Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball: Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Bosman-Entscheidung des EuGH [1 ed.] 9783428495887, 9783428095889

Der Autor behandelt die Zulässigkeit der verbandsrechtlichen Beschränkungen, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als Mon

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German Pages 254 Year 1999

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Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball: Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Bosman-Entscheidung des EuGH [1 ed.]
 9783428495887, 9783428095889

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KAI-UWE PLATH

Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball

Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen t, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen

Band 17

Individualrechtsbeschränkungenirn Berufsfußball Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Bosman-Entscheidung des EuGH

Von

Kai-Uwe Plath

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Plath, Kai-Uwe: Individualrechtsbeschränkungen im Berufsfußball : eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Bosman-Entscheidung des EuGH I von Kai-Uwe Plath. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Hamburger Studien zum europäischen und internationalen Recht; Bd. 17) Zugl.: Hamburg,Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09588-X

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-2435 ISBN 3-428-09588-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1997/98 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sowie die der Untersuchung zugrundeliegenden verbandsrechtlichen Statuten wurden bis Januar 1998 berücksichtigt. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Thomas Bruha, danke ich herzlich für die zuvorkommende Gesamtbetreuung der Arbeit und insbesondere dafür, daß er es mir ermöglicht hat, eine Arbeit auf dem rechtswissenschaftlichen Randgebiet des Sportrechts zu schreiben. Weiter danke ich Herrn Prof. Dr. Meinhard Hilf für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ihm habe ich es auch zu verdanken, daß die Arbeit Aufnahme in die vorliegende Schriftenreihe gefunden hat. Schließlich möchte ich mich auch bei all jenen aus meinem privaten Umfeld bedanken, die mit ihren wertvollen Anregungen zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Besonders herzlicher Dank gebührt in diesem Zusammenhang meinem Studienfreund Gerald Neben, der mir nicht nur während der Entstehungsphase dieser Arbeit stets mit fachkundigen Ratschlägen zur Seite stand. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet. Hamburg, im September 1998

Kai-Uwe Plath

Inhaltsverzeichnis Einleitung

Allgemeiner Teil

Organisatorische und rechtliche Grundlagen Erstes Kapitel

Die Organisation des Lizenzfußballs in Deutschland I. II. III.

15

18

18

Der DFB ......................................................................................................... 18 Der Lizenzspieler ............................................................................................ 19 Der Lizenzfußball in Deutschland .................................................................... 22 Zweites Kapitel

Die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

26

Die Regelung des Lizenzvertrages ................................................................... 27 Die vereinsrechtlichen Theorien ...................................................................... 28 Die arbeitsrechtlichen Theorien ....................................................................... 32 Die vertragsrechtlichen Theorien ..................................................................... 36 Stellungnalune - Die Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB ... 38 1. Die gesetzesvertretende Funktion des DFB-Rechts ..................................... 40 2. Die Würdigung des DFB-Rechts entsprechend seiner gesetzesvertretenden Funktion.................................................................................................... 43 3. Die Dogmatik des gesetzesvertretenden DFB-Rechts ................................. 45 VI. Ergebnis.......................................................................................................... 47

I. II. ill. IV. V.

Drittes Kapitel

Die Einwirkung der Grundrechte auf die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB I.

48

Die Einwirkung der Grundrechte im Lichte der allgemeinen Drittwirkungslehren ........................................................................................ 49

8

II. III.

Inhaltsverzeichnis 1. Die Grundrechte als reine Abwehrrechte gegen den Staat... ........................ 49 2. Die Grundrechte als munitte1bar drittwirkende Rechtsnonnen .................... 49 3. Die Grundrechte als bloß mittelbar drittwirkende Rechtsnonnen ................ 50 4. Stellungnahme - Die differenzierende Betrachtung ..................................... 51 Die Einwirkung der Grundrechte nach der Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB ........................................................................................ 56 Ergebnis ....................................... :......... ......................................................... 58

Viertes Kapitel

Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

60

Die Grundlagen einer möglichen Einwirkung des Gemeinschaftsrechts ............ 61 Die Einwirkung der Freizügigkeitsvorschriften des EG-Vertrages .................... 62 1. Die Einwirkung der Freizügigkeitsvorschriften nach der RechtsprechWlg des EuGH......................................................................... 63 a) Der Fall "Walrave Wld Koch" .............................................................. 63 b) Der Fall ,,,Donä" .................................................................................. 65 c) Der Fall ,,Bosman" .............................................................................. 67 d) ZusammenfassWlg der sportbezogenen RechtsprechWlg des EuGH ....... 70 2. Mögliche Einwände gegen die RechtsprechWlg des EuGH ......................... 70 a) Zweifel an der primär wirtschaftlichen Funktion des Fußballsports ...... 71 aa) Die Kritik an der Prämisse des EuGH ............................................ 71 bb) Die Kritik an der Subsumtion des EuGH. ....................................... 74 (1) Teilnahme am Spielbetrieb der Vereinsligen als wirtschaftliche Betätigwtg? ..................................................................... 75 (2) Exkurs: Teilnahme an BegegnWlgen der Nationalmannschaften als nichtwirtschaftliche Betätigwtg? ........................... 76 b) Zweifel an der Arbeitnehmereigenschaft der Lizenzspie1er.. ................. 81 c) Zweifel an der Drittwirkung des Art. 48 EGV ...................................... 83 d) Zweifel an der Wahrwtg der Verbandsautonomie ................................. 84 e) Zweifel an der Beachtung des Subsidiaritätsprinzips ............................ 86 3. Fazit zur Einwirkung der Freizügigkeitsvorschriften des EG-Vertrages ...... 87 III. Die Einwirkung der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages ...................... 87 1. Die Anwendbarkeit des Art. 85 EGV ......................................................... 88 a) Der DFB als Unternehmen bzw. als Untemehmensvereinigwtg ............ 88 b) Die Statuten des DFB als Beschlüsse einer Untemehmensvereinigwtg. 92 2. Die Anwendbarkeit des Art. 86 EGV ......................................................... 92 IV. Ergebnis .......................................................................................................... 93

1. II.

Fünftes Kapitel

Zusammenfassung der Ergebnisse des »Allgemeinen Teils"

95

Inhaltsverzeichnis

9

Besonderer Teil Einzelne Problemlagen

96

Erstes Kapitel

Die Beschränkung der Lizenzspielertätigkeit durch das Lizensierungssystem des DFB

96

1.

Die inhaltliche Ausgestaltung des Lizensierungssystems .................................. 97 Die rechtliche Zulässigkeit des Lizensierungssystems ...................................... 98 I. Der Maßstab zur Beurteilung des Lizensierungssystems ............................. 98 2. Die generelle Befugnis des DFB zum Erlaß des Lizensierungssystems ...... 10 I 3. Die konkrete Befugnis des DFB zum Erlaß des Lizensierungssystems ....... l 02 IIl. Der Lizenzerteilungsanspruch im Rahmen des bestehenden Lizensierungssystems ........................................................................................................... l 06 1. Der Lizenzerteilungsanspruch bei Erfttllung sämtlicher Aufnahmevoraussetzungen................................................................................................. 107 a) Der Lizenzerteilungsanspruch auf der Gnmdlage des Lizenzspielerstatuts................................................................................................. 107 b) Der Lizenzerteilungsanspruch auf der Gnmdlage einfachgesetzlicher Regelungen ......................................................................................... 108 c) Der Lizenzerteilungsanspruch auf der Gnmdlage der Gnmdrechte ...... 11 0 2. Der Lizenzerteilungsanspruch bei fehlender Erfttllung sämtlicher Aufnahmevoraussetzungen ............................................................................. 113 IV. Ergebnis......................................................................................................... 114 II.

Zweites Kapitel

Die Beschränkung der Lizenzspielertätigkeit durch die Ausländerklauseln des DFB 1.

II.

115

Die inhaltliche Ausgestaltung der Ausländerklauseln ...................................... 116 Die rechtliche Zulässigkeit der Ausländerklauseln .......................................... 117 1. Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 48 Abs. 2 EGV .......... 118 a) Vorliegen einer Diskriminierung i.S.d. Art. 48 Abs. 2 EGV ................ 118 b) Rechtfertigung der Diskriminierung LS.d. Art. 48 Abs. 2 EGV ........... 120 aa) Das Argument der Nachwuchsfi>rderung ....................................... 124 bb) Das Argument der Stärkung der Nationalmannschaften ................. 127 cc) Das Argument der schwindenden ZuschaueridentifIkation ............. 128 dd) Das Argument der nationalen Identität... ....................................... 129 ee) Das Argument der nationalen Meisterschaft .................................. 131 ft) Das Argument des sportlichen Gleichgewichts .............................. 133 gg) Das Argument der Überschuldungsgefahr...................................... 135 c) Verhältnismäßigkeit ........................................................ ................... 135

10

Inhaltsverzeichnis 2. 3.

lII.

Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG......................... 137 Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften des EGV ....................... ........ 139 a) Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten............... 140 b) Einschränkung des Wettbewerbs ......................................................... 142 Ergebnis......................................................................................................... 145

Drittes Kapitel Die Beschränkung der Lizenzspielertätigkeit durch das Transferentschädigungssystem des DFB

147

Die inhaltliche Ausgestaltung der Transferentschädigungssysteme des DFB ............................................................................................................... 148 II. Die rechtliche Zulässigkeit der Transferentschädigungssysteme im allgemeinen........................................................................................................ 151 1. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 48 EGV............................... 151 a) Vorliegen einer Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ........ 152 aa) Art. 48 EGV als Diskrirninierungsverbot... .................................... 152 bb) Art. 48 EGV als Beschränkungsverbot ......................................... 154 (1) Die Rechtsprechung des EuGH ............................................... 154 (2) Diskussion der Rechtsprechung des EuGH .............................. 156 (3) Die beschränkende Wirkung der Transferentschädigungssysteme .................................................................................... 158 b) Die Rechtfertigung der Beschränkung der Arbeitnehrnerfreizügigkeit..160 aa) Die VoraussetzwJ.gen einer möglichen Rechtfertigung ................... 160 bb) Die Berechtigung der vorgebrachten RechtfertigungsgrüIlde .......... 163 (1) Das Argument des sportlichen und fmanziellen Gleichgewichts ..................................................................................... 163 (2) Das Argument der Überlebensfähigkeit der Liga ..................... 168 (3) Das Argument unzulässiger Enteignungen ............................... 170 (4) Das Argument der Nachwuchsllirderung ................................. 171 (5) Das Argument der Ausbildungskosten ..................................... 175 (6) Das Argument der Aufrecherhaltung der weltweiten Organisation des Fußballsports .......................................................... 177 cc) Zusammenfassung zur Verhältnismäßigkeit .................................. 178 c) Die Reichweite des Art. 48 EGV - Verbandsinterne Transfers von Spielern aus anderen Mitgliedstaaten .................................................. 179 2. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 85 EGV. .............................. 186 3. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 12 Abs. 1 GG ............... ....... 188 4. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 2 Abs. 1 GG ....................... .193 5. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 1 Abs. 1 GG ........................ 194 lII. Die rechtliche Zulässigkeit der konkret angewandten Transferentschädigungssysteme des DFB ...................................... ,............................................ 196 IV. Ergebnis ......................................................................................................... 201

I.

Inhaltsverzeichnis

11

Viertes Kapitel Die Beschränkung der Lizenzspielertätigkeit durch die Sportgerichtsbarkeit des DFB

202

I. II.

Die inhaltliche Ausgestaltung der DFB-Sportgerichtsbarkeit... ........................ 202 Die rechtliche Zulässigkeit der DFB-Sportgerichtsbarkeit... ............................ 205 l. Die generelle Zulässigkeit privater Strafgewalten ..................................... 205 a) Die Kritik Flwnes ............................................................................... 206 b) Verfassungsrechtliche Bedenken ....................... .................................. 207 2. Die Zulässigkeit des DFB-Sportstrafrechts ................................................ 209 a) Die Unrechtstatbestände im DFB-Strafrecht. ....................................... 209 b) Die Rechtsfolgen im DFB-Strafrecht ................................................... 213 m. Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gegen Entscheidungen der Sportgerichtsbarkeit des DFB ................................................................................. 217 l. Der Umfang der gerichtlichen Kontrollbefugnis ........................................ 217 a) Der Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung ........................ 217 b) Übertragung der Ergebnisse auf die Sportstrafen des DFB ................ 219 2. Die schiedsvertragliche Beschränkung gerichtlicher Kontrolle .................. 221 a) Der Meinungsstand in der Literatur .................................................... 221 b) Eigene Ansicht des Verfassers ............................................................ 222 IV. Ergebnis ......................................................................................................... 224

Schlußteil

1.

II.

m.

Perspektiven

226

Erstes Kapitel Auswirkungen des "Bosman"-Urteils auf den Lizenzfußball

227

Zweites Kapitel Handlungsmöglichkeiten der Sportverbände

230

Korrektur des ,,Bosman"-Urteils im Wege justitieller Abhilfe ......................... 230 Umgehung des ,,Bosman"-Urteils durch Umwidmung der Spielerverträge ....... 231 Abhilfe im Wege der Schaffung von Ersatzsystemen ....................................... 232

Drittes Kapitel Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union I. II.

237

Bedeutung des Sports in der Europäischen Union ........................................... 237 Statuierung eines Sportvorbehalts in dem EG-Vertrag .................... ................. 239

12

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung der Ergebnisse .............................................. ...................... 242 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 246 Sachregister....... .............................................................................................. ....... .251

Abkürzungsverzeichnis BDB DFB FAZ FIFA FR RuVO UCI UEFA URBSFA WamS

Bund Deutscher Berufsboxer Deutscher Fußball-Bund Frankfurter Allgemeine Zeitung Federation Internationale de Football Association Franfurter Rundschau Rechts- und Verfahrensordnung des DFB Union Cycliste Internationale Union des Associations Europeennes de Football Union royale beIge des societes de football associations Welt am Sonntag

Andere Abkürzungen siehe:

Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, BerlinNew York 1993 Duden, Konrad, Die deutsche Rechtschreibung, 21. Auflage, Mannheim-Leipzig-WienZürich 1996

Einleitung Ursprünglich war es geplant, diese Arbeit mit einer Rechtfertigung der gewählten Thematik zu beginnen, denn zu groß war die Zahl derer, die dem Verfasser gegenüber ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck brachten, daß ausgerechnet der (Fußball-)Sport zum Gegenstand einer rechtswissenschaftlichen Dissertation gemacht werden sollte. Nachdem der EuGH dann aber im Dezember 1995 seine Entscheidung im Fall "Bosman"1 verkündet hatte, erledigte sich dieses Vorhaben von selbst, denn mit einem Schlag wurde für jeden deutlich, daß auch der Fußballsport Probleme bereithält, die sich jenseits der Frage bewegen, ob das "WembleyTor" von 1966 eines war oder nicht. Mit Unterstützung der Medien avancierte die "Bosman"-Entscheidung zu einer der meist diskutierten Entscheidungen der letzten Jahre, und welche Bedeutung die Rechtswissenschaft dieser Problematik beimißt, mag die außergewöhnliche Anzahl von Aufsätzen2 verdeutlichen, die der "Bosman"-Entscheidung gewidmet worden sind. Die Bedeutung dieser Entscheidung des EuGH, die zu tiefgreifenden Veränderungen des europäischen Berufssports geführt hat, geht weit über den eigentlichen Entscheidungsinhalt hinaus, denn mit ihrem Erlaß sind die Karten in der Diskussion um das Verhältnis zwischen Sport und Recht neu gemischt worden. Während sich die Kritik über Jahrzehnte hinweg allein gegen das Gebaren der Sportverbände gerichtet hat, denen man die "Verachtung elementarer Rechtsverbürgungen" vorgeworfen hae, sind nunmehr die Juristen in das Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik geraten. 4 Nach dem Urteil des EuGH sind sie es plötzlich, die sich fragen lassen müssen, ob sie tatsächlich

I Urteil des EuGH vom 15.12.1995 - Rechtssache C-415/93 ,,Bosman" = NJW 1996, 505 = EuZW 1996, 82. 2 Den Fall ,,Bosman" haben behandelt: Fischer, Spurt 1996, 34 fL Scholz/Aulehner, Spurt 1996, 44 ff.; Arens, Spurt 1996, 39 ff.; H. P. Westermann, DZWir 1996, 82 ff.; W. Schroeder, JZ 1996,254 ff.; Hobe/Tietje, JuS 1996,486 ff.; HiIßPache, NJW 1996, 1169 ff.; Palme, JZ 1996, 238 ff.; Wertenbruch, EuZW 1996, 91 ff.; GramIich, DÖV 1996, 801 ff; Nettesheim, NVwZ 1996,342 ff.; Imping, EWS 1996, 193 ff.; Weber, RdA 1996, 107 ff. 3 Burmeister, DÖV 1978, 1 (2). 4 Vgl. dazu etwa den Beitrag des Generalanwalts Lenz in der FAZ vom 21.3.1996, S. 11, der in Reaktion auf die allgemeine Kritik versucht, "einige Mißverständnisse aufzuklären" (FAZ).

16

Einleitung

zum Wohle der Sportler gehandelt haben. Die betroffenen Verbände sind bei weitem nicht die einzigen, die dies bezweifeln. 5 Die prinzipielle Frage, die hinter dieser Diskussion steht, ist seit jeher dieselbe: Wieviel Recht verträgt der Sport? Oder anders formuliert: Wieviel Autonomie braucht der Sport? Einen Beitrag zur Klärung dieser Frage zu leisten, ist das übergreifende Anliegen dieser Arbeit, die sich konkret mit einem Problem aus dem Bereich des Lizenzfußballs befassen wird. Nicht erst der Fall "Bosman" hat gezeigt, daß das angesprochene Spannungsverhältnis gerade im Lizenzfußball immer wieder besonders deutlich zu Tage tritt. Verantwortlich dafür ist vor allem eine neue, selbstbewußte Spielergeneration, die sich verstärkt gegen das überkommene Denken6 der Verbände zur Wehr setzt, und die sich nicht mehr scheut, ihre Rechte notfalls auf gerichtlichem Wege einzuklagen7 . Die unaufhaltsame Kommerzialisierung des Fußballs tut ihr übriges, und so sind heute mehr als je zuvor praxisnahe Lösungen der anstehenden Probleme gefragt. Diesem Bedürfnis nach problemgerechten Lösungen soll mit folgender Themenstellung Rechnung getragen werden: Wie bereits aus dem Titel ersichtlich ist, werden speziell die Probleme behandelt, die sich aus der Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB ergeben. Unter den drei Rechtsbeziehungen, die im Lizenzfußball gewöhnlich unterschieden werdenS, ist dies die Beziehung, aus der die heftigsten Konflikte hervorgehen, und sie erscheint daher besonders geeignet, um das generelle Problem anband einer praxisrelevanten Fragestellung behandeln zu können. An dieser zweispurigen Zielsetzung orientiert sich auch der Aufbau dieser Arbeit, die sich zu diesem Zwecke in einen "Allgemeinen" und einen "Beson5 So hat sich z.B. der Aktivensprecher der VereinigWlg der Vertragsfußballspieler (VdV), Bruno Labbadia, filr eine BeibehaltWlg der Beschränkung der Ausländerplätze in der Fußball-BWldesliga Wld damit gegen die EntscheidWlg des Gerichtshofs ausgesprochen. Vgl. DFB-JournaI4/95, S. 46. 6 "Unsere Regeln bestehen seit über hWldert Jahren, Wld plötzlich sollen wir alles umkrempeln." Lennart Johansson, Präsident der UEFA, in Reaktion auf das Bosman"Urteil". Vgl. Der Spiegel, 10/1996, S. 205. 7 Der verzweifelte Appell des DFB-Präsidenten Egidius Braun mag verdeutlichen, wie der DFB zu dieser EntwicklWlg steht: ,,Es kann nicht sein, daß bei jeder Gelben Karte eine Armada von Rechtsanwälten aufinarschiert, um Protest, Beschwerde oder sonstwas einzulegen. Wenn wir WlS mehr am Grünen Tisch als auf dem grünen Rasen treffen, dann rütteln wir an den Grundfesten Wlseres Sports." (zitiert im DFB-JournaI4/95, S.28). 8 hn deutschen Lizenzfußballlassen sich folgende drei BeziehWlgen Wlterschieden: (1) Die BeziehWlg des Spielers zu seinem Verein, die vornehmlich arbeitsrechtliche Probleme aufwirft, (2) die BeziehWlg des Vereins zu dem Verband, in der vor allem vereinsrechtliche Fragen im Vordergrund stehen, sowie (3) die BeziehWlg des Spielers zu dem Verband, die hier behandelt werden soll.

Einleitung

17

deren Teil" gliedert. Der "Allgemeine Teil", in dem die Grundlagen gelegt werden sollen, widmet sich mehr dem generellen Verhältnis von Sport und Recht. In ihm soll geklärt werden, welche Rechtsnormen dem Lizenzspieler als Berufssportler zur Seite stehen, und inwieweit der privatrechtlich organisierte DFB an diese Normen gebunden ist. Am Anfang dieses "Allgemeinen Teils" steht ein kurzer Überblick über die Organisation des Berufsfußballs in Deutschland (1. Kapitel). Die eigentliche Problemerörterung beginnt dann in dem 2. Kapitel, das der Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB gewidmet ist. Dort soll der Frage nachgegangen werden, warum und in welcher Form der Lizenzspieler den Statuten des DFB unterworfen ist, um dann in den beiden abschließenden Kapiteln dieses Teils klären zu können, inwieweit die Verbandsstatuten des DFB an dem Verfassungsrecht (3. Kapitel) bzw. an dem Gemeinschaftsrecht (4. Kapitel) zu messen sind. Der anschließende "Besondere Teil" dient dem Zweck, die generelle Problematik anhand einiger ausgesuchter, praktisch oder dogmatisch besonders interessanter Beispiele zu verdeutlichen. Zugleich soll die Untersuchung Ergebnisse liefern, die konkret genug sind, um sie auch in der Praxis verwerten zu können. Vier verschiedene Beschränkungen der Lizenzspielertätigkeit werden behandelt: Die Lizenzerteilungsproblematik (1. Kapitel), die vor allem in dogmatischer Hinsicht von Bedeutung ist, die Problematik der Ausländerklauseln (2. Kapitel) und der Transferentschädigungen (3. Kapitel), die Gegenstand des "Bosman"-Urteils waren, sowie die Problematik der Verbandsgerichtsbarkeit (4. Kapitel), die auch 25 Jahre nach dem Bundesliga-Skandal immer wieder neue Fragen bietet. Die Arbeit endet mit einem "Schlußteil", der den zukünftig zu erwartenden Entwicklungen gewidmet ist.

2 Platb

Allgemeiner Teil

Organisatorische und rechtliche Grundlagen Erstes Kapitel

Die Organisation des Lizenzfußballs in Deutschland Um das Verständnis für die Problemerörterungen der nachfolgenden Kapitel zu fördern, erscheint es erforderlich, die Organisation des Lizenzfußballs zuvor wenigstens kurz zu skizzieren und dessen Protagonisten vorzustellen.

I. Der DFB Die Organisation des Lizenzfußballs in Deutschland obliegt dem DFB. Der DFB ist ein rechtsfähiger, eingetragener Verein i. S. d. §§ 55 ff, 21 BGB mit Sitz in Frankfurt. Er ist Rechtsnachfolger des im Jahre 1900 gegründeten Deutschen Fußball-Bundes mit Sitz in Berlin. 1 Wiederbegrundet wurde er am 10. Juli 1949. Zu seinen satzungsmäßig besonders hervorgehobenen Aufgaben gehört es, den Lizenzfußball in Deutschland zu organisieren, 2 wenngleich dies nicht die Hauptaufgabe des DFB ist, denn diese liegt darin, die "Ausübung des Fußballspiels als Amateursport,,3 zu fördern. Angehörige des DFB sind die Regional- und Landesverbände als ordentliche Mitglieder sowie die Vereine der Lizenzligen als außerordentliche Mitglieder. 4 Der DFB ist seinerseits Mitglied des Weltfußballverbandes FIFA mit Sitz in Zürich sowie des europäischen Fußballverbandes UEF A mit Sitz in Nyon. 5 Die Vorschriften dieser Verbände sind für den DFB, seine Mitglieder 1 Vgl.

Vgl. 3 Vgl. 4 Vgl. 5 Vgl.

2

§ 1 der DFB-Satzung. dazu § 4 lit. f) der DFB-Satzung. Präambel der DFB-Satzung (Hervorhebung durch den Verfasser). § 7 der DFB-Satzung. § 3 der DFB-Satzung.

1. Kapitel: Die Organisation des Lizenzfußballs in Deutschland

19

sowie die Vereine seiner Mitgliedsverbände verbindlich. 6 Nach jüngsten Angaben sind im DFB zuletzt fast 150.000 Mannschaften in mehr als 26.000 Vereinen organisiert gewesen. 7 Im Lizenzligabereich sind derzeit ca. 800 Berufsfußballer in 36 Vereinsmannschaften aktiv. Organe des DFB sind der Bundestag, der Beirat, der Vorstand, das Präsidium, die Lizensierungsorgane, die Rechtsorgane sowie die Bundesausschüsse. 8 Besondere Bedeutung für den Lizenzfußball besitzen dabei der Spielausschuß, dem die Leitung aller Bundesspiele obliegt9, der Kontrollausschuß, der dazu berufen ist, die Einhaltung des Lizenzspielerstatuts und der Trainerordnung zu überwachen lO, sowie der Ligaausschuß, der die Interessen der Vereine und Spieler der Lizenzligen unter Berücksichtigung der Gesamtinteressen des DFB vertritt. 11

11. Der Lizenzspieler Der DFB unterscheidet zwischen Amateurspielern, Vertragsamateuren und Lizenzspielern. 12 "Lizenzspieler ist, wer das Fußballspiel aufgrund eines vom DFB li zensierten Arbeitsvertrages mit einem Lizenzverein betreibt.,,13 Grundlage der Lizenzspielertätigkeit ist also ein Arbeitsvertrag. Die Lizenzspieler werden demnach entgeltlich tätig, und insofern ist es durchaus gerechtfertigt, wenn diese Spieler gemeinhin als die "Berufsfußballer" bezeichnet werden. Entgegen der mißverständlichen Formulierung erfüllen allerdings auch die "Vertragsamateure" die Voraussetzungen einer beruflichen Betätigung, denn auch sie üben "das Fußballspiel mit vertraglicher Bindung gegen Entgelt" aus (§ 15 Nr. 2 der Spielordnung des DFB). Da auf diese Spieler jedoch im wesentlichen die Vorschriften Anwendung finden, die auch für sonstige Amateure gelten l4 , erscheint es angebracht, die Untersuchungen dieser Arbeit speziell auf die Lizenzspieler zu beschränken, anstatt die Tätigkeit der Berufsfußballer im weitesten Sinne zu beleuchten. Geschichtlich gesehen, markiert die Einrichtung des Lizenzspielers das Ende einer langen Entwicklung, die auf die Gründerjahre des Fußballs in Vgl. § 3 der DFB-Satzung. Vgl. DFB-JoumaI4/95, S. 46. 8 Vg. § 18 der DFB-Satzung. 9 Vgl. § 49 Nr. 1 der DFB-Satzung. 10 Vgl. § 51 Nr. 1 der DFB-Satzung. 11 Vgl. § 47 der DFB-Satzung sowie § 14 Nr. 1 des Lizenzspielerstatuts. 12 Vgl. § 15 der Spielordnung des DFB. 13 So die Definition in § 15 Nr. 3 der Spielordung des DFB. 14 Vgl. § 15 lit. b der Spielordung des DFB.

6

7

20

Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

Deutschland zurückgeht. Offiziell gab es damals nur den Amateurfußball, doch je mehr der Fußball in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte, desto stärker waren die Spieler darauf aus, sich ihre Leistungen bezahlen zu lassen. Schon im Jahre 1919 mußte der DFB einen ersten Angriff auf das damals gültige Amateurstatut abwehren, als in Berlin durch die Gebrüder Eydinger aus Budapest der Berufsfußball ausgerufen wurde. 15 Zwar gelang es dem DFB, dieses Vorhaben zu vereiteln, doch mußten sich die Sportgerichte in der Folgezeit immer häufiger mit Verstößen gegen die Amateurbestimmungen befassen, denn obwohl die Spieler offiziell keinerlei Entgelte empfangen durften, setzte sich die Zahlung von Handgeldern immer mehr durch16 . Welchen Umfang die verbotenen Schwarzgeldzahlungen schon bald angenommen hatten, erfuhr die breite Öffentlichkeit im Jahre 1930, als eine Spruchkammer des "Westdeutschen Spielverbandes" acht Vorstandsmitglieder des Fe Schalke 04 für schuldig befand, das Fußball-Amateur-Statut durch Zahlungen an ihre Spieler verletzt zu haben. Die Funktionäre wurden aus dem Verband ausgeschlossen und 14 Spieler wurden zu Berufsspielern erklärt. Was zuvor in Berlin mißglückt war, versuchten daraufhin die verurteilten Schalker Spieler: Sie gründeten eine Berufsspieler-Organisation. Da jedoch außer ihnen keine Berufsspieler in Deutschland existierten, scheiterte auch dieser zweite Anlauf, das Profitum in Deutschland offiziell einzuführen. Inzwischen hatte man allerdings auch beim DFB erkannt, daß der Berufsfußball unaufhaltsam auf dem Vormarsch war, und so beschloß man im Jahre 1932, eine professionelle Reichsliga einzuführen, um dieser Entwicklung Herr zu werden. Zu einer Umsetzung dieses Vorhabens konnte es jedoch nie kommen, da die Nationalsozialisten den DFB mit seinen Unterverbänden bald auflösten und ihn durch ein "Reichsfachamt-Fußball" ersetzten. Aus diesem Grunde dauerte es dann bis zum Jahre 1948, bis erstmals ein offizielles Bezahlungssystem in Deutschland zur Anwendung kam. Der neugegründete Süddeutsche Fußballverband erhob seine Spieler zu "Vertragsspielern" und erlaubte ihnen, monatlich einen Betrag von DM 320 brutto zu kassieren. Noch in dem darauffolgenden Jahr wurde diese Regelung - mit Billigung des wiederauferstandenen DFB - durch die übrigen Regionalverbände übernommen. Zu einem Ende der Schwarzgeldzahlungen führte dieses Regelung freilich nicht, denn auch weiterhin forderten und bekamen die Spieler mehr Geld als ihnen offiziell zugebilligt wurde, und so wurde auch weiterhin vehement die Einführung einer einheitlichen professionellen Liga gefordert. Der Westdeutsche Fußballverband formulierte dieses Anliegen damals wie folgt:

15

16

Vgl. Der Spiegel, 1963 Heft 35. S.37. Vgl. Der Spiegel, 1963 Heft 35. S.37.

1. Kapitel: Die Organisation des Lizenzfußballs in Deutschland

21

"Die großen und kleinen Sünden unserer Vertragsabteilungen sind bekannt. .. Es muß mit aller Klarheit darauf hingewiesen werden, daß wir bereits den Berufsfußball haben; es kommt lediglich darauf an, das VertragsspielerStatut durch ein Statut der Berufsspieler zu ändern. ,,17 Der DFB jedoch sah dies anders. Zwar gestand er den Vereinen von der Saison 1954/55 an das Recht zu, ein Weihnachtsgeld von 100 Mark an die Vertragsspieler zu zahlen und deren monatliche Bezüge von 320 Mark brutto auf 320 Mark netto zu erhöhen, doch sah er keine Veranlassung, die überhöhten Geldzahlungen zu legalisieren. Im Gegenteil: Der DFB kümmerte sich daraufhin sogar verstärkt um die andauernden Verstöße gegen das Vertragsspielerstatut, was sich an der Vielzahl der Sportgerichtsverhandlungen aus jener Zeit gut ablesen läßt. Der wohl populärste Fall betraf den heutigen Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft Fritz Walter, dem "Darlehen" im Gesamtwert von 45.000 Mark gezahlt worden waren, um ihn von einem Wechsel in die spanische Berufsliga abzuhalten. Zu der längst überfälligen Anerkennung des Berufsfußballs in Deutschland kam es dann endlich am 28. Juli 1962, als der Bundestag des DFB beschloß, die "Bundesliga auf Lizenzspieler-Basis" einzuführen. Das Bundesligastatut, das von der Saison 1963/64 zur Anwendung kam, gestattete den 297 Lizenzspielernjener Zeit ein monatliches Gesamteinkommen von bis zu l.200 Mark, und in Ausnahmefällen wurde sogar gänzlich auf eine einheitliche Einkommensgrenze nach oben verzichtee 8 . So soll etwa der Nationalspieler Uwe Seeler schon damals 2.500 Mark monatlich verdient haben. 19 Heraufgesetzt wurden zudem auch die Sonderprämien: Für die Eringung der Deutschen Meisterschaft durfte an jeden Spieler der Betrag von 2.000 Mark, für den Zweiten Platz l.000 und für den DFB-Pokalsieg l.500 Mark gezahlt werden. 20 Weitere Einkommensmöglichkeiten bot auch damals schon das Transfergeschäft, denn den Spielern war es gestattet, mit bis zu 20 % an ihrer Ablösesumme zu partizipieren. Bei einem festgeschriebenen Höchstbetrag von 50.000 Mark konnten die Spieler mithin Handgelder in einer Höhe von bis zu 10.000 Mark kassieren?1 Ein Betrag in gleicher Höhe durfte an die Spieler gezahlt werden, die ihrem Verein die Treue hielten und sich zu einer Vertragsverlängerung bereit erklärten. Angesichts dieser erweiterten Verdienstmöglichkeiten war es die logische Konsequenz, daß das Bundesligastatut die Spie-

17 Vgl. Der Spiegel, 1963 Heft 35. S.38. 18

Vgl. § 18 des Bundesligastatuts i.d.F. von 1963.

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Vgl. Der Spiegel, 1963 Heft 35. S.34. Vgl. § 21 i) des Bundesligastatuts i.d.F. von 1963.

19 Vgl. Der Spiegel, 1963 Heft 35. S.34. 21

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

ler nicht mehr dazu verpflichtete, einen bürgerlichen Hauptberuf auszuüben. Es stand den Spielern allerdings frei, dies zu tun. 22 Eine letzte entscheidende Neuerung erfuhr der Lizenzspielerberuf dann schließlich im Jahre 1972, als der DFB - in Reaktion auf den sogenannten "Bundesliga-Skandal,,23 - eine Aufhebung der bis dahin bestehenden Beschränkungen für Gehälter, Handgelder, Prämien und Ablösesummen beschloß. Die Einkünfte der Spieler sind seit jener Zeit stetig gestiegen. Während Jahreseinkünfte von 300.000 Mark noch zu Beginn der 80er Jahre besondere Envähnung fanden,24 sind siebenstellige Gehälter inzwischen durchaus keine Seltenheit mehr?5

III. Der Lizenzfußball in Deutschland Im bezahlten Fußballsport in Deutschland werden seit Beginn der Saison 1981/82 zwei Spielklassen als Lizenzligen geführt. Die Bundesliga als oberste Spielklasse sowie die 2. Bundesliga als nachgeordnete Spielklasse?6 Der Bundesliga gehören 18 Vereine an, die in einer doppelten Punktrunde mit wechselndem Platzvorteil nach dem System ,jeder gegen jeden" spielen?? Der Verein, der am Saisonende an erster Stelle der Tabelle steht, ist "Deutscher Fußball-Meister".28 Die drei Vereine mit der geringsten Punktezahl steigen in die 2. Bundesliga ab,29 während die drei erstplatzierten Vereine der 2. Liga in die Bundesliga aufsteigen. 30 Alleiniger Veranstalter dieser Punktrunden ist der DFB, der die Bundesliga und die 2. Bundesliga als Vereinseinrichtungen betreibt. 3! Eine weitere Veranstaltung dieser Art gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Die Organisation des deutschen Berufsfußballs obliegt mithin allein dem DFB, der insofern eine uneingeschränkte Monopolstellung in diesem Bereich innehat. Abgesichert wird dieses Monopol, das aufgrund der in Art. 9 Abs. 1 GG gaVgl. § 1 c) der Präambel des Bundesligastatuts i.d.F. von 1963. Vgl. zu diesem Bestechungsskandal aus der Saison 1971172, der letztlich zum strafweisen Ausschluß von Arminia Bielefeld aus der Bundesliga und zu zahlreichen Prozessen gegen Spieler und Funktionäre vor den DFB-Gerichten führte, Rauball, Bundesliga-Skandal, S. 8 ff. 24 So bei Osthoff, Rechts- und sittenwidrige Entscheidungsbeschränkungen für Berufssportler, insbesondere flir Lizenzfußballspieler, Diss. 1983, S. 13. 2 So die Angabe des Präsidenten von Borussia Dortmund, Dr. Gerd Niebaum, in: Kicker vom 22.01.1996, S. 17. 26 Vgl. § 1 Nr. I des Lizenzspielerstatut des DFB. 27 Vgl. § 24 der Spielordnung des DFB. 28 Vgl. § 38 der Spielordnung des DFB. 29 Vgl. § 39 der Spielordnung des DFB. 30 Vgl. § 40 der Spielordnung des DFB. 31 Vgl. § 1 Nr. 3 des Lizenzspielerstatuts. 22 23

1. Kapitel: Die Organisation des Lizenzfußballs in Deutschland

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rantierten Vereinigungsfreiheit nur ein faktisches sein kann, durch den Umstand, daß es in Deutschland generell nicht möglich ist, in irgendeiner Form Vereinsfußball zu betreiben, ohne an die Statuten des DFB gebunden zu sein. Da nämlich sämtliche Regional- und Landesverbände als ordentliche Mitglieder des DFB eingetragen sind,32 und da diese wiederum nur solche Vereine aufnehmen, die sich der Satzung, den Ordnungen und Entscheidungen des DFB unterwerfen/ 3 sind die Statuten des DFB letztlich für jeden aktiven Vereinsfußballer in Deutschland verbindlich. Aufgrund dieses Umstandes und nicht zuletzt aufgrund seiner enormen Mitgliederzahl besitzt der DFB eine faktische Machtposition, die die Gründung einer konkurrierenden Profiliga nahezu unmöglich erscheinen läßt. Eine zusätzliche Absicherung erfährt dieser Zustand durch die Statuten der internationalen Verbände FIFA34 und UEFA35 , denn diese sehen übereinstimmend vor, daß aus jedem Land nur ein einziger Verband in die jeweilige Organisation aufgenommen werden kann. Ein zweiter Verband aus Deutschland hätte insofern nicht einmal die theoretische Möglichkeit, international anerkannt zu werden, so daß der Versuch, einen Konkurrenzverband in diesem Lande zu installieren, schon deshalb zum Scheitern verurteilt wäre, weil kaum ein Verein oder Spieler bereit sind dürfte, sich einem Verband anzuschließen, dessen Angehörige keine Möglichkeit hätten, an internationalen Vergleichswettkämpfen teilzunehmen. Die MonopolsteIlung des DFB in Deutschland ist nach alledem also weitgehend ungefährdet, so daß der Weg zum Fußball im allgemeinen und zum Berufsfußball im besonderen auch zukünftig nur über den DFB führen wird. Um den damit verbundenen Aufgaben gerecht zu werden, hat sich der DFB auf der Grundlage seiner Satzung eine Vielzahl von Ordnungen gegeben, die vor allem dem Zweck dienen, den Spielbetrieb der Bundesliga und der ihr nachgeordneten Spielklassen zu organisieren. Nur beispielhaft seien an dieser Stelle die Spielordnung des DFB, die Schiedsrichterordnung, die Rechts- und Verfahrensordnung sowie die Trainerordnung genannt. Von besonderer Bedeutung für diese Arbeit ist überdies das sogenannte Lizenzspielerstatut des DFB, denn nach dieser "Berufsordnung des Fußballsports" bestimmen sich die Rahmenbedingungen der Lizenzspielertätigkeit in Deutschland. Voraussetzung für die Ergreifung des Lizenzspielerberufs ist gemäß § 1 Nr. 4 dieses Statuts zunächst eine entsprechende Lizensierung durch den DFB. 36 Der Spieler erhält diese Lizenz mit dem Abschluß eines "Lizenzvertrages", durch den er zur Beachtung der Verbands-Statuten des DFB verVgl. § 7 NT. 2 der DFB-Satzung. Vgl. §§ 6 NT. 4, 14 Nr. 1c der DFB-Satzung. 34 Vgl. Art. 1 Abs. 1 des FIFA-Statuts: ,,In jedem Land kann nur ein Verband anerkannt werden... ". 35 Vgl. Art. 1 der UEFA-Statuten. 36 Siehe dazu Besonderer Teil, Kapitel 1. 32

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

pflichtet wird. Auf Sinn und Bedeutung dieses Vertrages wird im nachfolgenden Kapitel ausführlich einzugehen sein. Sobald der Spieler dann rur seinen Verein am Wettkampfgeschehen der Bundesligen teilnimmt, wird in erster Linie die Spielordnung des DFB relevant, denn diese legt fest, unter welchen Bedingungen die Wettkämpfe zwischen den Lizenzligamannschaften durchgeruhrt werden. Interessant sind dabei vor allem die Sonderregelungen, die fiir den Einsatz von ausländischen Spielern in diesen Mannschaften gelten. Die damit zusammenhängenden Probleme werden einen weiteren Schwerpunkt des "Besonderen Teils" dieser Arbeit bilden. 37 Interessant ist weiterhin, daß der DFB auch die Problematik des Spielertransfers geregelt hat. Angaben darüber, ob, wann und unter welchen Bedingungen ein Lizenzspieler seinen Verein wechseln kann, finden sich wiederum in dem Lizenzspielerstatut. Bemerkenswert ist dieser Umstand deshalb, weil der Transfer eines Spielers an sich eine Angelegenheit darstellt, die lediglich die beiden betroffenen Vereine sowie den Spieler selbst betrifft. Dennoch hat es der DFB offensichtlich rur notwendig erachtet, regelnd in diesen Vorgang einzugreifen. Über die Art und Weise, wie er dies getan hat, und über die Beweggründe rur dieses Vorgehen wird zu sprechen sein. 38 Um den genannten Regeln zu Durchsetzung zur verhelfen, hat der DFB eigene Rechtsorgane eingerichtet, wobei in Angelegenheiten der Lizenzligen in erster Instanz das Sportgericht, in zweiter Instanz das Bundesgericht des DFB zuständig ist. 39 Unterstützt werden diese Rechtsorgane durch den Kontrollausschuß 4o - der "Staatsanwaltschaft des Berufsfußballs" -, dem die Verfolgung von Verstößen gegen das Lizenzspielerstatut obliegt.41 Inwieweit die Unterhaltung eines derartigen privaten Strafsystems zulässig ist, wird in einem abschließenden Kapitel42 untersucht werden. Zudem wird es dort um die Frage gehen, ob der DFB rechtmäßig handelt, wenn er den Spieler bei der Lizenzerteilung dazu verpflichtet, einen "Schiedsgerichtsvertrag" mit ihm zu schließen. In diesem wird festgelegt, daß über sämtliche Streitigkeiten zwischen dem DFB und dem

Vgl. Vgl. 39 Vgl. 40 Vgl. 41 Vgl. 42 Vgl. 37

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dazu Besonderer Teil, Kapitel 2. dazu Besonderer Teil, Kapitel 3. § 18 Nr. 2 des Lizenzspielerstatuts i.V.m. §§ 40, 41 der DFB-Satzung. § 51 der DFB-Satzung. § 19 Nr. 2 des Lizenzspielerstatuts. dazu Besonderer Teil, Kapitel 4.

1. Kapitel: Die Organisation des Lizenzfußballs in Deutschland

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Lizenzspieler ein sogenanntes "ständiges Schiedsgericht für Lizenzspieler"43 entscheidet. 44

43 Vgl. § 1 Nr. 1 des Schiedsgerichtsvertrages. 44 Zu den Problemen, die diese Vereinbarung aufwirft siehe: Besonderer Teil, Kap. 4.

Zweites Kapitel

Die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB In dem vorliegenden Kapitel soll die besondere Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB untersucht werden. Behandelt wird damit eine Problematik, die für den weiteren Verlauf der Arbeit von besonderer Bedeutung ist, denn nur in dem Wissen um die Natur dieser Rechtsbeziehung läßt sich bestimmen, mit welcher Berechtigung der DFB gegenüber dem Spieler tätig werden kann, und welcher Rechtmäßigkeitsmaßstab zu Überprüfung dieser Maßnahmen des DFB anzulegen ist. Ein mit der Materie des "Fußballrechts" nicht vertrauter Leser wird sich fragen, warum der Darstellung dieser Beziehung ein eigener Abschnitt gewidmet wird. Schließlich möchte man annehmen, daß der Spieler den DFBStatuten mitgliedschaftlich unterworfen ist. Überraschenderweise trifft diese Einschätzung jedoch nicht zu. Der Lizenzspieler ist weder Mitglied seines Vereines, noch ist er Mitglied des DFB. 1 Die Verbandsstatuten müssen daher auf anderem Wege für den Spieler verbindlich gemacht werden. Zu diesem Zwecke hat der DFB das Instrument des Lizenzvertrages entwickelt. Diesen nach Form und Inhalt vorgeschriebenen Vertrag hat jeder Spieler, der professionell in der Bundesliga Fußball spielen will, mit dem DFB abzuschließen. 2 Inhaltlich regelt der Vertrag "die Rechte und Pflichten des Spielers als Lizenzspieler, seine Unterwerfung unter die Satzung, das Lizenzspielerstatut, die Ordnungen des DFB und die Entscheidungen der DFB-Organe". 3 Zusammengefaßt enthält der Vertrag damit eine umfassende Regelung der Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB. Unklar bleibt allerdings, in welcher Art diese Rechtsbeziehung ausgestaltet ist. Entsprechend kontrovers sind die Einordnungsversuche der Literatur, wobei sich aus der Vielzahl der vertretenen Ansichten drei Hauptgruppen herausgebildet haben, die sich als vereinsrechtliche, vertragliche und arbeitsrechtliche Theorien zusammenfassen lassen. Bedeutsam ist diese Diskussion I Von einer Vereinsmitgliedschaft des Lizenzspielers wird steuerlichen Gründen Abstand genommen, da der Verein in diesem Falle den steuervergünstigten Status der Gemeinnützigkeit verlieren würde; vgL H.P. Westermann, JZ 1972, 537 f. 2 Vgl. § 11 Nr.l Lizenzspielerstatut. 3 § 11 Nr. 3 Lizenzspielerstatut.

2. Kapitel: Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

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um die Natur der Rechtsbeziehung vor allem deshalb, weil sich ihr Ergebnis entscheidend auf die Stellung der Parteien auswirkt. So stärkt die Annahme einer vereinsrechtlichen Bindung vor allem die Stellung des DFB, da dessen Verbandsstatuten in diesem Falle einer nur beschränkten Inhaltskontrolle unterzogen werden dürften. Zudem wären Eingriffe in die Rechte der Spieler aus der Satzungsautonomie herzuleiten und daher in weitem Maße zulässig. Anders hingegen, wenn man von einer arbeitsvertraglichen Bindung ausgeht. Eine derartige Betrachtung liegt vor allem im Interesse des Spielers, da die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien den individualschützenden Regeln des Arbeitsrechts unterstellt wäre. So wäre beispielsweise der Lizenzentzug an dem Kündigungschutzgesetz zu messen, 4 und der Schiedsvertrag, den der Spieler mit dem DFB abzuschließen hat, wäre wegen Verstoßes gegen die Vorschrift des § 101 Abs. 2 ArbGG nichtig. 5 Zwischen den beiden Extrempositionen steht schließlich die vertragsrechtliche Betrachtung, deren Vertreter den Lizenzvertrag als einen Vertrag sui generis begreifen. Da sich die Parteien bei dieser Lösung als gleichberechtigte Privatrechtsträger gegenüberstehen, könnte sich der DFB nicht auf seine Satzungsautonomie berufen, dem Spieler stünden allerdings auch keine arbeitsrechtlichen Schutzgesetze zur Seite. Je nach Betrachtungsweise läßt sich also die Stellung der einen oder anderen Partei stärken. Welche Art der Lösung der DFB selbst anstrebt, werden die nachfolgenden Darstellungen zeigen.

I. Die Regelung des Lizenzvertrages Aufschluß über die Frage, welche Art der rechtlichen Bindung der DFB erreichen möchte, geben die §§ 2 und 3 des Lizenzvertrages. Die Ausgestaltung des § 2 dieses Vertrages deutet auf die Annahme einer vereinsrechtlichen Bindung hin. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift der Norm, in der von der "Verbindlichkeit der Vereinsregeln und -sanktionen des DFB ... " gesprochen wird. In § 2 Abs. 1 S. 3 des Lizenzvertrages heißt es dann weiter: "Der Spieler erkennt diese Benutzungsvorschriften, die vom DFB als Vereinsregelungen aufgestellt werden, in ihrer jeweils gültigen Fassung als für sich verbindlich an; er unterwirft sich insoweit der Vereinsgewalt des DFB." Besonders durch den letzten Halbsatz wird deutlich, daß der DFB mit § 2 des Lizenzvertrages eine vereinsrechtliche Anbindung des Spielers anstrebt.

4 Vgl. Osthoff, Rechts- und sittenwidrige Entscheidungsbeschränkungen für Berufssportler, insbesondere für Lizenzfußballspieler, S.121. S H. P. Westermann, JA 84, 397.

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

Anders hingegen ist die Regelung des § 3 des Vertrages. Auch dort verpflichtet sich der Spieler zu einer Befolgung der Statuten und Ordnungen des DFB6 , doch erfolgt diese Verpflichtung unter der Überschrift "Vertragspflichten". In § 3 des Lizenzvertrages wird damit von einer vertraglichen Bindung ausgegangen. Der Lizenzvertrag enthält also eine doppelte Verpflichtung auf die Statuten des DFB, wobei der DFB offensichtlich nicht davon ausgeht, daß sich die beiden Fonnen der rechtlichen Anbindung gegenseitig ausschließen. Deutlich wird dies durch § 3 Abs. 4 S. 1 des Vertrages, denn dort heißt es: "Bei Verstößen gegen diese Vertragspflichten ist der DFB berechtigt, gegen den Spieler statt der in § 2 dieses Vertrages vorgesehenen Vereinstrafe eine Vertragsstrafe gemäß § 315 BGB auszusprechen, ... ". Festzuhalten ist damit, daß der DFB eine zweispurige Lösung anstrebt, bei der er vereinsrechtliche und vertragliche Bindungen nebeneinanderstellen möchte. Es ließe sich nun argumentieren, daß die Diskussion um die Art der rechtlichen Bindung allein im Sinne dieser zweispurigen Konstruktion des DFB zu entscheiden sei, da sie von beiden Parteien beim Abschluß des Lizenzvertrages anerkannt worden ist. Eine derartige Argumentation ließe jedoch außer Betracht, daß der bloße Parteiwille nicht geeignet ist, Rechtsbeziehungen zu begründen, die die juristische Dogmatik nicht ennöglicht. Mit den nachfolgenden Darstellungen wird daher zu klären sein, ob die Konstruktion des DFB rechtsdogmatisch überhaupt möglich ist, und inwieweit sie den Eigenarten der Beziehung des Spielers zum DFB gerecht werden kann.

11. Die vereins rechtlichen Theorien Gemeinsames Anliegen der Vertreter der vereinsrechtlichen Theorien ist es, die Tätigkeit des DFB gegenüber dem Lizenzspieler als Ausübung von vereinsrechtlicher Satzungsgewalt qualifizieren zu können. Da die Satzungsgewalt grundsätzlich nur gegenüber Vereinsmitgliedern ausgeübt werden kann,? konzentrieren sich die Verfasser vornehmlich auf die Frage, wie die formal fehlende Verbandsmitgliedschaft der Lizenzspieler überwunden werden kann. Nach Baumann8 besteht zwischen dem DFB und dem Lizenzspieler ein quasimitgliedschaftliches Verhältnis. Grundlage für die Begründung dieses Verhältnisses sei nicht der Lizenzvertrag, dem Baumann eine konstitutive Vgl. § 3 Abs. 1 des Lizenzvertrages. MünchKomm-Reuter § 25 Rn. 18. 8 Baumann, Die Vereinsstrafgewalt des Deutschen Fußball-Bundes über die Bundesligavereine, Lizenzspieler und Fußballehrer, S.28ff, 40ff. 6 ?

2. Kapitel: Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

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Wirkung abspricht, sondern die faktische Integration des Spielers in den DFB, die aufgrund der pennanenten Teilnahme am Spielgeschehen der Bundesliga erreicht werde. Auch Ernst9 stellt auf die faktischen Gegebenheiten ab, wenn er davon ausgeht, daß sich der Spieler durch die Teilnahme an Verbandswettspielen konkludent der Verbandsgewalt des DFB unterworfen habe. Vergleichbar argumentiert schließlich auch Reiss lO, der eine ausdrückliche Mitgliedschaft nicht für erforderlich hält, da durch die Teilnahme an den vom DFB ausgerichteten Spielen eine unmittelbare mitgliedschaftliche Beziehung geschaffen werde. Ein fonnaljuristisches Argument gegen diese Annahmen liefert bereits die Satzung des DFB. Diese unterscheidet in § 7 zwischen den "Regional- und Landesverbänden" als ordentliche Mitglieder und den "Vereinen der Lizenzligen" als außerordentliche Mitglieder. Eine Mitgliedschaft natürlicher Personen ist demnach überhaupt nicht vorgesehen. II Insofern scheint es schon in fonnaler Hinsicht bedenklich, den Spieler als Mitglied zu betrachten. Gestützt werden diese Zweifel auch in materieller Hinsicht. Die Vertreter der dargestellten Theorien orientieren sich vornehmlich an der faktischen Integration des Spielers. Wie so oft, wenn es darum geht, aus faktischem Verhalten rechtserhebliche Tatsachen abzuleiten, bestehen auch hier erhebliche Bedenken gegen dieses Vorgehen. Entsprechend der Grundregeln der Rechtsgeschäftslehre kann ein rein tatsächliches Verhalten nur dann zur Begründung einer Rechtsbeziehung führen, wenn die Verhaltensweise eine zumindest konkludente Willenserklärung erkennen läßt. Durch die Teilnahme am Spielbetrieb der Bundesliga müßte also der Wille des Lizenzspielers zum Ausdruck kommen, mit dem DFB in eine "mitgliedschaftsähnliche" Beziehung zu treten. Ein derartiger Wille der Lizenzspieler ist jedoch nicht erkennbar. Wie bereits ausgeführt worden ist, stellt eine rein vertragliche Bindung die für den Spieler günstigere Fonn der Rechtsbeziehung zum DFB dar. Er wird sie daher immer einer mitgliedschaftlichen Bindung vorziehen. Insofern ist der Wille des Lizenzspielers gerade nicht darauf gerichtet, sich vereinsrechtlich an den DFB zu binden. 12 Gegen die genannten Ansichten spricht weiterhin, daß das Kriterium der faktischen Unterwerfung zwangsläufig erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten hervorrufen müßte. Stellt man nämlich allein auf die faktische Nutzung der Vereinseinrichtungen ab, so ließe sich mit gleicher Argumentation begründen, daß auch die Zuschauer, die ebenfalls die Einrichtung Fußball9 Ernst, Die Ausübung der Vereinsgewalt - Dargestellt an den Befugnissen des Deutschen Fußball-Bundes, S.143ff. 10 Reiss, Die Strafgewalt der Vereine, S.50 ff. II Vgl. OsthojJ, S.102. 12 So auch OsthojJ, S.l 05

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

Bundesliga nutzen, der Vereinsgewalt des DFB unterworfen seien. Da jedoch niemand eine derartige Ansicht ernstlich vertreten wird, müßte zumindest ein stärker konturiertes Kriterium gefunden werden, um den Kreis der faktisch unterworfenen Mitglieder einzugrenzen. Weitere Abgrenzungsprobleme entstünden bei der Frage nach dem zeitlichen Beginn der Unterwerfung. Wieviel Bundesligaspiele muß ein Lizenzspieler bestritten haben, um "ständig" am Bundesligabetrieb teilgenommen zu haben? Und: Wie verhält es sich mit den Ersatzspielern, die zwar im Verein mittrainieren, aber keine Wettkämpfe bestreiten? Fragen, auf die die dargestellten Theorien keine Antwort geben. Die dargelegten Argumente machen deutlich, daß es nicht ausreichen kann, allein auf die faktische Eingliederung des Spielers in den DFB abzustellen, um die Annahme einer vereinsrechtlichen Rechtsbeziehung zu begründen. Einen anderen Weg hat der BGHI3 gewählt, der sich im Jahre 1994 erstmals grundlegend zu der Frage geäußert hat, in welcher Form der Sportler an die Sportregeln gebunden ist. 14 Anders als die bisher genannten Vertreter der vereinsrechtlichen Theorien stellt der BGH nicht auf die faktische Eingliederung des Spielers, sondern auf die Bedeutung des Lizenzvertrages ab. Durch den Abschluß des Lizenzvertrages erkenne der Sportler das einschlägige Regelwerk des Sportverbandes an. 15 Vordergründig betrachtet geht der BGH also von einer vertraglichen Lösung aus. Dennoch soll die Ansicht des BGH in dieser Arbeit im Zusammenhang mit den vereinsrechtlichen Theorien erörtert werden, da auch der BGH im Ergebnis eine "mitgliedschaftsähnliche" Bindung annimmt. Der BGH betrachtet den Lizenzvertrag nicht als schuldrechtlichen Vertrag zwischen gleichrangigen Privatrechtsträgern - er mißt ihn deshalb auch nicht an dem AGB-Gesetz l6 - sondern sieht darin vielmehr die "Unterwerfung" eines Nichtmitgliedes unter die Disziplinargewalt des Sportverbandes. I? Rechtsdogmatisch rechtfertigt der BGH diese Bewertung vornehmlich unter Berufung auf die "Eigenart des Sports", die es erfordere, alle Wettkampfteilnehmer gleichermaßen an die Wettkampfregeln zu binden, unabhängig von

13 BGH, Urteil v. 28.11.1994 - n ZR 11194; abgedruckt in JZ 1995, 461 fT.; dem folgend OLG München, Urt. v. 28.03.1996, NJWE-VHR 1996, 96 = NJW 1996, 2382, zum Dopingvergehen der ehemaligen Sprintweltmeisterin Katrin Zimmermann (geb. Krabbe). Vgl. dazu auch Haas/Adolphsen, NJW 1996, 2351 ff. 14 Gefällt wurde das Urteil anläßlich der Klage eines Tumierreiters gegen den Hessischen Dachverband der Reit- und Fahrvereine. Seine Aussagen beanspruchen allerdin9s allgemeine Geltung ftlr den gesamten Bereich des Lizenzsports. 5 BGH, JZ 1995, 46l. 16BGH, JZ 1995,461 (463). 17 BGH, JZ 1995,461 (462); ebenso auch Weiland, Die Rechtsstellung des Lizenzspielers in der Fußball-Bundesliga - zugleich ein Beitrag zur allgemeinen VerbändeDiskussion, S.40 ff..

2. Kapitel: Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

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dem Vorliegen einer vereinsrechtlichen Bindung der Sportler. 18 Ein Nichtmitglied könne ebensowenig ohne unzulässige Diskriminierung von der Teilnahme am organisierten Wettkampfgeschehen ausgeschlossen werden, wie es anginge, dieses Nichtmitglied aufgrund seiner mangelnden Vereinsgebundenheit von der Verbindlichkeit der maßgeblichen sportlichen Regelwerke freizustellen. Da mit einer freiwilligen Befolgung der Sportregeln nicht gerechnet werden könne, müsse der Sportler zudem auch der die Regelbeachtung absichernden Sportgerichtsbarkeit unterstellt sein. 19 Die Überprüfung von Ordnungsrnaßnahmen der Sportverbände gegenüber den Nichtmitliedern durch die ordentliche Gerichtsbarkeit erfolge dann grundsätzlich anhand derselben Maßstäbe, die für entsprechende Maßnahmen gegen Mitglieder zu gelten hätten. 20 Daß sich auch Personen, die keine Mitglieder eines Verbandes sind, der Disziplinargewalt des Verbandes durch vertragliche Vereinbarung unterstellen können, entspricht der allgemeinen Meinung in der Literatur2l und soll auch hier nicht in Frage gestellt werden. Dennoch sind Zweifel angebracht, ob die Betrachtungsweise des BGH den Rechtsverhältnissen im Lizenzfußball gerecht wird. Wie gezeigt, basiert die Ansicht des BGH auf der Prämisse, daß zwischen allen Wettkampfteilnehmern Chancengleichheit hergestellt werden müsse. Dieser These ist uneingeschränkt zuzustimmen, doch entfaltet sie ihre Wirkung erst dann, wenn Vereinsmitglieder und Nichtmitglieder tatsächlich miteinander im Wettbewerb stehen. Erst dann kann es aufgrund der Eigenart des Sports gerechtfertigt sein, die Nichtmitglieder wie Vereinsmitglieder zu behandeln. Im Spielbetrieb der Fußballbundesliga liegt eine derartige Konkurrenzsituation jedoch nicht vor. Da sämtliche Bundesligaspieler in der gleichen Weise, d.h. durch den Lizenzvertrag, an den DFB gebunden sind, besteht keine Notwendigkeit, die Lizenzspieler gewöhnlichen Vereinsmitgliedern gleichzustellen. Schließlich wäre der Grundsatz der Chancengleicheit ebenso gewahrt, wenn man von einer durchgängig schuldrechtlich geregelten Rechtsbeziehung zwischen DFB und Lizenzspieler ausginge. Hinzu kommt, daß die Betrachtungsweise des BGH ohnehin nur eine unvollkommene Chancengleichheit ermöglichen könnte. Während nämlich Personen, die dem Verband nicht als Mitglieder angehören, keine Möglichkeit haben, die Verbandsregeln mitzubestimmen, können Vereinsmitglieder zumindest mittelbar, über die Wahl der Vorstände, die den Verein auf Verbandsebene vertreten, auf die Ausgestaltung der Verbandsstatuten einwirken. Zwar BGH, JZ 1995,461 (462). BGH, JZ 1995,461 (463). 20 BGH, JZ 1995,461. 21 Vgl. RGRK-Steffen, § 25 Rn 7, 13, 18; Soerge1-Hadding, § 25 Rn 35; EnnanH.P. Westermann, § 25 Rn 7. 18 19

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führt der BGH22 aus, daß die Interessen der Nichtmitglieder dadurch ausreichend geschützt würden, daß die Rechtsprechung vereinsrechtliche Regelwerke sogenannter sozialrnächtiger Verbände auf ihre inhaltliche Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) überprüfe, doch bleiben Zweifel, ob das Mitbestimmungsdefizit der Nichtmitglieder in dieser Weise ausgeglichen werden könnte.

Zusammenfassend bleibt damit festzuhalten, daß auch die Ansicht des BGH keine vollends befriedigende Lösung im Bereich des Lizenzfußballs bieten kann, wenngleich sie zumindest in dogmatischer Hinsicht weitestgehend überzeugt.

III. Die arbeitsrechtlichen Theorien Den vereinsrechtlichen Erklärungsversuchen stehen die arbeitsrechtlichen Theorien gegenüber. Die Vertreter dieser Theorien konstruieren eine arbeitsrechtliche Bindung des Spielers an den DFB. Sie gehen also davon aus, daß sich Lizenzspieler und DFB als Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegenüberstehen. Die Grundlage dieser zunächst überraschend klingenden Konstruktion bildet ein Gedanke, den Mümmler3 wie folgt formuliert hat: "Im Lizenzvertrag zwischen Spieler und dem DFB werden Funktionen und Aufgaben des DFB gegenüber dem Spieler vereinbart, die in einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis dem Verein als Arbeitgeber des Spielers obliegen würden." Stellvertretend für die Vertreter der arbeitsrechtlichen Theorien geht Mümmler hier davon aus, daß der DFB gegenüber dem Spieler die Befugnisse eines Arbeitgebers ausübt. So sei beispielsweise die Lizenzerteilung als Teil des Einstellungsvorgangs zu werten, da der Arbeitsvertrag des Spielers mit seinem Verein unter der aufschiebenden Bedingung der Lizenzerteilung stehe?4 Zudem sei in der Ansetzung der Bundesligaspiele eine Festlegung von Arbeitszeit und Arbeitsstätte zu sehen. Auch habe der DFB die Möglichkeit, auf die Entlohnung der Spieler einzuwirken, da ein durch den DFB gesperrter Spieler keine Siegprämie erhalten könne, und schließlich sei der DFB sogar in der Lage, das Arbeitsverhältnis des Spielers mit dem Verein durch einen Lizenzentzug zu beenden. 25

BGH, JZ 1995,461 (463). Mümmler, Der Spielertransfer im Bundesligafußball, S.33. 24 Mümmler S.33; Buchner, RdA 82, 11. 25 Mümmler, S.35 ging noch von einer automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus. Heute bestimmt § 10 des Musterarbeitsvertrages, daß der Lizenzentzug lediglich einen wichtigen Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den 22

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2. Kapitel: Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

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Auch wenn die Einwirkungen auf die Arbeitsbedingungen des Spielers teilweise nur höchst mittelbar erfolgen, so daß die Theorie von der Arbeitgebertätigkeit des DFB etwas konstruiert erscheint, so überzeugt doch zumindest die These, daß die Lizenzerteilung als Teil des Einstellungsvorgangs zu werten sei. Aufgrund der Gestaltung des Musterarbeitsvertrages ist es nämlich tatsächlich der DFB, der den Letztentscheid darüber hat, ob ein Spieler bei einern Bundesligaverein angestellt wird oder nicht. 26 Folglich nimmt der DFB - zumindest in dieser Hinsicht - typische Arbeitgeberbefugnisse wahr. 27 Dieses Ergebnis wird in der Literatur kaum bezweifelt und soll auch hier insoweit akzeptiert werden. Bedenken bestehen allerdings gegen die Schlußfolgerung, die seitens der Vertreter des arbeitsrechtlichen Ansatzes aus dem dargestellten Umstand gezogen wird. Schließlich kann die bloße Ausübung einiger Arbeitgeberbefugnisse nicht automatisch zu der Annahme einer arbeitsrechtlichen Bindung führen. Die Problematik verlagert sich damit auf die Frage, wie die soziologisch begründete These von der Arbeitgebertätigkeit des DFB dogmatisch untermauert werden kann. Zur Verdeutlichung: Einen Arbeitsvertrag schließt der Spieler nur mit seinem Verein. Will man dem DFB ebenfalls eine Arbeitgeberfunktion zubilligen, so entsteht eine Dreierbeziehung, die sich kaum in bekannten dogmatischen Mustern erfassen läßt. Dieser besonderen Lage entsprechend sind die Versuche der Literatur, die arbeitsrechtliche Betrachtung auf eine sichere juristische Grundlage zu stellen, von großem Einfallsreichtum geprägt. Klatt28 betrachtet das Vertragssystem zwischen Spieler, Verein und DFB als Einheit, wobei dem DFB in diesem System die überwachende und kontrollierende Tätigkeit zufallen soll. Geleitet von dieser Überlegung wertet Klatt den Lizenzvertrag zwischen Spieler und DFB als einen "arbeitsrechtlichen Kontrollvertrag". Aufgegriffen wurde dieser Gedanke durch das Arbeitsgericht Gelsenkirchen. 29 Anläßlich der Klage eines Lizenzspielers gegen den DFB vor dem Arbeitsgericht (!) wurde angeführt, daß der DFB durch das System der von ihm geschaffenen Satzungs- und Vertragsbestimmungen "partiell in die Arbeitgeberstellung gegenüber dem Lizenzspieler eingerückt" sei. Im Ergebnis vergleichbar argumentiert schließlich auch Buchnero, der von einer "Aufteilung der Arbeitgeberfunktion" spricht. Einen anderen Problernzugang wählt Mürnrnler 1 . Die Grundlage für eine dogmatisch vertretbare Lösung sucht er in Verein darstellt. Faktisch wird es dennoch zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommen, da ein Spieler ohne Lizenz für den Verein ohne Wert ist. 26 Vgl. § 10 Nr.2 des DFB-Musterarbeitsvertrages. 27 So auch H. P. Westennann, JA 84,397. 28 Klatt, Die arbeitsrechtliche Stellung des Berufsfußballspie1ers, S. 33 fT. 29 ArbG Gelsenkirchen, NJW 77, 598. 30 Buchner, RdA 82, 9. 31 Mammler, S.43 fT. 3 PI.tb

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einer Parallele zu einem bekannten Vorgang aus dem Zivilrecht. 32 Er verweist auf die Situation bei der Einziehungsermächtigung, bei der der Gläubiger einer Forderung den Einzug derselben auf einen Dritten übertrage. Dieser Lage entspreche die Situation im Lizenzfußball. So sei der DFB als Einziehungsermächtigter zu betrachten, der durch den Verein ermächtigt worden sei, einzelne seiner Befugnisse als Arbeitgeber im eigenen Namen gegenüber dem Spieler auszuüben. Das Verhältnis zwischen Spieler und DFB habe daher eine "arbeitsrechtliche Komponente". Es müsse jeweils "im Einzelfall" entschieden werden, ob arbeitsrechtliche Vorschriften anzuwenden seien. Betrachtet man die Besonderheit der dargestellten Lösungsansätze, so fallt auf, daß ein erheblicher Begründungsaufwand betrieben wird, um das gemeinsame Ergebnis - die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften - zu rechtfertigen. Es entsteht der Eindruck, als sei aus Sorge um die Individualrechte des Lizenzspielers mit allen Mitteln versucht worden, die Geltung des Arbeitsrechts zu legitimieren. Ein derart ergebnisbezogenes Denken ist in den Grenzen des rechtlich vertretbaren zweifellos statthaft; doch wird man die Frage stellen müssen, ob das angestrebte Ergebnis - ungeachtet der dogmatischen Bedenken - überhaupt erstrebenswert erscheint. So hat Osthoffl3 bereits im Jahre 1983 die These aufgestellt, daß der Lizenzfußballer keinesfalls eines besonderen Schutzes durch das Arbeitsrecht bedürfe, da er im Gegensatz zu sonstigen Arbeitnehmern sozial privilegiert sei. Zur Begründung seiner Ansicht verweist Osthoff auf die enormen Verdienstmöglichkeiten und die außergewöhnliche Popularität der Lizenzspieler. In der Tat läßt sich in jüngerer Zeit immer häufiger feststellen, daß erfolgreiche Fußballspieler ihre Popularität geschickt dazu nutzen, um die eigene Position gegenüber dem Verein und dem DFB zu stärken. Die Drohung leistungsstarker Spieler, im Falle einer unbequemen Maßnahme nicht mehr für den Verein oder die Nationalmannschaft spielen zu wollen, ist inzwischen an der Tagesordnung und häufig von Erfolg gekrönt. 34 Sieht man einmal davon ab, daß diese Möglichkeit der Drohung sicherlich nicht allen Bundesligaspielern offen steht, so ist doch nicht zu übersehen, daß sich die Stellung des Lizenz32 Einen systematisch vergleichbaren Ansatz wählt auch Füllgraf, Der Lizenzfußball, S.31 ff, der eine Parallele zu den ebenfalls aus dem Zivilrecht bekannten Vorgängen beim finanzierten Abzahlungskaufzieht. 33 OsthojJ, S. 125. 34 Verwiesen sei etwa auf den Fall-"Heiko Herrlich ": Um nach der Saison 1994/95 von Borussia Mönchengladbach zum Meister Borussia Dortmund wechseln zu können, drohte der Spieler Herrlich an, in Gladbach nur noch ,,Dienst nach Vorschrift" verrichten zu wollen, falls Borussia Mönchengladbach seinem Wechselbegehren nicht nachkommen sollte. Trotz außerordentlicher Bemühungen der Gladbacher, den erfolgreichen Stünner Herrlich ,,zu halten", spielte dieser in der nachfolgenden Saison tatsächlich für Borussia Dortmund, wobei davon ausgegangen werden muß, daß die Drohung Herrlichs das Zustandekommen des Vereinswechsels erheblich begünstigt hat.

2. Kapitel: Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

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spielers in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert hat. Aufgrund dieser Entwicklung in der Bundesliga spricht vieles für die Ansicht Osthoffs35 , der die These von der Schutzbedürftigkeit des Lizenzfußballers schon im Ansatzpunkt für verfehlt hält. Darüber hinaus hat sich auch Reute~6 gegen die Schutzbedürftigkeit des Lizenzspielers ausgesprochen. Mit Recht führt er aus, daß noch niemand auf die Idee gekommen sei, den Entzug einer Berufsausübungskonzession durch die zuständige Verwaltungsbehörde als Aushöhlung des Kündigungschutzes zu werten. Es sei daher schwer zu begreifen, warum der Wechsel der Konzessionsstelle - DFB statt Verwaltungsbehörde - plötzlich arbeitsrechtliche Schutzbedürfnisse erzeugen solle. Will man dennoch an der Notwendigkeit einer arbeitsrechlichen Bindung festhalten, so hat man sich mit folgenden Konsequenzen auseinanderzusetzen: Ein großer Teil der Maßnahmen des DFB, die seitens der Vertreter der arbeitsrechtlichen Theorien angeführt worden sind, um die Arbeitgeberstellung des DFB zu begründen, werden auch von den internationalen Verbänden UEF A und FIFA wahrgenommen. Auch diese sind in der Lage, etwa durch Spielsperren, auf das Arbeitsverhältnis zwischen Spieler und Verein einzuwirken. Konsequenterweise hätte man daher auch UEFA und FIFA als "QuasiArbeitgeber" der Spieler zu qualifizieren. 37 Dem Lizenzspieler stünden damit insgesamt vier (!) Arbeitgeber gegenüber. Eine derartige Konstellation würde unlösbare Probleme aufwerfen und kann kaum im Interesse der Beteiligten sein. Bedenken bestehen nicht nur gegen das angestrebte Ergebnis der arbeitsrechtlichen Theorien, sondern auch gegen dessen Herleitung. All diese Theorien problematisieren die Rechtsbeziehung Lizenzspieler - DFB nur auf der Seite des Arbeitgebers. Das Problem, das es zu überwinden gilt, liegt jedoch vielmehr auf der Seite des Arbeitnehmers. Zwar ist es den Vertretern des arbeitsrechtlichen Ansatzes überzeugend gelungen, die Arbeitgeberstellung des DFB zu begründen, die Arbeitnehmerstellung des Lizenzspielers wird jedoch begründungslos unterstellt. Arbeitnehmer ist, wer verpflichtet ist, eine fremdbestimmte, unselbständige Arbeit zu leisten?8 Seinem Verein gegenüber unterliegt der Lizenzspieler einer derartigen Verpflichtung, da er weisungsgebunden am Trainings- und Spielbetrieb teilzunehmen hat. 39 Eine vergleichbare Verpflichtung gegenüber dem DFB besteht hingegen nicht. Insbesondere kann der DFB den Lizenzspieler nicht dazu zwingen, an den Spielen der Nationalmannschaft teilzunehmen. Der Lizenzspieler erbringt seine Arbeitsleistung also ausschließlich zu dem Zwecke, seine Verpflichtung gegenüber OsthojJ, S.125. Reuter, NJW 83, 649, (651). 37 So auch OsthojJ, S.127. 38 Palandt-Putzo, Einf. v. § 611 Rn 7. 39 Vg1. auch § 10 LiSpSt. 35 36

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

dem Verein zu erfüllen. Wollte man dies bezweifeln, so müßte man argumentieren, daß der Spieler durch seine Teilnahme am Spielgeschehen zum "Wohle der Verbandseinrichtung Bundesliga" tätig werde. Eine Konstruktion, die kaum ernsthaft vertreten werden kann. Es läßt sich daher festhalten, daß der Lizenzspieler dem DFB keine Arbeitsleistung erbringt und folglich nicht als Arbeitnehmer des DFB zu qualifizieren ist. 4o Den arbeitsrechtlichen Theorien stehen also erhebliche dogmatische Bedenken entgegen. Hinzu kommt, daß die Rechtsfolgen des arbeitsrechtlichen Ansatzes den Gegebenheiten im Lizenzfußball kaum mehr gerecht werden. Es ist daher nicht angebracht, die Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB dem Arbeitsrecht zu unterstellen.

IV. Die vertragsrechtlichen Theorien Neben den dargestellten Betrachtungsweisen wird schließlich ein dritter Ansatz vertreten, hier als die vertragsrechtlichen Theorien bezeichnet. Die Vertreter dieser Theorien gehen davon aus, daß die Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB ausschließlich durch einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen gleichrangigen Privatrechtsträgern begründet werde. 4 \ Allein der Lizenzvertrag, ein Vertrag sui generis i. S. d. §§ 241, 305 BGB, sei als Rechtsgrundlage für Maßnahmen des DFB gegenüber dem Lizenzspieler anzusehen. 42 Zur Verdeutlichung sei erwähnt, daß diese schuldrechtliche Lösung keinesfalls der bereits dargestellten Betrachtungsweise des BGH entspricht. Zwar stellt auch der BGH auf den Abschluß des Lizenzvertrages ab, doch nimmt der BGH eben gerade keinen gleichberechtigten Leistungsaustausch, sondern vielmehr eine subordinationsrechtliche Unterwerfung unter die Disziplinargewalt des Verbandes an. Die Bedeutung dieser Unterscheidung ist eingangs bereits dargelegt worden. Praxisrelevante Auswirkungen ergeben sich insbesondere im Bereich der Sportgerichtsentscheidungen. Während der BGH43 diese Maßnahmen als Vereinsstrafen bewertet, betrachten die Vertreter des schuldrechtlichen Ansatzes44 die Sportgerichtsentscheidungen folgerichtig als Vertragsstrafen und unterwerfen sie damit einer weiterreichenden Überprüfbarkeit durch die ordentlichen Gerichte. Unterschiede bestehen allerdings nicht nur gegenüber den vereinsrechtlichen Ansätzen, sondern auch gegenüber Mümmler, S. 54; Weiland, S.107; Meyer-Cording, RdA 82, 14. Westerkamp, Ablöseentschädigungen im bezahlten Sport, S.29. 42 Osthoff, S.110, 132. 43 Vgl. BGH, JZ 1995,461. 44 Vgl. Osthoff, S.lll. 40 4\

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der arbeitsrechtlichen Lösung, da die Annahme einer rein schuldrechtlichen Beziehung keinen Platz für die Anwendung des Arbeitsvertragsrechts läßt. Führt man sich noch einmal vor Augen, welch einen dogmatischen Aufwand die Vertreter der vereins- und arbeitsrechtlichen Theorien betreiben mußten, um ihre Ansichten zu begründen, so ist nicht zu übersehen, daß die vertragsrechtlichen Theorien den pragmatischten Lösungsansatz bieten. Da mit der Unterzeichnung des Lizenzvertrages unzweifelhaft ein Vertragsschluß zwischen Spieler und DFB erfolgt, begibt man sich mit der Annahme einer rein vertraglich geregelten Rechtsbeziehung in sicheres juristisches Fahrwasser. Anders als die vereinsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Theorien orientiert sich der vertragsrechtliche Ansatz allein an den vorhandenen Rechtstatsachen, ohne daß ein bestimmtes Ergebnis begründet werden müßte. In dogmatischer Hinsicht ist die vertragsrechtliche Betrachtung daher kaum zu widerlegen. Stellt man sich allerdings die Frage, warum auch diese Ansicht nicht uneingeschränkt akzeptiert wird, so stößt man schnell auf die Schwäche der vertragsrechtlichen Betrachtung: Die Rechtsbeziehung zwischen Spieler und DFB erscheint zu komplex, als daß man sie mit den herkömmlichen Instrumenten des Schuldrechts erfassen könnte. Durch den Abschluß des Lizenzvertrages verpflichtet sich der Spieler nicht etwa zur Erfüllung einzelner schuldrechtlicher Forderungen, sondern zur Befolgung sämtlicher "Statuten und Ordnungen des DFB".45 Kennzeichnend für die Rechtsbeziehung ist damit nicht der gegenseitig vereinbarte Leistungsaustausch, sondern eine einseitige "Unterwerfung" des Spielers unter ein bestehendes Regelwerk sozialorganisatorischer Natur. Wie der BGH46 überzeugend herausgearbeitet hat, verfolgen der Sporttreibende und der die betreffende Sportart betreuende Verband nicht grundlegend entgegengesetzte Interessen. Sie sind vielmehr durch das grundsätzlich in die gleiche Richtung weisende Anliegen der Aufrechterhaltung eines geregelten und geordneten Spielbetriebs miteinander verbunden. Es fehlt damit an den prinzipiell konträren Interessen, wie sie für Leistungsaustauschbeziehungen typisch sind. Wollte man dennoch die Rechtsfolgen dieser "Unterwerfung" am Schuldrecht des BGB messen, so hätte man die abstrakt-generellen Regelungen der DFB-Statuten in konkrete schuldrechtliche Ansprüche umzuformen. Ein Blick auf die Eigenart der in den Statuten des DFB enthaltenen Regelungen macht deutlich, daß dieses Vorhaben zu größtmöglicher Rechtsunsicherheit führen müßte. Jede dieser Regelungen müßte auf ihren rechtlichen Charakter hin untersucht werden, um dann im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche Normen des Schuldrechts zur deren Überprüfung einschlägig wären. Die Pro45 Vgl. § 3 Abs. 1 des Lizenzvertrages. 46BGH,JZ 1995,461 (463).

