Iberische Körperbilder im Dialog der Medien und Kulturen 9783964567123

Wie andere Kulturen auch produziert die iberische Kultur charakteristische Körper-Bilder: bei Sor Juana Inés de la CruzÇ

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German Pages 320 [312] Year 2002

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I. Bilder sakraler Leiblichkeit
Der offene Leib Christi und die sublime Schönheit Mariens. Körper, Zeichen und Raum in der Semana Santa Sevillana
Cuerpos sagrados. En torno a las imágenes perversas de la carne en España
Ikonen der Verausgabung. Sakrales Körperbild und ekstatischer Text in der Lyrik Ana Rossettis
II. Körper der Macht und Macht der Körper
Fiktive Brandzeichen. Körper, Schrift und Spiel bei Lope de Vega
Bilder des königlichen Körpers im Dialog: Velázquez und Goya
Zerstückelte Körper bei García Lorca und den Surrealisten im intermedialen Rekurs auf prämoderne Text- und Bildtraditionen
Groteske Körperbilder in ausgewählten Romanen von Carlos Fuentes
III. Der un/sichtbare Frauenleib
El Primero Sueño de Sor Juana Inés de la Cruz y el cuerpo aparentemente asexuado de la poetisa
¿Botas o zapatos? Trayectoria de una metonimia galdosiana
Die "spanische Venus" in Bild und Text: La Maja desnuda von Vicente Blasco Ibänez
IV. Masken der Männlichkeit
Obskure Begierden. Blumenmetaphorik und kodierte Körperlichkeit in Lorcas Sonetos del amor oscuro
Der weibliche Blick, der männliche Körper. Neue Sichtweisen in der zeitgenössischen erotischen Literatur Spaniens
Homotextualität. Schwule Körperbilder im zeitgenössischen spanischen Roman
V. Körper, Technologien, Prothesen
El cuerpo de la poesía. La búsqueda del otro y el lugar de la escritura en el poema "De noche, en la imprenta" de José Martí
Die Konzeption einer neuen Blickweise für die eigene Geschichte. Sauras Film Cría cuervos
Kika: Vision Machine
Basisbibliographie
Autorenverzeichnis
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Iberische Körperbilder im Dialog der Medien und Kulturen
 9783964567123

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Bernhard Teuber / Horst Weich (Hrsg.) Iberische Körperbilder

Bernhard Teuber / Horst Weich (Hrsg.)

Iberische Körperbilder im Dialog der Medien und Kulturen

Vervuert Verlag • Frankfurt am Main • 2002

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufiiahme Iberische Körperbilder: im Dialog der Medien und Kulturen / Bernhard Teuber/Horst Weich (Hrsg.). Frankfurt am Main: Vervuert, 2002 ISBN 3-89354-148-9 © Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 2002 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Michael Ackermann, unter Verwendung des Gemäldes Venns mit dem Spiegel (1649-51) von Velázquez Gedruckt auf säure- und chlorfreiem, alterungsbeständigen Papier Printed in Spain by: Publicaciones Digitales, S. A. (Sevilla) www.publidisa.com - (+34) 95.458.34.25 Depósito legal: SE-662-2002

Inhaltsverzeichnis Vorwort I. Bilder sakraler Leiblichkeit REINHOLD GÖRLING

Der offene Leib Christi und die sublime Schönheit Mariens. Körper, Zeichen und Raum in der Semana Santa Sevillana BERNARDO TEUBER

Cuerpos sagrados. En torno a las imágenes perversas de la carne en España ANDREAS MAHLER

Ikonen der Verausgabung. Sakrales Körperbild und ekstatischer Text in der Lyrik Ana Rossettis II. Körper der Macht und Macht der Körper WOLFRAM NITSCH

Fiktive Brandzeichen. Körper, Schrift und Spiel bei Lope de Vega .... SUSANNE SCHLÜNDER

Bilder des königlichen Körpers im Dialog: Velázquez und Goya UTA FELTEN

Zerstückelte Körper bei Garcia Lorca und den Surrealisten im intermedialen Rekurs auf prämoderne Text- und Bildtraditionen SUSANNE KLEINERT

