbereich exemplarisch anschaut, wird deutlich: 33 Prozent der Tätigkeiten in der Nacht sind typischerweise Hilfestellungen bei Toilettengängen. Für die Assistenzfunktion braucht es nicht immer und notwendigerweise eine Fachkraft. Nehmen Sie dann noch die Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme sowie orientierungsfördernde Maßnahmen hinzu, sind Sie bei ungefähr 75 Prozent der Tätigkeiten in einer ‚Regelnacht‘, für die es an sich keine Fachkraft braucht.“  Altenpflege 08/2020: Interview Prof. Dr. Thomas Klie

Abbildung 2.1: Defintion der Unterklassen in der Aufgabenklasse „Durchführung körpernaher Pflegeinterventionen“

2  Qualitativer Mitarbeitereinsatz

Das innerhalb dieses Kapitels Beschriebene macht deutlich, dass es letztlich um die Frage geht, für welche Pflege- und/oder Betreuungsinterventionen während der Dauer des Nachtdienstes welcher Qualifikationsbedarf erforderlich ist. Gleichermaßen ist dabei zu prüfen, welche der durchzuführenden Maßnahmen ebenso in den Randzeiten zum und vom Nachtdienst durchgeführt werden könnten. Ist dies der Fall, können diese von Spät- bzw. Frühdienst durchgeführt werden, soweit dies keine Beeinträchtigung der Versorgung mit der speziellen Maßnahme darstellt. Somit gilt es im Rahmen der Arbeitsablauforganisation eine mögliche Verlegung von Maßnahmen zu prüfen, die nicht zwingend zur Nachtzeit erbracht werden müssen, um den Bewohner:innen eine so weit wie möglich ungestörte Nachtruhe zu ermöglichen.

19

Unreflektierter Fachkrafteinsatz ist kein Qualitätsmerkmal

Abbildung 2.2: Klassifizierung der Interventionen

20

3 Verfügbare Pflegezeit MERKSATZ: Die einfache Betrachtung des einrichtungsintern verfügbaren durchschnittlichen Zeitkontingents/Bewohner:in im Nachtdienst im Vergleich mit den in diesem Kapitel genannten Anhaltswerten ermöglicht eine quantitative Beurteilung der eigenen internen Planung.

Aus der Kenntnis des individuellen bewohnerbezogenen nächtlichen Interventionsbedarfes kann relativ einfach neben der erforderlichen Besetzungsqualifikation auch der quantitative Bedarf ermittelt werden (Kapitel 1 und 2). Die meisten Bundesländer überlassen es neben informellen Anhaltswerten den Einrichtungen, eigenverantwortlich diese Entscheidung zu treffen (siehe Anlage Übersicht Bundesländer). Gleichwohl muss jede Pflegedienstleitung über den nächtlichen bewohnerbezogenen Pflege- und Betreuungsbedarf informiert sein, weil dieser Wert neben dem Fachkrafteinsatz einen Orientierungswert zu der generell verfügbaren Pflegezeit im Nachtdienst darstellt. Aussagekräftig ist die bereits erwähnte Wingenfeld/Schnabel Studie „Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen“ aus dem Jahre 2002. Interessant ist es, in dieser Studie zu lesen, dass im Schnitt Leistungen im Umfang von rund 12 Minuten pro Bewohner:in und Nacht erbracht werden (= 14 Prozent der Leistungen in 24 Stunden/Leistungszeit). Das ergibt einen rechnerischen Anhaltswert von 1 zu 50 (inoffizieller Anhaltswert in manchen Bundesländern zur Besetzung des Nachtdienstes). Bei einer angenommenen zeitlichen Nachtdienstdauer von 10 Stunden, 2 Mitarbeiter:innen und 100 Bewohner:innen kommen exakt 12 Minuten zustande. Das entspricht einem Schlüssel von 1 zu 50. Rechenweg: 10 Std. Dienstlänge x 60 Minuten x 2 Mitarbeiter:innen bei 100 Bewohner:innen = 1200 Minuten geteilt durch 100 Bewohner:innen = 12 Minuten/Bewohner:in/Nacht für direkte und indirekte Pflege. Witten/Herdecke kommt in der Studie „Die Nacht in deutschen Pflegeheimen“, 2015, zu dem Schluss, dass Mitarbeiter:innen im Nachtdienst für durchschnittlich 51,6 Bewohner:innen verantwortlich sind und durchschnittlich 40,3 Bewohner:innen pro Nacht versorgen. Dabei steht ihnen maximal eine Zeit von 14 Minuten zur Verfügung. Die innerhalb der 2015er-Studie genannten häufigsten Tätigkeiten im Nachtdienst entsprechen im Wesentlichen denen aus der Wingenfeld/Schnabel Studie aus 2002. Die Erkenntnis der Studie des Instituts für Psychogerontologie der Friedrich Alexander Universität in Erlangen-Nürnberg bezieht sich auch auf die Wingenfeld Studie und die PLAISIR Studie, beide aus dem Jahr 2002. Letztere ergab Messungen von durchschnittlich ca. 20 Minuten pro Bewohner:in. Die Erlanger Studie beschreibt auf Seite 19, dass bei benötigten 20 Minuten eine Pflegekraft für maximal 30 Bewohner:innen

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Formel: Nachtdienstdauer in Minuten geteilt durch die Anzahl der zu versorgenden Bewohner:innen

21

Insbesondere kann aus der Kenntnis der individuellen Anforderungen im Nachtdienst neben der erforderlichen Besetzungsqualifikation auch der quantitative Aufwand grob ermittelt werden. Konkrete Besetzungsvorgaben zum Nachtdienst haben fünf Bundesländer. Die übrigen überlassen es neben informellen Anhaltswerten den Einrichtungen eigenverantwortlich diese Entscheidung zu treffen. 1. 2. 3. 4. 5.

Baden-Württemberg Bayern Schleswig-Holstein Bremen Hessen

1 zu 45 1 zu 30-40 bis 20 Plätze 2,29 VZÄ eine Pflegefachkraft; darüber hinaus 1 zu 20 1 zu 40 1 zu 40

Abbildung 3.1: Verfügbare Pflegezeit im Nachtdienst Bundesland

Schlüssel/Anhaltswert

Baden-Württemberg

1 zu 45

Ergänzungen*

Anmerkungen

Rechenweg

13,30 Minuten/Bewohner

10 Std. x 60 Minuten/45

Bayern

1 zu 30 1 zu 40

15,00

10 Std. x 60 Minuten/40

Rheinland Pfalz

1 zu 50

12,00

20,00

10 Std. x 60 Minuten/50

Saarland Hessen

Mind. 1 PFK Bis 40 Bew. 1 PFK

15,00 Minuten

10 Std. x 60 Minuten x 1 MA/40

41- 80 2 Pflegkräfte, davon 1 PFK

15,00 Minuten

10 Std. x 60 Minuten x 2 MA/80

81 - 120 3 Pflegekräfte, davon 2 PFK

15,00 Minuten

10 Std. x 60 Minuten x 3 MA/120

15,00 Minuten

10 Std. x 60 Minuten x 4 MA/160

30 Minuten

10 Std. x 60 Minuten/20

12,00

10 Std. x 60 Minuten/50

121 - 160 4 Pflegekräfte, davon 2 PFK Nordrhein-Westafeln Niedersachsen

Mind. 1 PFK Keine konkreten Regelungen

Sachsen

Mind. 1 PFK

Sachsen-Anhalt

Mind. 1 PFK

Hamburg

Keine konkreten Regelungen

Schleswig-Holstein

1 zu 20

Mecklenburg-Vorpommern

Keine konkreten Regelungen

Brandenburg

Keine konkreten Vorgaben

Berlin Thüringen

10 Std. x 60 Minuten/30

Mind. 1 PFK Mind. 1 PFK und 1 PHK

Orientierungswert 1 zu 50

Rechengrundlage: Nachtdienstdauer 10 Stunden.

PFK = Pflegefachkraft; PHK = Pflegehilfskraft

Abbildung 3.2: Übersicht durchschnittliche Zeitkontingente/Bewohner bei einer Nachtdienstdauer von 10 Stunden im Vergleich der Bundesländer

zuständig sein kann. Die Studien gehen von 12 und 20 Minuten Versorgungsbedarf pro Bewohner:in aus. Aus dieser Befundlage ergab sich die Empfehlung, den Pflegeschlüssel im Nachtdienst bei mindestens 1 : 30–40 anzusetzen („Bayern-Regelung“).  Betrachtet man hier auch die Erkenntnisse aus der PeBeM Studie von Prof. Rothgang und Team, nach § 113 c SGB XI, so ist auch hier kein eigener Pflegeschlüssel für den Nachtdienst vorgesehen. Die verfügbare Pflegezeit hängt selbstverständlich auch von der Dauer des Nachtdienstes und der eingesetzten Mitarbeiter:innenzahl ab. Gleichwohl ist die Betrachtung der rein verfügbaren Pflegezeit eine unvollständige Betrachtung des nächtlichen Geschehens, weil der zu leistende bewohnerbezogene Interventionsbedarf und der daraus resultierende fachliche Zeitbedarf entscheidend sind. Auch hier zeigt sich, dass die reine Erfüllung von Anhalts-/Besetzungsvorgaben für den Nachtdienst durch die Behörden eine unvollständige Betrachtung des Geschehens abbilden.

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4 Dauernachtdienst – Rollierendes System – Mischformen MERKSATZ:

Wahre fachbezogene Glaubenskriege bestehen dahingehend, ob es sinnvoll ist, einen Dauernachtdienst einzusetzen oder Mitarbeiter:innen in einem rollierenden System in den Nachtdienst einzubinden oder eine Mischung aus beidem zu praktizieren. Unbestritten ist sicherlich die Tatsache, dass Mitarbeiter:innen, welche sich für einen bestimmten Dienst entscheiden, diesen in der Regel zuverlässiger durchführen, als solche, die dazu „verpflichtet“ werden, Letztere reagieren teilweise mit gezieltem „Krankwerden“. Im Rahmen der bereits genannten Witten/Herdecke Studie wurde speziell bei den Mitarbeiter:innen, die im Nachtdienst arbeiten, eine höhere Arbeitszufriedenheit mit deren spezieller Arbeitssituation festgestellt, trotz der erheblichen nächtlichen Arbeitsbelastung. Zunehmend diktiert ohnehin der Arbeitsmarkt diese Entscheidung. Sieht man einmal von dem eher geringen Anteil an Bundesländern mit quantitativen Vorgaben speziell zum Nachtdienst hinsichtlich der Besetzung ab, stellt sich eben die Frage nach der grundsätzlichen Organisationsform des Nachtdienstes. Mitarbeiter:innen, welche ständig im Nachtdienst eingesetzt sind, kennen detailliert die nächtlichen Bewohnerbedürfnisse und sie nehmen Veränderungen bei Bewohner:innen ebenso eher wahr wie auch auftretende Abweichungen von Regelsituationen im Nachtdienst, welche sporadisch eingesetzte Mitarbeiter:innen nicht erkennen oder zuordnen können. Gerade in der nächtlichen Pflegesituation hat Kontinuität und Vertrautheit eine besondere Bedeutung für die Lebensqualität von Menschen mit Pflegebedarf.

Abbildung 4.1: Umfrage zur Nachtarbeit

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Kontinuität und Vertrautheit hat gerade in der nächtlichen Pflegesituation eine besondere Bedeutung für die Lebensqualität von Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf.

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Es geht dabei keineswegs darum, ein Plädoyer für einen Dauernachtdienst zu halten, sondern um die Entscheidung einer Einrichtung, wo diese ihre Prioritäten mit der Zielrichtung Bewohner:innen setzen will. Keinesfalls darf es so sein, dass Bewohner:innen unter dem ständigen Wechsel an Mitarbeiter:innen im Nachtdienst leiden, weil eine Systematik fehlt, wie seitens der Pflegedienstleitung Dauernachtdienstmitarbeiter:innen zu führen und in eine personelle Kommunikations- und Organisationsstruktur des Pflegedienstes einzubinden sind. Gerade in größeren Einrichtungen, in welchen mehr als ein:e Mitarbeiter:in im Dauernachtdienst eingesetzt ist, sollte innerhalb des Nachtdienstteams die klare Vereinbarung bestehen, dass dieses Team sich auch bei Mitarbeiterausfall gegenseitig vertritt, und nicht Mitarbeiter:innen aus dem Tagdienst als „Lückenbüßer“ einspringen. Dazu ist eine Teamgröße erforderlich, die das zulässt – sowohl unter Berücksichtigung arbeitszeitrechtlicher Vorgaben als auch unter Bezugnahme auf deren quantitative Flexibilität hinsichtlich der jeweils erforderlichen Qualifikation. Im Rahmen einer Quartalsbesprechung (siehe Kapitel 6) des Dauernachtdienstteams werden sowohl die Nachtdienstpläne der kommenden Monate durchgesprochen, die Urlaubsplanung unter Bezugnahme auf den erforderlichen Ersatz aus dem Tagdienst und die Häufigkeit des erfolgten Einspringens im zurückliegenden Zeitraum und deren Ursachen, um bei erkennbaren Auffälligkeiten/Häufungen gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Beispielsweise kann ein:e häufig kurzfristig vor Nachtdienstantritt ausfallende:r Mitarbeiter:in nicht in diesem Team verbleiben, weil dies dauerhaft eine unkontrollierbare Belastung für die anderen darstellt. Gleichzeitig wird ersichtlich, dass es gerade in diesem Punkt besser ist, mit Mitarbeiter:innen im Nachtdienst zu arbeiten, die diese Dienstform für sich persönlich als die passende ausgewählt haben, weil sie in ihre aktuelle Lebensplanung passt und somit die Verlässlichkeit für die Nachtdienstplanung eine deutlich verlässlichere Basis erhält. Unbenommen davon sollten Mitarbeiter:innen im Nachtdienst, die immer wieder durch kurzfristige Ausfallzeiten auffällig sind, immer in kürzeren Zyklen von drei bis max. vier Nachtdiensten in Folge eingeplant werden, um die ggf. erforderliche Ersatzstellung bei deren Ausfall für die anderen Mitarbeiter:innen in Grenzen zu halten. Im Gegensatz dazu können zuverlässige Mitarbeiter:innen auf deren Wunsch unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitszeit in längeren Zyklen eingeplant werden. Entscheidend für die qualifizierte Umsetzung eines Dauernachtdienstes sind die begleitenden Rahmenstrukturen (siehe Kap. 6).

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5 Arbeitsorganisation MERKSATZ: Der Arbeitsablauforganisation im Nachtdienst muss eine hohe Beachtung zukommen. Gleichermaßen ist sie aber noch vielfach in tradierten Strukturen verhaftet ohne wirkliche Ausrichtung auf die sich inzwischen massiv veränderte Bewohnerstruktur und die daraus resultierenden Anforderungen. Nicht tradierte Arbeitsablaufstrukturen, sondern eine am Bewohnerbedarf ausgerichtete Organisation für den Nachtdienst ist erforderlich.

Betrachtet man den Nachtdienstablauf im Detail, lässt bereits der abendliche Beginn in Verbindung mit dem morgendlichen Ende des Nachtdienstes und dem darauffolgenden Frühdienst aussagekräftige Rückschlüsse auf die Arbeitsorganisation unter qualitativen Gesichtspunkten zu. Die beiden genannten Schnittstellenorganisationen stellen zentrale Parameter einer qualifizierten nächtlichen Betreuung der Bewohner:in dar. Mit dem Beginn des Nachtdienstes lässt sich relativ einfach unter Einbezug der Besetzung der Dienste von Spät- und Nachtdienst erkennen, wann Abendessen und Abendversorgung stattfinden. Das bedeutet, dass ein Organisationssystem implementiert sein muss, welches auch in dem Zeitraum ca. 2 Stunden vor Beginn des Nachtdienstes und bis Abschluss des „ersten geplanten Durchgangs“ der Bewohnerversorgung innerhalb des Nachtdienstes eine konkrete zeitliche Abfolge dessen, was wann, bei welchem Bewohner erfolgt, darstellt.

Überlappungszeiten Erhebungsdatum: Anzahl

Überlappungszeiten

Einrichtung: X Montag bis Freitag Arbeitsbereich: Verantwortliche/r Mitarbeiter/in: X Samstag, Sonntag, Feiertag Bez. Arbeitszeit 17.00 18.00 19.00 20.00 21.00 22.00 23.00 00.00 01.00 02.00 03.00 04.00 05.00 06.00 07.00 08.00 09.00

Fachkraft Pflegehelfer

Schichtzeiten Spätdienst 14.00 - 22.00 Uhr 16.00 - 21.00 Uhr

S S

7,50 5,00

Fachkraft Pflegehelfer

Nachtdienst 21.00 - 7.00 Uhr 20.00 - 6.00 Uhr

N1 N2

10,00 10,00

Fachkraft Fachkraft Pflegehelfer

Frühdienst 6.30 - 14.30 Uhr 7.00 - 13.00 Uhr 6.30 - 14.30 Uhr

F F F

7,5 5,50 7,50

Bereich

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Nächtliche Arbeitsablauforganisation und Schnittstellen

u.a. Dienstübergabezeiten Essenszeiten Bewohner Fachkraft Einsatz Pflegehelfer Einsatz Überlappungsbereiche markiert

Abbildung 5.1: Überlappungszeiten

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Überlappungszeiten der Dienste von Spät- zu Nachtdienst und von Nacht- zu Frühdienst sind zentrale Schnittstellen, welche die Frage nach einer strukturierten Arbeitsablaufplanung aufwerfen. Konkrete Maßnahmen, um den Nachtdienst mit der Zielsetzung einer adäquaten Bewohnerversorgung zu unterstützen, können beispielsweise sein:

Nächtliche Arbeitsablauforganisation und Schnittstellen

■■

Versetzte Spät-Spät- und/oder seltener Früh-/Frühdienste: Unabhängig von der Größe einer Einrichtung besteht immer die Möglichkeit, anfallende Arbeitsspitzen – vor allem am Übergang von Spät- zu Nachtdienst dienstplantechnisch zu berücksichtigen. Dies entlastet Mitarbeiter:innen und Bewohner:innen am Abend gleichermaßen.

■■

Örtliche und inhaltliche Organisation der Dienstübergaben von Spät- an Nachtdienst und von Nachtdienst an Frühdienst: Besteht hierzu eine strukturierte Ablaufregelung?

■■

Es gilt, die Abfolge und Inhalte der administrativen Tätigkeiten und der pflegerischen Versorgung in der Staffelung der Anforderungen während des Übergangs der Schnittstelle vom Spät- in den Nachtdienst und vom Nachtdienst in den Frühdienst in Bezug auf den praktizierten vs. bewohnerbezogenen Arbeitsablauf kontinuierlich zu prüfen.

■■

Überprüfung der bestehenden Arbeitsorganisation in Bezug auf anfallende Tätigkeiten Eine Verlagerung von Tätigkeiten in den Nachtdienst zur „Auslastung“ des Nachtdienstes bzw. Entlastung des Tagdienstes darf sich immer nur auf solche Tätigkeiten beziehen, welche unbenommen von einer nachlassenden nächtlichen Konzentration durchgeführt werden können.

■■

Nächtliches Waschen von Bewohner:innen stammt noch aus dem vorigen Jahrhundert mit der ganz seltenen Ausnahme biografisch orientierter nächtlicher Körperpflege.

■■

Technikeinsatz: Mitarbeiter:innen im Nachtdienst sind heute überwiegend mit Technik ausgestattet, welche den Bewohnerruf auf mobilen Endgeräten anzeigt, unbenommen vom dem aktuellen Aufenthaltsort des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin. Das hilft bei erforderlichem etagen- und gebäudeübergreifenden Fachkrafteinsatz.

■■

Anzahl der Bewohnerbesuche pro Nacht: Betrachtet man die häufig anzutreffende klassische Organisation im Nachtdienst, wird diese seit Jahrzehnten in sog. „Runden“ abgewickelt. Es stellt maximal ein tradiertes Qualitätsmerkmal dar, zu allen Bewohner:innen nachts 3 x in das Zimmer zu laufen und so deren Nachtruhe ohne Sinn und Verstand zu stören. Anhand der individuellen diesbezüglichen Bewohnerwünsche und der eingangs beschriebenen Analyse des Hilfebedarfs wird für die Organisation des Nachtdienstes festgelegt, welche Bewohner:innen wann und wie oft welchen nächtlichen Hilfebedarf haben. Berücksichtigung der Schlafphasen: Die erste Tiefschlafphase beginnt etwa eine halbe Stunde nach dem Einschlafen und hält circa 1,5 Stunden an. Deshalb

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sollen keine Aktivitäten an der Person oder in ihrem direkten Umfeld in den ersten zwei Stunden nach dem Zubettgehen durchgeführt werden. Zwischen den Tiefschlafphasen liegen die REM-Phasen (REM = Rapid Eye Movement). In dieser Phase kommt es zu gesteigerter Hirnaktivität und unwillkürlichen Augenbewegungen. Die Leichtschlaf-Stadien entsprechen dem, was als Dämmerzustand oder tiefes Ruhen beschrieben wird. Diese treten ebenso wie die Wachphasen im Alter vermehrt auf und halten länger an. Im Leichtschlaf-Stadium ist der alte Mensch durch äußere Reize leichter erweckbar. („Für eine gute Nachtruhe“/ Altenpflege 10/2019; Siegfried Huhn) Die Abfolge in der Bewohnerversorgung ergibt sich dabei grundsätzlich ■■ ■■

aus deren Gewohnheiten, Bedürfnissen und Wünschen, der notwendigen zeitlichen Abfolge des erforderlichen pflegerisch-betreuenden Interventionsbedarfes und einer Logik des gestaffelten Vorgehens der nächtlichen Besuche vor dem Hintergrund fachlicher Anforderungen.

Beispiel Planstecktafel: grobe zeitliche Abfolge der Bewohnerbetreuung mit individueller Abfolge der erforderlichen Besuche. Zeit-, ressourcenschonend, bewohner- und mitarbeiterorientiert gleichermaßen arbeiten. Die Farbgebung der Kärtchen mit den Bewohnernamen ergibt sich in abgestufter Form nach Pflegegraden. Zu dem immer einmal wieder zu hörenden Vorwurf, das Arbeiten mit Instrumenten wie einer Stecktafel sei zu starr: Starr kann nur der oder die damit umgehende Mitarbeiter:im im Denken sein, nicht das Instrument selbst. Die Tafel in diesem Beispiel ist ein Instrument zur Arbeitsorganisation und es sollte von dem bzw. der handelnden Mitarbeiter:in so viel Flexibilität erwartet werden können, dass, wenn eine geplante Leistung in diesem aktuellen Moment nicht sinnvoll, aber geplant ist, zunächst eine Leistung bei anderen Bewohner:innen vorzuziehen und die verschobene Leistung anschließend nachzuholen ist. Um aber Flexibilität in einer Arbeitsablaufplanung zu gewährleisten, muss zunächst einmal die Grundplanung definiert sein, von der im Einzelfall dann begründet abgewichen werden kann.