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bleme, die dabei entstehen würden, hat Weiland47 sehr anschaulich am Beispiel der Vertragsstrafe dargelegt. § 45 der DFB-Satzung kennt dreizehn (!) verschiedene Strafarten. Während sich die dort genannte "Geldstrafe"48 noch leicht als Vertragsstrafe i. S. d. § 339 BGB erfassen läßt, bereitet die Einordnung anderer möglicher Sanktionen erhebliche Schwierigkeiten. Insbesondere die "Verwarnung"49 und der "Verweis"so sind satzungsgemäß vorgesehen Strafen, auf die die Regelungen der §§ 339 ff BGB kaum sinnvoll angewandt werden können. Probleme ergeben sich auch bei dem strafweisen "AussChluß",SI den die Satzung des DFB ebenfalls als Sanktion vorsieht. Ist hier ein Kündigungsrecht eingeräumt worden? Und: Welche Regelungen finden Anwendung? Ist vielleicht sogar eine Analogie zu § 723 BGB ("Kündigung durch Gesellschafter") denkbar?s2 Offene Fragen, die deutlich machen, daß es mit dem Hinweis auf einen "Vertrag sui generis i. S. d. §§ 241, 305 BGB" keinesfalls getan ist. Im Gegenteil: Gerade die vertragsrechtliche Betrachtung, die zunächst die nachvollziehbarsten Ergebnisse versprach, erfordert einen erheblichen Aufwand an juristischer Auslegungskunst. Anders lassen sich die Regelungen der DFBStatuten, die schließlich in der Form von Verbandssatzungen erlassen worden sind, nicht in die Form des Schuldrechts pressen. Daß darunter die Rechtssicherheit leiden muß, liegt auf der Hand.

v. Stellungnahme - Die Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, kann keine der herkömmlichen Theorien vollends überzeugen, wenn es darum geht, die Rechtsbeziehung zwischen dem Lizenzspieler und dem DFB rechtlich einzuordnen. Insbesondere den Vertretern der vereinsrechtlichen Theorien ist es nicht gelungen, die erheblichen dogmatischen Bedenken auszuräumen, die ihrer Ansicht entgegenstehen. Ähnliches gilt für die Vertreter des arbeitsrechtlichen Ansatzes, die die Arbeitnehmerstellung des Lizenzspielers begründungslos unterstellen. Die vertragsrechtlichen Theorien hingegen können zwar in dogmatischer Hinsicht überzeugen, doch bleiben auch hier Zweifel, ob das Schuldrecht des BGB geeignete Lösungen für die Rechtsprobleme zwischen Lizenzspieler und DFB bereit hält. Weiland, S.15 ff. Vgl. § 45 Nr. 1 lit. c) DFB-Satzung. Vgl. § 45 Nr. 1 lit. a) DFB-Satzung. 50 Vgl. § 45 Nr. 1lit. b) DFB-Satzung. 51 Vgl. § 45 Nr. 1 lit. h) DFB-Satzung. 52 Zusammenstellung der vertretenen Ansichten bei Weiland S.17 ff. 47

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2. Kapitel: Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

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So unterschiedlich die Kritikpunkte an den jeweiligen Theorien auch sein mögen, bei abstrahierender Betrachtung ist ihnen allen eine Schwäche gemeinsam: Kennzeichnend für sämtliche dieser Theorien ist der Versuch, die Rechtsbeziehung zwischen Spieler und DFB in ein bestehendes System möglicher Arten von Rechtsbeziehungen einzuordnen, um sie dann nach den Regeln des Vereins-, Vertrags- oder Arbeitsrechts behandeln zu können. Obwohl schnell deutlich wird, daß diese herkömmlichen Kategorien nur sehr bedingt dazu geeignet sind, die Rechtsverhältnisse im Lizenzfußball zu erfassen, halten die meisten Autoren dennoch an ihnen fest. Fast zwangsläufig ist die Diskussion daher von Begriffen wie dem "arbeitsrechtlichen Kontrollvertrag"S3 oder der "quasimitgliedschaftlichen Bindung"S4 bestimmt. Begriffsbildungen, mit denen eine Verwandtschaft zu der klassischen Form der jeweiligen Rechtsbeziehung suggeriert werden soll, die aber letztlich doch nur verdeutli ehen, daß eine derartige Bindung eben gerade nicht vorliegt. Ausgehend von der Überzeugung, daß keine der traditionellen Kategorisierungen geeignet ist, die Natur der Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB interessengerecht zu erfassen, soll in dieser Arbeit der Versuch unternommen werden, die Problematik aus einem veränderten Blickwinkel zu betrachten und einen entsprechenden dogmatischen Ansatz zur Behandlung dieser Rechtsbeziehung zu entwickeln. Kennzeichnend für diesen Ansatz, der im Anschluß an einen von Reuter55 entwickelten Gedanken als Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB bezeichnet werden soll, ist die Abkehr von der gängigen rechtsformorientierten Betrachtungsweise. Ein Schritt, der erlaubt und sogar geboten erscheint, da die gesellschaftliche Gesetzgebung nicht nur im Berufsfußball längst unleugbare Wirklichkeit geworden ist. s6 Diesem Umstand gilt es Rechnung zu tragen, und dementsprechend ist bei der Würdigung des DFB-Rechts allein auf dessen gesetzesvertretenden Inhalt abzustellen. Die herkömmliche rechtsformorientierte Betrachtungsweise ist aufzugeben, und insofern ist die Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB eben nicht als vertragliche oder mitgliedschaftliehe, sondern vielmehr als eigenständige subordinationsrechtliche Beziehung zu begreifen, die die klassische Zivilrechtsdogmatik in dieser Form nicht kennt. Die nachfolgenden Ausführungen sollen dazu dienen, die hier vertretene Ansicht schrittweise zu erläutern. Folgende drei Schritte werden unternommen:

Vgl. Klatt, S.33 ff. Vgl. Baumann, S.28 ff. 55 Vgl. Reuter, NJW 83, 649 ff. 56 So Reuter, NJW 83, 649, (651). 53 54

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

- Zunächst geht es darum, die These von der gesetzesvertretenden Funktion der DFB-Statuten zu begründen. Entscheidend ist dabei allein, welche soziologischen Faktoren für eine derartige Bewertung sprechen. - Weiterhin soll dann dargelegt werden, warum es zulässig und sogar geboten ist, bei der Würdigung des DFB-Rechts auf den gesetzesvertretenden Inhalt dieser Statuten abzustellen. - Abschließend soll dann ein Maßstab entwickelt werden, der zur Überprüfung dieses privaten Berufsfußballrechts des DFB anzulegen ist. 1. Die gesetzesvertretende Funktion des DFB-Rechts Die Grundlage für die hier vertretene Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB bildet die These, daß die DFB-Statuten nur noch der Form nach rechtsgeschäftlichen Kategorien angehören, während sie inhaltlich längst eine gesetzesvertretende Funktion eingenommen haben. Bevor nun im einzelnen dargelegt werden kann, auf welche Besonderheiten des Lizenzfußballs sich diese Wertung, die von einer Reihe von Autoren57 geteilt wird, stützen läßt, bedarf es zunächst einer näheren Bestimmung des hier verwandten Begriffs der "gesetzesvertretenden Funktion": Wenn hier von einer "gesetzesvertretenden Funktion" des DFB-Rechts die Rede ist, dann soll damit keinesfalls bezweifelt werden, daß es sich bei der Rechtsetzung eines privatrechtlichen Verbandes niemals um Gesetzgebung i. S. d. Art. 70 ff. GG handeln kann. Die Formulierung ist vielmehr als Hinweis auf den allein soziologisch begründeten Umstand zu verstehen, daß die DFB-Statuten in dem Bereich des Lizenzfußballs eine Funktion erfüllen, die im Regelfall durch staatliche Gesetze wahrgenommen wird. Konkret ist damit in erster Linie die gesetzesvertretende Ordnungsfunktion des DFB-Rechts gemeint. Da nämlich die Schaffung, Überwachung und Durchsetzung des Sportrechts nach dem Verständnis der geltenden Rechtsordnung nicht in den Kompetenzbereich des Staates fallt, haben sich die Spitzenverbände dieser an sich typisch staatlichen Aufgabe angenommen. 58 Im Bereich des Fußballsports wird diese Aufgabe ausschließlich durch den DFB wahrgenommen, der aus diesem Grunde - gewissermaßen stellvertretend für den Staat - einen Normenkomplex von außerordentlicher Regelungsdichte 57 Reuter, NJW 83, 649, (651); Sandberger, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel eines Fußballspielers, S.72; Stern, Grundrechte der Sportler, S. 143; vgl. auch Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, S. 27, der bestimmten Verbänden die Junktion eines Ersatzstaates" zuschreibt. g Vgl. Stern, S. 143: ,,Das Sportwesen ist...in die Dimension des öffentlichen Aufgabenkreises hineingewachsen ... ".

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schaffen konnte, der die erforderliche Organisation des Lizenzfußballs bezweckt und gewährleistet. 59 Ein kritischer Leser mag einwenden, daß es durchaus der gängigen Praxis entspricht, wenn im Vereins- und Verbandsleben hoheitliche Strukturen nachempfunden werden,60 jedoch darf nicht verkannt werden, daß das DFB-Recht dieses gewöhnliche Maß an hoheitsähnlicher Strukturierung bei weitem überschreitet. Die Statuten eines gewöhnlichen Vereins bezwecken regelmäßig allein die Selbstorganisation dieses Vereins. Die Statuten des DFB hingegen dienen der Organisation eines gesamten Lebensbereichs, dem Lizenzfußball, der überhaupt erst durch den DFB geschaffen worden ist, und der zum Überleben der organisatorischen Ausgestaltung durch den DFB bedarf. Ein weiteres Abgrenzungskriterium eröffnet sich bei einem Blick auf die Bedeutung der geregelten Materie. Da nämlich heute niemand mehr bezweifelt, daß der Lizenzspieler einen Beruf i. S. d. Art. 12 Abs. 1 GG ausübt,61 obliegt dem DFB die Regelung eines höchst grundrechtsrelevanten Bereichs. Es erscheint daher unbedingt zutreffend, wenn Reuter62 die Aufgabe des DFB nicht mit der eines privatrechtlichen Freizeitvereins, sondern vielmehr mit der einer öffentlichrechtlichen Zwangskörperschaft im Bereich des Handwerks oder der Ärzteschaft vergleicht. 63 Denn schließlich entscheiden vor allem die Statuten des DFB über die Ausgestaltung des Lizenzspielerberufs. Die Nähe zur öffentlich-rechtlichen Rechtsetzung ist nach alledem also unverkennbar. Abschließend sei im Hinblick auf die außergewöhnliche Funktion des DFBRechts noch darauf verwiesen, daß der DFB auch die Überwachung und Durchsetzung des selbstgesetzten Berufsfußballrechts in staatsvertretender Weise wahrnimmt. So hat er zur Kontrolle des Geschehens in den Lizenligen eigene Rechtsorgane eingerichtet,64 die "Verstöße gegen das DFB-Recht" bestrafen und über "Streitigkeiten nach dem DFB-Recht" entscheiden. 65 Überdies ist dieser DFB-Gerichtsbarkeit der sog. "Kontrollausschuß,,66 als Staatsanwaltschaft des Fußballrechts beigeordnet, der dazu berufen ist, "die Einhaltung der Vorschriften des Lizenzspielerstatuts und der Trainerordnung zu überwachen und bei Verstößen [... ] Anklage bei den zuständigen Rechtsorganen des DFB und der Mitgliedsverbände zu erheben". Vgl. ReuterNJW 83, 649 (651). So etwa Baecker, Grenzen der Vereinsautonomie im deutschen Sportverbandswesen, S.53. 61 Vgl. dazu Westerkamp, S.118; OsthojJ, S. 133; Becker, S. 64; Mümmler, S. 111. 62 ReuterNJW 83, 649 (651). 63 Ablehnend Stern, S. 145. 64 Vgl. § 39 der DFB-Satzung. 65 § 42 Abs. 1 DFB-Satzung. 66 Vgl. § 51 der DFB-Satzung. 59 60

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

Neben die Ordnungsfunktion des DFB-Rechts, die soeben dargestellt worden ist, tritt zudem dessen gesetzesgleiche Individualwirkung, d.h. also die Wirkung, die das DFB-Recht gegenüber dem einzelnen Lizenzspieler entfaltet. Gemeint ist damit der Umstand, daß die Statuten auf den Spieler als einseitig gesetztes Recht einwirken, in einer Weise also, die ihm jegliche Gestaltung seiner Rechtsposition unmöglich macht. Sobald der Spieler den Lizenzvertrag abgeschlossen hat, begibt er sich aus der Position des formal gleichberechtigten Privatrechtsträgers in ein Verhältnis faktischer Unterordnung unter ein Regelungswerk, dessen Gestaltung ausschließlich dem DFB obliegt. Der Spieler ist weder in der Lage, auf den Inhalt des Lizenzvertrages einzuwirken, noch hat er die Möglichkeit, durch Stimmabgabe an der Gestaltung der DFB-Statuten mitzuwirken. Er hat sich den DFB-Statuten schlicht zu unterwerfen. Für den Lizenzspieler stellen sich die DFB-Statuten damit als ein Regelungswerk dar, auf dessen Gestaltung er ebensowenig Einfluß nehmen kann wie der Bürger auf die konkrete Gestaltung eines staatlichen Gesetzes. Auch an dieser Stelle läßt sich nur vermeintlich einwenden, ein gewöhnlicher Vereinsbeitritt ziehe eben solche Wirkungen nach sich. Zwar unterwirft sich auch jedes Vereinsmitglied den bestehenden Statuten seines Vereins, doch erhält dieses Mitglied gleichzeitig mit dem Eintritt das Recht, durch Stimmabgabe in der Mitgliederversammlung auf die Gestaltung der Vereinsstatuten einzuwirken. Kurz gesagt: Das Vereinsmitglied erläßt die "Gesetze", der Lizenzspieler ist ihnen schlicht unterworfen. Weitere Argumente für die gesetzesgleiche Einwirkung des DFB-Rechts ergeben sich schließlich aus der faktischen Monopolstellung dieses Verbandes. Wie bereits ausgeführt worden ist, ist es in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich, Berufsfußballsport zu betreiben, ohne den Statuten des DFB unterworfen zu sein. Für die hier vertretene These ist dieser Umstand in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Zum einen gewinnt der DFB aufgrund der beschriebenen Monopolstellung eine faktische Übermacht gegenüber dem Lizenzspieler, die ihn in die Lage versetzt, das formale Fehlen rechtlicher Überordnung auszugleichen. 67 Zum anderen führt die MonopolsteIlung des DFB dazu, daß dessen Statuten für den Bereich des Berufsfußballs eine Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen können, die sonst allein gesetzlichen Regelungen vorbehalten bleibt, denn: jeder Berufsfußballer in Deutschland ist dieser Rechtsordnung zwingend unterworfen, ob er will oder nicht. Der Hinweis auf die Freiwilligkeit der Unterwerfung ist im übrigen nicht geeignet, diese Wertung in Frage zu stellen, denn ebenso wie dem Bürger, der sich der Staatsmacht entziehen will, bleibt auch dem Berufsfußballer nur die

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Reuter NJW 83,649, (651).

2. Kapitel: RechtsbeziehWlg zwischen Lizenzspieler Wld DFB

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Möglichkeit der Auswanderung, wenn er seinen Beruf außerhalb des Machtbereichs des DFB betreiben möchte. Zusammenfassend lassen sich folgende Besonderheiten der DFB-Rechtsetzung festhalten: Die DFB-Statuten sind gekennzeichnet durch eine außerordentlich hohe Regelungsdichte; sie dienen der Organisation eines grundrechtsrelevanten Bereichs, sind durch einen faktisch übergeordneten Normengeber gesetzt worden und bilden eine verbindliche Rechtsquelle für die Ausübung des Berufsfußballs in der Bundesrepublik Deutschland. Inhaltlich betrachtet erfüllen sie damit die typischen Charakteristika hoheitlich gesetzten Rechts. In rechtsgeschäftlicher Hinsicht mag man sich daher über die Bedeutung des Lizenzvertrages streiten, inhaltlich betrachtet ist das Ergebnis eindeutig: Durch den Abschluß des Lizenzvertrages unterwirft sich der Spieler einem einseitig gesetztem Regelungswerk mit gesetzesgleichem Charakter, dem gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB. 2. Die Würdigung des DFB-Rechts entsprechend seiner gesetzesvertretenden Funktion Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß Form und Inhalt des DFB-Rechts auseinanderfallen. Dem Juristen bietet sich damit die Alternative, an der rechtsgeschäftlichen Form festzuhalten oder aber auf den gesetzesvertretenden Inhalt des DFB-Rechts abzustellen. Die Mehrheit der Autoren, die sich mit der Problematik des Lizenzfußballs befaßt haben, ist auf das angesprochene Spannungsverhältnis überhaupt nicht eingegangen. In der Grundlagenliteratur hingegen findet man einige vereinzelte Abhandlungen, die sich mit der quasi-hoheitlichen Rechtsetzung sozialrnächtiger Verbände auseinandersetzen68 , jedoch hat sich im Ergebnis allein Reuter, auf dessen Gedanken die hier vertretene Ansicht aufbaut, ausdrücklich dazu entschlossen, das DFB-Recht entsprechend seiner gesetzesvertretenden Funktion zu würdigen. 69 Dieser Ansicht wird hier gefolgt. Kennzeichnend für unser Rechtssystem ist eine Abgrenzung der Rechtsbereiche. Unterschieden wird zwischen dem Bereich des Privatrechts und dem des Öffentlichen Rechts. Diese Unterscheidung ermöglicht eine differenzierte Behandlung rechtserheblicher Maßnahmen, wobei die öffentlich-rechtliche Maßnahme - aufgrund der ihr eigenen freiheitsgefahrdenden Tendenz - einem 68 Vgl. dazu Stern, S. 143 ff.; Leßmann, NJW 1978, 1545 ff.; Burmeister, DÖV 19789 1 ff; Sandberger, S. 72 ff. 6 Vgl. Reuter, NJW 83, 649 ff.

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

strengeren Rechtrnäßigkeitsmaßstab unterworfen ist als eine privatrechtliche. Im Normalfall liegt der Vorteil diese Abgrenzungssystem darin, daß jede Maßnahme einem Rechtrnäßigkeitsmaßstab unterworfen wird, der ihrer Eigenart entspricht. Seine Grenze findet dieses starre System der Abgrenzung allerdings dort, wo Form und Inhalt einer Maßnahme auseinanderfallen. In diesem Fall besteht die Gefahr, daß sich der angestrebte Vorteil dieses System in das Gegenteil verkehrt. Bekannt ist dieses Problem in erster Linie aus dem Bereich des Öffentlichen Rechts. Hier besteht allgemeine Einigkeit darüber, daß in bestimmten Fällen eine Durchbrechung des rechtsformorientierten Abgrenzungssystems erforderlich ist. So etwa in dem vielzitierten Fall des "Bleistiftkaufs der Gemeinde" - gemeint ist die Güterbeschaffung öffentlichrechtlicher Körperschaften -, einem Vorgang, der trotz der Beteiligung der Öffentlichen Hand allein nach den Regeln des Privatrechts zu beurteilen ist, um unsachgemäße Beschränkungen zu vermeiden. 70 Eine eben solche Durchbrechung des rechtsformorientierten Systems ist auch im Falle des DFB erforderlich. Ausgehend von dem Zweck dieses Abgrenzungssystem, das - wie gezeigt - dazu dienen soll, Maßnahmen entsprechend ihrer Eigenart behandeln zu können, wäre es verfehlt, im Falle des Auseinanderfallens von Form und Inhalt auf die Form abzustellen. Da nämlich die Eigenarten des DFB-Rechts eindeutig durch dessen inhaltliche Ausgestaltung bestimmt werden, ginge eine derartige Lösung an der Lebenswirklichkeit vorbei und würde dem Zweck der Unterscheidung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht nicht gerecht. Schließlich resultiert die Vielzahl der Interessenkonflikte im Lizenzfußball gerade aus dem Umstand, daß der DFB dem Spieler eben nicht als gleichrangiger Privatrechtsträger, sondern als faktisch übergeordnete Rechtsetzungsinstanz gegenübersteht. Das Spannungsverhältnis zwischen Spieler und DFB läßt sich daher nur dann sinnvoll lösen, wenn man die gesetzesgleiche Funktion des DFB-Rechts akzeptiert und diesen Umstand entsprechend berücksichtigt. Hinzu kommt, daß das Zivilrecht auf die besonderen Fragen des Lizenzfußballs keine Antwort weiß, wie die obigen Ausführungen gezeigt haben. Es wäre daher wenig hilfreich, die gesetzesgleiche Ordnungsfunktion des DFBRechts zu ignorieren, nur um an den überkommenen zivilrechtlichen Einordnungsmustern festzuhalten zu können. Nach alledem gilt für die nachfolgenden Ausführungen somit die Prämisse, daß die DFB-Statuten entsprechend ihrer Funktion als gesetzesvertretende Rechtsordnung zu würdigen sind. Die Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB ist danach also keine vertragliche, sondern eine eigenständige subordinationsrechtliche Beziehung. 70

Siehe dazu Ehlers, DVBI 1983,422; GmS-OBG BGHZ 97, 312.

2. Kapitel: Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

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3. Die Dogmatik des gesetzesvertretenden DFB-Rechts Die bisherigen Ausführungen haben sich allein mit der Tatbestandsseite des privaten Berufsfußballrechts befaßt. Sie haben verdeutlicht, weshalb das DFBRecht als gesetzesvertretendes Recht zu würdigen ist. Noch nicht behandelt wurde damit die Rechtsfolgenseite der hier vertretenen Ansicht, also die Frage, welchem Rechtmäßigkeitsmaßstab die privatrechtlichen "Gesetze" des Berufsfußballs unterliegen. Eine Standardantwort auf diese Frage gibt es nicht, denn schließlich ist das DFB-Recht bisher nahezu ausschließlich aus der rechtsgeschäftlichen Sichtweise betrachtet worden. Da aber dennoch allgemeine Einigkeit darüber besteht, daß die Regeln der Rechtsgeschäftslehre allein nicht geeignet sind, um der Rechtsetzung des DFB ausreichende Grenzen zu setzen, wird das DFBRecht stets einer weitreichenden Inhaltskontrolle unterzogen. Diese Inhaltskontrolle, die der Dogmatik wegen auf § 9 AGBG bzw. auf § 242 BGB gestützt werden muß, stellt im Ergebnis nicht mehr dar, als die Überprüfung des DFB-Rechts anhand der grundrechtlichen Wertungen. Im Zusammenspiel mit den Regeln des Vertragsrechts ergibt sich damit ein Konglomerat aus Öffentlichem Recht und Privatrecht, das Klatt7! einst zu der polemischen aber doch treffenden Bemerkung veranlaßt hat: "Hinein in die Bundesliga mit dem Privatrecht, hinaus mit dem öffentlichen Recht, eine schöne Logik!". Mit der vorliegenden Arbeit soll nun der Versuch unternommen werden, dieses hin und her zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht durch eine einheitliche Betrachtungsweise zu beenden, denn das Problem der normativen Rechtsetzung Privater löst man nicht, indem man es - mit widersprüchlichen Resultaten - privatrechtlich einplaniert, sondern dadurch, daß man die Unterschiede zur normalen staatlichen Rechtsetzung herausarbeitet und nach geeigneten kompensatorischen Mitteln Ausschau hält. 72 Die dazu notwendige Dogmatik dieses privaten Berufsfußballrechts soll anschließend entwickelt werden. Bereits an dieser Stelle steht jedoch eines fest: Wie erwähnt, wirken die DFB-Statuten nach der hier vertretenen Ansicht als gesetzesvertretendes Recht auf den Spieler ein. DFB und Lizenzspieler stehen sich nach dieser Sichtweise also nicht als Vertragspartner, sondern als Normgeber und Normadressat gegenüber. Für die Anwendung des Vertragsrechts bleibt daher kein Platz! Mit diesem Zwischenergebnis wird ein erster Schlußstrich unter die Grundrechtsprüfung im Deckmantel des Zivilrechts gezogen. Ein Schlußstrich, der Klatt, S. 78. Reuter, Voraussetzungen und Grenzen der Verbindlichkeit internationalen Sportrechts fiir Sportvereine und Sportler, in Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, herausgegeben von Reuter, Heidelberg 1987, S. 64. 7!

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nicht nur der Dogmatik Tribut zollt, sondern der auch dazu dient, dem rechtsetzenden Verband die Freiheiten zu gewähren, die dieser braucht, um den Berufsfußball in Deutschland interessengerecht organisieren zu können. Durch das Ausscheiden des Vertragsrechts wird der Verband von der Pflicht entbunden, sich an den starren Vorgaben zivilrechtlicher Schutzgesetzte orientieren zu müssen. Er kann vielmehr flexibel auf die Anforderungen des Fußballsports reagieren kann, ohne an Regelungen gebunden zu sein, die den Problemlagen des Fußballsports blind gegenüberstehen. Besonders sinnvoll ist insbesondere die Befreiung von den Zwängen des Arbeitsrechts, da das Kündigungsschutzgesetz und ähnliche sozial motivierte Beschränkungen eine effektive Rechtsetzung im Bereich des Wettkampfsports Fußball verhindern würden. Bevor nun an dieser Stelle vorschnell eingewandt wird, durch das Ausscheiden der angesprochenen Maßstäbe werde der Schutz des Spielers verkürzt, sei bereits hier erwähnt, daß selbstverständlich auch die Theorie vom privaten Recht des Berufsfußballs Instrumentarien bietet, mit denen die Individualrechte des Spielers entsprechend berücksichtigt werden können. Was bleibt, ist der berechtigte Einwand, die hier vertretene Betrachtungsweise führe zu einem Verlust an Rechtssicherheit. Doch muß in diesem Zusammenhang die Anmerkung erlaubt sein, daß die Rechtssicherheit keinen Wert an sich darstellt, sobald ein Zustand manifestiert werden soll, welcher der gegebenen Interessenlage nicht entspricht. Ganz bewußt wird hier ein eventueller Verlust an Rechtssicherheit gegen ein Plus an Einzelfallgerechtigkeit eingetauscht. Da nun das seit jeher verwandte Vertragsrecht als Maßstab zur Beurteilung der DFB-Statuten ausscheidet, bedarf es der Entwicklung einer eigenen Dogmatik, nach der sich die Rechtmäßigkeit des privaten Berufsfußballrechts bemißt. Auszugehen ist dabei von der gesetzesähnlichen Wirkung und Funktion des DFB-Rechts. Der unkomplizierteste Weg zur Behandlung dieser Gesetze des Berufsfußballs wäre es sicherlich, diese Normen an eben den Maßstäben zu messen, nach denen sich auch die Rechtmäßigkeit staatlicher Gesetze bemißt. Da sich jedoch eine derartig umfassende Übertragung dieses Maßstabes schon deshalb verbietet, weil der DFB selbstverständlich nicht in der Lage ist, Gesetzes i. S. d. Art. 70 ff. GG zu erlassen, bedarf es vielmehr einer sinngemäßen Übertragung der Gesetzgebungsgrundsätze auf den Bereich privater Rechtsetzung: Danach fällt dem DFB in Vertretung des staatlichen Gesetzgebers die Aufgabe zu, den Berufsfußball so zu organisieren, daß die Interessen der beteiligten Kreise mit den Individualinteressen des einzelnen Lizenzspielers in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Die inhaltliche Ausgestaltung dieses Interessenausgleichs obliegt damit einzig und allein dem DFB. Grenzen sind dem DFB lediglich dort gesetzt, wo die Rechtsordnung die überwiegende Bedeutung des einen oder anderen Rechtsguts anordnet. In diesen Fällen ist es dem DFB verwehrt, diese Wertung durch eine eigene zu ersetzen.

2. Kapitel: Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB

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Relevant wird diese Problematik regelmäßig dort, wo die Individualrechte des Lizenzspielers mit den Interessen des DFB kollidieren, denn schließlich werden diese Individualrechte durch die Grundrechte unserer Verfassung wie auch durch die Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts besonders geschützt. Sollten die Normen dieser Rechtsquellen also auf das private Recht des Berufsfußballs einwirken, dies wird anschließend zu klären sein, so bilden sie die entscheidende Grenze fur die Rechtsetzung des DFB. VI. Ergebnis Form und Inhalt des DFB-Rechts fallen auseinander. Der Form nach gehören die DFB-Statuten rechtsgeschäftlichen Kategorien an, inhaltlich jedoch haben sie eine gesetzesvertretende Funktion eingenommen. Entsprechend dieser Funktion sind sie als gesetzesvertretende Rechtsordnung zu würdigen, die als einseitig gesetztes Recht auf den ihr unterworfenen Lizenzspieler einwirkt. Die Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB ist danach also keine vertragliche, mitgliedschaftliche oder arbeitsrechtliche, sondern eine eigenständige subordinationsrechtliche Beziehung, die an einem Rechtmäßigkeitsmaßstab zu messen ist, der durch sinngemäße Übertragung der Gesetzgebungsgrundsät.ze auf den Bereich privater Rechtsetzung zu entwickeln ist.

Drittes Kapitel

Die Einwirkung der Grundrechte auf die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB Wie gezeigt, ist das DFB-Recht dem Vorrang des Gesetzes unterworfen. Umfang und Grenzen der Rechtsetzung des DFB werden also durch höherrangiges Recht bestimmt, soweit dieses auf die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB Anwendung findet. Eine Sonderrolle nehmen in diesem Zusammenhang die Grundrechte ein. Obwohl die Grundrechte Verfassungsrang genießen und somit an der Spitze der Rechtsquellenhierarchie stehen, ist es fraglich, ob sie auf die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB einwirken. Bedenken bestehen gegen die Anwendbarkeit der Grundrechte, da nach dem Wortlaut des Art. lAbs. 3 GG nur die öffentliche Gewalt an die Grundrechte gebunden ist, während sich DFB und Lizenzspieler als Privatrechtssubjekte gegenüberstehen. Fraglich ist also, ob und inwieweit die Grundrechte im Privatrechtsverkehr Anwendung finden. Diese Diskussion um die sog. Drittwirkung der Grundrechte ist in den letzten Jahrzehnten mit einer derartigen Intensität geführt worden, daß man meinen möchte, die jeweiligen Argumente seien längst ausgetauscht. 1 Dennoch erscheint an dieser Stelle eine erneute Darstellung und Erörterung der wesentlichen Ansichten notwendig, da die Besonderheiten des Lizenzfußballs - insbesondere im Hinblick auf die hier vertretene Ansicht - eine veränderte Sichtweise erfordern, und überhaupt entbindet der Umstand, daß diese Diskussion bereits seit langem geführt wird, nicht von der Pflicht zur sauberen juristischen Argumentation. 2 Dies gilt vor allem dann, wenn einer Ansicht gefolgt werden soll, die nicht unbedingt die herrschende ist. Um das Verständnis zu erleichtern, erfolgt die Darstellung der Problematik nachfolgend in zwei Stufen, wobei die erste Stufe (I.) der DrittwirkungsI Neuere Abhandlungen zu dieser Thematik fmden sich z.B. bei Lerche, Grundrechtswirkungen im Privatrecht, Einheit der Rechtsordnung und materielle Verfassung, in: Festschrift ftlr W. Odersky, Berlin, New-York 1996, S. 215 ff., und bei Hager, JZ 1994, 373 ff. 2 An einer solchen fehlt es etwa bei Sandberger, S. 72, der eine gewisse Abstumpfung gegenüber der Drittwirkung erkennen läßt und lapidar ausführt, es sei "von sekundärer Bedeutung" in welcher Weise man die Grundrechte heranziehe.

3. Kapitel: Die Einwirkung der Grundrechte

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diskussion im allgemeinen gewidmet ist - freilich unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände - um dann in einer zweiten Stufe (11.) die gewonnenen Erkenntnisse auf die Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB zu übertragen. Zur KlarsteIlung sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß die Ergebnisse des vorangegangen Abschnitts diese Diskussion keinesfalls erübrigen. Denn auch wenn das DFB-Recht hier entsprechend seiner gesetzesvertretenden Funktion gewürdigt wird, so handelt es sich doch immer noch um privat gesetztes Recht.

I. Die Einwirkung der Grundrechte im Lichte der allgemeinen Drittwirkungslehren 1. Die Grundrechte als reine Abwehrrechte gegen den Staat

Allein der Vollständigkeit halber erwähnt sei die Ansicht, daß die Grundrechte als reine Abwehrrechte gegen den Staat überhaupt keine Auswirkungen auf das Privatrecht entfalten? Diese Ansicht aus der Frühzeit der Diskussion um die Drittwirkung der Grundrechte wird mittlerweile nicht mehr vertreten. Aufgegeben wurde sie zugunsten der heute unbestrittenen Überzeugung, daß in den Grundrechten eine "objektive Werteordnung" begründet liegt, "die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts" gilt und daher auch im Privatrechtsverkehr zu berücksichtigen ist. 4 Über das Bestehen einer Drittwirkung herrscht also Einigkeit. Nach wie vor umstritten sind allerdings Art und Umfang dieser Drittwirkung. 2. Die Grundrechte als unmittelbar drittwirkende Rechtsnormen Eine Reihe von Autoren in der Literatur5 und - inzwischen mit Einschränkungen - auch das BAG6 vertreten die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte. Nach dieser Lehre entfalten die Grundrechte eine unmittelbare Wirkung zwischen Privatrechtssubjekten. Dazu werden einzelne Grundrechte aus ihrer allein staatsgerichteten Funktion herausgelöst 3 Vertreten wurde diese Ansicht u.a. von Jellinek, BB 1950, 425; Knur, AöR 76 (1950/51),165 ff; Creifelds, JR 1950,455. 4 BVerfGE 7,198 (204 f). 5 Nipperdey, Grundrechte TI, S. 1, 18 ff; ders., DVBI 1958,445; G. Müller, RdA 1964,121; zuletzt Hager, JZ 1994,373 (383). 6 Seit BAGE 1, 185 (191 fI) ständige Rechtsprechung; vgl. auch BAGE 24, 438, (441). InjÜllgerer Zeit allerdings einschränkend: BAGE 48, 122, 138; BAG, JZ 1993, 908 (909), mit denen das BAG wohl zumindest in der Praxis auf den Kurs der h.M. eingeschwenkt ist. 4 Plath

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

und in das System zivilrechtlicher Bestimmungen eingebunden. sie im deliktischen Bereich als "sonstige Rechte" i. S. d. § 823 und im rechtsgeschäftlichen Bereich als Verbotsgesetze i. S. d. § unmittelbar geltendes Recht uneingeschränkt auf den gesamten verkehr ein.

Dort wirken Abs. I BGB 134 BGB als Privatrechts-

Begründet wird diese Lehre mit dem "Bedeutungswandel der Grundrechte" der dazu geführt habe, "daß zwar nicht alle, aber doch eine Reihe bedeutsamer Grundrechte der Verfassung nicht nur Freiheitsrechte gegenüber der Staatsgewalt garantieren, vielmehr Ordnungsgrundsätze mr das soziale Leben sind, die in einem aus dem Grundrecht näher zu entwickelnden Umfang unmittelbare Bedeutung auch mr den privaten Rechtsverkehr der Bürger untereinander haben ... ,,7 Zur weiteren Begründung verweist das BAG auf "das normative Bekenntnis des Grundgesetzes zum sozialen Rechtsstaat (Art. 20, 28 GG)". Auch dieses spreche fiir eine "unmittelbare privatrechtliche Wirkung der grundrechtlichen Bestimmungen", da die Grundrechte "mr den Verkehr der Rechtsgenossen untereinander in einer freiheitlichen und sozialen Gemeinschaft unentbehrlich sind".8 Für eine unmittelbare Grundrechtsgeltung hat sich im Ergebnis auch Schwabe9 ausgesprochen, jedoch ohne sich den vorgenannten Argumenten anzuschließen. Für ihn erweisen sich "die angeblichen Besonderheiten der 'Drittwirkung' von Grundrechten als Phantom".10 Die Geltung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr ergebe sich vielmehr bereits daraus, daß auch "bei den privatrechtlichen Ansprüchen nichts anderes als staatliche Gewalt in Form von Geboten oder Verboten vorliegt". Auch im Zivilrecht müßten die Grundrechte letztlich gegen staatliche Herrschaftskompetenz in Form von Gesetzesbefehl oder Richterspruch durchgesetzt werden, so daß von einer "Drittwirkung" nicht gesprochen werden könne.!! 3. Die Grundrechte als bloß mittelbar drittwirkende Rechtsnormen Das BVerfG und die h.L. 12 in der Literatur gehen dagegen von einer bloß mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus. Nach dieser Auffassung gelten die Grundrechte nicht unmittelbar im Privatrecht, sie prägen es aber in ihrer BAG, NJW 1957,1688 (1689). BAG, NJW 1957, 1688 (1689). 9 Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971; ders., NJW 1974, 670 b671). 1 Schwabe, DVB11971, 689 (690). 11 Schwabe, NJW 1973,229 (230). 12 Nachweise bei Hager, JZ 1994, 373 (374). 7

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3. Kapitel: Die Einwirkung der Grundrechte

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Funktion als objektives Wertesystem: "Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung empfangen von ihm Richtlinien und Impulse. So beeinflußt es selbstverständlich auch das bürgerliche Recht; keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf im Widerspruch zu ihm stehen, jede muß in seinem Geiste ausgelegt werden". \3 Die Grundrechte gelten also nicht als zivilrechtliche Verbotsgesetze, sondern entfalten sich "erst durch das Medium der das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften". 14 Als Medium für die Einwirkung der grundrechtlichen Wertungen fungieren insbesondere die zivilrechtlichen Generalklauseln, deren unbestimmte Rechtsbegriffe die dazu notwendigen "Einfalltore"IS bieten. 4. Stellungnahme - Die differenzierende Betrachtung Versucht man, sich der Problematik um die Drittwirkung der Grundrechte mittels der klassischen Auslegungsmethoden zu nähern, so wird schnell deutlich, weshalb in dieser Frage bis heute kein Konsens erzielt werden konnte: Weder aus dem Wortlaut des Grundgesetzes noch aus dessen Systematik lassen sich zwingende Argumente für eine der beiden Ansichten ziehen. Während die Vertreter der Lehre von der bloß mittelbaren Drittwirkung den Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG für sich in Anspruch nehmen, wonach nur "Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung" an die Grundrechte gebunden sind, berufen sich die Befürworter einer unmittelbaren Grundrechtsbindung auf den Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 GG, in dem die "Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft" bezeichnet werden. Man mag über die Bedeutung der jeweiligen Formulierungen streiten, eine eindeutige Antwort auf die Drittwirkungsfrage gegen sie jedenfalls nicht. Ähnlich zweideutige Ergebnisse bringt die systematische Auslegung. Aus dem Umstand, daß nur an wenigen Stellen die Wirkung eines Grundrechts ausdrücklich auf Private erstreckt wird (vgl. Art. 9 Abs. 3, Art. 20 Abs. 4 GG) ziehen die Gegner einer unmittelbaren Drittwirkung den Schluß, daß dies im Normalfall, d.h. bei allen anderen Grundrechten, nicht so sei. Diese Schlußfolgerung ist allerdings keinesfalls zwingend. Mit gleichem Recht läßt sich die ausdrückliche Anordnung einer unmittelbaren Drittwirkung durch den Verfassungs geber als Hinweis auf eben diese Wirkungsweise aller Grundrechte deuten. Allein anhand des Grundgesetzes läßt sich die Drittwirkungsfrage also nicht lösen, doch auch der Rückgriff auf die historische Auslegungsmethode erscheint wenig hilfreich. Das historische Argument wird gegen eine unmitBVerfGE 7,198 (205). BVerfGE 42, 143 (148). 15 BVerfGE 7, 198 (206) unter Hinweis auf Dürig, Grundrechte TI, S. 525. 13

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Allgemeiner Teil: Organisatorische Wld rechtliche Grundlagen

telbare Drittwirkung ins Felde geführt, da die Entstehungsgeschichte der Grundrechte gezeigt habe, daß die Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat entstanden seien. 16 Dies ist in der Tat der Fall, doch können aus der geschichtlichen Entstehung nur bedingte Rückschlüsse auf die aktuelle Funktion einer Nonn gezogen werden. Eine Nonn wird nach dem Entstehen nicht eingefroren, sondern entwickelt sich ständig fort und ist insoweit aktualisiert zu betrachten, da sie ansonsten der Wirklichkeit stets hoffnungslos hinterher hinken würde. 17 In einer Zeit, in der es nicht mehr primär um die Bändigung der Staatsmacht geht, sondern vielmehr auch darum, die Macht von Verbänden, Kartellen und sonstigen gesellschaftlichen Institutionen einzuschränken, kann der Verweis auf die historische Abwehrfunktion der Grundrechte nicht mehr ausschlaggebend sein, um die Diskussion zu entscheiden. Auch wenn sich die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung nach den dargelegten Argumenten in der Defensive zu befinden scheint, läßt sich doch festhalten, daß die juristische Dogmatik auch diese Ansicht problemlos ermöglicht. Was bleibt, ist die teleologische Auslegung, also die Frage nach Sinn und Zweck der Nonn. Da Wortlaut, Systematik und geschichtliche Entwicklung keine eindeutigen Ergebnisse liefern konnten, wird letztlich allein anband dieses Kriteriums zu entscheiden sein, in welcher Weise die Grundrechte auf den Privatrechtsverkehr einwirken. Welches ist also der Zweck, den die Grundrechte in ihrer aktuellen Funktion zu erfüllen haben? Die vornehmste Aufgabe der Grundrechte in der verfassungsmäßigen Ordnung ist es nach wie vor, die überlegene Macht des Staats gegenüber dem Individuum zu begrenzen. Wenn es nun im Zuge der Drittwirkungsdiskussion darum geht, auch Privatrechtsubjekte an die Grundrechte zu binden, so wird damit zwar der Kreis der Grundrechtsverpflichteten erweitert, der Schutzzweck der Grundrechte bleibt jedoch unverändert. Auch im Privatrechtsverkehr kann die Funktion der Grundrechte nur darin liegen, die Freiheit des Einzelnen vor unkontrollierter Machtentfaltung - wenn auch durch Private - zu schützen. Von dieser Schutzrichtung ist auszugehen, wenn es darum geht, den Grad der Grundrechtsbindung im Privatrechtsverkehr zu bestimmen. Oberflächlich betrachtet scheint es, als könnten die Grundrechte diese Schutzfunktion am besten durch eine unmittelbare Einwirkung auf das Privatrecht erfüllen. Bei genauerer Betrachtung ist diese Annahme jedoch zu bezweifeln. Wollte man den Privatrechtsverkehr einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte unterwerfen, so wäre jeder Träger der Grundrechte unweigerlich auch Grundrechtsverpflichteter. Er wäre also den gleichen Bin16

17

PierothiSchlink, GR Staatsrecht TI, Rn 204. Baecker, Grenzen der Vereinsautonomie im deutschen Sportverbandswesen,

Diss. Münster 1985, 8.46.

3. Kapitel: Die Einwirkung der Grundrechte

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dungen unterworfen wie der Staat. Es liegt auf der Hand, daß eine derartige Bindung eine erhebliche Einschränkung der privatrechtlichen Entscheidungsfreiheit zur Folge hätte. Hesse 18 sieht sogar eine prinzipielle Veränderung von "Eigenart und Bedeutung des Privatrechts". Schließlich ist ohne eine unmittelbare Grundrechtsbindung eine Vielzahl zivilrechtlicher Vorgänge erlaubt, obwohl sie, wenn der Staat als Angreifer auftrete, längst verfassungswidrig wären. 19 Verwiesen sei etwa auf Verträge zwischen Privaten, durch welche die Meinungsfreiheit des einen Teils beschränkt wird. 20 Es scheint daher, als liefe eine unmittelbare Grundrechtsbindung dem Schutzzweck der Grundrechte gerade zuwider, da die Freiheit des Einzelnen anscheinend nicht vergrößert, sondern verkleinert werden würde. Bei alledem darf jedoch nicht verkannt werden, daß der Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen ein erweiterter Schutz gegen Freiheitsbeeinträchtigungen durch Dritte gegenüberstünde. Hinzu kommt, daß die Grundrechte - anders als im Staat-Bürger-Verhältnis - regelmäßig zugunsten und zu Lasten beider Beteiligter eines Rechtsverhältnisses wirken würden. Eine allgemeine unmittelbare Grundrechtsbindung Privater würde daher nicht so weit reichen wie diejenige der staatlichen Gewalten?1 Dennoch könnten diese Einwände eine unmittelbare Anwendbarkeit der Grundrechte nur dann rechtfertigen, wenn der Einzelne nach einer Abwägung der Vor- und Nachteile, d.h. in der Bilanz, einen Zugewinn an Freiheit erhalten würde. Denn dort, wo das Privatrecht mehr Freiheit läßt als die Grundrechte, darf diese Freiheit nicht durch eine Bindung an die Grundrechte beschränkt werden?2 Im Regelfall der Privatrechtsbeziehung läßt sich ein derartiger Zugewinn an persönlicher Freiheit allerdings nicht erkennen. In diesem Regelfall stehen sich die Vertragspartner als gleichberechtigte Privatrechtssubjekte gegenüber, bei denen das Korrektiv der Austauschgerechtigkeit regelmäßig zu einer Egalisierung tatsächlicher sozialer Machtunterschiede führt. 23 Die machtbegrenzende Funktion einer unmittelbaren Grundrechtsbindung liefe also ins Leere, während die Einschränkung der privatrechtlichen Entscheidungsfreiheit des Einzelnen schlechterdings erhalten bliebe. Es läßt sich damit festhalten, daß die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung nicht mit dem Schutzzweck der Grundrechte zu vereinbaren ist, solange sich die Privatrechtssubjekte gleichberechtigt gegenüberstehen.

Hesse, Grundzüge des VerfasslUlgsrechts, Rn. 354. Baecker, S. 47. 20 Hesse, Rn. 356. 21 Hesse, Rn. 354. 22 Hesse, Rn. 356. 23 Baecker, S. 47. 18

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

Eine andere Wertung ist allerdings erforderlich, wenn dieses Gleichgewicht der Kräfte, von dem das Privatrecht modell haft ausgeht, entscheidend gestört ist. In der sozialen Wirklichkeit sieht sich der Einzelne immer häufiger der faktischen Übermacht privatrechtlicher Organisationen ausgesetzt. Seien es nun Verbände, Kartelle oder sonstige Träger wirtschaftlicher oder sozialer Macht. In diesen Fällen ist - nicht anders als im Verhältnis des Einzelnen zu den staatlichen Gewalten - genau dasjenige Mindestmaß an Freiheit gefährdet, das die Grundrechte als Elemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens gewährleisten sollen. 24 Es ist daher nur folgerichtig, diesen Organisationen eine unmittelbare Bindung der Grundrechte aufzuerlegen. Schließlich ist es "nicht der Sinn der Freiheit von Bindungen der Grundrechte, freiheitsvernichtende Ausübung wirtschaftlicher oder sozialer Macht verfassungsrechtlich zu sanktionieren". 25 Speziell für Vereine und Verbände bedeutet dies, daß eine derartige unmittelbare Grundrechtsbindung immer dann eingreift, wenn der Einzelne durch die Macht dieser privatrechtlichen Organisationen ähnlich gebunden wird wie durch die Macht des Staates oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften. 26 Daß diese Kriterien auf den DFB ohne weiteres zutreffen, haben die Ausführungen des vorangegangen Abschnitts gezeigt. Die Einwände gegen diese differenzierende Betrachtungsweise sind bekannt: Immer wieder sieht sich die differenzierende Lösung, die auch von einem Teil der Literatur getragen wird,27 dem Vorwurf der Inkonsequenz ausgesetzt. Angeblich werde im Bereich des Vereins- und Verbandswesens die GrundeinsteIlung zur Drittwirkungsproblematik aufgegeben. 28 Ein Blick auf die dogmatische Grundlage der hier vertretenen Lösung macht allerdings deutlich, wie unberechtigt dieser Einwand ist. Wenn der DFB in dieser Arbeit einer weiterreichenden Grundrechtsbindung unterworfen wird, als es bei sonstigen Privatrechtsträgern der Fall ist, so handelt es sich dabei keinesfalls um eine systemwidrige Ungleichbehandlung aus Praktikabilitätsgründen, sondern um eine konsequente Anwendung der teleologischen Auslegung. Die Einzelheiten diese schutzzweckorienterten Auslegung hat Nicklisch29 derart überzeugend dargelegt, daß seine Ausführungen hier wörtlich wiedergegeben werden sollen: "Während die 'Vertikalwirkung' der Grundrechte das gesamte Verhältnis Individuum-Staat erfaßt, da dort generell eine freiheitsNicklisch, JZ 1976, 105 (l08); Hesse, Rn. 357. Hesse, Rn. 357. 26 Nicklisch, JZ 1976, 105 (l08). 27 Vertreten wird diese Lösung insbesondere auch von Nicklisch, JZ 1976, 105 fT; Becker, S. 55 fT; im Ergebnis auch Hesse, Rn. 357; H. P. Westermann, Die Verbandsstra{iewalt und das allgemeine Recht, 1972, S. 86 fT. So der Vorwurf Baeckers, S.52. 29 Nicklisch, JZ 1976, 105 (l09). 24

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3. Kapitel: Die Einwirkung der Gnmdrechte

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gefährdende und damit einen Freiheitsschutz erfordernde Über- und Unterordnung besteht, erstreckt sich die 'Horizontalwirkung' nicht auf die gesamten Rechtsbeziehungen Privater. Sie findet gemäß ihrem Schutzzweck nur dann Anwendung, wenn auch im Privatrecht ein staatsähnliches Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. In den Fällen der Gleichordnung, des Machtgleichgewichts der Parteien [... ] darf sie nicht eingreifen, da sie zu einer nicht erforderlichen damit nicht gerechtfertigten Freiheitsbeschränkung führen würde. Hier kommt es allenfalls zu einer nur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte über die privatrechtlichen Generalklauseln. In den Fällen des Machtungleichgewichts, des Gefalles wirtschaftlicher und sozialer Macht, muß die 'Horizontalwirkung' der Grundrechte dagegen gemäß den Anforderungen des freiheitlichen sozialen Rechtsstaates eingreifen, und zwar, damit sie ihren Schutzzweck erfüllt, als unmittelbare Bindungswirkung, und nicht nur auf dem Weg über die Generalklauseln." Auch ein zweiter Einwand, der gegen die hier vertretene Ansicht erhoben wird, richtet sich gegen die vorgenommene Differenzierung. Da nicht zweifelsfrei bestimmt werden könne, in welchen Vereinen und Verbänden, ab welcher Größe und Funktion eine mißbräuchliche Ausübung wirtschaftlicher oder sozialer Macht zu befürchten sei, sei das rechtstaatliche Postulat der Rechtssicherheit verletzt. 30 In der Tat liegt hier ein Problem, doch wird die Rechtswissenschaft nie darum herumkommen, wertungsbedürftige Begriffe zu verwenden, die erst mit der praktischen Anwendung durch die Gerichte an Kontur gewinnen. Hinzu kommt, daß nicht nur die hier vertretene Ansicht mit dem Problem der Rechtsunsicherheit zu kämpfen hat, sondern auch und gerade die Gegenansicht. Auch die Verfechter einer bloß mittelbaren Drittwirkung gehen von einer abgestuften Einwirkung der Grundrechte aus, je nachdem, ob es sich um MonopolsteIlungen, extreme Marktmacht, wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeitsverhältnisse handelt. 31 Folglich sind auch nach dieser Ansicht näher zu entwickelnde Abgrenzungskriterien erforderlich, um das Maß der Grundrechtseinwirkung bestimmen zu können. Ein "Mehr an Rechtssicherheit" bietet diese Lehre daher nicht. Zusammenfassend bleibt damit festzuhalten, daß ein Lösungsansatz im Ralunen der Drittwirkungsdiskussion kaum darum herumkommen wird, eine Abgrenzung anband unbestimmter Rechtsbegriffe vorzunehmen. Nach der hier vertretenen Ansicht hat sich diese Abgrenzung am Schutzzweck der Grundrechte zu orientieren. Eine unmittelbare Grundrechtsbindung greift danach immer dann ein, sobald "der Einzelne durch die wirtschaftliche oder soziale Macht einer privatrechtIichen Organisation ähnlich gebunden wird wie durch die Macht des Staates". Als Indizien für eine derartige Machtfülle gelten 30 31

Baecker, S.53. Vgl. Dürig in: MD, zu Art. 3 Abs. 1, Rn. 51l.

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

insbesondere die "Unentrinnbarkeit" des Verbandsrechts für den Interessenten, die absolute Notwendigkeit einer Untenverfung unter die Organsitionsgewalt des Verbandes und die monopolistische Ausübung der Verbandsbefugnisse. 32 Da der DFB diese Kriterien geradezu beispielhaft erfüllt hat, ist er einer unmittelbaren Grundrechtsbindung untenvorfen.

11. Die Einwirkung der Grundrechte nach der Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB Überträgt man dieses Ergebnis auf die hier vertretene Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB, so ergeben sich folgende Auswirkungen: Ebenso wie der staatliche Gesetzgeber, ist auch der DFB bei seiner Rechtsetzung unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Sobald der DFB also in den grundrechtsgeschützten Bereich der Lizenzspieler eingreift, ist es ihm verwehrt, seine Rechtsetzungsbefugnisse beliebig auszuschöpfen. Rechtmäßig sind derartige Eingriffe nur dann, wenn sie den Anforderungen genügen, die an eine grundrechtsbeschränkende Maßnahme zu stellen sind. Ob dies der Fall ist, bemißt sich nach der allgemeinen Grundrechtsdogmatik. Erforderlich ist danach die Verfolgung eines berechtigten Zweckes anhand eines zulässigen Mittels. Zur Verdeutlichung seien hier noch einmal die Anforderungen an Zweck und Mittel zusammengefaßt, wie sie im Falle hoheitlicher Rechtsetzung gelten: Im Hinblick auf ihren Zweck hat die grundrechtsbeschränkende Maßnahme lediglich dem Gemeinwohl zu dienen. Im Hinblick auf das venvandte Mittel ist ein Parlamentsgesetz erforderlich, welches rechtsstaatlichen Anforderungen und insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muß. Fraglich ist nun, ob diese Grundsätze uneingeschränkt auf den DFB übertragen werden können, oder ob im Falle privater Rechtsetzung eine "Privatisierung der Schrankensystematik"33 erforderlich ist. Zumindest im Bereich der Zwecksetzungskompetenzen erscheint eine derartige "Privatisierung der Schrankensystematik" dringend geboten: Wie erwähnt, ist der staatliche Gesetzgeber befugt, im Rahmen der Verfassung eigenständige Zwecke zu setzen, solange diese dem Gemeinwohl dienen. 34 Eine derart weitgehende Zwecksetzungskompetenz wird den Eigenarten der H. P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt, S. 87. So der AusdruckH. P. Westermanns, Die Verbandsstrafgewalt, S. 9l. 34 Gallwas, Grundrechte, Rn 593. 32

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3. Kapitel: Die Einwirkung der Grundrechte

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Rechtsbeziehung zwischen DFB und Lizenzspieler nicht gerecht. Anders als es im StaatIBürger-Verhältnis der Fall ist, begründet sich die Eingriffskompetenz des DFB auf eine nur funktional begrenzte Unterwerfung, die sich allein auf den Bereich des Fußballsports erstreckt. Die Aufgabe des DFB kann es daher nur sein, die Gruppeninteressen aller Berufsfußballer, nicht aber die Interessen der Allgemeinheit, gegenüber den grundrechtsgeschützten Individualinteressen des Einzelnen zu vertreten. Bezogen auf die Rechtsetzung des DFB ist daher der Gemeinwohlbegriff des BVerfG35 durch den Begriff des "Sportwohls" zu ersetzen. 36 Ein Eingriff in die Rechte der Spieler ist folglich nur dann gerechtfertigt, wenn mit der entsprechenden Maßnahme die Förderung des Fußballsports bezweckt werden soll. Neben Maßnahmen zur Festlegung der Spielregeln sind von diesem Zweck auch solche Regelungen erfaßt, die beispielsweise der Herstellung gleicher Wettkampfbedingungen, der Gewährleistung der körperlichen Integrität der Spieler, der Förderung des Ansehens des Fußballsports oder der Organisation des Wettkampfes dienen. Regelungen, die über diesen Zweck hinausreichen, wie etwa solche, die allein auf die Gewinnerzielung abzielen, sind hingegen nicht mehr durch die Rechtsetzungskompetenz des DFB gedeckt und damit rechtswidrig. Im Hinblick auf die Wahl der Mittel drängt sich zunächst die Frage auf, ob es auch im Falle privater Rechtsetzung eines Parlamentsgesetzes bedarf, um die Grundrechte der Spieler wirksam einschränken zu können. Wollte man eine derartige Betrachtungsweise vertreten, wie es einige Autoren37 unter Hinweis auf die unmittelbare Grundrechtsbindung des DFB getan haben, so wären die grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen des DFB gegenüber dem Lizenzspieler bereits schon deshalb rechtswidrig sind, weil sie ihre Grundlage nicht in einem formellen Gesetz, sondern in einer privatrechtlichen Verbandssatzung finden. Einer derartigen Betrachtungsweise ist das BVerfG in seinem "FacharztBeschluß,,38 entgegengetreten. Zwar hat sich das BVerfG in diesem Beschluß nicht mit den Kompetenzen eines Sportverbandes, sondern mit denen der Ärztekammern befaßt, doch lassen sich die Aussagen dieser Entscheidung ohne weiteres auf die hier vertretene Betrachtungsweise übertragen, da es auch in der Entscheidung des BVerfG letztlich allein darum ging, inwieweit die Grundrechte auf der Grundlage der Satzung einer unmittelbar grundrechts35 Vgl. z.B. BVerfGE 7,377 (405 fl).

36 Die Forderung nach einer derartigen Beschränkung der Zwecksetzungskompetenzen des DFB ist in dieser oder ähnlicher Form in der sportrechtlichen Literatur recht verbreitet. Vgl. Sandberger, S.72; Grunsky, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel eines Fußballspielers, S. 110. 37 So: Rauball, Bundesliga-Skandal, 1972, S. 294 ff, Westerkamp, S. 199. 38 BVerfGE 33, 125 ff.

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

gebundenen juristischen Person eingeschränkt werden dürfen. 39 Daß eine derartige Beschränkung zulässig ist, hat das BVerfG eindeutig festgestellt. Wörtlich heißt es: "Art. 12 Abs. 1 GG gebietet es nicht, daß Regelungen, die die Berufsfreiheit beschränken, ausschließlich durch den staatlichen Gesetzgeber oder durch die vom Gesetzgeber ermächtigte staatliche Exekutive getroffen werden müssen. Vielmehr sind solche Regelungen innerhalb bestimmter Grenzen auch in Gestalt von Satzungen zulässig, die von einer mit Autonomie begabten Körperschaft erlassen werden." Rechtsdogmatisch stellt sich dieser satzungsbedingte Grundrechtseingriff als Eingriff "auf Grund eines Gesetzes" dar, wie ihn Art. 12 Abs. 1 GG zuläßt, wobei der Akt der Autonomieverleihung an den Verband als formelle gesetzliche Ermächtigung zu betrachten ist. 40 Im Falle privatrechtlich organisierter Verbände erfolgt diese Eingriffsermächtigung damit verfassungsimmanent durch Art. 9 Abs. 1 GG. Einer konkreteren Ausgestaltung dieser Delegation der Eingriffsbefugnisse - etwa i. S. d. Art. 80 Abs. 1 GG - bedarf es nicht, da sich der Autonomiegedanke sinnvoll in das System der grundgesetzlichen Ordnung einfügt und auch notwendig ist, um den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern und um den Gesetzgeber davon zu entlasten, Sachverhalte berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind, und auf deren Veränderungen er nicht rasch genug reagieren könnte. 41 Die privatrechtlichen Handlungsinstrumente stellen also ein grundsätzlich zulässiges Mittel zur Beschränkung der Spielerrechte dar, allerdings unter dem Vorbehalt, daß auch die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Satzungsregelungen den Anforderungen an einen rechtmäßigen Grundrechtseingriff entspricht. Die "Inhaltskontrolle" des privaten Recht des Berufsfußballs erfolgt auch im Hinblick darauf, ob die Ausgestaltung der Regelungen den allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen entspricht. Rechtmäßig sind die grundrechtsbelastenden Maßnahmen des DFB also nur dann, wenn sie unter Beachtung der rechtsstaatlichen Grundsätze wie etwa dem Bestimmtheitsgrundsatz, dem Rückwirkungsverbot oder insbesondere auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfolgen.

III. Ergebnis Zusammenfassend läßt sich als Prämisse für den "Besonderen Teil" dieser Arbeit folgendes Ergebnis festhalten: 39

40 41

Vgl. dazu insbes. BVerfGE 33, 125, (155 fI). Vgl. BVerfGE 33, 125, (157, 158). Vgl. BVerfGE 33,125, (156 t).

3. Kapitel: Die Einwirkung der Grundrechte

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Eine unmittelbare Grundrechtsbindung greift immer und nur dann ein, wenn der Einzelne durch die Macht einer privatrechtlichen Organisation ähnlich gebunden wird wie durch die Macht des Staates oder sonstiger öffentlichrechtlicher Körperschaften. Dies ist in der Rechtsbeziehung LizenzspielerlDFB in geradezu beispielhafter Weise der Fall. Der DFB, die rechtsetzende Instanz im Bereich des Berufsfußballs, ist somit unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Dennoch ist es ihm auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 1 GG erlaubt, die Grundrechte der Lizenzspieler anhand der ihm zur Verfügung stehenden Handlungsinstrumente einzuschränken. Rechtmäßig sind diese Beschränkungen allerdings nur, soweit sie der Förderung des Fußballsports dienen und rechtsstaatlichen Anforderungen, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, genügen.

Viertes Kapitel

Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB Daß zwischen dem Recht der Europäischen Gemeinschaft und dem Lizenzfußball in Deutschland eine irgendwie geartete Verbindung bestehen muß, registrierten breite Teile der deutschen Öffentlichkeit erstmals am 15. Dezember 1995. An diesem Tag verkündete der EuGH seine Entscheidung im Fall "Bosman" und versetzte damit die gesamte Fußballwelt in helle Aufregung, denn es war nicht zu übersehen, daß in Luxemburg ein Urteil gefällt worden war, das zu tiefgreifenden Veränderungen des Berufsfußballs in ganz Europa führen würde. Entsprechend drastisch waren die ersten Reaktionen der Betroffenen: "Lebensfremd und ahnungslos"1 sei das Urteil gewesen, "katastrophale Folgen"2 lasse es erwarten, und es sei der Versuch, so der UEF APräsident Lennart Johannson, "den Vereinsfußball zu zerstören,,3. Nach der ersten Aufregung glätteten sich die Wogen, die Stellungnahmen wurden besonnener, und man bemühte sich um eine sachliche Argumentation. In dieser Phase wurde dann der Begriff der "Sportwidrigkeit"4 geprägt. Ein Begriff, den der juristische Sprachgebrauch bis dahin nicht kannte, mit dem jedoch recht anschaulich zum Ausdruck gebracht wurde, welche Stoß richtung die Kritiker des Urteils verfolgten: Sie beanstandeten eine unbedachte und formale Anwendung des allein wirtschaftlich ausgerichteten Gemeinschaftsrechts, bei der die Eigenheiten des Sports mißachtet worden seien. 5 Die Aufgabe dieser Arbeit wird es nun sein, diesen Einwand auf seine Berechtigung hin zu untersuchen. Natürlich kann nicht bezweifelt werden, daß 1 So die Einschätzwtg des Sportanwalts Schickhardt, Interview in: Welt am Sonntag, Nr. 51 vom 17.12.1995, S.19. 2 Gehard Mayer-Voifelder, Ligaausschuß-Vorsitzender und DFB-Vizepräsident, zitiert in Kicker Nr. 102/51 vom 18.12.1995, S. 36. 3 Lennart Johannson, Präsident der UEFA, zitiert in Faz Nr. 293 vom 16.12.1995, S.32. 4 Vgl. Stellungnahme des DFB, zitiert in: FAZ Nr. 293 vom 16.12.1995, S.32; Egidius Braun, Präsident des DFB auf dem 35. DFB-Bundestag in Düsseldorf, zitiert in DFB-Journa14/95, S. 28. 51n diese Richtung weist z.B. die erste Stellungnahme des DFB, zitiert in: FAZ Nr. 293 vom 16.12.115, S.32.

4. Kapitel: Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts

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der Sport tatsächlich bestimmte Eigenheiten besitzt, doch bleibt die Frage, inwieweit dieser Umstand juristisch nutzbar gemacht werden kann. Grundsätzlich bietet die Dogmatik des Gemeinschaftsrechts zwei Möglichkeiten, um das Argument der "Sportwidrigkeit" verwerten zu können: Zum einen ist es denkbar, die "Eigenständigkeit des Sports" als ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund heranzuziehen, um so Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht rechtfertigen zu können. Zum anderen ist es möglich, bereits die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts in Frage zu stellen, indem man etwa eine generelle Bereichsausnahme fiir den gesamten Sport als solchen befürwortet. Mit der zuletzt genannten Problematik, d.h. also mit der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts, befaßt sich das vorliegende Kapitel.

I. Die Grundlagen einer möglichen Einwirkung des Gemeinschaftsrechts

Unter dem Begriff des Gemeinschaftsrechts faßt man sowohl das primäre Gemeinschaftsrecht, das im wesentlichen durch die Normen der drei Gründungsverträge gebildet wird, als auch das sekundäre Gemeinschaftsrecht, womit insbesondere die von den Gemeinschaftsorganen erlassenen Rechtsakte gemeint sind. Grundsätzlich können beide Gruppen von Rechtsnormen Bedeutung fiir den Lizenzfußball in Deutschland entfalten, doch haben die Rechtsetzungsorgane der Gemeinschaft bisher keine Veranlassung gesehen, den Bereich des Berufsfußballs zu reglementieren. Ausführungen zur Anwendbarkeit des sekundären Gemeinschaftsrechts wären daher rein theoretischer Natur, so daß es angebracht erscheint, die nachfolgende Untersuchung vornehmlich auf die Einwirkung des primären Gemeinschaftsrechts zu beschränken. Auf die Besonderheiten des sekundären Gemeinschaftsrechts wird nur im Einzelfall einzugehen sein. Die vorangegangen Kapitel haben gezeigt, daß der DFB bei seiner Rechtsetzung an höherrangiges Recht gebunden ist, soweit dieses auf die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB Anwendung findet. Soweit es dabei um die Freiheitsrechte des Grundgesetzes ging, war allein problematisch, ob diese Grundrechte eine Drittwirkung im Privatrechtsverkehr entfalten. Die gleiche Frage gilt es später auch im Hinblick auf die Primärnormen des Gemeinschaftsrechts zu beantworten, doch beginnt die Problematik hier viel früher: Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (competence d'attribution) besitzt die Europäische Gemeinschaft nur die Befugnisse, die ihr im Gründungsvertrag ausdrücklich oder implizit übertragen worden sind. Entscheidend ist daher, ob der Gemeinschaft auch die Kompetenz zur Reglementierung des Fußballsports übertragen worden ist. Dies ist zweifelhaft, da

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sich in dem EG-Vertrag kein Titel mit der Überschrift "Sport" findet, wenngleich dessen Einfiihrung immer wieder gefordert worden ist6 . Da der EGVertrag zudem keine dem Art. 2 Abs. 1 GG vergleichbare Generalklausel kennt, müßten sich einzelne Teilausschnitte des Sports unter allgemeinere Kompetenztitel des EG-Vertrages subsumieren lassen. Konkret geht es dabei um die Frage, ob sich der Lizenzspieler auf den Schutz der Freizügigkeitsvorschriften (Art. 48 ff. EGV)7 berufen kann. Denkbar ist zudem auch eine Bindung der Sportverbände an die Wettbewerbsvorschriften des Gemeinschaftsrechts (Art. 85 ff. EGV). Ginge es nun allein um die Subsumtion der einzelnen Tatbestandsmerkmale der genannten Normen, so wäre die Frage nach der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts schnell beantwortet. Schließlich könnte man die entgeltliche Lizenzspielertätigkeit recht problemlos als Arbeitnehmertätigkeit i. S. d. Art. 48 EGV bewerten, und auch die Sportverbände ließen sich gut vertretbar als Unternehmensvereinigungen im Sinne des Art. 85 EGV einstufen. Der Kern des Problems liegt jedoch an anderer Stelle. Entscheidend geht es nämlich darum, ob die Reglementierung sportlicher Betätigungen überhaupt in den Aufgabenbereich der Gemeinschaft fällt. Eine Frage, die nicht ohne weiteres bejaht werden kann, wenn man sich die in Art. 2 des Vertrages definierten Ziele vor Augen führt. Wörtlich heißt es dort: "Aufgabe der Gemeinschaft ist es, ... eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, ein beständiges, nicht inflationäres und umweltverträgliches Wachstum, einen hohen Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Beschäftigungsniveau, ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern." Vor dem Hintergrund dieser Zielbestimmung, unter die sich der Sport offensichtlich nur bedingt subsumieren läßt, wird nun zu prüfen sein, ob der DFB tatsächlich an die Freizügigkeitsvorschriften der Art. 48 ff. EGV gebunden ist. In einem zweiten Schritt ist die Anwendbarkeit der Art. 85 ff. EGV auf das Sportverbandsrecht zu erörtern.

11. Die Einwirkung der Freizügigkeitsvorschriften des EG-Vertrages Die maßgebliche Autorität zur Beantwortung der Frage nach der Einwirkung der Art. 48 ff. EGV auf das Recht der Sportverbände ist naturgemäß 6 Vgl. dazu den Beitrag ,,Aufstieg des Sports in die europäische Vertragsliga" in Spurt 94, 229 f. Zuletzt auch DFB-Chetjustitiar Eilers, Kicker Nr. 102/51 vom 18.12.l995, S. 36. 7 Zur möglichen Anwendbarkeit der Art. 59 tI. EGV, vgl. Punkt TI.2.b) dieses Kapitels.

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der EuGH, denn schließlich haben sich Sportler und Verbände nach dessen Rechtsansicht zu richten. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs steht daher im Zentrum der nachfolgenden Ausführungen (l.). Mögliche Einwände gegen diese Rechtsprechung werden im Anschluß diskutiert (2.). 1. Die Einwirkung der Freizügigkeitsvorschriften

nach der Rechtsprechung des EuGH

Anläßlich der Klage des belgischen Fußball-Profis Jean-Marc Bosman ist dem EuGH nunmehr zum fünften Mal mit einer spezifisch sportrechtlichen Fragestellung8 befaßt worden. Zwei dieser Vorlageverfahren9 , angestrengt durch britische Fußballer, die eine Spielerlaubnis in Italien erwirken wollten, erledigten sich bereits vor einer Entscheidung des Gerichtshofs. Die verbleibenden drei Urteile sollen anschließend dargestellt werden. a) Der Fall" Walrave und Koch"

Zur Frage der Anwendbarkeit des EG-Vertrages auf den Bereich des Sports äußerte sich der EuGH erstmals im Jahre 1974 in dem Fall "Walrave und Koch" 10. Die Kläger des Ausgangsverfahrens, die beiden niederländischen Staatsangehörigen Walrave und Koch, beteiligten sich an Bahnradrennen, den sog. "Steher"-Rennen, als Schrittmacher auf Motorrädern, in deren Windschatten der Radrennfahrer fährt. Zu den Rennen, an denen sie teilnahmen, gehörten auch die Weltmeisterschaften. Das für diese Meisterschaften geltende Reglement des zuständigen Verbandes!! enthielt eine Bestimmung, nach der ab dem Jahre 1973 Schrittmacher und Radrennfahrer dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen mußten. Walrave und Koch, die regelmäßig mit deutschen oder belgischen Radrennfahrern fuhren, hielten diese Regelung mit dem EG-Vertrag für unvereinbar, da sie es dem Schrittmacher aus einem Mitgliedstaat untersagte, seine Dienste dem Steher aus einem anderen Mitgliedstaat zur Verfügung zu stellen. Mit Urteil vom 15. Mai 1974 ersuchte das angerufene Gericht, die Arrondissementsrechtbank in Utrecht, den EuGH um eine Vorabentscheidung. Im 8 Ein weiteres Verfahren, angestrengt durch den belgisehen Fußballtrainer Georges Heylens, behandelte den Bereich des Sports nur am Rande. Vgl. dazu EuGHE 1987, 4097 ff. 9 Es handelte sich dabei um die Vorlageverfahren 46/79 und 134/79. 10 EuGHE 1974, 1405 ff. =NJW 1975, 1093. 11 Zuständig ist die "Union Cyc1iste Internationale (UCI).

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Rahmen dieses Verfahrens, dessen endgültiger Ausgang vor dem nationalen Gericht hier nicht weiter von Bedeutung ist12 , äußerte sich der EuGH erstmals explizit zu der Frage der Anwendbarkeit des Vertrages auf den Bereich des Sports. Dazu statuierte der Gerichtshof zunächst folgenden Grundsatz: "Angesichts der Ziele der Gemeinschaft unterfallen sportliche Betätigungen nur insoweit dem Gemeinschaftsrecht, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Artikel 2 des Vertrages ausmachen."l3 Im Anschluß daran fiihrte der Gerichtshof aus, daß "bei der Aufstellung von Wettkampfmannschaften, etwa in der Form von Nationalmannschaften" eine Ausnahme von diesem Grundsatz zu machen sei, "da es bei der Bildung dieser Mannschaften um Fragen geht, die ausschließlich von sportlichem Interesse sind und als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun haben,,14. In einer dritten entscheidenden Passage hieß es dann schließlich, daß auch die "in der Satzung eines Sportverbandes enthaltenen Bestimmungen" an den Diskriminierungsverboten des EG-Vertrages zu messen seien. 15 Schon bei einer ersten Betrachtung der zitierten Aussagen läßt sich erahnen, daß die Entscheidung des EuGH Anlaß zu vielen Spekulationen gegeben hat. Wie gesehen, hat der Gerichtshof ein Grundsatz-/Ausnahmemodell entwickelt, um die Frage nach der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts zu beantworten. Eindeutig ist dieses Modell nur insoweit, als damit unmißverständlich zum Ausdruck gebracht wird, daß grundsätzlich auch sportliche Betätigungen an dem Gemeinschaftsrecht gemessen werden können. An diesem Umstand hat das Gericht keinen Zweifel gelassen, und es hat damit den Hoffnungen der Sportverbände auf eine generelle Bereichsausnahme für den gesamten Sport eine klare Absage erteilt. Der Sport ist nach Ansicht des Gerichtshofs also nicht schon per. se dem Anwendungsbereich des Vertrages entzogen. Weniger eindeutig ist die Entscheidung allerdings, sobald man sich der dargestellten Ausnahme zu diesem Grundsatz zuwendet. Dort heißt es, daß das Diskriminierungsverbot unter bestimmten Voraussetzungen "keine Rolle" spiele. Offensichtlich wollte der Gerichtshof bestimmte Formen der sportlichen Betätigung dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts also wieder entziehen, doch bleibt fraglich, welche Erscheinungsformen des Sports 12 Das zuständige Gericht in Utrecht hat den Ausgangsfall nie entschieden, da die Klage vor der Entscheidung - vermutlich auf Druck der UeI - zurückgenommen worden ist; vgl. dazuHiljNJW 1984, 517 (520), Fn. 22. 13 EuGHE 1974, 1405 (1418). 14 EuGHE 1974, 1405 (1418 f.). 15 EuGHE 1974, 1405 (1420).

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damit gemeint waren. Explizit sind nur Begegnungen der Nationalmannschaften genannt worden. Wie aber verhält es sich mit den praktisch bedeutsameren Begegnungen zwischen Vereinsmannschaften? Sind auch diese erfaßt? Angesichts der nur vage gehaltenen Formulierung des EuGH wird es eine eindeutige Antwort auf diese Frage nicht geben können. Zwar kann davon ausgegangen werden, daß die Nationalmannschaften nur beispielhaft genannt worden sind, doch läßt dieser Umstand nicht ohne weiteres darauf schließen, daß auch sämtliche Begegnungen von Vereinsmannschaften dem Sportvorbehalt unterfallen sollten. Eine derartige Auslegung wäre kaum mit dem zuvor aufgestellten Grundsatz zu vereinbaren und ließe ihn zur inhaltsleeren Floskel verkommen, denn in diesem Fall wäre nur noch die Betätigung des Einzelsportlers an dem Gemeinschaftsrecht zu messen. Naheliegender erscheint daher eine engere Auslegung, etwa dahingehend, daß die Ausnahme allein bei internationalen Vergleichswettbewerben von Vereinsmannschaften greifen sollte. Da jedoch auch diese Betrachtungsweise keinesfalls unangreifbar ist, läßt sich nur vermuten, ob sich die Lizenzspieler der Bundesligen nach diesem Urteil tatsächlich auf das Diskriminierungsverbot des EG-Vertrages berufen konnten. Abschließend sei noch erwähnt, daß der Gerichtshof zumindest im Hinblick auf die Drittwirkung der Diskriminerungsverbote keine Fragen offen gelassen hat, wie sich aus der zuletzt zitierten Passage ergibt.

b) Der Fall "Dona" Die zweite Entscheidung des EuGH auf dem Gebiet des Sports, der Fall "Dona"16 aus dem Jahre 1976, betraf speziell den Fußball. Mario Mantero, damaliger Präsident der italienischen "Associazione Calcio Rovigo" (FC Rovigo) und Beklagter des Ausgangsverfahrens, hatte Herrn Dona, den Kläger des Ausgangsverfahrens, damit beauftragt, in ausländischen Fußballerkreisen zu sondieren, ob sich Spieler finden ließen, die fur den FC Rovigo spielen könnten. Dona ließ darautbin eine dementsprechende Anzeige in einer belgischen Fachzeitschrift veröffentlichen. Nachdem auf diese Anzeige hin einige Angebote bei dem FC Rovigo eingegangen waren, verlangte Dona die Erstattung der verauslagten Kosten. Der Beklagte Mantero weigerte sich jedoch, die geforderten Kosten zu erstatten. Zur Begründung seiner Weigerung fuhrte er aus, Dona habe voreilig gehandelt; schließlich sehe die Personalordnung des Italienischen Fußballverbandes - wie allseits bekannt war -

16

EuGHE 1976, 1333 ff.

5 Platb

=NJW 1976, 2068.

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eine absolute Ausländersperre vor l7 , so daß die Verpflichtung ausländischer Spieler nur nach Aufhebung dieser Grenzsperre möglich gewesen wäre. Der Kläger Doml brachte dagegen vor, die Bestimmungen des italienischen Verbandes seien rechtswidrig, da sie gegen die Freizügigkeitsvorschriften des EGVertrages verstießen. Zur Klärung dieser Frage leitet der mit dem Fall befaßte Friedensrichter in Rovigo ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH ein. In diesem Verfahren nun wurde explizit ausge:fiihrt, daß die Betätigung von Fußballprofis und - halbprofis grundsätzlich dem Gemeinschaftsrecht unterfällt, "da diese Tätigkeit eine entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung darstellt" I 8. Mit dieser Aussage war jedoch noch nicht viel gewonnen, da sie inhaltlich nicht viel mehr darstellte, als die Konkretisierung des bekannten Grundsatzes, nach dem sportliche Betätigungen nur insoweit dem Gemeinschaftsrecht unterfallen, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens ausmachen. Entscheidend und von größter Praxisrelevanz war vielmehr die Frage, ob und inwieweit der Gerichtshof seinen Sportvorbehalt konkretisieren würde. Im Vorfeld der Entscheidung waren die diesbezüglichen Positionen klar verteilt. Während der Generalanwalt Trabucchi eine Befreiung von dem Diskriminierungsverbot selbst für nationale Meisterschaftsspiele von Vereinsmannschaften befürwortete und vorschlug, "unter Bezugnahme auf die bereits in der Rechtssache 36/74 (Walrave) aufgestellten Grundsätze" zu antwortenl9 , vertrat die Kommission den Gegenstandpunkt: Sie führte aus, daß eine Ausnahme von dem Diskriminerungsverbot allein bei der Aufstellung von Nationalmannschaften zu rechtfertigen sei. Bei Wettkämpfen von Vereinsmannschaften sei es hingegen "schwerlich zu vertreten, daß sporttechnische Erwägungen es objektiv notwendig machen könnten, nur auf inländische Spieler zurückzugreifen, um die Vereinsfarben zu verteidigen,,20. Nachdem die Problematik derart auf den Punkt gebracht worden war, schien der Boden für eine unmißverständliche Entscheidung geebnet. Nicht zuletzt aufgrund der eindeutigen Fragestellung konnte erwartet werden, daß der Gerichtshof nun endlich Stellung beziehen würde. Schließlich mußte es dem Gericht auch darum gehen, sich nicht ein zweites Mal der Kritik der Entscheidungslosigkeit auszusetzen. Doch auch dieses Mal wurden die Hoffnungen enttäuscht, denn auch in dieser Entscheidung postulierte der EuGH eine nur vage formulierte Ausnahme zu dem zuvor aufgestellten Grundsatz, nach dem die Beschränkung der Lizenzspielertätigkeit grundsätzlich an den 17 Vgl. dazu die damals gültigen Art. 16 i.Y.m. Art. 28 g des Regolamento organico della Federazione Italiano Giuoco del Calcio (Personalordnung des Italienischen Fußball verbandes). 18 EuGHE 1976, 1333 (1340). 19 Schlußantrag des Generalanwalts Trabucchi, EuGHE 1976, 133311 (1347). 20 Stellungnahme der Kommission, EuGHE 1976, 1333 (1337).

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Freizügigkeitsvorschriften ZU messen ist. Wörtlich heißt es: "Diese (Freizügigkeits-) Vorschriften stehen jedoch ~iner Regelung oder Praxis nicht entgegen, welche die ausländischen Spieler von der Mitwirkung bei bestimmten Begegnungen aus nichtwirtschaftlichen Gründen ausschließt, die mit dem besonderen Charakter und Rahmen dieser Begegnungen zusammenhängen und deshalb ausschließlich den Sport als solchen betreffen, wie dies zum Beispiel bei Begegnungen der Nationalmannschaften verschiedener Länder der Fall ist,,21. Obwohl in diesem Verfahren speziell nach dem auf Vereinsmannschaften anwendbaren Recht gefragt war, hatte sich der Gerichtshof also wiederum darauf beschränkt, seinen "Sportvorbehalt" mit dem Beispiel der "Nationalmannschaften" zu illustrieren. Es oblag damit erneut den Vertretern von Literatur und Praxis, zu entscheiden, welches die "bestimmten Begegnungen" sind, die der Gerichtshof von dem Diskriminierungsverbot ausnehmen wollte. Als Indiz gegen die Annahme, auch nationale Meisterschaftsspiele könnten gemeint gewesen sein, wurde gewertet, daß der EuGH diese Wettkämpfe nicht ausdrücklich angesprochen hatte, obwohl in dem Verfahren doch gerade nach den diesbezüglichen Sperrklausein gefragt worden war. 22 Geht man allerdings mit Hilf3 davon aus, daß es sich bei dem Verfahren um einen künstlich konstruierten Fall handelte, so erscheint diese Zurückhaltung des EuGH in einem anderen Licht, denn der Gerichtshof hat wiederholt deutlich gemacht, daß er nicht gewillt ist, die Rechtsentwicklung anhand von konstruierten Streitfällen voranzutreiben?4 Wie auch immer man die Formel des Gerichtshofs verstehen mag, eine eindeutige Antwort auf die aufgeworfenen Fragen läßt sich jedenfalls auch aus diesem Urteil nicht ableiten. Gleichwohl ist die Entscheidung mehrheitlich als Aufforderung an die nationalen Sportverbände verstanden worden, die bestehenden Beschränkungen rur EG-Ausländer zumindest zu lockern25 . Eine praktische Umsetzung dieser Aufforderung durch den DFB gab es zunächst freilich nicht. c) Der Fall "Bosman"

Wie bereits einleitend angedeutet worden ist, rief das dritte sportbezogene Urteil des EuGH, das Urteil im Fall "Bosman,,26, erhebliche Aufregungen in EuGHE 1976, 1333 (1340). PalmelHepp-Schwab/WiIske, JZ 1994, 343 (345). 23 Hilf, NJW 1984, 571 (520). Untermauert wird diese These durch den Umstand, daß sich der Beklagte Mantero in dem Verfahren vor dem EuGH nicht einmal geäußert hat. (Vgl. dazu auch Klose, Die Rolle des Sports bei der Europäischen Einigung, S.106.). 24 Vgl. dazu EuGHE 1980,745; EuGHE 1981, 3045 ff. 25 Vgl. dazu Hilf, NJW 1984, 571 (521); PalmelHepp-Schwab/Wilske, JZ 1994, 343 21

22

(345~. 2

Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,J3osman".

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der Fußballwelt hervor. Ein Umstand, der zu Recht darauf schließen läßt, daß sich der EuGH mit dieser Entscheidung nun endlich eindeutig geäußert haben muß. Folgender Sachverhalt lag dem Ausgangsverfahren zugrunde: Der belgische Fußballprofi Jean Marc Bosman war seit 1988 bei dem belgischen Erstligisten Fe Lüttich beschäftigt. Im Jahre 1990 lief Bosmans Vertrag dort aus. Ein neues Angebot seines Vereins akzeptierte er nicht, da es eine drastische Gehaltskürzung vorsah. Bosman bemühte sich daraufhin um einen Wechsel zum französischen Zweitligaverein Fe Dünkirchen. Nachdem bereits die Höhe der möglichen Ablösesumme ausgehandelt worden war, kamen dem Fe Lüttich Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Fe Dünkirchen. Der Fe Lüttich unterließ es daraufhin, die Übermittlung des notwendigen Freigabescheins an den französischen Verband zu beantragen. Die bereits geschlossenen Verträge wurden damit hinfällig. Der Transfer kam nicht zustande. Zudem sperrte der Fe Lüttich Herrn Bosman am 31. Juli 1990 und hinderte ihn dadurch während der gesamten Saison am Spielen. Im November gleichen Jahres erwirkte Bosman eine einstweilige Anordnung gegen den Fe Lüttich und den belgischen Verband (URBSFA27 ), denen u.a. aufgegeben wurde, die Einstellung von Herrn Bosman nicht zu behindern. In der Zwischenzeit war Herr Bosman vom französischen Zweitligaverein Saint-Quentin unter der aufschiebenden Bedingung verpflichtet worden, daß seinem Antrag auf einstweilige Anordnung stattgegeben würde. Trotz des Eintritts dieser Bedingung wurde Bosmans Vertrag bei diesem Verein am Ende der ersten Spielzeit aufgelöst. Eine anschließende Beschäftigung beim französischen Verein Saint-Denis de la Reunion wurde ebenfalls bald beendet. Der erstligaerfahrene Bosman endete schließlich bei einem belgischen Drittligisten. Angesichts des allgemein fehlenden Interesses an einer Beschäftigung des Spielers Bosman ist davon auszugehen, daß dieser einem Boykott seitens aller europäischen Vereine ausgesetzt worden ist. In dem anschließenden Hauptsacheverfahren vor dem Tribunal de premiere instance Lüttich beantragte Bosman die Einbeziehung der UEF A in den Rechtsstreit zwischen ihm und dem Fe Lüttich und der URBSFA und erhob unmittelbar gegen die UEFA Klage. Im Rahmen dieser Rechtsstreitigkeiten beantragte Bosman, die Transferregeln und die Ausländerklauseln für auf ihn nicht anwendbar zu erklären und den Fe Lüttich, die URBSFA und die UEFA zu verurteilen, ihm wegen ihres schuldhaften Verhaltens beim Scheitern seines Transfers zum Fe Dünkirchen Schadensersatz zu leisten. Er beantragte ferner, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.

27

Union royale beIge des societes de football association ASBL.

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Mit Urteil vom 11. Juni 1992 ersuchte das Tribunal de premiere instance Lüttich den Gerichtshof um Auslegung der Art. 48, 85 und 86 des Vertrages (Rechtssache C-269/92). Gegen dieses Urteil legten die Beklagten Berufung ein, und so wurde die Rechtssache wieder gestrichen, nachdem ein Berufungsurteil der Cour d'appel Lüttich ergangen war. Mit diesem Urteil beantragte die Cour d'appel Lüttich nun ihrerseits, das Verfahren auszusetzen und den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. In diesem Verfahren, der Rechtssache C-415193, wurden dem EuGH folgende Fragen vorgelegt: Sind die Artikel 48, 85 und 86 des Römischen Vertrages vom 25. März 1957 dahin auszulegen, daß sie es verbieten, - daß ein Fußballverein bei der Verpflichtung eines seiner Spieler, dessen Vertrag endet, durch einen anderen Verein die Zahlung eines Geldbetrags verlangen und entgegennehmen kann; - daß die nationalen und internationalen Sportvereinigungen oder Sportverbände in ihren Regelungen Bestimmungen vorsehen können, die den Zugang ausländischer Spieler, die der Europäischen Gemeinschaft angehören, zu den von ihnen veranstalteten Wettbewerben beschränken? Erneut wurde dem Gerichtshof also die Möglichkeit gegeben, seine Rechtsprechung im Bereich des Sports voranzutreiben, und dieses Mal nutzte das Gericht diese Möglichkeit zu der bekannt weitreichenden und folgenschweren Entscheidung. Das Hauptaugenmerk - nicht nur der Öffentlichkeit - lag dabei natürlich wiederum auf der Frage nach dem Fortbestand des "Sportvorbehalts", denn dort entwickelt das Urteil seine größte Praxisrelevanz. Hinsichtlich dieser Fragestellung bekräftigte der Gerichtshof zunächst erneut, daß Begegnungen zwischen Nationalmannschaften allein den Sport betreffen und somit aus dem Anwendungsbereich des Vertrages herausfallen. Der Gerichtshof hält damit grundsätzlich an dem Fortbestand eines Sportvorbehalts fest. Neu ist allerdings - und darauf kommt es entscheidend an -, daß Begegnungen zwischen Vereinsmannschaften nunmehr ausdrücklich von diesem Vorbehalt ausgenommen sind. Wörtlich heißt es: "Im vorliegenden Fall beziehen sich die Ausländerklauseln nicht auf spezielle Begegnungen zwischen Mannschaften, die ihre Länder repräsentieren, sondern gelten für alle offiziellen Begegnungen zwischen Vereinen und betreffen somit den Kern der von den Berufsspielern ausgeübten Tätigkeit. Unter diesen Umständen können die Ausländerklausein nicht als vereinbar mit Artikel 48 des Vertrages angesehen werden, ... "28. Angesichts dieser Formulierung steht nunmehr fest, daß sich der "Sportvorbehalt" des Gerichtshofs nicht auch auf Begegnungen zwischen Vereins28 Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-26, Rn 128 f.