Groteske Körperbilder in ausgewählten Romanen von Carlos Fuentes III. Der un/sichtbare Frauenleib PATRICIA SALDARRIAGA

El Primero Sueño de Sor Juana Inés de la Cruz y el cuerpo aparentemente asexuado de la poetisa MARÍA PAZ YÁÑEZ

¿Botas o zapatos? Trayectoria de una metonimia galdosiana ANGÉLICA RIEGER

Die "spanische Venus" in Bild und Text: La Maja desnuda von Vicente Blasco Ibáñez

IV. Masken der Männlichkeit HORST WEICH

Obskure Begierden. Blumenmetaphorik und kodierte Körperlichkeit in Lorcas Sonetos del amor oscuro

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JANETT REINSTÄDLER

Der weibliche Blick, der männliche Körper. Neue Sichtweisen in der zeitgenössischen erotischen Literatur Spaniens

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DIETER INGENSCHAY

Homotextualität. Schwule Körperbilder im zeitgenössischen spanischen Roman

221

V. Körper, Technologien, Prothesen OTTMAR ETTE

El cuerpo de la poesia. La büsqueda del otro y el lugar de la escritura en el poema "De noche, en la imprenta" de José Marti

251

ROLF KLOEPFER

Die Konzeption einer neuen Blickweise für die eigene Geschichte. Sauras Film Cria cuervos

269

PAUL JULIAN SMITH

Kika: Vision Machine

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Basisbibliographie

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Autorenverzeichnis

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Vorwort Der weibliche und der männliche Körper liegen einerseits aller menschlichen Kultur vorauf; andererseits aber sind alle Bilder, die sich Menschen vom männlichen und weiblichen Körper machen, immer schon Produkte ihrer je spezifischen Kultur. Ja, mehr noch: Ein wesentliches Kennzeichen von Kulturen ist es, daß sie die Körper ihrer Mitglieder in eine ganz bestimmte Richtung modellieren und daß diese Körpermodelle wiederum alle weiteren kulturellen Hervorbringungen entscheidend mitprägen. Insofern sind alle Kulturen eminent leibgebunden. So scheint es auch, daß der Körper in der iberischen Kultur - wenn hier der Singular statthaft ist - seit langem von Agenturen weltlicher und vornehmlich kirchlicher Macht autoritär semantisiert wurde. Die iberischen Körperbilder verhalten sich zu diesen Vorgaben monologisch oder dialogisch; sie sind einvernehmlich affirmativ, widerständig subversiv oder sie verweigern sich überhaupt einer eindeutigen Stellungnahme, um sich selbst in radikal ästhetischer Unbestimmtheit auszustellen. Von folgenden Annahmen darf immerhin ausgegangen werden: 1. Die iberische Kultur produziert - wie andere Kulturen auch - charakteristische Bilder des weiblichen und männlichen Körpers. 2. Diese spezifisch iberischen Körpermodelle sind kein statisches Produkt, sondern eher eine dynamische Projektion; sie bestimmen sich als Idiosynkrasie, als eine je eigentümliche Mischung heterogener Elemente, die in einem Dialog zwischen sozialen Sprachen, konfl¡gierenden Diskursen, kommunikativen Medien und kulturellen Mustern in ein Verhältnis zueinander treten. Dieser Dialog ist zu verstehen als intrakulturell (insofern er zwischen gegensätzlichen Positionen innerhalb der iberischen Kultur gefuhrt wird), als interkulturell (insofern er zwischen gegensätzlichen Positionen der iberischen und der außeriberischen Kulturen geführt wird) und schließlich als intermedial (insofern darin vermittels unterschiedlicher, oft rivalisierender Medien kommuniziert und das heißt auch agiert wird). Wenn sich iberische Körperbilder in einem beständigen Dialog der Medien und der Kulturen formieren, leitet sich daraus konsequenterweise eine doppelte Forschungsperspektive ab, die Antwort auf folgende Fragen geben sollte: 1. Wie sehen charakteristische Bilder des männlichen und des weiblichen Körpers in der iberischen Kultur aus?