Beispielhafter Auszug aus einem Qualitätsmanagementhandbuch zu einer Arbeitsablauforganisation im Nachtdienst

5 Arbeitsorganisation

■■

Definition und Zielsetzungen Der qualifizierten und individuellen nächtlichen Pflege und Betreuung kommt eine hohe Bedeutung zu. Die Mitarbeiter:innen im Nachtdienst erbringen entsprechend ihrer jeweiligen Qualifikation diejenigen Pflegeleistungen, welche für einen sach- und fachgerechten Arbeitsablauf im Nachtdienst von Bedeutung sind und die Sicherheit der Bewohner:innen und den Pflegebedarf im Nachtdienst gewährleisten. Dazu zählt

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Beispielhafter Auszug aus einem Qualitätsmanagementhandbuch zu einer Arbeitsablauforganisation im Nachtdienst 28

neben den geplanten Pflege- und Betreuungsleistungen auch der Umgang mit Notfällen und besonderen Anforderungen bei Bewohner:innen mit herausforderndem Verhalten und psychischen Problemlagen. Grundlagen des Handelns sind die individuellen Maßnahmenpläne, welche auf Grundlage der SIS* erstellt sind. Die drei „Regel-Rundgänge“ stellen einen Teil der nächtlichen Arbeitsablauforganisation dar. Sie besagen nicht, dass jede: Bewohner:in 3 x besucht wird. Die individuelle Häufigkeit in Bezug auf den nächtlichen Interventionsbedarf ergibt sich aus der bewohnerbezogenen Maßnahmenplanung und ist in der gesamten Übersicht an der Planstecktafel im Dienstzimmer für jede:n Mitarbeiter:in transparent. Bezüglich der Pausenregelungen im Nachtdienst gelten die auf der Dienstplanlegende aufgeführten Regelungen. Tabelle 5.1:  Zeitfenster

Arbeitsablauf

Dok. Bezugnahme Handbuch

20:00– 20:25 Uhr

Dienstübergabe: • Spätdienst (PFK) an Nachtdienst (PFK, PH) • Einbindung der Pflegedokumentation; weiterer Übergabedokumente • Überzeugen, dass alle Bewohner:innen anwesend sind • Schlüsselübergabeprotokoll (BTM) mit Handzeichen

X.X.X

20.25– 20.40 Uhr

Hausrundgang: • Schließen aller Eingangstüren • Einschalten der Nachtbeleuchtung • Sichtkontrolle aller Räumlichkeiten (Keller, Umkleide- & Wäscheräume usw.)

X.X.X

20.40– 23.30 Uhr

1. Regel-Rundgang: • Tropfen richten & Tabletten mörsern (PFK) • Kontrollgang durch alle Bewohnerzimmer mit individueller Versorgung (Behandlungspflege, Medikamentenverabreichung, Lagerungen, Zwischenmahlzeiten, Getränkeangebot, Inkontinenzmaterialwechsel, Toilettengänge, Führen der Trink- und Bewegungsprotokolle)

X.X.X

23:30– 00:30 Uhr

PC-Dokumentation: • Kontrolle der Vollständigkeit von Eintragungen der Bewegungsund Trinkpläne (intern vereinbartes Vorgehen) • Durchgeführte Tätigkeiten abzeichnen • Besondere Vorkommnisse im Pflegebericht dokumentieren

X.X.X

01:00 – 02:30 Uhr

2. Regel-Rundgang: • Kontrollgang durch Bewohnerzimmer mit individueller Versorgung (Behandlungspflege, Lagerungen, Getränkeangebot, Inkontinenzmaterialwechsel, Toilettengänge, Führen der Trinkund Bewegungsprotokolle)

Tabelle 5.1:  Zeitfenster

Arbeitsablauf

Dok. Bezugnahme Handbuch

03:00– 04:30 Uhr

Ergänzende Tätigkeiten: • Evaluierung der Maßnahmenplanung auf Grundlage der SIS* • Reinigung der Hilfsmittel (alle 14 Tage/siehe Checkliste) • Reinigung der Kühlschränke (1x wöchentl./Nachweis) • Aufräumen der Lagerräume (1x wö./Nachweis) • Ablage der Protokolle • Aufbereitung und Bereitstellung der Pflegewagen für den Frühdienst

X.X.X

04:30– 06:00 Uhr

X.X.X 3. Regel-Rundgang: • Besuchsgang durch diejenigen Bewohnerzimmer mit individueller Versorgung (Behandlungspflege, Lagerungen, Getränkeangebot, Inkontinenzmaterialwechsel, Toilettengänge, Führen der Trinkund Bewegungsprotokolle) • Wäsche und Abfallmaterial aufräumen nach internen Regelungen

06:00– 06:30 Uhr

PC-Dokumentation: • Durchgeführte Tätigkeiten abzeichnen • Besondere Vorkommnisse im Pflegebericht dokumentieren • Übergabeprotokolle ausdrucken • Öffnen aller Eingangstüren • Nachtbeleuchtung ausschalten

X.X.X

06:30– 06:45 Uhr

Dienstübergabe: • Nachtdienst (PFK) an Frühdienst (PFK/PH) • Einbindung der Pflegedokumentation; weiterer Übergabedokumente • Überzeugen, dass alle Bewohner:innen anwesend sind • Schlüsselübergabeprotokoll (BTM) mit Handzeichen

X.X.X

■■

■■

■■ ■■

Die individuell erforderliche Anzahl an nächtlichen Bewohnerbesuchen/(„Rundgängen“) ist aus der Planstecktafel im Dienstzimmer zu ersehen; die jeweils erforderlichen Maßnahmen sind in der Pflegedokumentation/Tagesstruktur beschrieben. Von allen diensthabenden Mitarbeiter:innen im Nachtdienst sind die Eintragungen in der Pflegedokumentation gem. den Vorgaben des Qualitätshandbuchs Pflege, welches sich an dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse ausrichtet, vollständig umzusetzen. Dazu gehören insbesondere das Abzeichnen der erbrachten Leistungen, die Eintragungen im Pflegebericht sowie das vollständige Führen der bewohnerbezogenen Protokolle wie z. B. Bewegungs-, Trink- und Ernährungspläne. Bezüglich der gegebenenfalls erforderlichen Benachrichtigung von Angehörigen gelten die bewohnerbezogenen individuellen Vereinbarungen aus Dok. X.X.X Der Einsatz von Inkontinenzprodukten erfolgt gem. der individuell geplanten bewohnerbezogenen Versorgungskarte.

5 Arbeitsorganisation

Allgemeine Hinweise:

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■■ ■■ ■■ ■■

Beispielhafter Auszug aus einem Qualitätsmanagementhandbuch zu einer Arbeitsablauforganisation im Nachtdienst 30

Insbesondere die Dokumente X.X.X „Zehn-Punkte-Feuer-Alarmplan“ und X.X.X „Bewohner mit Hinlauftendenz“ sind zwingend zu beachten. Maßnahmen bei Stromausfall siehe Dok. X.X.X. Bezüglich der Hygieneanforderungen gelten die identischen Vorgaben wie im Tagdienst. Die aktualisierte Übersicht mit allen Notfallrufnummern einschließlich der Leitungskräfte der Einrichtung ist im Dienstzimmer verfügbar.

Diese Ablaufbeschreibung ist Bestandteil des Nachtdienstkonzeptes unserer Einrichtung, in welchem alle erforderlichen Regelungen und Informationen zum Nachtdienst zusammengefasst sind.

6 Begleitende Rahmenstrukturen MERKSATZ Die konsequente Einbindung von Mitarbeiter:innen, die ganz oder überwiegend im Dauernachtdienst eingesetzt sind, in die Kommunikations- und Organisationsprozesse der Einrichtung stellt eine zentrale Bedingung für ein einheitliches Vorgehen in Bezug auf eine zielgerichtete Pflege- und Betreuungssituation der Bewohner:innen dar.

Die Organisation eines Nachtdienstes, der sich überwiegend aus Dauernachtdienstmitarbeiter:innen oder solchen zusammensetzt, die überwiegend Nachtdienst durchführen, erfordert eine Reihe von begleitenden Rahmenstrukturen, welche im Folgenden skizziert werden sollen. Die Mitarbeiter:innen im Nachtdienst müssen in die gesamte Informations- und Kommunikationsstruktur eingebunden sein, welche auch Anforderungen aus dem Qualitätsmanagement umfasst. Kontinuierliche Dienstbesprechungen: Konsequente und regelmäßige Einbindung des (Dauer-) Nachtdienstes in den Informationsfluss der Einrichtung. Besprechungen können entweder ausschließlich mit dem Nachtdienstteam durchgeführt werden, wenn dieses eine Mindestanzahl umfasst, die es sinnvoll erscheinen lässt, oder durch Einbindung in die regulären Besprechungen des Tagdienstes erfolgen. Die einrichtungsinterne Kommunikationsmatrix weist das gewählte Vorgehen aus. Einbindung in die Tagdienstbesprechungen: Ist das Team zu klein für separate Nachtdienstbesprechungen, empfiehlt sich diese Variante. Dabei sollten die Abfolge und Uhrzeit dergestalt gewählt werden, dass Mitarbeiter:innen, die sich in der Nachtdienstphase befinden, nicht während dieser Phase daran teilnehmen, sondern die erforderlichen Schlaf- und Ruhezeiten Berücksichtigung finden. Einbindung in separate Nachtdienstbesprechungen: Dabei können die Besprechungen dergestalt vor den jeweiligen Beginn des Nachtdienstes gelegt werden, dass nicht immer die gleichen Mitarbeiter:innen vor dem Nachtdienstbeginn davon betroffen sind. Um die Ruhezeiten zu gewährleisten, kann es erforderlich sein, für diese Tage jeweils einen abweichenden Spätdienst zu organisieren, der Teile des Nachtdienstes noch übernimmt. Die Notwendigkeit dazu ergibt sich aus der einrichtungsinternen Lage von Beginn und Ende des Nachtdienstes. Um bei dieser Variante die Verbindung zum Tagdienst sicherzustellen, sollten zumindest die Wohnbereichsleitungen neben der Pflegedienstleitung daran teilnehmen.

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

■■

31

Innerhalb der Nachtdienstbesprechungen sollte neben den jeweils aktuellen Besprechungsinhalten als fester Tagesordnungspunkt unmittelbar die Dienstplanung mit dem Nachtdienstteam für das kommende Quartal abgestimmt und gleichermaßen die Urlaubsplanung fortlaufend für das ganze Jahr erstellt oder ggf. aktualisiert werden. Wünsche der Mitarbeiter:innen zu der Dienstplangestaltung fließen dann unmittelbar mit ein unter Berücksichtigung der für die Nachtdienstbesetzung erforderlichen Qualifikationen und deren Anzahl. Unabhängig von der gewählten Vorgehensweise gewährleistet ein Protokoll den Informationstransfer bei Urlaub Einzelner oder anderen begründeten Abwesenheiten. Dieses findet sich einsehbar im Dienstzimmer und wird von den Beteiligten verpflichtend unterschrieben. ■■

■■

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„Kontrolle“ der Arbeit im Nachtdienst: Unerlässlich sind sporadische und in regelmäßigen Abständen durchgeführte Besuche seitens der verantwortlichen Mitarbeiter:innen im Haus. Diese „Kontrollen“ müssen Bestandteil eines Gesamtkonzepts zur Qualitätssicherung im Nachtdienst sein. Diese in gewissen Abständen regelmäßig durchzuführenden Besuche belegen einerseits, dass die Verantwortlichen sich ihrer Verantwortung auch in Bezug auf den Nachtdienst bewusst sind. Gleichermaßen signalisieren sie auch den im Nachtdienst tätigen Mitarbeiter:innen gegenüber das Interesse an ihrer Tätigkeit. Der Besuch sollte unangemeldet stattfinden (Außenwirkung), aber den Mitarbeiter:innen sollte bekannt sein, dass er stattfindet. Dafür sollte auch ein ausreichendes Zeitkontingent eingeplant sein, sodass mit dem Mitarbeitenden zumindest ein kurzes Gespräch über Aktualitäten im Nachtdienst möglich ist, allerdings unter Berücksichtigung des engen Zeitkontingentes des Nachtdienstes. Thematisch umfasst dies nicht „nur“ die Bewohnerversorgung, sondern auch die erforderlichen Arbeitsrahmenstrukturen, welche dann in den regelmäßigen stattfindenden Nachtdienstbesprechungen weiter vertieft und – soweit erforderlich – möglichen Lösungen zugeführt werden. Ausdrucke von sog. „Klingelprotokollen“: Stichproben, um nachvollziehen zu können, wie lange es im Nachtdienst dauert, bis auf Rufe der Bewohner:innen reagiert wird. Die Ergebnisse werden in die in wiederkehrenden Intervallen stattfindenden Tag- und Nachtdienstbesprechungen mit einbezogen und sind Bestandteil des beschrieben QM-Konzeptes. Diese Form der Kontrolle ist nicht als Misstrauen gegenüber den Mitarbeiter:innen im Nachtdienst zu verstehen, sondern sichert die regelmäßig wieder aufkeimende Diskussion mit Heimaufsichtsbehörden und Angehörigen bezüglich der Wartezeiten auf Reaktionen der Mitarbeiter:innen hinsichtlich Bewohnerrufe in der Nacht ab. Gerade die nächtliche Situation suggeriert möglicherweise ein „endloses“ Warten. Damit sich aber alle davon Betroffenen nicht auf subjektiv empfundene Wartezeiten verlassen müssen, sondern nach Fakten handeln und

entscheiden können, ist diese Form der Qualitätssicherung unerlässlich. Die Rufprotokolle sollten auf jeden Fall gesichert und nach Durchsicht nicht entsorgt werden, um einen Nachweis darüber zu führen, wenn diese Thematik auftaucht. Unbenommen davon kann das Vorgehen auch zwischendurch im Rahmen von Angehörigenabenden ohne besonderen Grund in gewissen Abständen mit einbezogen werden, um die Sorgfalt in Bezug auf die nächtliche Versorgung der Menschen auch in diesem Punkt transparent zu gestalten. ■■

Aufgabenbeschreibung für Nachtdienstmitarbeiter:innen: Damit Mitarbeiter:innen im Nachtdienst Zeit haben, sich um die nächtliche Bewohnerversorgung zu kümmern, bedarf es einer konkreten Aufgabenbeschreibung, welche ein unreflektiertes Verlagern von Tagdiensttätigkeiten in den Nachtdienst verhindert.

Das andere ist aber die Frage, ob überhaupt Zeitkontingente dafür verfügbar sind ohne die ohnehin knappe nächtliche bewohnerbezogene Versorgungszeit weiter zu reduzieren. Dazu gehört es, wie in den Kapitel 1 und 2 beschrieben, sich über die konkreten nächtlichen Pflege- und Interventionsbedarfe der Bewohner:innen im Klaren zu sein (qualitative Ebene) und andererseits anhand der Pflegeschlüssel/Anhaltszahlen sich über das verfügbare Zeitkontingent für die Bewohner:innen bewusst zu sein (quantitative Ebene/Kapitel 3). Liegt beispielsweise die Bewohneranzahl unter der vertraglichen/gesetzlichen Vorgabe in Bezug auf den Anhaltswert aus dem Pflegeschlüssel, so könnte das darüberliegende Zeitkontingent als für anderweitige Tätigkeiten verfügbar betrachtet werden. Beispiel: Einrichtung mit 100 Bewohner:innen. Landesrechtliche Vorgabe zur Nachtdienstbesetzung: 1 zu 45; jede 2. eine Fachkraft: 100/45 = 2,22. Der Dienstplan weist pro Nacht 2 Fachkräfte und einen Helfer aus; also 3 Mitarbeiter:innen/ Nacht. Nachtdienstdauer: 10 Stunden x 3 Mitarbeiter:innen = 30 Stunden. Erforderlich: 22,2 Stunden (= 2,22 Mitarbeiter:innen x 10 Std.). Die Differenz zwischen 30 und 22,2 Stunden, ca. 8 Stunden, kann ggf. anderweitig eingesetzt werden wie z. B. für einen Einsatz im benachbarten Betreuten Wohnen. ■■

Die Einbindung in Fortbildungen muss für die Nachtdienstmitarbeiter:innen ebenso gewährleistet sein wie die zwingende Verpflichtung, dass Vorgaben, welche für den Tagdienst gelten, genauso im Nachtdienst umzusetzen sind, z. B. das Führen von Bewegungs- und Trinkplänen.

6  Begleitende Rahmenstrukturen

Nicht selten werden Tätigkeiten ungeprüft in den Nachtdienst verlagert, um scheinbar den Tagdienst zu entasten. Dabei muss aber unbedingt beachtet werden, welche Tätigkeiten vor dem Hintergrund einer physiologisch verringerten Wachheit im zeitlichen Nachtdienstverlauf dorthin verlagert werden können. Das sollte höchstens Tätigkeiten umfassen, welche gefahrlos umgesetzt werden können und bei denen eine Beeinträchtigung durch die beschriebene nächtlich nachlassende Aufmerksamkeit nicht zum Nachteil der Bewohner:innen gereicht.

33

34

■■

Mitarbeiterauswahl für den Nachtdienst: Gerade auf den Mitarbeitereinsatz im Nachtdienst muss sich die verantwortliche Pflegefachkraft in einem extrem hohen Maße verlassen können (siehe auch Kapitel 4). Dieser Mitarbeiterauswahl muss besondere Beachtung zuteilwerden. Gerade im Nachtdienst fehlt es an gegenseitiger Kontrolle durch Kollegen. Insofern bedarf es zwingend der Prüfung, welche Mitarbeiter:innen fachlich und persönlich zur Übernahme dieser Verantwortung eingesetzt werden können. Andererseits darf auch nicht übersehen werden, dass es Mitarbeiter:innen gibt, die keine „Teamplayer“ sind, aber dennoch äußerst zuverlässig ihre Arbeit durchführen. Genau für diese Mitarbeiter:innen ist das Arbeiten im Nachtdienst optimal, bei dem sie zwar, was den Ablauf und die Inhalte betrifft, nach vorgegebenen Spielregeln arbeiten, aber dennoch einen Spielraum an eigenständig-verantwortlichem Handeln haben, der weitaus größer ist als im Tagdienst.

■■

Kontrolle der kurzfristigen Ausfallzeiten im Nachtdienst: Diese sind gerade auf Grund ihrer tageszeitlichen Randlage schwierig abzudecken und bedürfen deswegen im Rahmen des Betrieblichen Ausfallmanagements sorgfältiger Beachtung. Gerade bei der Auswahl der Mitarbeiter für einen Dauernachtdienst ist es von Bedeutung, zuverlässige Mitartbeiter einzusetzen. Heute werden in der Regel keine reinen Nachtdienstarbeitsverträge mehr erstellt, sodass ein Umsetzen in den Tagdienst bei zunehmenden Ausfallzeiten im Nachtdienst durchaus möglich ist. Gerade ein häufiges Auftreten insbesondere von kurzfristigen Fehlzeiten im Nachtdienst erfordert einen Einsatz im Tagdienst aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers heraus. Ein häufig verbreiteter Irrtum ist, dass es ein Gewohnheitsrecht gäbe, welches aus einem längeren Zeitraum des Einsatzes im Nachtdienst die Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten lässt, dieses auch zukünftig zu tun.

■■

Nicht selten führt bei häufigen Fehlzeiten im Nachtdienst der vorübergehende Einsatz im Tagdienst bei Mitarbeiter:innen, die bewusst Nachtdienst machen wollen, zu einer erstaunlich schnellen Genesung. Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin hat es somit selbst in der Hand, ob seinem Wunsch entsprochen werden kann, dauerhaft im Nachtdienst zu arbeiten. Darüber hinaus empfiehlt es sich bei Mitarbeiter:innen, die immer wieder im Nachtdienst fehlen, aus Gründen des Gesundheitsschutzes, aber auch aufgrund der Frage der erforderlichen Ersatzregelung bei Ausfall generell kürzere Nachtdienstzyklen zu wählen als bei denjenigen Mitarbeiter:innen, die stabil ihren Nachtdienst verrichten und längere Zyklen favorisieren; selbstverständlich unter Beachtung arbeitszeitgesetzlicher und/oder tarifvertraglicher Regelungen.

7 Anforderungen aus den QPR MERKSATZ: Neu in den aktuellen QPR vom 17.12.2018 ist der Qualitätsaspekt „Nächtliche Versorgung“. Damit wird diese Thematik erstmalig konkret in der QPR angesprochen und lässt auch hier dem Nachtdienst die erforderliche Bedeutung zuteilwerden. Im Folgenden werden die Leitfragen aus der Anlage 1 zur QPR in Verbindung mit den Hinweisen zu den Leitfragen aus Anlage 4 der QPR besprochen.

Nächtliche Versorgung (QPR) Qualitätsaussage Die Einrichtung leistet auch in der Nacht eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung.

Leitfragen 1. Liegt eine aussagekräftige Bedarfseinschätzung und Maßnahmenplanung für die nächtliche Versorgung vor? Hinweise in der Pflegedokumentation sind nur dann erforderlich, wenn ein nächtlicher Unterstützungsbedarf besteht. Anforderung/Zielsetzung: Für die nächtliche Versorgung liegt eine aussagekräftige Bedarfseinschätzung und Maßnahmenplanung vor. Beispiele für Umsetzungsmöglichkeiten/ Maßnahmen

Beispiele für Dokumentation/ Nachweis

• Bestehende Verschiebungen / Umkehr im Schlaf- Wachrhythmus: Dokumentation, wie sich die individuelle Situation darstellt und welche geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden

Individueller Maßnahmenplan/ Tagestruktur

• Erforderliche Lagerungen: Anzahl, Häufigkeit

Bewegungsplan

• Hilfe beim Toilettengang oder der Inkontinenzversorgung: Anzahl Häufigkeit, Toilettenstuhl, Toilettengang oder Inkontinenzversorgung mit Verweis auf das spezielle Produkt

Nachweis zur nächtlichen personenbezogenen Produktauswahl.