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mannschaften erstreckt. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß die Regelungen der nationalen Sportverbände auch dann an dem Gemeinschaftsrecht zu messen sind, wenn sie unmittelbar den Spielbetrieb der Lizenzligen berühren. Im Hinblick auf die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB ist damit festzuhalten, daß der EuGH VOn einer grundsätzlich uneingeschränkten Einwirkung des Gemeinschaftsrechts ausgeht. Eine Ausnahme aus sportspezifischen Gründen wird allein bei der Aufstellung der Nationalmannschaften zugelassen. d) Zusammenfassung der sportbezogenen Rechtsprechung des EuGH

Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf den Bereich des (Fußball)sports begründet der EuGH wie folgt: - Eine generelle Bereichsausnahme für den Sport existiert nicht. Auch sportliche Betätigungen sind an dem Gemeinschaftsrecht zu messen, allerdings nur soweit sie einen Teil des Wirtschaftslebens i. S. v. Art. 2 EGV ausmachen. - Die Tätigkeit eines Fußballprofis oder -halbprofis unterfaIlt dem Gemeinschaftsrecht, da sie als entgeltliche Arbeitsleistung i. S. d. Art. 48 EGV erfolgt und somit einen Teil des Wirtschaftslebens darstellt. - Als Ausnahme zu diesem Grundsatz wird ein "Sportvorbehalt" anerkannt, der von der Beachtung des Gemeinschaftsrechts freistellt. Der Vorbehalt gilt jedoch nur insoweit, als es um die Aufstellung VOn Nationalmannschaften geht. Bei Begegnungen VOn Vereinsmannschaften gilt der "Sportvorbehalt" hingegen nicht. - Die Regeln der privatrechtlich organisierten Sportverbände - und damit auch die Statuten des DFB - sind an dem Gemeinschaftsrecht zu messen. Die Diskriminierungsverbote des Gemeinschaftsrechts entfalten eine "Drittwirkung" im Privatrechtsverkehr. 2. Mögliche Einwände gegen die Rechtsprechung des EuGH Im Laufe der vorangegangenen Ausführungen ist bereits angeklungen, daß die sportbezogene Rechtsprechung des EuGH regelmäßig mit erheblicher Kritik bedacht worden ist. In erster Linie stammte diese Kritik natürlich von den betroffenen Verbänden, die eine Beschränkung ihrer Autonomie befürchteten, doch auch in der Rechtswissenschaft hat man sich intensiv mit möglichen Einwänden gegen die Auffassung des Gerichtshofs befaßt. Daß diese Rechtsauffassung durchaus nicht wenige Angriffspunkte bietet, mag der Um-

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stand verdeutlichen, daß der Generalanwalt Lenz weit mehr als einhundert Seiten benötigte, um dem Gericht einen ausreichend begründeten Schlußantrag im Fall "Bosman" vorlegen zu können. Die wesentlichen Einwände gegen die bestehende Rechtsauffassung des EuGH sollen nachfolgend erörtert werden: a) Zwei/ei an der primär wirtschaftlichen Funktion des Fußballsports

Den sportspezifischen Entscheidungen des EuGH lag stets die Prämisse zugrunde, daß die Ausübung des Sports insoweit unter den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, als sie zum Wirtschaftsleben im Sinne von Art. 2 EGV gehört. 29 Unterstellt man die Richtigkeit dieser Annahme, so ist zu diskutieren, inwieweit die Tätigkeit des Lizenzspielers tatsächlich uneingeschränkt dem Wirtschaftsleben zuzurechnen ist. Zuvor allerdings gilt es festzustellen, ob der EuGH überhaupt von einer zutreffenden Prämisse ausgeht, wenn er den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts in der dargestellten Weise begrenzt. Fraglich ist also, ob es unter Berücksichtigung der Ziele und Aufgaben der Gemeinschaft zulässig ist, den Anwendungsbereich des EG-Vertrages auf wirtschaftliche Betätigungen zu beschränken. aa) Die Kritik an der Prämisse des EuGH Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Problematik findet sich bei Klose. 30 Er bestreitet die Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung und gelangt zu dem Ergebnis, daß der Sport auch dann an dem Gemeinschaftsrecht gemessen werden müsse, wenn er eine primär soziale Funktion erfüllt. 3! Zur Begründung verweist er insbesondere auf die in der Präambel und an anderen Stellen des EG-Vertrages (Art. 117 fi) genannten sozialpolitischen Ziele der Gemeinschaft. Zudem meint Klose nachgewiesen zu haben, daß sich der EuGH mit seinen sportbezogenen Urteilen "in wesentlichen Widerspruch" zu seiner eigenen ständigen Rechtsprechung gesetzt habe, nach der regelmäßig auch nichtwirtschaftliche Betätigungen vom Anwendungsbereich des Vertrages erfaßt seien. 32 Dies ergebe sich z.B. aus dem Urteil RS 13/72 "Nie29 Vgl. zuletzt Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-17, Rn. 73. 30 Klose, S. 90 ff. 31 Klose, S. 109. 32 Klose S. 103.

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derlandelKommission"33, in dem der Gerichtshof ausführte, daß auch unentgeltliche Geschäfte vom EG-Recht erfaßt werden können, oder aus der Entscheidung in RS 9/74 "CasagrandelLandeshauptstadt München"34, in der der Gerichtshof einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht annahm, obwohl der Fall primär den Bereich der Bildungspolitik tangierte. Hätte der EuGH bei seinen sportbezogenen Urteilen tatsächlich die Absicht gehabt, eine allgemeingültige Begrenzung der Gemeinschaftskompetenzen zu statuieren, so wäre Klose uneingeschränkt zuzustimmen, denn auf keinen Fall läßt sich das Gemeinschaftsrecht ausschließlich auf den Bereich der Wirtschaft verweisen. 35 Eine dahingehende Bewertung der umstrittenen Aussagen ist allerdings keinesfalls zwingend. Zumindest ebenso naheliegend erscheint die Deutung, daß der Gerichtshof den Sport nur deshalb aus allein wirtschaftlicher Sicht behandelt hat, weil es in den zu entscheidenden Fällen um die Anwendbarkeit der Regeln über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und den freien Dienstleistungsverkehr ging. 36 Da es in Ansehung dieser Thematik überhaupt nicht darauf ankommt, ob der Sport auch dann an dem Gemeinschaftsrecht zu messen ist, wenn er lediglich eine soziale Funktion erfüllt, kann dem EuGH nicht unterstellt werden, daß er die sozialen Belange grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich der Verträge ausklammern wollte. Dieses Ergebnis wird im übrigen auch durch den Wortlaut der Urteile "Domi" und "Bosman" gestützt, denn hier hieß es zwar, daß der Sport dem Gemeinschaftsrecht unterfalle, wenn er ein Teil des Wirtschaftslebens sei, der Gerichtshof sprach aber nicht davon, daß dies "nur" unter dieser Voraussetzung der Fall sein könne. Wenn man die Bezugnahme auf das "Wirtschaftsleben" damit also nicht als Abgrenzung gegenüber der sozialen Funktion des Sports versteht, dann bleibt die Frage, warum der Gerichtshof überhaupt auf dieses Tatbestandsmerkmal abstellt. Schließlich hätte es doch ausgereicht, die Lizenzspielertätigkeit schlicht unter den Arbeitnehmerbegriff des Art. 48 EGV zu subsumieren. Eine Antwort auf diese Frage gibt die Formulierung, die der EuGH verwandt hat, um die Ausnahme von dem erwähnten Grundsatz zu begründen. Dort hieß es, ein Ausschluß von Ausländern sei zulässig, sobald dieser Ausschluß aus "nichtwirtschaftlichen Gründen" erfolge und "deshalb ausschließlich den Sport als solchen" betreffe. 37 Wie zu erkennen ist, macht der EuGH damit 33 EuGHE 72, 27 (41) - RS 13/72 ,,NiederlandeIKommission".

EuGHE 74, 773 (778) - RS 9/74 "CasagrandelLandeshauptstadt MÜIlchen". EuGHE 43/75 - 1976455 (473) ,,Defrenne/Sabena"; EuGHE 66/85 - 1986,2143 (2145) ,,Lawrie-BlumlLand Baden-Würtetemberg"; Zuleeg in: Handbuch des Europäischen Rechts, Art. 2 Rn 2; Steindo1.f, NJW 1982, 1902 (1904). 36 Vgl. zu dieser Deutung Zuleeg in: Handbuch des Europäischen Rechts, Art. 2 Rn. 2. 37 EuGHE 1976, 1333 (1340). 34

3S

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keinen Unterschied zwischen "rein sportlichen" Sachverhalten und solchen, die er als "nichtwirtschaftlich" bezeichnet. Im Umkehrschluß muß daher davon ausgegangen werden, daß er eine "rein sportliche Betätigung" nicht dem "Wirtschaftsleben" zurechnet. Dies ist die Abgrenzung, die der Gerichtshof vornimmt: "Rein sportliche Sachverhalte" auf der einen Seite, "dem Wirtschaftsleben zugehörige" auf der anderen. Der Gerichtshof verwendet das Tatbestandsmerkmal des "Wirtschaftslebens" demnach also nicht nur dazu, um den Leistungssport gegenüber dem Freizeitsport abzugrenzen, denn dafür kommt es allein auf die Auslegung des Art. 48 EGV an, sondern vor allem auch dazu, um den verbleibenden Freiraum unreglementierter Sportausübung zu definieren und einzugrenzen. Man mag sich darüber streiten, ob der EuGH mit dem Begriff des "Wirtschaftslebens" ein treffendes Abgrenzungskriterium gefunden hat. 38 Unstreitig dürfte allerdings sein, daß eine Abgrenzung zwischen sportspezifischen und sonstigen Sachverhalten unbedingt notwendig ist, denn kaum jemand wird bezweifeln, daß etwa die Festlegung der Spieldauer eines Fußballspiels ausschließlich den Sportverbänden überlassen bleiben muß. Eine diesbezügliche Regelungskompetenz der Gemeinschaftsorgane verbietet bereits das Grundrecht der Verbandsautonomie. Die UEFA hat gegen diese Unterscheidung geltend gemacht, es sei äußerst schwierig, die wirtschaftlichen Aspekte von den sportlichen Aspekten des Fußballs zu trennen. 39 Dies ist in der Tat der Fall, wenn man z.B. bedenkt, daß Begegnungen zwischen Nationalmannschaften als rein sportlich bewertet werden, die internationalen Vergleichswettkämpfe von Vereinsmannschaften hingegen als dem Wirtschaftsleben zugehörig. Dennoch soll hier an der Unterscheidung des Gerichtshofs festgehalten werden, denn die Schwierigkeiten bei der Anwendung eines Abgrenzungskriteriums dürfen nicht dazu führen, die Abgrenzung als solche in Frage zu stellen. Als Alternative bliebe im übrigen nur die Möglichkeit, vollkommen auf einen Sportvorbehalt zu verzichten. Dies wäre sicherlich nicht im Sinne der UEFA. Ergänzend sei noch darauf verwiesen, daß die dargestellte Prämisse nach der hier vertretenen Auslegung durchaus im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs und den Zielvorgaben des Gemeinschaftsrechts steht. Einschränkend bleibt allein festzustellen, daß es nie Sachverhalte geben wird, die "ausschließlich" den Sport betreffen, wie es der EuGH formuliert. 4o Wenn hier also weiterhin von "rein sportlichen Betätigungen" die Rede sein 38 Kritisch hierzu Steindorff, NJW 1982, 1902 ff., der allein auf die Entgeltlichkeit einer Tätigkeit abstellen will. Zustimmend Hilf, NJW 1984, 517 (520), Fn. 18. 39 Vgl. Urteil des EuGH vom 15.l2.l995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-17, Rn. 71. 40 EuGHE 1976, 1333 (1340), Rn. 14/16.

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wird, dann sind damit Betätigungen gemeint, bei denen der wirtschaftliche Aspekt weitestgehend hinter der sportlichen Motivation zurücktritt. Erforderlich ist also ein eindeutiges Übergewicht sportlicher Motive. Von diesem unwesentlich modifizierten Maßstab ist auszugehen, wenn nachfolgend die Einwände untersucht werden, die gegen die Subsumtion des EuGH vorgebracht worden sind. bb) Die Kritik an der Subsumtion des EuGH Nachdem soeben die Zulässigkeit der Prämisse des EuGH festgestellt worden ist, kommt es nun konkret darauf an, inwieweit sich die Tätigkeit des Lizenzspielers tatsächlich als eine dem "Wirtschaftsleben" zugehörige Betätigung darstellt. Im Hinblick auf diese Fragestellung geht es zunächst darum, ob der Lizenzspieler überhaupt am Wirtschaftsleben teilnimmt. Der Gerichtshof bejaht diese Frage mit dem Hinweis darauf, daß die Betätigung des Spielers entgeltlich erfolgt. 41 Angesichts der erheblichen Verdienstmöglichkeiten im Lizenzfußball ist dieser Auffassung des EuGH uneingeschränkt zuzustimmen, so daß sich der Lizenzspieler grundSätzlich auf den Schutz des Gemeinschaftsrechts berufen kann. Weiter ist allerdings fraglich, wo die Grenze zu der ausnahmsweise rein sportlichen Betätigung verläuft, also zu dem Bereich, der nicht mehr an dem Gemeinschaftsrecht zu messen ist. Soweit diese Problematik in der juristischen Literatur behandelt worden ist, ist man regelmäßig nur der Frage nachgegangen, ob "der Sport insgesamt" als wirtschaftliche Angelegenheit anzusehen ist. 42 Nach der hier vertretenen Auffassung trifft diese Fragestellung allerdings nicht den Kern des Problems. Zwar läßt sich auf diesem Wege ermitteln, ob Z.B. die Zahlung von Transferentschädigungen dem Wirtschaftsleben zuzurechnen ist, es bleibt jedoch unklar, ob auch die eigentliche Teilnahme am Spielgeschehen auf dem Fußballplatz an dem Gemeinschaftsrecht zu messen ist. Zur Verdeutlichung: Soweit in den Fällen "Dom!" und "Bosman" nach der Zulässigkeit von Ausländerklauseln gefragt war, ging es um einen Aspekt, der nicht nur die organisatorischen Randbereiche der Lizenzspielertätigkeit berührte, sondern unmittelbar die Frage, wie sich eine Fußballmannschaft auf dem Platz zusammensetzt. Es ging mithin direkt um die Teilnahme am eigentlichen Spielgeschehen selbst. 43 Diese Unterscheidung Vgl. EuGHE 1976, 1333 (1340), Rn. 12/13. So z.B. Klose, S. 86. 43 Vgl. dazu auch Scholz zitiert in: Die Welt Nr. 13-3 vom 16.01.1996, S. 22, auf dessen Ansicht im ,,Besonderen Teil" der Arbeit noch eingegangen wird. 41

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darf nicht verkannt werden, denn in diesem Bereich sind tatsächlich Zweifel angebracht, ob von einer primär wirtschaftlichen Betätigung gesprochen werden kann. Nach der Rechtsansicht des EuGH ist der verbleibende Bereich rein sportlicher Betätigungen auf ein Minimum begrenzt, denn wie bereits dargestellt worden ist, beschränkt der Gerichtshof seinen Sportvorbehalt auf Begegnungen zwischen Nationalmannschaften. Nur diese Begegnungen werden als rein sportliche motivierte Angelegenheiten anerkannt. Das Spielgeschehen der Lizenzligen unterwirft er dagegen uneingeschränkt dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrecht, woraus gefolgert werden muß, daß der Gerichtshof die Teilnahme an den Wettbewerben der nationalen Lizenzligen als wirtschaftliche Betätigung begreift. 44 (1) Teilnahme am Spie/betrieb der Vereinsligen

als wirtschaftliche Betätigung?

Zur Überprüfung dieser These gilt es zunächst festzustellen, ob sich der Spielbetrieb der Lizenzligen tatsächlich als vornehmlich wirtschaftliche Einrichtung darstellt. Welches also ist die Motivation, aus der heraus Spieler und Vereine am Spielbetrieb des Proflfußballs teilnehmen? Ist es tatsächlich schon eine nostalgische Ansicht, wenn man meint, die Teilnahme am Spielgeschehen der Lizenzligen sei durch die Freude am gemeinsamen Wettkampf motiviert? Gegen diese Betrachtungsweise - und damit für die These des EuGH spricht natürlich schon der Umstand, daß der Lizenzspieler das Fußballspiel als Beruf betreibt. Dennoch ist zweifelhaft, ob der berufliche Aspekt auch in dem Moment überwiegt, wenn der Spieler auf dem Fußballplatz selbst agiert, denn überspitzt formuliert hieße das, daß sich auch der Torschuß des Spieler als eine vornehmlich wirtschaftliche Betätigung darstellt, die nur in zweiter Linie auf den rein sportlichen Erfolg abzielt. Wenn es nun darum geht, welche Ziele der Spieler verfolgt, wenn er am Spielgeschehen teilnimmt, gilt es zu berücksichtigen, daß die sportliche Betätigung niemals isoliert betrachtet werden kann. 45 Eine derartige Betrachtungsweise verbietet sich schon deshalb, weil sich der Marktwert eines Spielers hauptsächlich nach dessen Erfolgen auf dem Fußballplatz bestimmt. Jeder sportliche Erfolg oder Mißerfolg zieht auch zwingend eine wirtschaftliche Auswirkung nach sich. Noch deutlicher wird diese unmittelbare Verbindung 44 Vgl. dazu Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-26, Rn. 127 f1 45 Ähnlich Hilf, NJW 1984, 517 (520).

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angesichts einer Entwicklung, die dahin geht, die Spieler immer mehr für ihre tatsächlich erbrachten Leistungen zu bezahlen. Die Grundgehälter der Spieler werden herabgesetzt, während die Sportler im Gegenzug höhere Punkt- und Auflaufprämien erhalten. Der Spieler ist mithin elementar auf den sportlichen Erfolg angewiesen, um wirtschaftlich bestehen zu können. Es wäre daher eine kaum haltbare Fiktion, wenn man hier zwischen sportlicher und wirtschaftlicher Betätigung trennen wollte. Im Ergebnis kann dies nur bedeuten, daß die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts nicht schon von vornherein ausgeschlossen ist, denn ein eindeutiges Übergewicht sportlicher Motive läßt sich jedenfalls nicht feststellen. Abschließend noch ein kurzes Wort zu möglichen Einwänden gegen diese Einschätzung: Kritiker aus dem Lager der betroffenen Verbände werden fordern, zumindest das eigentliche Spielgeschehen auf Fußballplatz müsse ein letzter Hort wirtschaftsfreier und damit unreglementierter Sportausübung verbleiben. Solange aber die Vertreter der Verbände selbst darüber nachdenken, die Tore zu vergrößern, um den Fußball mediengerechter zu gestalten, oder Spielunterbrechungen einzuführen, um Platz für Werbeunterbrechungen zu schaffen, berauben sie sich ihrer eigenen Argumente und tragen selber dazu bei, die Grenze zwischen Sport und Wirtschaft vollends zu verwischen. Als Fazit läßt sich damit folgendes festhalten: Soweit Art. 48 EGV Aussagen enthält, die im Bereich des Fußballsports einschlägig sind, ist seine Anwendbarkeit selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn sie zu Eingriffen in den eigentlich Spielbetrieb der Vereinsligen führt. Ein Sportvorbehalt besteht insoweit also nicht. Davon unberührt bleibt die Frage, ob sich Beschränkungen der Freizügigkeit im Einzelfall rechtfertigen lassen, soweit die beschränkenden Regelungen dem Schutz sportlicher Interessen dienen. Dies wird im "Besonderen Teil" der Arbeit zu diskutieren sein. (2) Exkurs: Teilnahme an Begegnungen der Nationalmannschaften als nichtwirtschaftliche Betätigung?

Abschließend gilt es festzustellen, ob dem EuGH auch insoweit zu folgen ist, als er bei der Aufstellung von Nationalmannschaften einen begrenzten Sportvorbehalt annimmt. Während sich der einzelne Spieler also uneingeschränkt auf das Gemeinschaftsrecht berufen kann, solange er fiir einen Verein der Lizenzligen tätig wird, soll ihm dagegen die Berufung auf das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verwehrt sein, sobald er als ausländischer Spieler die Mitwirkung in der Nationalmannschaft eines anderen Landes anstrebt. Zur Verdeutlichung der Tragweite dieser Problematik sei angemerkt, daß es etwa eine "Deutsche Nationalmannschaft" in der bisher bekannten Form nur solange geben kann, wie diese Rechtsansicht des Ge-

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richtshofs Bestand hat, denn anderenfalls müßten z.B. auch Spieler aus Italien, Spanien oder Dänemark in dieser Mannschaft berücksichtigt werden. Da unter diesen Voraussetzungen der spezielle Reiz der Länderspielbegegnungen auf europäischer Ebene verloren ginge, ist zu vermuten, daß eine derartige Entwicklung zum Ende der Nationalmannschaften in Europa führen würde. Eine einheitliche "Europamannschaft" wäre die wohl logische Konsequenz. Aus sportpolitischer Sicht mag man sich darüber streiten, ob eine derartige Entwicklung wünschenswert erscheint, entscheidend bleibt aber immer noch, ob und wie sich die Auffassung des EuGH rechtsdogmatisch begründen läßt. Der Gerichtshof selbst hat darauf verzichtet, seine Rechtsauffassung umfassend zu begründen. Er verweist lediglich auf den "besonderen Charakter und Rahmen dieser Begegnungen" und meint damit belegen zu können, daß der Ausschluß ausländischer Spieler aus "nichtwirtschaftlichen Gründen" erfolge. 46 Diese These gilt es zu überprüfen: Man wird dem EuGH zustimmen müssen, wenn er von dem "besonderen Charakter" der Begegnungen zwischen Nationalmannschaften spricht, denn bei diesen Begegnungen stehen sich sogenannte Repräsentationsmannschaften gegenüber. Die besondere Aufgabe der Nationalmannschaften ist es also, ihr Land im sportlichen Wettkampf zu vertreten. Als Beleg für diese Repräsentationsfunktion sei nur darauf verwiesen, daß vor den Begegnungen dieser Mannschaften die Nationalhymnen der beteiligten Staaten abgespielt werden, und auch die regelmäßige Anwesenheit der europäischen Staatsoberhäupter bei Welt- und Europameisterschaften verdeutlicht, welche Funktion diesen Begegnungen zugeschrieben wird. Hinzu kommt, daß die jeweiligen Nationalmannschaften regelmäßig aus den stärksten Spielern eines Landes zusammengesetzt werden, so daß sich deren Begegnungen ganz besonders als sportliche Vergleichswettkämpfe eignen, deren Ergebnisse gerne herangezogen werden, um die Stärke einer "Fußballnation" zu belegen. Der "besondere Charakter" der Nationalmannschaftsbegegnungen ist demnach unverkennbar. Lebensfremd ist dagegen die Schlußfolgerung, die der EuGH aus diesem Umstand gezogen hat, denn in der heutigen Zeit kann kaum noch übersehen werden, daß die Wettkämpfe der Nationalmannschaften durchaus auch dem Wirtschaftsleben zuzurechnen sind. 47 Für diese These sprechen nicht nur die Rahmenbedingungen der Länderwettkämpfe, man denke nur an die umfassende Vermarktung der letzten Fußballweltmeisterschaft in den USA, sondern vor allem auch der Umstand, daß sich ein Einsatz in der Nationalmannschaft unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation der Spieler auswirkt, denn zum einen erhalten die Spieler Antrittsgelder und EuGHE 1976, 1333 (1340), Rn. 14/16. So auch Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93, S.1-55, Ziff. 139; Klose, S. 157. 46

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Siegprämien, die kaum noch als bloße Aufwandsentschädigungen abgetan werden können, und zum anderen steigert sich der Marktwert eines Spielers mit jeder Berufung in die Nationalmannschaft erheblich. 48 Soweit der EuGH die Begegnungen der Nationalmannschaften also als Sachverhalte begreift, die "ausschließlich den Sport als solchen betreffen", kann ihm nicht gefolgt werden. Da jedoch kaum jemand die Existenzberechtigung der Nationalmannschaften bezweifelt, hat man in der Literatur andere Wege gesucht, um die angestrebte Bereichsausnahme zu begründen. Generalanwalt Warner, der die Schlußanträge zum Fall "Walrave und Koch" erstellt hat, stützt seine diesbezügliche Ansicht auf den sogenannten "Test des interessierten Dritten". Um zu ermitteln, ob ein bestimmter Punkt Vertragsinhalt geworden sei, habe man sich einen am Verhandlungstisch sitzenden interessierten Dritten vorzustellen, der die Unterzeichner des EGVertrages fragt, ob das Diskriminierungsverbot auch für die Bildung von Nationalmannschaften gelten solle. Nach Ansicht Warners hätten die Unterzeichnenden dem Dritten ungeduldig geantwortet: "Natürlich nicht", so daß offensichtlich von einer Bereichsausnahme für Nationalmannschaften auszugehen sei. 49 Zweifellos erscheint Warners "Test" - der im übrigen nicht mehr beinhaltet, als die Frage nach dem mutmaßlichen Willen der Vertragsväter auf den ersten Blick sehr einleuchtend. Die Schwäche dieser Argumentation wird allerdings deutlich, wenn man das dargestellte Gedankenspiel weiterspielt und die Frage anschließt: "Warum denn nicht?" Warum soll es so offensichtlich sein, daß für Nationalmannschaften eine Bereichsausnahme gilt? Die Antwort auf diese Frage bleibt Warner schuldig, denn er begnügt sich schlicht damit, den Unterzeichnern des Vertrages einen entsprechenden Willen zu unterstellen. Kaum besser begründet ist die Ansicht von Plouvin5o, der allein auf die "Natur" der Wettkämpfe zwischen Nationalmannschaften verweist. Daß diesen Wettkämpfen tatsächlich eine besondere Natur zu eigen ist, ist bereits dargelegt worden. Unbeantwortet ist jedoch geblieben, inwieweit dieser Umstand herangezogen werden kann, um eine Bereichsausnahme von dem Gemeinschaftsrecht zu rechtfertigen. Denkbar wäre es, in folgender Weise zu argumentieren: Wie gezeigt, liegt die besondere Natur der Nationalmannschaften gerade darin, daß sich diese Mannschaften ausschließlich aus den Staatsangehörigen nur eines Mitgliedsstaates zusammensetzen. Nur so können die Nationalmannschaften ihre Funktion als Repräsentationsmannschaften erfüllen. Wollte man also auch ausKlose, S. 157. Vgl. zu alledem Generalanwalt Wamer, Schlußanträge zur Rechtssache 36/74 "Walrave und Koch", EuGHE 74, 1405 (1427). 50 Plouvin, RMC 1978,516 (525). 48

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ländische Spieler zu diesen Mannschaften zulassen, so ginge zwangsläufig deren Repräsentationsfunktion verloren. Die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts würde also zum unweigerlichen Ende der nationalen Repräsentationsmannschaften führen. Genau dies kann aber nicht der Sinn der Freizügigkeitsvorschriften sein. Deren Sinn ist es zwar, den Zugang zu bestimmten Einrichtungen zu ermöglichen, deren Sinn ist es aber gerade nicht, eben diese Einrichtungen als solche abzuschaffen. Anderenfalls würde man die freiheitsschützende Funktion der Freizügigkeitsvorschriften in ihr Gegenteil verkehren, und ein "Minus" an Betätigungsfreiheit wäre die Folge. Soweit gegen diese Argumentation vorgebracht werden sollte, die Einrichtung der Nationalmannschaften sei eine "Bastion des Nationalismus"sl, die abgeschafft werden müsse, um die europäische Integration voranzutreiben, sei folgendes erwidert: Kaum ein anderes Ereignis bringt regelmäßig so viele Bürger Europas zusammen wie die alle vier Jahre stattfindende Fußballeuropameisterschaft. Insofern ist gerade die Beibehaltung der Nationalmannschaften ein Garant für das Verständnis zwischen den Kulturen und das Zusammenwachsen der Völker Europas. Im übrigen sei darauf verwiesen, daß Auswahlmannschaften verschiedener Länder auch in der engsten Föderation durchaus ihren Platz behalten können, denn wie sonst ließe es sich erklären, daß sich in der Bundesrepublik Deutschland noch niemand gegen den Fortbestand der Landesauswahlmannschaften gewehrt hat. Nach alledem erscheint es also möglich, die Bereichsausnahme für Nationalmannschaften durch teleologische Erwägungen zu rechtfertigen. Da sich aber auch der Verfasser durchaus bewußt ist, welche Gefahren gemeinhin damit verbunden sind, allein auf die "Natur der Sache" abzustellen, um eine Ausnahme von dem Gemeinschaftsrecht zu begründen52 , soll nachfolgend noch ein zweiter BegfÜßdungsansatz verfolgt werden, der sich näher an der Argumentation des EuGH orientiert. Der EuGH stellte darauf ab, ob die Begegnungen zwischen Nationalmannschaften ausschließlich sportlich motiviert sind. Entgegen der Auffassung des Gerichtshofs mußte diese Frage verneint werden, da die wirtschaftlichen Aspekte auch in diesem Bereich inzwischen unverkennbar sind. In dieser Arbeit wird jedoch von einer modifizierten Prämisse ausgegangen, denn wie gezeigt, muß es nach der hier vertretenen Ansicht bereits ausreichen, wenn die sportlichen Motive gegenüber den wirtschaftlichen Aspekten deutlich überwiegen. Ob wenigstens dies der Fall ist, ist bisher noch nicht geklärt worden. Soweit diese Frage in der Literatur behandelt worden ist, hat man sich - wenn auch mit Bedenken - für ein Übergewicht der sportlichen Aspekte aus ge51 So die Fonnulierung bei Delannay, CDE 1976, 204 (213 fl), der sich im Ergebnis allerdings auch für die Beibehaltung der Nationalmannschaften ausspricht. 52 Vgl. dazu Klose, S. 159.

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sprochen. 53 Daß dieser Sichtweise auch heute noch zuzustimmen ist, sollen die nachfolgenden Ausführungen belegen: Zunächst gilt es festzuhalten, daß sich die Spieler kaum von den erweiterten Verdienstmöglichkeiten leiten lassen werden, wenn sie sich um eine Berücksichtigung in der Nationalmannschaft bemühen. Dagegen spricht bereits der Umstand, daß diejenigen Spieler, die das erforderliche Leistungsniveau erreichen, in ihren Vereinen ohnehin außerordentlich hoch entlohnt werden. Die Bezahlung, die der DFB rur die Teilnahme an den Länderspielen bieten kann, muß dagegen zwangsläufig verblassen. Zudem finden die Begegnungen der Nationalmannschaften nur vergleichsweise selten statt, so daß allein schon deshalb die Verdienstmöglichkeiten begrenzt sind. Ohnehin wären die Spieler schlecht beraten, wenn sie sich in finanzieller Hinsicht auf eine stetige Berücksichtigung in der Nationalmannschaft verlassen würden, denn selbst rur die sog. Stammspieler gibt es keine Garantie, auch bei zukünftigen Begegnung aufgestellt zu werden. Die Nationalmannschaftskarriere eines Spielers kann von einem Tag auf den anderen beendet sein, ohne daß der Spieler einen Anspruch auf eine Abfindung oder Lohnfortzahlungen hätte. Der finanzielle Anreiz, in die Nationalmannschaft berufen zu werden, ist somit weitgehend reduziert. Anders sieht es hingegen aus, wenn man nach dem sportlichen Wert einer ,.Berufung" in die Nationalmannschaft fragt. Schon die Wahl dieser gemeinhin verwandten Formulierung macht deutlich, daß es eine sportliche Ehre rur den Spieler sein soll, in den Kreis der Nationalspieler aufgenommen zu werden. Befragt man dazu die Spieler, so findet man diese Erwartung bestätigt. Auch heute noch empfinden es die meisten Spieler als Ehre, zumindest aber als sportliche Auszeichnung, in der Auswahlmannschaft ihres Landes spielen zu dürfen. Die Berufung zum Nationalspieler stellt fiir jeden Fußballer gewissermaßen die Krönung seiner sportlichen Karriere dar. Als Beleg rur die auch praktische Umsetzung dieses Ehrgedankens sei auf das Phänomen des "Rücktritts aus der Nationalmannschaft" verwiesen. Immer wieder erklären einzelne Spieler ihren "Rücktritt", sobald sie sich sportlich übergangen fiihlen. In einem derartigen Fall verzichten die Spieler also freiwillig auf mögliche Mehreinnahmen, nur weil sie sportlich enttäuscht worden sind. Ganz offensichtlich wird hier die sportliche Genugtuung höher bewertet als der wirtschaftliche Verlust. Nach alledem erscheint es noch vertretbar, von einem Übergewicht sportlicher Aspekte zu sprechen, und wenn die Unterscheidung des EuGH überhaupt noch eine praktische Bedeutung haben soll, dann ist daraus zu folgern, daß zumindest rur die Aufstellung der Nationalmannschaften eine begrenzte 53 Vgl. da:m Hilf, NJW 1984, 517 (521): "Sicherlich überwiegen ... noch die sportlichen Gesichtspunkte"; Klose, S. 158 f: " ... nur noch eine Frage der Zeit".

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Bereichsausnahme zu gelten hat. Es bleibt damit festzuhalten: Die Bildung der Nationalmannschaften ist nicht an dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot zu messen. Die nachfolgenden Ausfiihrungen betreffen damit allein den Bereich des Vereinsfußballs. b) Zweifel an der Arbeitnehmereigenschaft der Lizenzspieler

Während der EuGH noch im Fall "Domi" offen gelassen hat, ob die Lizenzspieler als Arbeitnehmer i. S. d. Art. 48 EGVoder als Dienstleistende i. S. d. Art. 59 EGV zu charakterisieren sind,54 hat sich der Gerichtshof nunmehr auf die Anwendbarkeit der Freizügigkeitsvorschriften festgelegt. 55 Der Gerichtshof betrachtet den Lizenzspieler also als "Arbeitnehmer" i. S. d. Art. 48 EGY. In der juristischen Literatur56 ist diese Sichtweise nahezu unbestritten. Anders hingegen in der sportrechtlichen Praxis. Dort hat der Präsident des Bundesligisten Borussia Dortmund, Dr. Gerd Niebaum57 , eine Initiative gegen diese Betrachtungsweise angeregt: Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs58 besteht das wesentliche Merkmal der Arbeitnehmereigenschaft darin, daß jemand fiir einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, fUr die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Die Freizügigkeitsvorschriften erfassen damit alle unselbständigen Tätigkeiten, während die Regeln über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit fiir alle selbständigen Erwerbstätigen gelten. Diese Unterscheidung nimmt Niebaum zum Anlaß, die Arbeitnehmereigenschaft des Lizenzspielers in Frage zu stellen. Er bezweifelt, daß der Lizenzspieler tatsächlich eine unselbständige Arbeitsleistung erbringt und schlägt vor, die Arbeitsverträge der Spieler in sog. "Kooperationsverträge,,59 umzuwidmen. Zur Begründung fUhrt er folgendes aus: "Der moderne Fußballprofi bezieht teilweise eine siebenstellige Gage, die er sich gelegentlich noch garantieren läßt. Er ist in den Betriebsablauf seines Arbeitgebers, abgesehen von der Teilnahme am Mannschaftstraining und den Spielen mit ihrer VorVgl. dazu EuGEffi 1976, 1333 (1336). Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-17, Rn. 69 tT. 56 Vgl. dazu Hilf, NJW 1984, 517 (519); Schweitzer/Streinz JA 1986,244 (247); Klose, S. 111; PalmeIHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, Schlußanträge von Generalanwalt Lenz, Rechtssache C - 415/93 ,,Bosman", S. I-52, ZitT. 134; Schweitzer, Die Freizügigkeit des Berufssportlers in der Europäischen Gemeinschaft, in: Die Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, herausgegeben von Reuter 1987 S. 71 (75). 57 Dr. Niebaum ist promovierter Jurist. 58 EuGHE 1986,2121 tT. - RS 66/85 ,,Lawrie-Blum". 59 Niebaum in Kicker vom 22.01.1996, S.17. 54 55

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bereitung, kaum noch eingebunden, er nimmt in eigener Verantwortung am Marktgeschehen teil, indem er eigene Ausrüsterverträge abschließt, Werbeveranstaltungen in eigener Sache organisiert (Autogrammstunden) und einer Vielzahl von nicht abgestimmten Nebentätigkeiten nachgeht. Er organisiert sich wie ein Unternehmer, indem er teilweise Beraterstäbe unterhält und nimmt auch in seiner Öffentlichkeitsarbeit selbstbewußt Freiräume in Anspruch, die es in der gesamten Arbeitswelt sonst nicht gibt.,,6Q Der Ansicht Niebaums ist zuzugeben, daß sich das Bild des abhängigen Fußballprofis in den letzten Jahrzehnten tatsächlich stark gewandelt hat. Auch ist nicht zu bestreiten, daß die verschiedenen Nebentätigkeiten einiger Spieler erhebliche Parallelen zu der Betätigung eines Unternehmers erkennen lassen. Aber dennoch ginge es wohl zu weit, den Berufsfußballern insgesamt die Arbeitnehmereigenschaft abzusprechen. Zunächst gilt es nämlich zu bedenken, daß nur wenige Spieler in der von Niebaum beschriebenen Form tätig werden. Im Gegensatz etwa zu dem Nationalspieler Sammer, der es sich bezahlen läßt, in Schuhen der Marke Addidas aufzulaufen, ist es dem Durchschnittsspieler schon faktisch nicht möglich, derartige Ausrüsterverträge zu schließen, da sich das Interesse potentieller Werbepartner allein auf einige wenige Spitzenspieler konzentriert. Ein Durchschnittsspieler wird zudem auch kaum in der Lage sein, einen eigenen Beraterstab zu unterhalten, und schließlich wird es sich :fiir die weniger bekannten Spieler nur selten lohnen, Eigenvermarktung durch die Veranstaltung von Autogrammstunden zu betreiben. Hinzu kommt, daß die OOentlichkeitsauftritte der Spieler nicht immer nur in eigener Sache erfolgen, wie es den Anschein haben mag, sondern regelmäßig auch dazu dienen, den arbeitgebenden Verein zu repräsentieren. Verwiesen sei nur auf § 2 lit. e) des Musterarbeitsvertrages, durch den der Spieler dazu verpflichtet wird, an allen "Darstellungen des Vereins oder der Spieler zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit für den Verein, insbesondere in Fernsehen, Hörfunk und Presse teilzunehmen bzw. daran mitzuwirken Bei diesen Veranstaltungen ist die vom Verein gestellte Sportkleidung [... ] entsprechend der jeweiligen Weisung des Vereins zu tragen." Weiter darf nicht vergessen werden, daß die genannten Nebenbetätigungen der Spieler - egal in welchem Umfang sie betrieben werden - nur einen Teil des Fußballerberufs ausmachen. Den anderen Teil bildet immer noch die eigentliche Teilnahme am Trainings- und Spielbetrieb, und diese erfolgt zwingend unselbständig, da der Fußballsport ohne die Unterordnung des Spielers unter die Weisungsbefugnis des Trainers nicht denkbar ist. Zwar wendet Niebaum61 ein, die Unterordnung des Spielers sei in Wahrheit eine Konsequenz des Mannschaftssports, der immer ein bestimmtes Maß an Disziplin voraus60 61

Niebaum in Kicker vom 22.01.1996, S.17. Niebaum in Kicker vom 22.01.1996, S.17 (36).

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setze, doch kann dieses Argument nicht überzeugen, da es auf den Grund für die Weisungsgebundenheit des Spielers nicht ankommt. Geht man also davon aus, daß der Beruf des Lizenzspielers tatsächlich in einen selbständigen und einen unselbständigen Teil unterfällt, so bleibt nur die Möglichkeit, auf den Schwerpunkt der Betätigung abzustellen. Dabei ist festzustellen, daß der Lizenzspieler den größten Teil seiner Arbeitskraft auf die Teilnahme am Spielund Trainingsbetrieb zu verwenden hat. Neben dem täglichen Training absolvieren die Spieler erfolgreicher Mannschaften nicht selten mehr als 60 Spiele im Jahr. Eine derartige Beanspruchung macht es den Spielern schon in zeitlicher Hinsicht unmöglich, die Vermarktung der eigenen Person zum Schwerpunkt ihrer Betätigung zu erheben. In diesem Zusammenhang gilt es weiter zu berücksichtigen, daß die Weisungsgebundenheit des Spielers nicht erst mit dem Anpfiff zum Spiel beginnt. Bei Auswärtsfahrten etwa ist der Spieler regelmäßig ein ganzes Wochenende in den vorgegebenen Organisationsablauf des arbeitgebenden Verein eingebunden. Dabei steht es ihm weder frei, seine Anreise selbständig zu organisieren, noch kann er sein Hotel selbständig auswählen und häufig wird ihm sogar vorgegeben, welche Mahlzeiten er vor dem Spiel einzunehmen hat. Offensichtlich läßt sich dieses Maß der Abhängigkeit nur schwerlich mit dem Bild des eigenverantwortlichen Unternehmers vereinbaren. Nach alledem kann festgestellt werden, daß der Lizenzspieler bisher noch nicht jene umfassende Eigenverantwortlichkeit besitzt, die Niebaum ihm schon heute zusprechen möchte. Insofern ist dem EuGH zuzustimmen, wenn er den Lizenzspieler als Arbeitnehmer i.S.d. Art. 48 EGV betrachtet. Sollten die Spieler allerdings auch weiterhin mit dem bisherigen Erfolg daran arbeiten, den Ausbau ihrer Selbständigkeit voranzutreiben, wird es auf lange Sicht unabdingbar sein, dieses Ergebnis erneut in Frage zu stellen. Ob die Lösung jedoch darin liegen kann, den Mannschaftssportler als selbständigen Unternehmer zu behandeln, muß bezweifelt werden.

c) Zwei/ei an der Drittwirkung des Art. 48 EGV Da es sich bei den Statuten des DFB nicht um staatliche Vorschriften, sondern um privatrechtliche Regelungen handelt, müßte Art. 48 EGV auch im Privatrechtsverkehr gelten, um den DFB binden zu können. Daß dies der Fall ist, d.h. daß Art. 48 EGV eine Drittwirkung im Privatrechtsverkehr entfaltet, steht heute nahezu außer Frage. 62 Begründet wird

62 Vgl. EuGHE 1976, 1333 (1341) - RS 13/76 ,,Dona"; Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. I-20, Rn. 86; RandelzhoJer in:

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dieses Ergebnis mit einem Verweis auf die in Art. 2 und 3 EGV statuierten Ziele der Gemeinschaft, zu denen auch die Beseitigung der Hindernisse rur den freien Personenverkehr gehört, denn deren Verwirklichung wäre gefährdet, wenn privatrechtliche Vereinigungen die Möglichkeit hätten, die den Staaten untersagten Beschränkungen beizubehalten. 63 Überdies sprechen auch Wortlaut und Zweck des Art. 48 Abs. 2 EGV, der eine Gleichbehandlung in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen anordnet, fiir dieses Ergebnis, denn in den Mitgliedstaaten, in denen diese Arbeitsbedingungen vornehmlich durch privatrechtlich organisierte Tarifparteien ausgehandelt werden - so in Deutschland -, kann Art. 48 Abs. 2 EGV seine angestrebte Wirkung nur dann entfalten, wenn er tatsächlich auch drittwirkend im Privatrechtsverkehr zur Anwendung kommt. 64 Ein bekanntes Argument gegen diese Auffassung hat sich die UEFA zu eigen gemacht. Sie hat eingewandt, die Annahme einer Drittwirkung fiihre dazu, daß Art. 48 EGV fiir Privatpersonen einschränkender sei als fiir Mitgliedstaaten, da sich nur letztere auf Beschränkungen berufen könnten, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt seien. 65 Dem hält der Gerichtshof allerdings mit Recht entgegen, daß nichts dagegen spreche, auch den Privatpersonen die Geltendmachung der genannten Rechtfertigungsgriinde des Art. 48 Abs. 3 EGV zuzubilligen,66 und überhaupt steht die UEFA mit ihrer Auffassung schon deshalb auf verlorenem Posten, weil die unmittelbare Drittwirkung des Gleichbehandlungsgebots durch den Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1612/6867 bereits ausdrücklich angeordnet worden ist. Es bleibt damit festzuhalten, daß die Anwendbarkeit des Art. 48 EGV jedenfalls nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB dem Privatrecht unterfaIlt. d) Zweifel an der Wahrung der Verbandsautonomie

Auf den Einwand der deutschen Regierung hin hat sich der EuGH in der "Bosman"-Entscheidung auch mit der Frage beschäftigt, ob die Anwendung GrabitzlHilf, Art. 48, Rn. 29; Schweitzer/Streinz, JA 1986,244 (248); Klose, S. 162; Gramlieh, böv 1996, 801 (802); zweifelnd Weber, RdA 1996, 107 (108). 63 Vgl. Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-19, Rn. 83; Schweitzer/Streinz, JA 1986,244 (248). 64 Klose, S. 166. 65 Zum Vorbringen der UEFA vgl. Sitzungsbericht -Rechtssache C 415/93 ,,Bosman", S. 1 - 11. 66 Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-20, Rn. 86. 67 ABI. L 257 v. 19.10.68,2.

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des Art. 48 EGV auf den Bereich des Fußballsports einen unzulässigen Eingriff in die Verbandsautonomie der Sportverbände darstellen könnte. 68 Fraglich ist also konkret, ob das Grundrecht der Verbandsautonomie der Anwendbarkeit des Art. 48 EGV entgegensteht. In diesem Zusammenhang führte der Gerichtshof aus, daß der Grundsatz der Vereinigungsfreiheit, welcher sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergebe, grundsätzlich auch in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werde. 69 Jedoch sei nicht davon auszugehen, "daß die von Sportverbänden aufgestellten Regeln, mit denen sich das vorlegende Gericht beschäftigt, erforderlich sind, um die Ausübung dieser Freiheit durch die genannten Verbände, die Vereine oder die Spieler zu gewährleisten, oder daß sie eine unausweichliche Folge dieser Freiheit darstellen,,7o. Wie sich aus der zitierten Passage ergibt, hat sich der EuGH im Fall "Bosman" im Ergebnis gegen einen unzulässigen Eingriff in die Verbandsautonomie entschieden. Darauf kommt es hier allerdings nicht an. An dieser Stelle ist zunächst nur entscheidend, daß der Gerichtshof die Autonomie der Verbände zwar offensichtlich als Gegenrechte berücksichtigt, daß er sie jedoch nicht als Argument gelten läßt, um bereits die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich auszuschließen. Dieser Einschätzung ist zuzustimmen, denn nur dieses Vorgehen, die gegenläufigen Interessen zu gewichten, wird der grundlegenden Bedeutung der Freizügigkeit gerecht. 71 Im übrigen ist bereits im Hinblick auf die Anwendbarkeit des nationalen Rechts festgestellt worden ist, daß das Recht der Sportverbände keinesfalls außerhalb der staatlichen Rechtsordnung steht. 72 Im Hinblick auf die Gesamtrechtsordnung kann nichts anderes gelten, so daß die Statuten der Sportverbände folglich auch an dem supranationalen Gemeinschaftsrecht zu messen sind. 73 Das Grundrecht der Verbandsautonomie behält damit zwar auch im Gemeinschaftsrechts seine Funktion als Gegenrecht zu den Individualrechten der Sportler, der Anwendbarkeit des Art. 48 EGV steht es allerdings nicht entgegen. 68 Urteil des EuGH vom 15.12.l995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-18, Rn. 79 ff. 69 Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-18, Rn. 79. 70 Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-19, Rn. 80. 7l So auch Fischer, Spurt 1996, 34 (35). 72 Vgl. dazu auch Burmeister, DÖV 1978,1 (4). Verwiesen sei in diesem Zusammenhang insbesondere auch auf die hier entwickelte "Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB". 73 So auch Klose, S. 173.

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

e) Zweifel an der Beachtung des Subsidiaritätsprinzips Im Vorfeld der "Bosman"-Entscheidung ist von verschiedener Seite die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips angemahnt worden, denn aus diesem ergebe sich, daß die Gemeinschaft ihre Aktivitäten im Bereich des Sports auf das unbedingt erforderliche Maß beschränken müsse. 74 Der EuGH hat diesen Einwand zurückgewiesen. Zur Begründung führte er aus, daß das Subsidiaritätsprinzip nicht zu einer Einschränkung der Rechte führen dürfe, die dem einzelnen durch den Vertrag verliehen worden seien. 75 Gefolgt ist der Gerichtshof damit der Auffassung des Generalanwalts, der bereits in seinem Schlußantrag deutlich gemacht hatte, daß das Subsidiaritätsprinzip im Bereich der Grundfreiheiten keine Anwendung finden könne76 . Es fragt sich, ob diese Einschätzung mit den Vorgaben des EG-Vertrages zu vereinbaren ist, denn in Art. 3b Abs. 2 des Vertrages wird die Gemeinschaft ausdrücklich zur Wahrung des Subsidiaritätsprinzips verpflichtet. Eine Ausnahme gilt allein für die Bereiche, die in die "ausschließliche Zuständigkeit" der Gemeinschaft fallen. Zur Überprüfung der genannten Auffassungen ist es insofern erforderlich, den Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit zu bestimmen, in dem die Schranke des Subsidiaritätsprinzips nicht gelten soll. Würde man den Autoren?? folgen, die eine sachbezogene Abgrenzung befürworten, so wäre die Gemeinschaft auch im Bereich des Sports zur Beachtung des Subsidiaritätsprinzips verpflichtee 8, denn zu den Sachmaterien, in denen die Gemeinschaft eine ausschließliche Zuständigkeit besitzt, gehören nach verbreiteter Meinung allein die gemeinsame Handelspolitik, die Erhaltung der Fischbestände sowie das interne Organisations- und Verfahrensreche 9 . Diesem Ansatz kann jedoch nicht zugestimmt werden. Vielmehr ist mit der Kommission davon auszugehen, daß sich die Ausschließlichkeit der Zuständigkeit nicht aus dem jeweiligen Tätigkeitsfeld, sondern vielmehr aus den "Erfordernissen der Freizügigkeit" ergibt80 .

74 So der Einwand der deutschen Regierung, vgl. Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-17, Rn. 72; ebenso ScholziAulehner, Spurt 1996, 44 (46). 75 Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 - ,,Bosman", S. 1-19, Rn. 81. 76 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C - 415/93 ,,Bosman", S. I-50, Ziff. 130. 77 So z.B. von BogdandylNettesheim in: Grabitz, Art. 3b EGV, Rn. 29; Schmidhuber/Hitzler, EuZW 1993, 10. 78 So ausdrücklich ScholziAulehner, Spurt 1996, 44 (46). 79 So z.B. von BogdandylNettesheim in: Grabitz, Art. 3b EGV, Rn. 30; Pipkom, EuZW 1992,697 (699). 80 Siehe dazu ll.3. des Anhangs zur Mitteilung des Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament betreffend das Subsidiaritätsprinzip.

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Im Umgang mit einer Verfassung, die wie das Grundgesetz einen Zuständigkeitskatalog zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Bund und Gliedstaaten bereithält, ist es durchaus systemgerecht, die Frage nach dem Geltungsbereich des Subsidiaritätsprinzips im Wege einer sachgebietsbezogenen Abgrenzung zu regeln (vgl. dazu Art. 72 GG81 ). Keine Berechtigung hat eine derartige Abgrenzung dagegen im Bereich des EG-Rechts, denn die Zuständigkeit der Gemeinschaft wird gerade nicht anband eines Zuständigkeitskataloges festgelegt. Ihre Zuständigkeit ist vielmehr aufgaben- bzw. zielorientiert, wie sich aus den Art. 2, 3 und 235 EGV ergibt. 82 Insofern ist es durchaus gerechtfertigt, wenn die Kommission bei ihrer Auslegung des Art. 3b Abs.2 EGV auf die Zielvorgaben des Gemeinschaftsrechts abstellt, indem sie der Gemeinschaft in den Bereichen, in denen sie bestimmte zentrale Aufgaben - wie etwa die Herstellung des Gemeinsamen Marktes - zu verwirklichen hat, die "ausschließliche" Kompetenz zuspricht, die daraus resultierenden Verpflichtungen zu erfüllen. Mit dem Generalanwalt und der ganz herrschenden Meinung in der Literatur83 ist also davon auszugehen, daß das Subsidiaritätsprinzip in dem Bereich der Grundfreiheiten nicht zur Anwendung kommen kann. Auch im Bereich des Berufsfußballs besitzt die Gemeinschaft mithin die uneingeschränkte Kompetenz, die Freizügigkeit der Lizenzspieler zu sichern. Das Subsidiaritätsprinzip steht dem jedenfalls nicht entgegen.

3. Fazit zur Einwirkung der Freizügigkeitsvorschriften des EG-Vertrages Wie gesehen, konnten die vorgebrachten Einwände die Argumentation des EuGH nicht entkräften. Maßnahmen des DFB gegenüber dem Lizenzspieler sind damit grundsätzlich an Art. 48 EGV zu messen. Eine begrenzte Bereichsausnahme gilt allein für die Aufstellung von Nationalmannschaften.

111. Die Einwirkung der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages Fraglich ist ferner, ob zudem auch die Wettbewerbsvorschriften des EGVertrages herangezogen werden können, um Maßnahmen des DFB gegenüber 81 Nach Art. 72 GG darf der Bund in den in Art. 74 GG aufgezählten Sachgebieten der konkurrierenden Gesetzgebung nur tätig werden, wenn ein ,,Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung" besteht. Der Bund ist insofern zur Einhaltung des Subsidiarität~rinzips verpflichtet. Pipkom, EuZW 1992,697 (699). 83 MicklitzlReich, EuZW 1992, 594; Schwartz, AfP 1993,414; Möschel, NJW 1993 3025 (3026); Pipkom, EuZW 1992,697 (699); Hilf/Pache, NJW 1996, 1169 (1177); Palme, JZ 1996, 238 (241).

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

dem Lizenzspieler zu überprüfen. Namentlich geht es dabei um die Anwendbarkeit der Art. 85 und 86 EGV, die im übrigen nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil zuvor die Anwendbarkeit des Art. 48 EGV bejaht worden ist. 84

1. Die Anwendbarkeit des Art. 85 EGV Art. 85 EGV verbietet "Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welchen den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, ... ".

Ob verschiedene Regelungen des DFB tatsächlich im Sinne dieser Vorschrift geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, läßt sich nur im Einzelfall feststellen. Die Beantwortung dieser Fragen bleibt daher dem "Besonderen Teil" dieser Arbeit vorbehalten. An dieser Stelle geht es allein darum, ob die Statuten des DFB überhaupt als Vereinbarungen zwischen Unternehmen bzw. als Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen im Sinne des Art. 85 EGV anzusehen sind, also darum, ob der DFB bei seiner "Normensetzung" überhaupt an Art. 85 EGV gebunden ist. a) Der DFB als Unternehmen bzw. als Unternehmensvereinigung

Naheliegend erscheint zunächst die Einordnung des DFB als Unternehmensvereinigung. Unter einer Unternehmensvereinigung versteht man den Zusammenschluß einzelner Unternehmen zu einer verbandsartigen Organisation. 85 Sollte der DFB also als Zusammenschluß einzelner Unternehmen zu bewerten sein, so wäre der Weg für die Anwendbarkeit des Art. 85 EGV freigegeben. Die erforderlich Unternehmenseigenschaft könnten insbesondere die Vereine der Lizenzligen besitzen, die dem DFB als außerordentliche Mitglieder angehören. 86 Fraglich ist also, ob die Vereine der Lizenzligen dem Unternehmensbegriff des Art. 85 EGV unterfallen. Der in dem EG-Vertrag nicht definierte Begriff des Unternehmens umfaßt nach der Rechtsprechung des EuGH jede "einheitliche, einem selbständigen 84 Vgl. dazu die Ausführungen des Generalanwalts Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C - 415/93 ,,Bosman", S. 1-109, Ziff. 253. 85 Vgl. Schr6ter in: Groeben/JhiesinglEhlermann, Vorbem. zu den Art. 85 bis 89,

Rn. 17. 86

Vgl. dazu § 6 Abs. 3 der Satzung des DFB.

4. Kapitel: Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts

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Rechtssubjekt zugeordnete Zusammenfassung personeller, materieller und immaterieller Faktoren, mit welcher auf die Dauer ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird".87 Ein Unternehmen ist also jedes Rechtssubjekt mit auf Dauer angelegter wirtschaftlicher Zweckverfolgung. Angesichts dieser allgemein anerkannten Definition,88 dem funktionalen Unternehmensbegriff, gilt es zunächst festzuhalten, daß die Unternehmenseigenschaft der Sportvereine nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil diese Vereine nicht als handelsrechtliche Gesellschaften organisiert sind, denn wie gesehen, kommt es auf die Rechtsform einer Vereinigung nicht an. Fraglich bleibt damit allein, ob die Fußballvereine der Lizenzligen tatsächlich wirtschaftliche Zwecke verfolgen. Letztlich stellt sich damit erneut das Problem, das bereits im Hinblick auf die Betätigung der Lizenzspieler diskutiert worden ist, denn erneut geht es darum, zwischen der wirtschaftlichen und der rein sportlichen Betätigung abzugrenzen. Zunächst allerdings gilt es die Frage zu beantworten, ob die Vereine überhaupt in einem ausreichenden Maße am Wirtschaftsleben teilnehmen. Betrachtet man dazu einige Zahlen, so kann es an dem Ergebnis keinen Zweifel geben: In der Saison 94/95 machte allein der Fe Bayern München einen Gesamtumsatz von 75 Millionen Mark, insgesamt 54 Millionen Mark setzten die Vereine der 1. Bundesliga bei dem Verkauf von Fanartikeln um89 und weit mehr als 100 Millionen Mark investierten die Vereine zu Beginn der Saison 95/96 für neue Spiele~. Angesichts der dargestellten Summen kann die wirtschaftliche Bedeutung der Lizenzliga-Vereine nicht ernsthaft bestritten werden. Wenig stichhaltig ist auch ein Einwand des Belgischen Fußballverbandes, der im Fall "Bosman" vorgebracht hat, nur die großen Vereine seien am Wirtschaftsleben beteiligt, während die wirtschaftliche Betätigung der kleineren Vereine als geringfügig anzusehen sei. 91 Dagegen spricht schon, daß es auf die Größe eines Unternehmens nicht ankommt, um den Tatbestand des Art. 85 EGV zu erfüllen. 92 Zudem geht der Einwand auch inhaltlich ins Leere, wenn man z.B. bedenkt, daß selbst der Aufsteiger Hansa Rostock für die Saison 95/96 mit einem Etat von über 10 Millionen Mark plante93 .

87 Slg. 1962, 653/687 - ,,Klöckner und Hoesch"; Slg. 1962, 717, 750 - ,,Mannesmann". 88 Zustinunend Koch in: Grabitz, Art. 85, Rn. 7; Schr6ter in: GroebenIThiesinglEhlermann, Vorbern. zu den Art. 85 bis 89, Rn. 11; Einzelheiten bei Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 193 fT. 89 Vgl. Die Welt vom 12.8.1995, S. 24. 90 Vgl. Kicker-Sonderheft Bundesliga 1995/96, S. 9. 91 Vgl. zu diesem Einwand: Schlußanträge des Generalanwalts Lenz zur Rechtssache C - 415/93 ,,Bosman", S. 1-110, ZifT. 255. 92 GleisslHirsch, EG-Karte1lrecht, Art. 85 (1), Rn 26. 93 Vgl. Die Welt vom 12.8.1995, S. 24.

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

Die Höhe des Finanzeinsatzes kann nach alledem also nicht der richtige Ansatz sein, um die wirtschaftliche Betätigung der Vereine zu bestreiten. Wenig hilfreich ist auch der Verweis auf die angeblich nicht vorhandene Gewinnerzielungsabsicht der Vereine - so der Einwand der italienischen Regierung94 _ da der UnternehmensbegrifI des EG-Kartellrechts nach einhelliger Ansicht ohnehin keine Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt. 95 Die Anwendbarkeit des Art. 85 EGV erscheint damit unumgänglich, es sei denn, die Betätigung der Vereine unterfieie dem Sportvorbehalt des EuGH, der - wie gesehen - zur Nichtanwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts führt. Der Sportvorbehalt greift den obigen Ausführungen entsprechend durch, sobald ein eindeutiges Übergewicht rein sportlicher Motive zu erkennen ist. Ob dies allerdings bei den Vereinen gegeben ist, erscheint höchst fraglich. Natürlich kann nicht übersehen werden, daß z.B. der Einkauf von Spielern dem Zweck dient, die sportliche Leistungsfähigkeit der Mannschaft zu stärken, doch greift dieses Argument nicht mehr, sobald es etwa um den Bereich des Merchandisings geht. Hier entfalten die Vereine eine geradezu klassische wirtschaftliche Tätigkeit, die den Sport nur noch am Rande berührt. Weiterreichend ist dagegen eine Überlegung, die sich mit dem Phänomen des Finanzausgleichs befaßt, der zwischen den Vereinen der Bundesliga praktiziert wird. Man findet dieses Modell des Finanzausgleichs z.B. bei der Verteilung von Fernsehgeldern, bei der die ärmeren Vereine an den Einnalunen der größeren partizipieren. Der Zweck dieser Regelung ist es, die Chancengleichheit im sportlichen Wettbewerb herzustellen. Da sich eine derartige Denkweise nur sehr bedingt mit dem Leitbild des Wirtschaftslebens vereinbaren läßt, wo man gerade nicht darauf bedacht ist, den eigenen Konkurrenten zu fördern, scheint es, als könne dieser Umstand herangezogen werden, um ein Übergewicht sportlicher Motive zu begründen. Jedoch darf nicht übersehen werden, daß die Bundesligisten mit dem Modell des Finanzausgleichs letztlich einen weitergehenden Zweck verfolgen: Es liegt auf der Hand, daß eine Profiliga wirtschaftlich nur dann gedeihen kann, wenn zwischen den beteiligten Vereinen kein zu deutliches Leistungsgefälle besteht. Nur wenn für ausreichende sportliche Spannung gesorgt ist, bleibt auch das Interesse der Zuschauer und der Medien bestehen, das die Vereine benötigen, um finanziell überlebensfähig zu bleiben. 96 Insofern sind selbst die Marktführer der Branche wirtschaftlich darauf angewiesen, die kleineren Vereine zu unterstützen, denn 94 Vgl. dazu: Schlußanträge des Generalanwalts Lenz zur Rechtssache C - 415/93 ,,Bosman", S. 1-110, Ziff. 255. 95 Koch in: Grabitz, Art. 85, Rn. 7; Schröter in: GroebenlI'hiesinglEhlermann, Vorbem. zu den Art. 85 bis 89, Rn. 13; GleisslHirsch, EG-Kartellrecht, Art. 85 (1), Rn. 7. 96 Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C - 415/93 ,,Bosman", S. 196, Ziff. 219.

4. Kapitel: Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts

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schon jetzt sind nur wenige Zuschauer in die Stadien zu locken, wenn z.B. die Mannschaft des finanzschwachen KFC Uerdingen als Gast auftritt, und auch die Fernsehsender haben nur geringes Interesse an der Übertragung von Spielen der Mannschaften, die keine medienwirksamen "Stars" in ihren Reihen beschäftigen können. Aus diesem Blickwinkel betrachtet erscheint es daher geradezu paradox, wenn man das Phänomen des Finanzausgleichs zum Beleg für ein Übergewicht sportlicher Motive heranziehen wollte. Da sich das erforderliche Übergewicht sportlicher Motive auch nicht in sonstiger Weise begründen läßt, können sich die Vereine der Lizenzligen also nicht auf den Sportvorbehalt des EuGH berufen. Sie müssen sich daher als Unternehmen i. S. d. Art. 85 EGV behandeln lassen, wobei anzumerken ist, daß dieses Ergebnis, das auch von der h. M. in der Literaturl7 geteilt wird, durchaus dem Selbstverständnis vieler Vereinsvertreter entsprechen müßte, denn diese sehen sich in der Regel gerne als Manager eines modemen Wirtschaftsunternehmens. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, daß es im amerikanischen Recht schon lange keine Zweifel mehr daran gibt, daß die einschlägigen "antitrust-Iaws" auf den professionellen Sport anzuwenden sind. 98 Festzuhalten bleibt damit, daß die Mitglieder des DFB soweit die Vereine gemeint sind - die erforderliche Unternehmenseigenschaft besitzen, so daß der DFB als Unternehmensvereinigung i. S. d. Art. 85 EGV zu qualifizieren ist. 99 Überdies erscheint es sogar möglich, den DFB als eigenständiges Unternehmen zu qualifizieren, denn auch Vereinigungen von Unternehmen können als Unternehmen i. S. d. Art. 85 EGV gelten, soweit sie selbständig wirtschaftliche Tätigkeiten wahmehmen. 1OO Da sich auch der DFB mit dem Vertrieb von Fanartikeln, dem Verkauf von Eintrittskarten und der Vermarktung von Fernsehrechten befaßt, ist diese Voraussetzung offensichtlich erfüllt. Dies bestätigt auch die Entscheidungspraxis der Kommission101 sowie die Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz102, die sich grundsätzlich zu der Unternehmenseigenschaft von Fußballverbänden geäußert haben. Insofern ist der 97 Klose, S. 137 f.; Westerkamp, S. 151; Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C - 415/93 ,,Bosman", S. 1-110, Ziff. 255. Hilf/Pache, NJW 1996,1169 (1176), ebenso der BGH, NJW 1987, 3007 (3008), allerdings bezogen auf den inhaltsgleichen Unternehmensbegriff des § 22 GWB. 98 VgI. dazu die Entscheidung Flood v. Kuhn, 407 U.S. 258,282-83 (1972). 99 So auch Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C - 415/93 ,,Bosman" S. 1-110, Ziff. 256; HilfIPache, NJW 1996, 1169 (1176). lob Schröter in: GroebenlJhiesinglEhlermann, Vorbem. zu den Art. 85 bis 89, Rn. 17. 101 Entscheidung der Kommission vom 27. Oktober 1992, ABI. L 326, S. 31, zum Vertrieb von Eintrittskarten f1lr die Fußballweltmeisterschaft 1990 in Italien. 102 Urteil vom 9. November 1994 in der Rechtssache T-46/92 (Scottish Football AssociationIKommission, Slg. 1994, II-1039).

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

DFB zudem als Unternehmen i.S.d. Art. 85 EGV zu qualifizieren,lo3 wobei dieser Umstand für den weiteren Verlauf dieser Arbeit zunächst nur von zweitrangiger Bedeutung ist, da es hier vornehmlich um Regelungen geht, die der DFB in seiner Funktion als Unternehmensvereinigung erlassen hat. b) Die Statuten des DFB als Beschlüsse einer Unternehmensvereinigung

Nachdem soeben festgestellt worden ist, daß der DFB den Tatbestand der "Unternehmensvereinigung" erfüllt, müßten sich die Statuten des DFB weiterhin als "Beschluß" einer derartigen Vereinigung darstellen, um sie an der Regelung des Art. 85 EGV messen zu können. Voraussetzung für das Vorliegen eines Beschlusses ist die satzungsmäßige Ennächtigung der beschließenden Vereinigung, das Marktverhalten der Mitglieder zu regeln. 104 Die Fußballverbände besitzen diese Befugnis, da die Vereine den Satzungen dieser Verbände unterworfen sind. Zwar hat der Belgische Fußballverband eingewandt, die Reglements der Fußballverbände spiegelten lediglich den Willen ihrer Mitglieder wieder, überzeugen kann dieses Argument jedoch nicht, denn selbst wenn diese fragwürdige Einschätzung zutreffen sollte, wären die Reglements der Verbände doch zumindest als "Vereinbarungen zwischen Unternehmen" zu qualifizieren, die ebenfalls dem Tatbestand des Art. 85 EGV unterfallen. Im Ergebnis steht damit fest: Die Statuten des DFB sind als Beschlüsse einer Unternehmensvereinigung an Art. 85 EGV zu messen. 2. Die Anwendbarkeit des Art. 86 EGV Abschließend fragt sich, ob die Statuten des DFB auch an Art. 86 EGV zu messen sind. Art. 86 EGV verbietet "die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen." Adressaten dieser Nonn sind Unternehmen, die eine den Markt beherrschende Stellung innehaben. Ob der DFB zu diesen Unternehmen gehört, ist zu prüfen. Daß der DFB als "Unternehmen" zu qualifizieren ist, ist bereits festgestellt worden. Fraglich ist allerdings, ob der DFB auch eine den Markt beherrschende Stellung einnimmt. Angesichts der MonopolsteIlung des DFB in Deutschland scheint es, als könnte diese Frage ohne weiteres bejaht wer103

104

So auch Klose, S. 138, Hilf/Pache, NJW 1996, 1169 (1176). Koch in: Grabitz, Art. 85, Rn. 23.

4. Kapitel: Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts

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den. lOS Es ist jedoch Vorsicht geboten, denn wie Generalanwalt Lenz überzeugend herausgearbeitet hat, läßt sich die Frage nach einer den Markt beherrschenden Stellung der Fußballverbände nicht ohne konkreten Bezugspunkt beantworten. Soweit z.B. nach der Rechtmäßigkeit von Ausländerklauseln gefragt wird, will Lenz nicht auf die Stellung der Verbände, sondern auf die der Vereine abstellen. Die Anstellung der Spieler sei allein eine Sache der Vereine, so daß allenfalls eine marktbeherrschende Stellung der Vereine zu prüfen sei. Lenz folgt damit in gewisser Hinsicht der bereits vorgetragenen Ansicht der URBSFA, wonach die fraglichen Regelungen nicht einem Diktat der Verbände entsprängen, sondern lediglich den Willen der Vereine getreulich widerspiegelten. I 06 Angesichts der soeben vorgetragenen Kritik gegen diese These mag es überraschen, wenn hier letztlich der Ansicht von Lenz gefolgt wird. Im Ergebnis nämlich ist ihm zuzustimmen, daß die Statuten des DFB nicht an Art. 86 EGV zu messen sind. Der Begründungsansatz ist allerdings ein anderer: Wie gesehen, sind die Fußballverbände grundsätzlich als "Unternehmensvereinigungen" zu qualifizieren. Die zusätzliche Eigenschaft eines eigenständigen "Unternehmens" besitzen sie nur insoweit, als sie selbständig am Wirtschaftsleben teilnehmen. Dies ist z.B. der Fall, bei der Vermarktung von Fernsehrechtenl07 oder bei dem Verkauf von Fanartikeln. Sobald die Verbände aber als normensetzende Instanz gegenüber dem Spieler auftreten, handeln sie allein in ihrer Funktion als "Unternehmensvereinigung", denn in diesem Bereich fehlt es an einer weiterreichenden eigenständigen Teilnahme am Wirtschaftsleben. Da die "Unternehmensvereinigung" als solche aber kein Adressat des Art. 86 EGV ist, scheidet dieser mithin als Maßstab zu Überprüfung der Statuten des DFB aus. 108

IV. Ergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß die Statuten des DFB grundsätzlich auch an den Regeln des Gemeinschaftsrechts zu messen sind. Anwendbar ist Art. 48 EGV einerseits, da die Lizenzspieler dem Arbeitnehmerbegriff dieser Norm unterfallen, sowie Art. 85 EGV andererseits, da So z.B. bei Klose, S. 140 fT. Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C - 415/93 "Bosman", S. 1-121 fT., ZifT. 279 fT. 107 So das zutreffende Beispiel von Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C - 415/93 ,,Bosman", S. 1-122, ZifT. 282. 108 Die Beantwortung der sich anschließenden Frage, ob wenigstens die Vereine im Kollektiv eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. Art. 86 EGV einnehmen, unterfällt nicht mehr der Aufgabenstellung dieser Arbeit, die sich allein an den Maßnahmen des DFB orientiert. 105

106

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Allgemeiner Teil: Organisatorische und rechtliche Grundlagen

der DFB als Unternehmensvereinigung bzw. als Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren ist. Die Anwendbarkeit des Art. 86 EGV scheidet dagegen aus. Ein Sportvorbehalt, der den DFB von der Beachtung dieser Vorschriften entbindet, gilt nur insoweit, als es um die Aufstellung von Nationalmannschaften geht. Regelungen, die den Spielbetrieb der Lizenzligen betreffen, sind dagegen uneingeschränkt zu überprüfen.

Fünftes Kapitel

Zusammenfassung der Ergebnisse des "Allgemeinen Teils" Der "Allgemeine Teil" hat gezeigt, daß der DFB zum Zwecke der Organisation des Lizenzfußballs in Deutschland ein Regelwerk geschaffen hat, daß nur noch der Form nach rechtsgeschäftlichen Kategorien angehört. Inhaltlich erfüllt dieses Regelwerk nämlich längst eine gesetzesvertretende Funktion, und dieser Funktion entsprechend bemißt sich auch der Rechtmäßigkeitsmaßstab, an dem das DFB-Recht zu messen ist. Die Grundrechte, die dem subordinationsrechtlich unterworfenen Lizenzspieler zur Seite stehen, binden den Monopolverband DFB umfassend und unmittelbar, und eine Einschränkung derselben ist ausschließlich zum Zwecke der Förderung des Fußballsports zulässig. Ebenso umfassend ist der DFB auch an die einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrecht (Art. 48, 85 EGV) gebunden, denn ein Sportvorbehalt, der ihn von dieser Pflicht entbinden könnte, greift allein bei der Aufstellung von Nationalmannschaften. Bei einer Rückschau auf die Herleitung dieser Ergebnisse zeigt sich, daß die verschiedenen Streitentscheidungen stets zugunsten jener Auffassungen ausgefallen sind, die letztlich eine lückenlose Kontrolle des DFB-Sportrechts ermöglichen. Dahinter steht der Gedanke, daß der zunehmenden kommerziellen Bedeutung des Fußballsports unbedingt Rechnung zu tragen ist. In einer Zeit, in der selbst durchschnittliche Spieler bezahlt werden wie Vorstandsmitglieder, in der sich Vereine gerieren wie Wirtschaftsunternehmen und in der die Verbände Millionen mit der Vermarktung von Fernsehrechten verdienen können, bedarf es eines eng gesteckten rechtlichen Rahmens, um die berechtigten Interessen der Beteiligten schützen zu können. Für die bis heute gepflegte Vorstellung, der Sport sei ein rechtsfreier Raum, bleibt dabei kein Platz. Dies sollten die vorangegangenen Ausführungen bewiesen haben. In dem anschließenden "Besonderen Teil" wird nun anhand des aufgezeigten Maßstabs die Rechtmäßigkeit verschiedener Beschränkungen der Lizenzspielertätigkeit zu untersuchen sein.

Besonderer Teil

Einzelne Problem lagen Erstes Kapitel

Die Beschränkung der Lizenzspielertätigkeit durch das Lizensierungssystem des DFB Das nachfolgende Kapitel behandelt die Zulässigkeit des Lizensierungssystems des DFB, das die Bedingungen regelt, unter denen ein Lizenzspieler in Deutschland seinen Beruf aufnehmen darf. Es soll an dieser Stelle keineswegs verschwiegen werden, daß damit ein Problematik behandelt wird, deren praktische Bedeutung weithin überschätzt wird. Nachdem nämlich die einzigen beiden Kriterien, die einer Lizenzerteilung ernsthaft entgegenstehen konnten, aus dem Lizenzspielerstatut gestrichen worden sind, 1 gilt heute mehr den je, was H. P. Westermann bereits im Jahre 1972 formuliert hat, nämlich daß "der DFB an sich niemanden hindert, den Beruf des Lizenzfußballspielers zu ergreifen. Die sportliche Qualifikation zu beurteilen, bleibt allein dem Arbeitgeberverein und dem 'Markt' überlassen.,,2 Wenn diese Thematik in dieser Arbeit aber dennoch behandelt wird, dann deshalb, weil die Lizensierungsproblematik zumindest in dogmatischer Hinsicht höchst interessante Fragen aufwirft. An diesem Umstand orientiert sich auch die Gewichtung der nachfolgenden Darstellung. Im Vordergrund steht nicht allein die reine Inhaltskontrolle der einzelnen Lizenzerteilungsvoraussetzungen, sondern vielmehr die Darstellung des gesamten Problemkomplexes, der auch die Frage nach der generellen Regelungsbefugnis des DFB sowie der Problematik des Aufnahmezwanges beinhaltet.

1 Die gestrichenen Kriterien der ursprünglichen Fassung des § 12 des Lizenzspielerstatuts lauteten wie folgt: "Voraussetzungen filr den Abschluß des Lizenzvertrages sind: .... c) guter Leumund sowohl im bürgerlichen als auch im sportlichen Leben, ... h) erforderlichenfalls Freigabe nach den Bestimmungen des DFB und fiir den DFB nach den Bestimmungen der FIFA." 2 H. P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt, S. 94.

1. Kapitel: Das Lizensierungssystem

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Insbesondere aufgrund der dogmatischen Brisanz des zuletzt genannten Problemfeldes verwundert es auch nicht, daß das Lizensierungssystem des DFB immer wieder im Mittelpunkt juristischer Arbeiten stand. 3 In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, daß es in dem nun folgenden Stadium der Arbeit immer schwieriger wird, die bereits bestehenden Ansichten zu verarbeiten. Da nämlich die Grundfragen der Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB keineswegs einheitlich beantwortet worden sind, verwiesen sei etwa auf den Streit um die Drittwirkungsproblematik, ist es kaum möglich, einen einheitlichen Diskussionsansatz zu finden. Um Mißdeutungen zu vermeiden, werden die verschiedenen Ansichten daher in ihrem Kontext dargestellt, soweit dies im Einzelfall notwendig erscheint.

I. Die inhaltliche Ausgestaltung des Lizensierungssystems Das Lizensierungssystem des DFB ist gekennzeichnet durch eine lizenzvertragliche Anbindung sowohl der Vereine,4 als auch der Spieler. 5 Neben den Vereinszulassungen behält sich der DFB also auch die Zulassung jedes einzelnen Spielers vor. Diese Einzelzulassung ist hier von Interesse. Sie erfolgt unter folgenden Bedingungen: Um als Spieler bei einem Verein der Lizenzligen an den Spielerveranstaltungen des DFB teilnehmen zu dürfen, hat der Spieler zunächst den Status eines Lizenzspielers zu erlangen. 6 Der Spieler erhält diesen Status durch den Abschluß des Lizenzvertrages. Die Voraussetzungen für den Abschluß des Vertrages sind in § 12 des Lizenzspielerstatuts geregelt. Es sind dies: a) ein schriftlicher Antrag des Spielers und Vorlage eines unter dem Vorbehalt der Lizenzerteilung abgeschlossenen Arbeitsvertrages mit einem Verein der Lizenzliga, b) Vollendung des 18. Lebensjahres bis zum 31. Juli desselben Jahres, c) Sporttauglichkeit nach einer vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchung und die Verpflichtung, alle zwei Jahre den gleichen Nachweis über die Sporttauglichkeit zu erbringen, d) Krankenversicherung für die Zeit der Vertragsdauer auf eigene Kosten, soweit die gesetzliche Regelung nichts anderes bestimmt, e) die Erfüllung bestehender Verpflichtungen gegenüber dem DFB, seinen Mitgliedsverbänden und Vereinen, Vgl. Vgl. S Vgl. 6 Vgl.

3

4

7 Pl.th

z.B. OsthojJ, S. 133 ff; Weiland, S. 263 ff; Becker, S. 83 ff. § 4 des Lizenzspielerstatuts. § 11 des Lizenzspielerstatuts. § 1 Abs. 1 des Lizenzvertrages.

98

Besonderer Teil: Einzelne Problernlagen

f) Nachweis der Spielberechtigung in den letzten sieben Jahren, aufgeschlüsselt nach Vereinen und Spielberechtigungszeiträumen.

Um die mit der Lizenzerteilung verbundenen Rechte tatsächlich ausüben zu können, bedarf es zudem der Erteilung einer gesonderten Spielerlaubnis durch den DFB-Ligaausschuß. 7

11. Die rechtliche Zulässigkeit des Lizensierungssystems Um das Lizensierungssystem des DFB auf seine Zulässigkeit hin untersuchen zu können, bedarf es zunächst der Feststellung, welcher Maßstab zur Beurteilung dieses Systems anzulegen ist. Die diesbezüglichen Ausfiihrungen sind der Zulässigkeitsprüfung aus Gründen der Übersichtlichkeit gesondert vorangestellt. 1. Der Maßstab zur Beurteilung des Lizensierungssystems Die Ausführungen des "Allgemeinen Teils" haben gezeigt, daß das Ausmaß der Regelungsbefugnis des DFB vor allem durch die Grundrechte der Lizenzspieler bestimmt wird. Im Vordergrund steht also zunächst die Frage, an welchem Grundrecht das Lizensierungssystem des DFB zu messen ist. Oder konkreter: Ob sich die Lizenzspieler über Art. 2 Abs. 1 GG hinaus auch auf den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG berufen können. Daß dies der Fall ist, daß also die Lizenzspielertätigkeit dem Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG unterfällt, steht heute außer Frage. 8 Während sich früher noch einwenden ließ, die Tätigkeit des Lizenzfußballers stehe außerhalb der traditionellen und rechtlich fixierten Berufsbilder, ist heute allgemein anerkannt, daß auch frei gewählte und untypische Betätigungen durch das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG geschützt werden. 9 Das einschlägige Grundrecht zur Überprüfung der Maßnahmen des DFB - und damit auch zur Überprüfung des Lizensierungssystems - ist demnach also Art. 12 Abs. 1 GG. Ein Grundrecht, dessen besondere Dogmatik zu einigen ergänzenden Erläuterungen im Hinblick auf die "Privatisierung der Schrankensystematik" zwingt, die auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit Berücksichtigung finden werden. Obwohl nach dem Wortlaut des Art. 12 GG nur die Berufsausübung durch den Gesetzgeber beschränkt werden kann, hat das BVerfG10 mit Hinweis auf ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit Vgl. § lAbs. 2 des Lizenzvertrages. Vgl. Westerkamp, S. 118; Becker, S. 64; MUmmler, S. 111; Osthoff, S. l33. 9 Vgl. dazu BVerfGE 7, 397; l3, 106. 10 Vgl. BVerfGE 7,377 (405 fl). 7

8

1. Kapitel: Das Lizensienmgssystem

99

auch die Freiheit der Berufswahl für einschränkbar erklärt. Um der unterschiedlichen Wertigkeit der geschützten Rechtsgüter aber dennoch Rechnung zu tragen, hat das BVerfG bekanntlich seine sog. Dreistufentheorie entwickelt, nach der unterschiedliche Anforderungen an eine beschränkende Regelung zu stellen sind. Danach gilt, daß Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit bereits im Interesse des Gemeinwohls erfolgen können, während subjektive Beschränkungen der Berufswahlfreiheit hingegen nur zulässig sind, soweit sie zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zwingend erforderlich sind. Objektive Zulassungsvoraussetzungen schließlich dürfen allein zur Abwehr nachweisbarer oder höchst wahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut eingesetzt werden. 11 Auch wenn das BVerfG in einer späteren Entscheidungl2 einschränkend festgestellt hat, daß eine formale und schematische Anwendung dieser Stufentheorie ausscheidet, so sind doch zumindest die darin enthaltenen Bewertungen der Eingriffsintensität bis heute allgemein anerkannt. Da sich nun eine uneingeschränkte Übertragung der Dreistufentheorie auf das DFB-Recht verbietet - schließlich stehen der Bet;ufsfreiheit nicht die Interessen des Gemeinwohls, sondern die des Fußballsports gegenüber - sind es allein diese Wertungen des BVerfG, die auf die Theorie vom privaten Recht des Berufsfußballs übertragen werden können. Danach gilt: Die Regelungsbefugnis des DFB ist um so freier, je mehr sie auf reine Ausübungsregeln zielt und um so begrenzter, je mehr sie die Berufswahl berührt. Vorab ist daher zumindest im Ansatz zu prüfen, ob das Lizenzerfordernis dem Bereich der Berufswahl oder dem der BerufsausiJbung zufällt. Vorder~ gründig betrachtet stellt das Lizenzerfordernis zweifelsfrei eine Berufswahlregelung dar. Schließlich ist es dem Fußballspieler im Falle der Lizenzverweigerung grundsätzlich verwehrt, bei einem Verein der Lizenzligen an den Spielveranstaltungen des DFB teilzunehmen. 13 Dagegen könnte allerdings eingewandt werden, daß es dem Spieler selbstverständlich unbenommen bleibt, weiterhin in einem Verein der Amateurligen Fußball zu spielen. Da inzwischen auch in diesen Amateurligen außerordentliche Verdienstmöglichkeiten bestehen, können auch die Amateurspieler mit gutem Recht als Berufsfußballer bezeichnet werden. Ein Ergebnis, das angesichts der Begriffiichkeiten zweifellos paradox erscheint, das aber durchaus der Lebenswirklichkeit entspricht. Um nun aber trotz dieses Umstandes eine verbindliche Unterscheidung zwischen Berufswahl- und Berufsausübungsregelung treffen zu

11

12 \3

Vgl. BVerfGE 7, 377 (405 fI). Vgl. BVerfGE 11,30 (42 f). Vgl. § 1 Abs. 1 des Lizenzvertrages.

Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

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können, ist eine Charakterisierung des "Fußballspielerberufs" anhand der sog. Berufsbildlehre des BVerfGI4 erforderlich: Geht man von einem einheitlichen Berufsbild des "Berufsfußballers" aus, dem all jene unterfallen, die von ihren Einkünften als Fußballspieler zumindest teilweise ihren Lebensunterhalt bestreiten können, so stellt sich das Lizenzerfordernis als bloße Berufsausübungsregelung dar, da auch die Tätigkeit in den Amateurligen diesem Berufsbild unterfällt. Geht man hingegen von einem eigenständigen Berufsbild des "Lizenzspielers" aus, so ist das Lizenzerfordernis folgerichtig als Berufswahlregelung zu werten, da dem Spieler der Zugang zu einem eigenständigen Beruf verwehrt wird. Wollte man allein auf das angesprochene Kriterium der Verdienstmöglichkeiten abstellen, so ließe sich ein eigenständiges Berufsbild des Lizenzfußballers nur schwer begrunäen, da sich die Unterschiede zwischen der 2. Liga und den obersten Amateurligen in dieser Hinsicht weitgehend nivelliert haben. Eine derartige Sichtweise ließe allerdings außer Betracht, daß die Lizenzspielertätigkeit in den Bundesligen ganz eigene Anforderungen an den Spieler stellt, die es rechtfertigen, von einem eigenständigen Berufsbild des Lizenzspielers zu sprechen. Die Besonderheit der Lizenzspielertätigkeit wird eben nicht allein durch die außergewöhnlichen Verdienstmöglichkeiten begründet, sondern vor allem auch durch das überragende Öffentlichkeitsinteresse, das allein an den Lizenzligen besteht. 15 Anders als es im Amateurbereich der Fall ist, wird von dem Lizenzspieler ein werbe- und mediengerechtes Auftreten erwartet. Anforderungen also, die weit über die fußballerischen Anforderungen auf dem Spielfeld hinausreichen. Egal, ob der einzelne Spieler die ständige Medienpräsenz als reizvoll oder belastend empfindet; es läßt sich jedenfalls nicht leugnen, daß der Beruf des Lizenzfußballers seine besondere Prägung durch eben diesen Umstand erhält. Einen Schritt gegen dieses ausschließliche Interesse an den Lizenzligen und damit in Richtung eines einheitlichen Fußballspielerberufs hat der DFB im Jahre 1993 unternommen, als er die Einführung der Regionalligen als höchste deutsche Amateurklasse beschloß. Ziel der Zusammenlegung der bisherigen Oberligen zu nur noch vier Regionalligastaffeln l6 war es, eine höhere Leistungsdichte und einen besseren Unterbau für den Profibereich zu erreichen. Zusätzliche Einnahmen sollten durch erhöhte Fernsehgelder und größeren 14 Das BVerfG bedient sich zur Abgrenzung zwischen Berufswahl- und Berufsausübungsregelungen der sog. Berufsbildlehre. Eine Berufswahlbeschränkung liegt danach vor, wenn der Zugang zu einer Tätigkeit verwehrt wird, die sich als eigenständiges abgrenzbares Berufsbild darstellt. Vgl. BVerfGE 17,232 (241); 54, 301 (314); 75, 284

(292~.

Ähnlich auch OsthojJ, S.142 f. Die ,,3. Liga" setzt sich zusammen aus den Regionalligastaffeln Süd, West/Südwest, Nord und Nordost. 1

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1. Kapitel: Das Lizensierungssystem

101

Zuschauerzuspruch erzielt werden. Man wird abwarten müssen, wie sich die Öffentlichkeitsakzeptanz für die Regionalligen entwickelt, bisher jedenfalls konnte die Einfiihrung dieser Ligen nur bedingt dazu beitragen, die Lücke zwischen Lizenzfußball und Amateurfußball zu schließen. Ein Blick auf die Zuschauerzahlen mag dies verdeutlichen: Während die Spiele der Regionalligen in der Saison 1994/95 durchschnittlich von 1. 741 Zuschauern besucht wurden, sahen die Spiele der 1. Bundesliga durchschnittlich 27.845 Zuschauer. 17 Nach alledem bleibt festzuhalten, daß sich die Lizenzspielertätigkeit deutlich von der Spielertätigkeit im Amateuerbereich abgrenzen läßt. Das Lizenzerfordernis des DFB kommt daher einer Berufswahlbeschränkung gleich,18 die nur unter den genannten engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann. In Anlehnung an die Terminologie des BVerfG beutet dies: Rechtmäßig ist das Lizensierungssystem nur dann, wenn seine Regelungen zum Schutz besonders wichtiger Schutzgüter zwingend erforderlich sind. 2. Die generelle Befugnis des DFB zum Erlaß des Lizensierungssystems Bevor nun erörtert werden kann, ob die konkrete Ausgestaltung des Lizensierungssystems den dargestellten Anforderungen entspricht, soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob der DFB überhaupt die Kompetenz besitzt, ein Lizensierungssystem zu erlassen. Strenggenommen ist diese Frage bereits im "Allgemeinen Teil" dieser Arbeit positiv beantwortet worden, denn dort wurde festgestellt, daß der DFB als rechtsetzende Instanz berechtigt ist, auch grundrechtsrelevante Bereiche durch Satzung zu regeln. 19 Wenn die Frage an dieser Stelle nun ein zweites Mal aufgegriffen wird, dann deshalb, weil - der grundsätzlichen Anerkennung einer Regelungsbefugnis des DFB zum Trotz - vertreten wird, daß diese Befugnis des DFB ende, sobald der Bereich der Berufswahl betroffen sei. 20 Eine derartige Sichtweise erscheint inkonsequent. Wenn man die Eingriffsbefugnis eines privatrechtlichen Verbandes grundsätzlich bejaht, dann ist es nur folgerichtig, ihm auch die Befugnis zuzusprechen, sämtliche grundrechtsrelevanten Bereiche selbständig zu regeln. Dies muß im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG schon deshalb gelten, weil sich regelmäßig kaum abschließend feststellen lassen wird, ob eine Maßnahme noch als Berufsausübungsregel zu qualifizieren ist oder ob sie bereits den Bereich der Berufswahl tangiert. Dies ist nicht Vgl. Kicker-Sonderheft, B\llldesliga 1995/96, S. 149, 169. So auch Westermann, Die Verbandsstrafgewalt, S.92; Becker, S.87; Osthoff, S. 133; differenzierend Weiland, S.296. 19 Vgl. AT, 3. Kapitel, II. dieser Arbeit. 20 So: Becker, S. 76 \lllter Hinweis auf BVerfGE 33, 125 ff. 17

18

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

zuletzt am Beispiel des Lizenzspielerberufs erneut bestätigt worden. Sinnvoll und konsequent erscheint es daher vielmehr, dem Grundrecht der Berufsfreiheit durch eine systemgerechte Anwendung der "Dreistufentheorie" Rechnung zu tragen, wie es hier erfolgt. Nur auf diesem Wege ist es möglich, unzulässige Beschränkungen der Berufswahlfreiheit zu verhindern, ohne die angesprochenen Verluste an Rechtssicherheit hinnehmen zu müssen. Nach der hier vertretenen Ansicht besitzt der DFB also die generelle Befugnis, auch ein berufswahlbeschränkendes Lizensierungssystem zu erlassen. 21 3. Die konkrete Befugnis des DFB zum Erlaß des Lizensierungssystems Nachfolgend wird nun zu prüfen sein, ob die konkrete Ausgestaltung des Lizensierungssystems mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit im Einklang steht. Dazu sind die in § 12 des Lizenzspielerstatuts statuierten Zulassungsvoraussetzungen auf ihre Rechtrnäßigkeit hin zu untersuchen. In diesem Zusammenhang sei nochmals erwähnt, daß sämtliche dieser Bestimmungen den Anforderungen an eine Berufswahlschranke genügen müssen. Die entgegenstehende Ansicht Weilands,22 der einzelne Bestimmungen dem Bereich der Berufsausübung zuschlägt, kann nicht überzeugen, da die Spielerlizenz nur bei dem Vorliegen aller Voraussetzungen erteilt wird. Da das Fehlen auch nur einer Voraussetzung den Spieler an der Ergreifung des Lizenzspielerberufs hindert, sind die Bestimmungen des § 12 des Lizenzspielerstatuts zwingend als einheitliche Berufswahlschranke zu betrachten. 23 Selbstverständlich hindert eine derartige einheitliche Betrachtung nicht daran, die unterschiedliche Eingriffsintensität der jeweiligen Bestimmungen entsprechend zu berücksichtigen. So sind die Bestimmungen des § 12 a) l. Hs. (schriftlicher Antrag), § 12 d) (Krankenversicherung fiir die Zeit der Vertragsdauer) und § 12 t) (Nachweis der bisherigen Tätigkeit) bereits deshalb zulässig, weil sie als formale Ordnungsvorschriften unterhalb der Eingriffsschwelle stehen. Zu diskutieren bleiben folgende Bestimmungen: § 12 a) (Vorlage eines Arbeitsvertrages), § 12 b) (Vollendung des 18. Lebensjahres), § 12 c) (Sporttauglichkeit), § 12 e) (Erfüllung bestehender Verpflichtungen gegenüber dem DFB). Der § 12 a 2. Hs. des Lizenzspielerstatuts fordert die "Vorlage eines unter dem Vorbehalt der Lizenzerteilung abgeschlossenen Arbeitsvertrages mit 21 Wie hier im Ergebnis auch H. P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt, S.93 f. 22 23

Weiland, S.296. So auch Becker, S. 87, der sich ebenfalls gegen die Ansicht Weilands wendet.

1. Kapitel: Das Lizensierungssystem

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einern Verein der Lizenzliga". Angesichts des Umstandes, daß ein Spieler ohnehin nur dann arn Spielbetrieb der Bundesligen teilnehmen kann, wenn er einen Lizenzverein findet, der ihn unter Vertrag nimmt, reduziert sich auch der Eingriffsgehalt dieser Bestimmung auf den einer bloßen Ordnungsvorschrift. Sollte der Spieler nämlich keinen Verein finden, so scheitert sein Einstieg in den bezahlten Fußball nicht erst an dem Lizenzerfordernis des DFB, sondern bereits an der mangelnden Abschlußbereitschaft der arbeitgebenden Vereine. 24 Eine andere Wertung wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn die Vereine ihrerseits das Vorliegen einer Lizenz des DFB zur Bedingung für den Abschluß des Arbeitsvertrages machen sollten, etwa um sicherzugehen, daß der Spieler tatsächlich eingesetzt werden kann. Der Spieler befände sich in diesem Fall in einern "Teufelskreis", der im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu seinen Gunsten durchbrochen werden müßte. Da die Vereine jedoch gehalten sind, die Arbeitsverträge unter dem Vorbehalt der Lizenzerteilung zu schließen25, entspricht das beschriebene Vorgehen nicht der gängigen Praxis. Die Bestimmung des § 12 a) des Lizenzspielerstatuts ist daher mit dem Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. In § 12 b) des Lizenzspielerstatuts, wird weiter die "Vollendung des 18. Lebensjahres" zur Voraussetzung für die Lizenzerteilung gemacht. In die gleiche Richtung zielt die Bestimmung des § 12 c), die den Nachweis der "Sporttauglichkeit" des Spielers fordert. Beide Regelungen dienen offensichtlich dem Zweck, Spieler, die den Belastungen des Lizenzfußballs nicht gewachsen sind, sei es aus gesundheitlichen Gründen, sei es aus Gründen der körperlichen und geistigen Entwicklung, präventiv vorn Bundesligaspielbetrieb auszuschließen. Unter Hinweis auf den Umstand, daß es an einern Eingriff fehle, da diese Regelungen vornehmlich dem Schutz des Bewerbers dienten, wird die Zulässigkeit dieser Zugangsvoraussetzungen in der Literatur26 einhellig und bedenkenlos akzeptiert. Dieser Betrachtungsweise isi im Ergebnis zuzustimmen, doch kann die angesprochene Argumentation nicht überzeugen. Auch wenn die Regelungen zum Schutz der Bewerbers erlassen worden sind, was freilich nicht bezweifelt werden soll, so entziehen sie dem Bewerber dennoch das Recht, über seine Sporttauglichkeit selbständig zu entscheiden. Entgegen der Ansicht insbesondere Osthoffs27 kann der Eingriffscharakter dieser Regelungen daher nicht geleugnet werden. Wie erwähnt, kommt allerdings auch die hier vertretene Betrachtungsweise zu einern ebenfalls positiven Ergebnis, allerdings allein deshalb, weil der Grundrechtseingriff im Hinblick auf Zweck und Mittel den eingangs dargestellten 24 Osthoff, S.138. 25 Vgl. dazu § 10 des Musterarbeitsvertrages. 26 Vgl. Becker, S.99 f; Westermann, Die Verbandsstrafgewalt, S. 94 f; Weiland, S. 297; Osthoff, S. 137. 270sthoff, S. 137.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Anforderungen entspricht. So bestehen gegen den verfolgten Zweck, ungeeignete Bewerber vorn Spielbetrieb der Bundesligen auszuschließen, schon deshalb keine Bedenken, weil diese Maßnahme der Gesundheit der Spieler und letztlich auch dem Ansehen des Sports dient. Hinzu kommt, daß diese Regelungen dazu beitragen, untaugliche Spieler davor zu bewahren, aufgrund der finanziellen Verlockungen des Profifußballs ihren bürgerlichen Beruf aufzugeben, um dann im Falle einer Fehleinschätzung ihres eigenen gesundheitlichen Zustandes "auf der Straße" zu stehen. Zulässig sind auch die Mittel, die der DFB zur Durchsetzung dieser Ziele verwandt hat. Legt man nämlich den Begriff der "Sporttauglichkeit" verfassungskonforrn aus und beschränkt die Sporttauglichkeitsprüfung allein auf gesundheitliche Aspekte, wie es der DFB praktiziert, so bestehen in Hinblick auf Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit dieses Mittels keine Bedenken. Gleiches gilt für das Erfordernis der Volljährigkeit nach § 12 b) des Statuts. Regelmäßig wird man davon ausgehen können, daß ein minderjähriger Spieler nicht die körperliche und geistige Reife besitzt, um den rauhen Anforderungen des Lizenzfußballs standhalten zu können. Im Hinblick auf die Erforderlichkeit dieser Zulassungsschranke bleibt allenfalls zu diskutieren, ob nicht die Regelung mit einern Erlaubnisvorbehalt etwa für 16jährige Spieler versehen werden müßte. Beobachtet man nämlich die Entwicklung der letzten Jahre, so fällt auf, daß doch immer wieder junge Spieler hervortreten, die trotz ihres jugendlichen Alters in der Lage sind, auch in den Lizenzligen zu überzeugen. 28 Da jedoch das Lizenzspielerstatut grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, unter anderem Status auch minderjährige Spieler in den Lizenzligen einzusetzen,29 erscheint eine derartige Regeländerung nicht geboten. In § 12 e) des Lizenzspielerstatuts wird schließlich "die Erfüllung bestehender Verpflichtungen gegenüber dem DFB, seinen Mitgliedsverbänden und Vereinen" zur Voraussetzung für eine Lizenzerteilung gemacht. Gegen die Zulässigkeit dieser Regelung sind in der Literatur zwar vereinzelt leise Bedenken geäußert worden, im Ergebnis jedoch hat niemand die Zulässigkeit dieser Vorschrift ernsthaft bezweifelt. 30 Schließlich sei es "das legitime Interesse des DFB, nur solchen Bewerbern die Lizenz zu erteilen, die ihren Verpflichtungen gegenüber dem DFB bzw. seinen Mitgliedsverbänden und Vereinen nachgekommen sind".3! Die allgemeine Akzeptanz dieser Regelung verwundert 28 Verwiesen sei insbesondere auf die Dortmunder Spieler Lars Ricken und Ibrahirn Tanko, die in der Saison 1994/95 als 18- bzw. 17-jährige sogar im EuropäischenPokalwettbewerb eingesetzt worden sind. 29 Vgl. dazu die Regelungen der § 26 b) Nr. 1 i.Y.m. § 26 b) Nr. 5 des Lizenzspielerstatuts. 30 Vgl. Osthoff, S.138; Becker, S. 100; Weiland, S. 298. 310sthoff, S. 138.

1. Kapitel: Das Lizensienmgssystem

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insbesondere deshalb, weil auch die genannten Autoren erkennen, daß hier eine Voraussetzung aufgestellt worden ist, deren Ursprung "außerhalb des eigentlichen Lizensierungsvorganges" liegt.32 Da diese Regelung aber dennoch "sachlich gerechtfertigt,,33 sei, bestünden gegen ihre Zulässigkeit keine Bedenken. Diese Betrachtungsweise kann nicht geteilt werden. Nimmt man nämlich die Aussagen ernst, die das BVerfG im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Berufswahlbeschränkung getroffen hat, so kann es kaum ernsthafte Zweifel geben, daß § 12 e) des Lizenzspielerstatuts diesen Anforderungen nicht genügt. Zur Erinnerung: Eine subjektive Berufswahlbeschränkung, wie sie hier vorliegt, ist nur zulässig, soweit sie zum Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter zwingend erforderlich ist. 34 Welches sollen nun die besonders wichtigen Rechtsgüter sein, die diese Regelung schützen soll? Seitens des DFB wird man sich kaum darauf berufen können, die Regelung solle zur Sicherung der Sauberkeit des Sports den Ausschluß säumiger Schuldner vom Spielbetrieb der Bundesligen gewährleisten. Richtigerweise kann der Sinn der Regelung nur darin liegen, dem DFB - wie Weiland35 es formuliert hat - "ein wirksames und adäquates Druckmittel" in die Hand zu geben, um finanzielle Interessen durchsetzen zu können. Zweifellos hat auch der DFB ein berechtigtes Interesse an der Erfüllung ausstehender Finanzforderungen. Ob jedoch im Falle der Nichtleistung des einzelnen Lizenzspielers ein "besonders wichtiges Rechtsgut" i. S. d. Dreistufentheorie gefahrdet ist, muß stark bezweifelt werden. Schließlich wird von der Eintreibung einer Vertragsstrafe kaum das wirtschaftliche Überleben des DFB abhängen. Doch auch wenn man den verfolgten Zweck für zulässig hält, ist eines zumindest sicher: Die beanstandete Regelung ist keinesfalls "zwingend erforderlich", um diese Interessen durchzusetzen, denn auch dem DFB bleibt als milderes Mittel die Möglichkeit, seine Forderungen auf gerichtlichem Wege einzuklagen. Angesichts der Bedeutung des Art. 12 GG wird sich der DFB diesem Argument auch nicht durch einen Hinweis auf die lange Dauer gerichtlicher Verfahren entziehen können. Nicht zuletzt im Hinblick auf den zudem nötigenden Charakter der Regelung, die den Spieler dazu veranlassen könnte, auch unberechtigte Forderungen des DFB zu bezahlen, nur um die ggf. sogar existenznotwendige Lizenz zu erhalten, kann das Ergebnis der Interessenabwägung nur lauten, daß die Regelung des § 12 e) des Lizenzspielerstatuts nicht mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit zu vereinbaren ist. Die Regelung ist damit nichtig und folglich nicht anwendbar. 32 So: Becker, S. 100; 33 Becker, S. 100. 34

35

Weiland, S. 298.

Vgl. BVerfGE 7, 405 (408). Weiland, S. 298.

Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

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III. Der Lizenzerteilungsanspruch im Rahmen des bestehenden Lizensierungssystems In dem vorangegangenen Abschnitt ist das Lizensierungssystem des DFB einer Inhaltskontrolle im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG unterzogen worden. Ihren Sinn erfüllt eine derartige Inhaltskontrolle allerdings nur dann, wenn zudem jegliches Ermessen des DFB über die Lizenzerteilung ausgeschlossen wird, sobald ein Bewerber die Aufnahmevoraussetzungen erfüllt hat. Sollte der DFB nämlich die Möglichkeit haben, nach eigenem Ermessen auch solche Bewerber abzulehnen, die sämtliche der normierten Voraussetzungen erfüllt haben, so könnte er gewissermaßen durch die Hintertür die Wirkungen der Inhaltskontrolle wieder aushebeln, indern er z.B. auch unwirksame Klauseln zur Grundlage seiner Ablehnungsentscheidung macht. Anders ausgedrückt stellt sich damit die Frage, ob dem Bewerber, der sämtliche der normierten Aufnahrnevoraussetzungen erfüllt hat, ein Anspruch auf Lizenzerteilung zusteht. Sollte diese Frage positiv beantwortet werden, wird weiter zu fragen sein, ob im Einzelfall sogar der Bewerber einen Aufnahmeanspruch haben kann, der einzelne dieser Voraussetzungen nicht erfiillt. Bevor man nun geneigt sein könnte, sich allzuschnell fiir einen derartigen Lizenzerteilungsanspruch auszusprechen, sei eine grundsätzliche Bemerkung vorweggeschickt: Nach dem deutschen Recht haben privatrechtliche Vereine prinzipiell die uneingeschränkte Befugnis, ihren Mitgliederbestand selbständig und frei auszuwählen. Eine Aufnahmepflicht besteht daher regelmäßig nicht. 36 Ebenso unbestritten wie dieser Grundsatz der Privatautonomie ist allerdings auch die Überzeugung, das.es unter bestimmten Voraussetzungen geboten sein kann, diesen Grundsatz zugunsten eines Aufnahmeanspruchs zu durchbrechen. 37 Ob eine derartige Ausnahme im Falle des DFB geboten ist, sollen die nachfolgenden Ausfiihrungen zeigen. Abschließend sei in diesem Zusammenhang noch auf die Mahnung Weilands38 verwiesen, der nicht ohne Grund ausgefiihrt hat, daß allgemeine Erwägungen bezüglich der Monopolstellung des DFB nicht ausreichen könnten, um einen derartigen Aufnahmeanspruch zu begründen; erforderlich sei vielmehr auch hier eine konkrete Fundierung dieses Anspruchs. Diese Selbstverständlichkeit wurde in der Vergangenheit leider viel zu oft verdrängt.

Vgl. BGR NJW 69,316 (317); Palandt-Heinrichs, § 25 Rn 10; Weiland, S. 266. Vgl. Bunneister DÖV 1978, 1 (6). 38 Weiland, S. 266.

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1. Kapitel: Das Lizensierungssystem

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1. Der Lizenzerteilungsanspruch bei Erfüllung sämtlicher Aufnahmevoraussetzungen Bevor untersucht werden muß, ob ein gesetzlicher Aufnahmeanspruch gegen den DFB besteht, ist zu prüfen, ob sich ein derartiger Anspruch nicht bereits aus dem Lizenzspielerstatut selbst ergibt. a) Der Lizenzertei/ungsanspruch auf der Grundlage des Lizenzspielerstatuts

Zurückgehend auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts39 ist allgemein anerkannt, daß sich ein Aufnahmeanspruch bereits aus der Vereinssatzung selbst ergeben kann, wenn die diesbezüglichen Satzungsbestimmungen einen entsprechenden Bindungswillen erkennen lassen. Einen ausdrücklich statuierten Aufnahmeanspruch enthält der einschlägige § 12 des Lizenzspielerstatuts nicht. Um dennoch einen derartigen Anspruch annehmen zu können, müßte sich ein entsprechender Bindungswille des DFB im Wege der Auslegung ermitteln lassen. Die Anhaltspunkte für einen derartigen Selbstbindungswillen des DFB sind allerdings gering. Für einen entsprechenden Verpflichtungswillen könnte allenfalls die umfassende und detaillierte Ausgestaltung der Aufnahmevoraussetzungen sprechen, doch ist diese Art der Ausgestaltung wohl mehr ein Indiz für eine sorgsame Auswahl der Bewerber als für eine selbst auferlegte Aufnahmeverpflichtung. Hinzu kommt, daß im Rahmen dieser Problematik ohnehin eine restriktive Auslegung der Satzungsbestimmungen erforderlich ist, da für einen Verein regelmäßig keine Veranlassung bestehen wird, sich gegenüber potentiellen Mitgliedern selbst zu binden. Zieht man schließlich noch die Ausgestaltung des § 26 a) des Lizenzspielerstatuts, der einen Anspruch auf die Erteilung der Spielererlaubnis statuiert, zum Vergleich heran, so kann es kaum einen Zweifel geben, daß sich aus § 12 des Lizenzspielerstatuts ein solcher Anspruch nicht ableiten läßt. Während § 12 des Statuts nämlich lediglich von den "Voraussetzungen für den Abschluß des Lizenzvertrages" spricht, heißt es in § 26 a) des Statuts unmißverständlich: "Dem Antrag [auf Erteilung der Spielererlaubnis] ist unverzüglich stattzugeben, wenn... ". Hätte der DFB tatsächlich auch in § 12 des Lizenzspielerstatuts einen gebundenen Anspruch statuieren wollen, so hätte er sich wohl auch dort der Formulierung des § 26 a des Statuts bedient. Aus dem

39 RGZ 47, 76 (79); 62, 303 (307 f); später auch BGH NJW 1969, 316; Pa1andtHeinrichs, § 25 Rn 10.

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Besonderer Teil: Einzelne Problem1agen

Lizenzspielerstatut selbst läßt sich ein Anspruch auf Lizenzerteilung also nicht ableiten. 40 Was bleibt, sind mögliche gesetzliche Ansprüche. b) Der Lizenzertei/ungsanspruch auf der Grundlage einfachgesetzlicher Regelungen

Im deutschen Recht wird man vergeblich nach spezialgesetzlichen Ansprüchen auf Zugang zu Verbänden im allgemeinen und zu Sportverbänden im besonderen suchen. Da jedoch weitestgehende Einigkeit darüber besteht, daß es insbesondere im Bereich der Monopolverbände geboten sein kann, dem einzelnen Bewerber einen Aufnahmeanspruch zuzubilligen, sind verschiedene Versuche unternommen worden, einen derartigen Aufnahmeanspruch auf die gegebenen Normen des Zivilrechts zu stützen. An erster Stelle wird in diesem Zusammenhang regelmäßig auf § 826 BGB als Anspruchsgrundlage zurückgegriffen. 41 Obwohl als Schadensersatzanspruch konzipiert, soll diese Norm einen Aufnahmeanspruch gegen Vereine mit Monopolstellung ermöglichen, sobald die Verweigerung der Aufnahme nach Abwägung der gegenläufigen Interessen als "sittenwidrige Schädigung" zu werten sei. An zweiter Stelle wird - auch im Bereich des Sports42 - immer wieder § 27 GWB als Anspruchsgrundlage herangezogen. 43 Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann die Kartellbehörde die Aufnahme eines Unternehmens in eine Berufsvereinigung anordnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellt und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb fuhrt. Als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB begründe diese Norm in Analogie zu § 1004 BGB allerdings auch einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Aufnahme gegen den Verband. 44 So sehr man gewillt sein mag, den sicherlich sinnvollen Aufnahmeanspruch als Ergebnis der dargestellten Lösungsansätze zu akzeptieren, so stark sind die Bedenken gegen dessen dogmatische Herleitung. Die Anwendbarkeit des § 27 GWB scheidet im Berufsfußball bereits deshalb aus, weil der Fußballspieler kein Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift ist. 45 Mag die UnternehSo auch: Weiland, S. 269; Becker, S. 90. Vgl. BGH NJW 1969, 316 (317). 42 Vgl. den Beschluß des BWldeskartellamtes vom 3.5.1961 (BKA BB 1961,657 f), in dem einem Berufsboxer auf der Grundlage des § 27 GWB ein Aufuahmeanspruch in den BWld Deutscher Berufsboxer (BDB) zuerkannt wurde. 43 Vgl. z.B. BGHZ 29, 344. 44 Vgl. BGH NJW 1969, 316 (317); NJW 1975, 770 (771). 45 So auch Weiland, S. 272; Becker, S. 92; vgl. auch die Ausfühnmgen im AT, 4. Kapitel, 11., 2., b) dieser Arbeit. 40

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1. Kapitel: Das Lizensierungssystem

109

mereigenschaft eines Berufsboxers noch zu bejahen sein, wie es in einem Beschluß des Bundeskartellamtes geschehen ist,46 so fehlt es im Falle des Berufsfußballers zumindest an der Ausübung einer "selbständigen" Tätigkeit, wie sie für die Annahme der Untemehmereigenschaft erforderlich ist. 47 Aufgrund des speziell kartellrechtlichen Charakters des § 27 GWB ist - so die allgemeine Meinung48 - auch eine analoge Anwendung dieser Norm abzulehnen. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 826 BGB muß bezweifelt werden, ob es sich bei einem Aufnahmeanspruch tatsächlich um einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch handeln kann, oder ob nicht die Einordnung als quasi-negatorischer Unterlassungsanspruch richtiger wäre. 49 Weiter gilt es zu bedenken, daß die Anwendbarkeit des § 826 BGB mangels "Vorsätzlichkeit" der Schädigung strenggenommen bereits dann ausscheidet, wenn der Verband die Verweigerung der Aufnahme irrtümlich als erlaubt angesehen hat. 50 Einen umfassenden Aufnahmeanspruch könnte § 826 BGB daher nur im Wege einer - unzulässigen - Verkürzung des Tatbestandes bieten. Die nicht zu übersehenden Schwächen der dargestellten Anspruchsgrundlagen sind selbstverständlich auch dem BGH nicht verborgen geblieben, und so hat er sich in der sog. Rad- und Kraftfahrerbund-Entscheidung vom 2.12.1974 zu einer, so Nicklisch51 , mutigen und konsequenten Rechtsfortbildung entschlossen: Die Frage, ob und inwieweit ein Monopolverband einem Aufnahmezwang unterworfen ist, sei nach einer "an die Vorschrift des § 826 BGB und an die Tatbestandselemente des § 27 GWB angelehnten Formel zu bestimmen".52 Ein Aufnahmezwang besteht danach immer dann, wenn die Ablehnung der Aufnahme zu einer "sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers ruhren" würde. 53 Ob die Voraussetzungen dieser Formel im Einzelfall erfiillt sind, entscheidet der BGH letztlich anband einer Abwägung zwischen den "berechtigten Interessen des Bewerbers an der Mitgliedschaft" und den Interessen "des Monopolverbandes an der Geltung der Aufnahmebeschränkungen".54

Vgl. BKA BB 1961,657 f. 47 Nach ständiger RechtsprechWlg des BGH ist Unternehmer, wer "eine selbständi46

ge, nicht rein private Wld außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit..." vollbrin,f. Vgl. BGHZ 36, 91 (102); 52, 65 (66). Vgl. Nicklisch, JZ 1976, 105 (107); Becker, S. 92; Weiland, S. 272. 49 So die Bedenken Nicklischs JZ 1976, 105 (107). ~ Vgl. Becker, S. 93. SI Nicklisch JZ 1976, 105 (106). S2 BGHZ 63, 282 (285). S3 BGHZ 63, 282 (285). S4 Vgl. BGHZ 63, 282 (285).

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Mit dieser Entscheidung hat sich der BGH also offensichtlich von einer formal-dogmatischen Begründung des Aufnahmeanspruchs abgewandt und ihn auf eine bloße Interessenabwägung reduziert. Eine derartige Interessenabwägung entspricht eben der Idee, die mit der Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB verfolgt wird, denn auch nach dieser Ansicht sind die Rechte und Pflichten der Spieler unmittelbar aus deren Individualrechten abzuleiten. Konkret ist damit fraglich, ob ein Aufnahmeanspruch gegen den DFB auch auf die Grundrechte gestützt werden kann. Sollten die Grundrechte einen derartigen Aufnahmeanspruch dogmatisch ermöglichen, so könnte ohne jede Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung geprüft werden, ob die "berechtigten Interessen des Bewerbers an der Mitgliedschaft" die Interessen "des Monopolverbandes an der Geltung der Aufnahmebeschränkungen" überwiegen. c) Der Lizenzerteilungsanspruch auf der Grundlage der Grundrechte

Als Grundlage :fiir einen grundrechtlich gewährten Aufnahmeanspruch kommt in erster Linie Art. 12 Abs. 1 GG, in zweiter Linie allerdings auch Art. 9 Abs. 1 GG55 in Betracht. Wenn es nun um die Prüfung eines grundrechtlich gewährleisteten Aufnahmeanspruchs geht, ist zunächst fraglich, ob die Dogmatik der Grundrechte einen derartigen Anspruch überhaupt ermöglicht. Es mag überraschen, daß diese Frage Probleme aufwirft, schließlich sind es doch regelmäßig die Grundrechte, die für die erforderliche Interessenabwägung im Rahmen des Aufnahmeanspruchs herangezogen werden. 56 Zu bedenken gilt es allerdings, daß diese Interessenabwägung im Regelfall an einem "formal-dogmatischen Aufhänger,,57 festgemacht wird, sei es an § 826 BGB oder an einer sonstigen Norm des Zivilrechts. Die Theorie vom gesetzesvertretenden Privatrecht des DFB hingegen verzichtet auf eine - ohnehin nicht vorhandene - einfachgesetzliche Anspruchssgrundlage und bezieht sich direkt auf die Grundrechte. Deshalb hier die vorangestellte Frage, ob ein Aufnahmeanspruch direkt auf die Grundrechte gestützt werden kann. Daß die Grundrechte in ihrer herkönunlichen Funktion bloße Abwehrrechte gegen den Staat darstellen, ist bereits erwähnt worden. Daß sich diese Abwehrfunktion nach dem hier vertretenen Verständnis zudem auch gegen Pri55 So, wenn man aus Art. 9 Abs. I GG nicht nur das Recht ableitet, Vereinigungen zu bilden, sondern auch das Recht, bereits bestehenden Vereinigungen beizutreten. Vgl. Nicklisch JZ 1976, 105 (109); Maunz in: MD, Art. 9 Rn. 16. 56 Vgl. z.B. BGH JZ 1973, 167; unter ausdrücklicher Hervorhebung der Grundrechte. 57 Nicklisch JZ 1976, 105 (107).

1. Kapitel: Das LizensiefWlgssystem

111

vate und insbesondere den DFB richtet, ist ebenfalls festgestellt worden. Daß die Grundrechte neben dieser Abwehrfunktion auch eine Leistungs- bzw. Teilhabefunktion erfiillen können, und darum geht es bei einem Aufnahmeanspruch, ist bisher allerdings noch nicht belegt worden. Inhaltlich geht es dabei um die umstrittene Umdeutung der Grundrechte zu Leistungs- und Teilhabeansprüchen, in deren Rahmen die Natur des Aufnahmeanspruchs zunächst exakt zu bestimmen ist: Wie soeben angedeutet worden ist, wird im Hinblick auf die anspruchsbegründende Funktion der Grundrechte zwischen den sog. Leistungsansprüchen und den sog. Teilhabeansprüchen unterschieden. Bei den Leistungsansprüchen im eigentlichen Sinne geht es um die Frage, ob aus den Freiheitsrechten eine originäre Leistungspflicht des Staates abgeleitet werden kann. Regelmäßig wird dabei eine Pflicht zur Erbringung von Geldleistungen gefordert werden, wie sie bisher nur in den Ausnahmefällen der Sicherung des Existenzminimums und der Privatschulsubventionierung anerkannt worden ist. 58 Eine derartiges Leistungsverlangen steht bei der Aufnahmeproblematik allerdings nicht im Vordergrund. Dem Spieler geht es nicht primär um eine Leistung des Verbandes, sondern vornehmlich um die Teilnahmemöglichkeit an dem Spielbetrieb der Lizenzligen des DFB. Bei dem Aufnahmeanspruch kann es sich folglich nur um einen Teilhabeanspruch handeln. Innerhalb der Teilhabeansprüche ist eine weitere Differenzierung erforderlich. Unterschieden wird dort zwischen "originären" und "derivativen" Teilhabeansprüchen. Bei dem originären Teilhabeanspruch geht es um die Frage, ob aus den Grundrechten Ansprüche auf Teilhabe an staatlichen Leistungen auch in den Fällen abgeleitet werden können, in denen die Voraussetzungen fiir die Verwirklichung dieser Ansprüche erst noch geschaffen werden müssen. Bei dem derivativen Teilhabeanspruch hingegen geht es um die Rechte der Bürger auf gleiche Teilhabe an Leistungen, die der Staat bereits gewährt. Überträgt man diese Unterscheidung auf den Bereich des DFB, so ist unschwer erkennbar, daß der Aufnahmeanspruch des Spielers der zweiten Gruppe zugehörig ist. Gefordert wird schließlich nicht die Schaffung neuer Lizenzligen oder sonstiger Verbandseinrichtungen, sondern lediglich der Zugang zu dem bestehenden Spielbetrieb, mithin die Teilhabe an Leistungen, die der DFB bereits gewährt. Während gegenüber dem originären Teilhabeanspruch - trotz der grundsätzlichen Anerkennung eines derartigen Grundrechtsverständnisses durch das BVerfG59 - größte Zurückhaltung geübt wird, ist der hier einschlägige deriva58 Vgl. dazu die RechtsprechWlg des BVerwG: BVerwGE 23, 347 (350); 27, 360 (362); BVerwG NJW 1985, 339. 59 Vgl. die sog. Numerus-c1ausus-EntscheidWlg des BVerfG vom 18. Juli 1972, BVerfGE 33, 303 (330 fl).

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

tive Teilhabeanspruch in Rechtsprechung und Literatur unbestritten. Der Grund für diese uneingeschränkte Anerkennung liegt in dem Umstand, daß sich dieser Anspruch - im Gegensatz zum originären Teilhabeanspruch, der deutlich in den Bereich des reinen Leistungsanspruchs hineinragt - nicht wesentlich von herkömmlichen Grundrechtsansprüchen unterscheidet: Wird nämlich eine Person in bestehenden Leistungssystemen nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt und ist die darin liegende Differenzierung gegenüber den in das System einbezogenen Personengruppen mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG unvereinbar, so kann sich aus diesem Grundrecht - in Verbindung mit dem einschlägigen Freiheitsrecht - ein Anspruch auf gleiche Teilhabe ergeben. 60 Festzuhalten bleibt damit, daß es die Grundrechtsdogmatik ennöglicht, einen Aufnahmeanspruch gegen den DFB unmittelbar auf die Grundrechte zu stützen. 61 Am Rande sei abschließend noch bemerkt, daß auch die vielzitierte Fonnel des BGH letztlich nicht mehr enthält als die hier vorgenommene Verbindung des Gleichheitssatzes ("sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung") mit der Wertung eines Freiheitsrechts ("unbillige Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers"). Nachdem nun die dogmatische Grundlagen des Aufnahmeanspruchs eingehend dargelegt worden sind, bereitet die anschließende Prüfung, ob ein derartiger Anspruch gegen den DFB tatsächlich besteht, wenig Probleme. Schließlich sind die einschlägigen Abwägungsfaktoren bereits mehrfach angeklungen: Auf der einen Seite steht ein Sportler, der auf die Zulassung des DFB zwingend angewiesen ist, um seinen Beruf ausüben zu können. Ein Bewerber also, der sich auf das verfassungsrechtlich garantierte Recht der Berufswahl stützen kann, und der sämtliche der statuierten Aufnahmevoraussetzungen des DFB erfüllt hat, nach denen bereits hunderte von Bewerbern aufgenommen worden sind. Auf der anderen Seite steht ein Monopolverband, der unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist, dessen Interessen ausreichend durch die statuierten Aufnahmevoraussetzungen des Lizenzspielerstatuts geschützt werden, und dessen innerverbandliche Funktionsfahigkeit - soviel zur möglichen Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs - nicht einmal betroffen wird, da ein aufgenommener Lizenzspieler keine mitgliedschaftlichen Stimmrechte erhält. Ein angemessener Ausgleich der Interessen kann bei einer derartigen Konstellation nur durch einen Aufnahmeanspruch des Spielers herbeigefiihrt werden, vor allem wenn man bedenkt, daß diese Lösung immerhin ein milderes Mittel darstellt als der sonst wohl erforderliche Entzug der Regelungsbefugnis desDFB. 60 Vgl. BVerfGE 45, 376 (386 ft), Lepa, Grundrechte, S. 17; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn 289. 61 So auch Weiland, S. 284.

1. Kapitel: Das Lizensierungssystem

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Im Ergebnis steht damit fest, daß der Spieler gemäß Art. 3 Abs. 1 GG i. Y.m. Art. 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Erteilung der Spielerlizenz gegen den DFB hat, sobald er sämtliche der in § 12 des Lizenzspielerstatuts statuierten Aufnahrnevoraussetzungen erfiillt. 2. Der Lizenzerteilungsanspruch bei fehlender Erfüllung sämtlicher Aufnahmevoraussetzungen Fraglich bleibt, ob im Einzelfall auch der Spieler einen Anspruch auf Erteilung einer Spielerlizenz haben kann, der nicht sämtliche der statuierten Aufnahmevoraussetzungen erfiillt. Beim ersten Nachdenken reUlt es schwer, sich eine Konstellation vorzustellen, bei der ein derartiger Aufnahmeanspruch gegeben sein könnte. Da nämlich bereits im Rahmen der Inhaltskontrolle die Zulässigkeit der Aufnahrnekriterien festgestellt wird, ist es kawn einzusehen, warum ein Bewerber, der diese Kriterien nicht erfiillt, trotzdem einen Aufnahmeanspruch haben sollte. Aus diesem Grunde verwundert es wn so mehr, daß der BGH in der "Rad- und Kraftfahrerbund-Entscheidung" einen derartigen Anspruch anscheinend anerkannt hat. Wörtlich heißt es dort: "Ein Aufnahmezwang kann aber trotz entgegenstehender Satzung bestehen, wenn... ". 62 Betrachtet man die Entscheidung allerdings genauer, so weicht die Verwunderung über diese Aussage der Erkenntnis, daß der BGH - wenn auch etwas mißverständlich - allein auf die Notwendigkeit einer umfassenden Inhaltskontrolle verwiesen hat. Der BGH hat sich nämlich keinesfalls dafür ausgesprochen, den Aufnahmeanspruch auch auf Fälle auszudehnen, in denen einzelne Satzungsbestimmungen dem Anspruch wirksam entgegenstehen. Die Entscheidung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, daß diese Satzungsbestimmungen im Einzelfall für unwirksam zu erklären sind, sobald sie einern rechtlich gebotenen Aufnahmeanspruch verhindern. Diese Deutung ergibt sich aus folgender Passage des Urteils: "Ist zwar das Verbandsinteresse an dem mit der Aufnahmebeschränkung verfolgten Zweck sachlich gerechtfertigt, wäre aber die Zurückweisung des Bewerbers für diesen eine unbillige Benachteiligung, so muß unter Umständen dem Monopolverband, soweit möglich und zurnutbar, angesonnen werden, den mit der Aufnahmebeschränkung verfolgten Zweck durch eine andere "mildere" Ausgestaltung dieser Satzungsbestimmung zu erreichen und auf diese Weise dem Bewerber den Zugang zu den Verbandsvorteilen zu eröffnen.,,63 Die zitierte Passage verdeutlicht, daß es

62 63

BGHZ 63, 282 (285). BGHZ 63, 282 (285 f).

8 PI.tb

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Besonderer Teil: Einzelne Problernlagen

allein darum geht, die bereits seit langem vorgenonunene Inhaltskontrolle64 auch auf solche Regelungen auszudehnen, die an sich sachlich gerechtfertigt sind, die jedoch nicht das mildeste Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwekkes darstellen. Angesichts der hier angenonunenen unmittelbaren Grundrechtsbindung des DFB ist dies im übrigen eine Selbstverständlichkeit, da jeder Grundrechtseingriff, der durch ein milderes Mittel erreichbar gewesen wäre, an der Erforderlichkeit des Eingriffs scheitern muß. So gesehen bleibt es also bei dem erwarteten Ergebnis, daß ein Aufnahmeanspruch inuner nur bestehen kann, sobald ein Bewerber sämtliche der wirksamen Aufnahmevoraussetzungen erfiillt hat. Dieses Ergebnis gilt auch für den Bereich des DFB.

IV. Ergebnis Das Lizenzerfordernis beschränkt die Berufswahlfreiheit der Lizenzspieler. Zwar besitzt der DFB grundsätzlich die Befugnis, auch die Berufswahl der Spieler zu beschränken, doch muß der entsprechende Eingriff zum Schutz besonders wichtiger Schutzgüter zwingend erforderlich sein. An einer derartigen Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs fehlt es bei der Regelung des § 12 e) des Lizenzspielerstatuts, in der "die Erfiillung bestehender Verpflichtungen gegenüber dem DFB ... " zur damit unzulässigen Voraussetzung für die Lizenzerteilung gemacht wird. Erfiillt ein Spieler sämtliche der in § 12 des Lizenzspielerstatuts wirksam statuierten Aufnahmevoraussetzungen, so hat er aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Erteilung der Spielerlizenz gegen den DFB.

64 Vgl. dazu BGH Urteil vom 14.11.1968 in: NJW 1969, 316; Urteil vom 28.11.1969 in: JZ 1970, 777; Urteil vom 11.5.1971 in: JZ 1972,490.

Zweites Kapitel

Die Beschränkung der Lizenzspielertätigkeit durch die Ausländerklauseln des DFB Die Problematik des folgenden Kapitels - die Problematik der Ausländerklausein - ist ohne Zweifel das am häufigsten behandelte Thema aus dem Kernbereich des Sportrechts, und es ist sicherlich auch das bislang bedeutsamste Thema aus diesem Bereich. Dafür stehen nicht nur die zahlreichen Aufsätze, die zu dieser Problematik verfaßt worden sind, sondern vor allem auch die drei "Sporturteile" des EuGH, die ebenfalls die Ausländerproblematik zum Gegenstand hatten. Die Frage nach der Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf den Sport ist insofern meistenfalls am Beispiel der Ausländerklauseln diskutiert worden, und so kam es, daß die Ausländerklauseln zu einem Streitfall mit erheblichem Symbolwert avancierten. Die Beharrlichkeit, mit der die europäischen Verbände an dem Fortbestand ihrer Ausländerklauseln festhielten, obwohl diese bereits seit Jahrzehnten im Kreuzfeuer der juristischen Kritik standen, erschien fast schon trotzig, und nach dem "Bosman"-Urteil wurde sogar öffentlich vermutet, es gehe dem DFB weniger um den sportlichen Nutzen der beanstandeten Klauseln, als vielmehr um die schlichte Verteidigung eigener Pfründel . Es mag sein, daß man den Vertretern des DFB mit einer derartigen Unterstellung Unrecht tut, doch stellt sich tatsächlich die Frage, warum so vehement an den Ausländerklauseln festgehalten wird. Welchen Zweck sollen diese Klauseln überhaupt erfüllen, und warum sollte man ausgerechnet im Sport auf derartige Regelungen angewiesen sein? Die Beantwortung dieser Fragen wird im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen stehen, wenn es später um die rechtliche ZuIässigkeit der Ausländerklausein gehen wird (11.). Zuvor jedoch soll die inhaltliche Ausgestaltung der DFB-AusländerklauseIn dargestellt werden (1.).

1 So

die FR vom 22.12.1995, S. 12.

116

Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

I. Die inhaltliche Ausgestaltung der Ausländerklauseln Von den sechziger Jahren an erließen zahlreiche nationale Fußballverbände Regeln, die die Möglichkeit der Vereine beschränkten, Spieler ausländischer Staatsangehörigkeit zu verpflichten oder in Wettkämpfen aufzustellen. Diese sogenannten Ausländerklauseln blieben bis zur Mitte der siebziger Jahre uneingeschränkt bestehen, bis sie dann Gegenstand des Verfahrens im Fall "Dona" waren. Trotz der nur zögerlichen Haltung des EuGH in diesem Verfahren kam es im Anschluß daran zu Verhandlungen zwischen den europäischen Fußballverbänden und der Kommission der Europäischen Gemeinschaft. Im Jahre 1978 verpflichtete sich die UEFA dann gegenüber dem Kommissar Davignon, die Beschränkungen hinsichtlich der Zahl der ausländischen Spieler, die ein Verein unter Vertrag nehmen kann, abzuschaffen. Zudem erklärte sich die UEFA bereit, die Zahl ausländischer Spieler, die an einem Spiel teilnehmen dürfen, auf zwei festzusetzen. 2 Nach weiteren Gesprächen mit Herrn Bangemann, dem Vizepräsidenten der Kommission, erließ die UEFA im Jahre 1991 die sogenannte ,,3 + 2" Regel. Nach dieser Regel durften die nationalen Verbände die Anzahl ausländischer Spieler, die im Spielbericht eingetragen werden können, auf nicht weniger als drei beschränken, zuzüglich zweier Spieler, die fünf Jahre ununterbrochen im Land des betreffenden nationalen Verbandes gespielt haben, davon drei Jahre in Juniorenmannschaften. Vom 1. Juli 1992 an sollte diese Regelung zunächst fiir die Vereine der ersten Ligen gelten. Bis zum Ende der Spielzeit 1996/97 sollte sie dann auf alle Nichtamateurligen ausgedehnt werden. Die entsprechende Regelung des DFB, der § 22 der DFB-Spielordnung, trat am 30. August 1994 in Kraft. Am 15. Dezember 1995 verkündete der EuGH dann seine Entscheidung im Fall "Bosman". Dort erklärte er jegliche Ausländerklauseln fiir rechtswidrig. Wörtlich hieß es: "Artikel 48 EWG-Vertrag steht der Anwendung von durch Sportverbände aufgestellten Regeln entgegen, nach denen die Fußballvereine bei den Spielen der von diesen Verbänden veranstalteten Wettkämpfe nur eine begrenzte Anzahl von Berufsspielern, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, aufstellen können .•0]

Eine Übergangsfrist hatte der EuGH zur Überraschung vieler Beobachter4 nicht eingeräumt, und so waren die betroffenen Verbände genötigt, schnell zu reagieren. Als erstes reagierte der holländische Verband, der seinen Vereinen 2 Die letztgenannte Beschränkung galt allerdings nicht für solche Spieler, die seit fünf Jahren im Gebiet des betreffenden Verbandes ansässig waren. 3 Urteil des EuGH vom 15.12.1995 - Rechtssache C-4l5/93 ,,Bosman", S.I-30. 4 So z.B. Rauball, Interview in WamS vom 24.09 1995, der Fristen "bis ins nächste Jahrtausend" erwartete.

2. Kapitel: Die Ausländerklauseln

117

eine Stunde nach Verkündung des Urteils mitteilte, daß ab sofort EUAusländer unbegrenzt eingesetzt werden dürften. In Deutschland tat man sich hingegen schwerer mit der Umsetzung der Urteils. Aus Sorge um eine mögliche Verzerrung des laufenden Wettbewerbs war man bestrebt, die bestehenden Regelungen in jedem Fall bis zum Ende der Spielzeit 1995/96 beizubehalten. Da sich allerdings auch der DFB durchaus bewußt war, daß man damit gegen geltendes Gemeinschaftsrecht verstoßen würde, suchte man nach anderen Wegen, um das geplante Vorhaben zu verwirklichen. Als geeigneter Weg wurde schließlich ein sogenannter "Solidarpakt" auserkoren, den die Präsidenten der 36 Bundesliga-Klubs am 7. Januar 1996 unterzeichneten. Mit dieser Vereinbarung - deklariert als "freiwillige Selbstbeschränkung" - einigten sich die Vereine darauf, bis zum Ende der Saison 1995/96 auch weiterhin nicht mehr als drei Ausländer in einem Punktspiel einzusetzen.

Am l. März 1996 beschloß der Ligaausschuß des DFB, die Ausländerbeschränkungen für alle Spieler aus den Staaten der EU und der EFT A aufzuheben. Später erweiterte der Ausschuß dann seine Entscheidung und beschloß, daß von der Saison 1996/97 an Spieler aus allen 49 Mitgliedsverbänden der UEFA in unbegrenzter Zahl eingesetzt werden dürften. Zudem dürfen maximal drei Spieler aus den Ländern eingesetzt werden, die nicht der UEF A angeschlossen sind. 5 Im Gegenzug zu dieser weitgehenden Freigabe wurde allerdings auch eine neue Beschränkung eingeführt, denn seit der Saison 1996/97 sind die Vereine dazu verpflichtet, mindestens zwölf deutsche Lizenzspieler unter Vertrag zu nehmen. 6 Nach der Grundkonzeption dieser Arbeit gilt es nun, diese aktuelle Regelung zu überprüfen. Da sich zur Zeit jedoch noch nicht absehen läßt, wie sich die Ausländerproblematik im Fußballsport weiterentwickeln wird, erscheint es wenig sinnvoll, die Prüfung nur auf diese konkrete Regelung zu beschränken. Untersucht wird daher in erster Linie die Zulässigkeit der Ausländerklauseln im allgemeinen. Auf die konkreten Ausgestaltungen dieser Klauseln wird nur insoweit eingegangen, als es deren Besonderheiten gebieten.

11.

Die rechtliche Zulässigkeit der Ausländerklauseln

Da die Zulässigkeit der Ausländerklauseln ein geradezu klassisches gemeinschaftsrechtliches Problem darstellt, soll vorrangig mit der Prüfung anhand des Art. 48 EGV begonnen werden. Erst anschließend wird dann eine Grundrechtsprüfung folgen, wobei diese Prüfung durchaus zu weiterführenden Ergebnissen führen kann, da das Problem der Ausländerklauseln auch Spieler 5 6

Vgl. § 22 Spielordnung des DFB. Vgl. § 7 Nr. I lit. c) des Lizenzspielerstatuts.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

aus Nicht-EU-Staaten betrifft, die sich nicht auf das Gemeinschaftsrecht berufen können. 1. Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 48 Abs. 2 EGV

Art. 48 Abs. 2 EGV statuiert ein Diskriminierungsverbot, das die Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten, zu denen auch die Lizenzspieler gehören7, vor einer Ungleichbehandlung in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen schützt. Um einen Verstoß gegen Art. 48 EGV annehmen zu können, müßten die Ausländerklauseln also eine entsprechende Ungleichbehandlung der Lizenzspieler anderer Mitgliedstaaten vorsehen Ca.), und weiterhin dürfte diese Ungleichbehandlung nicht durch einen anerkannten Rechtfertigungsgrund gedeckt sein (b.). a) Vorliegen einer Diskriminierung i. S. d. Art. 48 Abs. 2 EGV

Bei einer Untersuchung der Ausländerklauseln ist zu differenzieren. Zum einen geht es um solche Regelungen, die zu einer Beschränkung der Zahl der ausländischen Spieler fuhren, die in einem Spiel eingesetzt werden dürfen. Zum anderen geht es um die Regelungen, die den Vereinen vorschreiben, eine bestimmte Anzahl von deutschen Spielern zu beschäftigen. Soweit es um die zuerst genannten Regelungen geht, die inzwischen außer Kraft gesetzt worden sind, steht deren diskriminierende Wirkung außer Frage. Da nur die ausländischen Spieler in ihren Einsatzmöglichkeiten beschränkt wurden, bildeten diese Regelungen einen geradezu klassischen Fall der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.8 Dennoch wird vertreten, dieser Ausschluß beinhalte keinen Verstoß gegen Art. 48 Abs. 2 EGV, da lediglich die Freiheit der Aufstellung, nicht aber das garantierte Recht der Beschäftigung betroffen sei. 9 Mit diesem Argument wird letztlich ein Bereich angesprochen, der bereits im "Allgemeinen Teil" dieser Arbeit behandelt worden ist, nämlich die Frage, inwieweit das Gemeinschaftsrecht auch zur Überprüfung solcher Sachverhalte herangezogen werden kann, die unmittelbar die sportliche Betätigung selbst, d.h. in diesem Fall die Aufstellung der Mannschaft, betreffen. In Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Sach7 Vgl. AT, Kapitel. 4, TI., 2., b) 8 PalmelHepp-SchwablWilske,

dieser Arbeit. JZ 1994, 343, 344; Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-52, ZifT. 135; Petzo1d1Safaris, EuR 1982, 76 (80); Schweitzer/Streinz, JA 1986, 244 (248). 9 So z.B. ScholziAulehner, Spurt 1996,44 (47); vgl. auch Scholz, zitiert in: Die Welt vom 16.01.1996, S. 22.

2. Kapitel: Die Ausländerklauseln

119

verhalte mußte diese Frage bejaht werden, und dafür spricht auch, daß die Teilnahme am eigentlichen Spielgeschehen das wesentliche Ziel der Tätigkeit eines Berufspielers darstellt. lo Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, die Aufstellung der Mannschaften sei allein eine Sache des Trainers, denn es bleibt den Trainern auch weiterhin unbenommen, ihre Mannschaft allein nach sportlichen Gesichtspunkten zusammenzustellen. Durch eine Abschaffung der Ausländerklauseln werden sie jedenfalls keineswegs dazu verpflichtet, mehr ausländische Spieler aufzustellen. Sollte man den genannten Argumenten dennoch nicht folgen wollen, so ist doch zumindest der Argumentation des Generalanwalts Lenz zuzustimmen. Dieser hat ausgeführt, daß kein vernünftig planender Verein bedeutend mehr ausländische Spieler einstellen werde, als er in einem Spiel einsetzen dürfe. 11 Diese These belegt z.B. der Umstand, daß selbst der äußerst finanz starke Fe Bayern München nicht mehr also vier ausländische Spieler unter Vertrag hatte, als der EuGH die Abschaffung der Ausländerklauseln beschlOß. 12 Insofern ist kaum zu leugnen, daß eine Ausländerklausei, die allein den Einsatz ausländischer Spieler beschränkt, zumindest mittelbar zu einer Verschlechterung der Anstellungsmöglichkeiten für ausländische Spieler führt. Sie ist mithin in jedem Fall diskriminierend im Sinne des Art. 48 Abs. 2 EGV. Anders liegen die Probleme bei der Regelung des DFB, die seit Beginn der Saison 1996/97 gilt. Hier ist ganz eindeutig das Recht auf Beschäftigung betroffen, da den Vereinen aufgegeben wird, eine bestimmte Zahl von deutschen Spielern unter Vertrag zu nehmen, d.h. sie zu beschäftigen. Fraglich ist hier allerdings, ob diese Regelung diskriminierend wirkt, denn schließlich wird es den Vereinen in keiner Weise verboten, unbegrenzt viele ausländische Spieler zu beschäftigen. Dabei gilt es allerdings zu bedenken, daß der Kader eines Bundesligavereins selten mehr als etwa 25 Spieler umfaßt. Mehr Spieler werden für eine Saison regelmäßig nicht benötigt, und außerdem wird es nur wenigen Vereinen überhaupt möglich sein, den eigenen Kader entscheidend zu vergrößern, da inzwischen selbst durchschnittliche Bundesligaspieler außerordentlich hoch bezahlt werden müssen. Insofern kommt die Regelung des DFB, nach der die Vereine dazu verpflichtet sind, mindestens zwölf deutsche Spieler zu beschäftigen, einer faktischen Quotierung der Ausländerplätze gleich, wobei die derzeitige Quote bei ca. 50 % liegt.13 Daß eine derartige Quotierung nicht mehr beinhaltet als die Kehrseite des diskriminierenden 10 So der EuGH, Urteil vom 15.12.1995 - Rechtssache C-4l5/93 ,,Bosman", S. 1225\ Rn. 120. 1 Generalanwaltlenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-4l5/93 ,,Bosman", S. I-53, Ziff.136. 12 Es waren dies die Spieler Herzog (A), Papin (F), Kostadinov (BG) und Sjorza (CH). 1 Sieht man einmal von der Möglichkeit einer Umgehung dieser Regelung ab, ist davon auszugehen, daß diese Quote kaum über 60 % ansteigen kann.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Verbots, unbeschränkt viele Ausländer zu verpflichten, ist leicht ersichtlich. Ausdrücklich bestätigt wird dies in der VO 1612/6814 ; einer Verordnung, die zur Konkretisierung der Freizügigkeitsvorschriften erlassen worden ist. Art. 4 dieser Verordnung erklärt jegliche Quotenregelungen für rechtswidrig, sobald damit die Beschäftigung von EG-Ausländern zahlenmäßig geregelt wird. Damit ist auch die neue Regelung des DFB diskriminierend im Sinne des Art. 48 Abs. 2 EGV. Abschließend sei noch folgende Bemerkung erlaubt: Es muß verwundern, daß der DFB gerade den soeben dargestellten Weg gewählt hat, um den ungehinderten Zugang von Ausländern zur Bundesliga zu begrenzen, denn schließlich war das Verbot, unbegrenzt viele ausländische Spieler zu verpflichten, q.h. sie überhaupt unter Vertrag zu nehmen, genau diejenige Regelung, die im Jahre 1978 als erstes abgeschafft worden war.

b) Rechtfertigung der Diskriminierung i. S. d. Art. 48 Abs. 2 EGV Fraglich bleibt, ob die diskriminierenden Regelungen gleichwohl als zulässig betrachtet werden können. Dies wäre der Fall, wenn die Beibehaltung von Ausländerklauseln sachlich gerechtfertigt wäre. Zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln wird regelmäßig eine Vielzahl von Argumenten vorgebracht. Diskutiert wird das Argument der Nachwuchsförderung, das Argument der nationalen Meisterschaft, das Argument der schwindenden Publikumsgunst und eine Reihe weiterer Gründe. 15 All diese Argumente sollen anschließend auch hier dargestellt und diskutiert werden. Zuvor allerdings gilt es festzustellen, ob und unter welchen Voraussetzungen es überhaupt möglich ist, Verstöße gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 48 Abs. 2 EGV zu rechtfertigen. Eine Aufzählung von Rechtfertigungsgründen enthält Art. 48 Abs. 3 EGV. Dieser erklärt Beschränkungen der Freizügigkeit für gerechtfertigt, soweit diese "aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit" erfolgen. Weitere einschlägige Rechtfertigungsgründe kennt der EG-Vertrag nicht, so daß sich die zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln vorgebrachten Argumente unter den Tatbestand des Art. 48 Abs. 3 EGV subsumieren lassen müßten. Da die dort genannten Gründe jedoch eng auszulegen sind,16 steht 14 EWG VerordnWlg vom 12. Oktober 1968, ABI. L 257, S. 2. 15 VgI. zu diesen Argumenten z.B. Hilf, NJW 1984, 517, 521 f.; PalmelHepp-

Schwab/Wilske, JZ 1994, 343, 345. 16 PalmeIHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, 344.

2. Kapitel: Die Ausländerklauseln

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weitgehend außer Frage, daß dies nicht möglich ist.!7 Der EuGH hat sogar davon abgesehen, die ordre-public-Klausel des Art. 48 Abs. 3 EGV überhaupt zu erwähnen. Es scheint daher, als sei eine Rechtfertigung der Ausländerklauseln grundsätzlich ausgeschlossen, und dennoch wird die Berechtigung der genannten Argumente immer wieder diskutiert. Den dogmatischen Ansatzpunkt dazu bildet "ein Rückgriff auf das vom EuGH geschaffene Richterrecht".!8 Dem EuGH wird unterstellt, daß er mit den Urteilen im Fall "Walrave und Koch" und im Fall "Dona" einen außervertraglichen Rechtfertigungsgrund geschaffen habe. Abgestellt wird dabei auf den "Sportvorbehalt" des EuGH, dessen Aussage dahingehend ausgelegt wird, daß eine diskriminierende Regelung gerechtfertigt sei, sobald sie zum Schutz rein sportlicher Belange erforderlich sei. Es stellt sich damit die Frage, ob der EuGH mit seinem "Sportvorbehalt" tatsächlich einen Rechtjertigungsgrund schaffen wollte. Dies erscheint fraglich, denn wie gesehen, ist in dieser Arbeit bereits bei der Frage nach der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf den Sportvorbehalt abgestellt worden. Konkret geht es also darum, ob der EuGH mit seiner "sibyllinischen,,!9 Aussage eine "Bereichsausnahme von dem Gemeinschaftsrecht" oder aber einen "Rechtfertigungsgrund für Beeinträchtigungen des Gemeinschaftsrechts" statuieren wollte. Daß diese Abgrenzung nicht nur in dogmatischer Hinsicht von Bedeutung ist, beweist der Umstand, daß all die Argumente, die zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln vorgebracht worden sind, überhaupt nicht in die Diskussion einfließen könnten, wenn man sich gegen die Anerkennung eines außergesetzlichen Rechtfertigungsgrundes aussprechen würde. In diesem Fall wäre allein die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrecht zu diskutieren, und nur dort könnten sportspezifische Erwägungen vorgebracht werden. Eine mögliche Rechtfertigung der Ausländerklauseln dürfte hingegen nur auf den ungeeigneten Art. 48 Abs. 3 EGV gestützt werden. In der Literatur ist regelmäßig nur sehr wenig Wert auf die dargestellte Abgrenzung gelegt worden. 20 Während einige Autoren - so scheint es - die Unterscheidung nicht einmal gesehen haben,2! fehlt es bei anderen an einer 17 Vgl. Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-56, Ziff. 142; Hilf, NJW 1984, 517, 519; PalmelHepp/SchwablWilske, JZ 1994, 343,344; nach umfassender Diskussion auch: Klose, S 151; Kahlenberg, EWS 1994, 423 (425); a.A.: Schweitzer, S. 84 ff., der den Sportverbänden die Berufung auf eine sportbezogene "öffentliche Ordnung" zubilligt. 18 So die Formulierung bei PalmeIHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, 344. 19 PalmeIHepp-SchwablWilske, JZ 1994,343,345. 20 Anders Schweitzer, S. 83 ff., der die Notwendigkeit einer zweistufigen Prüfung ausdrücklich hervorhebt. Ebenso Kahlenberg, EWS 1994,423 (426), der das dargestellte Problem ebenfalls anspricht. 21 So anscheinend PalmelHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, 344 f.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

genauen Differenzierung. So hat z.B. Lenz zunächst angenommen, der EuGH habe eine "Art von begrenzter Bereichsausnahme" statuieren wollen, und dennoch prüfte er später eine mögliche außergesetzliche "Rechtfertigung der Ausländerklauseln", ohne deren dogmatische Grundlage näher zu begründen. 22 Verantwortlich für diese Unsicherheit ist letztlich der EuGH, der es versäumt hat, seinen Sportvorbehalt präzise zu formulieren. Wörtlich heißt es in der entscheidenden Passage: "Diese Vorschriften stehen jedoch einer Regelung oder Praxis nicht entgegen, welche die ausländischen Spieler von der Mitwirkung bei bestimmten Begegnungen ausschließt, ... ,m Auch wenn die verwandte Formulierung wohl eher auf die Annahme einer Bereichsausnahme hindeutet, so ist sie doch keinesfalls genügend eindeutig, um zur Streitentscheidung dienen zu können. Deutlicher wird der EuGH hingegen an anderer Stelle. Dort heißt es, der Sportvorbehalt führe zu einer "Beschränkung des Geltungsbereichs"24 der fraglichen Artikel. Im Gegensatz zu der zuvor zitierten Aussage deutet diese Formulierung nun eindeutig auf die Einführung einer Bereichsausnahme hin. 25 Dieses Ergebnis läßt sich im übrigen auch durch systematische Erwägungen belegen, wenn man bedenkt, daß der Sportvorbehalt als Ausnahme zu einem Grundsatz statuiert worden 1st, der allein die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf den Sport betrifft. 26 Verwiesen sei schließlich noch auf den Aufbau des "Bosman"-Urteils. Auch dort wurde der Sportvorbehalt in einem Abschnitt behandelt, der sich ausschließlich mit der "Anwendung" des Art. 48 EGV beschäftigte, während mögliche Rechtfertigungsgründe erst später erläutert wurden. 27 Nach alledem ist die Einführung des Sportvorbehalts also als Anerkennung einer begrenzten Bereichsausnahme zu verstehen, deren Voraussetzungen bei der Frage nach der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts zu prüfen sind. Angesichts dieses Ergebnisses scheint es, als habe der EuGH keinen außervertraglichen Rechtfertigungsgrund entwickelt, und man sollte vermuten, daß sportspezifische Erwägungen nicht mehr zu prüfen seien. Anders jedoch das Vorgehen des EuGH. Dieser hat sich im Fall "Bosman" ausführlich mit der 22 Vgl. Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-56, ZifI. 141 und S. I-54, ZifI. 139. Ahnlich auch Hilf, NJW 1984, 517 fI, der zunächst den Umfang einer begrenzten Bereichsausnalune prüft (S. 520), um später auf mögliche Rechtfertigungen einzugehen (S.521), ohne auf die Notwendige Abgrenzung einzugehen. 23 EuGHE 1976, 1333 (1340), Rn. 14/16. Hervorhebung durch den Verfasser. 24 EuGHE 1976, 1333 (1340), Rn. 14/16. 25 So auch Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415193 ,,Bosman", S. I-54, ZifI. 139. 26 Vgl. EuGHE 1976, 1333 (1340), Rn. 12/13. 27 Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S.1-17 und S. 1-18, Rn. 76.

2. Kapitel: Die Ausländerklauseln

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Berechtigung der vorgetragenen Erwägungen auseinandergesetzt, obwohl diese - wie gesehen - nicht auf Art. 48 Abs. 3 EGV gestützt werden können. 28 Wenngleich sich der EuGH dabei letztlich gegen eine Rechtfertigung der Ausländerklauseln ausgesprochen hat, so beweist dieser Umstand doch eindeutig, daß der Gerichtshof sportspezifische Erwägungen tatsächlich als außervertragliche Rechtfertigungsgründe anerkennt. Die "Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts" wird sogar ausdrücklich als einer der Zwecke genannt, die zur Rechtfertigung einer Regelung führen könnten. 29 Es bleibt die Frage nach den inhaltlichen Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes. Überraschenderweise zieht der EuGH diese Voraussetzungen offensichtlich ebenfalls aus dem Sportvorbehalt, auf den er damit zum zweiten Mal explizit verweist. 30 Wie es scheint, mißt der EuGH seinem Sportvorbehalt also eine doppelte Bedeutung bei: Er nutzt ihn nicht nur dazu, um die Grenzen der anerkannten Bereichsausnahme abzustecken, sondern auch dazu, um die Voraussetzungen einer möglichen Rechtfertigung festzulegen. 3! Eine die Freizügigkeit beschränkende Regelung ist danach gerechtfertigt, soweit sie dem Schutz vorwiegend32 sportlicher - d.h. nichtwirtschaftlicher - Interessen dient. Darüber hinaus darf die Einschränkung der Freizügigkeit nicht weitergehen, als es der Zweck der beschränkenden Regelung fordert. 33 Diese muß also verhältnismäßig sein. 34 An der Berechtigung dieser Auffassung des EuGH gibt es keine weitergehenden Zweifel, da sie - wie gesehen - nur eine weitere und konsequente Ausprägung des Sportvorbehalts beinhaltet, dessen Zulässigkeit bereits festgestellt worden ist. Einschränkend bleibt mit Schweitzer5 allein zu fordern, daß die beschränkende Maßnahme dem Schutz einer sportlichen Grundregel dienen muß, d.h. sie muß die wesentlichen Aspekte des Fußballsports berüh28

Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S.1-26,

29

Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S.1-27,

Rn. 121 ff.

Rn. 135, im Zusammenspiel mit der Überschrift des Abschnitt: ,,zum Vorliegen von

Rechtfertigungsgründen" . 30 Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S.I-26, Rn. 127. 31 A.A. Schweitzer, S. 84, der die Formel des EuGH ausdrücklich für nicht einschlägig hält, soweit es um die Rechtfertigung beschränkender Regelungen geht. Steindorf, NJW 1982, 1902 (1904) spricht von "außergesetzlichen Grenzen". 32 So die hier vertretene einschränkende Auslegung des Sportvorbehalts. 33 Vgl. EuGH in dem Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S.1-26, Rn. 127. 34 Vgl. dazu das Vorgehen des EuGH in dem Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S.1-27, Rn. 135. Siehe auch den Vorschlag des Generalanwalts Trabucchi, Schlußanträge zur Rechtssache 13/76 ,,Dona", Slg. 1976, 1333, 1347; Kahlenberg, EWS 1994,423 (428). 35 Schweitzer, S.85.

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ren. Diese Einschränkung ergibt sich zwar nicht direkt aus dem Sportvorbehalt selbst, sie entspricht aber der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Ordre-Public-Vorbehalt des Art. 48 Abs. 3 EGV. 36 Nachfolgend ist damit anhand der dargestellten Formel zu prüfen, ob die Ausländerklauseln des DFB tatsächlich aus sportlichen Gründen gerechtfertigt sind. aa) Das Argument der Nachwuchsförderung Nachdem der Inhalt des "Bosman"-Urteils feststand, galt die größte Sorge der Betroffenen dem angeblich drohenden Verlust qualifizierter Nachwuchsfußballer. 37 Es wurde argumentiert, eine vollständige Abschaffung der Ausländerklausein müsse zwangsläufig zu einer Vernachlässigung der Nachwuchsarbeit in den Vereinen fUhren, da jeder Trainer die Möglichkeit nutzen werde, mit Spielern aus dem Ausland zu arbeiten. Sollte diese Einschätzung zutreffen, so könnte sie zweifellos zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln beitragen, denn es dürfte außer Frage stehen, daß die Förderung des Nachwuchses ein Grundinteresse des Fußballsports berührt. 38 Fraglich bleibt allerdings, ob es tatsächlich zu der befiirchteten Vernachlässigung der Nachwuchsförderung kommen müßte. Generalanwalt Lenz bezweifelt dies. Er wendet ein, die weithin bekannte Talentförderung von Ajax Amsterdam sei eine Ausnahme, der Regelfall sei dagegen der Karrierestart in einem kleinen Verein, welcher nicht an die Ausländerklauseln gebunden sei. 39 Lenz will damit belegen, daß die Nachwuchsförderung ohnehin einer Sache der kleineren Vereine sei, so daß eine Abschaffung der Ausländerklauseln im Bundesligabereich zu keiner Verschlechterung der Ausbildungssituation führen würde. Diese These ist jedoch schon im Ansatz kaum haltbar. Richtig ist zwar, daß die meisten Spieler ihre Karriere bei einem kleineren Verein beginnen, doch verbleiben sie dort im Regelfall nur wenige Jahre. Schon bald nämlich werden die großen Klubs auf diese Spieler aufmerksam und verpflichten sie frühzeitig. Der entscheidende Teil der Nachwuchsförderung erfolgt damit in den Jugendabteilungen der Bundesligavereine. Ein Blick auf die Siegerli36 Vgl. EuGHE 1975, 1219 (1231) - RS 36/75 ,,Rutili"; EuGHE 1977, 1999 (2013)RS 30/77 ,,Bouchereau", st. Rspr. 37 Norbert Thines, damaliger Präsident des 1. FC Kaiserslautern, zitiert in Kicker vom 22.01.1996, S.37; Egidius Braun, Präsident des DFB, Interview in: WamS vom 1l.02.1996, S. 18; GtJtz EiJers, Justitiar des DFB, Interview in: Kicker vom 18.12.1995, S. 36; Fastemath, Ausländerklauseln und Ablösesummen im Fußball, FAZ vom 14.12.1995, S. 4. 38 So auch PalmelHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, 345; Schweitzer, S. 85. 39 Generalanwaltlenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415193 ,,Bosman", S. I-59, Ziff. 145.

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sten der Deutschen Jugendmeisterschaften belegt diese Auffassung eindrucksvOll,4o und auch im Aufgebot der aktuellen U-18 Nationalmannschaft steht kaum ein Spieler, der nicht bei einem Verein der Bundesligen beschäftigt iSt. 41 Auch die Schlußfolgerung, die Lenz aus seinem damit wohl unzutreffenden Ansatz gezogen hat, scheint nicht vollends durchdacht. Selbst wenn man die soeben dargestellten Einwände außer Betracht ließe, so darf doch nicht übersehen werden, daß die kleineren Vereine nur deshalb eine umfassende Talentförderung ermöglichen können, weil sie auf Transfererlöse aus dem Verkauf dieser Talente hoffen dürfen. Geht man nun aber davon aus, daß die Abschaffung der Ausländerklauseln den Bedarf an talentierten Jugendspielern in der Bundesliga verringern würde, so würde dieser Umstand sehr wohl zu den befiirchteten Auswirkungen auf die Nachwuchsforderung ruhren, die Lenz bestreitet. Des weiteren übersieht Lenz noch einen dritten Aspekt, wenn er vornehmlich auf die Nachwuchsarbeit der kleinen Vereine abstellt. Wie allgemein bekannt ist, können die jungen Spieler ihre Fähigkeiten nur dann entscheidend weiterentwickeln, wenn ihnen auch die Möglichkeit gegeben wird, Wettkampferfahrung in den höchsten Spielklassen zu sammeln. Die Ausbildung des Nachwuchses endet also keinesfalls im Jugendbereich, so daß die Abschaffung der Ausländerklauseln in der Bundesliga sehr wohl einen direkten Einfluß auf die Ausbildungssituation im Fußball haben kann. Wie die beiden zuletzt genannten Einwände gezeigt haben, ist im Interesse der Nachwuchsspieler also vor allem danach zu fragen, ob eine Freigabe der Ausländerklauseln deren Einsatzmöglichkeiten in der Bundesliga maßgeblich verringern würde. Auf den ersten Blick spricht vieles dafiir, denn - so der ehemalige Präsident des 1. Fe Kaiserslautern, Norbert Thines, zutreffend -: ,jeder Trainer möchte dann mit möglichst fertigen Spielern arbeiten".42 Soweit den Vereinen also die Möglichkeit dazu gegeben wird, ist zu erwarten, daß sie lieber auf bewährte Spieler aus dem Ausland zurückgreifen werden, anstatt auf unerfahrene Nachwuchsspieler zu setzen. In den leistungsorientierten Vereinen der Amateurligen, die seit jeher nicht an Ausländerbegrenzungen gebunden sind, wird dieses Vorgehen bereits seit langem praktiziert. Dort findet man zum Teil Mannschaften, die zu weit über 50 % mit ausländischen Spielern besetzt sind. 43 40 Deutscher B-Jugend Meister 1995 wurde der VfB Stuttgart (3:1 gegen Hannover 96). Deutscher A-Jugend Meister 1995 wurde Borussia Dortrnund (2:0 gegen Bayer Leverlrusen). 41 Vgl. dazu z.B. das Aufgebot der U 18 Nationalmannschaft (Spieler bis 18 Jahre) zum Spiel gegen Is1and vom 27. März 1996. 42 Thines, zitiert in Kicker vom 22.01.1996, S.37 43 Verwiesen sei auf das Extrembeispie1 einiger unterklassiger Vereine an der polnischen Grenze: Diese Vereine waren nicht in der Lage, sich mit erfahrenen Spielern

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Gegen diese Betrachtungsweise konnte bis zuletzt eingewandt werden, es sei rur die Bundesligavereine unbezahlbar, verstärkt auf Spieler aus dem Ausland zu setzen. Angesichts des "Bosman" -Urteils verliert dieses Argument allerdings einen Großteil seiner Berechtigung, da ausländische Spieler nunmehr ablösefrei verpflichtet werden können. Im Hinblick auf die vermeintlich erhöhten Gehaltsvorstellungen dieser Spieler ist zudem darauf hinzuweisen, daß begabte deutsche Nachwuchstalente nicht selten höhere Gehälter beziehen als erfahrene Spieler aus Osteuropa, Südamerika oder Afrika. Nach alledem ist wohl davon auszugehen, daß eine Freigabe der Ausländerklausein unweigerlich zur Verringerung der Einsatzchancen fiir Nachwuchsspieler fuhren würde. Diese Einschätzung kann auch Lenz nicht entkräften, wenn er darauf verweist, daß ein Wegfall der Ausländerklauseln die Vereine nicht dazu verpflichten würde, mehr Ausländer einzustellen, sondern ihnen nur die Möglichkeit geben würde, dies zu tun. 44 Lenz übersieht dabei die Kraft des Faktischen. Sobald nämlich auch nur ein Verein die Möglichkeit wahrnehmen wird, ausländische Spieler preiswert zu verpflichten, werden die übrigen Vereine kaum zögern, ebenfalls diesen Weg einzuschlagen, um einen sonst drohenden Wettbewerbsnachteil abzuwenden. Die Freiwilligkeit dieses Vorgehens würde die Situation der Nachwuchsspieler nicht verbessern. Abschließend sei noch folgendes angemerkt: Natürlich wird die Abschaffung der Ausländerklauseln nicht zum Ende der Nachwuchsarbeit in Deutschland fuhren. Im Gegenteil: Gerade angesichts der jüngsten Erfolge von Ajax Amsterdam, dem Verein mit der angeblich besten Jugendarbeit der WeIt,45 hat sich bei vielen Vereinen die Erkenntnis durchgesetzt, daß eine intensive Nachwuchsförderung der Schlüssel zum internationalen Erfolg sein kann. Solange diese verstärkte Nachwuchsförderung allerdings noch nicht überall angelaufen ist und solange der Markt in Osteuropa, Südamerika und Afrika noch Spieler hergibt, die fiir wenig Geld zu verpflichten sind, solange werden es Nachwuchstalente in Deutschland äußerst schwer haben, sich einen Stammplatz in der Bundesliga zu erkämpfen.

aus Deutschland zu verstärken, doch statt auf den Nachwuchs zu setzen, verpflichteten sie polnische Ligaspieler, die nur an den Wochenenden nach Deutschland reisten, um gegen ein geringes Entgelt von einigen hundert Mark fur diese Vereine tätig zu werden. 44 GeneralanwaltLenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-59, ZifT. 145. 45 Vgl. dazu den Beitrag ,,Ajax Amsterdam - die modernste Profifabrik Europas" in: Der Spiegel vom 26.02.1996, S. 180.

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Entgegen der ganz h. M. in der juristischen Literatur46 ist daher davon auszugehen, daß die Beibehaltung der Ausländerklauseln dazu beiträgt, die Chancen des Nachwuchses in Deutschland zu verbessern. bb) Das Argument der Stärkung der Nationalmannschaften Eng verbunden mit der zuvor dargestellten Argumentation ist das sogenannte "Nationalmannschaftsargument". Zur Rechtfertigung der Ausländerklausein wird vorgebracht, diese seien notwendig, um sicherzustellen, daß genügend Spieler für die Nationalmannschaft herangebildet würden. Auch hier stellt sich zunächst die Frage, ob die "Stärkung der Nationalmannschaft" überhaupt zu den Zielen gehört, die ein Sportverband berechtigterweise verfolgen darf, wenn er den Einsatz von ausländischen Spielern in seinen Ligen beschränken möchte. Fraglich ist also, ob die "Stärkung der Nationalmannschaft" zu den "Grundinteressen" eines nationalen Verbandes gehört. Diese Frage wird man uneingeschränkt bejahen müssen, wenn man z.B. bedenkt, welchen Aufschwung der von dem DFB organisierte Fußballsport in Deutschland genommen hat, nachdem die deutsche Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft 1990 in Italien gewinnen konnte. 47 Für die Berechtigung des vorgebrachten Arguments spricht im übrigen auch, daß der EuGH die Existenzberechtigung der Nationalmannschaften sowie deren besondere Bedeutung immer wieder ausdrücklich hervorgehoben hat. Damit ist nun weiter fraglich, ob sich die vorgebrachte Behauptung auch inhaltlich belegen läßt. Dafür spricht, daß die zur Verfügung stehenden Ausländerplätze regelmäßig dazu benutzt werden, um die Schlüsselpositionen der Mannschaften mit ausländischen Stars zu besetzen. So konnte z.B. die "Torjägerkrone" in Deutschland in den letzten 5 Jahren dreimal durch Spieler aus dem Ausland errungen werden. 48 Da es den einheimischen Spielern damit sehr schwer gemacht wird, zu Leistungsträgern in der eigenen Mannschaft heranzureifen, spricht sicherlich vieles dafür, daß eine Beschränkung der Ausländerplätze dazu beitragen könnte, die Leistungsstärke der Nationalmannschaft zu steigern, denn diese ist entscheidend auf sogenannte Führungspersönlichkeiten angewiesen. Mit der gleichen Berechtigung läßt sich in dieser 46 Gegen das Argwnent der ,,Nachwuchsförderung" haben sich ausgesprochen: Hilf, NJW 1984, 517 (521); Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C415/93 ,,Bosman", S. I-59, Ziff. 145; PalmelHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, 345; Klose, S. 149. Allein Kahlenberg, EWS 1994,423 (428) teilt die hier vertretene Ansicht. 47 Für die Berechtigung dieses Argwnents auch: Schweitzer, S. 85; wohl auch Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C415/93 ,,Bosman", S. I-59, Ziff. 146. 48 Im Jahre 1990 schoß J(jm Andersen (Norwegen) die meisten Treffer, in den Jahren 1993 und 1994 war es jeweils Anthony Yeboah (Ghana).