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Vorwort

2. Inwiefern verweisen diese Bilder nicht so sehr auf eine unveräußerliche natura Hispanica, sondern auf den intrakulturellen, interkulturellen und intermedialen Dialog, in dem diese Bilder erst erzeugt werden? An eine solche Zielsetzung knüpfen sich erneut zwei Überlegungen an, die in gegensätzliche Richtungen fuhren: 1. Wenn sich die iberischen Körperbilder über eine longue durée hinweg als historisch konstant erweisen, wie ist dann diese Konstanz zu erklären? Ist sie vielleicht darauf zurückzufuhren, daß die iberische Position im Dialog der Kulturen ihrerseits über einen langen Zeitraum hinweg stabil geblieben ist - etwa als ein kanonisiertes Phantasma oder als eine Projektionsfläche des Andern, in Abhebung von dem sich außeriberische Kulturen ihrer je eigenen Identität vergewissern konnten? 2. Wenn sich die iberischen Körperbilder innerhalb der longue durée als historisch variabel erweisen, wie ist dann diese Variabilität zu erklären? Geht man davon aus, daß vermeintlich marginale Kulturen wie die iberische der Stabilisierung eines vermeintlichen Zentrums dienen, so wäre diese Variabilität eventuell darauf zurückzufuhren, daß die iberische Position im Dialog der Kulturen ihrerseits immer wieder anders definiert wurde - als je neues Phantasma des Andern, das außeriberische Kulturen im Prozeß wachsender Beschleunigung und Modernisierung zu Zwecken ihrer Selbstversicherung herausgebildet haben? Der erste Augenschein spricht dafür, daß die iberischen Körperbilder auf eine charakteristische Weise 'archaischer', 'barbarischer', 'unzivilisierter', 'respektloser' sind als diejenigen vieler außeriberischer Kulturen. Aber gerade in ihrer vordergründigen Andersartigkeit verweisen sie möglicherweise auf das, was diese außeriberischen Kulturen verdrängt haben. Die Andersartigkeit der iberischen Körperbilder zu entdecken heißt darum nicht nur, ein Portrait der iberischen Kultur zu zeichnen, sondern auch in einen Spiegel zu blicken - in einen Spiegel, den die iberische Kultur den außeriberischen Kulturen vorhält. Mit den skizzierten Gesichtspunkten ist ein umfassendes Pensum bezeichnet, das eine hispanistisch orientierte Literatur-, Medien- und Kulturwissenschaft angesichts des weit verbreiteten Interesses an Phänomenen von Körperlichkeit und Leiblichkeit als Herausforderung verstehen muß. Die im folgenden vorgelegten Beiträge zur Besonderheit iberischer Körperbilder stammen von einem losen 'Netzwerk' von Forscherinnen und Forschern, die sich 1995 beim Deutschen Hispanistentag an der Universität Bonn zusammenfanden und die seither die gemeinsam entwickelten Fragestellungen vorangetrieben und das Gespräch untereinander in wechselnden Konstellationen fortgeführt haben. Schlaglichtar-

Vorwort

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tig werden in Form 'dichter Beschreibungen' signifikante Einzelphänomene des iberischen Verhältnisses zum Körper analysiert und es wird so ein Kräftefeld sichtbar, das trotz der Vielgestaltigkeit der Gegenstände überraschende Berührungspunkte wie auch erhellende Kontraste zwischen Zeiten, Räumen, Individuen und Gemeinschaften offenbart, die von der iberischen Tradition geprägt sind. Die einzelnen Beiträge kristallisieren zu fünf thematischen Schwerpunkten, an denen sich Kraftlinien kreuzen und Diskurse zueinander in dialogische Beziehung treten. Zunächst geraten Bilder des sakralen Körpers in den Blick, die trotz ihrer unterschiedlichen medialen Vermittlung und ihres unterschiedlichen pragmatischen Orts in charakteristischer Weise erotisch überschrieben sind und eine geheime, häufig im Zeichen des 'Widernatürlichen' stehende Sexualität a u s s t e l l e n . W i e REINHOLD GÖRLING, BERNHARD TEUBER u n d ANDREAS MAHLER