Bezugnahme zu C- und D-Bewertungen

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Allgemeine Beschreibung Zu prüfen ist hier, inwieweit die Versorgung der versorgten Person auch die nächtlichen Probleme und Bedarfslagen berücksichtigt. Dies schließt Maßnahmen wie Lagerungen, Hilfen beim Toilettengang oder Inkontinenzversorgung ebenso ein wie den Umgang mit Verschiebungen/Umkehrungen des Rhythmus von Wachen und Schlafen oder mit Einschlafschwierigkeiten.

D3

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Nächtliche Versorgung (QPR)

Beispiele für Umsetzungsmöglichkeiten/ Maßnahmen

Beispiele für Dokumentation/ Nachweis

Bezugnahme zu C- und D-Bewertungen

• Hilfebedarf im Bereich Essen und Trinken; ggf. NaCl-Infusionen bei nicht erreichter Mindesttrinkmenge; PEG-Versorgung, Spätmahlzeit bei bestehender Demenz/Diab. mell. / kritische Ernährungssituation – Gefahr der Unterzuckerung (kann Verweis auf andere AEDL beinhalten)

Einfuhrprotokoll; Individueller Maßnahmenplan/ Tagestruktur

D1

• Anwendung von FEM

Individueller Maßnah- D 1 menplan/ Tagestruktur Beschluss/Einwilligung versorgte Person

2. Wird bei bestehenden Ein- und Durchschlafschwierigkeiten eine darauf ausgerichtete Unterstützung geleistet? Hierzu gehört auch die Frage, inwieweit eine geeignete Tagesstruktur existiert und die versorgte Person tagsüber in Aktivitäten eingebunden ist. Anforderung/Zielsetzung: Bei bestehenden Ein- und Durschlafschwierigkeiten wird eine darauf ausgerichtete Unterstützung geleistet.

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Beispiele für Umsetzungsmöglichkeiten/ Maßnahmen

Beispiele für Dokumentation/ Nachweis

Bezugnahme zu C- und D-Bewertungen

• Aktuelle diesbezügliche Problemkonstellationen sind bekannt. • Konkrete Darstellung der bewohnerbezogenen Planung in Form einer geeigneten Tagesstruktur mit Beschreibung der Aktivitäten. Berücksichtigung von: Einschlafritualen (z. B. warmer Tee oder Radio, Fernsehen an…) Individuelle Schlafenszeiten Medikamentöse Therapie (Nacht-Medikation; nicht welche, sondern generell)

Einzugsmanagement; Integrationsgesprächsprotokoll; ggf. Biografiedokumente

• Entsprechende Maßnahmen wie tagesbezogene Aktivitätenplanungen, „Nacht-Cafe“ etc. sind nachweislich geplant.

Individuelle Maßnahmenplanung/ Tagesstruktur

D2

• Bestehende Ein- und Durchschlafschwierigkeiten sind mit dem behandelnden Arzt nachweislich besprochen.

Ärztl. Kommunikation

C1

3. Berücksichtigt die Maßnahmenplanung besondere Risikosituationen während der Nacht (z. B. bei Personen mit motorisch geprägten Verhaltensauffälligkeiten)? Liegt eine solche Risikosituation vor, sollten in der Maßnahmenplanung entsprechend Hinweise (zumindest Hinweise zur notwendigen Beobachtung) enthalten sein. Anforderung/Zielsetzung: Nächtliche Verhaltensauffälligkeiten und Risikosituationen sind bekannt. Beispiele für Umsetzungsmöglichkeiten/ Maßnahmen

Beispiele für Dokumentation/ Nachweis

• Risikosituationen wie Hin- und Weglauftendenzen Individuelle während der Nachtzeit, individuelle Sturzgefahren Maßnahmenplanung vor dem Hintergrund bekannter motorischer nächtlicher Unruhe etc. sind in den vorbeugenden pflegerisch/betreuenden Interventionen aufgegriffen. • Konkrete Darstellung der geeigneten Maßnahmen zur Risiko-Minimierung, wie z. B. Anzahl der nächtlichen Besuche, Häufigkeit der Beobachtung

Bezugnahme zu C- und D-Bewertungen C2

Im Rahmen regelmäßiger Dienstbesprechung mit den Nachtdienstmitarbeiter:innen und/oder auch mit dem Tagdienst (siehe Kapitel 6) sollten diese Fragen thematisiert werden und die konkrete Umsetzung und das Vorgehen abgestimmt und dokumentiert werden. Ebenso können Fallbesprechungen bei besonders gehäuftem Auftreten beispielsweise von herausforderndem Verhalten und psychischen Problemlagen speziell im Nachtdienst eine Möglichkeit darstellen, mit solchen Schwierigkeiten fachlich qualifiziert und bewohnerbezogen umzugehen. Insbesondere in dem Qualitätsaspekt 4.3 Unterstützung von versorgten Personen mit herausfordernd erlebtem Verhalten und psychischen Problemlagen beschreibt die QPR Verhaltensweisen und psychische Problemlagen und fragt nach den eingeleiteten Interventionen bei deren Auftreten. Somit ist generell, aber auch für die nächtliche Pflege- und Betreuungssitiation abzuklären, bei welchen Bewohner:innen diese Verhaltensweisen und/oder herausfordernd erlebtes Verhalten auftritt und wie damit umzugehen ist. Alle Mitarbeiter:innen, die häufiger Nachtdienst machen, werden unmittelbar die Frage beantworten können, bei welchen Bewohner:innen wann und in welcher Häufigkeit diese Situationen auftreten. Dabei ist der Nachtdienst auf die Unterstützung der Vorgesetzten und auf eine qualifizierte ärztliche Zusammenarbeit angewiesen, weil mit den aufgeführten Verhaltensweisen nicht einfach umzugehen ist. Im Interesse der Bewohner:innen,

7  Anforderungen aus den QPR

• Die Verhaltensauffälligkeiten sind mit dem behan- Ärztl. Kommunikation delnden Arzt nachweislich besprochen: Die desbezüglichen Erfahrungen von Angehörigen sind bekannt und mit in die Maßnahmenplanung – soweit möglich – einbezogen.

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aber auch der diensthabenden Mitarbeiter:innen im Nachtdienst bedarf dies der qualifizierten Abklärung. Ganz nebenbei erfüllt dies ein Qualitätskriterium aus der QPR. Zu diesen Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen gehören:

Nächtliche Versorgung (QPR)

1. Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten 2. Nächtliche Unruhe 3. Selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten 4. Beschädigung von Gegenständen 5. Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen 6. Verbale Aggression 7. Andere vokale Auffälligkeiten 8. Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen 9. Wahnvorstellungen 10. Ängste 11. Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage 12. Sozial inadäquate Verhaltensweisen 13. Sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen Eine einfache Vorgehensweise besteht darin, die aufgeführten Verhaltensweisen und/ oder psychischen Problemlagen als eine Art Checkliste heranzuziehen und zunächst zu prüfen, bei welchen Bewohner:innen welche der genannten Auffälligkeiten und/ oder andere auftreten. Bevor ein adäquates Handeln folgen kann, muss schließlich zunächst die Frage geklärt sein, beim wem diese Themen relevant sind. Ist dies geschehen, kann für den einzelnen Bewohner oder die einzelne Bewohnerin im therapeutischen Team eine individuelle Antwort auf die Frage nach dem Umgang damit gefunden werden. Das ist bei Weitem nicht immer einfach und wird nicht in jedem Einzelfall zu einer wirklich zufriedenstellenden Lösung führen. Dennoch ist das ein adäquater und vom Aufwand her machbarer Weg der Lösungssuche. Im Rahmen des Begutachtungsinstruments, Modul 3 „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“, und der 13 Kritierien werden diese Themen abgestuft nach Ausprägung/Unterstützungsbedarf erfasst. Gerade aus Letzterem lässt sich für den Arbeitsalltag die Priorität des Handlungs-/Interventionsbedarfs ableiten. In der Anlage 4 der QPR, unter dem Qualitätsaspekt 4.3. ist unter „Hinweise zur Informationserfassung“ folgende Erläuterung nachzulesen: Es sind die wichtigsten Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen zu benennen, die einen Hilfebedarf auslösen. Ebenfalls zu benennen ist die Häufigkeit, mit der sie regelmäßig auftreten, und ein etwaiges Gefährdungspotenzial.

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8 Anforderungen aus den „Prüfkatalogen“ der Landesheimaufsichten MERKSATZ

Die Landesheimgesetze selbst machen so gut wie keine weiteren Aussagen zu der Nachtdienstthematik. In nahezu allen findet sich lediglich folgende Textpassage: Die Prüfungen können unangemeldet und zu jeder Zeit erfolgen. Prüfungen zur Nachtzeit sind nur zulässig, wenn und soweit das Überwachungsziel zu anderen Zeiten nicht erreicht werden kann. Ansonsten bestehen neben den Landesheimgesetzen die ergänzenden Verordnungen zu den Themen MindestbauVO, MitwirkungsVO und in Teilen sog. Prüfkataloge. Aufgrund ihrer inhaltlichen Bedeutung und ihrer Wichtigkeit für die Arbeitsablauforganisation im Nachtdienst wird im Folgenden näher eingegangen. So unterschiedlich wie die Personalschlüssel generell und die Besetzungsvorgaben zum Nachtdienst sind, so vielfältig zeigen sich auch die „Prüfkataloge“ der jeweiligen Landesheimaufsichtsbehörden. Betrachtet man dies genau, so zeigt sich, dass es in manchen Bundesländern keine entsprechenden Kataloge gibt, in anderen wiederum extrem umfangreiche, die aber nicht zwingend auch genutzt oder nur teilweise oder auszugsweise genutzt werden, bis hin zu dem Umstand, dass sich manche in der Überarbeitung befinden, die zum Teil gestoppt wurde und zu einem späteren Zeitpunkt oder gar nicht mehr fortgesetzt werden soll. Deswegen sind auch nicht alle Bundesländer aufgeführt. Nicht wenige sind, wie der Bearbeitungsstand zeigt, völlig veraltet und entsprechen somit nicht mehr dem heutigen fachlichen Wissensstand. Im Folgenden findet sich ein Extrakt daraus, der die beschriebene Vielfalt der Kataloge ausschließlich bezogen auf die Nachtdienstthematik berücksichtigt. Dabei sind die jeweiligen Vorgaben zu der personellen Besetzung bewusst nicht mit einbezogen worden – auf diese wird in Kapitel 1 separat eingegangen –,sondern nur allgemeine auf den Nachtdienst speziell bezogene Aussagen. Diese Zusammenstellung soll eine Übersicht darüber vermitteln, welche Anforderungen über die Besetzungsvorgaben hinaus in einigen Bundesländern und/oder bundeslandübergreifend bestehen. Des Weiteren bitten wir zu berücksichtigen, dass derlei „Kataloge“ inhaltlich nahezu ständig in „Bewegung“ sind. Deswegen ist es von großer Bedeutung die vor Ort geltenden Regelungen verfügbar zu haben

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Die Prüfkataloge der Landesheimaufsichtsbehörden enthalten in Teilen – neben möglichen Vorgaben zur Besetzung der Dienste in qualitativer und quantitativer Hinsicht – Aussagen zu Anforderungen im Nachtdienst.

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Die im Folgenden aufgeführten Ziffern innerhalb der Darstellung landesspezifischer Regelungen beziehen sich auf die Nummerierung innerhalb der „Prüfkataloge“, um im Einzelfall zur Vertiefung der Thematik diese einfacher aufzufinden. Schleswig-Holstein: Prüfrichtlinie für Regelprüfungen in der Altenpflege nach § 20 Abs. 9 Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (SbStG) Stand: 23.12.2015 2. Entspricht das Mahlzeitenangebot den Bedürfnissen und Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner? Es werden weitere Zwischenmahlzeiten angeboten. Z. B. Frühkaffee, Zwischenmahlzeit am Vormittag, Spätmahlzeit (Spätmahlzeit und Frühkaffee dienen der Verkürzung nächtlicher Nahrungskarenzen. Sie werden dem individuellen Schlaf-/Wachrhythmus der Bewohnerinnen/Bewohner entsprechend angeboten). Für Bewohnerinnen und Bewohner mit Demenz / mit der Gefahr der Unterernährung ist Zwischenverpflegung ständig (auch nachts) verfügbar. z. Bsp. Obst, Snacks, hochkalorische Trinknahrung. 3. Die Teilnahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an internen oder externen Fortbildungen kann nachgewiesen werden. 11.2 Orientiert sich die Besetzung der Arbeitsbereiche im Tages- und Wochenverlauf an den Bedürfnissen und Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner? 1 Die Tageseckzeiten ermöglichen das bedarfs- bzw. wunschgerechte Aufstehen und Zubettgehen. Tageseckzeiten: Zeiten des Wechsels von Nacht- und Frühdienst sowie von Spät- und Nachtdienst. Niedersachsen: Basis-Erhebungsbogen der Heimaufsicht für Prüfungen nach § 15 Heimgesetz (HeimG) Stand: 1.10.2007 7.2 Bei Bewohnern mit gerontopsychiatrischen Beeinträchtigungen trifft für die Einrichtung Folgendes zu 10.4 Nachtdienst: Ist gewährleistet, dass in der Nacht ausreichend Pflegefachkräfte anwesend sind? 12.4 Kontinuierliche Pflege und Versorgung der Bewohner durch die Personaleinsatzplanung b. Kontinuität in der Pflege nachts gegeben? 16.4 Zu welchen Zeiten werden die Mahlzeiten angeboten? Nachtmahlzeit von/ bis 1 Allgemeine Angaben zum Tagesablauf: Wie lange dauert es, wenn Sie klingeln, bis eine Pflegekraft kommt? 40

Nordrhein-Westfalen: Neugestaltung des Rahmenprüfkatalogs zur behördlichen Qualitätssicherung nach dem Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) 2019 Landeseinheitlicher Rahmenprüfkatalog zur Qualitätssicherung von Wohn- und Betreuungsangeboten nach § 14 des Wohn- und Teilhabegesetzes (WTG) 2.2.1 Personelle Ausstattung 5. Ist jederzeit, auch nachts und an Wochenenden, mindestens eine zur Leistung des konkreten Betreuungsbedarfs geeignete Fachkraft anwesend? 5.a. Mit wie vielen Personen sind nachts und an Wochenenden die Dienste besetzt?

Berlin: Prüfkataloge der Heimaufsicht – Prüfbereich A – Pflege/Prüfbereich B Eingliederungshilfe  (Stand: 08/2018) Gliedert sich in 19 Einzelkataloge Prüffragenkatalog A – Kapitel 10 – Mitsprache- und Einsichtsrechte 10.1.4 Für die Nacht gibt es besondere Regelungen (Nachtpförtner, Aufschaltung der Eingangsklingel in einen Wohnbereich o. Ä.) Prüffragenkatalog A – Kapitel 20 – Dienstplan Fußnote: 1 Dienstpläne für einzelne Wohnbereiche sind zulässig, ebenso eine Unterteilung in Nachtwachenpläne und gesond. Leasing-Dienstpläne o. a. Jedoch kann eine Vielzahl von Dienstplänen zu Unübersichtlichkeiten führen, birgt das Risiko von Informationsverlusten und sollte vermieden werden bzw. auf ein Mindestmaß begrenzt bleiben. 20.1.3.6 Sonderregelungen für den Nachtdienst: Sofern sich wohnbereichsübergreifende Zuständigkeiten, insbes. der Fachkräfte, nicht unmittelbar aus dem Dienstplan ergeben, sind diese deutlich für alle Beschäftigten erkennbar (Aushang o. Ä.). 20.2.1 Die Einrichtung strebt folgenden Personaleinsatz an (Einrichtung insgesamt, angestrebter Hausstandard): Fachkräfte, Hilfskräfte, Sonstige im Nachtdienst. 20.3.1 Die Stichprobe umfasste die Tage im Nachtdienst (3 Daten).

8  Anforderungen aus den „Prüfkatalogen“ der Landesheimaufsichten

16. Wie ist das nächtliche Verlassen und Betreten der Einrichtung für die Nutzerinnen und Nutzer geregelt?

20.3.2 In allen Schichten war mind. 1 Fachkraft anwesend (auch im Nachtdienst). Aufsichtsprüfungen in stationären Einrichtungen nach § 17 WTG: Nur zur Nachtzeit kann beispielsweise festgestellt werden, ob ausreichend qualifiziertes Personal für die nächtliche Pflege und Betreuung in der stationären Einrichtung anwesend ist, eine ordnungsgemäße Medikamentenverabreichung zur Nachtzeit sichergestellt ist oder unzulässige nächtliche Fixierungen vorgenommen werden.  (Stand: Juni 2012)

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Bayern: Prüfleitfaden für Einrichtungen der Pflege und für Menschen mit Behinderungen in Bayern Stand: 09.03.2012) ■■ ■■

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Hängt ein Notfallplan (insbesondere für die Nachtwache) im Dienstzimmer aus? Sind Maßnahmen zur Bewohnerüberwachung nachvollziehbar dokumentiert, wenn die Bewohnerin und der Bewohner den Notruf nicht selbst betätigen kann (v. a. nachts)? Inwieweit ist die Tagesstruktur den Bewohnern angepasst (Tag-Nacht-Umkehr)? Gibt es Zwischen- bzw. Spätmahlzeiten? Wie lange ist die Nahrungskarenz in der Nacht bzw. wie groß ist die Zeitspanne zwischen den einzelnen Mahlzeiten? Welche Speisen werden als Zwischen- bzw. Spätmahlzeiten angeboten? Wie sorgt die Einrichtung für Angebote in der Nacht (Menschen mit dementieller Veränderung), z. B. Nachtcafe mit versch. Beschäftigungsangeboten? Wann und wie lange wird die FeM angewendet (z. B. nachts oder am Wochenende, Verbindung zur Personalbesetzung)? Zumindest bei der „Hauptübergabe“ zwischen Früh- und Spätschicht sollten alle Bewohnerinnen und Bewohner angesprochen werden. Bei der Übergabe vom Nacht- auf den Frühdienst liegt der Schwerpunkt auf besonderen Vorkommnissen der Nacht und wichtigen Informationen vom Vortag. Bei der Übergabe vom Spät- auf den Nachtdienst sollten bei Beginn des Nachtwachenturnus den Pflegekräften alle Bewohner kurz vorgestellt werden. Wie ist die Besetzung im Nachtdienst? Wie wird die ärztliche Versorgung der einzelnen Bewohnerin/des einzelnen Bewohners zu außergewöhnlichen Zeiten sichergestellt, z. B. nachts oder am Wochenende? Stichwort Bewohnerschutz: Wie ist die Versorgung in der Nacht geregelt? Wie viele Notfälle gab es in der Nacht im letzten Jahr? Wenn eine Hintergrundrufbereitschaft existiert, wie oft musste diese kontaktiert werden?

Baden-Württemberg: Orientierungshilfe für die Heimaufsichtsbehörden in Baden-Württemberg für stationäre Einrichtungen für volljährige Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf  (Stand: Oktober 2020) 9.2 Voraussetzungen von FEM: Eine regelmäßige (also genehmigungspflichtige) FEM liegt unabhängig von ihrer konkreten Dauer vor, wenn die betreffende Maßnahme entweder stets zur selben Zeit (z. B. Absperren der Tür jeweils zur Nachtzeit) oder aus wiederkehrendem Anlass erfolgt (z. B. wiederholtes Einsperren des Betroffenen immer dann, wenn er die Nachtruhe stört). Hessen: Hessische Betreuungs- und Pflegeaufsicht (HBPA) Leitfaden für Prüfungen nach § 16 Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen  Stand: 10.07.2013

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Prüfleitfaden oder Kriterienkataloge – Der Begriff Kriterienkatalog macht nach Ansicht der HBPA deutlich, dass es sich nicht um eine Prüfungsrichtlinie handelt, die eine starre,

regelhaft wiederkehrende Anwendung einfordert. Vielmehr handelt es sich um einen Katalog, der als Grundlage dient, um im Rahmen einer Prüfung nach § 14 HGBP durch die regionalen Aufsichtsbehörden eine gezielte Schwerpunktsetzung zu ermöglichen. 8.1.2 Erfüllt das Dienstplansystem die formalen Anforderungen, Grundlagedes täglichen Personaleinsatzes zu sein? Früh-, Spät-, Nacht-, Teil- und Zwischendienste können nachvollziehbar unterschieden werden. 8.1.4 Werden in der täglichen Personaleinsatzplanung sowohl die fachlichen Anforderungen als auch die quantitative Personalbesetzung berücksichtigt? Die personelle Besetzung im Nachtdienst ermöglicht eine qualifizierte Betreuung.

Prüfkataloge mit verschiedenen Modulen entwickelt, einerseits für die Einrichtungen für pflegebedürftige Menschen und anderseits für Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Die Kriterienkataloge zeigen die gesamte Bandbreite der Prüfungen auf. 2.2.2 Personaleinsatz: Ist in Einrichtungen mit pflegebedürftigen Bewohnern in jedem Gebäude eine Pflegefachkraft als Nachtwache anwesend? 3.2. Qualität der Betreuung: Werden bei Bedarf durch die Einrichtung spezielle Angebote für Bewohner mit herausforderndem Verhalten angeboten? (z. B. nächtliche Betreuung) 6.1 Erhebungsbogen zur Prüfung beim Bewohner: Bewohner angetroffen: in Nachtwäsche? Hamburg: 1. Erhebungsbogen zur Prüfung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 HmbWBG  Stand: 22.02.2019 1.2 Prüfkriterien 26 Kriterium: Die Einrichtung ermöglicht es, dass Nutzerinnen und Nutzer sich jederzeit außerhalb des Hauses aufhalten können. In vielen Einrichtungen werden nachts auch die Haupttüren aus „Sicherheitsgründen“ verschlossen. Einrichtungen müssen gewährleisten, dass Personen (ohne Beschlüsse) jederzeit die Einrichtung verlassen können, ohne jemanden fragen zu müssen. Es muss zudem sichergestellt sein, dass berechtigte Personen sich selbst (z. B. mit einem Schlüssel oder Zugangscode) wieder Zutritt zur Einrichtung verschaffen können. Es ist zu berücksichtigen, dass derlei „Kataloge“ inhaltlich nahezu ständig in „Bewegung“ sind. Deswegen ist es von großer Bedeutung, die vor Ort geltenden Regelungen verfügbar zu haben.