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Frage allerdings auch die Gegenansicht vertreten, denn zu Recht ist eingewandt worden, daß ein früher Kontakt mit ausländischen Stars fiir die deutschen Spieler nur vorteilhaft sein könne. 49 Da beide Ansichten also durchaus ihre Berechtigung haben, scheint es, als könne die Diskussion allein durch einen empirischen Nachweis entschieden werden. Alles andere wäre wohl reine Spekulation. Das in diesem Zusammenhang beliebteste empirische Beispiel ist das des italienischen Verbandes. Nachdem dort eine konsequente Ausländersperre eingefiihrt worden war, konnte die italienische Nationalmannschaft im Jahre 1982 nach langer Zeit erstmals wieder die Weltmeisterschaft gewinnen. Der Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen scheint auf der Hand zu liegen, aber dennoch ist der Wert dieses Beispiels zu bezweifeln, denn auch bei der Weltmeisterschaft im Jahre 1994 konnte die Mannschaft Italiens das Finale erreichen, obwohl zu der Zeit außerordentlich viele ausländische Stars in der italienischen Liga beschäftigt waren. Im übrigen darf nicht vergessen werden, daß eine europaweite Abschaffung der Ausländerbeschränkungen auch zu erweiterten Beschäftigungsmöglichkeiten fiir die deutschen Spitzenspieler fuhren würde. Daß eine derartige Entwicklung sogar von Vorteil fiir die Spielstärke der Nationalmannschaften sein kann, belegt das Beispiel der deutschen Mannschaft, die den Weltmeistertitel im Jahre 1990 erringen konnte, obwohl ihre Leistungsträger Matthäus, Brehme und Klinsmann damals im Ausland spielten. Da sich das "Nationalmannschaftsargument" also nicht hinreichend belegen läßt, ist in Übereinstimmung mit den Vertretern der juristischen Literatur O davon auszugehen, daß dieses Argument nur bedingt zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln herangezogen werden kann. cc) Das Argument der schwindenden Zuschaueridentifikation Wenig überzeugend ist auch das Argument der schwindenden ZuschaueridentifIkation. 51 Es wird argumentiert, die Identifikation der Zuschauer mit der heimischen Mannschaft sei nur gewährleistet, wenn diese wenigstens mehrheitlich aus Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaates bestehe.

49 So z.B. Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-59, Ziff. 145; PalmelHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, 345. 50 Hilf, NJW 1984, 517 (520); Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-59, Ziff. 146; Klose, S.149. 51 Gegen die Berechtigung dieses Arguments auch Generalanwalt Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-57, Ziff. 143.

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Diese These trifft schon im Ansatz nicht zu, denn in aller Regel identifizieren sich die Zuschauer doch nur mit Vereinen, nicht aber mit deren Mannschaften. 52 Genau dies meint wohl auch Westermann, wenn er in pointierter Weise ausführt, daß für den Zuschauer die Trikotfarbe wichtiger sei als die Hautfarbe der Spieler. 53 Soweit man also von einer nationalen bzw. regionalen Identifikation sprechen möchte, ist allein die Herkunft des Vereins entscheidend. Die Herkunft der Spieler ist dagegen nur von zweitrangiger Bedeutung. Wie sonst ließe es sich erklären, daß die Zuschauer meistens dem Verein ihrer Heimatstadt anhängen, obwohl die Mannschaften dieser Vereine schon lange nicht mehr nur mit Spielern aus der heimischen Region besetzt sind. Beim Fe Bayern München z.B. stört sich kaum jemand daran, daß in der aktuellen Mannschaft kaum noch Spieler beschäftigt sind, die aus Bayern stammen. Überspitzt formuliert ist es den Zuschauern also gleichgültig, woher die Spieler ihres Lieblingsvereins kommen, solange diese nur zum Erfolg des Vereins beitragen. Die Teilnahme ausländischer Fußballspieler hindert die Anhänger eines Vereins also keineswegs daran, sich mit diesem zu identifizieren. Eher ließe sich sogar das Gegenteil behaupten, denn häufig sind es gerade die Spieler aus dem Ausland, die eine besondere Popularität bei den Zuschauern besitzen. Verwiesen sei nur auf die herausragende Beliebtheit des Jürgen Klinsmann bei seinem früheren Verein Tottenham Hotspurs. Die Besorgnis um die schwindende Identifikation der Zuschauer scheint also unbegründet zu sein. Es erübrigt sich daher auch die Frage, ob dieses eher wirtschaftliche Argument überhaupt zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln beitragen könnte. Im übrigen greift an dieser Stelle nun tatsächlich der zuvor verworfene Einwand, wonach die Vereine auch nach einer Aufhebung der Ausländersperrklauseln keinesfalls dazu verpflichtet sind, ausländische Spieler zu beschäftigen. Sollte es also entgegen aller Erwartungen zu einem nachlassenden Zuschauerzuspruch kommen, so bliebe es den Vereinen unbenommen, wieder verstärkt auf deutsche Spieler zu setzen. Eine AusländersperrklauseI ist dafiir jedenfalls nicht erforderlich. dd) Das Argument der nationalen Identität Auf der gleichen Linie wie die soeben verworfene These liegt das Argument der nationalen Identität. Es heißt, der Fußball in der ersten Liga sei seit jeher

52 Klose, S. 150; Hilf, NJW 1984, 517 (520). 53 H.P. Westennann, DZWir 1996, 82 (85). 9 PI.th

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durch einen nationalen Charakter der Leistung geprägt, und diesen gelte es zu bewahren54 . Die deutsche Regierung hat in diesem Zusammenhang auf die angeblich bestehende Parallele zwischen Sport und Kultur verwiesen und unter Hinweis auf Art. 128 Abs. 1 EGV gefordert,55 daß das darin enthaltene Gebot, die nationale und regionale Vielfalt der Kulturen zu wahren, auch auf den Bereich des Sports zu übertragen sei. 56 Der EuGH ist diesem Einwand nicht gefolgt,57 und dies geschah zu Recht, denn die Argumentation der Bundesregierung ist weder in inhaltlicher noch in rechtlicher Hinsicht haltbar. Schon die Behauptung, der Fußball in Europa sei durch nationale Eigenheiten oder gar Kulturen geprägt, die es zu schützen gelte, geht an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei. Zwar mag es zutreffen, daß von Land zu Land bestimmte Unterschiede existieren, was die Mentalität der Spieler anbelangt, doch resultiert daraus noch längst nicht eine landestypische Spielkultur, die durch einen Zugang ausländischer Spieler zerstört werden könnte. 58 Gerade die jüngst abgelaufene Europameisterschaft in England hat gezeigt, daß es den national geprägten Fußball nicht (mehr) gibt, denn dort waren taktisch wie technisch kaum noch Unterschiede zwischen den einzelnen Mannschaften zu erkennen. Die Reaktionen der Beteiligten bestätigen diese Ansicht. 59 Gegen die angeblichen nationalen Eigenheiten des Fußballs spricht auch, daß es in der Regel problemlos möglich ist, ausländische Spieler in die deutschen Vereinsmannschaften zu integrieren. 6o Häufig sind es sogar gerade die Spieler aus dem Ausland, die den Charakter der europäischen Spitzenmannschaften prägen, und im Amateur- und Jugendbereich werden ohnehin seit jeher unbegrenzt viele Ausländer eingesetzt. Darüber hinaus hat Lenz61 zu Recht darauf hingewiesen, daß Spielweise und Erfolg einer Mannschaft in besonderem Maße durch den Trainer be54 So das Vorbringen der UEFA; vgl. Sitzungsbericht-Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-12. 55 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch der Art. F EUV. 56 Siehe dazu EuGH-Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S.I-17, Rn. 72. 57 Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman" S.I-18, Rn. 78. 58 Ebenso Klose, S. 149. 59 Dazu der Nationalspieler des AC Mailand, Christian Ziege, in einem Interview des Spiegels vom 1.7.1996, S. 180 (181): ,,Ich bin mir sicher, daß es bei der WM 1998 in Frankreich genauso aussehen wird. Dort werden 24 Mannschaften spielen, die taktisch alle gleich weit sind. Alle Spieler sind technisch gleich gut, gleich zweikampfstark, gleich schnell." 60 Die sogenannten Anpassungsprobleme, von denen häufig zu hören ist, beziehen sich in der Regel auf den außersportlichen Bereich. 61 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-57, ZifI. 143.

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stimmt werden, und dennoch hat niemand eine Verwässerung der deutschen Fußballkultur beklagt, als etwa der Österreicher Ernst Happel den Hamburger SV mehrmals zu "Deutschen Meister" machte. Führt man sich abschließend noch vor Augen, daß der CF Barcelona von einem Schweizer gegründet worden ist, und daß Inter(nazionale) Mailand seinen Namen trägt, weil 1908 zehn Ausländer in der ersten Mannschaft spielten, kann es kaum einen Zweifel daran geben, daß von einer nationalen Eigenart des Fußballs keine Rede sein kann. 62 Glücklicherweise ist der Fußball vielmehr eine internationale Angelegenheit, und dies beruht nicht zuletzt auf dem Umstand, daß dieser Sport weltweit nach denselben Regeln betrieben wird. In Europa existiert also keine nationale Fußballkultur, die es im Sinne des Art. 128 Abs. 1 EGV zu wahren gilt, und selbst wenn sie existieren würde, könnte sie die Ausländerklauseln nicht rechtfertigen. Im Rahmen dieser Prüfung geht es nämlich nicht um die beschränkte Normensetzungskompetenz der Gemeinschaft auf dem Kultursektor, wie sie sich aus Art. 128 Abs. 1 EGV ergibt, sondern vielmehr um "die Tragweite der durch Artikel 48 garantierten Freizügigkeit der Arbeitnehmer,,63. Rechtstechnisch könnte eine Rechtfertigung der Ausländerklauseln insofern nur auf die Gründe gestützt werden, die Art. 48 EGV zuläßt, nicht aber auf Art. 128 EGV. 64 Das auf Art. 128 Abs. 1 EGV gestützte Argument der nationalen Identität greift somit nicht. 65 ee) Das Argument der nationalen Meisterschaft In Reaktion auf das "Bosman"-Urteil wurde immer wieder darauf verwiesen, daß nunmehr eine vollständig mit Ausländern besetzte Mannschaft "Deutscher Meister" werden könne. Überdies sei sogar zu befürchten, daß Silvio Berlusconi, der Präsident des AC Mailand, eine zweite Mannschaft seines Vereins in der Bundesliga an den Start schicken dürfe. 66

62 So im Ergebnis auch Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-56, Ziff. 142, Klose, S. 148 f. 63 EuGH-Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", 3.1-18, Rn. 78. 64 Vergleichbar Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-57, Ziff. 142. 65 A.A. Kahlenberg, EWS 1994, 423 (429) Wlter Hinweis auf Titel I Art. F Abs. 2 des EU-Vertrages: ,,Die Union achtet die nationale Identität der Mitgliedstaaten, ... ". 66 So z.B. Scholz, Jetzt könnte AC Mailand TI Deutscher Meister werden, WamS vom24.12.1995,S.18.

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Diese zweifellos bewußt populistisch gehaltenen Äußerungen beinhalten letztlich das vieldiskutierte "Argument der nationalen Meisterschaft". Inhaltlieh geht es dabei um folgendes: Es steht außer Frage, daß in den Ligen der einzelnen Mitgliedstaaten jeweils der nationale Meister ermittelt wird. So dienen beispielsweise die Begegnungen der Bundesligamannschaften der Ermittlung des "Deutschen Fußball-Meisters". Dies geht aus der Spielordnung des DFB ausdrücklich hervor. 67 Aus diesem Grunde - so die Befürworter dieser Argumentation - müsse sichergestellt sein, daß bei den Vereinsmannschaften der Bundesliga "noch eine Mindestzahl deutscher Spieler mitwirkt". Schließlich habe der "Deutsche Meister" sein Land auch bei internationalen Wettkämpfen zu vertreten. 68 Das Problem ist demnach, ob die Ausspielung des "Deutschen Meisters" einer Regelung entgegensteht, die es zumindest theoretisch zuläßt, daß dieser Titel durch eine Mannschaft errungen wird, in der nur Spieler aus Italien oder andern Mitgliedstaaten beschäftigt sind. Diese Frage gilt es zu beantworten. Hilf bemüht dazu den Begriff des "Internationalen Deutschen Meisters", der insbesondere aus dem Tennissport bekannt ist. 69 Auch dort wird ein "Deutscher Meister" gekürt, obwohl eine unbeschränkte Anzahl von Ausländern startberechtigt ist. Allerdings muß bezweifelt werden, ob die von Hilf aufgezeigte Parallele in diesem Fall weiterfUhrt, denn im Fußballsport wird eben nicht der Titel eines "Internationalen Deutschen Meisters" ausgespielt, sondern lediglich der des "Deutschen Meisters".7o Verwiesen sei nochmals auf die Spielordnung des DFB, aus der dies eindeutig hervorgeht. 71 Eine differenzierte Wortlautauslegung betreibt auch Lenz. Er führt auS, daß der Begriff des "Deutschen Meisters" durchaus auch anders verstanden werden könne, als es die Befürworter der Ausländerklauseln fordern. Ebensogut sei es möglich, daß mit dem Begriff des "Deutschen Meisters" allein der Verein bezeichnet werde, der aus den in Deutschland durchgeführten Spielen als Erster hervorgegangen sei. 72

67 Siehe dazu: § 38 der Spielordnung des DFB: ,,Der Meister der Bundesliga ist Deutscher Fußball-Meister". 68 Kahlenberg, EWS 1994, 423 (429). Ebenso: OLG Frankfurt, Beschluß vom 26.8.1994 (Az. 10 W 26/93; unveröffentlicht). Ähnlich Generalanwalt Trabucchi, Schlußanträge zur Rechtssache 13/76 ,,Domi", Slg. 1976, 1333, 1344. 69 Hilf, NJW 1984, 517 (522). 70 So auch PalmeIHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, 345. Auf die bestehenden Unterschiede zwischen den beiden Arten von Titeln verweist zutreffend Kahlenberg, EWS, 1994,423 (429). 71 Siehe dazu § 38 der DFB-Spie1ordnung. 72 GeneralanwaltLenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-58, Ziff. 144; Zäch, Wettbewerbsrecht und Freizügigkeit fi1r Arbeitnehmer im Bereich des Sports nach dem Recht der EG, in: Festschrift fi1r Amold Koller, S. 837 (847 f.).

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Dies scheint der richtige Ansatzpunkt zu sein. Wettbewerber um die "Deutsche Meisterschaft" sind die Vereine der Bundesliga, nicht aber die einzelnen Spieler. Nur auf die Vereine selbst kommt es an. 73 Entscheidet:ld ist daher, welche Anforderungen an einen Verein zu stellen sind, der um die "Deutsche Meisterschaft" spielen möchte. Analog zu dem Vorgehen bei Einzelsportlern, bei denen man allein auf deren Nationalität abstellt, muß man es dabei wohl schon als ausreichend ansehen, wenn wenigstens der Verein selbst aus Deutschland stammt, d.h. wenn er dort eingetragen ist. Man wird dagegen nicht fordern können, daß in diesem Verein nur begrenzt viele ausländische Spieler tätig sein dürfen, denn in jedem Fall sind es die deutschen Vereine, die einen "Deutschen Meister" ausspielen. Es ist also davon auszugehen, daß das Argument der "nationalen Meisterschaft" nicht zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln beitragen kann. Im übrigen drängt sich ohnehin der Verdacht auf, daß dieses Argument nicht viel mehr beinhaltet, als die scheinheilige Ausnutzung einer zufälligen Begrifflichkeit. Würde es der DFB mit dem Argument des "Deutschen Meisters" nämlich ernst meinen, so hätte er auch die Amateurmannschaften, die seit jeher nicht an die Ausländerklauseln gebunden sind, von der Teilnahme am DFB-Pokalwettbewerb ausschließen müssen, denn in diesem Wettbewerb wird der "Deutsche Pokalsieger" ermittelt. Insofern ist es also schon seit langem möglich, daß eine überwiegend mit Ausländern besetzte Mannschaft einen "deutschen" Titel erringt, ohne daß dieser Umstand jemals kritisiert worden wäre. Gleiches gilt übrigens auch für die "Deutsche Amateur-Meisterschaft", die ebenfalls von Mannschaften ausgespielt wird, die an keinerlei Ausländerbeschränkungen gebunden sind. fI) Das Argument des sportlichen Gleichgewichts

Im Hinblick auf die Rechtfertigung der Ausländerklauseln ist weiter vorgetragen worden, diese Klauseln dienten dazu, das sportliche Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu wahren. Nur durch die Aufrechterhaltung der AusländerklauseIn könne verhindert werden, daß die großen Klubs ihre sportliche . und wirtschaftliche Überlegenheit gegenüber den kleineren Vereinen noch weiter ausbauen, denn andernfalls könnten diese Klubs die besten Spieler aus ganz Europa verpflichten. Wie gezeigt, ist das Überleben der Lizenzligen nur gesichert, wenn kein übermäßiges Leistungsgefälle zwischen den einzelnen Vereinen besteht, denn 73

Ähnlich Hilf, NJW 1984, 517 (522).

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dieses würde das erforderliche Zuschauerinteresse bald erlahmen lassen. Insofern steht es außer Frage, daß mit dem Argument des sportlichen Gleichgewichts ein elementares Grundinteresse des Sports angesprochen worden ist, das es unter allen Umständen zu schützen gilt. 74 Fraglich bleibt allerdings auch hier, ob eine vollständige Abschaffung der Ausländerklauseln tatsächlich zu einer Vergrößerung des Leistungsgefälles zwischen den Vereinen führen müßte. Zunächst einige Argumente dagegen: Es ist eine Tatsache, daß sich der Spielermarkt bei einer Abschaffung der Ausländerklauseln nicht nur :fiir die größeren Vereine erweitert, sondern auch:fiir die kleineren. Zwar werden diese kleinen Vereine nicht in der Lage sein, eine Vielzahl europäischer "Superstars" zu verpflichten, doch können unbestritten auch sie von den erweiterten Möglichkeiten profitieren. Darüber hinaus hat Lenz zu bedenken gegeben, daß es auch bei einem national beschränkten Markt nur die finanzstarken Vereine sind, die sich die besten einheimischen Spieler leisten können. 75 Insofern ändert die Abschaffung der Ausländerklauseln in dieser Hinsicht nicht viel. Und außerdem wird darauf hingewiesen, daß sich sportlicher Erfolg regelmäßig nicht "erkaufen" lasse,76 womit gemeint ist, daß eine mit vielen Stars besetzte Mannschaft nicht zwangsläufig erfolgreich sein muß. Gerade das zuletzt genannte Argument hat zweifellos seine Berechtigung. Der Regelfall ist dies allerdings nicht, denn die Erfahrung hat das Gegenteil bewiesen. Auch wenn der Wert des mannschaftlichen Kollektivs immer wieder betont wird, so hat sich doch gezeigt, daß langfristig nur die Vereine Erfolg haben, die es sich leisten können, herausragende Fußballer zu verpflichten. Eines von vielen Beispielen ist der AC Mailand, der zu einer der stärksten Mannschaften der Welt aufsteigen konnte, nachdem er die holländischen Nationalspieler Gullit, Rijkaard und van Basten unter Vertrag genommen hatte. Ein anderes Beispiel ist der SSC Neapel, der nur zu der Zeit um die Italienische Meisterschaft mitspielen konnte, als dort der argentinische Superstar Diego Maradona beschäftigt war. Es scheint daher, als hinge der sportliche Erfolg ganz besonders von diesen Ausnahmespielern ab. Den kleineren Vereinen hilft es daher wenig, wenn sie zwar einen erweiterten Spielermarkt in ganz Europa vorfinden, sie aber nicht in der Lage sind, die entscheidenden Spieler zu verpflichten. Zudem ist auch der Einwand entkräftet, auf einem beschränkten nationalen Markt herrsche das gleiche Problem, denn je mehr Ausnahmespieler der Markt hergibt, desto weiter können sich die Vereine absetzen, die sich diese teuren Spieler leisten können. Wenn den großen Ver74 Vgl. dazu auch aus dem amerikanischen Recht: Stephen F Ross, 73 Minisota Law Review, 643 (670): "Competitive balance is a desirable goal for a sports league". 75 GeneralanwaltLenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-60, ZifT.147. 76 PalmelHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, 345.

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einen also die Möglichkeit gegeben wird, unbegrenzt viele ausländische Ausnahmespielern zu verpflichten, dann wird sich das Leistungsgefalle gegenüber den kleineren Vereinen immer mehr vergrößern. Überdies wird eine Abschaffung der Ausländerklauseln auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu einer Spaltung der Liga beitragen, denn neben den sportlichen Wert dieser sog. "Superstars" tritt zudem deren besondere Anziehungskraft auf die Zuschauer, die es den Vereinen ennöglicht, höhere Einnahmen bei dem Verkauf von Fernsehrechten und Eintrittskarten zu erzielen. Es bleibt damit festzuhalten, daß Ausländerklauseln grundsätzlich dazu geeignet sind, das lebenswichtige sportliche Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu wahren. gg) Das Argument der Überschuldungsgefahr Abschließend sei noch auf das sogenannte Überschuldungsargument verwiesen, das inzwischen wohl nicht mehr vertreten werden kann. Nach einer Aufhebung der Ausländerklauseln - so hieß es - sei eine unzumutbare Verschlechterung der finanziellen Situation der Vereine zu erwarten, da die Ablösesummen in enonne Höhen steigen würden. Gegen dieses Argument spricht nicht nur, daß die Ablösesummen nach dem "Bosman"-Urteil ihre Bedeutung weitestgehend verloren haben, sondern auch ein Vielzahl weiterer Gründe. So ist es doch kaum einzusehen, warum es zu Lasten der Freizügigkeit gehen soll, wenn zu erwarten ist, daß sich die Vereine finanziell übernehmen werden. Schließlich sollte es doch im Interesse der Vereine selbst liegen, solide zu wirtschaften. Wenn man es aber dennoch als Sache des DFB ansieht, die Vereine vor einer Überschuldung zu bewahren, dann bieten sich zweifellos weniger einschränkende Regelungen an als die Beibehaltung der Ausländerklauseln. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel die Festlegung von Verschuldensgrenzen rur die Vereine. 77 Die Ausländerklauseln sind also keinesfalls erforderlich, um eine Überschuldung der Vereine zu verhindern. Überdies handelt es sich bei dem Überschuldungsargument nicht um ein sportliches, sondern um ein rein wirtschaftliches Argument, das - wie gesehen - ohnehin nicht dazu herangezogen werden dürfte, um eine Einschränkung der Freizügigkeit zu rechtfertigen. 78 c) Verhältnismäßigkeit

Wie die vorangegangenen Ausruhrungen gezeigt haben, gehen zwar viele der Argumente, die zur Rechtfertigung der Ausländerklauseln vorgebracht NJW 1984, 517 (521). So auch Hilf, NJW 1984, 517 (521).

77 Hilf,

78

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werden, ins Leere, jedoch ist auch deutlich geworden, daß diese Klauseln in mancher Hinsicht tatsächlich den ihnen zugeschriebenen Zweck erfiillen. Sie helfen einerseits, die Chancen des Nachwuchses zu verbessern, und andererseits tragen sie dazu bei, das notwendige sportliche Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu sichern. Mit dieser Feststellung ist allerdings noch keinesfalls gesagt, daß die Ausländerklauseln tatsächlich mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren sind, denn auch eine zur Zweckerreichung geeignete Regelung ist nur zulässig, soweit sie sich im Rahmen des Erforderlichen hält und nicht zu unangemessenen Beschränkungen führt. Es fragt sich insofern, ob sich die angestrebten Zwecke auch durch eine mildere, weniger belastende Regelung erreichen ließen. Der erste Gedanke geht in diesem Zusammenhang regelmäßig in Richtung einer Erhöhung der Ausländerquote, denn natürlich ist eine Regelung, die eine Vielzahl von ausländischen Spielern in der Bundesliga zuläßt, weniger belastend als eine Regelung, nach der die Zahl der Ausländerplätze eng begrenzt ist. Allerdings liefe eine derartige Lösung darauf hinaus, daß man sich allein darüber zu streiten hätte, bei welchem Prozentanteil von Ausländern die Erforderlichkeitsgrenze beginnt. Ist eine Beschränkung auf 50 % notwendig, um den Nachwuchs in Deutschland zu schützen? Oder reicht es vielleicht schon aus, das Kontingent deutscher Spieler auf 25 bis 30 % zu beschränken?79 Die Willkürlichkeit dieser Zahlen zeigt, daß eine derartige Quotierung nicht der richtige Ansatz sein kann, um den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts gerecht zu werden. Die Verbände wären daher gut beraten, wenn sie sich endlich von dem offensichtlich noch immer vorhandenen Gedanken lösen könnten, daß den Anforderungen an die Erforderlichkeit nur durch eine prozentuale Verminderung der Heimkontingente begegnet werden könne. Eine Paradebeispiel für den Unsinn eines derartigen Vorgehens ist die neu eingeführte Regelung des DFB, die besagt, daß dem Kader eines Bundesligavereins mindestens 12 deutsche Spieler angehören müssen. Wie gesehen, besteht der durchschnittliche Spielerkader eines Bundesligavereins aus ca. 25 Spielern. Insofern ist es abzusehen, daß diese Regelung kaum einen praktischen Nutzen haben wird, da auf absehbare Zeit nicht anzunehmen ist, daß auch nur ein Verein mehr als 13 ausländische Spieler verpflichten wird. Der DFB hat damit also eine Regelung geschaffen, die viel zu zurückhaltend formuliert ist, um die Verwirklichung der angestrebten Ziele wirklich begünstigen zu können, die aber dennoch Anlaß zu erheblicher Kritik aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht geben muß, da sie erneut eine klassische Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält. 79 So der Vorschlag vonPalmelHepp-SchwablWilske, JZ 1994, 343, 345.

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Wie gerade dieses letzte Beispiel gezeigt hat, liegt das Problem, das es zu lösen gilt, zum einen darin, daß nur eine äußerst niedrig angesetzte Quote tatsächlich dazu beitragen könnte, die ihr zugedachten Ziele zu verwirklichen, und zum anderen darin, daß eine Quotierung der Ausländerplätze immer nur ein äußerst pauschal wirkendes Mittel darstellt. Einem geringen spezifischen Nutzen dieser Quotierungen steht dabei ein erheblicher Eingriff gegenüber. Insofern wird eine Regelung, die diese Schwächen vermeidet, indem sie gezielt auf die Nachwuchsförderung bzw. die Wahrung des sportlichen Gleichgewichts in der Bundesliga abstellt, immer die weniger belastende Alternative darstellen. Denkbar ist z.B. ein Ausgleichssystem, nach dem zwar die Verpflichtung von ausländischen Spielern unbegrenzt möglich ist, das jedoch die Vereine dazu anreizt, den Nachwuchs zu fördern und sie dazu verpflichtet, die "Schäden" auszugleichen, die sie der Chancengleichheit bzw. der Nachwuchsförderung zufügen, wenn sie einen ausländischen Spieler unter Vertrag nehmen. Wie eine solches System im einzelnen aussehen könnte, soll in einem abschließenden Schlußteil dieser Arbeit dargestellt werden. Hier soll allein die Feststellung ausreichen, daß eine solche Regelung das Recht auf Freizügigkeit weniger belasten würde als die sonst erforderliche niedrige Ausländerquote, und zudem könnte eine solche Regelung gezielt darauf zugeschnitten werden, die angestrebten Ziele zu sichern. Da demnach also ein milderes Mittel als eine Quotenregelung denkbar ist, läßt sich im Ergebnis festzuhalten, daß Art. 48 EGV solchen Klauseln eines Sportverbandes entgegensteht, die die Anzahl ausländischer Spieler aus anderen Mitgliedstaaten, die ein Verein unter Vertrag nehmen bzw. in einem Wettkampf aufstellen darf, quotieren oder sonstwie beschränken. Die aktuelle Regelung des DFB, die eine solche faktische Quotierung vorsieht, verstößt damit gegen Art. 48 Abs. 2 EGV. 2. Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG Wie eingangs dargestellt worden ist, sind die Vereine der Fußballbundesligen seit der Saison 1996/97 nicht nur dazu verpflichtet, mindestens 12 deutsche Spieler unter Vertrag zu nehmen, sondern auch dazu, nicht mehr als drei Ausländer aus Staaten, die nicht der UEFA angehören, in einem Spiel einzusetzen. Da der soeben diskutierte Art. 48 EGV nur für Angehörige der Mitgliedstaaten gilt und insofern nicht zur Überprüfung der zuletzt genannten Regelung herangezogen werden kann, ist es für den Fortbestand dieser Regelung von besonderer Bedeutung, ob die Unzulässigkeit der Ausländerklauseln auch aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet werden kann. Daß der DFB als Monopol-

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verband an den Gleichheitssatz gebunden ist, wenn er regelnd gegenüber dem Lizenzspieler tätig wird, ist bereits festgestellt worden. 80 Klar ist auch, daß sich die Spieler mit ausländischer Staatsangehörigkeit auf den Gleichheitssatz berufen können, daß sie also Träger dieses Grundrechts sind81 , wobei aus gegebenem Anlaß am Rande angemerkt sei, daß sich dieses bereits aus der Konzeption des Art. 3 Abs. 1 GG ("Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich") und nicht erst aus dem Art. 3 Abs. 3 GG ("Niemand darf wegen... seiner Herkunft ...benachteiligt werden") ergibt. 82 Fraglich ist lediglich, ob die hier diskutierten Ausländerklauseln tatsächlich gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Nach Art. 3 GG ist es verboten, "wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln",83 wobei Willkür im Sinne dieser Formel das Fehlen eines sachlichen Grundes bedeutet. 84 Mit Art. 3 GG zu vereinbaren wäre die mit den Ausländerklauseln einhergehende SchlechtersteIlung der Lizenzfußballer aus den Nicht-UEFA-Staaten demnach nur dann, wenn sich ein sachlicher Grund finden ließe, der diese Ungleichbehandlung zwischen ausländischen und deutschen bzw. europäischen Lizenzspielern rechtfertigen könnte. Die Ziele, die die Verbände mit den Ausländerklauseln verfolgen, sind im Rahmen dieses Kapitels bereits ausfiihrlich diskutiert worden, und es hat sich gezeigt, daß diese Klauseln tatsächlich dazu geeignet sind, die Nachwuchsförderung zu sichern und das Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu erhalten. Die Ausländerbeschränkungen dienen mithin einem berechtigten Interesse des DFB. Jedoch reicht dieser Umstand allein noch nicht aus, um die SchlechtersteIlung der ausländischen Spieler rechtfertigen zu können. Vielmehr ist mit dem BVerfG zudem auch die "Notwendigkeit" der differenzierenden Regelung zu fordern. 85

80 Zur Drittwirkung des Gleichheitssatzes vgl. Rüfner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 Abs. 1, Rn. 191 ff., insbesondere Rn. 193. 81 Vgl. Sachs, NJW 1981, 1133; Zuleeg, DÖV 1973, 361; Rüfner, in: Bonner Kommentar, Art. 3 Abs. 1, Rn. 135. 82 Unzutreffend ist insofern die Ansicht von Arens, Spurt 1996, 39 (43), der die Zulässigkeit der Ausländerklauseln an dem Art. 3 Abs. 3 GG messen möchte, da meint, diese Klauseln beinhalteten eine Benachteiligung der Spieler aufgrund ihrer ,,Herkunft". Arens verkennt dabei, daß der in Art. 3 Abs. 3 GG verwandte Begriff der ,,Herkunft" allein den schichtenspezifischen Aspekt der Abstammung meint (vgl. BVerfGE 9, 129), während eine Benachteiligung aufgrund der Staatsangehörigkeit allein an dem Art.3 Abs. 1 GG zu messen ist. 83 Seit BVerfGE 1,52 ständige Rechtsprechung des BVerfG; aus neuerer Zeit z.B. E 51, 76; 69, 159. 84 BVerfGE 117, 122 (13): "sachfremd und deshalb willkürlich". 85 Eine "VerhältnismäßigkeitspTÜfung" fmdet sich z.B. in der BVerfGE 63, 255 (263 ff.).

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Zwar verstößt eine Regelung nicht schon deshalb gegen den Gleichheitssatz, weil eine andere vernünftiger und gerechter gewesen wäre,86 jedoch fehlt es an einer sachlichen Rechtfertigung zumindest dann, wenn die Regelung zur Erreichung des angestrebten Zieles nicht notwendig bzw. nicht erforderlich ist87 . Genau an diesem Erfordernis scheitert schließlich auch die Rechtfertigung der Ausländerklauseln, denn im Rahmen der Prüfung des Art. 48 EGV ist bereits eingehend dargestellt worden, daß die Ausländerklauseln keineswegs notwendig sind, um die angestrebten Ziele zu verwirklichen. Die darin enthaltene Benachteiligung der ausländischen Spieler aus den Nicht-UEFAStaaten verstößt mithin gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 88 Gestützt wird dieses Ergebnis im übrigen auch durch das Argument der Systemgerechtigkeit. Aus Gründen der Systemgerechtigkeit ist anerkannt, daß Ausländer, wenn sie in Deutschland zu abhängiger oder selbständiger Arbeit zugelassen werden, auch die Rechte haben müssen, die Deutsche in bezug auf ihren Beruf oder ihr Arbeitsverhältnis haben89. Wenn ein Spieler also über einen wirksamen Arbeitsvertrag mit seinem Verein verfugt, und wenn er die erforderliche Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis hat, dann müssen ihm auch die gleichen Einsatzmöglichkeiten zugestanden werden, die den deutschen Spielern gewährt werden. Regelungen wie die Ausländerklauseln, die diese Möglichkeiten ohne entsprechende Rechtfertigung beschränken, verletzen die ausländischen Spieler folglich in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG. 90

3. Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften des EGV Nachdem soeben ein Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote des EGVertrages bzw. des Grundgesetzes festgestellt worden ist, fragt sich nunmehr, ob die beanstandeten Ausländerklauseln zudem auch gegen die Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages verstoßen. Wie gesehen, ist der DFB an das Verbot des Art. 85 EGV gebunden, da seine Statuten als "Beschlüsse einer Unternehmensvereinigung" im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren sind. Insofern sind auch die Ausländerklauseln des DFB an dieser Norm zu messen. BVerfGE 3,182; 23, 25; 38,17. Vgl. Rafner in: Bonner Kommentar, Art. 3 Abs. 1, Rn. 97; Schoch, DVBL. 1988, 863 (874); Wendt, NVwZ 1988,778 (781). 88 So im Ergebnis auch Rauball, Der Spiegel 3/1996, S. 139. 89 So z.B. Rafner in: Bonner Kommentar, Art. 3 Abs. 1, Rn. 137. 90 So auch Arens, Spurt 1996, 39 (43). 86

87

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a) Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten

Um einen Verstoß gegen Art. 85 EGV annehmen zu können, müßten die beanstandeten Ausländerklauseln zunächst geeignet sein, "den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen". Die Funktion dieser ,,zwischenstaatsklausel" liegt vor allem darin, den Geltungsbereich des gemeinschaftsrechtlichen Kartellrechts von demjenigen des innerstaatlichen Rechts abzugrenzen. Art. 85 EGV erfaßt danach sämtliche Maßnalunen, die Nachteile für die Verwirklichung eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes erwarten lassen,91 während diejenigen Verhaltensweisen, deren Auswirkungen sich allein auf das Gebiet eines Mitgliedstaates beschränken, in den Geltungsbereich der nationalen Rechtsordnungen fallen 92 . Daß die Überprüfung der Ausländerklauseln danach nicht dem nationalen Recht vorbehalten bleiben kann, liegt auf der Hand, denn schließlich betreffen diese Klauseln gerade den Fall, daß ein Spieler grenzüberschreitend in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden will. Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß nach dem Wortlaut des

Art. 85 EGV eine Beeinträchtigung des "Handels" zwischen den Mitglied-

staaten gefordert wird. Zwar hat die UEFA im Hinblick auf dieses Merkmal geltend gemacht, der Transfer von Spielern könne nicht als "Handel" angesehen werden93, doch verkennt sie dabei, daß der Begriff des zwischenstaatlichen "Handels" nicht wörtlich verstanden werden darf4. Geschützt wird keineswegs nur der Wettbewerb im freien Warenverkehr, sondern vielmehr der gesamte von den Grundfreiheiten erfaßte Wirtschaftsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. 95 Auch der Transfer eines Arbeitnehmers unterfaIlt damit dem Tatbestand des Art. 85 EGV,96 zumal in dieser Arbeit bereits mehrfach dargelegt worden ist, daß dieser Vorgang dem Wirtschaftsleben zugehörig ist. Der Einwand der UEFA ist somit unbegründet. Nachdem also festgestellt worden ist, daß die Ausländerklauseln den Handel zwischen den Mitgliedstaaten berühren, gilt es abschließend noch zu klären, ob sie diesen Handel tatsächlich in einem solchen Maße "beeinträchtiEuGHE 1969,295 fT. - RS 5/69 "Völk/Vervaecke". Opperman, Europarecht, Rn. 903. 93 Vgl. Sitzungsbericht zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-19. 94 Schröter in: GroebenIThiesinglEhlermann, Art. 85, Rn. 140. 95 EuGH, Urteil vom 14.7.1981 in der Rechtssache 172/80 ,,züchner", Slg. 1981, 2021 (2032); Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-112, Ziff. 261; Wertenbruch, EuZW 1996, 91; Schrmer in: GroebenIThiesinglEhlermann, Art. 85, Rn. 140; Malier-GraJJin: Handkommentar, Art. 85, Rn. 110. 96 So ausdrücklich auch Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-112, Ziff. 261 und S. 1-118 ff., Ziff. 271 ff.; Wertenbruch, EuZW 1996, 91; ; a.A. Klose, S. 138 ff.; ScholziAulehner, Spurt 1996,44 (47). 91

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gen", wie es Art. 85 EGV verlangt. Dem könnte entgegenstehen, daß mit dem Gerichtshof eine "Spürbarkeit" dieser Beeinträchtigung zu fordern ist. 97 Seitens der URBSFA wird eine derart beeinträchtigende Wirkung der Ausländerklausein bezweifelt. Da die großen Vereine ohnehin mehr Ausländer verpflichten würden, als sie einsetzen dürften, werde der Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht ausreichend stark behindert, um einen Verstoß gegen Art. 85 EGVannehmen zu können. 98 Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar ist es durchaus zutreffend, daß sich in jüngster Zeit immer mehr Vereine dazu entschlossen haben, vier oder mehr Spieler aus dem Ausland zu beschäftigen, obwohl bis zuletzt nur drei ausländische Spieler eingesetzt werden durften, doch zeigt gerade diese Entwicklung, daß die Ausländerklauseln tatsächlich eine beträchtliche handelshemmende Wirkung ausgeübt haben. Aufgrund der großen Nachfrage nach ausländischen Spielern, die in Europa offensichtlich vorhanden ist, muß nämlich angenommen werden, daß die Vereine noch weitaus mehr Spieler aus dem Ausland verpflichtet hätten, wenn es ihnen nur erlaubt gewesen wäre, all diese Spieler einzusetzen. Den besten Beweis für die Berechtigung dieser These geben die Ausländerklauseln selbst, denn diese wären sicherlich nicht eingeführt worden, wenn es aus Sicht der Verbände nicht notwendig gewesen wäre, den erwarteten Zustrom ausländischer Spieler zu beschränken. 99 Festhalten ist damit, daß die ehemals gültige Ausländerklausel des DFB, die den Vereinen vorschrieb, nicht mehr als drei ausländische Spieler gleichzeitig in einem Spiel einzusetzen, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten durchaus spürbar beeinträchtigt hat. An diesem Ergebnis kann es kaum einen Zweifel geben. Fraglich ist allerdings, ob auch die neue Regelung des DFB, nach der die Vereine dazu verpflichtet sind, mindestens 12 deutsche Spieler zu beschäftigen, zu ausreichend spürbaren Handelsbeeinträchtigungen führen wird. Zweifelhaft ist dies deshalb, weil ein gewöhnlicher Verein mit einem Kader von 25 Spielern mindestens 13 ausländische Spieler verpflichten müßte, um überhaupt in Konflikt mit dieser neuen Regelung zu geraten. Da zur Zeit sicherlich kein Verein die Absicht hat, derart viele Spieler aus dem Ausland unter Vertrag zu nehmen, könnte man argumentieren, diese neue Regelung wirke sich nicht beeinträchtigend auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten aus. Zu beachten gilt es allerdings, daß Art. 85 EGV allein die Eignung zur Handels-

97 Vgl. dazu etwa Urteil des EuGH vom 20.6.1978 in der Rechtssache 28/77 "Tepea", Slg. 1978,1391, Rn. 46 f.;MUl/er-GrajJin: Handkommentar, Art. 85, Rn. 114. 98 Vgl. zu diesem Vorbringen der URBSFA im Fall ,,Bosman": Sitzungsbericht zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-18. 99 Ähnlich Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415193 ,,Bosman", S. 1-113, Ziff.261.

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beeinträchtigung verlangtlOO. Der Schutzbereich des Art. 85 EGV ist damit derart weit gefaßt, daß ihm selbst die neue Regelung des DFB unterfallt, denn auch diese Regelung würde sich als Hindernis für den freien Spielerverkehr darstellen, wenn sich die Vereine dazu entschließen sollten, die Möglichkeiten des erweiterten europäischen Spielennarktes verstärkt zu nutzen. Daß eine derartige Entwicklung offensichtlich sogar erwartet wird, zeigt wiederum die Einfiihrung der neuen Regelung durch den DFB. b) Einschränkung des Wettbewerbs

Neben der soeben festgestellten "Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten" fordert Art. 85 EGV zudem eine "Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes". Die Ausländerklauseln müßten also eine Wettbewerbsbeschränkung "bezwecken oder bewirken". Nach Auffassung des Generalanwalts Lenz ist dies der Fall. Er verweist auf den Umstand, daß die Ausländerklauseln die Vereine in ihren Möglichkeiten beschränken, sich durch die Einstellung von Spielern Konkurrenz zu machen. In dieser Beschränkung erkennt Lenz eine wettbewerbswidrige "Aufteilung der ... Versorgungsquellen" i. S. d. Art. 85 Abs. 1 lit. c EGv. lOl Lenz ist insoweit uneingeschränkt zuzustimmen, als sich die AusländerklauseIn tatsächlich auf den Wettbewerb zwischen den Vereinen auswirken. Gäbe es nämlich keine Ausländerklauseln, so wäre die Wettbewerbssituation zwischen den Vereinen eine ganz andere. Dies ist im Rahmen dieses Kapitels bereits ausführlich dargelegt worden. Daß die Ausländerklauseln die Marktverhältnisse im Berufsfußball beeinflussen, ist danach also unbestritten. Fraglich ist allerdings, ob eine jede Beeinflussung des freien Wettbewerbs in der Gemeinschaft zugleich auch als verbotene Beschränkung dieses Wettbewerbs zu verstehen ist. Wäre dies der Fall, so könnte die Prüfung an dieser Stelle beendet werden, denn dann wären die Ausländerklauseln automatisch wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot als nichtig anzusehen. Sollte das Verbot des Art. 85 EGV hingegen nur bestimmte Eingriffe in den freien Wettbewerb erfassen, so müßte die Untersuchung der Auswirkungen der Ausländerklauseln weiter vertieft werden. Eine weitergehende Untersuchung dieser Klauseln wäre insbesondere dann erforderlich, wenn auch im EG-Kartellrecht die sogenannte "rule of reason" 100 Siehe Urteil des EuGH vom 01.02 1978 in der Rechtssache 17/77 ,,Miller", Slg. 1978, 131 (150 f.). 101 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-113, Ziff. 262, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die entsprechende Auffassung der Kommission.

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zur Anwendung kommen sollte. 102 Nach dieser aus dem US-amerikanischen Antitrustrecht stammenden Lehre sind die wettbewerbsfördernden Auswirkungen einer Absprache stets gegen die wettbewerbshemmenden Wirkungen dieser Absprache abzuwägen. Auf überwiegend wettbewerbsfördernde Absprachen soll das Kartellverbot dann keine Anwendung finden. 103 Die Forderung nach einer Übertragung dieser Lehre auf das EG-Kartellrecht ist vornehmlich von Juristen aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis erhoben worden. 104 Herrschend dürfte allerdings die Ansicht sein, daß Art. 85 EGV keine Grundlage für die Anwendung der "rule of reason" bietet. 105 In Anbetracht der überzeugenderen Argumente ist dem zuzustimmen. Da nämlich das amerikanische Recht keine Möglichkeit der Freistellung von dem dort gültigen Kartellverbot bietet, hat die "rule of reason" in dieser Rechtsordnung durchaus ihre Berechtigung. Ansonsten gäbe es dort nämlich keine Möglichkeit, den Wettbewerb in irgendeiner Weise durch private Absprachen zu fördern, da letztlich eine jede Einflußnahme auf den Wettbewerb als Wettbewerbsbeschränkung zu bewerten wäre. Im Gemeinschaftsrecht fehlt es hingegen an einer derartigen Legitimation der "rule ofreason", denn der EG-Vertrag kennt sehr wohl die Möglichkeit der Freistellung von dem EG-Kartellverbot (vgl. Art. 85 Abs. 3 EGV). Insofern steht schon die Systematik des Art. 85 EGV einer Übertragung der amerikanischen Regel auf das Gemeinschaftsrecht entgegen. Hinzu kommt, daß eine Übertragung dieser Regelung im Widerspruch zu der freiheitssichernden Zielsetzung des EG-Vertrages stünde, da die europäische Wettbewerbspolitik danach letztlich nur durch reine Effizienzerwägungen bestimmt werden würde. 106 Die "rule of reason" kann danach also nicht herangezogen werden, um zu einer wertenden Betrachtung zu gelangen. Dies heißt allerdings keinesfalls, daß es nicht doch zulässig sein kann, zwischen den verschiedenen Formen der Einflußnahme auf den Wettbewerb zu differenzieren. Der Gerichtshof vertritt nämlich die Auffassung, daß eine Wettbewerbsbeschränkung zumindest dann nicht an Art. 85 EGV zu messen ist, wenn sich bei einer Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles ergibt, daß ohne diese Beschränkungen der zu schützende Wettbewerb gar nicht

Grundlegend zur ,,rule of reason": Wertheimer, 1984 Duke Law Journal, 1297. Vgl. Schröter in: GroebenIThiesinglEhlermann, Art. 85, Rn. 75. 104 Vgl. dazu die umfassende Aufstellung der Autoren, die eine Übertragung dieser Regel befürworten, bei Schröter in: GroebenIThiesinglEhlermann, Art. 85, Rn. 75, Fn.298. 105 So Z.B. Müller-GrajJ in: Handkommentar, Art. 85, Rn. 84; Schröter in: GroebenIThiesinglEhlermann, Art. 85, Rn. 75; Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-115, Ziff. 267. 106 Müller-GrajJin: Handkommentar, Art. 85, Rn. 84; Schröter in: Groeben / ThiesinglEhiermann, Art. 85, Rn. 75. 102

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

möglich wäre! 07. Die Notwendigkeit, derartige Maßnahmen dem Anwendungsbereich des Kartellverbots zu entziehen, liegt auf der Hand, denn anderenfalls würde sich die freiheitsschützende Wirkung des Wettbewerbsrechts in ihr Gegenteil verkehren. Insofern ist diese Rechtsprechung des EuGH zu Recht allgemein anerkannt.!08 Im übrigen läßt sie sich auch problemlos mit dem Wortlaut des Art. 85 EGV vereinbaren, denn letztlich handelt es sich bei einer Maßnahme, die den Wettbewerb erst ermöglicht, schon tatbestandlich nicht um eine Beschränkung des vorhandenen Wettbewerbs, sondern vielmehr um die Schaffung eines neuen Wettbewerbs. Als Prämisse für die nachfolgende Prüfung ist damit festzuhalten, daß eine Einflußnahme auf die Marktsituation dann nicht gegen Art. 85 Abs. 1 EGV verstößt, wenn sie den einzig möglichen Weg darstellt, um Wettbewerb entstehen zu lassen. Was bedeutet das nun für die Ausländerklauseln? Im Rahmen der Prüfung des Art. 48 EGV ist bereits dargestellt worden, daß im Berufsfußball eine besondere Marktsituation vorherrscht, die sich dadurch auszeichnet, daß die Vereine elementar auf ein sportliches Gleichgewicht untereinander angewiesen sind. Um den Berufsfußball überhaupt am Leben halten zu können, ist die Aufrechterhaltung diese Gleichgewichts zwingend erforderlich. Insofern läßt sich mit Recht vertreten, daß eine Regel, die dieses Gleichgewicht sichert, einen Wettbewerb entstehen läßt, den es anderenfalls in der Form, wie wir ihn kennen, nicht geben würde.! 09 Sobald eine Einflußnahme auf den Berufsfußball also die Sicherung dieses Gleichgewichts bezweckt, ist sie nicht schon "per se" wettbewerbswidrig. Wie bereits im Rahmen der Prüfung des Art. 48 EGV festgestellt worden ist, dienen die Ausländerklauseln eben diesem Zweck, so daß deren Aufrechterhaltung einem grundsätzlich legitimen Anliegen des DFB entspricht. Aus den vorangegangenen Ausfiihrungen zu Art. 48 EGV ergibt sich allerdings auch, daß die Beibehaltung dieser Klauseln letztlich dennoch gegen das Kartellverbot des Art. 85 EGV verstoßen würde. Folgende Überlegung rechtfertigt dieses These: Selbst die Maßnahmen, mit denen ein legitimer Zweck verfolgt wird, sind nach der soeben aufgestellten Prämisse nur dann mit dem Kartellverbot zu vereinbaren, wenn sie den "einzig möglichen Weg" darstellen, um das Überleben des Wettbewerbs zu sichern. Nur diejenigen Maßnahmen fallen 107 Vgl. Urteil vom 30.6.1966 in der Rechtssache 56/65 ,,LTMlMaschinenbau Ulm", Slg. 1966281 (304). 108 Vgl. z.B. Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-115, Ziff. 265; Müller-GraJJ in: Handkommentar, Art. 85, Rn. 83; SchrlJter in: Groebenl Thiesing/Ehlermann, Art. 85, Rn. 72. 109 Mit diesem Argument hat auch die UEFA die beanstandeten Regeln im Fall ,,Bosman" verteidigt. Vgl. Sitzungsbericht zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 119.

2. Kapitel: Die Ausländerklauseln

145

nicht unter das Verbot des Art. 85 EGV, die unentbehrlich sind, um die mit ihnen verfolgten legitimen Ziele zu sichern. 11 0 An dieser Unentbehrlichkeit fehlt es naturgemäß immer dann, wenn es ein milderes Mittel gibt, das den angestrebten Zweck in gleicher Weise erfiillen kann, sprich dann, wenn es an der Erforderlichkeit der Maßnahme fehlt. Daß dies der Fall ist, ist nun aber bereits im Rahmen der Prüfung des Art. 48 EGV festgestellt worden,111 so daß die Ausländerklauseln aus dem gleichen Grunde auch als verbotene Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art. 85 EGV zu bewerten sind. Die Ausländerklauseln sind folglich nicht mit Art. 85 Abs. I EGV zu vereinbaren.

III. Ergebnis Ausländerklauseln wirken diskriminierend i. S. d. Art. 48 Abs. 2 EGV. Sie bedürfen daher einer Rechtfertigung. Diese ist gegeben unter der Voraussetzung, daß die diskriminierende Regelung dem Schutz eines vorwiegend sportlichen - d.h. nichtwirtschaftlichen - Interesses dient und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Die Ausländerklauseln dienen einem legitimen Zweck im Sinne dieser Formel, da sie einerseits helfen, die Chancen des Nachwuchses zu verbessern, und andererseits dazu beitragen, das notwendige sportliche Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu sichern. Die Ausländerklauseln sind jedoch nicht erforderlich, um die genannten Ziele zu verwirklichen, da sich dies auch durch ein milderes Ausgleichssystem verwirklichen ließe. Art. 48 EGV steht insofern solchen Klauseln eines Sportverbandes entgegen, die die Anzahl ausländischer Spieler aus anderen Mitgliedstaaten, die ein Verein unter Vertrag nehmen bzw. in einem Wettkampf aufstellen darf, quotieren oder sonstwie beschränken.

Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man auch über Art. 85 EGV. Die aktuelle Regelung des DFB, die eine faktische Quotierung der Ausländerplätze vorsieht, indem sie den Vereinen aufgibt, mindestens 12 deutsche Spieler unter Vertrag zu nehmen, 112 verstößt damit gegen Art. 48 Abs. 2 EGV und Art. 85 EGV und ist folglich rechtswidrig.

110 So auch Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-117, ZifI.269. 111 Siehe BI, 2. Kapitel, II., 1., c) dieser Arbeit. 112 Vgl. § 7 Nr. 1 lit. c) des Lizenzspielerstatuts.

\0 P1ath

146

Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, der einer Zulässigkeit von Ausländerklausein ebenfalls entgegensteht, ist auch die Regelung des DFB, nach der maximal drei Spieler aus den Ländern eingesetzt werden dürfen, die nicht der UEFA angeschlossen sind,113 rechtswidrig und damit nichtig.

113

Vgl. § 22 Spielordnung des DFB.

Drittes Kapitel

Die Beschränkung der Lizenzspielertätigkeit durch das Transferentschädigungssystem des DFB Im Mittelpunkt des nunmehr folgenden Kapitels steht die Frage nach der Zulässigkeit der Transferentschädigungen - gemeinhin als "Ablösesummen" bezeichnet -, die nach dem Reglement des DFB zu zahlen sind, wenn ein Spieler seinen Verein wechseln möchte. Behandelt wird damit die wohl interessanteste, zugleich aber auch die komplizierteste Problematik aus dem Bereich des Sportrechts. Interessant ist die Problematik vor allem wegen ihrer besonderen praktischen Bedeutung für den Fußballsport - im Transfergeschäft sind zuletzt bis zu DM 120 Millionen pro Jahr umgesetzt worden1 -, aber auch wegen ihrer rechtlichen Eigenart, denn insbesondere "Zivilrechtler" tun sich schwer mit der Frage, warum den abgebenden Vereinen das Recht zugestanden wird, Ablösezahlungen für Spieler zu verlangen, deren Arbeitsverträge bereits abgelaufen sind. Kompliziert ist die Problematik deshalb, weil man bei der Suche nach einer Rechtfertigung des Phänomens der Ablösesummen auf die unterschiedlichsten Erklärungsansätze trifft. Da weder die Gegner noch die Befürworter der Ablösesummen "an einem gemeinsamen Strang ziehen", ist eine Kategorisierung der gegenseitigen Argumente kaum möglich. Überdies hat sich der DFB in Reaktion auf das "Bosman"-Urteil zu einer Neuregelung seines Transferentschädigungssystems entschlossen, so daß viele der Stellungnahmen, die zu diesem Thema ergangen sind, nur noch bedingt verwertbar sind. Diese Umstände bedingen eine Darstellungsweise, die geringfügig von der Systematik der vorherigen Kapitel abweichen wird: Im Anschluß an die Darstellung der "inhaltlichen Ausgestaltung" der Transferregeln, die wie gewohnt verlaufen wird, soll die "rechtliche Zulässigkeit" dieser Regeln zweistufig behandelt werden. Zunächst soll dabei ein Maßstab entwickelt werden, der Auskunft darüber geben wird, ob und inwieweit es überhaupt zulässig ist, den Transfer eines Lizenzspielers von der Zahlung einer Transferentschädigung 1 Eine AufstellWlg über sämtliche Transfers, die vor der BWldesligasaison 1995/96 getätigt worden sind, fmdet sich in der WamS vom 6. August 1995, S. 22.

148

Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

abhängig zu machen, und erst in einem zweiten Schritt wird dann zu prüfen sein, ob die entsprechenden Regeln des DFB diesem Maßstab genügen.

I. Die inhaltliche Ausgestaltung der Transferentschidigungssysteme des DFB Am 15. Dezember 1995, also an dem Tag, an dem der EuGH die Ablösesummen in den europäischen Mitgliedstaaten fiir rechtswidrig erklärte, galt im Kompetenzbereich des DFB folgende Regelung: "Ein Verein der Lizenzliga, der einen Spieler eines anderen Vereins unter Vertrag nimmt, ist zur Zahlung einer Transferentschädigung an diesen Verein verpflichtet, ... ,,2 Die Höhe dieser Transferentschädigung konnte zwischen dem abgebenden und dem aufnehmenden Verein grundsätzlich frei vereinbart werden. 3 Für den Fall, daß sich die Vereine nicht über die Höhe der Ablösesumme einigen konnten, stand es ihnen allerdings frei, diese durch einen unabhängigen Schiedsgutachter feststellen zu lassen. 4 Dieser Gutachter konnte seine Entscheidung nach freiem Ermessen treffen, doch hatte er dabei die vom DFB erlassenen Richtlinien zu berücksichtigen. Nach Maßgabe dieser Richtlinien war der Transferwert eines Spielers anband einer Formel zu bestimmen, bei der das Bruttogehalt des Spielers mit einem Faktor verrechnet wurde, der sich an der finanziellen Leistungsfähigkeit des aufnehmenden Vereins orientierte. Je leistungsstärker der Verein war, der den Spieler verpflichten wollte, desto höher war dieser Faktor. Hatte der Spieler seinen Vertrag wirksam fristlos gekündigt, so ermäßigte sich die Transferentschädigung auf eine Summe in Höhe des laufenden Jahresgehalts des Spielers. 5 Ein grenzüberschreitender Spielertransfer, also ein Transfer mit Beteiligung ausländischer Vereine, wurde im wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen abgewickelt, wenngleich die Rechtsgrundlagen andere waren. Auch bei einem "Vereinswechsel zu einem anderen Mitgliedsverband der FIFA" hatte der bisherige Verein einen Anspruch auf eine frei aushandelbare "Ausbildungs- und Förderungsentschädigung".6 Eine Besonderheit galt allein fiir einen Wechsel zu anderen Vereinen innerhalb der Gemeinschaft, denn dieser richtete sich nach der "Regelung der UEFA fiir die Zahlung einer Aus-

Vgl. Vgl. 4 Vgl. 5 Vgl. 6 Vgl. 2

3

§ 29 Nr. 1 Lizenzspielerstatut a.F. § 30 Nr. 1 Lizenzspielerstatut a.F. § 30 Nr. 3 Lizenzspielerstatut a.F. § 31 Lizenzspielerstatut a.F. § 9 Nr. 2 DFB-SpielordnWlg.

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

149

bildungs- und Förderungsentschädigung" in ihrer jeweils gültigen Fassung. 7 Für den Fall, daß sich die Vereine nicht über die Höhe der Ablösesumme einigen konnten, sah diese Regelung eine etwas modifizierte Art der Berechnung durch eine unabhängige Kommission der UEF A vor. Ansonsten aber glich diese Regelung der bereits dargestellten Regelung des DFB, denn auch nach diesem Reglement waren die Ablösesummen im Grundsatz frei aushandelbar. Der Wechsel eines Spielers aus dem Ausland zu einem Verein der Bundesliga, also ein Wechsel in umgedrehter Richtung, war ebenfalls nach den soeben dargestellten Grundsätzen abzuwickeln. Eine gänzlich unterschiedliche Regelung galt für den Wechsel eines Amateurspielers zu einem Verein der Lizenzligen, denn für diese Spieler war die Höhe der Transferentschädigung festgelegt. Bei einem Wechsel zu einem Verein der ersten Liga betrug sie DM 100.000,-, während ein Verein der zweiten Liga nur DM 45.000,- zu zahlen hatte. Der Anspruch auf diese Entschädigung verteilte sich dabei anteilig auf die Vereine, bei denen der Spieler innerhalb der letzten 7 Jahre spielberechtigt gewesen war. 8 Reduziert auf die wesentlichen Aspekte läßt sich damit folgendes festhalten: Nach dem damaligen System des DFB war grundsätzlich bei jedem Spielertransfer eine Transferentschädigung zu zahlen. Das galt sowohl für die Vereinswechsel innerhalb der Bundesliga als auch für grenzüberschreitende Spielertransfers. Im Hinblick auf die Höhe dieser Transferentschädigungen galt der Grundsatz der freien Aushandelbarkeit. Nur wenn sich die Vereine nicht einigen konnten, wurde die Höhe der Transferentschädigung durch einen unabhängigen Dritten festgelegt, der dabei an bestimmte Richtlinien des DFB bzw. der UEFA gebunden war. Eine Ausnahme galt allein für den Wechsel eines Amateurspielers ins Profilager. Bei diesem Vorgang war die Höhe der Transferentschädigung festgeschrieben. Am 15. Dezember erging dann die Entscheidung des EuGH im Fall "Bosman", und allseits wurde forsch "das Ende der Ablösesummen in Europa" verkündet. Bald jedoch erkannte man, daß der Gerichtshof nur einen Teilbereich des Transferentschädigungssystems für rechtswidrig erklärt hatte. Das Urteil betraf weder den Wechsel von Amateurspielem noch den innerstaatlichen Spielertransfer. Zudem blieben auch diejenige Ablösezahlungen unangetastet, die zu zahlen waren, wenn ein Spieler aus einem laufenden Vertrag "herausgekauft" werden sollte. All diese Einschränkungen ergeben sich aus folgender Passage des Urteils, in der es heißt, "daß Artikel 48 des Vertrages der Anwendung von durch Sportverbände aufgestellten Regeln entgegensteht, nach denen ein Berufsfußballspieler, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, bei Ablauf des Vertrages, der ihn an einen Verein bindet, nur dann 7 8

Vgl. dazu § 28 Nr. 3 Lizenzspielerstatut a.F. Vgl. § 32 Nr. I Lizenzspielerstatut a.F.

Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

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von einem Verein eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt werden kann, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung gezahlt hat. ,,9 Das befürchtete "Ende der Ablösesummen" beschränkte sich also auf den grenzüberschreitenden Spielertransfer eines Berufsfußballers in der Gemeinschaft, und so standen die nationalen Verbände vor der Frage, ob sie zumindest an dem nationalen Transfersystem festhalten sollten. Die diesbezügliche Haltung des DFB war eindeutig. Dort war man bestrebt, möglichst viel von dem altbewährten System zu retten. Bei den Vereinen hingegen zeigte sich ein diffuses Bild. Nach einer Umfrage des Kicker-Sportmagazins waren fiinf Vereine der 1. Bundesliga für eine Abschaffung des Transferentschädigungssystems, sieben Vereine waren dagegen und sechs Klubvertreter wollten sich nicht entscheiden. 1O Nach langwierigen und heftig gefiihrten Diskussionen konnten sich dann schließlich die Befiirworter der Ablösezahlungen durchsetzen, und es wurde eine Regelung beschlossen, nach der bis zum Ende der Saison 1996/97 eine Übergangslösung galt.!! Diese sah vor, daß das nationale Transferentschädigungssystem fiir eine weitere Saison bestehen blieb, wobei jedoch die Höhe der nach dem bisherigen Schlüssel errechneten Ablösesummen halbiert wurde.!2 Die vorerst endgültige Regelung, die seit Beginn der Saison 1997/1998 gilt, beschloß der DFB-Beirat am 26. April 1997 auf seiner Tagung in Frankfurt/Main. Mit diesem Beschluß wurde der "Wegfall des Transferentschädigungssystems in den Lizenzligen" mit Wirkung zum 1. Juli 1997 angeordnet. 13 Von der Saison 1997/1998 sind die dem DFB angeschlossenen Lizenzliga-Vereine also nicht mehr dazu verpflichtet, beim Vereinswechsel eines Lizenzspielers eine Transferentschädigung zu zahlen. Allerdings sind die Vereine der Lizenzligen nach wie vor zur Zahlung einer - nunmehr als Ausbildungs- und Fortbildungsentschädigung deklarierten - Ablösesumme verpflichtet, wenn sie Spieler aus dem Amateurbereich unter Vertrag nehmen. In § 30 Nr. 1 des Lizenzspielerstatuts heißt es dazu: "Ein Verein der Lizenzligen, der einen Amateurspieler oder einen Vertragsamateur als Lizenzspieler unter Vertrag nimmt, ist grundsätzlich zur Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung verpflichtet."

9

Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-4l5/93 ,,Bosman", S. 1-24,

Rn. 114. (Hervorhebungen durch den Verfasser).

Quelle: Kicker vom 22.01.1996, S. 37. Vgl. § 29 des Lizenzspie1erstatuts. 12 Vgl. § 29 Nr. 4 des Lizenzspielerstatuts. 13 Vgl. Beiratbeschluß vom 26.04.1997 zur Änderung des § 29 Lizenzspie1erstatut. 10

11

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

151

Auch weiterhin beträgt diese Entschädigung für Vereine der Bundesliga DM 100.000,- und für Vereine der 2. Bundesliga DM 45.000, _.14 Nachfolgend gilt es nunmehr die rechtliche Zulässigkeit dieser Systeme zu untersuchen, wobei diese Prüfung - wie angekündigt - zweistufig verlaufen wird. Zunächst wird es nur wn die Zulässigkeit der Transferentschädigungssysteme im allgemeinen gehen. Untersucht wird dabei allein, inwieweit es überhaupt zulässig sein kann, ein System zu unterhalten, das den Vereinswechsel eines Spielers von einer wie auch immer gearteten Geldzahlung durch den aufnehmenden Verein abhängig macht. Erst in einem zweiten Schritt sollen die dabei gewonnenen Ergebnisse dann herangezogen werden, wn die Zulässigkeit der verschiedenen Regelungen des DFB in ihrer konkreten Ausgestaltung zu überprüfen.

11. Die rechtliche Zulässigkeit der Transferentschädigungssysteme im allgemeinen Daß die Transferentschädigungssysteme an Art. 48 EGV zu messen sind, weiß seit dem "Bosman"-Urteil die gesamte sportinteressierte Öffentlichkeit. Weitaus weniger bekannt ist dagegen, daß man sich bereits seit Jahrzehnten über die Ver:einbarkeit dieser Systeme mit Art. 12 Abs. 1 GG streitet. Zudem wird vereinzelt ein Verstoß gegen die Menschenwürde diskutiert, und schließlich fragt sich, ob die Transferregeln den Anforderungen des Art. 85 EGV standhalten. Die nachfolgende Prüfung wird all diese Fragen aufgreifen, wobei aus aktuellem Anlaß mit der Untersuchung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften begonnen werden soll. 1. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 48 EGV Art. 48 Abs. 1 EGV schützt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen diese Norm hat zweistufig zu erfolgen.

Zunächst gilt es festzustellen, ob die Transferentschädigungssysteme des DFB überhaupt eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit beinhalten. Weiter ist dann zu prüfen, ob die gegebenenfalls vorhandene Beeinträchtigung nicht durch einen entsprechenden Rechtfertigungsgrund gedeckt wird. 14

Vgl. § 30 Nr. 1 des Lizenzspielerstatuts.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

a) Vorliegen einer Beeinträchtigung der Arbeitnehmerjreizügigkeit

Fraglich ist, ob die Transferentschädigungssysteme eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit beinhalten. Dies bestimmt sich entscheidend danach, welche Funktion man Art. 48 EGV zuschreiben möchte. aa) Art. 48 EGV als Diskriminierungsverbot Nach Art. 48 Abs. 2 EGV umfaßt die Freizügigkeit die "Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen". Wie unschwer zu erkennen ist, statuiert Art. 48 Abs. 2 EGV ein umfassendes Diskriminierungsverbot, das nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs "nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung" verbietet. 15 Ein Verstoß gegen diese Norm läge damit vor, wenn die Transferentschädigungssysteme in irgendeiner Form diskriminierend wirken würden. Genau dies wird aber heftigst bestritten. So haben beispielsweise die Regierungen Italiens und Frankreichs den Standpunkt vertreten, daß die Transferregelungen nicht zu einer Diskriminierung i. S. d. Art. 48 Abs. 2 EGV führten. 16 Die gleiche Ansicht äußerte der Belgisehe Fußballverband, die URBSFA, 17 und überraschenderweise hat selbst der Kläger lean-Marc Bosman eingeräumt, daß die Transfersysteme gewöhnlich nicht zu Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit der Spieler führten. 18 Nimmt man das alte Transfersystem des DFB als Beispiel, so läßt sich in der Tat nicht leugnen, daß dieses unterschiedslos für Staatsangehörige und Nichtstaatsangehörige galt. Ebenso verhielt es sich mit der großen Mehrheit der übrigen Transfersysteme, die bis zum "Bosman"-Urteil in den einzelnen Mitgliedstaaten galten. Nach all diesen Systemen war im Falle eines Spielerwechsels grundsätzlich eine Transferentschädigung zu zahlen, ohne daß die Staatsangehörigkeit des transferierten Spielers darauf einen Einfluß gehabt hätte. Auf den ersten Blick waren diese Systeme also keinesfalls diskriminierend. Dennoch, so scheint es, waren auch nach den damals gültigen Regelungen Fälle denkbar, in denen es zu Diskriminierungen kommen konnte. Gene15 Vgl. dazu zuletzt Urteil vom 23.02.1994 in der Rechtssache C-419/92 "Scholz"; Slg. 1994, I-50S, Rn. 7. 16 Vgl. dazu Sitzungsbericht in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-16 f 17 Vgl. Sitzungsbericht in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-11. 18 Vgl. Sitzungsbericht in der Rechtssache C-415193 ,,Bosman", S. 1-13.

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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ralanwalt Lenz hat sich intensiv darum bemüht, dieses nachzuweisen. 19 Er verweist auf den denkbaren Fall, daß das Reglement eines Verbandes notwendigerweise dazu führt, daß ein Wechsel ins Ausland ungünstiger behandelt wird als ein Wechsel innerhalb des eigenen Verbandes. In Frankreich zum Beispiel, wo die fällige Ablösesummen bei einem Wechsel ins Ausland verdoppelt wurden, habe nach Ansicht von Lenz eine derartige Situation vorgelegen. Des weiteren verweist Lenz auf die Fälle, in denen das Reglement eines Verbandes im Verbund mit den Regeln der UEFA zu einer Ungleichbehandlung führt. Auch hier zieht Lenz die Statuten des französischen Verbandes als Beispiel heran, doch läßt sich eine derartiger Fall auch nach dem damals gültigen deutschen Recht konstruieren. Wie gesehen, wurde die durch einen Gutachter errechnete Ablösesumme bei einem Wechsel innerhalb der Bundesliga nach anderen Kriterien berechnet als bei einem Wechsel ins Ausland. Insofern ist es schon denkbar, daß den in der Bundesliga tätigen Spielern ein Wechsel ins Ausland erschwert wurde. Gesichert ist dies allerdings keinesfalls, und überhaupt muß bezweifelt werden, ob in dem genannten Fall tatsächlich von einer Diskriminierung gesprochen werden kann. Sobald es nämlich allen Spielern in gleicher Weise erschwert wird, ins Ausland zu wechseln, kann allenfalls von einer Behinderung der Freizügigkeit die Rede sein. Eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit wird man dabei jedenfalls nur sehr schwer herausarbeiten können. Im übrigen stellt sich bei alledem das Problem, daß es die Vielzahl der unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten ohnehin unmöglich macht, den diskriminierenden Charakter eines nationalen Systems generell festzustellen. Vielmehr müßte jeweils im direkten Vergleich ermittelt werden, ob ein nationales System den Wechsel ins Ausland erschwert, oder ob dieser nicht sogar eher möglich ist als ein verbandsinterner Wechsel. So liegt es doch auf der Hand, daß zum Beispiel ein Wechsel in die finanzstarke italienische Liga seltener an den Ablöseforderungen in Millionenhöhe scheitern wird als etwa ein Wechsel nach Dänemark, wo weniger Geldmittel zur Verfiigung stehen. Überdies führt der soeben genannte Umstand auch dazu, daß schon kleinere Änderungen der Marktlage in den anderen Mitgliedstaaten die gesamte Bewertung vollkommen verschieben könnten. All dieser Probleme könnte man sich entledigen, wenn sich ergeben sollte, daß Art. 48 EGV nicht nur Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet, sondern zudem auch alle sonstigen Beschränkungen der Freizügigkeit. Fraglich ist also, ob Art. 48 EGV auch unterschiedslos gültige Regelungen erfaßt, soweit diese beschränkend wirken. Sollte dies der Fall sein, so könnte auf die nur schwer zu begründende Konstruktion einer versteckten Diskriminierung verzichtet werden, denn es müßte allein geprüft 19

Vgl. Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-63 fT., ZifT. 152.

154

Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

werden, inwieweit die nationalen Transfersysteme tatsächlich beschränkend wirken. bb) Art. 48 EGV als Beschränkungsverbot Es stellt sich also die Frage, ob Art. 48 EGV über das Diskriminierungsverbot hinaus ein sogenanntes Beschränkungsverbot beinhaltet. (1) Die Rechtsprechung des EuGH

In der Literatur bestand bis zuletzt keine endgültige Gewißheit darüber, ob der EuGH in Art. 48 EGV tatsächlich mehr sieht als ein bloßes Diskriminierungsverbot. 20 Beschränkungsverbote hat der Gerichtshof nämlich zunächst nur beim freien Waren- und Dienstleistungsverkehr entwickelt und anerkannt. 21 Beim freien Personenverkehr war dagegen lange Zeit fraglich, wie sich der EuGH entscheiden würde. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die Urteile ..Thieffry"22 und ..Kenny"23 aus den Jahren 1977 und 1978, von denen das erstgenannte als Hinweis für eine Ausdehnung der Beschränkungsverbote auf die Personenverkehrsfreiheit verstanden werden konnte, während die zweite Entscheidung schon als Schritt in die entgegengesetzte Richtung gewertet werden mußte. Seit den 80er Jahren ist allerdings ein Trend zu erkennen, der immer mehr auf die Anerkennung eines Beschränkungsverbots durch den EuGH hindeutet. Wegweisend dafür ist das Urteil im Fall ..KlOpp"?4 Dort ging es um Rechtmäßigkeit einer französischen Vorschrift, nach der jeder Rechtsanwalt nur eine einzige Kanzlei betreiben durfte. Der deutsche Rechtsanwalt Klopp, der bereits eine Kanzlei in Deutschland unterhielt, hatte dagegen geklagt, weil es ihm auf der Grundlage dieser Regelung verwehrt worden war, bei der Rechtsanwaltskammer in Paris eingetragen zu werden. Der Gerichtshof entschied, daß diese Regelung nicht mit Art. 52 EGV zu vereinbaren sei, da die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten nicht ..an der tatsächlichen AusVgl. dazu Hobei/'iethe, JuS 1996,486 (489). Zum freien Dienstleistungsverkehr vgl. Urteil vom 25.7.1991 in der Rechtssache C-76/90 ..Säger/Dennemeyer", Slg. 1991, 1-422l. Zum freien Warenverkehr vgl. z.B.: Urteil vom 20.2.1979 in der Rechtssache 120/78 "Cassis de Dijon", Slg. 1979, 649; Urteil vom 12.3.1987 in der Rechtssache 178/74 ,,Reinheitsgebot fiIr Bier", Slg. 1987, 1227. 22 Urteil vom 28.4.1977 in der Rechtssache 71/76 "ThiefIry", Slg. 1977, 765. 23 Urteil vom 28.6.1978 in der Rechtssache 1/78 ,,Kennyllnsurance Officer", Slg.1978, 1489. 24 Urteil vom 12.7.1984 in der Rechtssache 107/83 ,,Klapp", Slg. 1984, 297l. 20 21

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

155

übung ihres durch den Vertrag gewährleisteten Niederlassungsrechts gehindert werden" dürften. 2s Entscheidend dabei ist, daß der Gerichtshof in dieser Weise entschied, obwohl er nach eigener Aussage davon auszugehen hatte, daß die beanstandete Regelung keine Diskriminierung enthielt. 26 Unter Berufung auf das soeben genannte Urteil entschied der Gerichtshof dann später auch im Fall "Stanton"?7 Dort ging es um eine belgische Vorschrift, die nach der Auffassung des Gerichtshofs keinen diskriminierenden Charakter hatte?S Dennoch sah der Gerichtshof in dieser Regelung einen Verstoß gegen die Art. 48 und 52 EGV, da die Gesamtheit der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsbürgern "die Ausübung jeder Art von Erwerbstätigkeit im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erleichtern" solle. 29 In vergleichbarer Weise entschied der Gerichtshof auch anläßlich einer Klage der griechischen Rechtsanwältin Vlassopoulou, die vergeblich versucht hatte, zur deutschen Anwaltschaft zugelassen zu werden. Dazu hieß es, daß "nationale Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, sich dahin auswirken können, daß sie die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten inder Ausübung des ihnen durch Artikel 52 EWG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsrechts beeinträchtigen".30 Geradezu als Durchbruch in Richtung eines Beschränkungsverbots wird dann schließlich das Urteil im Fall "Kraus"3! aus dem Jahre 1993 eingestuft.32 Der deutsche Staatsangehörige Kraus hatte in Großbritannien einen akademischen Titel erworben, den er auch in Deutschland führen wollte. Nach deutschem Recht bedurfte es dazu allerdings einer Genehmigung. Dagegen wandte sich der Kläger Kraus. Der Gerichtshofs nahm dieses Verfahren zum Anlaß, um folgende grundlegende Aussage zu treffen: ,,Daher stehen die Artikel 48 und 52 jeder nationalen Regelung über die Voraussetzungen filr die Führung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen ergänzenden akademischen Grades entgegen, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der 25 Urteil vom 12.7.1984 in der Rechtssache 107/83 ,,Klopp", Slg. 1984, 2971, Rn. 20. 26 Urteil vom 12.7.1984 in der Rechtssache 107/83 ,,Klopp", Slg. 1984, 2971, Rn. 14; siehe dazu auch den Beitrag vonSteindoif.[, EuR 1988, 19 (22). 27 Urteil vom 7.7.1988 in der Rechtssache 143/87 "Stanton", Slg. 1988,3877. 28 Urteil vom 7.7.1988 in der Rechtssache 143/87 "Stanton", Slg. 1988, 3877, Rn. 9. 29 Urteil vom 7.7.1988 in der Rechtssache 143/87 "Stanton", Slg. 1988, 3877, Rn. 11 ff. 30 Urteil vom 7.5.1991 in der Rechtssache C-340/89 "Vlassopoulou", Slg. 1991, 1-2357, Rn 15. 3! Urteil vom 3.3.1993 in der Rechtssache C 19/92 ,,Kraus", Slg. 1993,1-1663. 32 Vgl. dazu Fischer, Spurt 1996, 34 (35), Fn. 7; Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C415/93 ,,Bosman", S. 1-80, Ziff. 184.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

durch den EWG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten durch die Gemeinschaftsangehörigen einschließlich der Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, der die Regelung erlassen hat, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.,,33

Bei der Darstellung all dieser Entscheidungen darf nun nicht verschwiegen werden, daß sich der Gerichtshof auch in späteren Entscheidungen durchaus nicht immer so eindeutig geäußert hat, wie es die dargestellten Formulierungen vermuten lassen. So zum Beispiel in einem von der Kommission gegen den Mitgliedstaat Belgien anhängig gemachten Verfahren aus dem Jahre 1987, in dem der Gerichtshof die Klage der Kommission abwies, da nach seiner Ansicht keine Anzeichen fiir eine Diskriminierung festzustellen waren. 34 Jedoch kann es zumindest nach der "Bosman" -Entscheidung keinen Zweifel mehr daran geben, daß der Gerichtshof Art. 48 EGV auch als Beschränkungsverbot versteht, denn im Hinblick auf die Zulässigkeit der Transferentschädigungssysteme heißt es dort in aller Deutlichkeit: ,,Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates daran hindern oder davon abhalten, sein Herlamftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhän5~ von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung fmden."

Die letzten Unsicherheiten, die hinsichtlich der Rechtsauffassung des EuGH bestanden, sind damit endgültig ausgeräumt, und insofern läßt sich nunmehr festhalten, daß Art. 48 EGV nach der Auslegung des Gerichtshofs nicht nur ein Diskriminierungsverbot, sondern auch ein Beschränkungsverbot beinhaltet, das alle unterschiedslos gültigen Regelungen erfaßt, soweit diese beschränkend wirken. (2) Diskussion der Rechtsprechung des EuGH

Fraglich ist nun weiter, ob diese Auslegung des Gerichtshofs mit den Vorgaben des EG-Vertrages zu vereinbaren ist. Der Wortlaut des Art. 48 EGV steht dieser Auslegung sicherlich nicht entgegen, denn in Art. 48 Abs. I EGV heißt es ganz neutral, daß die "Freizügigkeit der Arbeitneluner" herzustellen sei. Eine einschränkende Erläuterung dieser Freiheit findet sich dort nicht. Im Gegenteil: Gerade die weit gefaßte Formulierung deutet darauf hin, daß hier ein umfassendes "Grundrecht" statuiert worden ist, das ,jedem Arbeitneluner der Gemeinschaft individuell vom 33 Urteil vom 3.3.1993 in der Rechtssache C 19/92 ,,Kraus", Sig. 1993, 1-1663, Rn. 32. 34 Urteil vom 12.2.1987 in der Rechtssache 221/85 ,,KommissionIBe1gien", Slg. 1987, 719, Rn. 10 bis 12. 35 Urteil vom 15.12. 1995 - Rechtssache C-415/93 ,,Bosman.

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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Vertrag verliehen" worden ist. 36 Wenn es dann in Art. 48 Abs. 2 EGV weiter heißt, daß die Freizügigkeit ein Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit "umfaßt", so muß diese Aussage keinesfalls abschließend sein. Das Diskriminierungsverbot muß also keinesfalls das einzige Verbot sein, das von dem Freizügigkeitsrecht umfaßt wird. Schließlich heißt es in Art. 48 Abs. 2 EGV eben nicht, daß die Arbeitnehmerfreizügigkeit "nur" das dort genannte Diskriminierungsverbot umfaßt. Zu Recht ist in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen worden, daß sich die besondere Erwähnung dieses Verbots zum Beispiel auch dadurch erklären ließe, daß damit die "evidenteste und gravierendste" Beschränkung der Freizügigkeit hervorgehoben werden sollte. 37 Im übrigen deutet auch der Wortlaut des Art. 48 Abs. 3 EGV darauf hin, daß Art. 48 EGV eben doch mehr enthält als ein bloßes Diskriminierungsverbot, denn dort werden den Arbeitnehmern bestimmte absolute Rechte zugesprochen, die über ein Recht auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaates hinausgehen. 38 Für eine weite Auslegung des Art. 48 EGV spricht überdies auch die Systematik des EG-Vertrages. Da bereits Art. 6 EGV ein allgemeines Diskriminierungsverbot statuiert, hätte es der Bestimmung des Art. 48 EGV nicht mehr bedurft, wenn diese tatsächlich nicht mehr beinhalten würde, als ein bloßes Diskriminierungsverbot. Dies gilt vor allem deshalb, weil Art. 48 Abs. 2 EGV enger formuliert ist als Art. 6 EGY. 39 Ein weiteres teleologisches Argument eröffnet sich bei einem Blick auf die übrigen Grundfreiheiten des Marktes. Wie bereits erwähnt worden ist, wird sowohl für den freien Warenverkehr als auch für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit seit langem anerkannt, daß diese Freiheiten auch solche Beschränkungen verbieten, die unterschiedslos gelten und mithin nicht diskriminierend wirken. Würde man nun im Bereich des freien Personenverkehrs an einer engeren Auslegung festhalten, so müßte es zwangsläufig zu schwer erträglichen Wertungswidersprüchen kommen. 4o Schließlich ist kein Grund ersichtlich, warum etwa die Freiheit zur Erbringung von Dienstleistungen

36 In dieser Weise hat sich der EuGH im Fall ,,Heylens" geäußert, der im übrigen auch den Bereich des Fußballsports betraf. Vgl. Urteil vom 15.10 .1987 in der Rechtssache 222/86 ,,Heylens", Slg. 1987,4112, Rn. 14; vgl. auch Bleckmann, DVBI 1986, 69. 37 Vgl. dazu Knobbe-Keuk, DB 1990,2573 (2574); zustimmend Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-85, ZifT. 195. 38 So auch Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-85, ZifT. 195; Bleckmann, DVBl. 1986, 69 (72). 39 Vgl. BIeckmann, DVBl. 1986, 69 (73). 40 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-41 5/93 ,,Bosman", S. 1-86, ZifT. 198.