herausstellen, verschränken sich in der polyphonen Performance der Karprozession ebenso wie in der ambigen Bilderwelt der Mystik, die sich bis in den zeitgenössischen Film fortsetzt, das Sublime und das Perverse, das Abjekte und das Heilige. Die dekonstruktive Bewegung umgreift dabei auch die Geschlechteropposition, wie Ana Rossettis religiös-sinnliche Gedichte deutlich machen, in denen die Potenz heiliger Männerkörper die weibliche Schaffenskraft aktiviert die sie sich aneignet und textuell erhält. Im Fokus auf das Verhältnis von Körper und Macht zeigt SABINE SCHLÜNDER, wie in der Hofporträtmalerei der Körper des Königs nach seiner Sakralisierung bei Veläzquez eine deutliche Entauratisierung bei Goya erfahrt. Bei Carlos Fuentes findet er sich, so SUSANNE KLEINERT, in einem - nicht immer fröhlichen - karnevalesken Gegeneinander von Autorität und Subversion zerstückelt und grotesk neukombiniert. Auch der Surrealismus betreibt die Zerstückelung. wie UTA FELTEN aufzeigt; Bunuel und Lorca zerschreiben die zur Disziplinierung des Körpers einladenden Märtyrerbilder des Siglo de Oro zu einem surrealistischen Theater der Grausamkeit, in dem sich Lust und Angst, Askese und Ekstase vermählen. WOLFRAM NITSCH geht aus von der historischen Praxis der Brandmarkung der Sklaven und zeigt, wie Lope de Vegas 'Sklavenstücke die Macht demonstrierende 'Verschriftung' des Körpers gegenintentional nutzen zum entfesselten theatralischen Spiel von Sinnlichkeit und Erotik. Der dritte Komplex fokussiert den Frauenkörper. PATRICIA SALDARRIAGA entdeckt ihn bei Sor Juana als über mythische wie christliche Bilder variierend inszenierten jungfräulichen und gleichwohl gebärenden Körper, der sich metapoetisch öffnet zur Chiffre der Selbstermächtigung des weiblichen Autorsub-

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Vorwort

jekts. In prägnanter synekdochischer Verkürzung erscheint er bei Galdós als Fuß; MARÍA PAZ YÁÑEZ weist nach, daß das ihn verhüllende Schuhwerk - neben der traditionellen Kodierung der sozialen Stellung der Trägerin - vor allem das raffinierte Ausspielen sexuell perspektivierter Enthüllung in Gang setzt. Die Suche nach der idealtypischen Venus española mündet in Blasco Ibáñez' Malerroman, so ANGELICA RIEGER, in die Festschreibung misogyner Frauenklischees und das Erschrecken vor dem Heraufziehen eines neuen, androgynen Körpermodells. Der Männerkörper erscheint im vierten Komplex als Objekt weiblichen und schwulen Begehrens. In der Überschreibung der lyrischen Tradition des Frauenlobs schafft sich Lorca, so HORST WEICH, eigene, rein männliche Gärten der Lust. JANETT REINSTÄDLER kommt zu dem Schluß, daß der literarisch inszenierte Blick weiblicher Voyeure auf den Männerkörper nicht zu einer Neukonturierung der Geschlechterverhältnisse fuhrt, sondern strukturell das männliche, vereinnahmende Sehen wiederholt. In bezug auf die in der zeitgenösssichen 'Schwulenliteratur' entworfenen Bilder vom Männerkörper erkennt DIETER INGENSCHAY einen sich andeutenden Paradigmawechsel in der spannungsvollen Verdrängung heimisch-mediterraner durch neue, angloamerikanisch geprägte Modelle. Zum Schluß kommen verstärkt 'künstliche Körper' in ihren medialen Implikationen ins Spiel. Wie OTTMAR ETTE in seiner exemplarischen Lektüre des jungen, romantischen José Martí herausstellt, verschmelzen - in der 'Schmiede' der Druckerei - der Körper des Dichters und der Körper der Poesie im Herzblut der Dichtung und geben doch den Blick frei auf eine radikal sich verändernde, industrielle Welt. ROLF KLOEPFER verfolgt, wie Carlos Saura über die repetitive Inszenierung der Erfahrung des Unvertrauten im kinematographischen Spiel zu einem vorurteilsfreien, sich Neuem öffnenden Sehen zwingt und die Heilung des beschädigten Körpers zum ganzheitlichen Leib bewirkt. In seiner auf Paul Virilio gestützten Interpretation von Almodóvars Kika zeigt PAUL JULIAN SMITH, wie die Allgegenwart des prothetischen Video-Auges den Gegensatz von Präsentation und medialer Repräsentation, von Authentizität und künstlicher Inszenierung zum Einsturz bringt, und er sieht die Entauratisierung der Kino- durch die Video-Ästhetik zur Diskussion gestellt. Auch wenn sich die unterschiedlichen Ansätze der Autorinnen und Autoren erfreulicherweise nicht ohne weiteres auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen, zeichnet sich doch unter einem Aspekt eine gemeinsame Fluchtlinie ab: Die (herkömmlich ausgedrückt) leyenda negra oder (diskursanalytisch formu-