8  Anforderungen aus den „Prüfkatalogen“ der Landesheimaufsichten

Sachsen: Kriterienkatalog für stationäre Einrichtungen gemäß § 2 SächsBeWoG  Stand: 1.10.2019

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9 Personalbemessung nach § 113 c SGB XI – Generell und die Auswirkungen auf den Nachtdienst Personalbemessung nach § 113 c SGB XI 44

MERKSATZ: Der einrichtungsintern erforderliche Qualifikationsmix wird auf Grundlage des konkreten Interventionsbedarfs gemäß PeBeM ermittelt. Bei kleineren Einrichtungen resultiert daraus auf jeden Fall mindestens eine Fachkraft im Nachtdienst (im Abschlussbericht „Personalsockel“ genannt). Bleibt zu hoffen, dass damit rein quantitativ betrachtete nächtliche Vorgaben der Aufsichtsbehörden, welche keinen direkten Bezug zum tatsächlichen Pflege- und Betreuungsbedarf haben, der Vergangenheit angehören.

Personalbemessung nach § 113 c SGB XI Während in den Kliniken die Thematik der Personaluntergrenzen, zuletzt eine PPR 2.0 (= Pflegepersonalregelung) eingeführt bzw. alternativ diskutiert wurde und danach wegen der Corona-Krise zunächst wieder aufgehoben und dann wieder angesetzt wurde, steht für den vollstationären Bereich die am 11.06.2021 vom Bundestag über das GVWG verabschiedete Personalbemessung nach § 113 c SGB XI an. Auch diese legt zumindest über die Personalanhaltswerte keine generell geltenden Personalschlüssel für Tag- bzw. Nachtschichten fest; was die Bundesländer über die Rahmenverträge nach § 75 SGB XI daraus machen bleibt abzuwarten. Vielmehr wird der einrichtungsindividuelle Personalmix mit Bezugnahme auf die Personalanhaltswerte nach § 113c SGB XI und auf Grundlage des einrichtungsinternen Care-Mix unter Einbezug der erforderlichen Interventionen ermittelt. Es wird daher künftig noch mehr als heute in der Verantwortung der Führungskräfte liegen eine bewohner- und mitarbeiterbezogene Nachtdienstorganisation zu gewährleisten, die gerade auch in der nächtlichen Situation eine qualitative und quantitative gesicherte Pflege- und Betreuung gewährleistet. Gerade für kleine Einrichtungen ist - wie bereits erwähnt - im Abschlussbericht des Projekts „Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI (PeBeM) Folgendes nachzulesen: „Auch wenn in bestimmten Zeitfenstern keine Arbeitsaufwände für Pflegefachpersonen anfallen sollten, müssen trotzdem Pflegefachpersonen vorgehalten werden, um Aufgaben der Aufgabenklasse E (vorbehaltene Tätigkeiten, Pflegeprozesssteuerung und Überwachung der Durchführungsqualität, s. u.) durchführen zu können. Außerdem kann es durch unvorhergesehene Ereignisse (Komplikationen oder Verschlechterungen

der gesundheitlichen Situation) bei den zu pflegenden Menschen jederzeit zu einem Anwachsen der Komplexität der pflegerischen Handlungsanforderungen kommen. Aufgrund von Teilbarkeitsproblemen kann die Personalmenge hier nicht ausschließlich an der Zahl der Bewohner festgemacht werden. Vielmehr müssen auch Mindestmengen als Sockel definiert werden. Schon aufgrund der Vorbehaltsaufgaben ist es fachlich notwendig, dass immer eine Pflegekraft mit Qualifikationsniveau 4 oder höher in einer Pflegeeinrichtung anwesend ist. Insbesondere in kleineren Einrichtungen können sich auf Basis des Algorithmus Personalziffern für QN 4+ ergeben, die dies nicht erlauben. Schon im Expertengremium wurde daher konsentiert, im Personalbemessungsinstrument eine Sockelpersonalmenge zu hinterlegen, die es erlaubt, in allen Schichten zumindest eine Pflegefachkraft vorzuhalten. Dies wurde im Algorithmus entsprechend umgesetzt (s. Kapitel 8).“ 6.5.1.3.2 Personalsockel für Pflegefachkräfte.

Das neue Personalbemessungssystem nach § 113 c SGB XI Im Folgenden wird ein Extrakt zu der Thematik PeBeM orientierungshalber eingefügt, das sich nicht ausschließlich mit der personellen Besetzung im Nachtdienst beschäftigt, sondern das grundsätzliche Vorgehen erläutert:

Vor dem Hintergrund stetig steigender Anforderungen, nicht nur in Bezug auf die Qualität, sondern auch seitens der Erwartungen von Angehörigen und der Öffentlichkeit, soll die personelle Ausstattung deutlich verbessert werden, um der Berufsflucht entgegenzuwirken, Mitarbeiter:innen in den Beruf zurückzuholen und Neue dafür zu gewinnen. Eine einheitliche bundesweite Struktur der Personalbemessung ist ebenso das Ziel wie auch ein Bemessungssystem, welches ohne zusätzlichen administrativen Aufwand auskommt.

Erhebung und Interventionskatalog Unter Bezugnahme auf einen eigens zuvor entwickelten Interventionskatalog, der alle in der stationären Pflege erforderlichen Leistungen abbildet, wurde im dem Zeitraum von April bis Oktober 2018 eine Beobachtungsstudie bei 1380 stationär versorgten Bewohnern zum Zweck der Datenerhebung durchgeführt. Dabei wurde sowohl nach der Ist-Leistungserbringung, also was tatsächlich durchgeführt wurde als auch nach der Soll-Leistungserbringung, also was hätte durchgeführt werden müssen, geschaut. Der Katalog umfasst 9 Interventionskategorien von denen die ersten 5 direkte pflegerische Interventionen umfassen und die übrigen 4 indirekte Interventionen. Die bisher einheitliche Fachkraftquote wird durch einrichtungsindividuelle Personalmengen und Qualifikationsmixe ersetzt.

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Arbeitsbedingungen/Einheitlichkeit/zusätzlicher Aufwand

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Kompetenzorientierte Leistungserbringung vs. starrer Fachkraftquote

Das neue Personalbemessungssystem nach § 113 c SGB XI

Insgesamt resultieren aus der Studie im Gegensatz zu heute langfristig durchgehend Pflegepersonalmehrbedarfe. Diese Personalmehrbedarfe sind dabei einrichtungsindividuell abhängig von der Bewohnerstruktur nach Pflegegraden und der Ausgangspersonalausstattung nach Bundesländern. Nach Qualifikationsniveaus differenziert zeichnet sich das Ergebnis ab, dass für Fachkräfte ein nur geringer durchschnittlicher Personalmehrbedarf besteht, der für Assistenzkräfte mit den Qualifikationsniveau 3 aber erheblich ist. Der Fachkraftanteil nimmt mit steigendem Pflegegrad zu.

8 Qualifikationsniveaus (QN) und 10 Aufgabenklassen Zur Ablösung der antiquierten Fachkraftquote hin zu einem zeitgemäßen Instrument zur Ermittlung des Fachkraftbedarfes war es erforderlich, neben der Definition der Pflegeinterventionen auch den zur jeweiligen Leistungserbringung erforderlichen Qualifikationsbedarf herzustellen. Zu diesem Zweck wurden 8 Qualifikations-Niveaus von QN 1 (= MitarbeiterInnen ohne Ausbildung, nach 4 Monaten angeleiteter Tätigkeit) über QN 4 Pflegefachperson mit beruflicher Ausbildung (3 Jahre Vollzeit) bis QN 8 (Pflegefachperson mit Promotion) definiert. Dazu wurde ein wissenschaftlich fundiertes Qualifikationsmixmodell (QMM) für die stationäre Langzeitpflege entwickelt. Im Weiteren erfolgte eine Klassifizierung der Aufgaben (= Interventionen) nach Schwierigkeitsgrad, teilweise weiter differenziert nach gesundheitlichen und pflegerischen Risiken. Es werden 10 Klassen (A – J) unterschieden. Die Interventionen sind diesen Aufgabenklassen und daraus resultierend den zur Leistungserbringung erforderlichen Mindestqualifikationsniveaus zugeordnet.

Abbildung 9.3: neue GVWG-Regelungen. Hinweis: Im Gegensatz zu der PeBeM-Studie mit 4 qualifikationsniveaus geht § 113c SGB XI nur von 3 Qualifikationsebenen aus.

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Klassifizierung der Interventionen A-J am Beispiel F Tabelle 9.2: Klassifizierung der Interventionen A-J (2. Zwischenbericht; Seite 85)

F

Klassifizierung der Interventionen

Beispiel, Erläuterungen

Mindestqualifikationsniveau

Durchführung einfacher medizinisch-diagnostischer und medizinisch-therapeutischer Aufgaben

Entsprechend Ärztl. Anordnung, z. B. Kompressionsstrümpfe anziehen, s.c.-Injektionen verabreichen

QN 3

Ermittlung der quantitativen und qualitativen einrichtungsinternen Personalausstattung Zur Ermittlung der Einrichtungsindividuellen Pflegepersonalmenge wurden alle bewohnerbezogenen erforderlichen Zeitmengen in Stunden benötigt. Diese resultieren aus den für die jeweiligen Interventionen hinterlegten Zeitmengen und werden durch den Wert der einrichtungsinternen Netto-Jahresarbeitszeit in Stunden einer Vollzeit-Pflegekraft dividiert z. Bsp. 1560,00 Stunden. Die Kenntnis darüber stellt die Voraussetzung zur Ermittlung der Personalmengen in Vollzeitäquivalenten für jede Personalkategorie QN 1-4 dar. In Bezug auf die hinterlegten pflegegradbezogenen Interventionen handelt sich um „Mischkalkulationen“ aus den Bedarfen verschiedenster Pflegebedürftiger, die im identischen Pflegegrad sind. Die Einrichtungsspezifische Ermittlung des Personal- und Qualifikationsbedarfes ergibt sich aus den Personalanhaltswerten nach § 113 c SGB XI bzw. deren Umsetzung auf Bundeslandebene. Der Abschlussbericht zu PeBeM sieht zunächst im Wesentlichen die Qualifikationsniveaus 1 - 4 vor. § 113 c SGB XI folgt dem nicht in Gänze, sondern stuft zwischen QN 2 - 4 ab, ermächtigt aber die Bundesländer analog zu dem PeBeM Abschlussbericht zwischen 1 - 4 zu differenzieren. Aus den Personalanhaltswerten im Zusammenhang mit der einrichtungsinternen Bewohnerstruktur nach Pflegegraden ergibt sich der Qualifikationsbedarf nach QN 2 - 4 in VK-Stellen. Eine dem Bedarf entsprechende Fachkraftverfügbarkeit QN 4 wird in kleineren Einrichtungen über einen Personalsockel gewährleistet (= fachliche Ergänzung). Das ist nicht zu verwechseln mit gegenwärtigen Anhaltswerten wie „1 zu 45 im Nachtdienst“. Insbesondere in kleineren Einrichtungen könnte es sich sonst aufgrund der künftig zu ermittelnden Personalbedarfe für QN 4 ergeben, dass dies nicht gewährleistet ist. Dabei geht es um Tätigkeiten der Aufgabenklasse E (vorbehaltene Tätigkeiten, Pflegeprozesssteuerung und Überwachung der Durchführungsqualität) analog zu § 4 PflBG.

9  Personalbemessung nach § 113 c SGB XI – Generell und die Auswirkungen auf den Nachtdienst

Erläuterung: Einfache Aufgaben sind dadurch gekennzeichnet, dass sie anhand von feststehenden Handlungsalgorithmen durchgeführt werden können und ihre potenzielle Gefährlichkeit eher gering ist. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK 2012) legt in einem Eckpunktepapier fest, dass Pflegehelfer*innen und –assistent*innen im Rahmen der Ausbildung zur selbstständigen Durchführung dieser Aufgaben unter Anleitung und Überwachung von Pflegefachpersonen befähigt werden sollen.

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Aufgabenfelder – kompetenzbasierte Interventionen

Das neue Personalbemessungssystem nach § 113 c SGB XI

Durch die kompetenzorientierte Zuordnung der Interventionen zu den Qualifikationsniveaus mit einem quantitativen Anstieg der 1jährig ausgebildeten Mitarbeiter kommt es zu einer Verschiebung der Tätigkeiten im bisherigen Sinne. Mit der Implementierung eines bedarfsorientierten Qualifikationsmix ergeben sich aber für alle Pflegenden notwendige Umstrukturierungen ihrer Aufgabenfelder. Dabei müssen sich die Pflegefachkräfte zukünftig vorrangig auf Fachkraftaufgaben konzentrieren, während die Erbringung von Aufgaben, die keine Fachkräfte erfordern, gezielt durch Hilfskräfte QN 1 bzw.2 und 3 erfolgen werden. Dies erfordert ein Aufbrechen der etablierten und oftmals wenig kompetenz-orientierten Arbeits- und Organisationsprozesse in den Einrichtungen sowie eine Festigung der neuen Aufgabenteilung im Kontext des spezifischen Qualifikationsmix durch gezielte Personalentwicklungsprozesse. (2. Zwischenbericht, Seite 350) Vorrangige Aufgaben der Pflegefachkräfte u.a. QQ Vorbehaltsaufgaben nach dem PflBG QQ komplexe Pflegeanforderungen QQ die Koordination, Anleitung und Überwachung der Hilfskräfte

Nach Lehmann et al. (2019: 2 und 210) und auch anhand der empirischen Ergebnisse der vorliegenden Studie ist festzustellen, dass in Deutschland vielfach von Pflegefachkräften Tätigkeiten übernommen werden, die in anderen Ländern explizit durch pflegerische Hilfskräfte oder andere Assistenzberufe erbracht werden.

Länderspezifische Umsetzung Bleibt zu hoffen, dass mit der Einführung des neuen Personalbemessungssystem in Verbindung mit den neuen Personalanhaltswerten nach 113 c SGB XI nicht ein weiterer Flickenteppich entsteht, wie das gegenwärtig bei den Pflegeschlüsseln der Fall ist.

Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG) (5) Abweichend von § 75 Absatz 3 Satz 1 sind in den Rahmenverträgen nach § 75 Absatz 1 ab dem 1. Juli 2023 für die vollstationäre Pflege unter Berücksichtigung der Personalanhaltswerte nach Absatz 1 insbesondere zu regeln: 1. die mindestens zu vereinbarende personelle Ausstattung, die sich aus den Personalanhaltszahlen für das Pflege- und Betreuungspersonal einschließlich des Anteils der ausgebildeten Fachkräfte aus den Vorgaben der zum 30. Juni 2023 geltenden Rahmenverträge nach § 75 Absatz 1 in Verbindung mit landesrechtlichen Vorgaben ergibt; dabei sind auch die Pflegesituation in der Nacht sowie Besonderheiten in Bezug auf Einrichtungsgrößen und Einrichtungskonzeptionen einzubeziehen, 2. besondere Personalbedarfe beispielsweise für die Pflegedienstleitung, für die Qualitätsbeauftragte oder für die Praxisanleitung,

Abbildung 9.3: neue GVWG-Regelungen. 48

Bezogen auf den Nachtdienst bietet sich aktuell durch die zusätzlichen Fachkraft- und Hilfskraftstellen die Möglichkeit sowohl der Entlastung von Mitarbeitern als auch zur qualitätsgesicherten nächtlichen Pflege und Betreuung der Bewohner. Bei einer Nachtdienstbesetzung, die aktuell nur aus einer Person besteht kann bei entsprechender Stellenerhöhung sowohl über das Fachkraft- und/oder das Hilfskraftstellenprogramm auf eine Zweier Besetzung angehoben werden ohne dadurch den Tagdienst besetzungsmäßig reduzieren zu müssen. Diese Möglichkeit besteht in Verbindung mit dem Fachkraftstellen (§ 8 Abs. 6 SGB XI) und dem Hilfskraftstellen (§ 84 Abs. 9 SGB XI/= 1. Personalausbaustufe) - bei vorliegenden Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Personalanhaltswerte bei Pflegesatzvereinbarungen bis Juli 2023. Danach besteht diese Möglichkeit nicht mehr. Die konkrete Mehrpersonalisierung lässt sich einrichtungsbezogen über die Anhaltswerte nach § 113 c SGB XI ermitteln und der gegenwärtig vertraglich vereinbarten Personalmenge gegenüberstellen. Daraus lässt sich schon heute erkennen, welche Auswirkungen die 2. Ausbaustufe nach § 113 c SGB XI ab Juli 2023 haben wird. Dabei gilt es die aktuell zusätzlichen Fach- und Hilfskraftstellen, die über die vereinbarten Stellenschlüssel hinaus zur Verfügung stehen, in den Vergleich mit einzubeziehen, sofern die eigene Einrichtung diese in Anspruch genommen hat. Diese zusätzlichen Stellen gehen in den Personalanhaltswerten bei Pflegesatzvereinbarungen ab Juli 2023 mit ein. Die zusätzlichen Betreuungskräfte nach § 43 b SGB XI dagegen sind davon unbenommen und stehen zumindest zunächst zur Verfügung. Die neue Personalbemessung legt in § 113 c SGB XI somit keine generell geltenden Personalschlüssel für Dienste oder Tag- bzw. Nachtschichten fest. Vielmehr wird der Einrichtungsindividuelle quantitative und qualitative Personalbedarf auf Grundlage der genannten Faktoren ermittelt. Es wird daher künftig noch mehr als heute in der Verantwortung der handelnden Führungskräfte liegen, eine bewohner- und mitarbeiterbezogene Dienst- und Einsatzplanung zu gewährleisten, die allerdings künftig mit verbesserten quantitativen Bedingungen und gleichzeitig hoher Verantwortung für darauf abgestimmte einrichtungsbezogene Strukturen und Prozesse einhergeht.

9  Personalbemessung nach § 113 c SGB XI – Generell und die Auswirkungen auf den Nachtdienst

Nachtdienstbesetzung verstärken

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10 Konzeptbeispiel Arbeitsorganisation Nachtdienst MERKSATZ: Präambel

In dem einrichtungsinternen Konzept zum Nachtdienst werden qualitative und quantitative Aspekte bearbeitet und somit für alle Beteiligten transparent gemacht. Gerade vor dem Hintergrund der oftmals langen Nachtdienstdauer und der vielfältigen Herausforderungen im Nachtdienst erscheint dies absolut notwendig.

Im Folgenden wird beispielhaft beschrieben, welche Inhalte ein derartiges Konzept umfassen sollte und welchen Nutzen es hat. Es kann zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter:innen hilfreich sein, das eigene interne nachtdienstbezogene Handeln einer kritischen Reflexion und Bestandsaufnahme zu unterziehen, was gleichermaßen eine Absicherung darstellen kann, weil vor Zwischenfällen niemand sicher sein kann, auch bei noch so qualifizierten Organisationsstrukturen. Auf Sachverhalte innerhalb des Konzeptes, welche bereits an anderer Stelle im einrichtungsinternen Qualitätsmanagement beschrieben sind, wird nur durch Querverweis eingegangen, um Doppelungen zu vermeiden. Daran schließen sich Erläuterungen zu einzelnen Kapiteln an. Diese sollen als Hilfestellungen/Anregungen bei der einrichtungsindividuellen Konzepterstellung dienen.

Präambel Der nächtlichen Bewohnerversorgung muss unzweifelhaft eine hohe Beachtung zuteilwerden. Gerade in der für manche Bewohner:innen schier endlosen Stille der Nacht ist es schwer, bei Krankheit und/oder Pflegebedürftigkeit verstärkt das subjektive Gefühl der Abhängigkeit und des Ausgeliefertseins erleben zu müssen. Das vorliegende einrichtungsinterne Konzept zur nächtlichen Versorgung mit den u. a. hier beschriebenen Sachverhalten kommt Mitarbeiter:innen und Bewohner:innen gleichermaßen zugute, dient der Absicherung bei Zwischenfällen und zeigt, dass die Führungskräfte der Einrichtung sich der besonderen Verantwortung für den Nachtdienst bewusst sind.

Inhaltsverzeichnis Konzept

50

1. 2. 3. 4. 5.

Aussagen zur Bewohnerstruktur (Case-Mix) Prozess Ablauf Nachtdienstorganisation Aufgabenbeschreibung nach Qualifikationen Bewohnerbezogene Maßnahmenplanung für den Nachtdienst a) Qualitative und quantitative Besetzung im Nachtdienst b) Ausfallmanagement im Nachtdienst

Generell gültige Standards und Verfahrensregelungen aus dem Einrichtungsinternen Qualitätsmanagement sind in diesem Konzept nicht explizit erwähnt, sondern grundsätzlicher Bestandteil der Maßnahmen.