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weiter reichen soll als das Recht auf Freizügigkeit. 41 Hinzu kommt, daß ein derart uneinheitliches Verständnis der Grundfreiheiten dazu zwingen würde, die verschiedenen Freiheiten in unangemessener Schärfe voneinander abzugrenzen. 42 Daß dies in vielen Fällen kaum möglich ist, hat gerade das Beispiel des Lizenzfußballs bewiesen. Erinnert sei nur daran, welcher Aufwand zu betreiben war, um die These von der UnternehmersteIlung des Lizenzspielers zu entkräften. Würde man nun die dargestellt uneinheitliche Auslegung der Grundfreiheiten befürworten, nach der sich nur Art. 48 EGV auf ein Diskriminierungsverbot beschränkt, während Art. 59 EGV auch unterschiedslos geltende Maßnahmen erfaßt, so hinge die Zulässigkeit der nicht diskriminierenden Transferentschädigungssysteme - zugegeben überspitzt formuliert allein davon ab, ob man den Lizenzspieler als Unternehmer anstatt als Arbeitnehmer einstuft. Dies kann sicherlich nicht der Sinn der vorzunehmenden Unterscheidung sein. 43 Es sind nach alledem also keine Argumente ersichtlich, die der Auslegung des EuGH ernsthaft entgegenstehen könnten, so daß dieser Auffassung, der man sich inzwischen auch in der Literatur44 fast einhellig angeschlossen hat, uneingeschränkt zu folgen ist. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit umfaßt somit nicht nur das Diskriminierungsverbot des Art. 48 Abs. 2 EGV, sondern darüber hinaus auch ein Beschränkungsverbot, das auch unterschiedslos geltende Beschränkungen der Freizügigkeit erfaßt. (3) Die beschränkende Wirkung der Transferentschädigungssysteme Es bleibt schließlich zu prüfen, ob die Transferentschädigungssysteme tatsächlich zu einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit führen. Dazu bedarf es zunächst einiger Worte zu dem Inhalt des Beschränkungsverbots: Wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, stellt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer einen der fundamentalen Grundsätze der Gemeinschaft dar. Sie steht damit grundsätzlich all denen Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines

41 Zu dem Argument der ,,Parallelität der Grundfreiheiten" vgl. Bleckmann, DVBl. 1986,69 (72). 42 Zu dem Paralellproblem der Beschränkungsverbote im Bereich der NiederlassunJjsfreiheit vgl. Steindoif!, EuR 1988, 19; Nachbaur, EuZW 1991, 470. Zum Problem der Konvergenz der Grundfreiheiten grundlegend Behrens, EuR 1992,145. 44 Grundlegend Bleckmann, DVBl. 1986, 69; Hobenietje, JuS 1996, 486 (489); zur Reichweite des Beschränkungsverbots siehe Nettesheim, NVwZ 1996, 342 (343); kritisch Littbarski, JZ 1996, 238; a.A. - soweit ersichtlich - allein ScholziAulehner, Spurt 1996,44 (47).

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. 45 Insbesondere haben die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten das unmittelbar aus den Freizügigkeitsvorschriften abgeleitete Recht, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten. 46 Dies hat der EuGH aus gegebenen Anlaß im Fall "Bosman" nochmals besonders betont. 47 Daß die Transferentschädigungssysteme eine Beschränkung des so verstandenen Rechts auf Freizügigkeit - insbesondere in seiner zuletzt genannten Ausprägung - beinhalten, liegt auf der Hand. Solange die Vereine berechtigt sind, eine Ablösesumme zu fordern, kann der wechselwillige Spieler sein Herkunftsland nur dann verlassen, wenn sich ein Verein findet, der bereit ist, die geforderte Summe zu zahlen. Ist dies nicht der Fall, so hat der Spieler keine Möglichkeit, seine Tätigkeit als Berufsfußballer in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen. Zu welchen Auswirkungen dies fiihren kann, hat jüngst des Beispiel des Spielers Letchkov48 vom Hamburger SV beweisen. Dieser sollte nach einem Streit mit der Vereinsfiihrung verkauft werden, da sich der Trainer weigerte, Letchkov weiterhin zu berücksichtigen. Da sich jedoch kein Verein finden ließ, der bereit war, die geforderte Ablösesumme aufzubringen, war Letchkov gezwungen, weiterhin beim Hamburger SV zu verbleiben, was letztlich dazu führte, daß der ehemalige Weltklassespieler während der gesamten Rückrunde der Saison 1995/96 nicht mehr zum Einsatz kam. Gegen die hier vertretene Bewertung ist vorgebracht worden, die verschiedenen Transferentschädigungssysteme enthielten seit einiger Zeit einen Passus, der die sportliche Tätigkeit des Spielers von den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den betroffenen Vereinen unabhängig gemacht habe. Eine derartige Regelung fand sich z.B. in § 29 Nr. 1 des DFB-Lizenzspielerstatuts a.F. Dort hieß es noch: "Die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages darf nicht von einer bestimmten Höhe und/oder Einigung über die Transferentschädigung abhängig gemacht werden." Es mag sein, daß die Einfiihrung dieser und ähnlicher Regelungen49 dazu beigetragen hat, den beeinträchtigen45 So zuletzt im Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-4l5/93 ,,Bosman", S. I-2l, Rn. 93 tT. 46 Vgl. Urteil vom 5.2.1991 in der Rechtssache C-363/89 ,,Roux", Slg. 1991, S. I273, Rn. 9; Urteil vom 7.7.1992 in der Rechtssache C-370/90 "Singh", Slg. 1992, S. I4254, Rn. 17. 47 Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-2l, Rn. 95. 48 Daß der Bulgare Letchkav kein Angehöriger eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft ist, spielt für dieses Beispiel keine Rolle, da allein verdeutlicht werden soll, welche Auswirkungen die Transferentschädigungssysteme hervorrufen können. 49 Zum Schutz der Spieler war es bei grenzüberschreitenden Wechseln erst nach vielen Jahren verboten worden, die Erteilung der für die Spielberechtigung erforderlichen Freigabe durch den bisherigen Verband, von der Einigung über die Höhe der

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

den Charakter der Transferentschädigungssysteme etwas zu mindern. Der Verneis auf die dadurch gewonnene Erleichterung des Spielertransfers ist jedoch keinesfalls dazu geeignet, die hier vertretene Ansicht in Frage zu stellen, denn in diesem Bereich liegt nicht das eigentliche Problem. Die angesprochene Frage, welche Rechte die Spieler haben, solange die Vereine noch über die Höhe der Ablösesumme streiten, ist nur von zweitrangiger Bedeutung. Bevor es nämlich zu einer derartigen Situation kommen kann, muß sich erst ein Verein finden, der überhaupt bereit ist, eine Ablösesumme zu zahlen. Dies ist das entscheidende Hindernis, denn kaum ein Verein wird bereit sein, einen wechselwilligen Spieler zu engagieren, bevor geklärt ist, welche Ablösesumme er im Höchstfall zu zahlen hat. 50 In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH,51 dem Vorbringen des Klägers Bosman,52 der Auffassung des Generalanwalts53 und einzelner Stellungnalunen in der Litera~4 ist damit folgendes Zwischenergebnis festzuhalten: Ein Transfersystem, das den grenzüberschreitenden Vereinswechsel eines Spielers von einer Geldzahlung durch den aufnehmenden Verein abhängig macht, führt zu einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit i. S. d. Art. 48 EGY. b) Die Rechtfertigung der Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit

Mit der soeben getroffenen Feststellung, daß die Transfersysteme eine Beschränkung der Freizügigkeit beinhalten, steht noch nicht fest, daß diese Systeme tatsächlich gegen Art. 48 EGV verstoßen. Zuvor nämlich gilt es zu prüfen, ob es nicht Gründe gibt, die diese Beschränkung rechtfertigen könnten. Fraglich ist dabei zunächst, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtfertigung überhaupt möglich erscheint.

aal Die Voraussetzungen einer möglichen Rechtfertigung Es stellt sich zunächst die Frage, welche Anforderungen an die Rechtfertigung einer Beschränkung der Freizügigkeit der Berufssportler zu stellen sind. Ablöseswnme abhängig zu machen. Vgl. zwn Beispiel § 28 Nr. 4 des Lizenzspielerstatuts des DFB in seiner alten FassWlg. 50 So auch Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-62, Ziff. 150. 51 Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-23, Rn. 104. 52 Zum Vorbringen des Klägers Bosman, vgl. Sitzungsbericht zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-13. 53 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-94, Ziff. 212. S4 SO z.B. Fischer, Spurt 1996, 34 (36).

3. Kapitel: Das Transferentschädigwlgssystem

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Man könnte meinen, daß diese Frage bereits bei der Prüfung der Ausländerklausein beantwortet worden sei. Dort wurde dargestellt, daß der EuGH fiir den Bereich des Sports einige ungeschriebene Rechtfertigungsgründe anerkennt. Es sind jedoch Zweifel angebracht, ob eine unbesehene Übertragung dieser Ergebnisse möglich ist, denn die Ausländerklauseln wirkten eben nicht nur beschränkend, sondern diskriminierend. Im Vergleich zu den Transferregelungen wiesen sie damit eine entscheidend gesteigerte Eingriffsintensität auf, und insofern gilt es noch zu klären, unter welchen Voraussetzungen die allein beschränkend wirkenden Transferregelungen gerechtfertigt werden können. Der Gerichtshof hat dazu folgendes ausgefiihrt: "Die Transferregeln stellen folglich Beeinträchtigungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar, die grundsätzlich nach Artikel 48 des Vertrages verboten sind. Anders wäre es nur dann, wenn diese Regeln einen mit dem Vertrag zu vereinbarenden berechtigten Zweck verfolgen würden und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt wären. In diesem Fall müßte aber außerdem die Anwendung dieser Regeln geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Zweckes zu gewährleisten, und dürfte nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich ist. ,,55 Wie unschwer zu erkennen ist, fordert der EuGH vor allem die Verhältnismäßigkeit der beeinträchtigenden Maßnahme. Die Transferregelungen könnten danach also nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie das Recht auf Freizügigkeit nicht unverhältnismäßig einschränken. Diese Forderung ist nicht überraschend und zweifellos angebracht, da die zuwiderlaufenden Interessen in einen sinnvollen Ausgleich gebracht werden müssen. Interessant ist allerdings, wie der Gerichtshof die Zwecke definiert, die dabei berechtigterweise verfolgt werden dürfen. Die Rede ist von "zwingenden Gründen des Allgemeininteresses" . Eine Rechtfertigung ist also nur möglich, soweit die die Freizügigkeit beeinträchtigende Maßnahme dem Schutz des "Allgemeininteresses" dient. Verwunderlich ist diese Formulierung deshalb, weil sie in keiner Weise auf die sonst so häufig verwandte Unterscheidung zwischen "Sport" und "Wirtschaft" abstellt. Zur Erinnerung: Die Ausländerklauseln hätten nur dann gerechtfertigt werden können, wenn sie zum Schutz einer rein sportlichen Grundregel erforderlich gewesen wären. Wirtschaftliche Zwecke konnten hingegen nicht zur Rechtfertigung der diskriminierenden Klauseln beitragen. Da der EuGH bei der Prüfung der Transferregeln auf eine derartige beschränkende Unterscheidung verzichtet hat, ist davon auszugehen, daß in diesem Zusammenhang auch wirtschaftliche Aspekte zu einer Rechtfertigung beitragen könnten. Es scheint daher so, als habe der Gerichtshof die

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Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-23, Rn. 104.

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Anforderungen an eine Rechtfertigung der lediglich beschränkend wirkenden Transferregeln herabschrauben wollen. Zu einem gegenteiligen Ergebnis muß man allerdings gelangen, wenn man sich vor Augen führt, wie der EuGH den Begriff des "Allgemeininteresses" versteht. Bei der Prüfung dieses Merkmals fragt der Gerichtshof nämlich allein danach, welche soziale Bedeutung "der sportlichen Tätigkeit und insbesondere dem Fußballsport in der Gemeinschaft zukommt". 56 Offensichtlich stellt der Gerichtshof also nicht etwa darauf ab, welche Bedeutung die Regelungen für den Fußballsport haben, sondern allein darauf, ob diese Regelungen letztlich im Allgemeininteresse der gesamten Gemeinschaft liegen. Es liegt auf der Hand, daß der EuGH damit sehr hohe Anforderungen an die Rechtfertigung einer beschränkenden Maßnahme stellt. Schließlich muß eine Regelung, die den Interessen des Sports dient, noch lange nicht im Allgemeininteresse der gesamten Gemeinschaft liegen. Es stellt sich damit das Problem, daß unter Umständen sogar höhere Anforderungen an die Rechtfertigung der lediglich beschränkenden Transferregelungen zu stellen sind als an die Rechtfertigung der diskriminierenden Ausländerklauseln. Ein derartiger Wertungswiderspruch ist keinesfalls hinnehmbar, da diskriminierende Maßnahmen grundsätzlich die höhere Eingriffsintensität aufweisen. Der EuGH entgeht diesem Problem - ob bewußt, sei dahingestellt -, indem er den Begriff des "Allgemeininteresses" äußerst weit auslegt. So erkennt er zum Beispiel die "Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen den Vereinen" als schützenswerten Zweck von gemeinschaftsweiter Bedeutung an. 57 Ein derartiges Vorgehen ist zwar sicherlich möglich, um den aufgezeigten Wertungswiderspruch auszugleichen, jedoch wird es der Bedeutung und Funktion des Sports nur unzureichend gerecht. Zum einen stößt man bei dem Versuch, bestimmte sportliche Belange zu einem "Allgemeininteresse der Gemeinschaft" zu erklären, schnell an die Grenzen des möglichen Wortsinns, denn man wird kaum behaupten können, daß es im Interesse der Gemeinschaft liegt, die Leistungsfähigkeit einzelner Bundesligavereine aufrecht zu erhalten. Und zum anderen überspannt man die Anforderungen, die an das Recht der privatrechtlich organisierten Sportverbände zu stellen sind, denn deren Aufgabe beschränkt sich darauf, den sportlichen Wettkampf zu organisieren. Insofern sind auch nur diese sportlichen Interessen mit dem Recht auf Freizügigkeit in Einklang zu bringen. Geboten erscheint es daher, den vom EuGH verwandten Begriff des "Allgemeininteresses" durch den Begriff des "Sportinteresses" bzw. des "Sportwohls" zu ersetzen. Da auch der EuGH anerkannt hat, daß selbst die diskrimiUrteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-23, Rn. 106. Siehe nochmals: Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S.I-23, Rn. 106. 56

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3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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nierenden Regeln wie die Ausländerklauseln gerechtfertigt sein können, sobald sie dem Schutz "sportlicher Interessen" dienen, muß dieses Vorgehen erst recht bei den lediglich beschränkend wirkenden Transferregelungen zulässig sein. Eine weitergehende Zweckbeschränkung wird man jedenfalls kaum fordern können, wenn man dem Problem des Wertungswiderspruchs entgehen möchte. Eine die Freizügigkeit beschränkende Regelung eines Sportverbandes ist demnach gerechtfertigt, soweit sie den Schutz der Interessen des Sports dient und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. An diesem Maßstab sind die Transferregelungen zu messen. bb) Die Berechtigung der vorgebrachten Rechtfertigungsgründe Zur Rechtfertigung der Transferregeln haben insbesondere die betroffenen Verbände eine Reihe von Argumenten vorgebracht. Dabei fallt auf, daß bei der Mehrzahl dieser Argumente die finanziellen Aspekte im Vordergrund stehen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wird also nur mittelbar auf die spezifischen Interessen des Sports abgestellt. Dies wird im Rahmen der Verhältnisrnäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein. (1) Das Argument des sportlichen und finanziellen Gleichgewichts

Die Befiirworter der Transferregeln stützen ihre Argumentation im wesentlichen auf die Behauptung, die Beibehaltung der Transferentschädigungssysteme sei erforderlich, um das sportliche und finanzielle Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu sichern. 58 Nur durch ein funktionierendes Transferentschädigungssystem - so die Argumentation - könne eine übermäßige Dominanz der großen Vereine verhindert werden, denn anderenfalls könnten diese Vereine problemlos sämtliche Spitzenspieler verpflichten. Die kleineren Vereine müßten sich dagegen mit weniger starken Spielern zufrieden geben, womit nicht nur das sportliche Gleichgewicht aus den Fugen geriete, sondern auch das finanzielle, da der zahlende Zuschauer vornehmlich an Spitzenspielern interessiert sei. Unterstellt, die Transferregeln seien tatsächlich erforderlich, um das Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu wahren, so wäre der darin enthaltene Verstoß gegen das Beschränkungsverbot des Art. 48 EGV zweifellos gerechtfertigt. Zwar mag man sich darüber streiten, ob von dem Fortbestand der 58 Vgl. dazu zum Beispiel das Vorbringen der URBSFA, Sitzungsbericht zur Rechtssache C415/93 ,,Bosman", S. 1-11.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Transferregeln tatsächlich die gesamte "Organisation der Fußballwelt" abhängt, wie es die UEF A fonnuliert hat, S9 doch steht außer Frage, daß der Fußballsport entscheidend auf das sportliche Gleichgewicht zwischen den Vereinen angewiesen ist, um überlebensfähig zu bleiben. Dies ist bereits eingehend dargelegt worden. Aus diesem Grunde hat selbst der Kläger Bosman anerkannt, daß die Aufrechterhaltung des sportlichen Wettbewerbs ein Ziel darstellt, das zu beschränkenden Regelungen ennächtigt.6O Der Generalanwalt61 und der EuGW2 sind dem gefolgt. Uneinigkeit besteht nun allerdings darüber, ob Transferregeln überhaupt dazu geeignet sind, das Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu wahren. In den juristischen Stellungnahmen ist diese Frage mehrmals unbeantwortet geblieben,63 und auch eine Umfrage des Kicker-Sportmagazins unter den betroffenen Vereinen der 1. Bundesliga brachte kaum eindeutige Erkenntnisse. Auf die Frage, ob bei einer Abschaffung der Transferentschädigungen eine Spaltung zwischen den annen und den reichen Vereinen drohe, antworteten nur sieben Vereine mit "Ja". Weitere sieben Vereine verneinten dagegen die Frage und vier Vereine waren ohne Festlegung. 64 Zunächst soll zu dem finanziellen Argument Stellung genommen werden: Betrachtet man dazu die unterschiedlichen Gesamtetats der einzelnen Vereine, so könnte man meinen, daß die Transferregeln den ihnen zugeschriebenen Zweck schon seit jeher nicht erfüllt hätten. Auch die Transferregeln konnten nämlich nicht verhindern, daß zum Beispiel der damalige Deutsche Meister Borussia Dortmund für die Saison 1995/96 mit einem Etat planen konnte, der den des Fe Hansa Rostock etwa um das Dreifache überstieg. 6s Von einem "finanziellen Gleichgewicht" kann dabei sicherlich nicht mehr gesprochen werden. Es bleibt allerdings zu fragen, wie sich das heute erkennbare Ungleichgewicht zwischen den Vereinen entwickelt hätte, wenn es keine Transferregeln gegeben hätte. Möglicherweise haben die Transferregeln nämlich zumindest dazu beigetragen, dieses Ungleichgewicht in erträglichen Grenzen Sitzungsbericht vom zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-12. Sitzungsbericht vom zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-15. 61 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-96, Ziff. 219. 62 Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-23, Rn. 106. Vergleichbare EntscheidlUlgen fmden sich überdies auch im amerikanischen Recht, vgl. 593 F. 2d 1173, 193 U.S. App. D.C. 19 (Smith V. NFL): ,,Evenly-matched teams make for c10ser games, tighter pennant races, and better p1ayer mora1e, thus maximizint\ fan interest, broadcast revenues, and overal health of the sport.". So z.B. Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-98, Ziff. 223~Fischer, Spurt 1996 34 (36). Vgl. Kicker vom 25.01.1996, S. 17. 65 Der Etat von Borussia DortmlUld betrug 37 Millionen Mark. Der Etat des Aufsteigers Hansa Rostock betrug 12,6 Millionen Mark. (Quelle: Die Welt vom 12.8.1995, S.24). 59 60

3. Kapitel: Das Transferentschädigilllgssystern

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zu halten. Ein Blick auf die Transferbilanzen der einzelnen Vereine läßt eine dahingehende Vermutung naheliegend erscheinen: Während die Spitzenvereine aus Dortmund und München in der Saison 1995/96 jeweils einen Verlust in zweistelliger Millionenhöhe zu verzeichnen hatten, konnten die kleinen Vereine aus Freiburg, Uerdingen und St. Pauli einen erheblichen Transfergewinn erwirtschaften. 66 Da diese Zahlen als durchaus repräsentativ gelten können, ist davon auszugehen, daß die Transferregeln tatsächlich für einen gewissen Finanzausgleich zwischen den Vereinen verantwortlich sind. Es kann mithin nicht geleugnet werden, daß die Transferregeln zumindest dazu beitragen, das finanzielle Ungleichgewicht zwischen den Vereinen in einem erträglichen Rahmen zu halten. In dem zweiten Teil der genannten These geht es darum, ob die Transferregeln überdies auch dazu beitragen, das "sportliche Gleichgewicht" zwischen den Vereinen zu wahren. 67 In gewisser Hinsicht ist diese Frage bereits beantwortet worden, da ein jeder Beitrag zur Herstellung des finanziellen Gleichgewichts zugleich auch der Herstellung des sportlichen Gleichgewichts zuträglich ist. Dennoch erscheint es angebracht, dieses Problem näher zu beleuchten: Im Kern geht es dabei darum, daß die Spitzenspieler der kleineren Vereine regelmäßig von den großen Vereinen abgeworben werden, was dazu führt, daß die kleinen Vereine sportlich geschwächt werden. Es stellt sich also die Frage, ob die Transferregeln diesem Phänomen entgegenwirken. Lenz bestreitet dies und behauptet sogar das Gegenteil. Er meint, daß das Transfersystem die kleineren Vereine dazu zwinge, ihre Spitzenspieler abzugeben, da sie sich nur auf diesem Wege sanieren könnten. 68 Dieses Argument erscheint wenig einleuchtend, denn auch ohne Transferregeln wären die kleinen Vereine gezwungen, ihre Spieler abzugeben, da sie nicht in der Lage sind, bei den Gehaltsangeboten der großen Vereine mitzubieten. Solange aber ein Transfersystem existiert, erhalten die kleinen Vereine zumindest noch einen finanziellen Ausgleich für ihren Verlust, der es ihnen ermöglicht, anderswo neue Spieler zu verpflichten. Überhaupt kann es kaum Zweifel geben, daß ein Transfersystem dazu beiträgt, den kleineren Vereinen ihre Spieler zu erhalten. Schließlich liegt es doch auf der Hand, daß ein großer Verein weniger Interesse an der Verpflichtung eines Spielers hat, wenn er nicht nur dessen Gehalt, sondern zudem auch eine außerordentlich hohe Ablösesumme zu zahlen hat. Wäre dies nicht der Fall, so müßte erneut diskutiert werden, ob die Trans-

66

Transferbilanz Saison 1995/96 in Millionen DM: Freiburg: + 4,85; Uerdingen:

+ 1,90; st. Pauli: + 1,26; Bayern München: - 17,57; Borussia Dortrnillld - 19. (Quelle:

Die Woche vorn 22.12.1995, S.9). 67 Daftlr etwa Stephen F. Ross, 73 Min. 1. Rev., 643 (671): "The key issue in assessin~player rnobility restrictions is their effect on cornpetitive balance.". Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosrnan", S. 1-98, Ziff. 224.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

ferentschädigungssysteme überhaupt eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit beinhalten. Nach alledem ist also davon auszugehen, daß die Transferregeln dazu beitragen, eine übergroße finanzielle und auch sportliche Dominanz der großen Vereine zu verhindern. Sie sind mithin grundSätzlich geeignet, die ihnen zugeschriebenen Zwecke zu erfüllen. Dennoch ist abschließend noch eine Einschränkung angebracht: Zur Wahrung des Gleichgewichts zwischen den Vereinen können die Transferregeln nämlich nur beitragen, weil die finanzielle Situation der Vereine maßgeblich durch das Transfergeschäft geprägt wird. Dies haben die obigen Ausführungen gezeigt. Sollte es jedoch eines Tages dazu kommen, daß die Transfergeschäfte nur noch einen Bruchteil der Gesamtumsätze der Vereine ausmachen - verwiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die zunehmende Bedeutung des Merchandisings und der TV-Einnahmen -, so würden die Transferregeln ihre regulierende Funktion verlieren, da sie nicht in dem erforderlichem Maße zum Finanzausgleich zwischen den Vereinen beitragen könnten. Gleiches gilt für die sportlichen Aspekte, denn nur wenn empfindlich hohe Ablösesummen zu zahlen sind, können die großen Vereine wirksam davon abhalten werden, die Spitzenspieler anderer Vereine zu verpflichten. 69 Im Ergebnis führt dies dazu, daß nur ein solches Transfersystem, daß zu besonders starken Beschränkungen der Freizügigkeit führt, auch tatsächlich geeignet ist, die rechtfertigenden Zwecke zu erfüllen. Dies wird noch zu berücksichtigen sein. Weiter ist zu prüfen, ob die Transferregeln tatsächlich erforderlich sind, um die genannten Zwecke zu sichern. Fraglich ist also, ob ein weniger beschränkendes Mittel existiert, daß mit gleichem Erfolg dazu beitragen könnte, das erforderliche Gleichgewicht unter den Vereinen zu wahren. Nach der Auffassung des Generalanwalts Lenz ist das Vorliegen derartiger Alternativen "eindeutig". Neben der Möglichkeit, die Gehälter der Spieler tarifvertraglich festzusetzen, sieht der Generalanwalt vor allem die Möglichkeit, die Einnahmen der Vereine untereinander zu verteilen. 70 Auf der zuletzt genannten Alternative liegt das Schwergewicht seiner Argumentation. Konkret schlägt er vor, die Erlöse aus dem Verkauf von Eintrittskarten unter den Vereinen zu verteilen. In entsprechender Weise könne auch mit den Einnahmen aus dem Verkauf von Fernsehrechten verfahren werden. Es ist nicht zu leugnen, daß auf diesem Wege ein absolutes Gleichgewicht zwischen den Vereinen hergestellt werden könnte, denn dazu müßte man nur die Summe der zu verteilenden Gelder hoch genug ansetzen. Genau in diesem Bereich liegt allerdings das entscheidende Problem. Wie auch Lenz richtig erkennt, kann eine solche 69 Vgl. dazu auch die Beispiele bei Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-98 f., Ziff. 225. 70 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-99,226.

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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Umverteilung nur dann sinnvoll und angemessen sein, wenn sie auf einen kleineren Teil der Einnahmen beschränkt bleibt. 7l Wird der Anteil der zu verteilenden Einnahmen nämlich zu hoch, so ist zu befiirchten, daß der Anreiz, gute Leistungen zu erbringen, zu stark reduziert werden würde. Für den Sport, der entscheidend durch den Leistungsgedanken geprägt wird, wäre dies eine Katastrophe. Am Ende einer derartigen Entwicklung stünde dann wohlmöglich der Vorschlag, den FC Bayern München stets mit einem Rückstand von einem Tor in jede Partie starten zu lassen. Wenn man nun also davon auszugehen hat, daß durch ein Umverteilungssystem nur der kleinere Teil der Einnahmen verteilt werden könnte, dann ist man genau bei dem Punkt angelangt, der soeben bereits angesprochen worden ist. In einer Zeit, in der es nicht unwahrscheinlich ist, daß einige Vereine bald mehr Geld mit der Vermarktung von Fanartikeln verdienen werden als mit dem Verkauf von Eintrittskarten, reicht es nicht aus, wenn man nur den kleineren Teil der Zuschauereinnahmen zwischen den Vereinen verteilt. In der Gesamtbetrachtung wäre dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der allenfalls ansatzweise dazu beitragen könnte, das finanzielle Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu wahren. Das Problem des Umverteilungssystem liegt demnach darin, daß es in Anbetracht des schützenswerten Leistungsgedankens nie soweit ausgebaut werden könnte, wie es notwendig wäre, um die Chancengleichheit im Wettbewerb tatsächlich zu gewährleisten. Um Mißverständnisse zu vermeiden: Auch hier wird im Grundsatz anerkannt, daß ein Umverteilungssystem dazu beitragen kann, das finanzielle Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu sichern. Durch nichts zu belegen ist jedoch die Behauptung, daß ein derartiges System fiir sich allein genommen ausreichen könnte, um dieses Ziel zu verwirklichen. Daß dies kaum möglich sein wird, beweist doch schon der Umstand, daß in der Bundesliga bereits seit längerem eine derartige Umverteilung von Fernsehgeldern praktiziert wird,72 die selbst im Zusammenspiel mit dem Transferentschädigungssystem nicht verhindern konnte, daß die Chancengleichheit in der Liga immer noch gefährdet ist. Das angestrebte Ziel, das sportliche und finanzielle Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu wahren, kann nach alledem nur dann mit gleicher Wirkung erreicht werden, wenn man das Umverteilungssystem weiter ausbaut, um es ergänzend zu den Transferregeln einzusetzen. In diesem Falle könnte dann z.B. die Höhe der zu zahlenden Ablösesummen gesenkt werden, wodurch die Eingriffsintensität der Transferregeln vermindert werden würde. Diese Möglichkeit stellt ein die Freizügigkeit weniger 71 72

So Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-101, Ziff. 228. Vgl. dazu § 5 Nr.3 des Lizenzspielerstatuts.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

belastendes Mittel dar, das bei der späteren Prüfung der konkret angewandten Transferregeln des DFB zu berücksichtigen sein wird. Ein vollständiger Ersatz für die Transferregeln kann ein solches Umverteilungssystem dagegen nicht sein. Dies haben die obigen Ausführungen gezeigt. Abschließend sei noch kurz auf den zweiten Vorschlag des Generalanwalts eingegangen, der darin liegt, die Höhe der Spielergehälter tarifvertraglich festzusetzen. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts ist dieses Maßnahme vollkommen ungeeignet, da sie in keiner Weise zu einem Finanzausgleich zwischen den Vereinen beiträgt. Im Gegenteil: Nach dem derzeitigen System sind es nämlich vorwiegend die großen Vereine, die durch die überhöhten Gehaltsforderungen der "Stars" belastet werden. Eine tarifvertragliche Festsetzung dieser Gehälter würde daher sogar zur Entlastung dieser Vereine beitragen. Das finanzielle Gefälle in der Liga würde dadurch sogar noch verstärkt werden. Denkbar ist es damit allein, daß eine Festsetzung der Gehälter zur Wahrung des sportlichen Gleichgewichts beitragen könnte. Auf den ersten Blick erscheint dies einleuchtend, da für die Spieler der finanzielle Anreiz verloren ginge, zu einem großen Verein zu wechseln, da sie auch dort nicht mehr Geld verdienen könnten. Es ist allerdings davon auszugehen, daß sich die Spieler dennoch immer wieder für einen Wechsel zu den großen Vereinen entscheiden würden, da sie nur dort die Möglichkeit haben, sich für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren oder einen Titel zu erringen. Im übrigen ist zu befürchten, daß eine zu niedrige Festlegung der Gehälter zum "Ausbluten" der Liga führen könnte, falls in anderen Ländern höhere Gehälter gezahlt würden, und schließlich mutet es auch ein wenig paradox an, die Rechte der Arbeitnehmer dadurch sichern zu wollen, daß man ihnen weniger Geld zahlt. Dies dürfte wohl kaum im Interesse der Spieler sein. Der dahingehende Vorschlag von Lenz ist insofern nicht überzeugend. (2) Das Argument der Über/ebensjähigkeit der Liga

"Kann Ihr Klub ohne Ablösesummen auf Dauer existieren?" Auf diese Frage des Kicker-Sportmagazins73 antworteten die Vertreter von zehn (!) Vereinen der ersten Bundesliga, also mehr als die Hälfte, mit "Nein". Insbesondere die Vertreter der Vereine mit nur geringer Stadionkapazität wiesen 73

Kicker vom 25.01.1996, S. 17.

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darauf hin, daß sie auf die Transfererlöse angewiesen seien, um überlebensfahig zu bleiben. Auf den ersten Blick scheint es, als werde mit diesem Argument die gleiche Frage angesprochen, die bereits soeben diskutiert worden ist. Erneut geht es nämlich darum, inwieweit die kleineren Vereinen von den Ablösesummen profitieren. Während jedoch bei der soeben angesprochenen Fragestellung nur auf den relativen Nutzen der Ablösesummen abgestellt worden ist, geht es nunmehr um den absoluten Nutzen der Ablösesummen, also darum, ob die kleinen Vereine tatsächlich überlebensnotwendig auf die Transfergewinne angewiesen sind. 74 Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung wird regelmäßig auf das Beispiel des Karlsruher se verwiesen, der nacheinander sechs seiner Spitzenspieler7s an den Fe Bayern München verkauft hat, um sich dadurch zu sanieren. Auch der Hamburger SV konnte seine wirtschaftliche Situation entscheidend verbessern, als der Spieler Thomas 0011 nach Rom verkauft wurde. Die Hamburger erhielten damals eine Ablösesumme von 15 Millionen Mark. Die Kette dieser Beispiele läßt sich beliebig fortfiihren, und dennoch ist damit noch nichts bewiesen. Schließlich nützt ein spektakulärer Spielertransfer wenig, wenn damit nur die Verluste ausgeglichen werden, die der abgebende Verein in den Vorjahren auf dem Transfennarkt erlitten hat. Die Frage ist demnach, ob die kleineren Vereine langfristig gesehen überhaupt einen Transferüberschuß erwirtschaften. Leider liegen dazu keine verläßlichen Zahlen vor, doch belegt die durchaus repräsentative Transferbilanz aus dem Jahre 1995, daß regelmäßig nur sehr wenige Vereine von dem Transfersystem profitieren. In dieser Saison konnten nur sechs der achtzehn Bundesligavereine einen Transferüberschuß verzeichnen. Alle anderen, auch die Aufsteiger aus Rostock und Düsseldorf, wären somit besser gefahren, wenn es in jenem Jahr kein Transfersystem gegeben hätte. Angesichts derartiger Ergebnisse sind durchaus auch solche Stimmen ernst zu nehmen, die seit langem das Transfersystem selbst für die Finanzmisere der gesamten Bundesliga verantwortlich machen. Hinzu kommt folgendes: Selbst ein finanziell angeschlagener Verein wie der Fe St. Pauli, dem es 1995 zur Auflage gemacht worden war, einen Transferüberschuß zu erwirtschaften, um überhaupt die Lizenz für die Saison 1995/96 zu erhalten, konnte in diesem Jahr nur einen Überschuß von lediglich 74 Vgl. dazu z.B. die Stellungnahme des DFB-Jusititiars Eilers im Kicker vom 18.12.995, S. 36, auf die Frage, welche Konsequenzen bei einer Abschaffung der Transfersysteme zu erwarten seien: ,,Dann wird die Zweite Liga in der heutigen Form nicht mehr existieren können und werden alle Spielklassen unter ihr vor einem Scherbenhaufen stehen.". 7S Von Karlsruhe nach München wechselten die Spieler Stemkopf. Kreuzer, Scholl, Kahn, TamatundFink.

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1,26 Millionen Mark verbuchen. Um die gleiche Summe einzunehmen, benötigte der Verein kaum drei Heimspiele, obwohl er bekanntlich eines der kleinsten Stadien der Liga besitzt, und selbst die Einnahmen aus dem Vertrag mit dem Trikotsponsor überstiegen den auf dem Transfermarkt erwirtschaften Betrag. Letztendlich machten die Transfererlöse damit nicht einmal 10 % des Jahresetats von 13 Millionen Mark aus. Daß auch diese 10 % ein durchaus entscheidender Posten in dem Gesamthaushalt eines Vereins sind, soll keineswegs geleugnet werden. Bei dem hier diskutierten Argument geht es jedoch nicht darum, ob sich die finanzielle Situation der kleineren Vereine durch eine Abschaffung der Tranferregeln in irgendeiner Form verschlechtern würde wie gesehen, ist selbst dies fraglich -, sondern allein darum, ob eine Abschaffung der Ablösesummen tatsächlich zum zwangsläufigen Ende der kleineren Vereine fuhren müßte. Angesichts der soeben dargelegten Zahlen, kann dies nicht angenommen werden. Zu gering ist der Anteil der Transfergewinne am Gesamtumsatz, und zu vielfältig sind die Einnahmemöglichkeiten der Bundesligavereine, als daß diese Vereine allein auf die Transfereinnahmen angewiesen wären. Gerade zu Zeiten des anhaltenden Fußballbooms in Deutschland und Europa muß es möglich sein, daß wirtschaftliche Überleben auch ohne Transfererlöse zu sichern. Nur am Rande sei darauf verwiesen, daß auch in Spanien noch Profifußball gespielt wird, obwohl es dort bereits seit langem ein nur sehr eingeschränktes Transfersystem gibt. Überdies sind die durchschnittlichen Transfereinnahmen der kleineren Vereine auch absolut gesehen so gering, daß es fraglos möglich wäre, die bei einem Wegfall des Transfersystems drohenden Mindereinnahmen dieser Vereine durch eine entsprechende Umverteilung der Gelder in der Liga auszugleichen. Jedenfalls würde dabei nicht jene zuvor angesprochene Größenordnung erreicht werden, die in unzumutbarer Weise mit dem Leistungsgedanken kollidieren müßte. Als Fazit läßt sich also festhalten, daß bei einer Abschaffung der Transferregeln zwar Mindereinnahmen der kleineren Vereine zu befürchten wären, daß dadurch jedoch nicht zwangsläufig deren Überlebensfahigkeit gefahrdet werden würde. Nur wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte dieses Argument zur Rechtfertigung der die Freizügigkeit beeinträchtigenden Transferregeln herangezogen werden können. (3) Das Argument unzulässiger Enteignungen

Im engen Zusammenhang mit dem soeben diskutierten Argument steht der vereinzelt erhobene Einwand, eine Abschaffung der Transferentschädigungen

3. Kapitel: Das TransferentschädigWlgssystem

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beeinträchtige das Eigentum der Vereine und führe mithin zu einer Verletzung der Eigentumsgarantie76 . Wie bereits der Generalanwalt Lenz77 mit deutlichen Worten ausgeführt hat, ist dieses Argument nur schwer nachvollziehbar. Wenn behauptet wird, die Abschaffung der Transferentschädigungen führe zu einer Entwertung der Investitionen, die die Vereine zum Zwecke der Entdeckung, Ausbildung und Förderung der Spieler getätigt hätten,78 so sei darauf verwiesen, daß bloße Chancen, Hoffnungen oder Erwartungen, die sich auf die Rückerlangung getätigter Investitionen richten, durch die Eigentumsgarantie bekanntlich nicht geschützt werden79 . Überdies sind auch die Spieler selbst keine Ware, deren Wert vermindert werden könnte, sie sind auch kein vennögenswerter Gegenstand und sie stehen erst recht nicht im Eigentum der Vereine. Die Wahrung des Eigentumsschutzes zwingt damit keinesfalls zu einer Beibehaltung der Transferentschädigungssysteme. (4) Das Argument der Nachwuchsfärderung

Zur Rechtfertigung der Transferregeln wird weiter vorgebracht, diese seien erforderlich, um die Vereine dazu anzuhalten, nach jungen Talenten zu suchen und diese zu fördern. Es steht allgemein außer Frage, daß dieses Argument der Nachwuchsförderung zur Rechtfertigung der beeinträchtigenden Transferregeln beitragen könnte. Aufgrund der überragenden Bedeutung der Nachwuchsförderung für den Sport gelangt man zu diesem Ergebnis sowohl dann, wenn man mit dem EuGH darauf abstellt, ob "zwingende Gründe des Allgemeininteresses" berührt werden,80 als auch dann, wenn man mit der hier vertretenen Ansicht auf den Schutz der "Grundinteressen des Sports" abstellt. Fraglich bleibt damit, ob die Transferregeln tatsächlich dazu geeignet sind, die NachwuchsfOrderung zu unterstützen. Der EuGH hat dies zunächst ausdrücklich anerkannt. In einem zweiten Schritt hat er diese Aussage dann allerdings stark eingeschränkt und ausgeführt, daß die Aussicht auf Erlangung einer Transferentschädigung kein "ausschlaggebender Faktor" sein könne, um 76 So z.B. ScholziAulehner, Spurt 1996, 44 (46); der Vorsitzende des DFBLigaausschusses Gerhard Mayer- Voifelder spricht von einem "enteignWlgsgleichen EinH!tr', vgl. Kicker Sportmagazin vom 29.1.1996, S. 41. Lenz, FAZ vom 21.3.1996, S. 11. 78 ScholziAulehner, Spurt 1996,44 (46). 79 Vgl. dazu BVerfGE 28, 142; 48, 296. 80 Der EuGH hat die ,,EinstellWlg Wld AusbildWlg jWlger Spieler" ausdrücklich als berechtigten Zweck anerkannt. Vgl. dazu Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C415/93 ,,Bosman", S. 1-23, Rn. 106.

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die Vereine zur Ausbildung und Einstellung junger Spieler zu ennutigen. Zur Begründung verweist er darauf, daß "die sportliche Zukunft der jungen Spieler unmöglich mit Sicherheit vorhergesehen werden" könne. 81 Offensichtlich geht der Gerichtshof damit davon aus, daß die Transferentschädigungen zwar grundsätzlich zu einer verbesserten Nachwuchsförderung beitragen könnten, daß sie diesen Zweck jedoch praktisch nicht erfiillten, solange die Höhe der Transferentschädigung "unabhängig von den tatsächlichen Kosten" der Ausbildung sei. Diese Einschätzung trifft nicht zu und läßt eine nur geringe Kenntnis des Fußballsports vennuten. Man kann sich darüber streiten, ob sich die Höhe einer Ausbildungsentschädigung an den tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten zu orientieren hat. Auf dieses Argument wird noch einzugehen sein. Unstreitig dürfte allerdings sein, daß die Vereine auch und gerade dann zur Förderung junger Spieler ennutigt werden, wenn die Höhe einer möglichen Ausbildungs- oder Transferentschädigung ungewiß ist. Dies bestätigt die langjährige Praxis von Vereinen wie Borussia Mönchengladbach, dem Karlsruher SC oder Ajax Amsterdam, deren Vertreter immer wieder betont haben, daß ihre bekannt erfolgreiche Jugendarbeit nicht nur dazu dient, die Spielstärke der Ligamannschaft zu steigern, sondern vor allem auch dazu, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Vereins durch den Verkauf von Talenten zu sichern. 82 Dieses Phänomen ist allseits bekannt, und es gibt auch keinen Grund, die diesbezüglichen Aussagen der Vereinsvertreter zu bezweifeln, denn warum sollte sich ein Verein damit brüsten, daß seine Nachwuchsarbeit vornehmlich dem unpopulären Zweck dient, die ausgebildeten Talente sofort wieder zu verkaufen. Der EuGH wendet dagegen ein, daß "sich nur eine begrenzte Anzahl dieser Spieler einer beruflichen Tätigkeit widmet". 83 Mit diesem Argument will der Gerichtshof offensichtlich belegen, mit welchen Risiken eine teure Jugendarbeit verbunden ist. Dies ist zwar zutreffend, doch hält es zumindest die Vereine der Lizenz/igen keineswegs davon ab, an der Jugendförderung als Einnahmequelle festzuhalten. Solange nämlich ein Transfersystem existiert, das den Vereinen die Chance auf Transfererlöse in Millionenhöhe bietet, reicht es doch schon aus, wenn nur einige Spieler den Sprung zum Spitzenspieler schaffen. Bei Ajax Amsterdam zum Beispiel, wo derzeit 160 Jugendspieler ausgebildet werden, erscheint es im übrigen sehr wahrscheinlich, daß gleich mehrere Spieler diesen Sprung schaffen werden.

81 Vgl. zu alledem: Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-24, Rn. 108 f 82 Vgl. zuletzt der damalige Trainer von Ajax Amsterdam, Louis von Gaal: ,,Daß Wlsere kontinuierliche JugenderziehWlg Rendite bringt, ist erwiesen; ohne sie würde Ajax nicht mehr leben." Interview in: Der Spiegel vom 26.2.1996, S. 184. 83 Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-24, Rn. 109.

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Zuzustimmen ist dem Gerichtshof allein insoweit, als die Transferentschädigungen nur ein bedingt taugliches Mittel darstellen, um zudem auch die Ausbildungstätigkeit der Amateurvereine gleichmäßig zu finanzieren, falls er diese überhaupt meint, wenn er von den "kleinen" Vereinen spricht. 84 Soweit der Gerichtshof dieses Argument allerdings dazu verwenden möchte, die Auswirkungen der Transferregeln auf die Nachwuchsförderung insgesamt in Frage zu stellen, ist ihm erneut entgegenzuhalten, daß der entscheidende Teil der Nachwuchsförderung heute in den Jugendabteilungen der Vereine der obersten Spielklassen vorgenommen wird. Alles andere ist vornehmlich Breitensport, um den es hier nicht geht. Im übrigen tragen die Transfersystem auch dazu bei, die Einstellung junger Spieler gerade durch Spitzenvereine zu fördern. Da nämlich die Spitzenvereine davon ausgehen können, daß ein Spieler der bei ihnen tätig war, hohe Transfererlöse bringen wird, werden diese Vereine ganz besonders dazu ermutigt, junge Amateuerspieler zu verpflichten, die sie später teurer verkaufen können. In Italien soll es sogar Fälle gegeben haben, in denen junge Spieler nur zum Zwecke der Weiterveräußerung verpflichtet worden sind. Entgegen der Ansicht des EuGH sind die Transferentschädigungen also ein ausschlaggebender Faktor, um die Vereine zur Einstellung und Ausbildung von jungen Spielern zu ermutigen. Fraglich ist weiterhin, ob die Transferregeln auch den Anforderungen an die Erforderlichkeit genügen. Nur am Rande sei dazu bemerkt, daß der Gerichtshof auch auf diese Frage eingegangen ist, obwohl er zuvor bereits die Eignung der Transferregeln bezweifelt hatte. Diesen Umstand mag man als Indiz dafür werten, daß auch dem Gerichtshof bewußt ist, wie angreifbar seine Ausfiihrungen zu der soeben angesprochenen Problematik sind. Inhaltlich hat sich der Gerichtshof damit begnügt, auf die Ausfiihrungen des Generalanwalts zu verweisen. Dieser wiederum ist der Ansicht, daß die Transferregeln nicht erforderlich seien, um den Nachwuchs in Deutschland zu fördern. Als milderes Mittel verweist er auch hier auf die Möglichkeit der Umverteilung eines Teils der Einnahmen. 85 Lenz ist zuzustimmen, wenn er ausführt, daß ein derartiges Umverteilungssystem den Vereinen die finanziellen Mittel verschaffen könnte, um junge Talente zu entdecken und heranzubilden. 86 Dennoch ist auch an dieser Stelle nochmals an die grundsätzlichen Bedenken zu erinnern, die gegen die Einfiihrung bzw. Erweiterung eines Umverteilungssystems bestehen. Im Rahmen der hier diskutierten Problematik kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Wie gesehen, dienen die Transferregeln nicht nur als Umver84 Vgl. zu dieser Aussage: Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-24, Rn. 109. 85 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-105, Ziff. 241. 86 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-105, Ziff. 241.

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teilungsmechanismus, sondern vor allem auch als Ansporn, junge Talente zu fordern. Schließlich gewähren sie die Aussicht auf erhebliche Gewinne. Es ist sehr fraglich, ob dieser Effekt gewahrt werden könnte, wenn das Transfersystem durch ein Umverteilungssystem ersetzt werden würde. Lenz geht jedoch offensichtlich davon aus. Er schlägt ein System vor, das bei der Verteilung des entsprechenden Betrages an die Vereine berücksichtigt, wieviele Spieler dieses Vereins von Großvereinen oder von Klubs höherer Spielklassen verpflichtet worden sind. 87 Es ist Lenz zuzugeben, daß auf diesem Wege sicherlich ein gewisser Ansporn für die Vereine gewahrt werden könnte. Wenn jedoch jeder Verein berücksichtigt werden sollte, der Spieler in höheren Spielklassen unterbringt, so müßte es zwangsläufig zu einer sehr verstreuten Verteilung der zur Verfügung stehenden Gelder kommen. Dies ist für die unterklassigen Vereine sinnvoll, da sie mit größerer Sicherheit auf Zahlungen hoffen können. Die Vereine der obersten Spielklassen dagegen, die zur Zeit den entscheidenden Teil der Nachwuchsarbeit leisten, könnten nach der Einführung eines derartigen Systems nicht mehr auf die reizvollen Millionenerlöse aus den Transfers junger Spieler hoffen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß diese Vereine ihre aufwendige und teure Jugendarbeit reduzieren würden, um die dabei eingesparten Gelder ihrerseits in fertige Spieler zu investieren. Im übrigen würden die Vereine diese fertigen Spieler nach einer Abschaffung der Transfersysteme ablösefrei erhalten. Auf diesen Umstand gilt es abschließend noch hinzuweisen. Solange die kleinen Vereine nämlich nicht in der Lage sind, die geforderten Ablösesummen fur Spitzenspieler zu zahlen, sind sie zwangsläufig darauf angewiesen, Jugend- und Amateurspieler einzustellen. Dieser Effekt spricht zwar im Grundsatz gegen die Rechtfertigung der Transfersysteme, weil dadurch die sportlichen Chancen der kleinen Vereine verringert werden, im Hinblick auf die hier diskutierte Fragestellung trägt dieser Effekt jedoch zur Rechtfertigung der Transferregeln bei, da auf diesem indirekten Wege die Beschäftigungsmöglichkeiten des Nachwuchses gefordert werden. Es bleibt damit festzuhalten, daß die Transferregeln in vielerlei Hinsicht dazu beitragen, die Ausbildung und Einstellung der Nachwuchsspieler zu fordern. Die angedachten Alternativlösungen könnte einige dieser Effekte ausgleichen. Vollends ersetzen könnten sie die anspornende Wirkung der Ablösesummen jedoch nicht. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, daß solche Tr~msferregeln, die konkret auf den Erhalt der Nachwuchsforderung zugeschnitten sind, mit Art. 48 EGV zu vereinbaren sind, soweit sie nicht zu unzumutbaren Beschränkungen der Freizügigkeit fuhren. 87 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-105 f, ZifT. 241, Fn.305.

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(5) Das Argument der Ausbildungskosten Im Verfahren zum Fall "Bosman" ist immer wieder vorgetragen worden, die Ablösesummen seien rechtmäßig, weil dadurch lediglich die Kosten ersetzt würden, die der abgebende Verein für die Aus- und Fortbildung eines Spielers aufgewandt habe. Daß diese Behauptung offensichtlich unzutreffend ist, läßt sich leicht belegen. Als Beispiel sei nochmals auf den Spieler Doll verwiesen, der für 15 Millionen Mark zu dem Verein Lazio Rom wechselte, nachdem er nur ein Jahr bei dem Hamburger SV unter Vertrag gestanden hatte. Daß die kurze Fortbildung durch den Hamburger SV diesen enormen Wert gehabt haben soll, wird sicherlich niemand ernstlich behaupten wollen. Gegen die hier diskutierte Behauptung sprechen überdies einige weitere Gründe, die sich unmittelbar aus der alten Transferregelung des DFB ergeben. Die nach dieser Regelung zu errechnende Ablösesumme orientierte sich an vielerlei Faktoren, jedoch niemals an der Höhe der tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten. So wurde zum Beispiel auf das Gehalt des Spielers abgestellt, auf die finanzielle Leistungsfahigkeit des aufnehmenden Vereins oder darauf, in welcher Liga der Verein spielte, der einen Amateurspieler verpflichten wollte. Der Umstand, daß ein Verein der ersten Liga DM 100.000 für der Verpflichtung eines Amateurspielers zu zahlen hatte, während derselbe Spieler einen Verein der zweiten Liga nur DM 45.000 kostete, zeigt ganz eindeutig, daß die Ausbildungskosten des abgebenden Vereins auf diese Berechnung keinen Einfluß hatten, denn dessen Aufwendungen hingen sicherlich nicht von der Ligazugehörigkeit des aufnehmenden Vereins ab. Es ist damit festzuhalten, daß sich die bisherigen Transferregelungen des DFB nicht mit dem Argument der Ausbildungskosten rechtfertigen lassen. Offen ist bisher jedoch geblieben, ob der Ersatz für entstandene Ausbildungskosten überhaupt ein Argument sein kann, um mögliche zukünftige Beschränkungen der Freizügigkeit zu rechtfertigen. Grundsätzlich spricht vieles dafür, denn schließlich ist es nicht einzusehen, warum es den ausbildenden Vereinen verwehrt werden soll, einen Ausgleich für ihre tatsächlich erbrachten Leistungen zu fordern. 88 Würde man die Transferregeln vollends abschaffen, so würden die aufnehmenden Vereine ohne jegliche Gegenleistung von fremden Investitionen profitieren. Eine derartige Situation widerspräche den Grundprinzipien unserer Wirtschaftsordnung. Im übrigen ist zu befürchten, daß die fehlende Aussicht auf einen Finanzausgleich die Vereine nachhaltig davon abhalten würde, auch weiterhin in die Nachwuchsförderung zu investieren. Andererseits gilt es zu bedenken, 88

Ähnlich auch Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-104,

Ziff.237.

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daß die Vereine natürlich auch ein erhebliches Eigeninteresse an dem sportlichen Fortkommen ihrer Spieler haben. Wenn also in die Ausbildung und Förderung der Spieler investiert wird, dann dienen diese Investitionen meistenfalls dazu, die Leistungsfähigkeit der eigenen Mannschaft zu steigern. Die Vereine selbst ziehen also den vornehmlichen Nutzen aus ihren Investitionen. Würden sie dann anschließend auch noch einen finanziellen Ausgleich rur dieses Investition erhalten, so käme dies einer doppelten Entlohnung rur ihre Förderungstätigkeit gleich. Eine sinnvolle Synthese aus den dargestellten Argumenten kann nur darin liegen, die Pflicht zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung auf den Wechsel eines Nachwuchsspielers in den Profibereich zu beschränken. Der Grund rur diese Beschränkung auf den ersten Schritt ins Profilager ist folgender: Anders als es im Lizenzfußball der Fall ist, besteht im Nachwuchsbereich nicht die Möglichkeit, daß sich die Investition in die Aus- und Weiterbildung der Spieler bereits dadurch amortisieren, daß die Spieler, in die investiert wird, fiir den Verein aktiv werden. Während ein Lizenzliga-Verein aus der Weiterbildung89 eines gestandenen Spielers nämlich unmittelbare Vorteile ziehen kann, da gut ausgebildete Spieler zumindest mittelbar zur Erhöhung der Zuschauer- und Fernseheinnahmen ihres Vereins beitragen, liegt der Wert eines Jugendspielers allein darin, daß er eines Tages verkauft werden kann. Aus dem sportlichen Erfolg einer Jugendmannschaft läßt sich jedenfalls kaum Kapital schlagen, womit erneut bewiesen wäre, daß viele Vereine ihre Nachwuchsarbeit hauptsächlich zu dem Zweck betreiben, die ausgebildeten Spieler später verkaufen zu können. Die einzige Möglichkeit, den Vereinen den verdienten Ausgleich rur die Gelder zukommen zu lassen, die sie in die Nachwuchsarbeit investieren müssen, liegt damit darin, die Ausbildungsentschädigungen fiir junge Spieler beizubehalten. Eine Umsetzung dieses Gedankens fand sich zum Beispiel in dem System, das bis zum Zeitpunkt des "Bosman-Urteils" in Frankreich galt. Nach der damals gültigen Regelung wurde eine Ablösesumme lediglich bei dem ersten Transfer eines Spielers fällig, wobei anzumerken ist, daß damit der erste Transfer zwischen zwei Lizenzliga-Vereinen gemeint war. Eine weitergehende Absicherung des ausbildenden Vereins wurde dadurch erreicht, daß die Spieler ihren ersten Profivertrag mit dem Verein abschließen mußten, bei dem sie zuletzt in einer Jugendmannschaft gespielt hatten. Die Dauer dieses Vertrages wurde obligatorisch auf vier Jahre festgelegt. Auf indirektem Wege diente diese Regelung ebenfalls dazu, den Vereinen eine Entschädigung fiir ihre Jugendarbeit zukommen zu lassen, da sie bei einem vorzeitigen Wechsel der Spieler erhebliche Ablösesummen fordern konnten. Verwiesen sei nur auf das 89 Von einer ,,Ausbildung" im eigentlichen Sinne kann bei älteren Spielern wohl keine Rede mehr sein.

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Beispiel des 19jährigen Patrick Vieira, fiir den der AC Mailand zuletzt 7,5 Millionen Mark zu zahlen hatte, um ihn aus einem bis zum Jahre 1997 gültigen Vertrag mit dem AS Cannes herauszukaufen. Im Ergebnis bleibt abschließend festzuhalten, daß es mit dem Recht auf Freizügigkeit zu vereinbaren ist, wenn der Wechsel eines Nachwuchsspielers zu einem Verein der Lizenzligen von der Zahlung einer Ausbildungsentschädigung abhängig gemacht wird, soweit sich diese an der Höhe der tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten orientiert. 90 (6) Das Argument der Aufrechterhaltung der weltweiten Organisation des Fußballsports

Der EuGH hatte sich im Fall "Bosman" zudem mit dem Einwand auseinanderzusetzen, daß die Transferregeln zum Schutz der weltweiten Organisation des Fußballsports erforderlich seien. Hinter diesem Einwand steht die Überlegung, daß eine Abschaffung der Transferregeln in Europa zur Spaltung - und damit mittelfristig zum Ende - eines Systems führen würde, das weltweite Anerkennung genießt. Dieser Einwand klingt dramatisch, gefolgt ist ihm der Gerichtshof jedoch nicht. Zur Begründung seiner Einschätzung hat der Gerichtshof vor allem darauf verwiesen, daß das Verfahren ausschließlich die Anwendbarkeit der Transferregeln innerhalb der Gemeinschaft betreffe. 91 Wenn der Gerichtshof damit also die möglichen Folgen fiir den Weltfußball bezweifelt, darf wohl davon ausgegangen werden, daß er es sich mit diesem Argument etwas zu leicht gemacht hat, denn auch wenn mit den gemeinschaftsinteren Transfers nur eine Säule eines weltweiten Systems betroffen ist, so ist es dennoch naheliegend, daß durch eine Änderung in Europa das gesamte System aus den Fugen geraten könnte. Dies würde dann wiederum negative Auswirkungen auf den Fußball in der Gemeinschaft haben, und überdies gilt es die möglichen Folgen zu bedenken, die sich ergeben könnten, wenn die Verbände der Mitgliedstaaten dazu gezwungen würden, aus einer weltweit einheitlichen Organisation auszubrechen. Dennoch ist dem EuGH im Ergebnis zuzustimmen; allerdings nicht aus dem Grunde, weil die Auswirkungen des Urteils keine weltweite Bedeutung haben könnten, sondern deshalb, weil ein "Zusammenbruch" des Weltfußballs wohl kaum zu befiirchten ist. Wie bereits mehrfach angeklungen ist, konnte bisher selbst in der Gemeinschaft nicht von einem einheitlichen Transfer90 Vergleichbar auch Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-104 f., Ziff. 239. 91 Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. I-24, Rn. 112. 12 PI.tb

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system gesprochen werden. Während die Regelungen einiger Verbände vorsahen, daß grundsätzlich bei jedem Vereinswechsel eine Transferentschädigung zu zahlen war,92 beschränkten andere Verbände diese Pflicht auf einen Wechsel ins Ausland. 93 Überdies existierten Regeln, die den Anspruch auf eine Ablösesumme von dem Alter des wechselnden Spielers abhängig machten,94 und schließlich gab es auch Verbände, nach deren Reglement überhaupt keine Ablösesummen zu zahlen waren. 95 Obwohl also teilweise gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen nationalen Transfersystemen bestanden haben, hat es nur selten unüberwindliche Hindernisse gegeben, wenn ein Spieler zu einem Verein aus einem anderen Mitgliedstaat transferiert werden sollte. Jedenfalls bestand niemals die Gefahr eines vollständigen Zusammenbruchs des Transfermarktes in Europa. Wenn es damit also schon innerhalb der Gemeinschaft ohne weiteres möglich war, mit unterschiedlichen Transfersystemen zu leben, dann ist kein Grund ersichtlich, warum eine europaweite Abschaffung der Ablösesummen eine Gefahr für den Weltfußball darstellen sollte. Schließlich bleibt es den europäischen Verbänden auch weiterhin unbenommen, den Spielertransfer in einen Drittstaat von der Zahlung einer Ablösesumme abhängig zu machen. Insoweit ist der Argumentation des EuGH zuzustimmen. Dem Einwand, die weltweite Organisation des Fußballsports sei gefährdet, kann somit nicht gefolgt werden. Im übrigen ist ohnehin zu bezweifeln, ob dieses Argument überhaupt zur Rechtfertigung der Transferregeln hätte beitragen können, denn letztlich läuft es auf die Behauptung hinaus, daß auch rechtswidrige Zustände aufrecht zu erhalten seien, sobald sie sich nur zu einem weltweit praktizierten System verdichtet haben. Ein dahingehendes Verständnis des Gemeinschaftsrechts müßte unweigerlich zum Stillstand der europäischen Integration führen. cc) Zusammenfassung zur Verhältnismäßigkeit Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß der Berufsfußball zweifellos auch ohne die Transferentschädigungssysteme überlebensfähig wäre. Deren Abschaffung hätte weder einen Zusammenbruch der weltweiten Organisation des Fußballs zur Folge, noch müßte man um die Überlebensfähigkeit der kleineren Vereine fürchten. Die Ausführungen haben allerdings auch gezeigt, daß es derartiger Extreme überhaupt nicht bedarf, um die 92

93

ziert.

So die RegelWlg des DFB; vgl. § 29 Nr. I Lizenzspielerstatut. Eine derartige Regel wurde - mit gewissen Ausnahmen - in Frankreich prakti-

94 In Spanien konnten Spieler, die älter als 25 Jahre alt waren, ablösefrei wechseln. 95

Eine derartige Regelung kannte man in Griechenland.

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Transferregeln rechtfertigen zu können. Vielmehr reicht es im Hinblick auf die zu schützenden Verbandsinteressen bereits aus, wenn diese Regeln nur dem Erhalt eines sportlichen Grundinteresses dienen. Zu diesen Grundinteressen gehören sowohl die Nachwuchsforderung, als auch die Wahrung eines sportlichen und finanziellen Gleichgewichts zwischen den Vereinen. Die Transferentschädigungssysteme tragen zur Sicherung dieser Ziele bei. Sie sind also grundsätzlich geeignet, bestimmte Grundinteressen des Sports zu wahren. Die Transferregeln sind überdies auch erforderlich, um diese Interessen zu wahren, da kein milderes Mittel ersichtlich ist, das die Vorteile der Transferentschädigungen vollends ersetzen könnte. Auch das von Lenz vorgeschlagene Umverteilungssystem kann dies nicht leisten, da eine mögliche Umverteilung der Fernseh- und Zuschauereinnahmen auf einen kleinen Teil dieser Einnahmen beschränkt bleiben müßte, um den notwendigen Leistungswillen der Vereine nicht zu gefährden. Ein Umverteilungssystem kann damit zwar neben die Transferregeln treten, es kann sie aber nicht ersetzen. Weder unter dem Gesichtspunkt der Geeignetheit noch unter dem Aspekt der Erforderlichkeit ist es also gerechtfertigt, die Vereinbarkeit der Transferentschädigungssysteme mit Art. 48 EGV in Frage zu stellen. Dem EuGH, der eine dahingehende Ansicht vertritt, kann insofern nicht gefolgt werden. Im Umkehrschluß heißt dies allerdings nicht, daß eine jede Transferregelung automatisch zulässig sein müßte. Rechtmäßig ist ein Transfersystem vielmehr erst dann, wenn es überdies auch den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, der Angemessenheit, genügt. Dabei gilt es dann abzuwägen, ob der konkrete Nutzen einer Regelung in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere ihres Eingriffs steht. Nur wenn auch diese letzte Anforderung erfüllt ist - was nur im Einzelfall festgestellt werden kann - ist eine Regelung tatsächlich mit Art. 48 EGV zu vereinbaren. Nach alledem gilt es also festzuhalten, daß Art. 48 EGV solchen Regelungen der Sportverbände nicht entgegensteht, die den aufnehmenden Verein im Falle eines Spielerwechsels dazu verpflichten, an den abgebenden Verein eine angemessene Transferentschädigung zu zahlen.

c) Die Reichweite des Art. 48 EGV - Verbandsinterne Transfers

von Spielern aus anderen Mitgliedstaaten

Nachdem soeben festgestellt worden ist, daß Art. 48 EGV bestimmte Anforderung an die Ausgestaltung der Transfersysteme stellt, gilt es abschließend noch zu klären, welche Sachverhalte überhaupt von diesem Gebot erfaßt sind. Einschlägig ist Art. 48 EGV nämlich immer nur in den Fällen, in denen ein Bezug zum Gemeinschaftsrecht gegeben ist.

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An einem derartigen Bezug fehlt es dann, wenn ein inländischer Spieler einen Vereinswechsel im Inland vornehmen möchte. Dies ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH, nach der die Bestimmungen über die Freizügigkeit keine Anwendung auf solche Sachverhalte finden, die einen Mitgliedstaat nur rein intern betreffen. 96 Soweit die Transferregeln des DFB also den Wechsel eines deutschen Spielers innerhalb der Bundesliga betreffen, sind sie nicht an den Freizügigkeitsvorschriften zu messen. Auch nach dem "Bosman"-Urteil des EuGH, das bekanntlich zu einer Ausweitung des Rechts auf Freizügigkeit gefiihrt hat, steht dieses Ergebnis weitestgehend außer Frage. 97 Allgemeine Einigkeit besteht auch über die Behandlung des grenzüberschreitenden Spielertransfers. Wie bereits festgestellt worden ist, betrifft dieser Vorgang unmittelbar das aus Art. 48 EGV abgeleitete Recht der Spieler, sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben. 98 Die gemeinschaftsrechtliche Relevanz diese Vorganges ist damit evident, so daß der grenzüberschreitende Spielertransfer in jedem Fall an den Freizügigkeitsvorschriften zu messen ist. 99 Noch nicht geklärt ist damit, wie eine dritte Gruppe möglicher Transfers zu behandeln ist. Gemeint ist der Vereinswechsel eines Unionsbürgers, den dieser innerhalb eines Mitgliedstaates tätigt, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt. Dazu ein Beispiel: Der niederländische Stürmer Erik Meijer wechselte aus seiner Heimat von dem Verein Eindhoven VV in die Bundesliga zum KFC Uerdingen 05. Dort war er für ein Jahr tätig, bevor er dann zu Beginn der Saison 1996/97 zum Bundesliga-Rivalen Bayer 04 Leverkusen transferiert wurde. Während die Behandlung des ersten Transfers eindeutig ist, da dieser der Fallgruppe des grenzüberschreitenden Transfers zuzuordnen ist, bereitet die Behandlung des zweiten Transfers Schwierigkeiten: Da dieser Transfer lediglich verbandsintern abgewickelt worden ist, könnte man auf den ersten Blick geneigt sein, diesen Transfer der Fallgruppe der rein internen Angelegenheiten zuzuschlagen. Auf den zweiten Blick ist der gemeinschaftsrechtliche Bezug eines derartigen Transfers jedoch nicht von der Hand zu weisen, denn immerhin betrifft er die Tätigkeit eines Unionsbürgers in einem 96 Vgl. insbesondere Urteile vom 28.3.1979 in der Rechtssache 175/78 "SaWlders", Slg. 1979, 1129, Rn. 11; vom 28.1.1992 in der Rechtssache C-332/90 "Steen" Slg. 1992,1-341, Rn. 9. 97 Vgl. Fischer, Spurt 1996, 34 (36); HilflPache, NJW 1996, 1169 (1174). Im übrigen hat der EuGH noch im ,,Bosman-Urteil" selbst betont, daß rein interne Sachverhalte auch weiterhin nicht in den AnwendWlgsbereich der Freizügigkeitsvorschriften fallen; vgl. dazu Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 120, Rn. 89. Beachte aber auch die grWldsätzlichen Bedenken gegen die AusklammeTWlg interner Sachverhalte, Z.B. bei Hailbronner, Handkommentar zum EU-Vertrag, Art. 48, Rn. 27. 98 Vgl. Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-21, Rn. 95. 99 Vgl. Fischer, Spurt 1996, 34 (36); HilflPache, NJW 1996, 1169 (1174).

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fremden Mitgliedstaat. Die Frage ist also, ob das Recht auf Freizügigkeit auch derartige Sachverhalte erfaßt. Betrachtet man dazu die "Bosman"-Entscheidung, dann scheint es, als müsse man diese Frage verneinen, denn der EuGH hat allein die Regeln zum grenzüberschreitenden Transfer für unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht erklärt. 1OO Zu bedenken gilt es allerdings, daß in dem Vorlageverfahren auch nur nach dieser Fallgruppe des Spielertransfers gefragt worden war, so daß es in jedem Falle falsch wäre, wenn man aus der zurückhaltenden Aussage des EuGH folgern wollte, daß dieser sich für eine dahingehende Beschränkung der Reichweite der Freizügigkeitsvorschriften ausgesprochen habe. Richtig ist vielmehr, daß sich der EuGH überhaupt noch nicht konkret zu der Frage geäußert hat, wie die vorliegende Fallgruppe zu behandeln iSt. IOI Wie gesehen, ist Art. 48 EGV mittlerweile nicht mehr nur als bloßes Diskriminierungsverbot, sondern inzwischen auch als allgemeines Beschränkungsverbot zu verstehen. Nach diesem modemen Verständnis sollen "sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im Gebiet der Gemeinschaft erleichtern"I02. So verstanden stehen die Freizügigkeitsvorschriften also nicht nur den Beschränkungen eines grenzüberschreitenden Transfers entgegen, sondern auch allen sonstigen nur intern wirkenden Beschränkungen, "die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen,,103. Angesichts dieser Formulierung des EuGH scheint es, als müsse auch die vorliegend behandelte Fallgruppe dem Anwendungsbereich des Art. 48 EGV unterworfen werden. 104 Im Ergebnis hieße das, daß nahezu jeder Transfer eines EU-Ausländers an den Freizügigkeitsvorschriften zu messen wäre. Ausgenommen wären allein die Transfers innerhalb des eigenen Heimatstaates. Ein derart weitreichendes Verständnis des Rechts auf Freizügigkeit wirft naturgemäß Bedenken auf, und so stellt sich die Frage, ob dieses Ergebnis einer Korrektur bedarf. Die konkrete Forderung der betroffenen Verbände geht dahin, daß die Anwendung von Art. 48 EGV denselben Kriterien unterliegen müsse, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 24. November 1993 im Fall 100 Vgl. dazu noclunals Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-24, Rn. 114: " ... von einem Verein eines anderen Mitgliedstaats ... ". 101 Entgegen der einhelligen Ansicht in Literatur und Praxis meint allein Arens, Spurt 1996, 39 (43), daß der EuGH im ,,Bosman-Urteil" auch den Wechsel eines EGAusländers innerhalb eines anderen Mitgliedstaates verboten habe. 102 Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-21, Rn. 94. 103 Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-21, Rn. 94. 104 So im Grundsatz auch Fischer, Spurt 1996, 34 (37).

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

"Keck"I05 für Art. 30 EGV entwickelt hat. 106 In dieser Entscheidung hat der EuGH bekanntlich festgestellt, daß Art. 30 EGV, dessen Schutzbereich grundsätzlich auch unterschiedslos wirkende Maßnahmen erfaße07 , solchen Regelungen nicht entgegensteht, die lediglich "bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten".I08 Die UEFA will diese Rechtsprechung auf den Bereich der Freizügigkeit übertragen und folgert daraus, daß Art. 48 EGV nicht auf die Bestimmungen über den verbandsintemen Spielertransfer angewandt werden könne, da diese Bestimmungen - vergleichbar mit den Bestimmungen über bloße Verkaufsmodalitäten - nur eine "zweitrangige Bedeutung" für den Fußballspielerberuf hätten. 109 Diese These impliziert eine Reihe von Annahmen, die es zu überprüfen gilt. Zunächst ist nämlich fraglich, ob es überhaupt angebracht ist, die Grundsätze der "Keck"-Rechtsprechung auf den Bereich der Freizügigkeit zu übertragen. Weiter ist dann fraglich, wie der Begriff der "Verkaufsmodalität" in die Terminologie des Freizügigkeitsrechts zu übersetzen ist, d.h. wann man im Bereich der Freizügigkeitsvorschriften von einer bloßen "Modalität der Arbeitnehmertätigkeit" sprechen kann. Abschließend gilt es dann im Wege der Subsumtion zu ermitteln, ob die hier diskutierten Transferregeln tatsächlich nur eine bloße "Modalität" der Lizenzspielertätigkeit betreffen, wie die betroffenen Verbände behaupten. Zu der ersten Frage: Ist es geboten, die Grundsätze der "Keck"-Rechtsprechung auf den Bereich der Freizügigkeit zu übertragen? In Anbetracht der nachfolgend darzulegenden Argumente ist diese Frage zu bejahen. Für eine Übertragung dieser Grundsätze spricht zunächst das sogenannte "Konvergenzargument": Der Schutzbereich des Art. 48 EGV ist VOr allem auch deshalb auf unterschiedslos wirkende Maßnahmen ausgedehnt worden, weil man eine "Konvergenz der Grundfreiheiten des Marktes" erreichen wollte. Wenn sich nun aber eine Schutzbereichserweiterung mit dem "Konvergenzargument" rechtfertigen läßt, dann ist es nicht einzusehen, warum nicht auch eine nachträgliche Schutzbereichsbeschränkung, wie sie der EuGH im Bereich des freien Warenverkehrs für notwendig gehalten hat, auf den Bereich der Freizügigkeit übertragen werden soll.

Urteil vom 24.11.1993 in der Rechtssache C-267/9l ,,Keck", Slg. 1993, 1-6097. So die Forderung der URBSFA und der UEFA. Vgl. Sitzungsbericht zur Rechtssache C-4l5/93 ,,Bosman", S. 1-11 und 1-12. 107 Dies hat der EuGH im Urteil Cassis de Dijon anerkannt. Vgl. Urteil vom 20.2.1979 in der Rechtssache 120/78 ,,Rewe", Slg. 1979,649. 108 Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-267/91 und C-268/91 ,,Keck und Mithouard", Slg. 1993,1-6097. 109 Vgl. zum Vorbringen der UEFA: Sitzungsbericht zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-12. 105 106

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Eine ganz entscheidende Stütze findet diese These in der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zur Reichweite des Art. 59 EGV, der - wie gezeigt erhebliche strukturelle Parallelen zu Art. 48 EGV aufweist. Nachdem der EuGH Art. 59 EGV zunächst zu einem umfassenden Beschränkungsverbot ausgebaut hatte, hat er dann in dem Urteil "Alpine Investments"IIO aus dem Jahre 1995 die Grundsätze der "Keck-Rechtsprechung" auch in diesen Bereich zur Anwendung gebracht. Zwar hat der Gerichtshof die auf die "Keck"-Rechtsprechung gestützten Argumente im konkreten Fall letztlich nicht durchgreifen lassen, doch zeigt allein schon die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Argumenten die Bereitschaft des Gerichtshofs, die "Keck"-Rechtsprechung auch auf diese und andere Grundfreiheiten des Marktes zu übertragen. 111 Hinzu kommt folgendes: Während die umfassende Schutzwirkung des Art. 30 EGV bereits seit Jahren anerkannt ist, war es im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit noch bis zum "Bosman"-Urteil fraglich, ob sich der EuGH überhaupt für eine Ausweitung auch dieser Vorschrift entscheiden würde. Wenn es der EuGH nun aber selbst im Bereich des Art. 30 EGV für notwendig gehalten hat, eine Überdehnung dieser Vorschrift durch die "Keck"-Rechtsprechung zu verhindern, dann muß dies doch erst recht für den Bereich des Art. 48 EGV gelten. Wollte man sich dem verschließen, so müßte man zwangsläufig mit einem Wiedererstarken der Kritik rechnen, die seit jeher gegen die "ausufernde Anwendung der Grundfreiheiten" gerichtet wird112• In Übereinstimmung mit all jenen Autoren, die in ihren Reaktionen auf das "Bosman"-Urteil zu dieser Frage Stellung genommen haben, ist also davon auszugehen, daß die vorgenommene Anerkennung des Beschränkungsverbots im Bereich der Freizügigkeit zugleich auch die Übertragung der Grundsätze der "Keck"-Rechtsprechung auf diesen Bereich notwendig macht. 113 Es schließt sich damit die Frage an, wie eine Übertragung dieser Grundsätze auszusehen hat. Zur Beantwortung dieser zweiten Frage gilt es zunächst zu klären, wie der vom EuGH verwandte Begriff der "Verkaufsmodalität" bei abstrahierender Betrachtung zu verstehen ist. 110 Urteil vom 10.5.1995 in der Rechtssache C-384/93 ,,Alpine Investments"; EuZW 13/1995,404 (406). 111 So im Ergebnis wohl auch Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-90 f, Ziff. 206. 112 W. Schroeder, Arunerkung zum Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", JZ 1996,254 (255). 1\3 Vgl. Fischer, Spurt 1996, 34 (37); W. Schroeder, Arunerkung zum Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", JZ 1996,254 (255); Ebenso wohl auch Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-90 f, Ziff.206.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Im "Keck"-Urteil selbst findet sich keine konkrete Bestimmung dieses Begriffs. In der Literatur ist man sich jedoch weitgehend darüber einig, daß der EuGH solche Regelungen von dem Anwendungsbereich des Art. 30 EGV ausnehmen will, die die Art und Weise der Vermarktung regeln, nicht hingegen solche Vorschriften, die sich auf Produkteigenschaften beziehen, die den importierten Erzeugnissen bereits beim Grenzübertritt anhaften. 114 Kurz gesagt geht es nicht um die Vorschriften, die das "Ob" des Imports regeln, sondern nur um diejenigen, die sich mit dem "Wie" des Verkaufs befassen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch das bereits zitierte Urteil im Fall "Alpine Investments". Geklagt hatte eine niederländische Gesellschaft, der es durch den niederländischen Finanzminister verboten worden war, Geschäftskunden im In- und Ausland ohne deren vorherige schriftliche Zustimmung telephonisch zu kontaktieren. Gegen die auf Art. 59 EGV gestützte Klage brachte die Regierung der Niederlande unter Berufung auf die "Keck"-Rechtsprechung des EuGH vor, daß die beanstandete Regelung dem Anwendungsbereich des Vertrages entzogen sei, da sie - einer Verkaufsmodalität entsprechend - allein die Art und Weise betreffe, in der die Dienstleistungen angeboten würden. Der EuGH ist diesem Einwand nicht gefolgt. Zur Begründung führte er aus, die beanstandete Maßnahme habe "unmittelbar den Zugang zum Dienstleistungsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten" beeinflußt, während der Grund für die "Keck"-Rechtsprechung aber gerade darin zu sehen sei, daß die Regeln über bloße Verkaufsmodalitäten nicht dazu geeignet seien, den "Marktzugang" für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten zu versperren. 115 Die Motive für die Ausklarnmerung der Verkaufsmodalitäten aus dem Anwendungsbereich des Vertrages sind damit aufgeklärt. Zugleich bildet diese Überlegung einen hervorragenden Ansatzpunkt für die Übertragung dieser Grundsätze auf den Bereich der Freizügigkeit Vorschriften, die den Zugang zum Arbeitsmarkt in einem anderen Mitgliedstaat betreffen, sind danach weiterhin uneingeschränkt an Art. 48 EGV zu messen, wohingegen solche unterschiedslos wirkenden Regelungen, die lediglich die Ausübung der Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat betreffen, als bloße "Modalitäten" der Arbeitnehmertätigkeit aus dem Anwendungsbereich des Vertrages herausfallen. In der jüngsten Literatur findet diese Unterscheidung zu Recht uneingeschränkte Zustimmung. 116 Nicht nur, weil auf diesem Wege der bisherigen Vgl. Z.B. Streinz, Europarecht, Rn. 678. Urteil vom 10.5.1995 in der Rechtssache C-384/93 ,,Alpine Investments"; EuZW 13/1995,404 (406). 116 Vgl. Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-90 f, Ziff. 206; W. Schroeder, Anmerkung zwn Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", JZ 1996,254 (255); im Ergebnis auch Fischer, Spurt 1996, 34 (37). 114

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Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechnung getragen wird, sondern auch, weil diese Unterscheidung eine eindeutige und sachgerechte Einordnung der fraglichen Regelungen ennöglicht. Als Anzeichen dafür, daß auch der EuGH geneigt sein könnte, diese Unterteilung zwischen Zugangs- und Ausübungsbeschränkungen auf den Bereich der Freizügigkeit zu übertragen, könnte im übrigen gewertet werden, daß der Gerichtshof im Fall "Bosman" mit besonderem Nachdruck darauf abgestellt hat, daß die dort rur rechtswidrig erklärten Transferregelungen "den Zugang zum Arbeitsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten" beeinflußt haben. 117 Die vorzunehmende Übertragung der "Keck" -Rechtsprechung auf den Bereich der Freizügigkeit fUhrt nach alledem zu dem Ergebnis, daß solche unterschiedslos geltenden Regelungen, die allein die Ausübungsmodalitäten der Arbeitnehmertätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat betreffen, die aber nicht schon den Zugang zu diesen Arbeitsmarkt beschränken, nicht an Art. 48 EGV zu messen sind. In Anbetracht dieses Ergebnisses läßt sich die dritte der eingangs gestellten Fragen nunmehr schnell beantworten. Fraglich war, ob sich die Angehörigen eines Mitgliedstaates bei einem verbandsinternen Transfer innerhalb eines anderen Mitgliedstaates auf das Beschränkungsverbot des Art. 48 EGV berufen können. Da es bei einem solchen Transfer offensichtlich nicht um den Zugang zum Arbeitsmarkt in einem anderen Mitgliedstaat geht, sondern vielmehr allein um einen Arbeitgeberwechsel innerhalb dieses Staates und mithin um eine bloße Ausübungsmodalität ohne gemeinschaftsrechtlichen Bezug, findet Art. 48 EGV auf einen derartigen Sachverhalt keine Anwendung. Zusammenfassend läßt sich damit folgendes Gesamtergebnis zur Reichweite des Art. 48 EGV aufstellen: An Art. 48 zu messen sind ausschließlich solche Transferregelungen, die den grenzüberschreitenden Wechsel von Staatsangehörigen der EU-Migliedstaaten bzw. der Staaten des EWR betreffen. Sonstige Transfers werden von dem Schutzbereich dieser Nonn nicht erfaßt. Außerhalb der Reichweite der Freizügigkeitsvorschriften bleibt insbesondere der Transfer eines Drittstaatsangehörigen, da sich diese ohnehin nicht auf das Gemeinschaftsrecht berufen können, sowie der auf das Inland beschränkte Wechsel eines inländischen Spielers, da es sich bei diesen Transfers um rein interne Vorgänge handelt. Von dem Gemeinschaftsrecht unberührt bleibt überdies auch der Transfer eines Gemeinschaftsangehörigen innerhalb eines anderen Mitgliedstaates, da ein derartiger Vorgang bei entsprechender Berücksichtigung der "Keck"-

117 Urteil vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", S. 1-22 f, ZifT. 103. (Hervorhebung durch den Verfasser).

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Rechtsprechung ebenfalls außerhalb der Reichweite der Freizügigkeitsvorschriften liegt. II 8 2. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 85 EGV Weiterhin gilt es die Vereinbarkeit der Transferentschädigungssysteme mit Art. 85 EGV zu untersuchen. Fraglich ist also, ob sich die Unzulässigkeit unangemessener Transfersummen auch über Art. 85 EGV begründen läßt, und nachdem soeben festgestellt worden ist, daß Art. 48 EGV allein den grenzüberschreitenden Spielertransfer erfaßt, ist dabei natürlich von besonderem Interesse, ob sich die so entstandene gemeinschaftsrechtliche "Schutzlücke" über Art. 85 EGV schließen läßt. Relevant wird die Beantwortung dieser Frage allerdings erst dann, wenn geklärt ist, ob die Transferregeln den Wettbewerb überhaupt in verbotener Weise beeinträchtigen, wie es Art. 85 EGV fordert. Zwar kann kaum bestritten werden, daß die Transferregeln die Wettbewerbssituation im Lizenzfußball beeinflussen, da sie den Vereinen die Möglichkeit nehmen, diejenigen Chancen hinsichtlich der Verpflichtung von Spielern zu nutzen, die ihnen unter "normalen" Bedingungen zur Verfügung stündenl\9, doch gilt es zu beachten, daß bestimmte Einflußnahmen auf den Wettbewerb dem Anwendungsbereich des Art. 85 EGV entzogen sind: Bereits im Rahmen der Prüfung der Ausländerklausein ist dargelegt worden, daß solche Maßnahmen, die erforderlich sind, um das notwendige sportliche und finanzielle Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu sichern, nicht an dem Kartellverbot zu messen sind, da diese Maßnahmen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH den einzig möglichen Weg darstellen, um neuen Wettbewerb entstehen zu lassen. Anders als die Ausländerklauseln, die zwar geeignet aber nicht erforderlich sind, um das Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu sichern, erfüllen die Transferregeln die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes, da - wie gezeigt - kein milderes Mittel ersichtlich ist, das mit gleichem Erfolg dazu beitragen könnte, die notwendige Chancengleichheit im Wettbewerb zu sichern. Im Grundsatz sind die Transferregeln also nicht nur mit Art. 48 EGV, sondern auch mit dem gemeinschaftsrechtlichen Kartellverbot zu vereinbaren, da sie erforderlich sind, um den Berufsfußball in seiner bisherigen Form am Leben zu halten. Einschränkend ist mit dem EuGH allerdings auch im Bereich des Kartellrechts die "Verhältnismäßigkeit" bzw. die "Angemessenheit" der Einfluß118 So auch Fischer, Spurt 1996, 34 (37); im Ergebnis ebenso Lenz, FAZ vom 2l.3.1996, S. 11. 119 Lenz, Schlußanträge zur Rechtssache C-415193 ,,Bosman", S. 1-113, Ziff. 262 unter Berufung auf die entsprechende Auffassung der Kommission; Wertenbroch, EuZW 1996, 91.