Vorwort

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liert) hypothèse répressive, derzufolge Leiblichkeit, Erotik und Sexualität in der iberischen Kultur bis in die jüngste Vergangenheit hinein besonders rigoros geahndet und unsichtbar gemacht worden seien (und deren Plausibilität Michel Foucault bereits 1976 in seiner Geschichte der Sexualität aus grundsätzlichen Erwägungen bezweifelt hatte), trifft - entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil - nicht zu. Vielmehr stehen die Sanktionierung des Körperlichen und die Inzitation zu dessen Inszenierung über viele Perioden der iberischen Kulturgeschichte hinweg in einer offenkundigen Wechselbeziehung, so daß die scheinbar gegensätzlichen Pole einander weniger auszuschließen denn zu verstärken scheinen. Vielleicht ist eine der berühmtesten Körperdarstellungen der iberischen Tradition, die Venns des Veläzquez, hierfür emblematisch. Die liegende Göttin, die dem Betrachter den Rücken zukehrt und ihr Gesicht nur im vorgehaltenen Spiegel zu erkennen gibt, verbirgt zweifellos Reize ihres Körpers, die andere europäische Maler freizügiger darzustellen pflegten. Aber in dieser Geste scheinbar züchtiger Zurückhaltung bietet sie sich doch dem männlichen Blick als das laszive Objekt einer Begierde an. deren Abgründe bislang die allerwenigsten auf der Iberischen Halbinsel vermutet hätten. Die Einrichtung und Formatierung der Typoskripte erfolgte an der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel unter tatkräftiger Mithilfe von Katrin Sönnichsen, Antje Reumann, Olaf Repenning und vor allem von Martin Diz-Vidal. Die Vorbereitungen für die endgültige Drucklegung, die Gestaltung des Lay-out und das Scannen der Abbildungen besorgten Maria Imhof, André Otto, Kurt Hahn und federführend Jörg Dünne an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihnen allen möchten die Herausgeber herzlich danken.* München, im Oktober 2001 Bernhard Teuber, Horst Weich

Am Ende des Bandes findet sich eine notgedrungen selektive Basisbibliographie, in der einschlägige Titel zur Körperlichkeits-Thematik verzeichnet sind. In den einzelnen Beiträgen werden diese Quellen jeweils mit einem Asterisk (*) versehen und nur unter einem Kurztitel augefiihrt.