Anlage: Checkliste nächtliches Audit Erstellung des Konzeptes/Arbeitshilfe Als Arbeitshilfe wird hier nur auf einzelne Punkte eingegangen werden. Gleichermaßen sollen diese ergänzenden Informationen eine Hilfestellung zur Konzepterarbeitung bieten. X. Aussagen zur Bewohnerstruktur: Bewohneranzahl, spezielles Bewohnerklientel, Bewohneranzahl und Pflegegradstruktur

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

6. Gesetzliche und vertragliche Vorgaben/Anforderungen c) Rahmenverträge § 75 SGB XI d) Prüfkataloge der Heimaufsichtsbehörden 7. Wahrnehmung der Fachaufsicht a) Erstellung des Nachtdienstplanes b) Nächtliche Kontrollbesuche c) Auswertung von Rufanlagenprotokollen d) Einbezug Nachtdienstmitarbeiter:innen in Fortbildungen/Besprechungen e) Information Einrichtungsleitung/Pflegedienstleitung/Geschäftsführung: Anlässe 8. Vorgehen bei besonderen Anforderungen a) Risikosituationen während der Nacht (z. B. Hinlauftendenz) b) Ein- und Durchschlafschwierigkeiten c) Nächtliche FeM d) Ärztliche Versorgung e) Feuer-/Brandsituationen f ) Ausfall/Nutzung Aufzüge g) Krankenhauseinweisungen h) Notfallkontaktliste i) Information von Angehörigen 9. Vorgehen bei sterbenden Bewohnern/Einbezug Hospiz a) Suizid 10. Medikamentöse Versorgung 11. Schließen/Öffnen der Eingangstüren

X. Prozess Ablauf Nachtdienstorganisation: Siehe Beispiel in diesem Fachbuch unter den Anlagen X. Aufgabenbeschreibung nach Qualifikationen: Welche Qualifikation/Funktion nimmt welche Pflege- und Betreuungsaufgaben im Nachtdienst wahr, sofern mehrere Mitarbeiter:innen im Einsatz sind (ggf. Verweis auf

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Aufgabenbeschreibungen/Ablaufbeschreibungen; ggf. Besonderheiten/Abweichungen im Nachtdienst erläutern)? X. Bewohnerbezogene Maßnahmenplanung für den Nachtdienst Beschreibungen des konkreten nächtlichen Pflege- und Betreuungsbedarfs analog QPR 3.3 im Rahmen des Strukturmodells X. Qualitative und quantitative Besetzung im Nachtdienst Beschreibung der Regelbesetzung im Nachtdienst nach Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter:innen, Qualifikationen und der jeweiligen Dienstlängen (Beginn/Ende) X. Ausfallmanagement im Nachtdienst Wie wird verfahren, wenn Mitarbeiter:innen kurzfristig ausfallen? Zum Beispiel Verlängerung des Spätdienstes, früherer Beginn des Frühdienstes, welche Tätigkeiten könnten nachts entfallen?, ergänzende Rufbereitschaftsregelungen in Abhängigkeit von der Anzahl der Mitarbeiter:innen im Nachtdienst etc. X. Gesetzliche und vertragliche Vorgaben/Anforderungen Welche gesetzlichen und/oder vertraglichen Vorgaben bestehen speziell mit Hinblick auf den Nachtdienst? Inwieweit sind diese bekannt und in das vorliegende Konzept eingebunden: Regelungen aus den landesspezifischen Rahmenverträge § 75 SGB XI und oder aus den Prüfkatalogen der Heimaufsichtsbehörden? X. Wahrnehmung der Fachaufsicht In Verbindung mit der Aufgabenverteilung im Nachtdienst stellt sich die Frage, in welcher Form beispielsweise die erforderliche Fachaufsicht wahrgenommen wird. Dazu bieten sich folgende Möglichkeiten beispielhaft an: nächtliche Kontrollbesuche, Auswertung von Rufanlagenprotokollen, Einbezug Nachtdienstmitarbeiter:innen in Fortbildungen/Besprechungen etc. Regelungen zu der Frage, bei welchen nächtlichen Vorkommnissen die Einrichtungsleitung/Pflegedienstleitung/Geschäftsführung zwingend informiert werden muss, wie z. B. Suizid eines Bewohners oder einer Bewohnerin , Bewohner:in hat das Haus verlassen und ist nicht zu finden X. Vorgehen bei besonderen Anforderungen Es wird festgelegt, wie mit Risikosituationen während der Nacht (z. B. Hinlauftendenz) umgegangen wird. Ebenso in Bezug auf die unter Spiegelstrichen aufgeführten Themen, die zwingend fester Konzeptbestandteil sein sollten, gleichermaßen aber auch überwiegend für den Tagdienst geregelt sein müssen. a) b) c) d) e) 52

Ein- und Durchschlafschwierigkeiten Nächtliche FeM Nächtliche ärztliche Versorgung Feuer-/Brandsituationen Ausfall/Nutzung Aufzüge

f ) Krankenhauseinweisungen g) Notfallkontaktliste h) Information von Angehörigen

X. Vorgehen bei sterbenden Bewohner:innen/Einbezug Hospiz Das Konzept zur Begleitung Sterbender und deren Angehöriger nach der QPR v. 17.12.2028 Ziffer 6.2 muss in Bezug auf die nächtliche Situation entsprechende Ausführungen enthalten, damit der Nachtdienst nicht auf sich alleine gestellt ist und eine adäquate Begleitung des Bewohners oder der Bewohnerin nicht verunmöglicht ist. X. Medikamentöse Versorgung Regelungen zur medikamentösen Versorgung der Bewohner:innen unterscheiden sich normalerweise nicht von denen des Tagdienstes, insofern kann darauf Bezug genommen werden bzw. Abweichungen beschrieben.

10  Konzeptbeispiel Arbeitsorganisation Nachtdienst

X. Schließen/Öffnen der Eingangstüren Das Schließen/Öffnen der Eingangstüren muss vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass für die Bewohner:innen grundsätzlich die Möglichkeit bestehen muss, die Einrichtung verlassen zu können. Andererseits ist aber auch gleichzeitig der Bewohnerschutz vor unerlaubtem nächtlichem Betreten der Einrichtung mit zu bedenken. Aussagen dazu sollten in dem Konzept verankert sein. Generell gültige Standards und Verfahrensregelungen aus dem einrichtungsinternen Qualitätsmanagement sind in diesem Konzept nicht explizit ergänzend erwähnt, sondern grundsätzlicher Bestandteil der Maßnahmen; Querverweise auf entsprechende Dokumente erleichtern die Bezugnahme.

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1 Grundlagen

Gesundheitliche Auswirkungen

Die Arbeit im Nachtdienst stellt Pflegekräfte und damit das Einrichtungsmanagement vor besondere Herausforderungen. Es ist bekannt und arbeitsmedizinisch nachgewiesen, dass Nachtarbeit für die Beschäftigten besonders anstrengend ist und insgesamt ein gesundheitliches Risiko darstellt. Nachtarbeit führt nicht automatisch zu Krankheiten der in Nachtarbeit Beschäftigten, sie ist aber erwiesenermaßen ein zusätzlicher Risikofaktor. Arbeitswissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Gesundheitszustand von Nachtarbeitnehmer:innen im durchschnittlichen Vergleich zu Tagschichtarbeitenden schlechter ist. Wer nachts arbeitet, hat das höhere gesundheitliche Risiko. Folgerichtig stellte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1992 fest, dass Nachtarbeit gesundheitsschädlich ist.

Gesundheitliche Auswirkungen Schichtarbeiterinnen arbeiten und schlafen gegen die innere Uhr. Denn Geist und Körper sind tagsüber auf Leistung eingestellt, nachts aber auf Erholung und Ruhe. Faktisch alle Körperfunktionen des Menschen unterliegen diesem Tag-Nacht-Wechsel (dem sogenannten zirkadianen Rhythmus). Durch die Störungen des biologischen Tagesrhythmus sind Nacht- und Schichtarbeitende nachweislich einer besonderen gesundheitlichen Belastung ausgesetzt. Nachts funktioniert der Mensch anders, die Leistungskraft ist herabgesetzt und viele Funktionen wie z. B. das Herz-Kreislauf-System, das Nervensystem, der Stoffwechsel und die Verdauung arbeiten nach den medizinischen Erkenntnissen reduzierter. Da Nachtschichtarbeitende ihren Schlaf tagsüber finden müssen, kommt es bei Nachtarbeitenden zu weniger Tiefschlafphasen und einer insgesamt kürzeren Schlafdauer. Hinzu kommt, dass Nachtarbeiter zu Zeiten schlafen müssen, wenn Störungen im Umfeld (wie beispielsweise Lärm) am größten sind, weshalb der Schlaf insgesamt weniger erholsam ist. Schlafschwierigkeiten gelten oft als Grundursache vieler anderer Probleme der Nachtarbeit. Nachtarbeit ist letztlich mit einer nicht unerheblichen Beanspruchung für den Körper verbunden, mit einem sich hieraus ergebenden erhöhten Unfallrisiko in der Nacht.

Soziale Auswirkungen

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Mit der Nachtarbeit gehen für die betroffenen Beschäftigten viele Änderungen im Tagesablauf einher. Das soziale Leben der Nachtarbeitnehmer:innen ist definitiv eingeschränkt, zumindest aber nicht unerheblich betroffen. Wer am späten Abend und nachts arbeitet, muss auf viele Dinge verzichten und sein Privatleben gut organisieren. Regelmäßiger Sport und die Teilnahme am kulturellen und religiösen Leben sind schwieriger zu gestalten und einzurichten. All dies sind nicht zu unterschätzende Stressfaktoren. Zudem muss sich die gesamte Familie auf die Nachtarbeit einstellen

und teils in erheblichem Umfang Rücksicht nehmen. Kontakte mit Verwandten und Freunden müssen mit längerem Vorlauf geplant werden und nicht selten ist die Teilnahme an Feiern im Familien- und Freundeskreis eingeschränkt oder gar nicht möglich. Dabei sind Frauen wegen ihrer faktisch bestehenden Familienverantwortung in besonders starkem Maße durch Nachtarbeit belastet. Viele Nachtarbeitnehmerinnen haben sich bewusst für die Arbeit in der Nacht entschieden, um die Betreuung der Kinder tagsüber sicherzustellen.

INFO

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Bisher konnte keine Entwicklung spezifischer beruflicher Erkrankungen durch Nachtarbeit gesichert nachgewiesen werden. Nachtarbeit ist aber eindeutig ein Risikofaktor, der sich negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirken kann. Daneben sind die sozialen Auswirkungen für Nachtarbeitnehmer:innen unbestritten.

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2 Arbeitsrechtliche Ansätze

Die zentrale gesetzliche Regelung zur Nachtarbeit

Vor dem Hintergrund der vorbeschriebenen Effekte werden besondere arbeitsrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung der Arbeit in der Nacht gestellt. Diese insbesondere gesundheitsschützenden Anforderungen umzusetzen, ist letztlich Aufgabe der Geschäftsleitung. Die gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit der Nachtarbeit sind in der Summe überschaubar. Der Teufel steckt wie so oft im Detail, sprich: in der praktischen Anwendung und Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe. Die gesetzliche Vorgabe, dass regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen für Nachtarbeitnehmer:innen vorgeschrieben sind, ist dabei nur ein Aspekt. Nachtarbeit ist in der Pflege zwingender Teil der Abdeckung der Bedarfe der Bewohner:innen in Schichtsystemen. Die in der Praxis anzutreffenden Schichtsysteme sind dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet. Neben den seltener anzutreffenden sogenannten permanenten Schichtsystemen (Dauerfrühschichten, Dauerspätschichten, Dauernachtschichten) gibt es die regelmäßig anzutreffenden Wechselschichtsysteme, also Arbeit in abwechselnden Zeitfenstern, wobei diese Wechselschichtsysteme weiter spezifiziert werden können. Neben reinen Wechselschichtsystemen mit auf alle Mitarbeiter:innen verteilten Nachtdiensten finden sich weiterhin Wechselschichtsysteme mit Mitarbeiter:innen in Dauernachtdiensten. Die Schichtabfolgen in Wechselschichtsystemen können sich darüber hinaus in Bezug auf die Rotationsrichtung Vorwärtsrotation: Verschiebung bei Schichtwechsel mit dem Uhrzeigersinn = Früh, Spät, Nacht Rückwärtsrotation: Verschiebung bei Schichtwechsel gegen den Uhrzeigersinn = Nacht, Spät, Früh), in Bezug auf die Rotationsgeschwindigkeit Schnelle Rotation: Geringe Anzahl von Schichten einer Schichtart in Folge = schneller Wechsel der Schichtart Langsame Rotation: Große Anzahl von Schichten einer Schichtart in Folge = langsamer Wechsel der Schichtart) oder die Anzahl der aufeinander folgenden freien Tage unterscheiden.

Die zentrale gesetzliche Regelung zur Nachtarbeit

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Zentrale Vorschrift zum Schutz der Mitarbeiter:innen der Nacharbeit (sowie der Schichtarbeit) ist § 6 Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Diese Norm setzt europarechtliche Vorgaben um und benennt in ihren Absätzen 2 bis 6 Grenzen und Rahmenbedingungen der Nachtarbeit.

Die Vorschrift lautet: § 6 Nacht- und Schichtarbeit (1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen. (2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung. (3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.



a) nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder



b) im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder



c) d  er Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,

sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten. (5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. (6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

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Bevor die einzelnen Regelungen und Vorgaben im Detail betrachtet werden, sind die nicht immer eindeutigen arbeitsrechtlichen Begrifflichkeiten näher zu beleuchten. Die Definitionen der in § 6 ArbZG verwendeten Begriffe finden sich in § 2 ArbZG.

Definitionen Definitionen 60

Nachtzeit ist die Zeit zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr. In Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 3 der sogenannten europäischen Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) umfasst die Nachtzeitspanne sieben Stunden. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ArbZG erlaubt es aber, in Tarifverträgen den Beginn des siebenstündigen Nachtzeitraums auf die Zeit zwischen 22 und 24 Uhr zu verschieben. Als Festlegungszeiträume für die Nachtzeit kommen somit etwa die Zeiträume von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr, 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr oder 24.00 Uhr bis 7.00 Uhr in Betracht. Damit weicht die im ArbZG definierte Nachtzeit von den in den Einrichtungen anzutreffenden festgelegten Zeiträumen der Nachtzeit ab. Das übliche Zeitfenster der Nachtdienste in den Einrichtungen beginnt um 21.00 Uhr herum und endet regelmäßig um 6.30 Uhr herum. Diese in den Einrichtungen bestehenden Abweichungen des Nachtzeitfensters zu der Nachtzeitdefinition des ArbZG ändert nichts daran, dass die Regelungen des ArbZG zur Nachtarbeit nur für die Nachtarbeit im Nachtzeitfenster des ArbZG gelten. Nachtarbeit liegt nach § 2 Abs. 3 und Abs. 4 ArbZG vor, wenn mindestens zwei Stunden der Arbeitszeit von Arbeitnehmer:innen im siebenstündigen Nachtzeitraum zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr (bzw. im durch Tarifvertrag abweichend definierten Nachtzeitraum (s. o.)) liegen. Sofern die Zweistundenschwelle überschritten ist, gilt die gesamte Arbeitszeit als Nachtarbeit und nicht nur die Zeit innerhalb des siebenstündigen Nachtzeitraums. Dies gilt auch im Falle von Bereitschaftsdienst, wenn dieser für mindestens zwei Stunden in den Nachtzeitraum fällt, unabhängig davon, in welchen Arbeitsstunden tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine Differenzierung der Nachtzeit für Frauen und Männer, wie sie früher noch die Arbeitszeitordnung (AZO) enthielt, gibt es nicht mehr. Nachtarbeitnehmer:innen sind nach § 2 Abs. 5 ArbZG Arbeitnehmer:innen, die aufgrund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht „zu leisten haben“ oder Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr „leisten“. Bei der gleichmäßigen Verteilung von 48 Tagen Nachtschicht auf das ganze Jahr – ohne Berücksichtigung von Urlaubs- und sonstigen Abwesenheitszeiten – ergibt dies eine durchschnittliche monatliche Zahl von zumindest vier Nachtarbeitseinsätzen. Wer unter dieser Erheblichkeitsschwelle bleibt, ist trotz sporadischer Nachtarbeitsleistung kein:e Nachtarbeitnehmer:in. Durch die Verwendung des Wortes „normalerweise“ soll sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer:innen, die nur ausnahmsweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben, nicht als Nachtarbeitnehmer:innen anzusehen sind. Dementsprechend ist ein:e Arbeitnehmer:in, der oder die nur als Ersatz im Schichtdienst einspringt oder in gewissen Zeitabschnitten in geringfügigem Maße in wechselnden Schichten arbei-

tet, sonst aber immer ausschließlich nur im Früh- oder Spätdienst eingesetzt ist, kein:e Nachtarbeitnehmer:in, es sei denn, er oder sie erreicht durch diese Einsätze die Erheblichkeitsschwelle von 48 Tagen. Nur wer planmäßig in ein Dreischicht-System fest eingebunden ist, am Schichtwechsel teilnimmt und in nicht unerheblichem Umfang zur Nachtarbeit herangezogen wird, leistet „normalerweise“ Nachtarbeit in Wechselschicht. Das Arbeitszeitgesetz unterscheidet folglich zwei Arten von Nachtarbeitnehmer:innen: ■■

wer aufgrund der Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten hat

oder wer Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leistet. Hier kommt es auf die tatsächliche und nicht auf die geplante Leistung an.

Über den Wortlaut hinaus ist aber das Arbeitsschutzrecht für Nachtarbeit auch dann schon im Wege der Prognose zu berücksichtigen, wenn mit Sicherheit zu erwarten ist, dass der oder die Beschäftigte 48 Tage in Nachtzeit beschäftigt werden wird. Nach dieser engen Definition leisten bei näherer Betrachtung damit nicht alle Mitarbeiter:innen in der Pflege Nachtarbeit als Nachtarbeitnehmer:innen im Sinne des ArbZG, obwohl sie auch hin und wieder Nachtdienste haben. Auch Arbeitnehmer:innen, die nachts Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienste leisten, werden als Nachtarbeitnehmer:innen behandelt, sofern die vorstehend dargestellten Voraussetzungen vorliegen. Dies ist Folge der Definition des Begriffs „Arbeitszeit“. Arbeitszeit im Sinne des ArbZG ist die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Diese Definition des Gesetzes hilft in der Praxis nicht weiter, da das ArbZG keine Definition für den Begriff „Arbeit“ liefert. Hier hilft das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seiner Rechtsprechung. Das BAG definiert Arbeitszeit als diejenige Zeit, während derer der Beschäftigte fremdbestimmt Dienste leisten muss. Maßgebend ist, ob Arbeitnehmer:innen die Zeit im Interesse des Arbeitgebers aufwenden und in welchem Maße sie belastet werden. Wichtige Auslegungshilfe ist hierbei die verbindliche Regelung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie. Danach ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein:e Arbeitnehmer:in gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Folglich umfasst der Begriff „Arbeitszeit“ nach europarechtlichem Verständnis mehr als das Leisten von Arbeit. In der Praxis zeigt sich, dass in der Pflege regelmäßig keine Unstimmigkeiten darüber bestehen, wann Arbeit geleistet wird und wann nicht.

2  Arbeitsrechtliche Ansätze

■■

61

3 Die aufgeschlüsselten Regelungsinhalte des § 6 ArbZG Gemäß § 106 der Gewerbeordnung (GewO) obliegt es dem Arbeitgeber, „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung“ nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht, auch Direktionsrecht oder Weisungsrecht genannt, ist selbstredend nicht grenzenlos. Das Recht des Arbeitgebers zur Weisung reicht gem. § 106 GewO nur, „soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anzuwendenden Tarifvertrages oder anderer gesetzlicher Vorschriften“ festgelegt sind. Arbeitszeitrecht ist ein besonderer Teil des Arbeitsschutzrechts, welches natürlich auch und insbesondere für die Nachtarbeit gilt. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1992 in einem Grundsatzurteil betont, dass „Nachtarbeit grundsätzlich für jeden Menschen schädlich ist“. In dieser Entscheidung, die das bis zum damaligen Zeitpunkt geltende Nachtarbeitsverbot für Arbeitnehmerinnen als diskriminierend verworfen hat, bekräftigte das Bundesverfassungsgericht die Verpflichtung des Gesetzgebers, Neuregelungen zum Schutz der Arbeitnehmer:innen vor den gesundheitlichen Folgen der Nachtarbeit zu erlassen. Die geforderte Neuregelung ist das heutige ArbZG. Prägende Aspekte der Nachtarbeit sind „Dauer, Lage, Verteilung und Rhythmus der Arbeitszeit“. Die Ausgestaltung der Nachtarbeit im Detail ist folglich eine Frage der „Arbeitszeitregelung“, die engen Grenzen unterliegt. Die einzelnen Regelungen der zentralen Nachtarbeitsnorm des § 6 ArbZG geben der Einrichtung / dem Arbeitgeber den arbeitsrechtlichen Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Gestaltung der Nachtarbeit bewegen kann. Nachfolgend soll auf die wesentlichen rechtlichen Grundlagen eingegangen werden, die das Recht des Arbeitgebers auf Gestaltung der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer:innen konkretisieren und einschränken und die sich aus § 6 ArbZG ergeben. Diese sind: 6 Abs. 1 ArbZG ... benennt in Form einer Generalvorgabe die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer:innen nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

§ § 62

6 Abs. 2 ArbZG ... beschränkt die tägliche Arbeitszeit von Nachtarbeitnehmer:innen auf acht Stunden. Sie kann auf zehn Stunden verlängert werden, wenn im Ausgleichszeitraum von einem Kalendermonat oder vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Abweichungsmöglichkeiten lässt § 7 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2–4 ArbZG unter bestimmten Voraussetzungen kraft einer tarifvertraglichen Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrages zu. § 14 ArbZG normiert zudem Ausnahmetatbestände für die Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit (außergewöhnliche Fälle). § 15 ArbZG

sieht unter bestimmten Bedingungen (Ausnahme-)Bewilligungen bzw. Ermächtigungen zur Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit vor.

§

6 Abs. 3 ArbZG ... räumt Nachtarbeitnehmer:innen – vor Beginn der Beschäftigung und danach – in regelmäßigen Abständen von nicht weniger als drei Jahren einen Anspruch auf eine unentgeltliche arbeitsmedizinische Untersuchung ein. Ab dem 50. Lebensjahr ist der Untersuchungszeitraum auf ein Jahr verkürzt.

§

6 Abs. 4 ArbZG ... gewährt solchen Nachtarbeitnehmer:innen, bei denen eine gesundheitliche Gefährdung durch die weitere Verrichtung von Nachtarbeit arbeitsmedizinisch festgestellt wird, sowie Nachtarbeitnehmer:innen mit (näher definierten) Familienpflichten einen Anspruch auf Umsetzung auf einen geeigneten Tagesarbeitsplatz.

§

6 Abs. 5 ArbZG ... bestimmt, dass der Arbeitgeber den Nachtarbeitnehmer:innen für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl freier Arbeitstage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren hat.

§

Im Einzelnen: Ausrichtung an den arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen 6 Abs. 1 ArbZG bestimmt, dass die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer:innen nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen ist. So steht es schlagwortartig im ArbZG. § 6 Abs. 1. ArbZG ist nach dem Willen des Gesetzgebers bewusst nicht konkret gefasst, sondern als Generalvorschrift ausgestaltet. Was steckt hinter dieser Generalvorschrift und welche Folgerungen sind hieraus für den Personaleinsatz zu ziehen?

§

Die Umsetzung der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gestaltung von Nachtund Schichtarbeit stellt sich in der Praxis als äußerst schwierig dar. Die objektiven Erkenntnisse der Arbeitswissenschaft und Arbeitsmedizin stehen oft in Widerspruch zu den subjektiven Präferenzen der betroffenen Nachtarbeitnehmer:innen. Dies zeigt sich besonders bei der Dauernachtarbeit, die vielen als ideale Lösung erscheint, um unterschiedliche Interessen wie zum Beispiel Familie und Beruf zu vereinbaren. Insofern genießt sie eine hohe Akzeptanz nicht nur bei den betroffenen, überwiegend weiblichen Mitarbeiter:innen im Nachtdienst.