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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nahme zu fordern l20 . Auch in diesem Bereich ergibt sich also das Ergebnis, daß die Transferregeln nur solange mit Art. 85 EGV zu vereinbaren sind, als die Höhe der darin vorgesehenen Ablösesummen auf ein angemessenes Maß beschränkt bleibt. Ob dies der Fall ist, läßt sich wiederum nur im Einzelfall feststellen. In Anbetracht dieses Ergebnisses ist es also durchaus möglich, daß einzelne Transferregelungen des DFB als "unangemessen" und mithin also verbotene Wettbewerbsbeschränkung zu bewerten sind. Insofern stellt sich nunmehr tatsächlich die eingangs angesprochene Frage, inwieweit sich über die Wettbewerbsvorschriften auch die Bereiche erfassen lassen, die außerhalb der Reichweite des Art. 48 EGV liegen. Die Europäische Kommission vertritt in dieser Diskussion offenbar die Auffassung, daß das gemeinschaftsrechtliche Kartellverbot auch die nationalen Transfersysteme erfaßt. Folgt man der Ansicht des zuständigen Wettbewerbskommissars Karel van Miert, so liegt nicht einmal der verbandsinterne Transfer eines Inländers außerhalb der Reichweite dieses Verbots. 121 In der Literatur ist man geneigt, dem zuzustimmen. 122 Die Frage, um die es dabei geht, ist keine rechtsdogmatische, sondern in erster Linie eine tatsächliche. Während bei der Diskussion um die Reichweite des Art. 48 EGV noch fraglich war, inwieweit die Grundsätze der "KeckRechtsprechung" auf den Bereich der Freizügigkeit übertragen werden können, ist die rechtliche Ausgangslage im Bereich des Wettbewerbsrechts eindeutig. In diesem Bereich steht außer Frage, daß all jene Verhaltensweisen, deren Auswirkungen sich lediglich auf das Gebiet eines Mitgliedstaates beschränken, nicht in den Anwendungsbereich des Art. 85 EGV fallen, da sie nicht dazu geeignet sind, den "Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen" .123 Dies wird auch von den Befiirwortern der hier diskutierten Ansicht nicht bestritten. 124 Da diese Autoren aber dennoch von der Wettbewerbswidrigkeit der nationalen Transfersysteme ausgehen, sind sie offenbar die Auffassung, daß die handelsbeeinträchtigenden Auswirkungen dieser innerstaatlichen Transfersysteme eben nicht nur auf den nationalen Markt beschränkt bleiben.

120 Vgl. dazu z.B. das Urteil vom 15.12.1994 in der Rechtssache C-250/92 ,,DLG", Slg. 1994,1-5641, Rn. 35 f. 121 Vgl. FAZ vom 3.2.1996, S. 27 sowie FAZ vom 21.3.1996, S. 32. 122 Zustimmend Wertenbrnch" EuZW 1996, 91; wohl auch HilflPaehe, NJW 1996, 1169 (1176); a.A. Westerkamp, S. 153 f.;Arens, Spurt 1996, 39 (43). 123 Vgl. dazu EntscheidWlg des EuGH in der Rechtssache 22/78 ,,Hugin", Slg. 1979, 1869; 56 Wld 58/64 "GrWldig/Consten", Slg. 1966, 321 (389); Müller-Graf in: Handkommentar, Art. 85 Rn. 109. 124 Besonders deutlich wird dies bei HilflPaehe, NJW 1996, 1169 (1176): " ... bedarf es sorgfliltiger Prüfung, inwieweit rein innerstaatliche Transfersysteme im Sinne des Art. 85 I EGV geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen.".

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Auf den ersten Blick klingt diese These recht überraschend, denn schließlich möchte man meinen, daß eine Regelung, die allein die Betätigung deutscher Spieler innerhalb der deutschen Bundesligen betrifft, doch geradezu als Paradebeispiel für eine staatsinterne Angelegenheit gelten müßte. Ein Blick auf die Entscheidungspraxis des EuGH zeigt jedoch, daß diese Einschätzung nicht zutrifft: Die erforderliche Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels hat der Gerichtshof nämlich regelmäßig nur in den Fällen verneint, in denen es schon an der Existenz eines internationalen Marktes fehlte. 125 Da der Spielermarkt im Berufsfußball jedoch kein nationaler, sondern vielmehr zumindest ein europäischer Markt ist, kann Art. 85 EGV in diesem Bereich durchaus auch nationale Absprachen erfassen. 126 Der Gerichtshof geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er solchen Absprachen, die sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates erstrecken, grundsätzlich die Eignung zuspricht, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen127 , da solche Absprachen "ihrem Wesen nach" dazu geeignet seien, die nationalen Märkte abzuschotten128 . Ob auch den nationalen Transfersystemen eine derartige abschottende Wirkung zugeschrieben werden kann, sei an dieser Stelle dahingestellt. Jedenfalls ist aber davon auszugehen, daß diese nationalen Systeme zumindest dazu geeignet sind, die Handelsströme innerhalb der Gemeinschaft zu beeinflussen, da sie die Vereine zum Beispiel dazu anregen, die eigenen Spieler an Klubs aus dem Inland zu verkaufen, da sie nur bei einem derartigen Transfer eine Ablösezahlung verlangen können. Der Spielertransfer zwischen den Mitgliedstaaten wird damit zumindest in mittelbarer Weise behindert. Festhalten läßt sich damit, daß Art. 85 EGV - soweit er den Transferregelungen inhaltlich entgegensteht - auch die Regeln erfaßt, die lediglich den nationalen Spielertransfer innerhalb eines Mitgliedstaates betreffen. Mit inhaltsgleichem Ergebnis lassen sich über Art. 85 EGV also auch die Sachverhalte erfassen, die außerhalb der Reichweite des Art. 48 EGV liegen. 3. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 12 Abs. 1 GG Im Jahre 1995, als die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Transferentschädigungen zu einem öffentlich diskutierten Thema avancierte, war die Diskussion um die Vereinbarkeit der Transferentschädigungen mit dem deut125 Vgl. dazu z.B. die EntscheidWlg des EuGH in der Rechtssache 22/78 ,,Hugin", Slg. 1979,1869 (1899). 126 So auch schon Wertenbroch, EuZW 1996, 91. 127 Vgl. Urteil vom 11.7.1989 ,,Belasco", Slg. 1989, 2117 (2190); Urteil vom 11.7.1985 ,,Remia", Slg. 1985,2545 (2572). 128 Urteil des EuGH vom 17.10.1972 "Cementhandelaren", Slg. 1972,977 (991).

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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schen Verfassungsrecht bald zwei Jahrzehnte alt. Bereits im Jahre 1979 war die Öffentlichkeit durch eine Entscheidung des LAG Berlin129 darauf aufmerksam gemacht worden, daß durchaus ernsthafte Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Transferregeln mit Art. 12 Abs. 1 GG bestehen. Zu einer Abschaffung der Transferregeln kam es damals freilich nicht, und so dauerte es dann ganze 16 Jahre, bis die Vereinbarkeit der Transfersysteme mit dem Verfassungsrecht erneut in die allgemeine Diskussion kam. Als Reaktion auf das "Bosman"Urteil war allseits zu hören, daß es nunmehr nur noch eine Frage der Zeit sei, bis ein deutscher Spieler mit einer auf Art. 12 GG gestützten Klage gegen das nationale Transfersystem Erfolg haben werde. 130 Die Frage ist also, ob und inwieweit Art. 12 Abs. 1 GG der Beibehaltung eines Transferentschädigungssystems in Deutschland entgegensteht. Fest steht, daß Art. 12 Abs. 1 GG, der als "Deutschenrecht" konzipiert ist, nur die nationalen Transfers erfassen kann. Jedoch kommt gerade dieser Problematik eine besondere Bedeutung zu, da die Behandlung dieser Fallgruppe außerhalb der Reichweite der Freizügigkeitsvorschriften liegt. Ein deutscher Spieler, der einen ablösefreien Wechsel innerhalb der Bundesliga anstrebt, könnte eine entsprechende Klage also nur auf Art. 12 Abs. 1 GG stützen. In der juristischen Literatur findet man eine Reihe von Stellungnahmen zu der Frage nach der Vereinbarkeit der nationalen Transferregeln mit Art. 12 Abs. 1 GG. Während einige Autoren diese Transferentschädigungen grundsätzlich gebilligt haben,13I hat sich die große Mehrheit der Autoren im Grundsatz gegen deren Vereinbarkeit mit Art. 12 GG ausgesprochen. 132 Einige weitere Autoren vertreten schließlich eine differenzierende Lösung. Sie äußeren zwar grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Transferzahlungen; sie halten diese jedoch für gerechtfertigt, soweit sie sich auf den Wechsel eines Spielers aus dem Amateur- in das Profilager beschränken. 133 Daß die Autoren bei ihren Lösungsansätzen zum Teil von unterschiedlichen Prämissen ausgehen, ist bekannt, und dennoch gelangen sämtliche Autoren letztlich zu der Frage, nach der inhaltlichen Berechtigung der Argumente, die bereits aus dem "Bosman"-Fall bekannt sind. Eine erneute Auseinandersetzung mit diesen Argumenten ist damit auch hier erforderlich. Zunächst jedoch gilt es darzustellen, auf welchem Wege und mit welchem Gewicht diese Argumente in die Diskussion einfließen können. LAG Berlin, NJW 1979,2582. So z.B. die Äußerung des Sportanwalts Rauball, zitiert im Hamburger Abendblatt vom 18.12.1995, S. 22. 131 So z.B. Buchner, RdA 1982, I (12); Wertenbruch, Anmerkung zwn Urteil des EuGH vom 15.12.1995 in der Rechtssache C-415/93 ,,Bosman", EuZW 1996, 91. 132 So Westerkamp, S. 146; Becker, S. 142; Fallgraf, S. 86 tr. 133 So z.B. OstjhojJ, S. 207 tr.; Reuter, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel eines Fußballspielers, S. 50 (62). 129

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Es steht allgemein außer Frage, daß die Transferregeln einen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit beinhalten, da sie den Berufsfußballer daran hindern, seine Tätigkeit bei einem Verein auszuüben, der die geforderte Ablösesumme nicht aufbringen kann oder will. 134 Uneinigkeit besteht jedoch über die Frage, unter welchen Voraussetzungen dieser Eingriff gerechtfertigt sein kann. Während die Mehrheit der Autoren unter Anwendung der "Dreistufentheorie" des BVerfG zu dem Ergebnis gelangt, daß ein "überragend wichtiges Interesse des DFB" als Gegenrecht zu fordern sei, \35 begnügt man sich an anderer Stelle, mit der Forderung nach "vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls".J36 Der Grund fiir diese Uneinigkeit liegt allein in einem unterschiedlichen Verständnis der Reichweite der "Dreistufentheorie". Im Grundsatz sind sich nämlich alle Autoren einig, daß die Transferregeln einen Eingriff in das Grundrecht auf ,freie Wahl des Arbeitsplatzes" beinhalten, das durch Art. 12 Abs. 1 GG ausdrücklich garantiert wird. Während jedoch Reuter einen derartigen Eingriff auf der untersten Stufe der "Dreistufentheorie" ansiedelt, da er in diesem eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit sieht,137 stellen andere auf die strengeren Anforderungen der dritten Stufe ab, da sie das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes mit der Freiheit der Berufswahl gleichsetzen. 138 Mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG gehen beide Parteien bei diesem Streit von einer unzutreffenden Prämisse aus. Das in Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Recht auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes ist nämlich weder ein Unterfall der Berufsausübungsfreiheit, wie Reuter es sieht, noch ist sie der Berufswahlfreiheit zugehörig, wie es zum Beispiel von Becker vertreten wird. Die Freiheit der Arbeitsplatzwahl ist vielmehr ein Freiheitsrecht, dem eine eigenständige Bedeutung zukommt. Dies ergibt sich unmißverständlich aus der Rechtsprechung des BVerfG, wo es heißt: "Die Arbeitsplatzwahl ist folglich der Berufswahl nachgeordnet und konkretisiert diese. Sie ist umgekehrt der Berufsausübung vorgeordnet, die erst am gewählten Arbeitsplatz stattfindet.,,139 Die "Dreistufentheorie" des BVerfG, die im Hinblick auf den fehlenden Schrankenvorbehalt der Berufswahlfreiheit entwickelt worden ist, ist somit nicht unmittelbar auf eine Beschränkung der Arbeitsplatzwahlfreiheit anwendbar. Dennoch ist es im Ergebnis nicht ausgeschlossenen, daß letztlich doch strengere Anforderungen an die Rechtfertigung der Transferregeln zu 134

2582.

Vgl. nur OstfhofJ, S. 207; Reuter, S. 62; Becker, S.130; LAG Berlin, NJW 1979,

OsthofJ, S. 207; Westerkamp, S. 123; LAG Berlin, NJW, 1979,2582 (2583). So die Forderung von Reuter, S. 62. 137 Reuter, S. 62: "Soweit sie dabei lediglich den Arbeitsplatzwechsel der Spieler erschweren oder auch verhindern, d.h. lediglich die Berufsausübung beschränken, ... ". 138 So ganz deutlich Becker, S. 130: ,,Durch die Transferregelung wird die Freiheit der Arbeitsplatz- und damit der Berufswahl beeinträchtigt." 139 BVerfG NJW 1991,1667. 135

136

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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stellen sind, denn das BVerfG hat anerkannt, daß die Grundsätze der "Dreistufentheorie" zumindest sinngemäß auch auf das Grundrecht der freien Arbeitsplatzwahl anzuwenden sind. Wörtlich heißt es dazu: "Wenn eine Regelung in die freie Wahl des Arbeitsplatzes mit ähnlicher Wirkung eingreift wie eine objektive Zulassungschranke in die Freiheit der Berufswahl, ist sie nur zur Sicherung eines entsprechend wichtigen Gemeinschaftsguts unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig.,,140 Soweit eine Regelung also eine objektive Beschränkung des Rechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beinhaltet, kann sie nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie dem Schutz eines überragend wichtigen Schutzgutes dient. Die Transferregeln beinhalten nach allgemeiner Ansicht141 eine derartige objektive Beschränkung, da die Spieler auf die Erfüllung der geforderten Voraussetzungen regelmäßig keinen Einfluß haben. Insbesondere werden sie in der Regel nicht in der Lage sein, die geforderten Ablösesununen selber zu erbringen, und überdies ist die Erfüllung der Voraussetzungen für einen Arbeitsplatzwechsel ohnehin nur vom Willen Dritter abhängig. Im Ergebnis ist somit denjenigen Autoren zuzustimmen, die strengste Anforderungen an eine Rechtfertigung der Transferregeln stellen wollen. Gerechtfertigt sind die Transferregeln nach alledem also nur dann, wenn sie einem Schutzgut von überragender Bedeutung dienen. Überdies müssen die Regelungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, wobei einschränkend festzustellen ist, daß sie nicht mit dem gleich strengen Maßstab gemessen werden dürfen, wie er für Beschränkungen der eigentlichen Berufswahl gilt, da die zuletzt genannte Freiheit in ihrer Wertigkeit oberhalb des Rechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes rangiert. Dies hat das BVerfG festgestellt. 142 Fraglich ist nunmehr, ob die Transferregeln tatsächlich einem Schutzgut dienen, das für den Fußbalisport143 von überragender Bedeutung ist. Im Rahmen der vorangegangenen Prüfung des Art. 48 EGV ist bereits dargelegt werden, daß die Transferentschädigungen zum einen dem Zweck dienen sollen, den sportlichen Nachwuchs zu fördern, und daß sie zum anderen dazu beitragen sollen, die notwendige Chancengleichheit zwischen den Vereinen zu gewährleisten. Es ist überdies festgestellt worden, daß die Transferentschädigungen auch grundsätzlich geeignet und erforderlich sind, um diese Zwecke zu erfüllen. Die inhaltliche Berechtigung dieser Argumente kann damit an dieser Stelle vorausgesetzt werden, wenngleich anzumerken ist, daß gerade in 140 BVerfG NJW 1991, 1667. Für eine sinngemäße Anwendung auch: BAGE 13, 177; BGHZ 36,16 ff.. 141 So auch Osthoff, S. 207, Westerkamp, S. 109; Becker, S. 132 f; LAG Berlin, NJW 1979,2582. 142 Vgl. dazu die bereits zitierte Aussage des BVerfG, NJW 1991, 1667. 143 Aufgrund der notwendigen Privatisierung der Schrankensystematik ist allein auf die Bedeutung einer Regelung fUr den Fußballsport abzustellen.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

den spezifisch verfassungsrechtlich orientierten Arbeiten immer wieder Zweifel an dem diesbezüglichen Nutzen der Transferregeln geäußert worden sind. 144 Die nunmehr verbleibende Prüfung beschränkt sich folglich auf die Frage, ob die Förderung des Nachwuchses sowie die Wahrung der Chancengleichheit im sportlichen Wettbewerb zu den "überragend wichtigen Interessen" gehören, die ein Sportverband berechtigterweise verfolgen darf. Sollte dies der Fall sein, so wären die Transferregelungen grundsätzlich auch mit Art. 12 GG vereinbar. Daß die Nachwuchsförderung zu den wichtigsten Interessen eines Sportverbandes gehört, liegt auf der Hand, und die Gründe dafür sind zahlreich. So ist ein qualifizierter Nachwuchs erforderlich, um die Leistungsfahigkeit des deutschen Spitzenfußballs zu wahren, da natürlich auch anderswo Nachwuchsarbeit betrieben wird, er ist erforderlich, um ein "Ausbluten" der Bundesligen zu verhindern, da nur auf diesem Wege die Abgänge der älteren Spieler ausgeglichen werden können, er ist zudem erforderlich um die Attraktivität des Fußballs zu wahren, da die Zuschauer und die Medien stets nach "neuen Gesichtern" suchen und schließlich ist eine anspruchsvolle Nachwuchsarbeit sogar für den Fußball insgesamt bedeutsam, da nur so verhindert werden kann, daß die Jugend den Vereinen fernbleibt. Die Nachwuchsförderung stellt nach alledem also ein "überragend wichtiges Interesse" des DFB dar. 145 Schwieriger zu begründen ist nunmehr, ob auch die Wahrung der sportlichen und finanziellen Chancengleichheit zwischen den Vereinen zu den Zielen gehört, die ein Sportverband berechtigterweise verfolgen darf. Das LAG Berlin beschränkt diese schützenswerten Interessen nämlich allein auf die "ideellen Zielrichtungen des Sportbetriebes" . "Wirtschaftliche Gesichtspunkte" sollen dagegen in keiner Weise zur Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 12 GG beitragen können. 146 Diese Ansicht entspricht im Grundsatz auch hier vertreten Auffassung,147 doch erscheint sie in ihrer Konsequenz zu eng. Zwar ist es richtig, daß wirtschaftliche Aspekte keinesfalls den gleichen rechtfertigenden Wert haben können wie die ideellen Zielsetzungen. Doch verbietet es die bereits mehrfach dargestellte Untrennbarkeit zwischen Sport und Wirtschaft, eine Regelung bereits dann für unvereinbar mit dem Art. 12 GG zu erklären, sobald diese nicht ausschließlich den Sport als solchen betrifft. 148 Diesen Fehler begeht das LAG Berlin, wenn es ausführt, daß die Transfer144

Vgl. z.B. Westerkamp, S. 143; Osthoff, S. 212 ff.

145 AA LAG Berlin, NJW 1979,2582 (2583), wo allerdings vornelunlich auf den

wirtschaftlichen Aspekt der Nachwuchsförderung abgestellt wird. 146 LAG Berlin, NJW 1979,2582 (2583); gefolgt ist dem Osthoff, S. 211. 147 Vgl. dazu die Ausführungen im ,,Allgemeinen Teil" dieser Arbeit. 148 So auch die wohl h.M in der sportrechtlichen Literatur. Vgl. Reuter, S. 58; Bekker, S. 134; Westerkamp, S. 124.

3. Kapitel: Das TransferentschädiglUlgssystem

193

entschädigungen "eindeutig nur wirtschaftlichen Belangen der Vereine und keinesfalls der Förderung und Aufrechterhaltung des Sportbetriebes als solchem" dienen. 149 Daß diese Einschätzung nicht zutrifft, ist bereits eingehend dargelegt worden: Nur wenn das finanzielle Gleichgewicht zwischen den Vereinen zumindest annähernd in der Waage gehalten wird, bleibt auch das notwendige sportliche Gleichgewicht erhalten, das zum Überleben der Lizenzligen unbedingt notwendig ist. 1SO Diese naheliegende Folge hat das LAG offensichtlich nicht bedacht, als es die Idee des Finanzausgleichs zwischen den Vereinen als rein wirtschaftliche Regelung abgetan hat. Überdies hat das Gericht auch übersehen, daß die Transferregeln nicht nur über den Umweg des Finanzausgleichs, sondern auch ganz unmittelbar zur Wahrung des notwendigen sportlichen Gleichgewichts zwischen den Vereinen beitragen, denn nur durch ihre Existenz wird verhindert, daß die großen Vereine sämtliche Spitzenspieler der Liga unter Vertrag nehmen. Soweit die Transferregeln damit zur Wahrung der Chancengleichheit zwischen den Vereinen beitragen, dienen sie also vor allem auch der "Förderung und Aufrechterhaltung des Sportbetriebes als solchem", wie es das LAG fordert. Es bleibt damit festzuhalten, daß der DFB sowohl unter dem Aspekt der Nachwuchsförderung, als auch unter dem Aspekt des zu wahrenden Gleichgewichts zwischen den Vereinen dazu berechtigt ist, das durch Art. 12 GG geschützte Recht der Spieler auf freie Wahl des Arbeitsplatzes zu beschränken. Da die Transferregeln - wie gezeigt - zudem auch geeignet und erforderlich sind, um die Verwirklichung dieser Ziele zu ermöglichen, ist deren Vereinbarkeit mit dem Art. 12 GG grundsätzlich anzuerkennen. Im Falle einer angemessenen Ausgestaltung sind die Transferregeln demnach nicht nur mit Art. 48 EGV, sondern auch mit Art. 12 GG zu vereinbaren. 4. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 2 Abs. 1 GG Nachdem soeben herausgearbeitet worden ist, daß Art. 12 Abs. 1 GG einem angemessen ausgestalteten Transferentschädigungssystem nicht entgegensteht, steht letztlich bereits an dieser Stelle fest, daß ein solches System auch mit Art. 2 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist, denn eine Regelung, die den strengen Anforderungen genügt, die an eine Beschränkung der Berufsfreiheit zu stellen sind, wird immer auch den Anforderungen genügen, die an eine Be-

149

ISO

LAG Berlin, NJW 1979,2582 (2583). Vgl. dazu auch Reuter, S. 61.

\3 PI.tb

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

schränkung des "Auffanggrundrechts"151 der allgemeinen Handlungsfreiheit zu stellen sind. 152 In Anbetracht dieser Feststellung ist die entscheidende Frage, um die es hier nur gehen kann, nicht die, ob Art. 2 Abs. 1 GG den Lizenzspielern einen weitreichenderen Schutz gegen unangemessene Transfersysteme bietet - dies ist nicht der Fall -, sondern allein die, ob sich der Schutz vor derartigen Regelungen anhand von Art. 2 Abs. 1 GG komplettieren läßt, denn das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG steht nur allen Lizenzspielern mit deutscher Staatsangehörigkeit zu. Konkret geht es also darum, ob sich ausländische Lizenzspieler auf den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG berufen können. Daran könnte gezweifelt werden, wenn sich der Grundrechtsschutz aus Art. 12 GG als abschließend erwiese, jedoch ist dies nach heute allgemeiner Meinung nicht der Fall, so daß auch wirtschaftliche Betätigungen den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG genießen. 153 Zwar ist Art. 12 GG das speziellere Grundrecht, doch da sich ausländische Spieler nicht auf dieses Deutschen-Grundrecht berufen können, steht die Spezialität der Berufsfreiheit der Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 1 GG nicht entgegen. Die berufliche Betätigung von Nicht-Deutschen wird also durch das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG geschützt,154 so daß unangemessen ausgestaltete Transferentschädigungssysteme auch gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen, soweit ausländische Spieler betroffen sind.

5. Die Transferentschädigungssysteme und Art. 1 Abs. 1 GG Weitere Bedenken gegen die Zulässigkeit der Ablösezahlungen sind unter dem Aspekt der Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG geäußert worden. Art. 1 Abs. 1 GG schützt die Würde des Menschen. Ein Eingriff in die Menschenwürde liegt nach der Rechtsprechung des BVerfG vor, wenn der Mensch einer Behandlung ausgesetzt wird, die ihn zum bloßen Objekt degradiert. 155 Eine derartige herabwürdigende Behandlung sehen einige Autoren darin begründet, daß es nach den geltenden Bestimmungen des DFB allein den Vereinen überlassen bleibt, die finanziellen Bedingungen des Arbeits-

Vgl. BVerfGE 6, 32 (37); 21, 227 (234). Zur Einschränkbarkeit des Art. 2 Abs. 1 GG: Kunig, in: v. Münch, Art. 2, Rn. 19. Vgl. nur BVerfGE 65, 196 (210); Darig in: MD Rn. 11 zu Art. 2 I. 154 BVerwGE 59, 287 (294), JarasslPieroth, Art. 2 Rn. 9; a.A. Scholz, MD, Rn. 96 zur Art. 2 I. 155 BVerfGE 27, 6. 151 152 153

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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platzwechsels eines Spielers auszuhandeln. 156 Diese würden dabei zu bloßen Objekten von kommerziellen Austauschgeschäften degradiert. I 57 In Anbetracht der Tenninologien, die im Zusammenhang mit den Transfers von Lizenzspielern regelmäßig benutzt werden, kann tatsächlich der Eindruck aufkommen, als werde in diesem Bereich ein wahrer Menschenhandel betrieben. Niemanden wundert es mehr, wenn etwa von dem "Verkauf' eines Spielers gesprochen wird. Dennoch darf niemals vergessen werden, daß man es hier nicht mit einem "Verkauf' im rechtlichen Sinne zu tun hat. Weder handelt es sich bei der Ablösezahlung um einen "Kaufpreis", noch ist die "Person des Spielers selbst" Gegenstand des Vertrages. 15S Wenn also zwischen den Vereinen ein "Handel" mit den ihnen zur Verfügung stehenden Werten getrieben wird - was zugegebenermaßen nicht selten der Fall ist -, so betrifft dieser "Handel" nicht den Menschen als solchen, sondern vielmehr die Frage danach, in welcher Höhe der sportliche und finanzielle Verlust des abgebenden Vereines auszugleichen ist. Allein aus dem Umstand, daß die Vereine den Transfermarkt zu geschäftlichen Zwecken nutzen, läßt sich daher noch kein Verstoß gegen die Menschenwürde ableiten. Bestehen bleibt allerdings die Kritik dagegen, daß den Spielern die Möglichkeit entzogen wird, diesen ausgleichspflichtigen Betrag selbständig zu bestimmen. Ein derartiges Vorgehen - so wird argumentiert - fuhre zwangsläufig zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Spielers und damit letztlich immer auch zu einer Verletzung der Würde des Menschen im Sinne von Art. 1 GG. 159 Dieser Ansicht ist zuzugeben, daß die Festsetzung des "Marktwertes" eines Spielers regelmäßig auch ein Urteil über dessen sportliche Leistungsfähigkeit beinhaltet, die wiederum durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Spielers geschützt wird. Insofern mag man in der Festsetzung einer niedrigen Ablösesumme fur einen Spieler eine gewisse Herabwürdigung seiner sportlichen Leistungen sehen. Dennoch liegt in dieser Festsetzung keinesfalls ein Verstoß gegen die Menschenwürde begründet. Zum einen muß ein jeder Mensch in unserer Gesellschaft damit leben, seine Leistungsfähigkeit durch andere beurteilen zu lassen. Die Vergabe von Schulnoten ist nur eines von unzähligen Beispielen. Und zum anderen weist die Festsetzung des Marktwertes eines Spielers bei weitem nicht die Eingriffsintensität auf, die erforderlich wäre, um eine Verletzung der Menschenwürde annehmen zu können. In Anbetracht der großen Zurückhal156 Einen Verstoß gegen die Menschenwürde haben angenommen Burmeister, DÖV 1978, 1 (7); Samstag, Der Spielerwechsel im bezahlten Fußball, Diss. Gießen 1970, S. 105 f; Preis, S. 62; Westerkamp, S. 145. 157 Burmeister, DÖV 1978, I (7). 158 Becker S 144 159 So zul~tzt die Kritik von Arens, Spurt 1996, 39 (41).

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

tung, mit der Art. 1 Abs. 1 GG in der Verfassungswirklichkeit gehandhabt wird - als Anwendungsfall nennt das BVerfG zum Beispiel die "gänzliche Vernichtung der künstlerischen und menschlichen Existenz"l60 - erscheint es schon fast grotesk, eine Verletzung der "Würde" des Spielers darin erblicken zu wollen, daß sein Marktwert nicht in der Wßise beurteilt wird, wie er selbst es sich wünscht. Im übrigen kann ohnehin davon ausgegangen werden, daß die Spieler allenfalls aus Gründen der Eitelkeit an der Höhe der eigenen Ablösesumme interessiert sind, solange sie nicht durch die Höhe dieser Summe an einem geplanten Vereinswechsel gehindert werden. 161 Ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG ist nach alledem also nicht anzunehmen. 162

III. Die rechtliche Zulissigkeit der konkret angewandten Transferentschidigungssysteme des DFB Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, steht nach der hier vertretenen Auffassung weder das nationale Verfassungsrecht noch das Gemeinschaftsrecht den Transferregeln der Sportverbände entgegen, solange die darin enthaltende Verpflichtung zur Zahlung einer Ablösesumme nicht zu unverhältnismäßigen Eingriffen in die Rechte der Spieler fuhrt. Zulässig ist nur eine Ablösesumme in angemessener Höhe. Im Hinblick auf die anstehende Prüfung der verschiedenen Transferregelungen des DFB ist damit zunächst fraglich, wie hoch eine Ablösesumme sein darf, die noch als angemessen bezeichnet werden kann. Falsch wäre es, wenn man zur Beantwortung dieser Frage einen festen Betrag - etwa 2 Million Mark - nennen wollte, um so die Obergrenze einer zulässigen Transferentschädigung zu markieren. Ein derartiges Vorgehen verbietet sich schon deshalb, weil sich die Angemessenheit einer Regelung immer nur aus der Relation ihrer Eingriffsintensität zu ihrem konkreten Nutzen errechnet. Eine besonders effektive Transferregelung kann deshalb höhere Ablösesummen rechtfertigen als etwa eine solche Regelung, die zwar der Nachwuchsförderung dient, die aber kaum zum Finanzausgleich zwischen den Vereinen beiträgt. Überdies gilt es zu bedenken, daß die Eingriffsintensität einer Regelung immer nur im Einzelfall festgestellt werden kann. Während eine Ablöseforderung in Höhe von 2 Millionen Mark den Wechsel eines begehrten Spitzenspielers kaum verhindern kann, würde ein unbekannter Nachwuchsspieler niemals einen neuen Verein finden, wenn auch er nur für einen derart hohen Betrag zu haben wäre. BVerfGE 7, 198 (221) - Fall ,,Lüth". So auch Weiland, S. 313. 162 Ebenso Becker, S. 145; Weiland, S. 313.

160 161

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

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Die Frage nach der Angemessenheit eines Transferentschädigungssystems läßt sich nach alledem also nicht abstrakt beantworten, so daß die Herausarbeitung der maßgeblichen Grundsätze der nun folgenden Einzelfallprüfung vorbehalten bleiben muß. Begonnen sei mit der Überprüfung des Systems, das in der FußballBundesliga bis zum Ende der Saison 1995/96 angewandt worden ist. Nach diesem System wurde unterschieden zwischen dem Wechsel eines Amateurspielers in den Profibereich einerseits, und dem Transfer eines Lizenzspielers andererseits. Wenig Probleme bereitet die rechtliche Bewertung der zuerst genannten Regelung, die den Transfer eines Amateurspielers betraf. Wie gezeigt, war die Höhe der an den Amateurverein zu zahlenden Ablösesunune auf DM 100.000,- für Bundesligavereine bzw. DM 45.000,- für Vereine der zweiten Liga festgeschrieben. In Anbetracht der erheblichen Umsätze, die in den Lizenzligen nicht erst in den letzten Jahren erzielt wurden, war es den Vereinen leicht möglich, diese relativ niedrige Sunune aufzubringen, wenn sie an der Verpflichtung eines Amateurspielers interessiert waren. Soweit ersichtlich, ist kein Fall bekannt, in dem der Wechsel eines Amateurs in den Profibereich an der Höhe dieser festgeschriebenen Ablösesunune gescheitert wäre. Die beschränkende Wirkung dieser Regelung war also äußerst gering. Dem gegenüber stand ein hoher spezifischer Nutzen dieser Regelung: Da die zu zahlenden Gelder direkt in den Amateurbereich flossen, trug diese Regelung besonders Effizient zur Umverteilung der Gesamteinnahmen der Ligen sowie zur Förderung einer qualifizierten Nachwuchsarbeit bei. Sie war also in besonderem Maße geeignet, hohe Ablösesununen zu rechtfertigen. In der Gesamtbetrachtung dieser Umstände muß man daher zu dem Ergebnis gelangen, daß die Festsetzung der Ablösesunune auf DM 100.000 bzw. 45.000 den Spielertransfer keinesfalls unangemessen stark beeinträchtigt hat. Schwieriger zu beantworten ist nunmehr die Frage, ob auch die übrigen Transferregeln des DFB mit den dargestellten Anforderungen zu vereinbaren waren, denn nur bei einem Wechsel aus dem Amateur- in das Profilager war die Höhe der Ablösesunune festgelegt. Bei allen sonstigen Wechseln galt der Grundsatz der freien Aushandelbarkeit der Ablösesununen. 163 Es scheint daher, als habe der DFB überhaupt keinen Einfluß auf die Höhe der Transferentschädigungen gehabt. Die Praxis jedoch sah anders aus: Da der abgebende Verein im Normalfall des Spielertransfers keine rechtliche Möglichkeit hatte, die Auswahl des aufnehmenden Vereins zu beeinflussen, war der abgebende Verein gezwungen, sich mit dem Verein zu einigen, bei dem der Spieler seinen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte. Da diese Einigung über die 163

Vgl. § 30 Nr. 1 Lizenzspielerstatut.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Höhe der Ablösesumme notfalls durch einen Schiedsgutachter festgesetzt werden konnte,l64 war natürlich kein aufnehmender Verein bereit, mehr zu zahlen als den Betrag, den ein Schiedsgutachter im Falle seiner Anrufung voraussichtlich festsetzen würde, und natürlich gaben sich die abgebenden Vereine auch nicht mit geringeren Beträgen zufrieden. Den Vereinen blieb damit keine andere Wahl, als sich bei ihren Verhandlungen an der Schiedsgutachterpraxis zu orientieren. Diese wurde wiederum durch die bereits erwähnten Richtlinien des DFB bestimmt, so daß es letztlich also doch der DFB war, der die Höhe der zu zahlenden Ablösesummen diktierte. 165 Die Art der Berechnung, die nach diesen Richtlinien vorzunehmen war, hä1t einer kritischen Überprüfung weitestgehend stand. Dem Ziel, den Finanzausgleich zwischen den Vereinen zu stärken, wurde entsprochen, indem die Höhe der Ablösesummen entscheidend von der Finanzkraft des aufnehmenden Vereins abhängig gemacht wurde. Und auch der UmstarJd, daß die Ablösesummen auf der Grundlage der Spie1ergehä1ter berechnet wurden, spricht für dieses System, denn die Gehaltshöhe ist sicherlich der beste Maßstab, um die Höhe des sportlichen Verlusts zu bestimmen, der durch die Zahlung einer Transferentschädigung kompensiert werden SOll.l66 Der Nutzen dieses Systems ist damit nicht zu bestreiten. Jedoch starJd dieser Nutzen in keinem Verhä1tnis zu der übermäßigen Beschränkung des Spielertransfers, die mit diesem System einherging. Der Grund dafür liegt schlichtweg in der Höhe der Ablösesummen, die sich nach den Vorgaben des DFB errechneten. Zu Beginn der Saison 1995/96 wurde bei einem Wechsel innerhalb der Bundesliga selten weniger als eine Million Mark gezahlt. Die Leistungsträger der Vereine waren kaum unter 2 Millionen Mark zu haben, und für die Verpflichtung eines Spitzenspielers waren bei einer entsprechenden Konstellation Beträge zu zahlen, die jenseits der 5-Millionen-Grenze lagen. 167 Ablöseforderungen in dieser Größenordnung ließen die Entscheidung über die Verpflichtung eines Spielers in erster Linie zu einer wirtschaftlichen Entscheidung verkommen. Nicht mehr der Wille des Spielers stand im Vordergrund, sondern allein die wirtschaftliche Potenz der Interessenten. Ein erfolgreicher Bundesligaprofi mußte sich damit abfinden, daß ihm die Mehrzahl der Vereine niemals ein Angebot machen würde, da nur wenige Vereine überhaupt in der Lage waren, die Ablösesumme für einen solchen Spieler aufzubringen. Als Beispiel sei nur auf den Rekordtransfer aus der Saison 1995/96 verwiesen. Der Verein Borussia Dortmund verpflichtete den Spieler Herrlich für DM 9,5 Millionen und hatte damit nur für diesen einen Spieler eine SumVgL § 30 Nr. 3 Lizenzspielerstatut. So im Ergebnis auch Reuter, S. 65. 166 Vergleichbar auch Reuter, S. 65. 167 Eine Aufstellung über sämtliche Transfers, die vor der Saison 1995/96 in der Bundesliga getätigt wurden, fmdet sich in der WamS vom 6. August 1995, S. 22. 164 165

3. Kapitel: Das Transferentschädigungssystem

199

me aufzubringen, die bald dem Betrag nahekam, den die drei Aufsteiger als Gesamtetat für das ganze Jahr eingeplant hatten. l68 Die Auswahl möglicher Interessenten wurde durch dieses System also entscheidend eingeschränkt, so daß es zwangsläufig zu erheblichen Mobilitätsbeschränkungen für die Spieler kommen mußte. Hinzu kommt, daß die nach diesem System zu zahlenden Ablösesummen in keinem Verhältnis zu den Werten standen, die bei einem Spielertransfer tatsächlich verschoben wurden. Ein 10 Millionen Mark teurer Spieler wird niemals in der Lage sein, dem Verein zu Mehreinnahmen in dieser Größenordnung zu verhelfen, und an einem realen Bezug zu den tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten des abgebenden Vereins fehlte es völlig. Der Transferwert der Spieler war also ein rein fiktiver, der sie letztlich zu tauglichen Handelsobjekten machte. Nicht ohne Grund spricht man schon seit langem von dem "Transfergeschäft". Wie selbstverständlich gehörte es zu diesem Geschäft, erfolgversprechende Spieler zum Zwecke des späteren Weiterverkaufs zu verpflichten, und nicht selten gab es auch den Fall, daß Spieler trotz oder gerade wegen hervorragender sportlicher Leistungen verkauft wurden, weil die Vereine auf hohe Transfererlöse hoffen durften. Die Freiheit des Spielers, seine Geschicke selber zu bestimmen, mußte dabei zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Die genannten Argumente machen deutlich, zu welchen intensiven Eingriffen das hier diskutierte Transfersystem geführt hat. Der Nutzen dieses Systems, der gerade im Bereich des Finanzausgleichs unbestritten hoch war, da sich der Umfang dieses Ausgleichs entscheidend nach der Höhe der Ablösesummen bemißt, kann dessen übermäßige Eingriffsintensität nicht aufwiegen, so daß nach alledem festzustellen ist, daß die Berechnungspraxis des DFB rechtswidrig war. Nachdem die Zulässigkeit dieses Systems also an der unangemessenen Höhe der Ablösesummen gescheitert ist, ist nunmehr fraglich, ob gleiches auch für die Übergangsregelung gilt, die während der Saison 1996/97 zu Anwendung gekommen ist, denn diese hat eine Halbierung der Ablösesummen mit sich gebracht. Bei nüchterner Betrachtung ist auch diese Frage zu bejahen. Selbst nach einer Halbierung der Ablösesummen bewegten sich diese noch in einer Größenordnung, die keinen realen Bezug zu den tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten hat. Vor allem aber eignete sich der Verkauf von Ligaspielern immer noch dazu, um lukrative Geschäfte zu machen. Dies ist der entschei168 Fortuna Düsseldorf rechnete für die Saison 1995/96 mit einem Gesamtetat von DM 12,5 Millionen Mark, Hansa Rostock mit 12,6 Millionen und der Fe st. Pauli mit 13 Millionen. Vgl. Die Welt vom 12.8.1995, S. 24.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

dende Kritikpunkt, der gegen die Zulässigkeit auch dieser halbierten Ablösesummen spricht. Solange das Transfergeschäft größere Einnahmen verspricht, als sie etwa durch die Trikotwerbung während eines gesamten Jahres zu erzielen sind,169 solange wird es auch Vereine geben, die ihre Spitzenspieler zu einem Vereinswechsel nötigen, weil sie auf die entsprechenden Einnahmen angewiesen sind, und solange wird es auch andere Vereine geben, die von einer geplanten Verpflichtung eines Spielers Abstand nehmen, weil sie die erforderliche Ablösesumme nicht aufbringen können. In beiden Fällen entscheidet nicht der Wille des Spielers über dessen Arbeitsplatz, sondern die wirtschaftliche Potenz der Vereine. Um nicht falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich wird es immer Vereine geben, die sich bestimmte Spieler nicht leisten können, da sie nicht in der Lage sind, deren Gehaltsforderungen zu erfüllen. Insofern werden die Wechselchancen der Spieler immer auch durch finanzielle Erwägungen bestimmt. Während es jedoch allein bei den Spielern selbst liegt, ihre Wechselchancen zu verbessern, indem sie ihre Gehaltswünsche herabschrauben, haben die Spieler in der Regel keine Möglichkeit, die Höhe ihrer Ablösesumme zu beeinflussen17 o. Sie bleiben also dem Geschäftsdenken der Vereine ausgeliefert. Nur ein System, bei dem dieser Faktor nicht mehr im Vordergrund steht, gewährt den Spielern die Freiheiten, die ihnen durch Art. 12 GG und 48 EGV garantiert werden. Die hier diskutierte Regelung des DFB erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls auch nicht. Abschließend gilt es noch kurz auf das Transfersystem einzugehen, daß von der Saison 1997/1998 an gilt, und das - wenn man dem DFB glauben möchtegar kein Transfersystem im eigentlichen Sinne ist, da es die Vereine lediglich zur Zahlung einer "Ausbildungs- und Förderungsentschädigung,,171 verpflichtet. Die Vereinbarkeit dieses Systems mit den in dieser Arbeit erstellten Vorgaben ist bereits festgestellt worden, als es um die Zulässigkeit des alten Transfersystems ging, denn dieses sah eine entsprechende Regelung vor, nach der die Vereine bei der Verpflichtung eines Amateurspielers zur Zahlung von DM 100.000,- bzw. 45.000,- verpflichtet wurden. Der Zulässigkeit der derzeitigen Regelung des DFB stehen insofern also keine Bedenken entgegen. Insbesondere ist diese Regelung, die explizit nur den Wechsel von Amateurspielern 169 Für die Saison 1995/96 erhielt der Deutsche Meister Borussia Dortmund von seinem Trikotsponsor DM 3,5 Millionen, die UEFA-Cup-Teilnehmer aus Bremen, Freiburg, und Kaiserslautern erhielten jeweils ca. DM 2 Millionen und die drei Aufsteiger konnten 1,3 bis 1,5 Millionen Mark einnehmen. (Quelle: WamS vom 6.8.1995,

S.22J. 17 In der Vergangenheit haben sich die Vereine nur im Ausnahmefall darauf einge-

lassen, wenn ein Spieler den Wunsch geäußert hat, die Höhe seiner Ablösesumme festschreiben zu lassen. In der Regel ist es nur wenigen Spitzenspielern gelungen, dieses Ziel zu verwirklichen. 171 Vgl. § 30 Lizenzspielerstatuts n.F.

3. Kapitel: Das Transferentschädigllllgssystem

201

betrifft, auch mit dem ,,Bosman"-Urteil zu vereinbaren, denn dieses bezieht sich nur auf den "Berufsfußballer"-Transfer.

IV. Ergebnis Der Auslegung des EuGH folgend beinhaltet Art. 48 EGV neben dem Diskriminierungsverbot auch ein Beschränkungsverbot, so daß auch unterschiedslos wirkende Beschränkungen der Freizügigkeit an Art. 48 EGV zu messen sind. Allerdings gilt dieses Verbot in Anlehnung an die "Keck"-Rechtsprechung des EuGH nur für solche Regelungen, die zumindest den Zugang zu dem Arbeitsmarkt in einem anderen Mitgliedstaat beschränken. Es gilt hingegen nicht für Regelungen, die allein die Ausiibungsmodalitäten der Arbeitnehmertätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat betreffen. Transferentschädigungssysteme, d.h. Systeme, die den grenzüberschreitenden Vereinswechsel eines Lizenzspielers von einer Geldzahlung durch den aufnehmenden Verein abhängig machen, führen zu einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und bedürfen daher einer Rechtfertigung. Eine die Freizügigkeit beschränkende Regelung eines Sportverbandes ist dann gerechtfertigt, wenn sie den Schutz der Interessen des Sports dient und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Transferentschädigungssysteme dienen der Nachwuchsförderung sowie dem Erhalt des sportlichen und finanziellen Gleichgewichts zwischen den Vereinen, und sie sind auch erforderlich, um die Wahrung dieser Grundinteressen des Sports sicherzustellen. Ein System, das den aufnehmenden Verein im Falle eines Spielerwechsels dazu verpflichtet, an den abgebenden Verein eine angemessene Transferentschädigung zu zahlen, ist insofern - entgegen der Auffassung des EuGH - mit dem Recht auf Freizügigkeit aus Art. 48 EGV vereinbar. Gleiches gilt für die Vereinbarkeit mit Art. 85 EGV, Art. 12 Abs. 1 GG ("Berufsfreiheit") und 2 Abs. 1 GG ("Allgemeine Handlungsfreiheit").

Viertes Kapitel

Die Beschränkung der Lizenzspielertätigkeit durch die Sportgerichtsbarkeit des DFB Abschließend sollen nunmehr die wesentlichen Rechtsprobleme um die Sportgerichtsbarkeit des DFB behandelt werden. Eine Thematik, in der die Interessengegensätze so prägend sind wie nirgendwo sonst im Bereich des Sportrechts. Auf der einen Seite steht dort der Monopolverband DFB, der sich zur Wahrung und Durchsetzung seiner Interessen eine eigene komplexe Sportgerichtsbarkeit geschaffen hat, und dem offensichtlich daran gelegen ist, diesen Bereich weitgehend frei von staatlicher, d.h. gerichtlicher, Einflußnahme zu halten). Auf der anderen Seite befindet sich der Lizenzspieler, dessen Interesse natürlich in die entgegengesetzte Richtung geht, denn ihm wäre zumindest bei vordergIiindiger Betrachtung - am meisten gedient, wenn er sich unter Berufung auf seine Grundrechte und notfalls durch Anrufung der staatlichen Gerichte möglichst uneingeschränkt vor einer unkontrollierten Machtentfaltung des überlegenen Verbandes schützen könnte. Konflikte sind also vorprogrammiert, und deren Lösung erscheint gerade in Zeiten einer zunehmenden Kommerzialisierung des Sports dringend geboten, denn hier geht es um die Legitimation von Entscheidungen, die weitreichende Folgen für die berufliche und wirtschaftliche Existenz der Lizenzspieler haben können.

I. Die inhaltliche Ausgestaltung der DFB-Sportgerichtsbarkeit Die "Sportgerichtsbarkeit" des DFB ist zweistufig aufgebaut. Sie wird gebildet durch das sogenannte "Sportgericht"2 sowie durch das DFB"Bun~esgericht"3. Unterstützt wird die Tätigkeit dieser beiden "Rechtsorgane" des DFB durch einen "Kontrollausschuß"4, dem die Funktion einer verbandsinternen Anklagebehörde zukommt. 1 Vgl.

Vollkommer,RdA 1982, 1; Deutsch, VersR 1990,2. § 41 DFB-Satzung. § 40 DFB-Satzung. 4 § 51 DFB-Satzung.

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4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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Sowohl das Sport- als auch das Bundesgericht sind mit je einem Vorsitzenden und acht (ständigen) Beisitzern besetzt, von denen einer zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wird. Sport- und Bundesgericht sind in einer Mindestbesetzung von drei Mitgliedern beschlußfähig, doch soll in der Regel in Besetzung von fünf Mitgliedern entschieden werden5 . In Verfahren gegen Lizenzspieler wirkt ein Lizenzspieler als Beisitzer mit. 6 Die DFBGerichte sind unabhängig. 7 Ihre Mitglieder sind nur dem geschriebenen und ungeschriebenen Recht des Sports sowie ihrem Gewissen unterworfen. 8 Sie nehmen ihre Aufgaben nach den Bestimmungen der Satzung, den Ordnungen des DFB und der vom DFB geschlossenen Verträge wahr. 9 Als Rechtsgrundlage für ihre Tätigkeit dient, neben der "DFB-Satzung", vor allem die "Rechts- und Verfahrensordnung" sowie das "Lizenzspielerstatut". Der Rechtsweg zur DFB-Sportgerichtsbarkeit wird über § 42 der DFBSatzung eröffnet. Nach dieser Generalklausel haben die DFB-Gerichte Verstöße gegen das DFB-Recht zu bestrafen und über (sämtliche) Streitigkeiten nach dem DFB-Recht zu entscheiden, soweit die Entscheidung nicht ausdrücklich einem anderen Organ vorbehalten ist. Die DFB-Gerichte übernehmen damit eine Vielzahl von Aufgaben. Sie fungieren als KompetenzgerichtsMfe, soweit sie die Zuständigkeiten von DFB-Organen verbindlich festlegen; sie übernehmen die Aufgabe von Verwaltungsgerichten, soweit sie die DFB-Verwaltung kontrollieren; sie sind Streitgerichte, soweit sie verbandsinterne Mitgliederstreitigkeiten entscheiden; und schließlich fungieren sie vor allem auch als Strafgerichte, soweit sie in Ausübung der Verbandsstrafgewalt des DFB Strafen verhängen. 1O In ihrer zuletzt genannten Funktion als Verbandsstrafgerichte - und allein diese ist für dieses Kapitel von Bedeutung haben die Sportgerichte die vornehmliche Aufgabe, für "Ordnung, Recht und Sauberkeit im Fußballsport" zu sorgen und "sportliche Vergehen, d.h. alle Formen unsportlichen Verhaltens" zu ahnden.!! Zur Durchsetzung dieser Aufgaben stellt die DFB-Satzung den Sportgerichten einen umfangreichen Sanktionskatalog zur Verfügung. Folgende Strafen können gemäß § 45 DFB-Satzung gegen Lizenzspieler verhängt werden: a) Verwarnung b) Verweis § 40 Nr. 1 DFB-Satzung. § 39 Nr. 3 DFB-Satzung. 7 § 2 Nr. 2 D. 1 RuVO. 8 § 2 Nr. 2 S. 2 RuVO. 9 § 39 Nr. 1 Hs. 2 DFB-Satzung. 10 Vol/kommer, RdA 1982,16 (18). II § 2 i.V.m. § 1 Nr. 2 RuVO.

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204

Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

c) Geldbuße ..... f) Sperre auf Zeit oder Dauer

g) Ausschluß auf Zeit oder Dauer h) Ausschluß von der Benutzung von Einrichtungen des DFB einschließlich Lizenzentzug k) Platzsperre Die Häufung von Strafen ist zulässig; zusätzlich können "erzieherische Maßnahmen" z.B. in der Fonn von Auflagen und Bußen verhängt werden12, und schließlich können die Sportgerichte auf der Grundlage des Lizenzvertrages zudem auch Vertragsstrafen gegen die Lizenzspieler festsetzen. 13 In verfahrensrechtlicher Hinsicht bedarf es zunächst einer schriftlichen Anklage bzw. Anrufung des Sportgerichts durch den Kontrollausschuß. 14 Das anschließende öffentliche l5 Verfahren verläuft im wesentlichen nach Maßgabe der §§ 7 ff. RuVO mit der Möglichkeit einer Richterablehnung wegen Befangenheitl6 dem Recht der Beteiligten zur Zuziehung von anwaltlichen Vertretem17 , der Kompetenz des Gerichts zur Verhängung von Ordnungsstrafenl8 und einer Reihe weiterer Gewährleistungen, die aus den staatlichen Verfahrensordnungen bekannt sind. Die Entscheidung des Sportgerichts ergeht grundsätzlich l9 auf Grund mündlicher Verhandlung. 20 Gegen die Urteile des Sportgerichts ist die Berufung zum Bundesgericht zulässig. 21 Berufungsberechtigt sind der Betroffene und der Kontrollausschuß. 22 Es gilt das Verbot der refonnatio in peius. 23 Im übrigen entspricht der Verfahrensablauf dem vor dem Sportgericht. 24 Den rechtskräftigen Entscheidungen des Bundesgerichts kommt im gesamten DFB-Bereich umfassende Bindungswirkung ZU. 25 Verbandsinteme Rechtsbehelfe gegen Berufungsurteile gibt es nicht. 26

§ 45 Nr. 2 DFB-Satzung. Zum Katalog der möglichen Vertragsstrafen siehe § 3 des Lizenzvertrages. 14 Vgl. § 7 RuVO LV.m. § 51 DFB-Satzung. 15 § 10 Nr. 4 RuVO. 16 § 9 RuVO. 17 § 10 Nr. 5 RuVO. 18 § 12 RuVO. 19 Zu der Möglichkeit eines schriftlichen Verfahrens vgl. § 10 Nr. 1 RuVO. 20 § 10 Nr. 1 RuVO. 21 § 15 RuVO. 22 § 51 Nr. 1 Abs. 2 DFB-Satzung, § 17 Ru VO. 23 § 20 RuVO. 24 § 10 Nr. 1 RuVO. 25 § 14 Nr. 1b,d DFB-Satzung. 26 § 21 Nr. 3 RuVO. 12

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4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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Neben der DFB-Sportgerichtsbarkeit sieht die Satzung des DFB schließlich noch ein Schiedsgericht vor,27 das u.a. über "sämtliche Streitigkeit zwischen dem DFB und dem Lizenzspieler entscheidet,,28. Nach § 16 Nr. 2 DFBSatzung darf dieses Schiedsgericht allerdings erst dann angerufen werden, "wenn alle Rechtsorgane und Verwaltungsinstanzen, die nach der Satzung und den Ordnungen des DFB ... zur Klärung und Entscheidung des Streitfalls berufen sind, in der Sache endgültig entschieden haben". Besetzt ist das Schiedsgericht mit drei Schiedsrichtern, von denen mindestens der Vorsitzende die Befähigung zum Richteramt haben muß. 29

11. Die rechtliche ZuUlssigkeit der DFB-Sportgerichtsbarkeit Bei der Überprüfung der Legitimität der DFB-Sportgerichtsbarkeit ist zwischen zwei Fragen zu unterscheiden: Zunächst gilt es zu bestimmen, ob und inwieweit der DFB als privatrechtlicher Verband überhaupt dazu berechtigt ist, ein eigenständiges Strafsystem zu unterhalten; und erst im Anschluß an diese Untersuchung wird zu prüfen sein, ob das System des DFB in seiner konkreten Ausgestaltung den Vorgaben entspricht, die an ein privates Strafsystem zu stellen sind. 1. Die generelle Zulässigkeit privater Strafgewalten In Rechtsprechunio und Litera~l besteht weitestgehend Einigkeit darüber, daß privatrechtliche Vereine bzw. Verbände bei Verletzung ihrer Statuten grundsätzlich zur Verhängung von Sanktionen berechtigt sind. Im Ergebnis muß dies auch so sein, denn jeder Verein muß von seinen Mitgliedern ein bestimmtes Verhalten fordern können, um ein sinnvolles Zusammenwirken und eine erfolgreiche Zweckverwirklichung zu ermöglichen32 . Schließlich bliebe etwa das Gebot sportlichen Verhaltens in der heutigen Zeit de facto wirkungslos, wenn es keine das Gebot schützenden Sanktionen gäbe. 33 Dennoch sind vereinzelt Bedenken gegen die Sanktionsgewalt der Verbände geäußert worden. Diese Einwände gilt es nachfolgend zu diskutieren. 27 Vgl. § 16 DFB-Satzllllg. 28 § 1 Nr. 1 des Schiedsgerichtsvertrages. 29 Vgl. § 16 Nr. 2 DFB-Satzllllg.

BGHZ 29,352 (355); vgl. auch BGHZ 28,131 (133). Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 53 tT; Soergel-Hadding, § 25 Rn. 38; Staudinger-Weick, Vorbem. zu §§ 21 fIRn. 35 tT; H.P. Westermann, S. 30 fI; Baecker, S 83 tT. 32 Vgl. Baecker, S. 83. 33 Ostho.fJ, S. 179. 30

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

a) Die Kritik Flumes

Grundsätzlich gegen eine Befugnis der Vereine, im Namen der Vereinsgewalt zu strafen, hat sich allein Flume ausgesprochen. Da die Vereinstrafgewalt auf Unterwerfung beruhe, könne dem Verein lediglich eine Ordnungsstrafgewalt zuerkannt werden, während eine Disziplinarkompetenz, wie sie sich in Vermögens- oder gar Ehrenstrafen niederschlage, schlechthin abzulehnen sei. 34 Zur Begründung seiner These fUhrt Flume an, daß die den Vereinen in § 25 BGB eingeräumte Satzungsgewalt zwar die Vereinsverwaltung, nicht aber Strafsanktionen zulasse, denn derartige Strafen dienten generell nur der sozialen Herabwürdigung des betroffenen Mitgliedes und hätten daher mit den eigentlichen Vereinsangelegenheiten nichts zu tun. 35 Da unser Recht es nicht gestatte, durch Rechtsgeschäft einem anderen die Verfügung über die eigene Ehre zu überlassen, seien die Vereine nicht berechtigt, durch herabwürdigende Strafen über die Ehre ihrer Mitglieder zu verfügen36 . Im übrigen seien Geldstrafen auch deshalb unzulässig, weil der Verein keine unmittelbare Gewalt über das Vermögen seiner Mitglieder habe. 37 Als Handlungsinstrumente zur Durchsetzung seiner Interessen stünden dem Verein insofern allein die Vertragsstrafe des BGB sowie die werturteilsfreie Kündigung aus wichtigem Grund zur Verfügung.38 In der Literatur sind Flumes Thesen ganz überwiegend auf erhebliche Kritik gestoßen,39 und in Anbetracht der soziologischen Gegebenheiten erscheint diese Kritik auch durchaus berechtigt. So ist es in der Tat nicht einzusehen, inwieweit die von Flume befiirwortete Kündigung als Reaktion auf einen schwerwiegenden Verstoß weniger herabwürdigend sein soll als ein Vereinsausschluß. Im Ergebnis steht der Betroffene in beiden Fällen vor Situation, nicht mehr am Vereinsleben teilnehmen zu können, und der Zusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die Vereinsinteressen und der entsprechenden Reaktion durch den Verein ist auch dann für alle Beteiligten offensichtlich, wenn sie in der Form einer Kündigung anstelle eines Ausschlusses erfolgt.40 Entsprechendes gilt für die Reaktionen im finanziellen Bereich. Immer werden die Betroffenen und die übrigen Beteiligten eine Geldstrafe als eine Reaktion zur Kenntnis nehmen, die ein gewisses Unwerturteil enthält, und insofern ist es aus der Sicht des vermeintlich zu schützenden Betroffenen vollkommen irrelevant, ob die Reaktion des VerDie Vereinsstrafe, Festschrift für Bötticher, S. 101 fI. Flume, S. 119 f, 36 Flume, S. 124. 37 Flume, S. 128. 38 Flume, S. 129. 39 Vgl. Weiland, S. 127 f; Baecker, S. 84 f; H.P. Westermann, S. 39 fI; Preis, S. 94 f. 40 Weiland, S. 129; H.P. Westermann, S. 43; Bötticher, ZfA 1970,48 f.

34 Flume,

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4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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eins als Vertragsstrafe, als Geldbuße oder wie auch immer bezeichnet wird. 41 Der von Flume für unzulässig gehaltene Eingriff in die Ehre des Betroffenen wird nach alledem also immer unvermeidbar bleiben, wenn man nicht den Verein seiner überlebensnotwendigen Selbstregulierungsinstrumente berauben möchte, und insofern ist mit der ganz h. M in der sportrechtlichen Literatur42 davon auszugehen, daß zumindest die von Flume vorgetragenen Argumente nicht dazu geeignet sind, die Strafgewalt des DFB in Frage zu stellen.

b) Verfassungsrechtliche Bedenken Weiterhin sind verschiedentlich auch aus verfassungsrechtlicher Sicht Bedenken gegen die Zulässigkeit einer privaten Strafgewalt - namentlich der DFB-Strafgewalt - geäußert worden. 43 Eine "vorsichtige Fortbildung des Art. 92 GG" gebiete es - so die vieldiskutierte Auffassung H.P. Westermanns - "in bezug auf schwerwiegende Eingriffe in private Interessen ein staatliches Rechtsprechungsmonopol anzuerkennen und eine private Gerichtsbarkeit für unzulässig zu halten,,44. Konkret schlägt Westermann dazu vor, in Anlehnung an die im Verwaltungsrecht für das "Besondere Gewaltverhältnis" entwickelten Grundsätze zwischen Strafen, die das Betriebsverhältnis betreffen, und denen, die das Grundverhältnis betreffen, zu unterscheiden. Während die Sportgerichte zu Sanktionen im Bereich des Betriebsverhältnisses ausreichend legitimiert sein sollen, sollen Maßnahmen wie der Lizenzentzug auf Dauer, die Westermann als schwerwiegende Eingriffe in das Grundverhältnis qualifiziert, aus dem Tätigkeitsbereich der Sportgerichte herausgenommen werden. 45 Wie Westermann46 selber einräumt, steht dieses Auffassung im Widerspruch zur traditionellen Auslegung des Art. 92 GG, wonach eine gerichtsförmige Rechtsausübung durch Private nicht in das Rechtsprechungsmonopol der staatlichen Richter eingreift47 , und insofern verwundert es auch nicht, daß Westermanns Vorstoß in der Literatur überwiegend auf entschiedene Ablehnung gestoßen ist48 • Die erste Frage, die in diesem Zusammenhang regelmäßig gestellt wird, geht dahin, ob Art. 92 GG überhaupt in irgendeiner Form im privaten Bereich aktualisiert werden kann. Die Norm selbst gibt auf diese Frage keine befriediWeiland, S. 128. Preis, S. 94 f; Weiland, S. 127 tT; H.P. Westermann, S. 39 tT. 43 Vgl. Burmeister, DOv 1978, 1 (7); H.P. Westermann, S. 56f 44 H.P. Westermann, S. 77. 4S Vgl. H.P. Westermann, S. 77. 46 H.P. Westermann, S. 56 f. 47 Vgl. etwa Amdt, NJW 1965,27; Baur, JZ 1965,163 tT. 48 So bei Weiland, S. 130 tT.; Osthoff, S. 189 f; Baecker, S. 85 f

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

gende Antwort, denn dort heißt es lediglich: "Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut", und so streitet man sich darüber, ob Art. 92 GG als bloße organisatorische Abgrenzung zur Tätigkeit der Verwaltung zu verstehen ist, oder ob die Norm nicht doch einen Rechtsprechungsvorbehalt zugunsten der staatlichen Gerichte enthält49. Wie bereits angedeutet worden ist, wird aus dem Art. 92 GG mehrheitlich eine einseitig gegen den Staat gerichtete Aussage abgeleitet50, mit der konsequenten Folge, daß die Strafgewalt einer privaten Vereinigung wie dem DFB von dieser Norm überhaupt nicht erfaßt wird. Eine gegenteilige Schlußfolgerung ergibt sich allerdings, wenn man der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung folgt und - wie auch Westermann es getan hatauf den "quasihoheitlichen Charakter"SI der privaten Verbandsmacht abstellt. In diesem Fall nämlich ist die Anwendbarkeit des Art 92 GG jedenfalls nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sich diese Norm nach der eingangs dargestellten Mehrheitsmeinung einseitig gegen Einrichtungen richtet, die mit hoheitlicher Macht ausgestattet bzw. dem öffentlichen Recht unterstellt sind. Im Ergebnis bedeutet dies allerdings nicht, daß Westermanns Bedenken gegen die Zulässigkeit des DFB-Strafsystems zwangsläufig zu teilen wären, denn eine Kollision mit dem Rechtsprechungsmonopol der Richter könnte es auch nach dem soeben Gesagten nur dann geben, wenn die DFB-Rechtsorgane auch "rechtsprechend" im Sinne des Art. 92 GG tätig wären. Problematisch dabei ist, daß Art. 92 GG die "rechtsprechende Gewalt" nicht näher definiert, was bekanntlich zu einem ausgedehnten Streit um diesen Begriff geführt hat52 . Schon eine ausfiihrliche Darstellung - geschweige denn eine abschließende Diskussion - dieses Theorienstreits würde den Rahmen dieser Arbeit zweifellos sprengen, und so muß es erlaubt sein, gezielt allein auf einen Teilaspekt des Gesamtproblems einzugehen, der im Rahmen der hier zu führenden Diskussion von Bedeutung ist. Bei einer Betrachtung der verschiedenen Definitionsversuche läßt sich nämlich feststellen, daß nahezu einhellig die Neutralität des fraglich Organs gefordert wird53 . In Abgrenzung zur Gesetzgebung und insbesondere zur Verwaltung liegt Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG demnach nur dort vor, wo Streitentscheidungen durch ein "sachlich unabhängiges Organ" getroffen werden. Das hat auch das BVerfG mehrfach beStätigt54. Bei den Rechtsorganen eines (Sport)verbandes fehlt es aber nun gerade an dieser Eigenschaft, denn die Verbandsrechtsprechung ist eben nicht neutral, nicht unabhängig. 49 Siehe dazu etwaStober, NJW 1979,2001 (2005). so So etwa Baecker, S. 85 f., Weiland, S. 130 ff.; Osthoff, S. 189. 51 Vgl. H.P. Westennann, S. 58. 52 Vgl. ausführlich Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 87 ff. 53 Vgl. etwa Gossrau, NJW 1958, 931; Bachof, ZZP 1952 (65),4; OVG MÜllster AS 5, 84 (89); weitere Nachweise bei Dütz, S. 89. 54 BVerfGE 18,241 (255);21, 139(145);26186(198).

4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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Sie wird vielmehr durch ein Vereinsorgan55 ausgeübt, das in Vertretung der Vereinsinteressen und damit als Partei tätig wird56• Die Verbandsrechtsprechung ist mithin schlicht als verbandsbezogene Verwaltungstätigkeit zu qualifizieren. 57 Die Verbandsrechtsprechung ist somit also keine Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG. Eine Kollision mit dem dort verankerten Richtermonopol scheidet folglich aus. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß der DFB bei Verletzung seiner Statuten grundsätzlich zur Verhängung von Sanktionen gegenüber dem Lizenzspieler berechtigt ist. 2. Die Zulässigkeit des DFB-Sportstrafrechts Da das soeben gefundene Ergebnis dem DFB selbstverständlich keinen Freibrief geben kann, bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen der Lizenzspieler nach freiem Ermessen zu sanktionieren, stellt sich nunmehr die Frage, welche rechtsstaatlichen Anforderungen an das Verbandsstrafverfahren zu stellen sind, und ob das Strafsystem des DFB diesen gerecht wird. In formeller Hinsicht, in der die Beachtung der allgemeinen Grundsätze für ein faires Verfahren zu fordern ist58 , läßt sich auf eine umfassende Prüfung verzichten, denn das in den §§ 8 ff RuVO geregelte öffentliche Verfahren vor dem DFBSportgericht, das selbst Gewährleistungen wie die Möglichkeit der Richterablehnung wegen Befangenheit kenne 9 , bietet keinerlei Anlaß zu Zweifeln aus rechtsstaatlicher Sicht. 60 In materieller Hinsicht ist dagegen fraglich, ob das Strafsystem des DFB mit höherrangigem Recht im Einklang steht. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der DFB-Strafvorschriften bestehen sowohl im Hinblick auf deren Tatbestände, wobei es darum geht, welches Verhalten unter Strafe gestellt wird, als auch im Hinblick auf die angeordnete Rechtsfolgen, wo Art und Höhe der Sanktionen zu diskutieren sind. a) Die Unrechtstatbestände im DFB-Strafrecht Bei der Überprüfung der DFB-Strafnormen stellt sich zunächst die Frage, welche Anforderungen überhaupt an die Zulässigkeit eines Straftatbestandes des Sportstrafrechts zu stellen sind. Vgl. § 18 Nr. llit. g) DFB-Satzung. Weiland, S. 133. Baecker, S. 86; Becker, S. 167; Meyer-Cording, NJW 1976,225 (227); ähnlich Weiland, S. 136. 58 Ausführlicher dazu Weiland, S. 136 ff. 59 Vgl. § 9 RuVO. 60 So im Ergebnis auch Weiland, S. 138. 55

56 57

14 Plath

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Als erste Grundregel läßt sich dazu festzuhalten, daß für die Verhängung von Sportstrafen eine entsprechende Rechtsgrundlage vorhanden sein muß, d.h. Tatbestand und Rechtsfolge müssen explizit in den Verbandsstatuten niedergelegt sein. Der Grundsatz "nulla poena sine lege" gilt also auch hier61 • Eine entsprechende Ermächtigung zur Verhängung verschiedener Strafen findet sich in § 45 der DFB-Satzung. Unter welchen Voraussetzungen diese Strafen verhängt werden dürfen ergibt sich weiter aus § 1 Nr. 2 der RuVO des DFB, in dem angeordnet wird, daß alle Formen unsportlichen Verhaltens durch den DFB geahndet werden. Wie zu erwarten war, bestehen insofern also keine rechtlichen Bedenken, soweit es um die bloße Existenz der erforderlichen Rechtsgrundlagen geht. Es bleibt jedoch zu prüfen, ob diese auch in inhaltlicher Hinsicht zulässig sind. Nach dem soeben erwähnten Grundsatz "nulla poena sine lege" ist die Verhängung von Sportstrafen nur zulässig, wenn rur den Spieler auch ersichtlich ist, welches Verhalten unter Strafe gestellt wird. Damit fragt sich zum einen, welches Verhalten der Verband überhaupt unter Strafe stellen darf, und weiter ist dann fraglich, wie bestimmt eine Norm sein muß, um als zulässige Rechtsgrundlage rur die Verhängung von Sportstrafen dienen zu können. Eine Antwort auf die erste dieser Fragen ergibt sich aus der Feststellung,

daß ein Eingriff in die Rechte der Spieler nur dann gerechtfertigt sein kann,

wenn mit der entsprechenden Maßnahme die Förderung des Fußballsports bezweckt werden soll. Konkret übertragen auf den Bereich des Sportstrafrechts bedeutet dies, daß der DFB grundsätzlich nur solche Verhal~ensweisen unter Strafe stellen darf, die dieser Zielsetzung zuwiderlaufen. 62 Bedenkenlos zulässig ist es daher, etwa die Begehung eines Foulspiels auf dem Fußballplatz unter Strafe zu stellen. Hingegen ist eine Sanktionierung von unliebsamen Verhaltensweisen, die die Spieler in ihrem Privatleben an den Tag legen, ebensowenig Sache des DFB wie die allgemeine Erziehung der ihm angeschlossenen Lizenzfußballer63 . Äußerst fragwürdig war aus diesem Grunde die Zulässigkeit einer Regelung des DFB-Strafrechts64 , die den Entzug der Spielerlizenz bei Verlust des "guten Leumunds sowohl im bürgerlichen als auch im sportlichen Leben" ermöglichte65 . Diese Bestimmung ist jedoch bereits vor langer Zeit ersatzlos aus den DFB-Statuten gestrichen worden, und insofern ergeben sich derzeit keine diesbezüglichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Unrechtstatbestände des DFB-Rechts, denn schon aus der Grundnorm des Baecker, S. 88; Weiland, S. 143, m.w.N. Nach allgemeiner Ansicht sind Strafvorschriften nur insoweit zulässig, als sie zur Verwirklichung der Vereinszwecke dienen. Vgl. Baecker, S. 89; Weiland, S. 145; van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, S. 187. 63 Vgl. Weiland, S. 145. 64 Vgl. § 13 Ziff. 2 i.V.m. § l2lit. c des Lizenzspielerstatuts. 65 Kritisch z.B. Baecker, S. 89. 61

62

4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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§ 1 Nr. 2 RuVa ergibt sich, daß allein "sportliche Vergehen"66 unter Strafe gestellt sind. Bestraft wird also "unsportliches Verhalten,,67. Eine Formulierung, die als vorbildlich bezeichnet werden kann, soweit es um die Zielsetzung des DFBStrafrechts geht, die jedoch unter dem Aspekt der Bestimmtheit Anlaß zu starker Kritik geben muß. Konkret geht es dabei um das Problem, daß der DFB - wie auch sonst im Verbandsrecht üblich - weitgehend davon abgesehen hat, die Unrechtstatbestände seines Strafsystems zu konkretisieren. Zwar findet sich in § 5 Ruva ein Katalog von strafbedrohten Tatbeständen, der offensichtlich der Konkretisierung der Grundregel des § 1 Nr. 2 RuVO dienen soll, doch findet sich auch in diesem Katalog etwa die Norm des § 5 Nr. 1 lit. a), nach der "unsportliches Verhalten während des Spiels" mit "Sperre bis zu acht Wochen" bedroht ist. Eine Definition dessen, was als "unsportliches Verhalten" zu bewerten ist, enthalten die DFB-Statuten nicht, und daß es über diese Frage durchaus unterschiedliche Meinungen geben kann, zeigt sich z.B. immer wieder bei der Bewertung sogenannter "Schwalben" oder "taktischer Fouls,,68, die von manchen als "unsportlich", von anderer Seite hingegen als "profihaft" und "clever" dargestellt werden. Fragt man sich also, ob eine derart weit gefaßte Norm den Anforderungen an die Bestimmtheit genügen kann, so gilt es sich zunächst vor Augen zu führen, welch gravierende Folgen mit einer Sperre von bis zu acht Wochen verbunden sind. Während eines solchen Zeitraumes versäumt der Spieler nicht selten mehr als zehn Pflichtspiele seines Vereins. Dem Spieler entgehen dadurch Prämien, die sich leicht im sechsstelligen Bereich bewegen können; er verliert entscheidend an Wettkampfpraxis und letztlich die Möglichkeit, sich für einen neuen Vertrag bzw. einen neuen Arbeitgeber zu empfehlen. In einem Extremfall hat die Verhängung einer mehrwöchigen Sperre sogar zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Verein des gesperrten Spielers gefiihrt. 69 In der Literatur ist die mangelnde Bestimmtheit vereinsrechtlicher Verbotstatbestände zwar häufig thematisiert worden, jedoch hat man sich letztlich HervorhebWlg durch den Verfasser. Siehe § 1 Nr. 2 RuVO. 68 Von einem "taktischen Foul" spricht man, wenn ein Spieler seinen Gegner vorsätzlich zu Fall bringt, um einen gefiilirlichen Vorstoß gegen das eigene Tor zu Wlterbinden, wobei er dabei den zu verhängenden Freistoß gegen die eigene Mannschaft billifend in Kauf nimmt. 6 So geschehen im Falle des Brasilianers Junior Bajano, bei dem eine Sperre von acht Wochen dazu geführt hat, daß sich sein Verein SV Werder Bremen von dem nicht mehr spielberechtigten Verteidiger trennte, obwohl man mit den LeistWlgen des Spielers grillldsätzlich sehr zufrieden war. 66

67

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

nahezu einhellig fiir die Unbedenklichkeit der generalklauselartig fonnulierten Verbotsnonnen ausgesprochen. 70 Zur Begrundung dieser Auffassung findet sich einerseits der eher pragmatische Ansatz, mit dem Argument, daß es nicht möglich sei, alle denkbaren Verstöße konkret aufzuführen7!, und zum anderen findet sich vor allem auch der dogmatische Ansatz, bei dem auf die vorhandene Parallele zum öffentlichen Recht verwiesen wird. Diese Parallele, auf die in dieser Arbeit bereits mehrfach eingegangen worden ist, wird im Zusammenhang mit der Bestimmtheitsproblematik von einer Vielzahl von Autoren erkannt und aufgegriffen. Zu Recht wird argumentiert, daß der Einzelne im Vereinswesen ebenso in eine Gruppe eingebettet werde, wie es im Schul-, Beamten- und Soldatenwesen - also den sogenannten "besonderen Gewaltverhältnissen" - der Fall sein. Gerade die Parallele zum Beamtenrecht erweist sich als besonders passend, denn wie der Lizenzspieler unterwirft sich auch der Beamte freiwillig einer Gruppenordnung und damit verbunden einer Disziplinargewalt, der er sich nur durch Austritt, d.h. durch Berufswechsel entziehen kann. 73 Zieht man also die Parallele zum Beamtenrecht, so fallt auf, daß sich auch dort kaum detaillierte Regelungen finden. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 BRRG begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Einen mit § 5 RuVO vergleichbaren Pflichtenkatalog bietet das Beamtenrecht nicht. Vielmehr spricht etwa § 35 Abs. 1 S. 2 BRRG allein von der Pflicht des Beamten, "seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfiillen", und nach § 36 S. 2 BRRG muß sein Verhalten "der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert". Verfassungsrechtlich sind diese Regelungen durch das BVerfG für unbedenklich erklärt worden,74 und da man kaum weitreichendere Anforderungen an die Bestimmtheit der DFB-Strafnonnen stellen kann, als es bei öffentlichen Körperschaften üblich ist, kommt man - trotz der eingangs aufgezeigten Bedenken - nicht umhin, die DFB-Strafnonnen fiir ausreichend bestimmt zu erklären. Abschließend sei allerdings bemerkt, daß der Rechtssicherheit und somit dem Interesse aller Beteiligten erheblich gedient wäre, wenn sich der DFB zukünftig um eine stärkere Konturierung seiner Unrechtstatbestände bemühen würde. Daß dies durchaus möglich ist, beweist die Regelung des § 5 Nr. 1 lit. b) RuVO, die "rohes Spiel gegen den Gegner" mit

70 So etwa van Look. S. 185; Baecker, S. 87 fT.; Schlosser, S. 58 f.; Weiland, S. 145;

a.A. Burmeister, DöV 1978,1 (9).

Vgl. Baecker, S. 90. Vgl. Weiland, S. 146; Baecker, S. 90; Schlosser, S. 59. 73 Baecker, S. 90; Weiland, S. 147. 74 BVerfGE 26, 186 (204); 28,36 (46).

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4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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einer Sperre von vier Wochen bedroht und in einem zweiten Halbsatz eine gut greifbare "Legaldefinition" des "rohen Spiels" bietet. 75 b) Die Rechtsfolgen im DFB-Strafrecht

Nachdem soeben festgestellt worden ist, daß die Verhängung von DFBSportstrafen auf der Grundlage der diskutierten Tatbestände des DFB-Strafrechts zulässig ist, gilt es nunmehr die Zulässigkeit der angedrohten Rechtsfolgen, d.h. der möglichen Strafmaßnahmen, zu überprüfen. Geregelt sind diese in § 45 der DFB-Satzung. Bei einer Betrachtung des dort statuierten Strafenkatalogs fällt zunächst auf, daß die verschiedenen Strafmaßnahmen nicht an bestimmte Tatbestände gekoppelt sind. Ein Spieler, der ein "sportliches Vergehen" im Sinne des § 1 Nr. 2 RuVO begeht, muß also damit rechnen, daß alternativ oder ggf. sogar kumulativ76 die unterschiedlichsten Strafarten gegen ihn verhängt werden. Es stellt sich damit auch an dieser Stelle die Frage nach der ausreichenden Bestimmtheit der Regelung. Diese wäre sicherlich zu verneinen bei einer Regelung, die überhaupt keine Konkretisierung der möglichen Strafarten enthält. 77 In diesem Fall jedoch wird dem Spieler eindeutig vor Augen geführt, welche Sanktionen in Betracht kommen. Begeht er also einen Verstoß gegen das DFB-Recht, so weiß er, mit welchen Sanktionen er zu rechnen hat, und er weiß auch, daß andere als die angedrohten Strafen nicht gegen ihn verhängt werden können. Im übrigen gilt es darauf hinzuweisen, daß eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Strafarten, nämlich die zwischen Geld- und Freiheitsstrafen, auch aus dem staatlichen Strafrecht bekannt ises, obwohl dort erhöhte Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen sind (Art. 103 Abs. 2 GG). Eine entsprechende Ausgestaltung des Sportstrafrechts kann insofern nicht beanstandet werden. 79 Der Weg ist damit frei, für eine inhaltliche Überprüfung der einzelnen Strafarten. Dabei ist zunächst festzustellen, daß die verschiedenen Sanktionen durchaus entsprechend der zwingenden Maßgabe ausgestaltet worden sind, nur solche Strafen zu statuieren, die zum Schutz und zum Wohle des Fußballsports erforderlich sind. Einschränkend bleibt allein anzumerken, das der Begriff der "erzieherischen Maßnahmen", die nach § 1 Nr. 2 RuVO gegen die Spieler verhängt werden können, entsprechend vorgabenkonform auszulegen ist. Die danach zulässigen "Auflagen und Bußen" dürfen also nur solche sein, 75 § 5 Nr. I lit. b): ,,roh spielt, wer rücksichtslos im Kampf um den Ball den Gegner verletzt oder gefährdet." 76 Vgl. § 45 Nr. 2 DFB-Satzung. 77 Vgl. Weiland, S. 220 Fn. 60. 78 Vgl. § 41 StGB. 79 So auch Weiland, S. 219 fI.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

die auf die sportliche Erziehung des Spielers abzielen, denn Eingriffe zum Zwecke der allgemeinen Erziehung des Spielers sind dem DFB, wie gezeigt, nicht erlaubt. Weiter stellt sich dann die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der angedrohten Strafen, denn schließlich sind diese als Eingriffe in die Berufsfreiheit der Spieler an Art. 12 GG zu messen. Zu bedenken gilt es dabei, daß es an dieser Stelle nicht um eine Nachprüfung einzelner StrafJestsetzungen durch die DFB-Gerichte, sondern allein um eine abstrakte Kontrolle der satzungsmäßigen Strafandrohungen geht. Anlaß zu rechtlichen Bedenken geben dabei zwei Regelungen des DFBStrafenkatalogs. Zum einen ist dies die Regelung des § 45 lit. c) DFB-Satzung, nach dem die Verhängung einer "Geldstrafe" für zulässig erklärt wird, ohne daß dabei eine Höchstgrenze geregelt wäre, und zum anderen geht es um die Regelung des § 45 lit. f) DFB-Satzung, der zur Folge ein Spieler "auf Zeit oder auf Dauer" gesperrt werden kann. Die Thematik höhenmäßig unbegrenzter Geldstrafen ist in Rechtsprechung und Literatur bereits kontrovers diskutiert worden. 8o Den Kritikern derartiger Regelungen ist zuzugeben, daß die Betroffenen vor unangemessen hohen Geldstrafen geschützt werden müssen. Jedoch läßt sich dieser Schutz auch durch eine entsprechende Kontrolle der konkreten Entscheide der DFBGerichte sicherstellen, ohne daß es dazu einer bereits satzungsmäßig festgelegten Begrenzung der Strafhöhe nach oben bedürfte81 • Eine solche hätte nämlich den Nachteil, daß es aufgrund der Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen nur schwer möglich wäre, überhaupt eine angemessene Obergrenze festzusetzen. Insofern ist mit dem BGH82 auf das formale Erfordernis einer höhenmäßigen Beschränkung der Strafandrohung zu verzichten. Die Regelung des § 45 lit. c) DFB-Satzung ist somit zulässig. Um die Thematik der Obergrenzen geht es letztlich auch bei der zweiten hier zu diskutierenden Regelung, dem § 45 lit. f) DFB-Satzung. Diese Regelung ermächtigt die Sportgerichte des DFB zur Verhängung von Spiel sperren, die einerseits zeitlich begrenzt, andererseits aber auch auf Dauer, d.h. also lebenslang, ausgesprochen werden können. Daß der DFB grundsätzlich dazu berechtigt sein muß, die ihm unterworfenen Spieler mit Spiel sperren zu belegen, steht zu Recht außer Frage83 , denn es liegt durchaus im allgemeinen Interesse des Sportwohls, dem die Spielsperre als Berufsausübungsregelung zu 80 Für die Notwendigkeit einer Obergrenze z.B. Schlosser, S. 103; dagegen z.B. van Look, S. 190. 81 So auch van Look, S. 190. 82 Vgl. BGHZ 21,370 (375). 83 Vgl. etwa Becker, S. 169; OsthojJ, S. 181.

4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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dienen hat, wenn etwa ein Spieler, der "rücksichtslos.... den Gegner verletzt,,84,

für einige Wochen vom Spielgeschehen ausgeschlossen wird. Zudem ist eine

solche Sanktionsmöglichkeit insbesondere auch deshalb notwendig, weil durch sie auch solche Spieler und Vereine erreicht werden können, die sich von einer Geldstrafe kaum beeindrucken lassen würden.