I. Bilder sakraler Leiblichkeit

Rein hold Görling

Der offene Leib Christi und die sublime Schönheit Mariens. Körper, Zeichen und Raum in der Semana Santa Sevillana Deutlicher noch als bei der Bestimmung des Gegenstandes literaturwissenschaftlicher Betrachtung stellt sich für eine die Grenzen zur Anthropologie überschreitende kulturwissenschaftliche Untersuchung das Problem, daß der Blick auf eine kulturelle Praxis sein Objekt nicht unberührt läßt, ja es in gewisser Weise überhaupt erst konstituiert. Der Betrachter muß etwas schaffen, das er sich als möglichst statische Einheit gegenüberstellen kann.1 Dieses othering bleibt auch dort wirksam, wo der Gegenstand der Betrachtung von den Subjekten der kulturellen Praxis selbst als eine Einheit in Zeit und Raum organisiert und präsentiert wird. Was ist die Karwoche in Andalusien bzw. in Sevilla, dem Ort, auf den ich meine Überlegungen konzentrieren möchte: ein religiöses Ritual, ein profanes Fest, ein soziales Spiel, ein Straßentheater, eine Touristenattraktion? Ist sie ein Teil der "andalusischen Kultur", also etwas, das im Rahmen eines Ganzen lesbar ist oder durch das ein größerer kultureller Text extrapoliert werden kann? So meint etwa Timothy Mitchell, die Semana Santa sei "only the highly visible tip of a cultural iceberg", womit eine zutiefst von der christlichen Religion geprägte cultnre ofpassion der andalusischen Gesellschaft gemeint ist.2 Die ganze Größe und Form ließe sich dann zum Beispiel durch die Konstruktion geschichtlicher Kontinuität erfassen. Vielleicht aber ist die Karwoche auch ein Arrangement kultureller Zeichen, die sich längst von früheren Zusammenhängen gelöst und ganz neue Bedeutungen bekommen haben. Und ist es schon fragwürdig, von einem Begriff von Kultur auszugehen, der ihr die Qualität eines "Ganzen" oder eines zusammenhängenden Textes zuschreibt, so ist es noch problematischer, diesen Holismus umzudrehen und jede kulturelle Praxis als einen Teil dieses Ganzen anzusehen. Nicht jede Handlung, und sei sie auch so populär wie 1

Einen guten Überblick über die aktuelle Diskussion zur Problematik ethnographischer Repräsentation geben: Maitin Fuchs. Eberhard Berg: "Phänomenologie der Differenz - Reflexionsstufen ethnographischer Repräsentation", in: Iid. edd.: Kultur, soziale Praxis, Text - Die Krise der ethnographischen Repräsentation, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1993, pp. 11-108.

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*T. Mitchell: Passionai Culture, p. 1.

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Reinhold Görling

die Semana Santa, muß sich hermeneutisch in einen kulturellen Horizont einfügen lassen können; und noch weniger muß es für alle Teilnehmer einer kulturellen Praxis um denselben Horizont und um dieselbe Verfassung eines Horizontes gehen. Welche Praktiken und welche Zeichen kann man also isolieren, in welchen Zusammenhängen kann man sie lesen? Ist es möglich, das für einen Fremden sichtbare Ereignis in den Straßen von den sozialen Organisationen und Tätigkeiten zu isolieren, die direkt und indirekt an der Durchführung der Semana Santa beteiligt sind, wie zum Beispiel den cofradías oder hermandades, in deren Händen die gesamte Vorbereitung der Prozessionen liegt und die darüber hinaus auch weitere soziale Funktionen haben?3 Wie trägt man den steten Veränderungen Rechnung? Wie ist es zum Beispiel zu erklären, daß das Fest sich seit der transición und vor allem seit den achtziger Jahren eines stetig steigenden Zulaufs erfreut? Hatte die politische Funktionalisierung der Semana Santa durch den Flankismus Möglichkeiten blockiert? Haben die sozialen Modernisierungen Sehnsüchte nach religiösen Ritualen geweckt? Oder ist das Fest vor allem ein regionales Identitätszeichen? Wie ist es zu verstehen, daß Jugendliche (beiderlei Geschlechts) zunehmend das Bild prägen, ja es durchaus mit ihrer längst internationalisierten Jugendkultur zu verbinden verstehen? Und wenn sich (vor allem jüngere) Frauen mittlerweile an den Prozessionen beteiligen und Aufgaben in den Bruderschaften übernehmen, die nicht mehr nur etwas mit den traditionellen Tätigkeiten des Nähens der Kleider und des Schmückens der Figuren zu tun haben: bedeutet das, daß das Fest in seinem "Kern" beide Geschlechter gleichermaßen berücksichtigt? Und bin ich als Beobachter nicht schon längst in einen Diskurs über das Andere der andalusischen Kultur involviert? Jedenfalls ist die Semana Santa längst Teil eines andalusischen Selbstbildes; und in dieses Selbstbild wiederum ist zu einem maßgeblichen Teil die Auseinandersetzung mit dem Fremdbild, dem Topos Andalusien als sinnlich exotisches Randgebiet Europas, eingegangen, wie es von der europäischen Romantik als Gegenbild zum Selbstverständnis einer säkularisierten, entsinnlichten, rationalisierten west- und mitteleuropäischen Kultur konstruiert wurde und noch heute, auch für die innerspanischen Differenzsetzungen, wirksam und prägend ist. Dieses Zusammenspiel zwischen der Pro3

Zu den Bruderschaften und ihren sozialen Funktionen: Isidoro Moreno Navarro: "Las cofradías sevillanas en la época contemporánea - Una aproximación antropológica", in: J. Sánchez Herrero et al. edd.: Las cofradías de Sevilla - Historia, Antropología, Arte (1985). Sevilla: Universidad de Sevilla 21991, pp. 35-50.