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

6 Abs. 6 ArbZG ... sichert den Nachtarbeitnehmer:innen den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen wie sie die übrigen Arbeitnehmer:innen erhalten.

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Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse umfassen sowohl natur- als auch geisteswissenschaftliche Erkenntnisse, die verschiedenen Wissenschaftszweigen entstammen können, nicht zuletzt aber auch aus interdisziplinärer Zusammenarbeit der Disziplinen resultieren. Demnach hat der Arbeitgeber bei der Festlegung der Arbeitszeit im Hinblick auf Lage, Dauer, Verteilung und Rhythmus die Erkenntnisse der verschiedenen Fachdisziplinen zu beachten, soweit diese eine Relevanz für die menschengerechte Gestaltung der Arbeit haben und als „gesichert“ gelten. Menschengerechte Gestaltung der Arbeit bedeutet „Humanisierung der Arbeitsumgebung im weiteren Sinne“. Diese Umschreibung bewirkt leider nicht wirklich eine Konkretisierung, mit der die Praxis in der Pflege ohne Weiteres arbeiten kann. Wir greifen daher in der Praxis auf die Erkenntnisse aus dem Bereich der Arbeitswissenschaft zurück. Problematisch und umstritten ist dabei nur die Frage, ab wann Erkenntnisse als „gesichert“ gelten können. Hierzu werden verschiedene Auffassungen vertreten, die letztlich kombiniert werden müssen. Demnach sind arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse dann als gesichert anzusehen, wenn sie empirisch – insbesondere methodisch und gegebenenfalls statistisch – untermauert sind, sich in der betrieblichen Praxis bewährt haben und wenn überdies die Mehrheit der Experten die Erkenntnisse anerkennen. Es existiert eine Vielzahl von Veröffentlichungen unterschiedlicher Institutionen, die in diesem Sinne anerkannt sind und als Empfehlungen und Handlungshilfen zur Gestaltung der Nacht- und Schichtarbeit dienen. In der betrieblichen Praxis wird auf die Zusammenfassungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zurückgegriffen. Nur ein gut organisierter Dienstplan minimiert die gesundheitlichen Risiken bei den Arbeitnehmer:innen. Der Dienstplan sollte ergonomisch und zudem für die Mitarbeiter:innen verlässlich sein. Eine weitestgehende Verlässlichkeit des Dienstplans wird über die Umsetzung des sogenannten „Regelkreises der Einsatzplanung“ erreicht. Die ergonomischen Vorgaben der Einsatzplanung liefert die Arbeitswissenschaft. Ausgehend von den aktuell vorliegenden arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen lassen sich folgende Handlungsempfehlungen für die gesunde Organisation von Schichtarbeit formulieren:

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1. Die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten sollte möglichst gering sein. 2. Nach einer Nachtschichtphase sollte eine möglichst lange Ruhephase folgen. Sie sollte auf keinen Fall weniger als 24 Stunden betragen. 3. En Block eingeteilte Wochenendfreizeiten sind besser als einzelne freie Tage am Wochenende. 4. Schichtarbeiter sollten möglichst mehr freie Tage im Jahr haben als Tagarbeiter. 5. Ungünstige Schichtfolgen sollten vermieden werden, das heißt: immer vorwärts rotieren. 6. Die Frühschicht sollte nicht zu früh beginnen. 7. Die Nachtschicht sollte möglichst früh enden. 8. Zugunsten individueller Vorlieben sollte auf starre Anfangszeiten verzichtet werden.

9. Die Massierung von Arbeitstagen oder Arbeitszeiten auf einen Tag sollte begrenzt werden. 10. Schichtpläne sollen vorhersagbar und überschaubar sein. (Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)) Im Detail bedeuten die vorgenannten Empfehlungen für die Praxis in Pflegeeinrichtungen: 1. Die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtdienste sollte möglichst gering sein:

Sie sollte auf keinen Fall weniger als 24 Stunden betragen. Wünschenswert ist eine Ruhephase von 48 Stunden (zwei Tage). 3. Geblockte Wochenendfreizeiten sind besser als einzelne freie Tage am Wochenende: Trotz der erheblichen Zunahme flexibler Arbeitszeitmodelle und einem sich weiter verstärkenden Fachkräftemangel in der Pflege in den letzten Jahren hat das Wochenende seine große soziale Bedeutung nicht eingebüßt. Viel Energie und viele Kompromisse bei der Dienstplanung finden sich bei der Bestrebung, den Mitarbeiter:innen ein regelmäßiges freies Wochenende einzuräumen. 4. Schichtarbeiter/-innen sollten möglichst mehr freie Tage im Jahr haben als Tagarbeiter. Die Mehrbelastung durch Arbeit in der Nacht sollte möglichst durch Freizeit ausgeglichen werden. 5. Ungünstige Schichtfolgen sollten vermieden werden, das heißt nach Möglichkeit vorwärts rotieren. Bei einer Vorwärtsrotation (Früh-Spät-Nacht) kann sich der Körper besser anpassen. 6. Der Frühdienst sollte nicht so früh beginnen. Je früher der Dienst beginnt, desto früher müssen die Mitarbeiter:innen aufstehen, um pünktlich am Arbeitsplatz zu sein. Der Schlaf verkürzt sich. 7. Der Nachtdienst sollte möglichst früh enden. Je früher der Schlaf beginnt, desto länger und ungestörter ist er. 8. Zugunsten individueller Vorlieben sollte möglichst auf starre Anfangszeiten verzichtet werden. So können individuelle Präferenzen berücksichtigt werden. 9. Die Massierung von Arbeitstagen oder Arbeitszeiten auf einen Tag sollte begrenzt werden. lange Dienste und eine große Anzahl von Diensten in Folge verheißen lange Freizeitblöcke, stellen aber auch eine sehr große Belastung dar. Pausen gehören ebenfalls zur Dienstplanung – auch im Nachtdienst.

3  Die aufgeschlüsselten Regelungsinhalte des § 6 ArbZG

Dabei wird eine maximale Anzahl von vier Nachtdiensten in Folge als Richtgröße angenommen. Eingestreute Nachtdienste, das heißt, ein bis zwei Nachtdienste in Folge sind noch besser. 2. Nach einer Nachtschichtphase sollte eine möglichst lange Ruhephase folgen:

10. Dienstpläne sollten vorhersagbar und überschaubar sein. Die Berücksichtigung individueller Wünsche bei der Dienstplanung und die Verbindlichkeit der Dienstpläne machen Arbeitszeit und Freizeit besser planbar. 65

Es handelt sich um Empfehlungen, die nach Möglichkeit eingehalten werden sollen. Sie sind nicht zwingend vorgeschrieben, dienen den Planenden aber als Orientierungshilfe und Richtschnur. Die dargestellten Empfehlungen müssen zudem vom Arbeitgeber nicht alle gleichzeitig erfüllt und auch nicht nach der obigen Reihenfolge umgesetzt werden. Vielmehr müssen die einzelnen Kriterien individuell bewertet und an die Anforderungen in der jeweiligen Einrichtung angepasst werden. Grundsätzlich gilt aber, dass die genannten Kriterien zur Verringerung des gesundheitlichen Risikos der Mitarbeiter:innen Vorrang vor sonstigen Erwägungen des Arbeitgebers haben müssen. Die Grenze der Anzahl maximal aufeinanderfolgender Nachtdienste ergibt sich beispielsweise letztlich aus dem Zusammenspiel der Regelungen des ArbZG zur maximalen täglichen Arbeitszeit und den Ausgleichzeiträumen, zu den Ruhezeiten und den Ersatzruhetagen bei Sonn- und Feiertagsbeschäftigung. Hiernach sind rechnerisch mehr als zehn Nachtdienste am Stück möglich. Die Vorgabe, die Arbeitszeit nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen festzulegen, führt jedoch dazu, dass mehr als fünf bis sieben Nachtdienste am Stück rechtlich problematisch sind. Weiter gilt: ■■ ■■ ■■

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Die Massierung von Arbeitsbelastung unter Berücksichtigung der Arbeitszeit sollte vermieden werden. Die Ruhezeiten zwischen den Schichten sollten so lang sein, dass sie eine effektive Erholung ermöglichen. Um Schlafdefizite zu vermeiden, sollten generell nicht zu viele Nachtschichten aufeinanderfolgen.

Wie steht es neben den arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen mit den konkreten Wünschen der Mitarbeiter:innen in Bezug auf die Gestaltung des Dienstplans? Die Wünsche der Mitarbeiter:innen sind durch ganz unterschiedliche, individuelle Vorgaben geprägt und stehen oftmals in massivem Widerspruch zu den bis hierhin abgehandelten Ansätzen einer arbeitswissenschaftlich wünschenswerten Dienstplanung. Hier gilt ganz klar, dass die berechtigten Wünsche der Mitarbeiter:innen bei der Dienstplanung berücksichtigt werden, sofern sie nicht eine auf den Bewohnerbedarf ausgerichtete und wirtschaftliche Dienstplanung verhindern und überdies bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung noch mit den Vorgaben einer Planung nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar sind. An diesem Punkt kann es für den Dienstplaner bei entsprechender Überprüfung der bisherigen Dienstplanung erforderlich werden, Änderungen und Korrekturen vorzunehmen. Ein lange gewohnter Dienstrhythmus steht dann unter Umständen auf dem Prüfstand. Der oder die betroffene Beschäftigte möchte regelmäßig seinen bisherigen Dienstrhythmus beibehalten. Fragt man nach den Gründen, stehen oftmals wider Erwarten nicht die zeitlichen Arrangements zwischen der gesicherten Kinderbetreuung zu bestimmten Dienstzeiten obenan. Entscheidend ist viel häufiger, dass im Laufe der Zeit der gesamte Lebensrhythmus auf einen bestimmten Dienstrhythmus ausgerichtet wurde. In der Dienstwoche wer-

3  Die aufgeschlüsselten Regelungsinhalte des § 6 ArbZG

den zum Beispiel Kontakte mit Freunden und Haushaltstätigkeiten auf ein Minimum reduziert, um sie in der Freiwoche entsprechend nachzuholen. Eine „übersichtliche“ Dienstplanung und möglichst große Freizeitblöcke zur Erholung haben sich eingespielt. Jede Änderung würde hier für den bzw. die betroffene:n Arbeitnehmer:in neue zeitliche Abstimmungen und Koordinierungen nach sich ziehen. Diese werden aber notwendig werden und sind vom Arbeitgeber zu verlangen, wenn ansonsten gegen die Vorgaben des ArbZG (weiterhin) verstoßen würde.

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4 Weitere Vorgaben des ArbZG Zwingend einzuhalten sind die übrigen konkreten Regelungen des ArbZG zum Schutz von Nachtarbeitnehmer:innen.

Höchstzulässige werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer:innen 68

Höchstzulässige werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer:innen Der in § 3 Satz 1 ArbZG enthaltene Grundsatz des Acht-Stunden-Tages gilt nach § 6 Abs. 2 ArbZG auch für Nachtarbeitnehmer:innen. Wie für die übrigen Arbeitnehmer:innen außerhalb der Nachtarbeit darf nach § 6 Abs. 2 ArbZG auch die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer:innen auf bis zu 10 Stunden verlängert werden. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Nachtarbeitnehmer:innen ist allerdings zu beachten, dass § 6 Abs. 2 ArbZG den Zeitraum für den Ausgleich auf die Durchschnittsgrenze von 8 Stunden werktäglich auf den Kalendermonat oder die folgenden vier Wochen einschränkt. Der verkürzte Ausgleichszeitraum von einem Kalendermonat oder 4 Wochen gilt für die gesamte werktägliche Arbeitszeit von Nachtarbeiter:innen, also auch für die Arbeitszeit, die nicht mehr zur Nachtarbeit im Sinne von § 2 Abs. 3 ArbZG zählt. Nicht erforderlich ist hierbei, dass der Ausgleich zur Nachtzeit erfolgt. Als Ausgleich für die Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer:innen darf selbstverständlich auch ein kürzerer Ausgleichszeitraum als der Kalendermonat oder als vier Wochen gewählt werden. Dagegen ist eine Verlängerung des Ausgleichszeitraums nach § 7 ArbZG nur durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zulässig. Der auf einen Kalendermonat oder 4 Wochen verkürzte Ausgleichszeitraum des § 6 Abs. 2 ArbZG gilt auch für Zeiträume, in denen ein:e Nachtarbeitnehmer:in urlaubs- oder krankheitsbedingt keine Nachtarbeit leistet. Dagegen gilt nicht der auf einen Kalendermonat oder 4 Wochen verkürzte Ausgleichszeitraum, sondern der längere Ausgleichszeitraum des § 3 Satz 2 ArbZG von 6 Kalendermonaten oder 26 Wochen, wenn Nachtarbeitnehmer:innen für längere Zeit nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden. Wann ein längerer Zeitraum im Sinne des § 3 Satz 2 ArbZG vorliegt, lässt das ArbZG allerdings offen. Ein längerer Zeitraum ist jedenfalls immer dann anzunehmen, wenn ein:e Nachtarbeitnehmer:in für mehrere Monate hintereinander nicht zur Nachtarbeit geplant wird. Hat ein:e Nachtarbeitnehmer:in periodisch über das Jahr immer wieder für einen oder mehrere Monate Nachtarbeit zu leisten, so gilt nach dem Zweck des ArbZG, den Gesundheitsschutz der Nachtarbeitnehmer:innen zu gewährleisten, der auf einen Kalendermonat oder 4 Wochen verkürzte Ausgleichszeitraum des § 6 Abs. 2 ArbZG. Abweichungen von den vorstehenden Vorgaben sind in außergewöhnlichen Fällen nach § 14 ArbZG erlaubt. Es geht hier um unvorhersehbare Situationen, in denen die Gefahr eines unverhältnismäßigen Schadens droht, wenn sich der Arbeitgeber an die Bestimmungen des ArbZG halten müsste. Zu denken ist insbesondere an eine Gefähr-

dung der Bewohner:innen, auch infolge von Personalausfall. Liegt ein solcher außergewöhnlicher Fall vor, darf der Arbeitgeber Mitarbeiter:innen über die vorgenannten Grenzen hinaus einsetzen, wobei das Risiko falscher Einschätzungen der Arbeitgeber trägt. Deutlich mehr Rechtssicherheit bietet daher eine befristete Ausnahme vom Arbeitszeitgesetz nach § 15 Absatz 2 ArbZG. Dieser bestimmt: Die Aufsichtsbehörden können losgelöst vom Einzelfall über die im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Ausnahmen hinaus weitergehende Ausnahmen zulassen, soweit sie im öffentlichen Interesse dringend nötig werden. Hiervon wurde beispielsweise zur Bekämpfung der Folgen der CORONA-Pandemie Gebrauch gemacht und die zulässige tägliche Arbeitszeit auf 12 Stunden verlängert. Zudem können gem. § 7 ArbZG in bestimmten Fällen in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung Abweichungen zu den vorgenannten Regelungen zugelassen werden. Sofern ein:e Mitarbeiter:in in einer Nebentätigkeit tätig ist, ist zu beachten, dass die Arbeitszeiten aus Haupt- und Nebentätigkeit bei der Prüfung der Ruhezeiten zusammenzurechnen sind.

Pausen- und Ruhezeiten

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Haben die Beschäftigten die Möglichkeit, Ruhepausen von mindestens 30 Minuten (teilbar in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten) bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 bis 9 Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden zu nehmen?

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Ist nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden vorgesehen? Wenn die Dauer der Ruhezeit um 1 Stunde auf 10 Stunden verkürzt wird, ist jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von 4 Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens 12 Stunden auszugleichen.

Abweichungen von den vorbeschriebenen Pausen- und Ruhezeitregelungen sind in außergewöhnlichen Fällen nach § 14 ArbZG sowie bei behördlicher Einwilligung und Ermächtigung nach § 15 ArbZG erlaubt (s.o). Zudem können gem. § 7 ArbZG in bestimmten Fällen in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung Abweichungen zu den vorgenannten Regelungen zugelassen werden. Die Pausengestaltung nach § 4 ArbZG bereitet im Nachtdienst nicht selten Schwierigkeiten. Der Arbeitgeber erfüllt seine Pflicht, eine Ruhepause zu gewähren, nur, wenn er eine Pausenregelung schafft, die es den Arbeitnehmer:innen ermöglicht, die Ruhe-

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Neben den Vorgaben zur täglichen Höchstarbeitszeit sind bei der Dienstplangestaltung in Bezug auf die Arbeit in der Nacht auch die sonstigen Vorgaben des ArbZG zu Pausen- (§ 4 ArbZG) und Ruhezeiten (§ 5 ArbZG) zu beachten. Daher stellen sich für den verantwortlichen Dienstplaner die Fragen:

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Anspruch auf arbeitsmedizinische Untersuchung

pausen auch zu nehmen. Nach der Rechtsprechung sind Ruhepausen Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, die der Erholung dienen. Es muss sich um im Voraus festliegende Unterbrechungen handeln, in denen ein:e Arbeitnehmer:in weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat. Er muss frei darüber entscheiden können, wo und wie er diese Zeit verbringen will. Entscheidendes Merkmal der Ruhepause ist, dass ein:e Arbeitnehmer:in von jeder Arbeitsverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zur Arbeit bereitzuhalten, freigestellt ist. Für den Nachtdienst folgen aus diesen Vorgaben zwei Kernprobleme: Was bedeutet „im Voraus“ und was bedeutet „frei entscheiden, wo und wie“? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält es für unverzichtbar, aber auch für ausreichend, dass der oder die Mitarbeiter:in bei Beginn der Pause weiß, wie lange sie andauern soll. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass eine Arbeitsunterbrechung, bei deren Beginn ein:e Arbeitnehmer:in nicht weiß, wie lange sie dauern wird, keine Pause ist, weil er sich dann durchgehend zur Arbeit bereithalten müsste. Zudem muss zumindest ein verbindlicher Pausenkorridor feststehen, innerhalb dessen Beschäftigte Pause machen sollen. Unzweifelhaft ist es bei der Besetzung in der Nacht mit nur einer Fachkraft unmöglich, der Fachkraft einzuräumen, die Einrichtung zu verlassen und für Notfälle nicht zur Verfügung zu stehen. Abgesehen davon, dass umstritten ist, ob zwingend ist, dass man zur Pause die Einrichtung verlassen können muss, müssen sich die Beteiligten um praktikable Lösungen bemühen. Ergebnis kann sein, dass die Pause in der Einrichtung zu erfolgen hat. Oftmals finden sich in der Praxis Regelungen, wonach die Fachkraft im Nachtdienst ihre Pause in der Einrichtung verbringt und „zum Ausgleich“ für den Umstand, die Einrichtung während der Pause nicht zu verlassen, eine gewisse Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto erhält. Sofern ein:e Mitarbeiter:in in einer Nebentätigkeit tätig ist, ist zu beachten, dass die Arbeitszeiten aus Haupt- und Nebentätigkeit bei der Prüfung der Ruhezeiten zusammenzurechnen sind.

Anspruch auf arbeitsmedizinische Untersuchung

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Um einer drohenden Gesundheitsgefährdung durch Nachtarbeit vorzubeugen, räumt § 6 Abs. 3 ArbZG den Nachtarbeitnehmer:innen vor Aufnahme der Nachtarbeit die Möglichkeit einer Untersuchung ihres Gesundheitszustands ein. Eine Verpflichtung zur Gesundheitsuntersuchung besteht allerdings nicht. Der Anspruch auf die Gesundheitsuntersuchung muss vom:von der Nachtarbeitnehmer:in ausdrücklich gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden. Verlangt ein:e Mitarbeiter:in vor Aufnahme der Nachtarbeit eine arbeitsmedizinische Untersuchung, so kann der er oder sie die Aufnahme der Nachtarbeit bis zu der Bekanntgabe des Untersuchungsergebnisses verweigern. Ein:e solche:r Arbeitnehmer:in ist in einem solchen Fall damit vorläufig im Tagdienst einzuplanen. Es besteht zudem kein Beschäftigungsverbot. Da der betroffene Arbeitnehmer oder die entsprechende Arbeitnehmerin grundsätzlich auf die vorherige Gesundheitsuntersuchung verzichten kann, muss es ihm oder ihr daher

grundsätzlich auch freistehen, schon vor Bekanntgabe des Untersuchungsergebnisses mit der Aufnahme der Nachtarbeit zu beginnen. § 6 Abs. 3 ArbZG verpflichtet den Arbeitgeber, die Kosten der arbeitsmedizinischen Untersuchung zu tragen. Zur Durchführung einer arbeitsmedizinischen Untersuchung sind im Regelfall nur Ärzt:innen mit arbeitsmedizinischer Fachkunde, sogenannte Arbeitsmediziner:innen qualifiziert, sodass der Arbeitgeber die Untersuchungskosten durch sonstige Mediziner:innen nicht zu tragen braucht. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Übernahme der Kosten entfällt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 3 ArbZG auch dann, wenn der Arbeitgeber die Untersuchung für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzt:innen anbietet, ein:e Arbeitnehmer:in die Untersuchung aber dennoch durch einen Arzt oder eine Ärztin eigener Wahl durchführen lässt. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Lohn für die Dauer der Untersuchung an Arbeitnehmer:innen fortzuzahlen, wenn diese die Untersuchung außerhalb seiner geplanten Arbeitszeit vornehmen lassen, ist aus § 6 Abs. 3 ArbZG nicht herzuleiten. Ob ein Lohnzahlungsanspruch von Arbeitnehmer:innen in einem solchen Fall besteht, entscheidet sich nach allgemeinen Bestimmungen, insbesondere nach tarifvertraglichen Regelungen oder Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung und nach § 616 Satz 1 BGB für den Fall der „vorübergehenden Verhinderung“.