Fraglich bleibt allerdings, ob sich auch die vorgesehenen "Sperren auf Dauer" mit diesen Argumenten rechtfertigten lassen. Wird ein Spieler nämlich dauerhaft gesperrt, so wird ihm die Möglichkeit entzogen, weiterhin den Beruf des Lizenzspielers auszuüben. Eine dauerhafte Spielsperre betrifft mithin nicht mehr die Freiheit der Berufsausübung, sondern bereits die Freiheit der Berufswahl,85 denn zu dieser gehört auch das Recht, den Zeitpunkt der Aufgabe des Berufs frei zu bestimmen86 . Konkret handelt es sich dabei um eine subjektive Berufswahlbeschränkung, da der Spieler durch ein statutenkonformes Verhalten auf die Verhängung der Strafen Einfluß nehmen kann, und insofern müßte die Regelung zum Schutz besonders wichtiger Interessen des DFB geboten sein, um nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG zu verstoßen. Zum Zwecke der somit vorzunehmenden Interessenabwägung bedarf es zunächst der Kenntnis des Tatbestandes, bei dessen Verwirklichung eine lebenslange Spielsperre ausgesprochen werden kann. Aus der Norm selbst ergibt sich dieser nicht, da die dort aufgefiihrten Strafarten bekanntlich nicht an bestimmte Tatbestände gekoppelt sind, und insofern bleibt an dieser Stelle nur der Weg, die Rechtmäßigkeit der Regelung exemplarisch anband eines besonders groben Pflichtverstoßes zu untersuchen. Mit Hinblick auf die Ereignisse des Bundesligaskandals sei dazu als Beispiel das "Verbot der sportlichen Bestechlichkeit" gewählt, gewissermaßen das "Grundgesetz des Sports,,87. Daß die Bestrafung eines derartigen Verhaltens dem Schutz eines besonders wichtigen Interesse des Sports dient, steht wohl außer Frage, denn der Fußball lebt gerade von der Spannung, die aus dem sportlichen Leistungsvergleich hervorgeht. Ginge dieser infolge von Manipulationen verloren, so würde das Interesse der Zuschauer, der Medien und der Sponsoren erlahmen, und der professionelle Fußball müßte letztlich um seine Existenz bangen. Auch die Er/orderlichkeit derart drastischer Strafen, gerade in der Form einer Spielsperre, ist durchaus gegeben. Insbesondere scheiden Geldstrafen als milderes Mittel zur Sanktionierung eines derartigen Verstoßes aus, denn es ist anzunehmen, daß die bestochenen Spieler durch ihren" Geldgeber" freigehalten werden würden.

84 Vgl. § 5 Nr. llit. b) RuVO. 85 So übereinstinunend auch Becker, S. 171; Osthoff, S. 184; Weiland, S. 239; HP.

Westennann, S. 97. 86 Vgl. BVerfGE 7,377 (401). 87 So Alberts JuS 1972, 590 ff.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Fraglich bleibt allerdings, ob auch die Angemessenheit einer lebenslangen Sperre zu bejahen ist. Bei einer dahingehenden Bewertung von Verstoß und Reaktion oolt zunächst auf, daß die angesprochenen Gefahren fiir den Fußballsport, wie etwa das schwindende Zuschauerinteresse, lediglich als mittelbare Folge des unsportlichen Verhaltens des Spielers zu erwarten sind, während die Reaktion darauf, die lebenslange Sperre des Spielers, zu einer unmittelbaren Entziehung seiner grundgesetzlich gewährleisteten Rechte fuhrt. 88 Weiter oolt zugunsten der Spieler ins Gewicht, daß sie in besonderen Maße auf ihren Beruf angewiesen sind. Um im Profigeschäft erfolgreich zu sein, haben sich die Spieler schon sehr früh fiir eine Karriere als Lizenzspieler zu entscheiden. Für eine zweite "bürgerliche" Berufsausbildung bleibt dabei in der Regel keine Zeit. Überhaupt ist die Lebensplanung des Großteils der Lizenzspieler darauf ausgelegt, sich in den wenigen Jahren, die sie im bezahlten Fußball tätig sein können, finanziell abzusichern. Wird ein Spieler nun aber auf Dauer gesperrt, so wird ihm dieses Vorhaben unmöglich gemacht, und anders als es etwa bei allgemein ausgebildeten Kaufleuten der Fall ist, ist es fiir einen Fußballer nicht möglich, eine Anstellung in verwandten Berufszweigen zu finden, da es solche nicht gibt. Die Angemessenheit einer lebenslange Sperre ist danach also stark zu bezweifeln. Eine weitere Stütze findet diese Auffassung in einem erneuten Vergleich zum staatlichen Strafrecht. Auch dieses kennt nämlich die Möglichkeit eines Berufsverbots (vgl. § 70 Abs. 1 StGB). Voraussetzung fiir die Verhängung eines derartigen Verbots ist die Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat, die unter Mißbrauch des Berufs bzw. durch eine grobe Verletzung der mit dem Beruf verbundenen Pflichten begangen worden ist. Inhaltlich gleichen diese Voraussetzungen deutlich denen, die hier in Rede stehen, denn in beiden Fällen wird eine grobe Verletzung der Berufspflicht gefordert, und dennoch ist es den Strafgerichten grundsätzlich89 verwehrt, ein lebenslanges Berufsverbot zu verhängen. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen Regelstrafrahmen von lediglich einem bis zu fiinf Jahren angeordnet und damit deutlich gemacht, welche überragende Bedeutung dem Grundrecht der Berufsfreiheit zuzumessen ist. Wenn sich nun also selbst das Strafrecht mit einem Strafrahmen von bis zu

fiinf Jahren begnügt, so kann es kaum angemessen sein, wenn die DFB-

Gerichte zur Verhängung von lebenslangen Berufsverboten berechtigt sein sollen. Die entsprechende Regelung des § 45 Nr. 1 lit. f) DFB-Satzung ist mithin wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG rechtswidrig und damit unwirksam. 90 Die Ermächtigung zur Verhängung einer zeitlich begrenzten Ähnlich Osthoff, S. 186. Beachte aber § 70 Abs. 1 a.E. StGB. 90 So auch Osthoff, S. 188; Becker, S. 173.

88 89

4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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Sperre ist dagegen wirksam, wobei zu beachten ist, daß auch eine Sperre auf Zeit schnell in ein faktisches Berufsverbot wnschlagen kann. Wird nämlich ein Spieler, dem ohnehin nur wenige Jahre zur Ausübung seines Berufs zu Verfügung stehen, für einen Zeitrawn von mehreren Jahren gesperrt, so verliert er unweigerlich so stark an Kondition und Wettkampfpraxis, daß es ihm unmöglich wird, danach wieder auf höchstem Niveau, d.h. im Bereich der Lizenzligen, Fußball zu spielen. Dementsprechend sind auch zeitliche Sperren sehr sorgfältig auf ihre Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen, jedoch kann dies immer nur im Einzelfall unter Betrachtung der jeweiligen Gesamtsituation geschehen.

III. Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gegen Entscheidungen der Sportgerichtsbarkeit des DFB Wie sich bei der zuletzt diskutierten Frage bereits angedeutet hat, erschöpft sich die Problematik der Sportgerichtsbarkeit nicht in der soeben vollzogenen Inhaltskontrolle der satzungsmäßig angeordneten Strafnormen. Vielmehr geht es darüber hinaus auch darum, inwieweit die Entscheidungen der DFBGerichte, die diese Normen anwenden und auslegen, und die letztlich die konkreten Strafen gegen die Spieler verhängen, einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich sind. Diese Frage soll nachfolgende behandelt werden. 1. Der Umfang der gerichtlichen Kontrollbefugnis a) Der Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung In Rechtsprechung und Literatur besteht bis heute Uneinigkeit über den Umfang der gerichtlichen Prüfungsbefugnis. Dabei geht die Rechtsprechung noch immer von einer sehr begrenzten richterlichen Kontrolle aus. Das Gericht habe nur zu prüfen, "ob die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, ob das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachtet, sonst keine Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist,,91. Die richterliche Nachprüfung der Vereinsstrafen umfaßt danach also folgende Punkte: die hinreichende Grundlage in der Satzung, die Unterwerfung des Betroffenen

91 Zusammenfassend dazu BGHZ 87, 337 (343) unter Berufung auf BGHZ 13, 5; BGHZ 29,352; BGHZ 36, 105.

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

unter die Vereinsgewalt, die Einhaltung des ordnungsgemäßen fairen Verfahrens sowie die Zugrundelegung zutreffender Tatsachen. 92 Dagegen soll die Kontrollbefugnis der Gerichte beschränkt sein bei der Überprüfung der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die Strafbestimmung, bei der Auswahl der zu verhängenden Strafe und bei der Strafzumessung. In dieser Hinsicht fuhren allein ein Gesetz- oder Sittenverstoß93 oder eine offenbare Unbilligkeie4 zu einer korrigierenden Entscheidung des Gerichts. 95 Grundsätzlich bleibt damit festzuhalten, daß die Rechtsprechung den Verbänden einen weiten Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bei der Verhängung ihrer Strafen zubilligt. Gegen diese von der Rechtsprechung befiirwortete Einschränkung der Überprüfbarkeit hat sich das überwiegende Schrifttum gewandt, indem es sich für eine uneingeschränkte gerichtliche Nachprüfbarkeit von Vereinsstrafen ausgesprochen hat96 • Der - zum Teil sogar bestrittene97 - Gegensatz zwischen Vereins- und Privatautonomie, auf dem die Rechtsprechungsansicht basiert, sei nicht geeignet, um eine grundlegende Ungleichbehandlung hinsichtlich des gerichtlichen Rechtsschutzes zu rechtfertigen. 98 Im übrigen sei die Einräumung der geforderten Freiheiten von richterlicher Kontrolle weder durch praktische Notwendigkeiten gefordert99 , noch fuhre die Anerkennung der Vereinsautonomie zwingend zur Unüberprüfbarkeit der Vereinsstrafen. 1oo Mit Hinblick auf die zunehmende Macht der Verbände sei mithin von einer umfassenden Prüfungsbefugnis der Gerichte auszugehen. Zu einer ähnlich weitreichenden Auffassung gelangen schließlich auch jene Autoren, die die Privatautonomie als alleinige Grundlage der Befugnis zur rechtlichen Regelung im Bereich des Zivilrechts begreifen und folgerichtig die Vereinstrafen generell als Vertragsstrafen verstehenlOI , ebenso wie die Autoren, die zwar die Vereinsautonomie grundsätzlich anerkennen, die jedoch eine vereinsrechtliche Anbindung des Lizenzspielers an den DFB bestreiten und insofern gezwungen sind, die Sportstrafen des DFB als Vertragsstrafen zu Staudinger-Weick § 35 Rn. 55; Soergel-Hadding § 25 Rn. 60. BGH LM NBr. 3/4 zu § 39 BGB. 94 BGHZ 29,352 (361 f.); 36, 105; 47,385. 95 Bei Vereinen mit überragender Machtstellung wird zudem noch eine Rechtfertigung der Vereinsstrafe durch sachliche Gründe gefordert. Vgl. BGHZ 102, 265 (276 t1) BGHNJW 1991,485. % Mit unterschiedlicher Begründung: Beuthien BB 1968 Beilage 12 zu Heft 33, 1 ff.; Haddinglvan Look ZGR 1988,270 (279 f); H. P. Westennann, S. 100 ff.; ders. JZ 1972, 539 ff; Flume, S. 129 f 97 Vgl. dazu etwa Weiland, S. 191, Soergel-Hadding § 25 Rn. 38. 98 H. P. Westennann, S. 102. 99 H. P. Westennann, Arunerkung zu OLG Frankfurt NJW 1973, 2210 f 100 H. P. Westennann, S. 102. 101 So etwa Soergel-Hadding § 25 Rn. 38. 92

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begreifenlO2 • Die Anhänger dieser Auffassungen bestimmen den Umfang der gerichtlichen Prüfungskompetenz nach den §§ 339 ff BGB, was letztlich zu einer Angemessenheitskontrolle hinsichtlich der Zulässigkeit der Strafnorm (vgl. § 343 BGB) und zu einer Billigkeitsprüfung hinsichtlich der Straffestsetzung führt. b) Übertragung der Ergebnisse auf die Sportstrafen des DFB

Fraglich ist damit, wie sich der dargestellte Meinungsstreit auf die Nachprüfbarkeit der DFB-Sportstrafen auswirkt. Regelmäßig wird man an dieser Stelle zunächst eine grundsätzliche Entscheidung dieses Streits erwarten. Angesichts der Vorgaben, die in dem "Allgemeinen Teil" dieser Arbeit erstellt worden sind, liegen die Dinge hier jedoch etwas anders. Dort nämlich ist gezeigt worden, daß die Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB weder aus vereinsrechtlicher noch aus vertragsrechtlicher Sicht zu beurteilen ist. Die dargestellten Lösungsansätze sind für diese Arbeit insofern nicht ohne weiteres verwertbar. Vielmehr ist ein neu zu entwickelnder Maßstab anzulegen, der den Eigenheiten dieser besonderen Beziehung gerecht wird, und insofern verbietet es sich nun, schlicht der einen oder der anderen Standardmeinung zum Problem der Überprüfbarkeit von Vereinstrafen zu folgen. Die Frage ist also nicht, ob man die Sportstrafen des DFB als Vereins- oder Vertragsstrafen begreift - nach der hier vertretenen Ansicht gehören sie weder der einen noch der anderen Gruppe an -, und es geht auch nicht um eine grundsätzlich Entscheidung der Problematik um die Nachprüfbarkeit von Vereinsstrafen. Hier ist vielmehr allein entscheidend, nach welchen Kriterien sich die Überprüfung der DFB-Sportstrafen, einer eigenständigen Strafart, bemißt. Diese Kriterien gilt es zu entwickeln. Die Grundlagen dafür sind bereits gelegt worden. So ist aufgezeigt worden, daß eine Kontrolle des quasihoheitlichen DFB-Rechts sowie der Entscheidungen seiner Organe nach öffentlich-rechtlichen Kriterien zu erfolgen hat. Ebenfalls ist dargelegt worden, daß die Tätigkeit der DFB-Rechtsprechungsorgane - selbst nach der herrschenden Literaturmeinung103 - als eine verbandsbezogene VerwaItungstätigkeit zu qualifizieren ist. Nach dem hier verfolgten Modell ist es daher nur systemgerecht und konsequent, den im Verwaltungsrecht entwickelten Gedanken eines Ermessens- und Beurteilungsspielraumes auf den Bereich der DFB-Sportstrafen zu übertragen.

So etwa Becker, S. 160 fI. Burmeister, DöV 1978, 1 (8); Baecker, S. 86; Becker, S. 167; Meyer-Cording, NJW 1976, 225 (227); ähnlich Weiland, S. 136. 102 103

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

Der rechtlichen Natur der DFB-Sportstrafen entspricht es also, sie hinsichtlich ihrer gerichtlichen Überprüfbarkeit demselben Maßstab zu unterstellen, der auch für die Kontrolle hoheitlicher Verwaltungsmaßnahmen gilt. Im einzelnen bedeutet dies, daß zwar das Vorliegen der Tatsachen, welche als Voraussetzung für die Festsetzung einer Maßnahme angenommen worden sind, gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbar bleibt; und auch die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, d.h. die Ermittlung seines Sinngehalts, bleibt wie jede Auslegung eine Rechtsfrage und damit uneingeschränkt gerichtlich nachprüfbar; jedoch sind die Gerichte im Falle der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffsl04 nicht dazu b.erechtigt, dessen Anwendung auf den konkreten Sachverhalt, d.h. die Subsumtion der im Einzelfall festgestellten Tatsachen unter den Tatbestand, nachzuprüfen und durch eine eigene Entscheidung zu ersetzen. IOS Eine solche Lösung wird dem Umstand gerecht, daß es für den Fußballsport kaum von Vorteil wäre, wenn die staatlichen Gerichte als "Outsider"l06 dazu berufen wären, ihre eigenen möglicherweise ganz andersartigen Wertvorstellungen zu Fragen einzubringen, die am besten durch ein Organ entschieden werden können, das wie niemand sonst mit den Wertungen dieses Sports vertraut istl07 . Konkret gesprochen kann es niemals Aufgabe der staatlichen Gerichte sein, verbindlich darüber zu entscheiden, ob eine "Schwalbe", d.h. das Vortäuschen eines Fouls, als "unsportliches Verhalten" zu bewerten ist oder nicht. Eine solche Entscheidung muß der DFB-Gerichtsbarkeit vorbehalten bleiben. Die richterliche Kontrolle der DFB-Sportstrafen ist mithin darauf beschränkt, die Einhaltung des gewährten Beurteilungsspielraums zu überprüfen. 108 Die Gerichte prüfen allein, ob die zur Straffestsetzung herangezogenen Kriterien vom normativen Gehalt der angewendeten Vorschrift gedeckt sind und ob diese Kriterien der Entscheidung tatsächlich zugrunde liegen. 109 Eine weitergehende Kontrolle der Sportstrafen findet nicht statt. 104 Für andere als unbestimmte Rechtsbegritre ist dieser Beurteilungsspielraum nicht zu gewähren, da es hier ebenso wie bei der Tatsachenkontrolle ,,nur richtige oder falsche" Ergebnisse geben kann, die einer gerichtlichen Kontrolle uneingeschränkt zugänglich sind. Westermann, S. 107, vgl. auch WolflBachof, Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 8 tr. lOS Ausfilhrlich zur Problematik der Verwaltungspielräume, siehe WolflBachof, Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 1 tr, insbes. Rn. 14 tr.; Ossenbahl in: Allg. Verwaltungsrech~ herausgegeben von Hans-Uwe Erichsen, § 10 m. I Westermann, S. 105. 107 Osthoff, S. 90. 108 Osthoff, S. 91. 109 Westermann, S. 106.

4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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2. Die schiedsvertragliche Beschränkung gerichtlicher Kontrolle Nachdem festgestellt worden ist, daß die Entscheidungen der DFB-Sportgerichte grundsätzlich einer - wenn auch nur beschränkten - gerichtlichen Kontrolle zugänglich sind, stellt sich nunmehr abschließend die Frage, ob es zu einer derartigen Überprüfung überhaupt kommen kann. Konkret geht es dabei um die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarungen, die zwischen den Lizenzspielern und dem DFB getroffen werden, denn diese führen zu einem generellen Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges. Wörtlich heißt es dazu in § 37 Abs. 1 des Lizenzspielerstatuts: "Streitigkeiten, die aus der Anwendung diese Statuts entstehen, werden unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges durch Schiedsgerichte entschieden. Zwischen dem DFB und den Vereinen sowie dem DFB und den Spielern sind entsprechende Verträge abzuschließen." Bejaht man also die Wirksamkeit des Schiedsvertrages, den die Spieler gezwungenermaßen mit dem DFB abzuschließen haben, so sind die von den DFB-Sportgerichten verhängten Strafen grundsätzlich110 jeder Nachprüfung durch staatliche Gerichte entzogen. Daß der DFB dabei das Ziel verfolgt, die Entscheidungen seiner Organe gegen einen Zugriff der staatlichen Gerichtsbarkeit abzuschirmen, kann kaum geleugnet werden. l11 Jedoch ist ein derartiges Vorgehen aus juristischer Sicht solange nicht zu beanstanden, wie die Rechtsordnung dies erlaubt. Ob dies tatsächlich der Fall ist, gilt es nachfolgend zu untersuchen. a) Der Meinungsstand in der Literatur

In der Literatur ist die Wirksamkeit der Schiedsabrede zwischen DFB und Lizenzspieler aus den verschiedensten Blickwinkeln in Frage gestellt worden.

110 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allein für kartellrechtliche Streitigkeiten vorgesehen (Vgl. § 37 Abs. 1 S. 2 des Lizenzvertrages). Bei derartigen Streitigkeiten wird den Beteiligten das Recht eingeräwnt, statt der Entscheidung durch das Schiedsgericht eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu verlangen. Die Einfilhrung dieser Regelung geht zurück auf ein einstweiliges Verfügungsverfahren, das der TSV 1860 München gegen den DFB vor dem LG Frankfurt a.M. angestrengt hatte. In diesem Verfahren entschied das Gericht, daß es sich bei dem Antrag des Vereins wegen einer verweigerten Lizenzerteilung wn eine kartellrechtliche Streitigkeit gehandelt habe, so daß die schiedsvertragliehe Vereinbarung gemäß § 91 GWB nur dann wirksam gewesen wäre, wenn dem Verein zuvor ein Wahlrecht hinsichtlich des Rechtsweges eingeräwnt worden wäre. 111 Geteilt wird diese Einschätzung u.a. von H.P. Westermann, S. 108; Burmeister, DöV 1978,1 (9); Deutsch, VersR 1990,2 (4).

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Besonderer Teil: Einzelne Problem1agen

Der zweifellos eleganteste Lösungsweg steht dabei den Autoren l12 offen, die die Rechtsbeziehung zwischen Lizenzspieler und DFB aus arbeitsrechtlicher Sicht betrachten, denn die Vertreter dieser Ansicht gelangen ohne weiteres über § 101 ArbGG zur gesetzlich angeordneten Nichtigkeit der Schiedsabrede. ll3 Andere haben auf der Grundlage einer schuldvertraglichen Einordnung der besagten Rechtsbeziehung versucht, die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung aus § 1025 Abs. 2 ZPO herzuleiten. II 4 Gemäß dieser Nonn ist ein Schiedsvertrag unwirksam, wenn eine Partei ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit dazu ausgenutzt hat, den anderen Teil zu seinem Abschluß zu nötigen. Da der Spieler faktisch zum Abschluß des Schiedsvertrages mit dem überlegenen Monopolverband DFB gezwungen werde - so wird argumentiert1l5 - seien diese Voraussetzungen erfüllt, und der DFB könne sich nicht auf die Einrede des Schiedsvertrages berufen. Ebenfalls mit Hinweis auf den durch die MonopolsteIlung des DFB ausgeübten Schiedszwangs gelangt auch H.P. Westennann zur Unwirksamkeit des Schiedsvertrages, doch stützt er seine Bedenken aus dogmatischen Erwägungen auf den "Rechtsgedanken der §§ 1025 Abs. 2 ZPO, 91 GWB".ll6 Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zwischen dem Lizenzspieler und dem DFB wird also überwiegend in Abrede gestellt. Hinzu kommen schließlich noch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die generelle Zulässigkeit der Verbandsschiedsgerichte. Der durch § 1025 Abs. 2 ZPO unternommene Versuch des Gesetzgebers, den Einzelnen gegen die Macht der Verbände zu schützen, sei durch Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG i. V. m. Art. 92 GG verstärkt worden - so heißt es -, und insofern sei es den privatrechtlichen Vereinigungen ebenso wie dem Staat verwehrt, den Bürger zum Verzicht auf den gesetzlichen Richter zu zwingen. 117 b) Eigene Ansicht des Verfassers Wie die soeben dargestellten Lösungsansätze gezeigt haben, besteht in der Literatur nahezu Einigkeit darüber, daß die Schiedsvereinbarung zwischen 112 Arbeitsrechtliche LösWlgen werden vertreten von Mümmler, S. 33 ff.; KlaU, S. 33" Bucher, RdA 1982, 9; ArbG Gelsenkirchen, NJW 1977, 598. llr Vgl. § 101 Abs. 2 S. 1 ArbGG, der für tarifgebWldene Arbeitnehmer nur den tarifvertraglichen Schiedsvertrag zuläßt. Ausfilhrlich dazu Vollkommer, RdA 1982, 16 (27/. 14 So etwa Becker, S. 177 tI.; Weiland, S. 247 tI.; Preis, S. 108 tI.; siehe auch die DarstellWlg des MeinWlgstandes bei OsthojJ, S. 152 tI. 115 Vgl. etwa Becker, S. 179. 116 H.P. Westermann, S. 108 tI. 117 Zur DarstellWlg des MeinWlgstandes siehe Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, S. 93 tI.

4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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dem Lizenzspieler und dem DFB aufgrund eines unzulässigen Schiedszwanges letztlich nicht wirksam. sein kann. Jedoch fällt es den Autoren schwer, ihre Kritik auf eine gesicherte rechtliche Grundlage zu stellen. Der juristisch sauberste Weg, dieses Ergebnis über § 101 ArbGG zu begründen, scheidet nach der hier vertretenen Ansicht schon deshalb aus, weil die Rechtsbeziehung des Lizenzspielers eben nicht arbeitsrechtlicher Natur ist. Ebensowenig wird man vertreten können, daß die Verfassung ein generelles Verbot der privaten Schiedsgerichtsbarkeit beinhaltet, denn zu Recht verweist Vollmer auf den Umstand, daß die Möglichkeit der Parteien, über die Art der prozessualen Behandlung ihrer privatrechtlichen Streitigkeiten zu entscheiden, ein Ausfluß der in Art. 2 Abs. 1 GG wurzelnden Privatautonomie ist und daher sogar ihrerseits den Schutz der Verfassung genießt lJ8 . Andererseits zeigen Regelungen wie Art. 1025 Abs. 2 ZPO, daß der Gesetzgeber durchaus den Bedarf gesehen hat, den Einzelnen vor einer unkontrollierten Machtentfaltung des wirtschaftlich oder sozial überlegenen Vertragspartners zu schützen, und dies ist auch durchaus notwendig. Eine Berufung auf die Privatautonomie ist nur insoweit zulässig, als die Schiedsvereinbarung tatsächlich auf einer autonomen Entscheidung beider Parteien beruht. Fehlt es hingegen an der Freiwilligkeit der Unterwerfung, so widerspricht es den Grundprinzipien der Privatautonomie, dem Einzelnen die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges zu verweigern. Fraglich ist allein, wie diese durchaus naheliegende Prämisse rechtstechnisch zu begründen ist. Der § 1025 Abs. 2 ZPO, auf den sich die Mehrheit der Literaturvertreter stützt, kann dieses nur bedingt leisten, da er zum einen in seinem Schutz zu kurz greift, indem er eine "Nötigung" zum Vertragsschluß fordert, und da zum anderen ohnehin fraglich ist, ob diese Norm auf die DFB-Schiedsgerichtsbarkeit, die keine Schiedsgerichtsbarkeit im klassischen Sinne darstellt, angewandt werden kann l19 . Aus diesem Grunde bietet sich wiederum der Rückgriff auf die Verfassung an, der in dieser Arbeit bereits mehrfach erprobt worden ist. Dort findet sich die in Art. 19 Abs. 4 GG niedergelegte Rechtsschutzgarantie, nach der jedem Bürger der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten offensteht, soweit er durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Art. 19 Abs. 4 GG gilt damit zwar unmittelbar nur für Streitigkeiten in subordinationsrechtlichen Beziehungen öffentlich rechtlicher Art. Da aber im Rahmen privatrechtlicher Körperschaften ähnliche subordinationsrechtliche Beziehungen und Machtverhältnisse bestehen können

Vollmer, S. 92. Zur Frage, ob der § 1025 Abs. 2 ZPO überhaupt auf Vereinsschiedsgerichte angewandt werden kann, vgl. Vollmer, S. 86. 118 119

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Besonderer Teil: Einzelne Problemlagen

- so wie es bei der Beziehung LizenzspielerlDFB der Fall ist -, muß die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG auch hier ihre Bedeutung entfalten12o. Im Ergebnis bedeutet dies nicht, daß es einem Monopolverband wie dem DFB grundsätzlich verwehrt wäre, Schiedsgerichtsvereinbarungen mit den Spielern zu treffen, denn solche Vereinbarungen sind, wie gezeigt, nicht per se unzulässig, und im übrigen können von einem mit Experten besetzten Schiedsgericht regelmäßig äußerst sachnahe Entscheidungen erwartet werden. Jedoch muß den Spielern immer die Möglichkeit gelassen werden, sich auch gegen den Abschluß einer solchen Vereinbarung und mithin für den ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden. In der Praxis des DFB ist diese Wahlmöglichkeit nun aber gerade nicht gegeben. Wie sich aus der Regelung des § 37 Abs. 1 des Lizenzspielerstatuts ergibt, hat der Spieler einen vorformulierten Schiedsvertrag mit dem DFB abzuschließen, aus dem sich der Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges ergibt. Eine Wahlmöglichkeit hat der Spieler nicht, und überhaupt erhält er seine Lizenz nur dann, wenn er sich mit dem Schiedsvertrag einverstanden erklärtl21 . Von einer Freiwilligkeit der Unterwerfung kann dabei keine Rede sein, denn schließlich steht der Spieler schlicht vor der Alternative sich schiedsvertraglich zu binden oder auf die Ausübung seines Berufes zu verzichten. 122 Es bleibt insofern festzuhalten, daß die Schiedsvereinbarung, die die Spieler mit dem DFB zu treffen haben, mangels Freiwilligkeit der Unterwerfung wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG unwirksam ist. Den Lizenzspielern steht es damit uneingeschränkt frei, die Entscheidungen der DFB-Organe vor einem ordentlichen Gericht überprüfen zu lassen.

IV. Ergebnis Die Verbandsrechtsprechung ist keine Rechtsprechung i. S. d. Art. 92 GG. Eine Kollision mit dem dort verankerten Richtermonopol scheidet folglich aus. Der DFB ist daher bei Verletzung seiner Statuten grundsätzlich zur Verhängung von Sanktionen gegenüber dem Lizenzspieler berechtigt. Die im DFB-Recht statuierten Unrechtstatbestände, wie etwa das Verbot "unsportlichen Verhaltens", sind wirksam. Einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz enthalten sie nicht. Auf der Rechtsfolgenseite ist auf das formale Erfordernis einer höhenmäßigen Beschränkung der Strafandrohung zu verzichten. Die Regelung des § 45 lit. c) DFB-Satzung ist somit zulässig. Hingegen ist die Ermächtigung zur Verhängung einer "Sperre auf Dauer" So Vollmer, S. 97. Vgl. § 12lit. e des Lizenzspielerstatuts. 122 Becker, S. 179.

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4. Kapitel: Die Sportgerichtsbarkeit

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(§ 45 Nr. 1 lit. f) DFB-Satzung) wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG rechtswidrig und damit unwirksam. Die Schiedsvereinbarung, die die Spieler mit dem DFB zu treffen haben, ist mangels Freiwilligkeit der Unterwerfung wegen Verstoßes gegen die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG unwirksam. Den Lizenzspielern steht es damit uneingeschränkt frei, die Entscheidungen der DFB-Organe vor einem ordentlichen Gericht überprüfen zu lassen. Dabei haben die Gerichte allerdings allein zu prüfen, ob die zur Straffestsetzung herangezogenen Kriterien vom normativen Gehalt der angewendeten Vorschrift gedeckt sind und ob diese Kriterien der Entscheidung tatsächlich zugrunde liegen. Eine weitergehende Kontrolle der Sportstrafen findet nicht statt.

IS Plath

Schlußteil

Perspektiven Der Berufsfußball befindet sich in einer Phase elementarer Veränderungen, und dies nicht erst, seit der EuGH deutlich gemacht hat, wie eng die Verflechtung zwischen Sport und Recht inzwischen geworden ist. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Berufssports ist auch der Bedarf nach rechtlich verbindlichen Lösungen stetig gestiegen. Zu viel hängt inzwischen davon ab, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Lizenzspieler seinen Verein wechseln darf. Nicht nur die Sportverbände, sondern auch die Regierungen und insbesondere auch die Europäische Gemeinschaft sind daher dazu aufgerufen, Lösungen zu entwickeln, die der gewachsenen wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Sports Rechnung tragen. Welche Wege dazu zu beschreiten sind, soll der vorliegende "Schlußteil" dieser Arbeit zeigen.

Erstes Kapitel

Auswirkungen des "Bosman"-Urteils auf den Lizenzfußball Nach dem Erlaß des "Bosman"-Urteils im Dezember 1995 und mehreren Versuchen der nationalen Fußballverbände, ihre für rechtswidrig erklärten Systeme zumindest teilweise am Leben zu erhalten, hat man sich inzwischen in sämtlichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft dazu durchringen können, die Vorgaben des EuGH vollends zu befolgen. Bereits seit Beginn der Saison 1996/97 dürfen Spieler aus allen 49 Mitgliedsverbänden der UEFA in unbegrenzter Zahl in der Bundesliga eingesetzt werden, und nachdem in dieser Spielzeit bereits nur die Hälfte der zuvor üblichen Ablösesummen gezahlt werden mußte, ist am 01.07.1997 schließlich auch das Transferentschädigungssystem in den deutschen Lizenzligen vollends weggefallen.! Geblieben ist allein ein begrenztes Ausgleichssystem, das die Vereine der Lizenzligen bei der Verpflichtung eines Amateurspielers zur Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung in Höhe von DM 100.000,- bzw. DM 45.000,- verpflichtet? Einen echten Ersatz für die Regelungen, deren Abschaffung durch das Urteil des Gerichtshofs notwendig geworden ist, hat der DFB nicht geschaffen, und so ist es interessant zu beobachten, wie schnell sich die Prognosen der Kritiker des Urteils bewahrheitet haben. Bereits ein Jahr nach der "Bosman"Entscheidung sind die grenzüberschreitenden Transfers in die attraktiven europäischen Fußballigen schlagartig angestiegen, mit dem besorgniserregenden Ergebnis, "daß einige der großen renommierten Vereine praktisch über eine internationale Auswahlmannschaft verfügen, die sich fast ausschließlich aus Nationalspielern verschiedener Länder zusammensetzt,,3. Zwar mag dieser Umstand für die Anhänger dieser Vereine auf den ersten Blick sehr reizvoll erscheinen, jedoch ist dies ein Zustand, den es langfristig unbedingt zu verhindern gilt, wenn man nicht den Verlust von Zuschauern aufgrund 1 Vgl. Beschluß des DFB-Beirats vom 26.04.1997 zur Änderung des § 29 des Lizenzspielerstatuts. 2 Vgl. § 30 des Lizenzspielerstatuts. 3 So der Kommentar des UEFA-Generalsekretärs Gerhard Aigner, zitiert in: Die Welt vom 31.12.1996, S. 19.

228

Schlußteil: Perspektiven

allzu einseitiger Ligabegegnungen riskieren möchte. Im Hinblick auf die Chancengleichheit zwischen den Vereinen sind die prognostizierten Auswirkungen des "Bosman" -Urteils also schon eingetreten, und auch die Nachwuchsförderung hat schon konkreten Schaden genommen, da es für die jungen Spieler immer schwerer wird, sich gegen die zunehmende Konkurrenz aus dem Ausland zu behaupten. Nach einer Studie der UEFA4 hatte die Bundesliga in der Saison 1996/1997 bereits einen Ausländeranteil von 27 %, und im englischen Profifußball kamen sogar 36 % der Spieler aus dem Ausland. Noch drastischer sieht die Situation in einigen anderen Sportarten aus, so etwa im Eishockey, denn dort hatten im letzten Jahr bereits 145 der 320 Spieler der Deutschen Eishockeyliga einen fremden Paß. 5 Die Chancen der deutschen Nachwuchsspieler, in den Lizenzligen zum Einsatz zu kommen, sind damit dramatisch gesunken. Besonders eindrucksvoll belegt dies eine Statistik, die der DFB-Nachwuchstrainer Hannes Löhr6 aufgestellt hat. Seinen Berechnungen zur Folge, kamen die 26 Spieler seiner U 21-Nationalmannschaft in der Saison 1996/97 in den deutschen Profiligen im Durchschnitt genau 71 Sekunden (!) pro Spiel zum Einsatz, womit gezeigt wäre, daß heute selbst die besten Nachwuchsspieler kaum eine Chance haben, sich in ihrem Verein gegen die Konkurrenz aus dem Ausland durchzusetzen. Zu ähnlich dramatischen Auswirkungen für den Lizenzfußball hat auch der Wegfall der vorgeschriebenen Transferentschädigungen geführt. Da es nämlich nach dem "Bosman"-Urteil auch weiterhin möglich ist, eine Transferentschädigung dann zu verlangen, wenn ein Spieler transferiert werden soll; der noch bei seinem alten Verein unter Vertrag steht, sind die Vereine in Ausnutzung dieses "Schlupfloches" des Urteils dazu übergegangen, ihre Spitzenspieler mit langfristigen Verträgen an sich zu binden. Das Problem dabei ist, daß sich die Spieler in dem Wissen um diesen Umstand natürlich nur dann zum Abschluß eines solchen Vertrages bereit erklären, wenn ihnen ein entsprechend hohes Gehalt gezahlt wird. Die Vereine sind faktisch dazu gezwungen, diesen Forderungen ihrer Spieler nachzugeben, denn anderenfalls riskieren sie den Verlust einer möglichen Ablösesumme in Millionenhöhe, die eben nur dann fällig wird, wenn der Spieler aus einem laufenden Vertrag "herausgekauft" wird. 7

4 Abgedruckt

in: Die Welt vom 31.12.1996, S. 19. Vgl. Der Spiegel 40/96, S. 222. 6 Vgl. Hamburger Abendblatt vom 25.03.1997, S. 23. 7 Siehe dazu die Aussage des Liga-Ausschuß-Vorsitzenden, Gerhard MayerVoifelder in einem Interview des Kicker-Sportmagazins vom 16.01.1997, S. 18: "Jeder, der oben mitspielen will, muß dieses Irrsinnsspiel mitmachen. Bei einem Spieler mit auslaufenden Vertrag hast du zwei Alternativen: TIm filr null Mark gehen lassen oder mitziehen.". S

1. Kapitel: Auswirkungen des ,,Bosman"-Urteils

229

Im Ergebnis hat die "Bosman" -Entscheidung also nicht etwa zu der angestrebten Abschaffung der Transferentschädigungen gefiihrt, sondern letztlich nur zu der Neubildung eines ungeschriebenen Ersatzsystems, von dem allein die Spitzenspieler profitieren. Die Vereine hingegen haben um ihre Überlebensfahigkeit zu bangen, denn es sind nicht nur die Gehälter der Spieler, die nach dem Wegfall der offiziellen Transferentschädigungssysteme sprunghaft angestiegen sind, sondern auch die Ablösesummen selbst. Nachdem nämlich kein Regulativ mehr vorhanden ist, das die Höhe der zu zahlenden Entschädigungen in erträglichen Grenzen halten könnte, werden diese nunmehr allein durch den Markt bestimmt, und so erklärt es sich, daß für einzelne Spieler bis zu DM 50 Millionen (!) gezahlt werden, so geschehen beim Wechsel des Brasilianers Ronaldo vom CF Barcelona zu Inter Mailand. In Anbetracht dieser Entwicklung sind die Vereine heute mehr denn je darauf angewiesen, sich bei der Zusammenstellung ihres Spielerkaders vor allem von finanziellen Erwägungen leiten zu lassen, und aus diesem Grunde ist auch der erhoffte Zugewinn an Freiheit für die Spieler, in deren Namen die "Bosman"-Entscheidung schließlich ergangen ist, zumindest faktisch nicht eingetreten, denn angesichts des Trends zu äußerst langfristigen Verträgen und immer höheren Ablöseforderungen wird es für die Spieler eben nicht leichter, sondern immer schwerer, ihren Verein zu wechseln.

Zweites Kapitel

Handlungsmöglichkeiten der Sportverbände Die soeben dargestellten Entwicklungen haben bestätigt, was bereits in den entsprechenden Kapiteln des "Besonderen Teils" dieser Arbeit herausgearbeitet worden ist, nämlich daß der Lizenzfußball sowohl auf eine Beschränkung des unkontrollierten Zustroms ausländischer Spieler, als auch auf den Erhalt eines Transfersystems angewiesen ist. Nachdem nun aber der EuGH als maßgebliche Autorität in diesem Bereich in seiner "Bosman"-Entscheidung zu einer gegenteiligen Einschätzung gelangt ist und die entsprechenden Regelungen der Verbände für unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht erklärt hat, fragt sich, welche Möglichkeiten sich bieten, um die notwendigen Kontrollsysteme einzufiihren bzw. aufrecht zu erhalten.

I. Korrektur des "Bosman"-Urteils im Wege justitieller Abhilfe Da der EG-Vertrag eine Berufung gegen Urteile des EuGH nicht kennt, könnte eine justitielle Abhilfe allenfalls durch die nationalen Gerichte geleistet werden. Denkbar wäre die Rüge der Verletzung nationaler Grundrechte vor dem BVerfG, wie sie von Schol:zJAulehnerl vorgeschlagen wird. Schol:zJAulehner vertreten die Auffassung, daß eine auf Art. 9 Abs. 1 GG gestützte Klage gegen das ,,Bosman"-Urteil vor dem BVerfG Aussicht auf Erfolg hätte, da der Gerichtshof durch eine rechtswidrige Überdehnung des Art. 48 EGV gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung sowie gegen das deutsche Zustimmungsgesetz zum EG-Vertrag verstoßen habe. 2 Schol:zJAulehner ist insoweit zuzustimmen, als die Unanwendbarkeit primären Gemeinschaftsrechts tatsächlich vor dem BVerfG gerügt werden kann,

denn der "Solange II-Beschluß"3, in dem das BVerfG erklärt hat, daß es seine an sich gegebene Zuständigkeit nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht mehr ausüben werde, solange die Europäischen Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der I

Scholz/Aulehner, Spurt 1996,44 (47). 1996,44 (47).

2 Scholz/Aulehner, Spurt 3 BVerfGE 73, 387.

2. Kapitel: Handlungsmöglichkeiten des Sportverbände

231

Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft gewährleisteten, bezieht sich nur auf das sekundare Gemeinschaftsrecht. Grundsätzlich ist die Anrufung des BVerfG also möglich, jedoch wäre eine solche Klage keinesfalls erfolgreich, denn entgegen der von Schol:zJAulehner vertretenen Auffassung hat sich der EuGH mit seiner "Bosman"-Entscheidung nicht außerhalb der Kompetenzen bewegt, die ihm durch das deutsche Zustimmungsgesetz zu dem EG-Vertrag übertragen worden sind. Gemäß Art. 164 EGV hat der Gerichtshof das Recht und die Aufgabe zur Auslegung des EG-Vertrages, und auf einer solchen Auslegung beruht auch die "Bosman"-Entscheidung. Zwar ist der Gerichtshof dabei zu einem Ergebnis gelangt, das inhaltlich zu Recht stark kritisiert worden ist, jedoch kommt es darauf im Rahmen der hier zu führenden Diskussion nicht an, denn man wird kaum behaupten können, daß das "Bosman" -Urteil zu einer rechtswidrigen "Änderung" des Art. 48 EGV geführt habe4, und nur eine solche Kompetenzüberschreitung hätte einen Verstoß gegen das Prinzip zur begrenzten Einzelermächtigung begründen können. Abhilfemöglichkeiten im Bereich der Rechtsprechung bestehen mithin nicht. Eine Korrektur des "Bosman" -Urteils ist nicht möglich.

11. Umgehung des "Bosman"-Urteils durch Umwidmung der Spielerverträge Da der EuGH Transferentschädigungssysteme und Ausländerklauseln unwiderruflich für unvereinbar mit Art. 48 EGV erklärt hat, wäre ein Festhalten an diesen Regelungen im Hinblick auf die "Bosman"-Entscheidung nur dann zulässig, wenn der Status der Lizenzspieler in der Form geändert werden könnte, daß diese nicht mehr unter den Tenor dieser Entscheidung fallen. Konkret geht es dabei um die bereits diskutierte Umwidmung der Spielerverträge zu sogenannten "Kooperationsverträgen"S, die darauf abzielt, die Spieler als selbständige Unternehmer behandeln zu können. Sollte eine derartige Umwidmung möglich sein, so würden die Spieler ihre Arbeitnehmereigenschaft verlieren, und die allein auf Art. 48 EGV gestützte "Bosman"Entscheidung wäre tatbestandlich nicht mehr einschlägig. Zu bedenken gilt es allerdings, daß eine bloße Umdeklarierung der Arbeitsverträge nach dem falsa-demonstratio-Grundsatz noch nicht ausreichen würde, um die Unternehmereigenschaft der Lizenzspieler zu begründen. Abzustellen ist vielmehr auf die tatsächlichen Eigenheiten der Rechtsbeziehung zwischen Spieler und Verein, und da die Tätigkeit eines Lizenzspielers immer ein ge-

4

5

So aber ScholziAulehner, Spurt 1996,44 (47). Vgl. AT, 4. Kapitel, II. 2. b) dieser Arbeit.

232

Sehlußteil: Perspektiven

wisses Maß an Weisungsgebundenheit erfordert6, ist es schon vom Ansatz her fraglich, ob der Abschluß von Kooperationsverträgen zu dem gewünschten Ergebnis führen würde. Doch selbst wenn dies gelingen sollte, ist eine Umwidmung der Spielerverträge zumindest solange nicht ratsam, als sie allein zu dem Zweck erfolgt, die Verbandsregeln dem Anwendungsbereich des "Bosman"-Urteils zu entziehen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß sich auch ein selbständig agierender Lizenzspieler auf den Schutz der Grundfreiheiten - bei kurzfristiger grenzüberschreitender Tätigkeit auf den Schutz des Art. 59 EGV, bei längerer Etablierung auf den des Art. 52 EGV7 - berufen könnte. Insofern wäre es auch nach einer Umwidmung der derzeit bestehenden Arbeitsverträge nur eine Frage der Zeit, bis ein Spieler unter Berufung auf die Freiheit aus Art. 52 bzw. 59 EGV erneut den EuGH anrufen würde, und da fiir beide Normen bereits seit längerem anerkannt ist, daß diese den Selbständigen auch vor unterschiedslos geltenden Beschränkungen seiner Freiheiten schützens, ist davon auszugehen, daß der Gerichtshof eine solche Klage ebenso wie bereits den Fall "Bosman" bescheiden würde. Hinzu kommt, daß sich auch die Kommission unter Berufung auf Art. 85 EGV ganz entschieden gegen die Zulässigkeit der Transferentschädigungssysteme und der Ausländerklauseln ausgesprochen hat. 9 An dieser Wertung würde auch eine Umwidmung der Spielerverträge nichts ändern. Eine rechtlich zwar möglich erscheinende Umgehung des "Bosman"-Urteils erscheint nach alledem also nicht ratsam, da trotz der veränderten Rechtslage nicht davon auszugehen ist, daß der EuGH eine Wiedereinführung der fiir rechtswidrig erklärten Regelungen dulden würde.

111. Abhilfe im Wege der Schaffung von Ersatzsystemen Die vorangegangen Ausführungen haben gezeigt, daß die Verbände der Mitgliedstaaten zur Wahrung ihrer schutzwürdigen Interessen auf bestimmte Beschränkungen des Transfermarktes angewiesen sind, da der derzeitige unreglementierte Zustand zu einer ernsthaften Gefährdung des Berufsfußballs in Europa führen kann. Allerdings ist auch gezeigt worden, daß es nach der "Bosman-Entscheidung" nicht möglich - zumindest aber nicht ratsam - ist, den angesprochenen Gefahren mit einer Wiedereinfiihrung der Ausländerklauseln bzw. der Ablösesummen zu begegnen. Eine Sicherung der gefährdeVgl. dazu wiederum AT, 4. Kapitel, 11.2. b) dieser Arbeit. Zur Abgrenzung vgl. Seidel, ZVers Wiss 1987,175. 8 Für die Dienstleistungsfreiheit vgl. z.B. EuGH, NJW 1991,2693; ftir die Niederlassungsfreiheit vgl. EuGH, DYB11993, 1307 (1308). 9 Vgl. Letter of Warning from the Commission to UEFA, Competition Poliey Newsletter, Volume 2, Number I-Spring 1996-P. 20. 6

7

2. Kapitel: Handlungsmöglichkeiten des Sportverbände

233

ten Interessen ist insofern nur durch die Schaffung von Ersatzsystemen möglich. Dabei gilt es ein System zu entwickeln, mit dem sowohl die Nachwuchsförderung als auch die Wahrung des Chancengleichgewichts unter den Vereinen gewährleistet werden kann, ohne daß es dabei zu einer ungerechtfertigten Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit kommt. In Anbetracht dieser Vorgaben wäre es sicherlich falsch, die durch den EuGH für unzulässig erklärten Regelungen schlicht durch vergleichbar wirkende Beschränkungen "im neuen Gewande" zu ersetzen, etwa in Fonn einer Verpflichtung der Vereine, eine bestimmte Mindestanzahl junger deutscher Spieler einsetzen zu müssen. Eine solche Regelung hätte wiederum diskriminierende Wirkung und würde insofern sicherlich eine erneute ablehnende Entscheidung des EuGH provozieren. Ein sinnvoller - weil rechtlich unbedenklicher - Weg zur Wahrung der Verbandsinteressen erscheint es dagegen zu sein, die Vereine selbst zur Nachwuchsförderung zu animieren. Sobald nämlich ein ausreichender (finanzieller) Anreiz besteht, junge Spieler zu fördern und diese auch in den Ligamannschaften einzusetzen, erlischt das Bedürfnis, den Zustrom ausländischer Spieler in irgendeiner Weise zu beschränken oder sonstwie zu reglementieren. Eine Regulierung würde allein durch den Markt erfolgen, und den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts wäre genüge getan. Zudem könnte ein zur Nachwuchsförderung animierendes System - bei entsprechender Ausgestaltung zugleich auch die Chancengleichheit zwischen den Vereinen sichern. Dies hat die Vergangenheit bewiesen, denn auch vor dem Erlaß der "Bosman"Entscheidung war es gerade die Nachwuchsförderung, die es den kleineren Vereinen ennöglichte, den finanziellen und sportlichen Abstand zu den großen Vereinen in erträglichen Maßen zu haltenlO • Bei der sich anschließenden Frage, wie ein zur Nachwuchsförderung anreizendes System konkret auszusehen hat, gilt es an zwei Punkten anzusetzen: Zum einen muß gesichert sein, das die Vereine die Früchte ihrer Jugendarbeit in sportlicher Hinsicht tatsächlich ernten können; und zum anderen muß ein Mechanismus geschaffen werden, der die Hervorbringung von Nachwuchstalenten auch in finanzieller Hinsicht attraktiv macht. Zu diesem Zwecke bietet es sich an, die Mindestlaufzeit des ersten Lizenzvertrages der Spieler statutarisch festzulegen. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß die Vereine, die ein Nachwuchstalent gefördert oder entdeckt haben, auch tatsächlich mit diesem Spieler planen können, ohne daß sie eine entschädigungslose Abwerbung durch andere Vereine befürchten müssen. Störungen des sportlichen Gleichgewichts zwischen den Vereinen können auf diese Weise wirksam eingedämmt werden. Zudem gewinnt der junge Spieler seinerseits die Sicherheit eine längerfristigen Anstellung und die Gewißheit, auch weiterhin gefördert 10

Vgl. BT, 3. Kap. II. 1. b) bb) (1) dieser Arbeit.

234

Schlußteil: Perspektiven

zu werden. Um Kollisionen mit Art. 12 Abs. 1 GG zu vermeiden, ist allerdings ein Recht zur vorzeitigen Rückkehr in den Amateurbereich vorzusehen, denn nur unter dieser Voraussetzung stellt sich die Vorgabe einer Mindestvertragsdauer lediglich als Berufsausübungsregelung dar, die zum Schutze des Sportwohls erforderlich und mithin gerechtfertigt iSt. 11 Weiter ist für den Fall eines vorzeitigen Wechsels zu einem anderen Lizenzliga-Verein die Zahlung einer festgelegten Vertragsauflösungsentschädigung vorzusehen. Die Zahlung derartiger Entschädigungen sind auch nach dem "Bosman" -Urteil noch zulässig, und insofern kann durch die vorgegebene langfristige Vertragsbindung der Nachwuchsspieler sichergestellt werden, daß die Vereine, die sich zur Abgabe eines ihrer Spieler entschließen, eine Entschädigung für ihren sportlichen Verlust erhalten. Eine statutarische Festlegung der Entschädigungshöhe ist erforderlich, um zu vermeiden, daß die Spieler erneut zum "Handelsobjekt" der sich streitenden Vereine degradiert werden. Dabei sollte sich die Höhe der Entschädigung vornelunlich nach den Pflichtspieleinsätzen der Spieler bemessen, denn auf diesem Wege wird der gewünschte unmittelbare finanzielle Anreiz für die Vereine geschaffen, ihre Nachwuchsspieler tatsächlich im Ligabetrieb einzusetzen. Zur Umsetzung dieser Prämissen sei in Ergänzung zu den Entschädigungsregelungen, die bereits für die Verpflichtung eines Spielers aus dem Amateurbereich gelten l2 , folgende Lösung vorgeschlagen: 13 Transferbestimmungen für Lizenzspieler

§ 1 Mindestlaufzeit des ersten Lizenzspieler-Vertrages Die Laufzeit des ersten Lizenzspieler-Vertrages, den ein Spieler mit einem Verein der Lizenzligen schließt, wird auf vier Jahre14 festgeschrieben.

§ 2 Vereinswechsel vor Ablauf der Mindestlaufzeit I. Im Falle eines Vereinswechsels zu einem Lizenzliga-Verein vor Ablauf der in § 1 dieses Statuts festgelegten Mindestlaufzeit hat der aufnehmende Verein eine Vertragsauflösungsentschädigung an den abgebenden Verein zu zahlen. Vgl. dazu AT, 3. Kap. dieser Arbeit. Vgl. nochmals § 30 des Lizenzspielerstatuts n.F. 13 Eine Einfi1hnmg der vorgeschlagenen Regelungen hätte über eine Änderung der §§ 29 tT. des Lizenzspielerstatuts zu erfolgen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist an dieser Stelle davon abgesehen worden, die Nonnen entsprechend ihrer möglichen Stellung in dem Lizenzspielerstatut zu benennen. 14 Von einer längeren Mindestlaufzeit sollte abgesehen werden, um das Recht der Vertragsabschlußfreiheit nicht unzulässig zu beschneiden und um eine Kollisionen mit Art. 12 Abs. 1 GG zu venneiden. 11

12

2. Kapitel: Handlungsmöglichkeiten des Sportverbände

235

11. Die Höhe der Vertragsauflösungsentschädigung folgt unmittelbar aus § 3 dieses Statuts. Abweichende Vereinbarungen über die Höhe der in § 3 festgelegten Vertragsauflösungsentschädigung sind vorbehaltlich der Regelung des § 3 Abs. 4 dieses Statuts nichtig. III. Die in § 1 festgelegte Mindestvertragsdauer gilt nicht für den Fall des Wechsels zu einem Amateurverein.

§ 3 Höhe der Vertragsauflösungsentschädigung I. Die Ausgangshöhe der Vertragsauflösungsentschädigung beträgt DM

1.000.000,-.

II. Die Vertragsauflösungsentschädigung erhöht sich mit jedem länger als

10 Minuten15 andauernden Pflichtspieleinsatz des Spielers

a. in dem ersten Jahr seiner Vereinszugehörigkeit um DM 25.000,b. in dem zweiten Jahr seiner Vereinszugehörigkeit um DM 20.000,c. in dem dritten Jahr seiner Vereinszugehörigkeit um DM 15.000,d. in dem vierten Jahr seiner Vereinszugehörigkeit um DM 1O.000,}6 III. Die Vertragsauflösungsentschädigung erhöht sich mit jedem Länderspieleinsatz des Spielers um weitere DM 50.000,-. IV. Unbeschadet der Vorschriften der §§ 2 Abs. 2 und 3 Abs. 1 dieses Statuts sind die Vereine dazu berechtigt, eine frei aushandelbare Vertragsauflösungsentschädigung von weniger als DM 1.000.000,- vertraglich zu vereinbaren. 17

§ 4 Vertragsauflösungsentschädigungen nach Ablauf der Mindestlaufteit I. Nach Ablauf der in § 1 dieses Statuts genannten Laufzeit des ersten Lizenzspieler-Vertrages sind die Vereine berechtigt, die Höhe einer im Falle des Vereinswechsels eines vertraglich gebundenen Spielers zu zahlenden Ver-

15 Die Vorgabe einer Mindesteinsatzdauer erscheint erforderlich, um etwaige Mißbrauchsmöglichkeiten auszuschließen. 16 Die degressive Staffelung der Aufschläge orientiert sich an dem Zweck der Regelung, jungen Nachwuchsspielern zu Einsatzmöglichkeiten zu verhelfen. 17 Der Zweck dieser Ausnahmeklausel ist es, zu verhindern, daß ein einvernehmlich angestrebter Vereinswechsel eines Spielers, an dessen Weiterbeschäftigung der bisherige Verein kein Interesse mehr hat, an der Höhe der unabdingbaren rechnerisch ermittelten Vertragsauflösungsentschädigung scheitert. Die Festlegung eines Höchstbetrages von weniger als DM 1.000.000,- dient dem Erhalt des Gesamtsystems, das gerade von der grundsätzlichen Unabdingbarkeit der festgesetzten Entschädigungshöhenlebt.

236

Schlußteil: Perspektiven

tragsauflösungsentschädigung frei auszuhandeln. Die Höhe der Vertragsauflösungsentschädigung darf DM 8.000.000,- nicht übersteigen. 11. Für einen vertraglich nicht gebundenen Spieler darf keine Transferentschädigung verlangt werden.

Drittes Kapitel

Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union Die Aufgabe, sachgerechte Lösungen fiir die zu erwartende Entwicklung des Berufssports zu entwickeln, kann nicht nur den Verbänden allein überlassen bleiben. Vielmehr sind auch die Hoheitsträger aufgerufen, über Lösungsmodelle nachzudenken. Auf Gemeinschaftsebene bietet sich dazu einer Verankerung des Sports in dem EG-Vertrag an. Die Debatte um die Aufnahme des Sports in den Maastrichter Vertrag ist nicht neu. So war dieses Thema z.B. eine der beherrschenden Fragen des Europäischen Sportforums 1995 in Brüssel. Sämtliche der dort anwesenden Vertreter der Repräsentativ Gremien des Sports stimmten der Idee zu, den Sport in dem EG-Vertrag besonders zu berüCksichtigen.! Neu entfacht wurde die Diskussion dann nach dem Erlaß der ,,Bosman"-Entscheidung im Dezember 1995. Unter den zahlreichen Veröffentlichungen, die in Reaktionen auf diese Entscheidung ergangen sind, findet sich kaum ein Aufsatz, der nicht mit einigen abschließenden Worten zu der Frage endet, ob nunmehr eine Verankerung des "Sports" im EG-Vertrag notwendig sei. Während vereinzelt eine korrigierende "Rechtsetzung im Bereich des Primärrechts" dringend empfohlen wird2, heißt es anderswo in aller Deutlichkeit, der Fußballsport solle sich "weniger wichtig nehmen".3 Im Rahmen dieser Arbeit fragt sich damit, wie eine Berücksichtigung des ,,sports" im EG-Vertrag aussehen könnte, was dadurch erreicht werden könnte, welche Gefahren damit verbunden wären und vor allem, welche Gründe überhaupt dafiir sprechen, dem Sport eine primärrechtlich verankerte Sonderstellung einzuräumen.

I. Bedeutung des Sports in der Europäischen Union In der EU treiben rund 125 Millionen Menschen Sport - mithin mehr als jeder vierte EU-Bürger. Schätzungsweise 2 % aller Ausgaben der privaten Haushalte entfallen auf den Sport. Allein in Deutschland hängen rund 700.000 1 Vgl. Das Europäische Sportforum, herausgegeben von der Europäischen Union, Brüsse11996, S. 2. 2 ScholziAulehner, Spurt 1996,44 (47). 3 Imping, EWS 1996, 193 (199).

238

Schlußteil: Perspektiven

Arbeitsplätze vom Sport ab, und der Anteil des Sports am BIP beträgt ca. 1,4 %. 4 Insbesondere der Berufssport ist damit ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor. Überdies ist auch die Bedeutung des Sports für die soziale Integration, Ausbildung und Gesundheit allgemein anerkannt. In einem offiziellen Standpunkt des Europäischen Parlaments heißt es, nur wenige Aktivitäten seien so wertvoll für die soziale Integration wie der Sport. 5 Das Engagement der Europäischen Union für den Sport ist entsprechend groß. Von den 24 Generaldirektionen der Europäischen Kommission befassen sich 20 regelmäßig mit Politiken, die für die Sportwelt von unmittelbarem Interesse sind. 6 Seit dem Jahre 1991 findet jährlich ein Europäisches Sportforum statt, das eine bessere Koordinierung zwischen der Sportwelt und der Kommission ermöglichen soll. Dort treffen sich Vertreter der einzelstaatlichen Ministerien mit Repräsentanten der internationalen und europäischen Sportverbände, um sportpolitische Themen z.B. aus den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Arbeitplatzbeschaffung zu erörtern. An der Bedeutung des Sports für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Europäischen Union kann es nach alledem keine Zweifel geben, und natürlich gilt dies insbesondere auch für den Bereich des Berufssports, der hier von Interesse ist. Die vom ihm ausgehende Faszination und dessen Anziehungskraft auf Millionen von Menschen ist der Garant für ein ungebrochenes Interesse der EU-Bürger an dem Sport insgesamt. Daß der Erhalt und die Förderung des Berufssports zu den schutzwürdigen Interessen des Gemeinschaftsrechts zählt, steht damit fest. Jedoch gilt es weiter zu klären, ob dieser Umstand die Schaffung einer Sonderstellung des Sports in dem EG-Vertrag rechtfertigt. Schließlich kann die wirtschaftliche oder soziale Bedeutung eines Lebensbereichs allein eine solche Ausnahme nicht begründen. Welches sind also die so oft beschworenen Besonderheiten des Berujssports, die die Einführung einer primärrechtlich verankerten Ausnahmestellung rechtfertigen könnten? Warum soll es nicht möglich sein, den Berufsport nach eben den Grundsätzen zu behandeln, die auch für sonstige Bereiche des Wirtschaftslebens gelten? Eine Antwort auf diese Fragen findet sich bei einer näheren Betrachtung der einzigartigen und dadurch untypischen Art des Wettbewerbs, wie er im Berufssport stattfindet. Anders als es im reinen Wirtschaftsleben der Fall ist, nach dessen Grundsätzen der Berufssport derzeit behandelt wird, sind die Wettbewerber auf dem Gebiet des Sport überlebensnotwendig auf die Existenz ihrer Mitbewerber angewiesen. Während der rein wirtschaftliche Wettbewerb als "Verdrängungswettbewerb" durch das Bestreben der verschiedenen Anbieter gekennzeichnet ist, den Konkurrenten 4 Quelle: Die Europäische Union Wld der Sport, Faltblatt der Europäischen Kommission, herausgegeben vom Amt für amtliche VeröffentlichWlgen der Europäischen Gemeinschaften, 1996, S. 3. 5 Abgedruckt in: Die Europäische Union Wld der Sport, S. 4. 6 Die Europäische Union Wld der Sport, S. 2.

3. Kapitel: HandlWlgsmöglichkeiten der EU

239

vom Markt zu drängen?, verfolgen die im Wettbewerb stehenden Sportvereine letztlich gleichgerichtete Interessen, denn der Garant für den Fortbestand des Berufssports ist nicht zuerst die Güte und der Preis der dargebotenen Einzelleistungen, sondern vielmehr die Funktionsfahigkeit eines ausgeglichenen Gesamtsystems, das Woche für Woche Spielpaarungen mit ungewissem Ausgang hervorbringt. In der daraus resultierenden Faszination liegt das Wesen und die Besonderheit des Sports, die es zu erhalten gilt. Dies ist im Rahmen dieser Arbeit bereits mehrfach zum Ausdruck gekommen. 8 Zur Erfiillung dieser Aufgabe ist es notwendig, Instrumente zu schaffen, die es ermöglichen, die schutzwürdigen Gesamtinteressen des Sports als Gegenrechte zu den Individualrechten der Sportler bzw. der einzelnen Vereine zu berücksichtigen. Die Problematik des Spielertransfers ist dabei nur ein Beispiel von vielen. Während es auf dem gewöhnlichen Arbeitsmarkt durchaus dem Leitbild unserer Leistungsgesellschaft entspricht, wenn der finanzkräftigste Arbeitgeber einen weitgehend uneingeschränkten Zugriff auf die qualifiziertesten Fachkräfte erhält, ist der Sport - notfalls zu Lasten der Rechte des Einzelnen - auf eine gewisse Kontrolle dieser Tendenzen angewiesen, denn der Sport kann aus den besagten Gründen nur dann überleben, wenn ein ausgeglichener Wettbewerb zwischen annähernd gleichstarken Vereinen auch weiterhin gewährleistet bleibt.

11. Statuierung eines Sportvorbehalts in dem EG-Vertrag Zu der Frage, auf welchem Wege der notwendige Schutz der Sonderstellung des Sports am effektivsten zu erreichen sei, sind verschiedenste Ansätze diskutiert worden. Die Reihe der zahlreichen Vorschläge reicht von der Idee, eine an Art. 3 Abs. 1 S. 2 va Nr. 1612/689 anknüpfende Ausnahme für Berufsfußballspieler zu statuierenJO, über den Vorschlag, einen eigenen Titel "Sport" in den EG-Vertrag einzuführen bzw. den Kulturverweis des Art. 128 EGV um den Sport zu erweitern11, bis schließlich hin zu der Überlegung, dem Kanon des Art. 48 Abs. 3 EGV einen Sportvorbehalt hinzuzufügen. Zusätzlich ist diskutiert worden, ein Anhörungsrecht der Sportverbände zu wichtigen sportpolitischen Fragen zu begründen. I 2 Zur Umsetzung eines dieser Vorschläge ist es auf der jüngst abgelaufenen Regierungskonferenz von Amsterdam vom 16./17. Juni 1997 freilich nicht VgL dazu BaumbacMIefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg. Rn. 1 fr. VgL insbes. AT., Kap. 4, Ill., 1., a. dieser Arbeit. 9 EWG-VerordnWlg des Rates vom 15. Oktober 1968, ABI. L 257, S.2. 10 ScholziAulehner, Spurt 1996,44 (47). 11 Das Europäische Sportforum, S. 2. 12 So der Vorschlag der deutschen Regierung anläßlich der VerhandlWlgen um die Revision des Maastrichter Vertrages, vgL FAZ vom 23.04.1997, S. 8. 7

8

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Schlußteil: Perspektiven

gekommen. Das bedeutet, auch weiterhin wird der Sport in dem EG-Vertrag selbst auf absehbare Zeit keine Erwähnung finden. Allerdings haben sich die Staats- und Regierungschefs der 15 Mitgliedstaaten gemeinsam mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission auf eine "Erklärung zum Sport für die Schlußakte" mit folgendem Inhalt einigen können: l3 ,,Die Konferenz unterstreicht die gesellschaftliche Bedeutung des Sports, insbesondere die Rolle, die dem Sport bei der Identitätsfmdung und der Begegnung der Menschen zukommt. Die Konferenz appelliert daher an die verschiedenen Gremien der Europäischen Union, bei wichtigen den Sport betreffenden Fragen die Sportverbände anzuhören. In diesem Zusammenhang sollten die Besonderheiten des Amateursports besonders berücksichtigt werden." Es bleibt zu hoffen - und davon ist auszugehen -, daß die angesprochenen Gremien der Europäischen Union, insbesondere der EuGH, diesen Appell berücksichtigen werden, wenn sie zukünftig über Fragen aus dem Bereich des Sportrechts zu entscheiden haben. Die Erklärung kann insoweit durchaus als wichtige Auslegungshilfe dienen. Den Kern der hier behandelten Problematik trifft diese Erklärung, die ihrem Tenor nach vor allem auf die Bedeutung des Sports im Freizeitbereich abstellt, jedoch nicht, und insofern besteht nach wie vor Bedarf nach einer Regelung der angesprochenen Probleme im Bereich des Berufssports. Hinsichtlich der dazu vorgeschlagenen Änderung des Sekundärrechts ist im Rahmen dieser Arbeit bereits festgestellt worden, daß eine solche allenfalls der Klarstellung des Primärrechts dienen könnte. Eine Änderung des Arbeitnehmereigenschaft der Lizenzspieler i.S.d. Art. 48 EGV könnte sie jedenfalls nicht bewirken. Den gewünschten Effekt würde eine solche Maßnahme insofern nicht bewirken können. Ebenso scheidet eine Erweiterung des KulturTitels als sachgerechte Lösungsmöglichkeit aus, denn nach den bisherigen Ausführungen sind es nicht die kulturellen Eigenheiten des Sports, die es zu schützen gilt, sondern vielmehr dessen Besonderheiten auf wirtschaftlichen Gebiet. Aus diesem Grunde wäre es wohl auch zu weitgehend, dem Sport einen eigenen Titel in dem EG-Vertrag zu widmen, der die Gemeinschaft zur Förderung des Sports insgesamt verpflichten würde, denn die Probleme, um die es hier geht, sind eng auf den Bereich des Berufssport begrenzt. Im Ergebnis kann dies nur heißen, daß eine Korrektur des Gemeinschaftsrechts gezielt in den Bereichen anzusetzen hat, die die Einfalltore für die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf den Berufssport bilden. Nur dort, wo die Interessen des Sports mit den wirtschaftlichen Zielvorgaben des EG-Vertrages kollidieren, sind primärrechtliche Lösungen tatsächlich geboten. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist dies der Fall im Bereich der Freizügigkeitsvorschriften sowie im Bereich des Wettbewerbsrechts. Hier gilt es Regelungen 13 Vgl. EU-Nachrichten, Der Vertrag von Amsterdam, herausgegeben von der Europäischen Kommission, Dokumentation Nr. 3 vom 9. Juli 1997, S. 42.

3. Kapitel: Handlungsmöglichkeiten der EU

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zu schaffen, die es den Sportverbänden ermöglichen, die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen zum Wohle des Berufssports zu treffen. Konkret sei dazu vorgeschlagen, die in Art. 48 Abs. 3 EGV genannten Rechtfertigungsgriinde um einen "Sportvorbehalt" zu erweitern, sowie die Freistellungsmöglichkeit des Art. 85 Abs. 3 EGVauch auf solche Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmte Verhaltensweisen auszudehnen, die zur "Förderung des Sports" beitragen. Ob es zu einer Umsetzung dieses Vorschlages jemals kommen wird, muß in einer Zeit, in der die entscheidenden Geschäftsfelder der Klubs in den Bereichen Merchandising oder Pay-TV zu liegen scheinen, freilich bezweifelt werden, zurnal die Chance dazu auf der Regierungskonferenz von Arnsterdarn verpaßt worden ist, doch sollte niemals vergessen werden, daß auch der nach wirtschaftlichen Grundsätzen betriebene Berufsfußball nur funktionieren kann, wenn die Funktionsfähigkeit eines sportlichen Wettkampfs gesichert bleibt.

16 Plath

Zusammenfassung der Ergebnisse - Fonn und Inhalt des DFB-Rechts fallen auseinander. Der Fonn nach gehören die DFB-Statuten rechtsgeschäftlichen Kategorien an, inhaltlich jedoch haben sie eine gesetzesvertretende Funktion eingenommen. - Entsprechend dieser Funktion sind sie als gesetzesvertretende Rechtsordnung zu würdigen, die als einseitig gesetztes Recht auf den ihr unterworfenen Lizenzspieler einwirkt. - Die Rechtsbeziehung des Lizenzspielers zum DFB ist keine vertragliche, mitgliedschaftliche oder arbeitsrechtliche, sondern eine eigenständige subordinationsrechtliche Beziehung, die an einem Rechtmäßigkeitsmaßstab zu messen ist, der durch Übertragung der Gesetzgebungsgundsätze auf den Bereich privater Rechtsetzung zu entwickeln ist. - Eine unmittelbare Grundrechtsbindung im Privatrechtsverkehr greift immer und nur dann ein, wenn der Einzelne durch die Macht einer privatrechtlichen Organisation ähnlich gebunden wird wie durch die Macht des Staates oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften. Dies ist in der Rechtsbeziehung LizenzspielerlDFB in geradezu beispielhafter Weise der Fall. - Der DFB ist als rechtsetzende Instanz im Bereich des Berufsfußballs unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Auf der Grundlage des Art. 9 GG ist es ihm erlaubt, die Grundrechte der Lizenzspieler anhand der ihm zur Verfügung stehenden Handlungsinstrumente einzuschränken, soweit die beschränkenden Maßnahmen der Förderung des Fußballsports dienen und sonstigen rechtsstaatlichen Anforderungen, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, genügen. - Die Statuten des sind DFB grundsätzlich an den Regeln des Gemeinschaftsrechts zu messen. Eine Bereichsausnahme für den Sport existiert nicht. . - Maßstab ist Art. 48 EGV einerseits, da die Lizenzspieler dem Arbeitnehmerbegriff dieser Nonn unterfallen, sowie Art. 85 EGV andererseits, da der DFB als Unternehmensvereinigung bzw. als Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren ist. Die Anwendbarkeit des Art. 86 EGV scheidet dagegen aus. - Ein Sportvorbehalt, der den DFB von der Beachtung dieser Vorschriften entbindet, gilt nur insoweit, als es um die Aufstellung von Nationalmann-

ZusanunenfassWlg der Ergebnisse

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schaften geht. Regelungen, die den Spielbetrieb der Lizenzligen betreffen, sind dagegen uneingeschränkt und selbst dann zu überprüfen, wenn die Teilnahme am eigentlichen Spielgeschehen betroffen ist. - Das Erfordernis einer Lizenzerteilung durch den DFB beschränkt die Berufswahlfreiheit der Lizenzspieler. Zwar besitzt der DFB grundsätzlich die Befugnis, auch die Berufswahl der Spieler zu beschränken, doch muß der entsprechende Eingriff zum Schutz besonders wichtiger Schutzgüter zwingend erforderlich sein. - An einer derartigen Rechtfertigung des Eingriffs fehlt es bei der Regelung des § 12 e) Lizenzspielerstatut, in der "die Erfullung bestehender Verpflichtungen gegenüber dem DFB ... " zur damit unzulässigen Voraussetzung für die Lizenzerteilung gemacht wird. - Erfullt ein Spieler sämtliche der in § 12 Lizenzspielerstatut wirksam statuierten Aufnahmevoraussetzungen, so hat er aus Art. 3 Abs. 1 GG i. Y. m. Art. 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Erteilung der Spielerlizenz gegen den DFB. - Ausländerklauseln wirken diskriminierend im Sinne des Art. 48 EGY. Sie bedürfen daher einer Rechtfertigung. Diese ist gegeben unter der Voraussetzung, daß die diskriminierende Regelung dem Schutz eines vorwiegend sportlichen - d.h. nichtwirtschaftlichen - Interesses dient und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. - Die Ausländerklauseln dienen einem legitimen Zweck im Sinne dieser Formel, da sie einerseits helfen, die Chancen des Nachwuchses zu verbessern, und andererseits dazu beitragen, das notwendige sportliche Gleichgewicht zwischen den Vereinen zu sichern. Die Ausländerklauseln sind jedoch nicht erforderlich, um die genannten Ziele zu verwirklichen, da sich dies auch durch ein milderes Ausgleichssystem verwirklichen ließe.

- Art. 48 EGV steht insofern solchen Klauseln eines Sportverbandes entgegen, die die Anzahl ausländischer Spieler aus anderen Mitgliedstaaten, die ein Verein unter Vertrag nehmen bzw. in einem Wettkampf aufstellen darf, quotieren oder sonstwie beschränken. Gleiches gilt für die Vereinbarkeit dieser Klauseln mit Art. 85 EGY. - Die neu geschaffene Regelung des DFB, die eine faktische Quotierung der Ausländerplätze vorsieht, indem sie den Vereinen aufgibt, mindestens 12 deutsche Spieler unter Vertrag zu nehmen, verstößt gegen Art. 48 Abs. 2 EGV und Art. 85 EGV. - Wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist auch die Regelung des DFB, nach der maximal drei Spieler aus den Ländern eingesetzt werden dürfen, die nicht der UEFA angeschlossen sind, rechtswidrig und damit nichtig.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

- Art. 48 EGV beinhaltet neben dem Diskriminierungsverbot auch ein Beschränkungsverbot, so daß auch unterschiedslos wirkende Beschränkungen der Freizügigkeit an Art. 48 EGV zu messen sind. - In Anlehnung an die ,,Keck-Rechtsprechung" des EuGH umfaßt das Beschränkungsverbot des Art. 48 EGV nur solche Regelungen, die den Zugang zu dem Arbeitsmarkt in einem anderen Mitgliedstaat beschränken. Es gilt hingegen nicht für Regelungen, die allein die Ausübungsmodalitäten der Arbeitnehmertätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat betreffen. - Transferentschädigungssysteme, d.h. Systeme, die den grenzüberschreitenden Vereinswechsel eines Lizenzspielers von einer Geldzahlung durch den aufnehmenden Verein abhängig machen, führen zu einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und bedürfen daher einer Rechtfertigung. - Transferentschädigungssysteme dienen der Nachwuchsförderung sowie dem Erhalt des sportlichen und finanziellen Gleichgewichts zwischen den Vereinen, und sie sind auch erforderlich, um die Wahrung dieser Grundinteressen des Sports sicherzustellen. Ein System, das den aufnehmenden Verein im Falle eines Spielerwechsels dazu verpflichtet, an den abgebenden Verein eine angemessene Transferentschädigung zu zahlen, ist insofern - entgegen der Auffassung des EuGH - mit dem Recht auf Freizügigkeit aus Art. 48 EGV vereinbar. - Gleiches gilt für die Vereinbarkeit mit Art. 85 EGV sowie mit Art. 12 GG ("Berufsfreiheit") und Art. 2 Abs. 1 GG ("Allgemeine Handlungsfreiheit"). - Die Verbandsrechtsprechung ist keine Rechtsprechung i. S. d. Art. 92 GG. Eine Kollision mit dem dort verankerten Richtermonopol scheidet folglich aus. Der DFB ist daher bei Verletzung seiner Statuten grundsätzlich zur Verhängung von Sanktionen gegenüber dem Lizenzspieler berechtigt. - Die im DFB-Recht statuierten Unrechtstatbestände, wie etwa das Verbot "unsportlichen Verhaltens", sind wirksam. Einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz enthalten sie nicht. - Auf der Rechtsfolgenseite ist auf das formale Erfordernis einer höhenmäßigen Beschränkung der Strafandrohung zu verzichten. Die Ermächtigung zur Verhängung einer "Sperre auf Dauer" (§ 45 Nr. 1 lit. f) DFB-Satzung) ist hingegen wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG rechtswidrig und damit unwirksam. - Die Schiedsvereinbarung, die die Spieler mit dem DFB zu treffen haben, ist mangels der notwendigen Freiwilligkeit der Unterwerfung wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG unwirksam. Den Lizenzspielern steht es damit uneingeschränkt frei, die Entscheidungen der DFB-Organe vor einem ordentlichen Gericht überprüfen zu lassen.

ZusammenfasS1U1g der Ergebnisse

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- Die Gerichte haben allein zu prüfen, ob die zur Straffestsetzung herangezogenen Kriterien vom nonnativen Gehalt der angewendeten Vorschrift gedeckt sind, und ob diese Kriterien der Entscheidung tatsächlich zugrunde liegen. Eine weitergehende Kontrolle der Sportstrafen findet nicht statt.

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Sachregister AC Mailand 131 Ajax Amsterdam 124, 172 Amateurspieler 99 Amateursport 18 Anhörungsrecht der Sportverbände 239 Antitrust 1aw 91 Arbeitsplatzwahlfreiheit 190 Arbeitsvertrag 19, 33, 97,102,159,231 Aufnahmeanspruch 106 Aufnahmezwang 113 Aufwandsentschädigung 77 AusbildWlgsentschädigung 150, 176, 227 Ausbi1dWlgskosten 199 Ausländerklauseln - Ausgleichssystem 137 - Handelshemmende Wirkung 141 - Inhaltliche Ausgesta1tWlg 116 - Quotenrege1Wlg 137 - Rechtfertigung 120 - Rechtliche Zulässigkeit 117 - Verhältnismäßigkeit 135 - Wiedereinftlhrung 232 Bereichsausnahme 64, 78, 122 Berufsfreiheit 98 Berufsfußball, siehe Lizenzfußba11 Berufsspieler, siehe Lizenzspieler Berufsverbot 217 Beschränkungsverbot 154 Bestechlichkeit 215 Borussia DOrtmWld 164,198 Bosman - Auswirkungen der EntscheidWlg des EuGH227 - EntscheidWlg des EuGH 67

- Jean Marc 68 - Korrektur der EntscheidWlg des EuGH230 BWldesgericht des DFB 24 BWldesliga - Skanda122,215 - Finanzmisere 169 - Veranstalter 22 Chancengleichheit 31 Deutscher Meister 132 DFB 18 Diskriminierungsverbot 118, 154 DOM 65 Dreistufentheorie 99, 190 Drittwirkung - der Grundrechte 49 - des Art. 48 EGV 65, 83 Eigentumsgarantie 171 Eingriffsermächtigung 58 Einzelermächtigung, Prinzip der begrenzten61 Enteignungen 170 Ersatzsysteme 232 Europamannschaft 77 Facharztbeschluß des BverfG 57 Fanartike189 FC Bayern München 89, 119, 129, 169 FC St. Pauli 169 Fernseheinnahmen 176 Fernsehrechte 91, 135, 166 FIFA 18

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Sachregister

Finanzausgleich 90,166,175,196 Freizügigkeitsvorschriften 62 Fußballprofi, siehe Lizenzspieler Fußballsport - Weltweite Organisation 177 - Wirtschaftliche Funktion 71 Fußballweltmeisterschaft 77, 127 Geldstrafe 206, 215 C7erneinschaftsrecht - Anwendbarkeit 61,121 - ZielbestirnrnWlg 62 Gesetzesvertretendes Privatrecht 38, 56 Gleichgewicht, sportliches 133, 163 GrWldrechte 48, 110 Hamburger SV 131,159,169,175 Handel - mit Spielern 194 - zwischen den Mitgliedstaaten 140 Handgelder 21 Hansa Rostock 89,164 Identität, nationale 129 Inhaltskontrolle 45, 106 Jahresetat 170 Johannson, Lennart 60 JWliorenrnannschaft 116 Keck, EntscheidWlg des EuGH 182 KFC Uerdingen 91 Klopp, EntscheidWlg des EuGH 154 Kontrollausschuß 24, 41 ,202 Kontrollvertrag, arbeitsrechtlicher 39 Konvergenzargurnent 182 Kooperationsverträge 81, 231 Kraus, EntscheidWlg des EuGH 155 Kultur 130 LeistWlgsanspruch 111 LeistWlgsgefiUle 133

Lizensierungssystern - Erlaßbefugnis des DFB 10 1 - Inhaltliche AusgestaltWlg 97 - Maßstab zur BeurteilWlg 98 - Rechtliche Zulässigkeit 98 Lizenzfußball 22 Lizenzspieler 19 - Arbeitnehrnereigenschaft 81 - Beruf 41 - Berufsbild 100 - Ehre 80, 206 - HerkWlft 129 - Minderjährige 104 - Schutzbedürftigkeit 35 - Unternehrnereigenschaft 82, 108, 231 - UnterordnWlg 82 - Unterwerfung 37, 42 - WeisWlgsgebWldenheit 83 Lizenzvertrag 27 Marktwert eines Spielers 195 Menschenhandel 195 Menschenwürde 195 Merchandising 90, 241 MitbestirnrnWlgsdeflZit 32 MonopolstellWlg des DFB 22,42, 55, 92, 108, 137, 222 Musterarbeitsvertrag 82 NachwuchstOrderung 124, 171,233 Nationale Eigenheiten des Fußballs 130 Nationalmannschaft 64, 75, 76, 127 Nulla poena sine lege GrWldsatz 210 Öffentlichkeitsinteresse 100 Ordre-public-Klausel 121 Pay-TV 241 Privatautonomie 106,218 Rad- und KraftfahrerbWld 113

Sachregister Rechtsprechungsmonopol 207 Regierungskonferenz 239 Regionalliga 100 Reichsfachamt-Fußball 20 Repräsentationsmannschaften 78 Rücktritt 80 Rule ofreason 142 Satzungsautonomie, siehe Verbandsautonomie Schiedsvertrag 221 Schrankensystematik 56 Schutzbereich des Art. 85 EGV 142 Schwarzge1dzahlungen 20 Selbstbeschränkung, freiwillige 117 Solange lI-Beschluß 230 Solidarpakt 117 Spielermarkt 188 Sport 15, 30, 61, 237, 240 Sportgerichtsbarkeit des DFB - Inhaltliche Ausgestaltung 202 - Rechtliche Zulässigkeit 205 - Sanktionskatalog 203 Sportliches Gleichgewicht 123 Sporttauglichkeit 97, 102 Sportvorbehalt 67,69,239 Sportwidrigkeit 60 Sportwohl57, 162 Subsidiaritätsprinzip 86 Systemgerechtigkeit 139 Talentförderung 124 Teilhabeanspruch 111 Test des interessierten Dritten 78 ToIjägerkrone 127 Transferbestimmungen, Entwurf 234 Transferentschädigungen - Berechnungspraxis 148, 199

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Folgen der Abschaffung 164 Gesamtumsatz 147 Höhe 149, 196,234 Inhaltliche Ausgestaltung 148 Rechtfertigung 160 Rechtliche Zulässigkeit 152 Übergangslösung 150 Verhältnismäßigkeit 178

Überschuldungsgefahr 135 UEFA 18 UnionsbÜfger 180 Unsportliches Verhalten 203 Unternehmen 88, 108 Unternehmensvereinigung 88 Verbandsautonomie 27,73,84 Verdienstmöglichkeiten 74,100 Verein - Ausschluß 206 - Autonomie 218 Vereinigungsfreiheit 23 Verkaufsmodalität 182 Verschuldensgrenzen 135 Vertragsamateuer 19 Walrave und Koch, Entscheidung des EuGH 63,121 Werbeunterbrechungen 76 Wettbewerbsvorschriften des EGV - Anwendbarkeit 88, 92 - Verhältnis zu Art. 48 EGV 88 Wirtschaftsleben 66, 72 Zuschauereinnahmen 167, 179 Zuschaueridentiftkation 128 Zuschauerzahlen 101 Zwischenstaatlichkeitsklausel 140