Nach Maßgabe des § 6 Abs. 4 ArbZG hat der Arbeitgeber Nachtarbeitnehmer:innen auf deren Verlangen hin auf einen für sie geeigneten Tagesarbeitsplatz in den Tagdienst umzusetzen. Arbeitnehmer:innen müssen also ihren Anspruch auf Umsetzung gegenüber dem Arbeitgeber mündlich oder schriftlich geltend machen. Eine Legaldefinition des Begriffs Tagesarbeitsplatz enthält das ArbZG nicht. Aus einem Umkehrschluss zu § 2 Abs. 3 ArbZG ergibt sich allerdings, dass ein Tagesarbeitsplatz jeder Arbeitsplatz ist, bei dem die Arbeit im Regelfall außerhalb der gesetzlichen Nachtzeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr zu erbringen ist. Ist ein geeigneter Tagesarbeitsplatz zwar vorhanden, aber bereits mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt, so hat ein:e Nachtarbeitnehmer:in keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber diese:n in den Tagdienst versetzt und so einen Tagesarbeitsplatz frei macht. Vom Direktionsrecht des Arbeitgebers wäre eine derartige Umsetzung nicht gedeckt, und eine Änderungskündigung wäre unbegründet. Hier müsste der Arbeitgeber andere Möglichkeiten prüfen, wie etwa eine tageweise Verschiebung der Arbeitszeit. § 6 Abs. 4 ArbZG zählt insgesamt drei Fallgestaltungen auf, die einen Umsetzungsanspruch von Arbeitnehmer:innen begründen können: ■■

§ 6 Abs. 4 a) verpflichtet den Arbeitgeber zur Umsetzung, wenn nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit betroffene Arbeitnehmer:innen in ihrer Gesundheit gefährdet. Erforderlich ist hierbei eine konkrete Gesundheitsgefährdung. Es muss folglich mit hinreichender Wahr-

4  Weitere Vorgaben des ArbZG

Umsetzungsanspruch

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Umsetzungsanspruch

scheinlichkeit feststehen, dass eine Beeinträchtigung der Gesundheit bei weiterer Verrichtung von Nachtarbeit eintreten wird. Damit der Arbeitgeber die Berechtigung des Umsetzungsverlangens von Arbeitnehmer:innen beurteilen kann, haben diese dem Arbeitgeber die arbeitsmedizinische Beurteilung unter Bezugnahme auf den Arbeitsplatz nachzuweisen. Den konkreten Untersuchungsbefund müssen betroffene Arbeitnehmer:innen dem Arbeitgeber allerdings nicht vorlegen. ■■

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Nach § 6 Abs. 4. b) ArbZG kann ein:e Nachtarbeitnehmer:in die Umsetzung auf einen Tagesarbeitsplatz zudem dann verlangen, wenn in seinem Haushalt ein Kind unter 12 Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann. Die zur Betreuung zur Verfügung stehende Person muss kein Verwandter sein, sie muss jedoch mit dem Nachtarbeitnehmer oder der Nachtarbeitnehmerin in einem Haushalt leben und zur Betreuung des Kindes geeignet sein. Die Altersgrenze von 12 Jahren ist in Anlehnung an § 45 SGB V gewählt worden. Nachtarbeitnehmer:innen können ihr Umsetzungsverlangen gemäß § 6 Abs. 4. c) ArbZG auch darauf stützen, dass sie eine:n schwer pflegebedürftige:n Angehörige:n zu versorgen haben, und diese Versorgung nicht nicht von anderen im Haushalt lebenden Angehörigen vorgenommen werden kann.

Ein Umsetzungsanspruch von Nachtarbeitnehmer:innen auf einen Tagesarbeitsplatz entfällt, wenn der Umsetzung dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Die dem Umsetzungsanspruch entgegenstehenden betrieblichen Gründe sind dringend, wenn die Umsetzung von Nachtarbeitnehmer:innen auf einen Tagesarbeitsplatz bei Abwägung der beiderseitigen Interessen der Einrichtung nicht zumutbar ist. Dem Umsetzungsanspruch von Nachtarbeitnehmer:innen können folglich neben den Interessen von Arbeitnehmer:innen, die versetzt werden müssten, damit ein Tagesarbeitsplatz frei wird, auch zu berücksichtigende Interessen des Arbeitgebers, wie beispielweise eine funktionierende und ordnungsgemäße Versorgung der Bewohner:innen, entgegenstehen. Will der Arbeitgeber dem Umsetzungsverlangen solcher Nachtarbeitnehmer:innen wegen entgegenstehender dringender betrieblicher Erfordernisse nicht entsprechen, so ist er nach § 6 Abs. 4. Satz 2 ArbZG verpflichtet, einen gegebenenfalls bestehenden Betriebsrat oder eine bestehende Mitarbeitervertretung anzuhören. Die Anhörung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ablehnung eines Versetzungsverlangens aus dringenden betrieblichen Erfordernissen. Die Anhörungspflicht des Arbeitgebers umfasst dabei dessen Pflicht, dem Betriebsrat oder der Mitarbeitervertretung das Umsetzungsverlangen , die für eine Umsetzung in Betracht kommenden Tagesarbeitsplätze sowie die einer Umsetzung entgegenstehenden Gründe mitzuteilen. Der Betriebsrat oder die Mitarbeitervertretung ist berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung des Nachtarbeitnehmers oder der Nachtarbeitnehmerin zu unterbreiten. Der Arbeitgeber ist letztlich aber nicht an die Vorschläge des Betriebsrats oder der Mitarbeitervertretung gebunden.

Nachtdienstuntauglichkeit? Kann ein:e Mitarbeiter:in im Schichtdienst aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtdienste mehr leisten, ist er deshalb nicht arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber muss die Arbeit bei ärztlich attestierter Nachtdienstuntauglichkeit aber möglichst so organisieren, dass der Betroffene nur im Tagdienst eingesetzt wird. Der Arbeitgeber muss aber auch in Erfahrung bringen, welche Umstände im Nachtdienst geändert werden müssten, um die Nachtdienstuntauglichkeit wieder zu beseitigen. Bei Mitarbeiter:innen mit einem ausschließlich auf den Nachtdienst beschränkten Arbeitsvertrag muss der Arbeitgeber bei fortbestehender Nachtdienstuntauglichkeit eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrags hin zu einer Tätigkeit auch im Tagdienst erwirken oder aber letztlich eine Änderungskündigung zur Tätigkeit auch im Tagdienst aussprechen. Die vorstehend beschriebene rechtliche Konstellation geht auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 09.04.2014 (Az.: 10 AZR 637/13) zurück. Das BAG hatte sich in dieser Entscheidung mit dem Begriff der „Nachtschichtuntauglichkeit“ auseinanderzusetzen und befand im konkreten Fall, dass eine Pflegekraft, die aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtdienste mehr leisten kann, deshalb nicht arbeitsunfähig krank ist. Sie hat vielmehr Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden. Dieses Urteil stärkt die Rechte von Schichtarbeitern im Streit um Nachtarbeit erheblich und schützt den Schichtarbeiter wie im vorliegenden Fall vor dem Verlust des Arbeitsplatzes.

Die Abdeckung der Nachtdienste erfolgt entweder im (Wechsel-)Schichtdienst oder aber durch Dauernachtdienste. Immer wieder wird in der Praxis eine hitzige Diskussion darüber geführt, wie Wechsel im jeweiligen Einsatzmodell rechtlich einzuschätzen sind. Diese Diskussionen entzünden sich beispielsweise daran, dass ein:e seit langen Jahren ausschließlich im Nachtdienst eingesetzte:r Mitarbeiter:in vom Arbeitgeber zukünftig auch oder ausschließlich im Tagdienst eingesetzt werden soll. Umgekehrt kann ein:e Mitarbeiter:in an den Arbeitgeber herantreten und mit Hinweis auf seine persönliche, eventuell auch seine gesundheitliche Situation einen Wechsel einfordern. Für den in der Praxis häufigsten Fall, dass ein Wechsel auf Veranlassung des Arbeitgebers hin erfolgen soll, gilt, dass entscheidend ist, ob mit dem oder der Beschäftigten ein Einsatz nur in bestimmten Diensten vereinbart ist. Ist dies der Fall, hat der Arbeitgeber eine solche Vereinbarung bei der Dienstplanung zu berücksichtigen. Hier ist der gerne geübte Rückgriff auf ein fälschlich angenommenes „Versetzungsrecht“ nicht möglich. Will der Arbeitgeber eine einseitige Änderung, muss er letztlich eine Änderungskündigung aussprechen. Gibt es keine vertragliche Regelung, wonach ein Einsatz nur in einer bestimmten Schicht zu erfolgen hat, lässt selbst eine über viele Jahre gleichbleibende Einteilung in eine bestimmte Schicht kein betriebliches Gewohnheitsrecht entstehen, dass der oder die Mitarbeiter:in auch zukünftig nur in dieser Schicht beschäftigt werden darf. Mit seiner Planung von nur einer Schicht will der Arbeitge-

4  Weitere Vorgaben des ArbZG

Wechsel von Tag- und Nachtdienst

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ber nicht erklären, den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nie wieder anders zu planen. Ob Mitarbeiter:innen im kontinuierlichen Nachtdienst auch zu Dienstbesprechungen des Tagdienstes und zur Teilnahme an Fortbildungen verpflichtet werden können, ist eindeutig mit Ja zu beantworten, sofern die Regelungen des ArbZG eingehalten werden.

Schutz besonderer Arbeitnehmergruppen

Schutz besonderer Arbeitnehmergruppen Aufgrund der besonderen Belastungssituation bei der Nachtarbeit sind für besonders schutzbedürftige Arbeitnehmergruppen spezielle rechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. Zentral gilt dies für Schwangere und Stillende sowie Jugendliche und schwerbehinderte Mitarbeiter:innen. Die diesbezüglichen Regelungen und Vorgaben lauten: ■■

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Minderjährige Arbeitnehmer:innen dürfen gem. § 14 des Jugendarbeitsschutzgesetzes nicht zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr und damit nicht in der Nacht beschäftigt werden. Gleiches gilt gem. § 5 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes für die Beschäftigung von stillenden oder schwangeren Arbeitnehmer:innen. Allerdings besteht insoweit eine Ausnahme, als werdende oder stillende Mütter auf deren jederzeit widerruflichen Wunsch hin zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr beschäftigt werden dürfen, sofern diesbezüglich eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie eine Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde vorliegt. Schwerbehinderte Beschäftigte sind von Nachtarbeit nicht grundsätzlich befreit oder ausgeschlossen. Im Einzelfall kann jedoch ein Anspruch schwerbehinderter Mitarbeiter:innen auf behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitszeit mit der Maßgabe bestehen, sie wegen der Besonderheiten der Behinderung von Nachtarbeit ganz oder teilweise auszunehmen. Die gesetzlichen Grundlagen für die Pflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme auf Behinderungen von Arbeitnehmer:innen finden sich in § 164 Abs. 4 SGB IX und § 106 Satz 3 der Gewerbeordnung. Auch Mitarbeiter:innen, die in ihrem Haushalt ein Kind unter 12 Jahren alleine betreuen oder schwerpflegebedürftige Angehörige zu versorgen haben, haben gem. § 6 Abs. 4 ArbZG das Recht, auf einen Tagesarbeitsplatz umgesetzt zu werden, sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen (s. o.).

Zuschläge für Nachtarbeit 74

§ 6 Abs. 5 ArbZG regelt, dass Nachtarbeitnehmer:innen für Nachtarbeit zwischen 23.00 Uhr und 06.00 Uhr einen angemessenen Zuschlag in Geld oder Zeit beanspruchen können, soweit eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht besteht. Nachtarbeit-

4  Weitere Vorgaben des ArbZG

nehmer:in ist, wie bereits dargestellt, wer aufgrund seiner Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten hat oder Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leistet. Gesetzgeberisches Ziel des Nachtzuschlags ist es auch, Nachtarbeit durch eine Verteuerung möglichst zu vermeiden – in der Pflege nicht möglich – und die Belastungen für die Arbeitnehmer:innen zu minimieren. In welcher Höhe ein Zuschlag angemessen ist, regelt das Arbeitszeitgesetz nicht, weshalb die Frage der Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlags immer wieder die Arbeitsgerichte beschäftigt. Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass sich immer noch nicht überall herumgesprochen hat, dass das vielzitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahre 2015 (Az.: 10 AZR 423/14), das einem Lkw-Fahrer einen Zuschlag für Dauernachtarbeit von 30 % zusprach, keineswegs auf die Altenpflegebranche übertragbar ist. Freilich wird es auch künftig Streit und unterschiedliche Auffassungen über die Frage der Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlags geben. So hat etwa das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in einem Urteil vom 29.01.2019 (Az.: 6 Sa 138/18) einer in Dauernachtarbeit tätigen Altenpflegerin einen Zuschlag von 30 % zugesprochen. Die Besonderheit dieses Einzelfalls lag allerdings darin, dass die Belastungen der klagenden Mitarbeiterin in diesem Fall deutlich höher waren als gewöhnlich. Mehr Rechtssicherheit schaffte das Urteil des BAG vom 15.07.2020 (Az.: 10 AZR 125/19). Das höchste deutsche Arbeitsgericht stellte fest, dass ein Nachtzuschlag von 20 % für eine Pflegekraft im Dauernachtdienst angemessen sein kann, wenn keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht. Dem Urteil lag der Fall einer Pflegekraft zugrunde, die seit Jahren in einer Seniorenresidenz als Mitarbeiterin im Dauernachtdienst arbeitete. Die regelmäßigen Arbeitszeiten der Mitarbeiterin lagen zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr. Auf das Arbeitsverhältnis fand kein Tarifvertrag Anwendung. Die Belastung der Mitarbeiterin war weder belastender noch weniger belastend als allgemein bei Nachtarbeit üblich. Die Einrichtung zahlte der Mitarbeiterin zuletzt für die in der Nachtzeit liegenden Arbeitsstunden einen Zuschlag in Höhe von 20 %. Die Pflegekraft war indes der Ansicht, dass ihr 30 % Zuschlag für die Nachtarbeit zustehen. Da das Unternehmen der Forderung nicht nachkam, klagte die Mitarbeiterin. Der Arbeitgeber hielt der Forderung entgegen, er zahle bereits einen angemessenen Zuschlag für die Nachtarbeit. Nach seiner Ansicht reichten sogar 15 % aus. Die Arbeit im Nachtdienst in der stationären Altenpflege gehe nicht über die Erschwernis der Nachtarbeit in anderen Branchen hinaus. Außerdem sei der Träger einer stationären Altenpflegeeinrichtung verpflichtet, einen Mindestpersonalumfang im Nachtdienst einzusetzen. Aufgrund der Vorgaben zum Einsatz von Mitarbeiter:innen in der Nacht könne die „Verteuerung“ von Nachtarbeit nicht als Gesichtspunkt für die Prüfung der Angemessenheit der Höhe des Nachtzuschlages dienen. Das BAG bestätigte die Entscheidung des in der Berufungsinstanz mit dem Fall befassten Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, das einen Nachtzuschlag in Höhe von 20 % als angemessen bewertete. Die von der Mitarbeiterin geforderten 30 % waren deutlich zu hoch angesetzt. 15 %, wie von dem Unternehmen als bereits angemessen angenommen, reichten hier jedoch nicht aus. Der angemesse-

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Benachteiligungsverbot

ne Nachtarbeitszuschlag ist in zwei getrennten Schritten zu ermitteln, so die vom BAG im Ergebnis nicht beanstandete Vorgehensweise des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg. Ausgehend von dem branchenunabhängigen „Regelnachtarbeitszuschlag“ von 25 % ist in einem ersten Schritt eine Korrektur nach unten vorzunehmen, weil es sich bei der von der Pflegekraft geleisteten Nachtarbeit um faktisch gesetzlich angeordnete Nachtarbeit im Interesse des Gemeinwohls handelt. In einem zweiten Schritt ist eine Korrektur nach oben vorzunehmen, weil die geleistete Dauernachtarbeit die Mitarbeiterin zusätzlich in ihrer Gesundheit gegenüber nicht dauerhafter Nachtarbeit beeinträchtigt. Durch die gesetzliche Anordnung, dass in Pflegeeinrichtungen eine bestimmte Mindestbesetzung des Nachtdienstes zu erfolgen hat, hat der Gesetzgeber bereits deutlich gemacht, dass es sich dabei um Interessen des Gemeinwohls handelt. Da es sich bei den Nachtdiensten der Mitarbeiterin um „Normalarbeit“ und nicht besondere intensive Arbeit handelt, hielt das Gericht hier einen Zuschlag von 15 % als Ausgangspunkt die Berechnung für angemessen. Zugunsten des Unternehmens berücksichtigte das Gericht, dass der gesetzgeberische Lenkungszweck des Nachtarbeitszuschlags („vermeidet Nachtarbeit“) in der Pflege nicht erreicht werden kann. Zugunsten der Mitarbeiterin passte das Gericht den Zuschlag um fünf Prozentpunkte nach oben an, um die unvermeidlichen ihr persönlich entstehenden Nachteile und gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Dauernachttätigkeit auszugleichen. Das Argument der Mitarbeiterin, dass das Unternehmen durch eine andere Dienstplangestaltung auf Dauernachtarbeit an sich verzichten könnte, ließ das Gericht nicht gelten. Die Folge dieses Ansatzes wäre das ungerechte Ergebnis, dass ein Unternehmen aus der Pflegebranche bei Dauernachtarbeit den gleichen Zuschlag zahlen müsste wie ein Unternehmen, das vermeidbare Nachtarbeit als Dauernachtarbeit anordnet. Es muss also auch bei Dauernachtarbeit differenziert werden zwischen Arbeitgebern, die Nachtarbeit grundsätzlich zwingend anordnen müssen – wie Träger stationärer Altenpflegeeinrichtungen – und solchen Arbeitgebern, die Nachtarbeit aus vorwiegend wirtschaftlichen Erwägungen anordnen.

Benachteiligungsverbot § 6 Abs. 6 ArbG konkretisiert den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Nachtarbeitnehmer:innen müssen Weiterbildungsmaßnahmen sowie aufstiegsfördernde Maßnahmen in gleichem Maße offenstehen wie allen anderen Arbeitnehmer:innen. Kann ein:e Nachtarbeitnehmer:in an solchen Maßnahmen wegen der Beschäftigung in Nachtarbeit nicht teilnehmen, so hat der Arbeitgeber die Arbeit zum Beispiel durch Änderung des Schichtplans oder vorübergehende Umsetzung auf einen Tagesarbeitsplatz so umzuorganisieren, dass auch Nachtarbeitnehmer:innen Zugang zu den betrieblichen Förderungs- und Weiterbildungsmaßnahmen haben.

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5 Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Neben dem ArbZG finden sich häufig abweichende Regelungen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen, welche die Grenzen des Nachtdienstes weiter konkretisieren. So definiert § 7 TVöD Nachtarbeit als die Arbeit zwischen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr. Für die Mitarbeiter:innen günstigere Vereinbarungen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen lösen die Regelungen des ArbZG ab und müssen bei der Gestaltung des Einsatzes der Mitarbeiter:innen in der Nacht vorrangig beachtet werden. Abweichungsmöglichkeiten (auch zuungunsten der Arbeitnehmer:innen) sind in bestimmten Fällen auf Grundlage des § 7 ArbZG in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung zugelassen, in außergewöhnlichen Fällen nach 14 ArbZG eröffnet oder können durch die Aufsichtsbehörde nach § 15 I Nr. 1 und 2 zugelassen werden. Das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht als Teil des Gesundheitsschutzrechts ist für den Arbeitgeber zivilrechtlich bindend und nicht im Arbeitsvertrag abdingbar. Das bedeutet, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst einvernehmlich keine Vereinbarung im Arbeitsvertrag treffen können, die zuungunsten des Arbeitnehmers von den Vorgaben des ArbZG abweichen. Bei Verstoß des Arbeitgebers gegen das ArbZG haben Arbeitnehmer:innen ein Leistungsverweigerungsrecht sowie gegebenenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz. Konkret bedeutet das in der Praxis, dass ein Arbeitnehmer eine Weisung des Arbeitgebers nicht befolgen muss, die gegen die Vorgaben des ArbZG verstößt.

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6 Sommer- und Winterzeitumstellung Ein jährlich zweifach auftretendes Kuriosum ist die Dienstplanung an den Tagen der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit und umgekehrt. Obgleich das EU-Parlament im März 2019 dem Vorschlag der EU-Komission zustimmte, die Zeitumstellung 2021 abzuschaffen, wurde dieses Vorhaben bis heute nicht umgesetzt. Die seit jeher umstrittene Sommer- und Winterzeitumstellung existiert damit weiterhin. Gelten hier Besonderheiten für die Berechnung der Soll-Arbeitszeit? Der Kalendertag zum Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit hat zwar entweder 23 oder 25 Stunden, es bleibt aber bei jeweils unverändert einem Kalendertag, an dem die auf diesen Tag entfallende geplante Arbeitszeit von Mitarbeiter:innen zu erbringen ist. Bei der Berechnung der monatlichen Soll-Arbeitszeit bleibt die Zeitumstellung daher unberücksichtigt. Sie wirkt sich aber gegebenenfalls über die tatsächlich geleistete oder tatsächlich weggefallene Arbeitsstunde im Nachtdienst des Umstellungstags auf eventuelle Nacht-, Zeitund Sonntagsarbeitszuschläge aus. Da die Ruhezeitregelungen des Arbeitszeitgesetzes ebenfalls auf den Tag bezogen sind, ist die sich aus der Zeitumstellung ergebende Verkürzung des für die Ruhezeit zur Verfügung stehenden Tags im Frühling sowie der sich verlängernde Nachtdienst am Tag der Zeitumstellung im Herbst zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die tägliche Höchstarbeitszeit, die durch die Zeitumstellung in der Nacht des Umstellungstages betroffen sein kann. Die faktische Verlängerung der Schicht um eine Stunde bei Rückstellung der Zeit ist mit Blick auf die maximale Nachtdienstlänge von 10 Arbeitsstunden durch Anpassung dieses einen Nachtdienstes zu berücksichtigen.

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Unzweifelhaft ist ein in einer Einrichtung bestehender Betriebsrat an der Dienstplangestaltung sowie bei Dienstplanänderungen zu beteiligen. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Verteilung und der Lage der Arbeitszeit. Daher bedarf der Dienstplan vor seinem Aushang der ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrates. Die Einrichtungen sind gut beraten, mit ihren Betriebsräten praktikable und hinreichend flexible Betriebsvereinbarungen über die Grundsätze und das Verfahren zur Erstellung und Änderung von Dienstplänen abzuschließen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den plötzlichen Ausfall von Nachtdienstmitarbeitern durch Krankheit. Die Besetzungsstärke im Nachtdienst mit regelmäßig zwei bis drei Mitarbeitern, von denen ebenso regelmäßig nur eine Kraft eine Fachkraft ist, bringt es mit sich, dass Mitarbeiterausfälle durch Nachbesetzungen im Dienst ausgeglichen werden müssen. Passende Betriebsvereinbarungen erleichtern die Dienstplanung erheblich. Zu beachten ist, dass die Beteiligung des Betriebsrates auch uneingeschränkt bei Dienstplanänderungen gilt. Es gilt der Grundsatz: kein Dienstplan und keine Dienstplanänderung ohne Beteiligung des Betriebsrates. Mithin werden Regelungen in Betriebsvereinbarungen benötigt, die eine schnelle Reaktion der Einrichtung auf erforderliche Dienstplanänderungen ermöglichen. Idealerweise sind dies Regelungen, die der Einrichtung die Durchführung eines formalen Mitbestimmungsverfahrens ersparen. Solchen Regelungen zu quasi mitbestimmungsfreien Dienstplanänderungen werden Betriebsräte in der Praxis dann zustimmen, wenn Vertrauen darin besteht, dass die Dienstplaner die eingeräumten Rechte nur mit viel Fingerspitzengefühl und nur soweit wie unbedingt erforderlich nutzen. Es ist zu beachten, dass die Regelungen im Bereich der öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Träger zu den Personal- und Mitarbeitervertretungen teilweise von den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes abweichen. Die Grundstrukturen sind jedoch vergleichbar.

Grundlegende Beteiligungsrechte bei der Arbeitszeitgestaltung § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) normiert ein für die Arbeitszeitgestaltung der Nacht- und Schichtarbeitnehmer:innen wichtiges Beteiligungsrecht des Betriebsrats. Hiernach hat der Betriebsrat bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und der Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage mitzubestimmen. Über dieses Mitbestimmungsrecht ist jeder Dienstplan und zudem jede Dienstplanänderung der Beteiligung des Betriebsrates unterworfen. Zudem steht dem Betriebsrat in allen Angelegenheiten des § 87 ein Initiativrecht zu. Über dieses kann der Betriebsrat von sich aus bestimmte Regelungen zur Gestaltung der Einsatzplanung auch im Nachtdienst vorschlagen. Die Grenzen der jeweiligen Mitbestimmung ergeben sich aus zwingenden gesetzlichen Vorschriften oder tarifvertraglichen

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

7 Die Beteiligung des Betriebsrats

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Beteiligung des Betriebsrates im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 ArbSchG 80

Regelungen. § 6 Abs. 1 ArbZG (arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse) und § 4 ArbZG (Ruhepausen) enthalten Mindestvorschriften, die durch die Betriebsparteien zwingend zu beachten sind. Der Betriebsrat kann insoweit eine Kontrolle ausüben, wozu er auch nach den Bestimmungen des BetrVG berufen ist. Konkret gefragt ist der Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG u. a. bei der Einführung von Schichtarbeit, bei deren Durchführung und auch bei der Festlegung jedes einzelnen Dienstplans. Die Anordnung von Nachtarbeit mit Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, mithin die konkrete Verplanung von Mitarbeiter:innen im Dienstplan ist immer eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit, auch wenn die Zulässigkeit einer nächtlichen Tätigkeit arbeitsvertraglich vereinbart ist oder wenn ein anwendbarer Tarifvertrag nähere Bestimmungen zur Ausgestaltung der Nachtarbeit enthält. Will der Arbeitgeber den Zeitrahmen der Nachtarbeit über eine Anpassung/Änderung der Dienste in der Dienstzeitenlegende verschieben, kann er dies nicht einseitig ohne Beteiligung des Betriebsrates bestimmen. Gleiches gilt, wenn ein Tarifvertrag den Nachtarbeitszuschlag verbindlich regelt, er es im Übrigen aber der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat überlässt, die zuschlagspflichtige Zeitspanne innerhalb eines vorgegebenen zeitlichen Rahmens festzulegen. Auf Grundlage des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist der Betriebsrat zu beteiligen, sofern es in der Einrichtung um Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie des Gesundheitsschutzes im Rahmen gesetzlicher Vorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften geht. Als gesetzliche Rahmenvorschriften im vorgenannten Sinne kommen in Betracht: ■■ ■■ ■■

§ 6 Abs. 5 ArbZG, Ausgleichsleistungen bei Nachtarbeit § 3 Abs. 3 i. V. m. § 4 ArbSchG, Maßnahmen zum Schutz des Arbeitnehmers § 8 Abs. 2 GefStoffV, nach Konkretisierung des Begriffs „Gefährdung“ obliegt es den Betriebsparteien, angepasste Lösungsmöglichkeiten festzusetzen

Beteiligung des Betriebsrates im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 ArbSchG § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet den Arbeitgeber zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung in der Einrichtung, um anschließend geeignete Maßnahmen des Arbeitsschutzes festzulegen. Die Ermittlungen von Gefährdungen beziehen sich im Sinne eines ganzheitlichen systematischen Präventionskonzepts zur Erfassung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren sowohl auf die Arbeitsstätte, den Arbeitsplatz, die Arbeitsstoffe, die Arbeitsmittel, die Arbeitsabläufe als auch auf personenbezogene individuelle Gefährdungen. In diesem Gesamtgefüge ist die Arbeitszeitgestaltung und damit die Dienstplanung im jeweiligen Einzelfall als wesentlicher Gefährdungsfaktor zu berücksichtigen. An dieser Stelle sei auf das von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) entwickelte Material zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf die Arbeitszeit verwiesen. Die Veröffentlichung der BAuA umfasst eine hilfreiche Checklis-

te einschließlich von Hinweisen, Empfehlungen und zwingenden Maßnahmen. Strittig ist, ob und inwieweit dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der Gefährdungsbeurteilung ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zusteht. Zum Teil wird in der Gefährdungsbeurteilung eine dem Gesundheitsschutz vorgelagerte Regelung gesehen, für die § 87 Abs. 1 Nr. 7 nicht greift. Nach herrschender Meinung ist diese Trennung nicht sinnvoll durchzuführen, weshalb vielmehr die Gefährdungsbeurteilung als Grundlage der Arbeitsschutzmaßnahme als Teil des betrieblichen Gesundheitsschutzes zu sehen ist. Hiernach unterliegt zwar die Beurteilung selbst nicht der Mitbestimmung, wohl aber die in Zusammenhang mit der Durchführung auftretenden generellen Festlegungen (Mittel zur Gefährdungsbeurteilung, ausführende Person, Bestimmung der Gruppenzugehörigkeit, Verfahrensauswahl usw.).

Immer wieder kommt es in der täglichen Praxis vor, dass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Zuge der Dienstplangestaltung nicht oder nicht richtig berücksichtigt werden. Die entsprechenden und jeweiligen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind den Verantwortlichen entweder bereits gar nicht bekannt oder werden mit dem Argument „die Bewohnerversorgung geht vor“ schlicht ignoriert. Das Wesen der Mitbestimmung ist es, dass der Arbeitgeber Maßnahmen jeglicher Art in Bezug auf die genannten Bereiche nur durchführen darf, wenn der Betriebsrat diesen zugestimmt hat. Fehlt es an einer Zustimmung des Betriebsrates, ist die Maßnahme „mitbestimmungswidrig“. Bei den Rechtsfolgen aufgrund unterbliebener Mitbestimmung des Betriebsrats ist zwischen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsfolgen und den Rechtsfolgen im Arbeitsverhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer:in zu unterscheiden. Kollektivrechtlich kann zunächst die Einigungsstelle angerufen werden, die eine verbindliche Entscheidung trifft (§ 87 Abs. 2). Gegen eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts kann der Betriebsrat auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vorgehen. Er kann sein Mitbestimmungsrecht durch einen Anspruch auf Unterlassung der beabsichtigten Maßnahme durchsetzen, eine einstweilige Verfügung erreichen oder seine Rechte im Verfahren nach § 23 Abs. 3 (Arbeitgeber wird durch gerichtliche Zwangsmaßnahmen zur Einhaltung des Gesetzes gezwungen) geltend machen. Wirkt die belastende Maßnahme fort, kann der Betriebsrat die Rückgängigmachung verlangen. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates hat über die kollektivrechtlichen Folgen hinaus auch individualrechtliche Konsequenzen. Verstößt der Arbeitgeber durch einseitige Maßnahmen gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, sind seine Maßnahmen auch im Verhältnis zu einzelnen Arbeitnehmer:innen unwirksam. Das folgt aus dem Schutzzweck der Norm und ist Inhalt der sogenannten „Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung“. Nach anderer Ansicht („Theorie der erzwingbaren Mitbestimmung“) sind unberechtigte einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers trotz Verstoßes gegen das Mitbestimmungsrecht wirksam, der Betriebsrat kann lediglich die

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Die Durchsetzbarkeit der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates

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Mitbestimmung erzwingen. Nicht alle bereits unberechtigterweise geschaffenen Fakten lassen sich durch „Nachholen der Mitbestimmung“ beseitigen, sodass es der Theorie der lediglich erzwingbaren Mitbestimmung in Einzelfällen an Praktikabilität fehlt. Auch die Tatsache, dass das Betriebsverfassungsgesetz Arbeitnehmerschutzrecht ist und die Mitbestimmungsrechte auch dem Schutz des Einzelnen dienen, spricht für die „Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung“. Die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit, die Änderung der geplanten Arbeitszeit im Dienstplan, der Wechsel von geplanten Schichten, die Verlegung, der Ausfall und die Kürzung von Pausen können nur mit erfolgter Zustimmung des Betriebsrats angeordnet werden. Fehlt es an der erforderlichen Mitbestimmung des Betriebsrates, kann sich ein:e jeweils im betroffenen Dienstplan geführte Arbeitnehmer:in auf die fehlende Zustimmung des Betriebsrates berufen und ist streng genommen nicht verpflichtet, der Anweisung des Arbeitgebers zu folgen. An diesem Punkt ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass eine solche Vorgehensweise die Versorgung der Bewohner:innen massiv gefährden würde, weshalb einerseits durch den Arbeitgeber penibel auf die Einhaltung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates geachtet werden muss, andererseits Betriebsrat und Mitarbeiter:innen nicht das rechte Augenmaß verlieren sollten und mit dem Arbeitgeber frühzeitig in Bezug auf Probleme bei der Dienstplanung kommunizieren. Bevor Dienstpläne ausgehängt oder ausgelegt werden, bedürfen sie wie dargestellt der Zustimmung eines etwaig bestehenden Betriebsrats. Geschieht dies nicht, können die Folgen fatal sein. Wie erwähnt, besteht ohne Zustimmung des Betriebsrats keine rechtliche Grundlage für den Einsatz der Mitarbeiter:innen. Die Mitarbeiter:innen sind in diesem Falle nicht verpflichtet, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Gleichwohl muss der Arbeitgeber den vollen Lohn weiterbezahlen. Zudem kann der Betriebsrat die Unterlassung der Umsetzung des nicht genehmigten Dienstplans verlangen und die Unterlassung bei Weigerung des Arbeitgebers auch gerichtlich durchsetzen. Konkret bedeutet der Umstand eines nicht vom Betriebsrat genehmigten Dienstplans im schlimmsten Fall: „Kein vom Betriebsrat mitbestimmter Dienstplan, keine Pflege.“ Ein untragbarer Zustand für die Einrichtung, die Mitarbeiter:innen und selbstverständlich auch für die Bewohner:innen. Das Prozedere der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Dienstplangestaltung sollte daher im Rahmen einer Betriebsvereinbarung klar geregelt werden. Neben den erzwingbaren Mitbestimmungsrechten des § 87 BetrVG steht dem Betriebsrat das ebenfalls erzwingbare korrigierende Mitbestimmungsrecht aus § 91 BetrVG zu, soweit der Arbeitgeber Änderungen von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf oder Arbeitsumgebung durchführt, die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen und deshalb die betroffenen Arbeitnehmer:innen in besonderer Weise belasten. Der Betriebsrat kann dann angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen. Auch die Veränderung bestehender Schichtarbeit fällt unter den Begriff der „Änderung des Arbeitsablaufs“. Gleiches gilt, wenn Veränderungen bei der grundsätzlichen Arbeitsgestaltung im Rahmen von Nacht- und

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Schichtarbeit vorgenommen werden. Bei diesbezüglichen Streitigkeiten entscheidet auf Antrag einer der Betriebsparteien die Einigungsstelle. Soweit die Entscheidung Ansprüche für einzelne Arbeitnehmer:innen begründet, sind diese Ansprüche im Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten durchsetzbar. Neben den dargestellten erzwingbaren Mitbestimmungsrechten besteht die Möglichkeit der „freiwilligen Mitbestimmung“ nach § 88 BetrVG. Diese Vorschrift bestimmt, dass zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen durch Betriebsvereinbarungen auf freiwilliger Basis zwischen Arbeitgeber/Einrichtung und Betriebsrat geregelt werden können.

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8 Haftungsrechtliche Aspekte des Nachtdienstes

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Das Leben verläuft nicht immer nach Plan. So ist es letztlich auch in der Pflegeeinrichtung. Welche Mitarbeiterin im Nachtdienst hatte beispielsweise noch nicht ein nächtliches Sturzereignis während der eigenen Schicht zu beklagen. Einher gehen solche Ereignisse mit dem schlechten Gefühl der beteiligten Pflegekräfte, „etwas falsch gemacht“ zu haben. Fakt ist, dass sich in den meisten Fällen für die Bewohner schlicht das allgemeine Lebensrisiko realisiert hat, im Alltag zu Schaden zu kommen. Denn allgemein anerkannt ist, dass sich nicht jedes Risiko vermeiden lässt. Und weil dem so ist, münden die allerwenigsten Schadenereignisse in einer Haftung. Weder für die Einrichtung, noch für die beteiligten Pflegekräfte.

Haftungsrechtliche Grundsätze Grundsätzlich gilt, dass es keine Unterschiede der haftungsrechtlichen Aspekte des Nachtdienstes zu denjenigen des Tagdienstes gibt. Es gelten insoweit die bekannten Grundsätze zur zivilrechtlichen und strafrechtlichen Haftung. Im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung geht es letztlich um das Einstehen müssen für nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllte Pflichten. Dies kann in der Form der vertraglichen Haftung das Einstehen müssen der Einrichtung gegenüber dem Bewohner aufgrund der Schlechterfüllung des Heimvertrages sein. Zudem kann dies in Form der sogenannten deliktischen Haftung das Einstehen müssen der Mitarbeiter für die schuldhafte Verletzung der sie im Einzelfall treffenden Verantwortlichkeiten sein. Der pflegende Mitarbeiter haftet für eigenes vorwerfbares, schuldhaftes fehlerhaftes Handeln. Seine Vorgesetzten haften für vorwerfbare, schuldhafte Organisations-, Anleitungs- und Überwachungsfehler. Ansatz zur Feststellung eines Haftungsfalls ist die Betrachtung der Sorgfalt, die im Einzelfall von den jeweils Handelnden unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalles berechtigt erwartet werden kann. Deutlich soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es ein weitverbreiteter rechtlicher Irrglaube ist, dass jede Form eines Schadens in jedem Fall von einem Bewohner abgewendet werden muss. Hieraus folgt im nächsten Schritt der weitere rechtliche Irrglaube, als Pflegekraft „mit einem Bein stets im Gefängnis zu stehen“. Wie bereits erwähnt, lassen sich nicht alle Schadensereignisse verhindern. Und noch ein Hinweis sei an dieser Stelle erlaubt: Gerade im Zusammenhang mit dem Bestreben der Vermeidung eines jeden Sturzereignisses erleben wir es, dass zu schnell freiheitsbeschränkende oder freiheitsentziehende Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Oft auch auf Druck der Angehörigen hin. Gleiches gilt auch in Bezug auf dementiell veränderte Bewohner, die nachts ihre Zimmer verlassen. Wünschenswert ist es, dass die Einrichtungen ihren Mitarbeitern durch geeignete rechtliche Schulungen ein Gerüst an Wissen und Gespür für die haftungsrechtlichen Dimensionen der Tätigkeit in der Pflege vermitteln. Ein guter und fundierter Einstieg

in die Thematik lässt sich über das Kurzfachbuch „Haftungsrecht“ von Prof. Thomas Klie (erschienen im Vincentz Verlag) finden.

Haftungserleichertung im Arbeitsrecht Eine haftungsrechtliche Besonderheit ergibt sich aus arbeitsrechtlicher Sicht. Der aus den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches resultierende Grundsatz der vollen Haftung bei Vorsatz und Fahrlässigkeit wurde im Bereich des Arbeitsrechts als zu streng empfunden, weil auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen können, die zwar für sich betrachtet fahrlässig sind, mit denen aber aufgrund der menschlichen Unzulänglichkeit gerechnet werden muss. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber tätig wird und als solcher lediglich eine Leistungshandlung, verbunden mit der gehörigen Bemühung um deren Gelingen schuldet.

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leichteste Fahrlässigkeit: Keine Haftung mittlere Fahrlässigkeit: Anteilige Haftung nach den Umständen des Einzelfalles grobe Fahrlässigkeit: (In der Regel) Volle Haftung Vorsatz: Volle Haftung

Über diesen generellen Differenzierungsansatz nach dem Grad des Verschuldens hinaus tendiert die Rechtsprechung in ihrem Bemühen um Einzelfallgerechtigkeit dazu, bei der Bildung der konkreten Haftungsquote eine Vielzahl weiterer Aspekte zu berücksichtigen, die je nach den Gegebenheiten des Falls zu einer Milderung oder Verschärfung der Haftung führen können. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in solch schwerem Maße verletzt worden ist, dass sich der Arbeitnehmer - auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände und Fähigkeiten - den Vorwurf gefallen lassen muss, selbst einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und selbst das nicht beachtet zu haben, was im gegebenen Fall jedem ohne weiteres hätte einleuchten müssen. Auch bei grober Fahrlässigkeit sind Haftungserleichterungen nicht generell ausgeschlossen. Die Entscheidung ist nach Abwägung aller

Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen

Allgemeine Grundsätze Die Rechtsprechung hat deshalb im Arbeitsrecht Haftungserleichterungen entwickelt. Nach nunmehr einhelliger höchstrichterlicher Auffassung greift die arbeitsrechtliche Haftungsmilderung bei jeder Art von betrieblich veranlasster Tätigkeit. Inhaltlich differenziert das Haftungsmodell nach dem Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers. Ein Verschulden des Arbeitnehmers liegt - neben Vorsatz - immer dann vor, wenn er fahrlässig handelt. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt! Ausgehend von dem Fahrlässigkeitsbegriff gelten im Arbeitsrecht die folgenden Haftungserleichterungen:

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Haftungsausschluss bei Personenschäden an Arbeitskollegen 86

Umstände des Einzelfalles zu treffen, wobei es entscheidend darauf ankommen kann, dass der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht, sodass die Existenz des Arbeitnehmers bei voller Inanspruchnahme bedroht ist. Mit der sogenannten mittleren Fahrlässigkeit ist das weite Feld zwischen leichtester und grober Fahrlässigkeit angesprochen. In diesem Bereich erfolgt eine Schadensaufteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Bildung einer Haftungsquote. Die Bestimmung dieser Haftungsquote hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu erfolgen, denen wiederum je nach Lage des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht untereinander beizumessen ist. Generelle Aussagen lassen sich nicht treffen. Leichteste Fahrlässigkeit liegt schließlich vor, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles um eine völlig geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtwidrigkeit handelt, die jedem Arbeitnehmer im Laufe der Zeit unterlaufen könnte.

Haftungsausschluss bei Personenschäden an Arbeitskollegen Für Personenschäden durch Arbeitnehmer an Arbeitskollegen greift grundsätzlich ein vollständiger Haftungsausschluss (§ 105 SGB VII). Dieser tritt dann ein, wenn der Arbeitskollege aufgrund eines Arbeitsunfalls geschädigt wird, den der Arbeitnehmer nicht vorsätzlich verursacht hat (sog. „Betriebsangehörigenprivileg“). In diesem Fall trägt die gesetzliche Unfallversicherung den eingetretenen Schaden.

Autoren

Peter Sausen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, ist Inhaber der Kanzlei STEINRÜCKE . SAUSEN mit Büros in Köln und Berlin. Seit mehr als zwanzig Jahren berät er bundesweit Träger der stationären und ambulanten Pflege zu sämtlichen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und der Arbeitszeitgestaltung und vertritt Arbeitgeber bei der Verhandlung von Betriebs-/Dienstvereinbarungen und Tarifverträgen. Dozent für Arbeitsrecht und Pflegerecht in der Ausbildung und Fortbildung von Pflegekräften sowie Leitungs- und Führungskräften. Er ist Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht und Personalführung der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) und Autor zahlreicher arbeitsrechtlicher Fachveröffentlichungen. www.steinruecke-sausen.de

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Michael Wipp, Inhaber WippCARE; Altenpfleger und Gesundheits- und Krankenpfleger. Berufspraktische Erfahrung über mehr als 30 Jahre auf dem Gebiet der Altenhilfe in unterschiedlichen Positionen. Ordentliches, extern berufenes Mitglied der Enquetekommission des Landtags „Pflege in Baden-Württemberg zukunftsorientiert und generationenübergreifend gestalten“. 2014 - 2016 Mitglied in den Expertengruppen aus Pflegewissenschaft und Pflegemanagement zur Entwicklung und Umsetzung des Strukturmodells/SIS® unter Leitung von Frau E. Beikirch, ehem. Ombudsfrau zur Entbürokratisierung der Pflege im Bundesministerium für Gesundheit. Mitglied im Bundesvorstand des DVLAB und im Begleitgremium des BMG zu § 113 c SGB XI. www.michael-wipp.de

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Unser Tipp

... ein weiterer Titel von M. Wipp und P. Sausen

Regelkreis der Einsatzplanung Dienstpläne sicher und effizient erstellen Michael Wipp, Peter Sausen Welcher Verantwortliche kennt nicht den Konflikt zwischen Kundenorientierung, wirtschaftlichem Einsatz des Personals und Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen. Dieses Arbeitshandbuch zeigt Einsatzplanung mit einfachen Mitteln und vorhandenen Ressourcen – immer in Hinblick auf Bewohner- und Mitarbeiterinteressen. Alle zentralen Fragen und auch die rechtlichen Aspekte der Einsatzplanung greifen die Autoren auf. So ist das Arbeitshandbuch unentbehrlicher Helfer bei der Dienstplangestaltung: Schritt für Schritt zeigt es den Weg zu einem gleichermaßen wirksamen wie wirtschaftlichen Personaleinsatz. 2018, 3., überarb. Auflage, 440 Seiten, Format: 17 x 24 cm, ISBN 978-3-86630-546-5, Best.-Nr. 625 eBook, Best.-Nr. 20751

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