Der offene Leib Christi

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duktion eines Fremdbildes und der wirklichen, partiellen oder auch nur vorgetäuschten Übernahme des Bildes stellt einen Zusammenhang diskursiver Macht her, der bei einer Gegenstandsbestimmung der Semana Santa beachtet werden muß. "Andalusians literally go for baroque during Holy Week", leitet zum Beispiel der schon zitierte Mitchell sein Buch über die Semana Santa ein. So viel Zutreffendes in dieser Bemerkung vielleicht sein mag, sie verdeckt das Problem des othering, indem sie eine erfundene Einheit (Andalusier) mit einer zweiten (Barock) verbindet, ohne auch nur eine von beiden hinterfragt zu haben. Mit dem EpochenbegrifT wird die räumliche Distanz durch eine zeitliche ergänzt, die "Petrifizierung" komplettiert. Aber vielleicht ist alles Barockisieren weit mehr ironisches Spiel als ungebrochene Begeisterung. Überhaupt sollte gerade ein fremder Betrachter mit der Möglichkeit rechnen, daß Feste wie die Semana Santa Praktiken einer kulturellen Selbstreflexion sind, in der die Zeichen und Symbole ebenso hinterfragt wie bestätigt werden können. Anders gesagt, die Annahme, die zum Gegenstand gemachte soziale Praxis (oder auch der zum Gegenstand gemachte literarische Text) sei mit weniger Wissen und Selbstreflexion realisiert als sie der wissenschaftlichen Betrachtung möglich sind, gehört zu den häufigsten Mechanismen des othering. Nur wenige der hier gestellten Fragen werde ich im folgenden wieder aufgreifen können. Es geht mir auch weder um eine möglichst umfassende Beschreibung der Semana Santa Sevillana noch um eine möglichst vollständige Theorie ihrer Bedeutung oder Funktion in der andalusischen Gesellschaft. Auch werde ich, obwohl und gerade weil ich teilweise auf psychoanalytische Überlegungen zurückgreife, kein Psychogramm oder eine sonstige psychologische Theorie der Andalusier und Andalusierinnen liefern. Mein Ziel ist bescheidener: Ich will versuchen, den Zeichencharakter der beiden zentralen Körperbilder zu verstehen und die verschiedenen Möglichkeiten ihrer Lektüre durchzuspielen. Zwei Körperbilder Fest, Straßentheater, religiöses Ritual: Ganz sicher sind diese sechs Tage zwischen Palmsonntag und Karfreitag bzw. Ostersamstag von all dem etwas. Über 50 Bruderschaften organisieren in Sevilla ebenso viele Prozessionen, einige mit bis zu zwölfstündiger Dauer. Die Nacht zum Karfreitag wird durchgemacht, die Stadt ist voller Leute jeden Alters, aber die Jugendlichen überwiegen. Die Stimmung, so wenigstens wie ich sie bei mehreren Besuchen erfahren habe,

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Reinhold

Görling

möchte ich als einen Schwebezustand beschreiben. Es gibt kaum Tänze oder Spiele mit ausgestellter erotischer Körperlichkeit, wie etwa auf der feria, die zwei Wochen später beginnt. Es gibt aber auch keine rituelle Enge, keine Verschlossenheit oder Keuschheit. Zwei Körperbilder werden auf den pasos, den zwei bis drei Tonnen schweren beweglichen Bühnen, durch die Straßen getragen. Zum einen Christus auf den verschiedenen Stationen seines Kreuzweges: als ecce homo, geschlagen, mißhandelt und dornengekrönt von Pilatus dem Volk zur Verhöhnung zur Schau gestellt; dann, wohl am häufigsten, als der blutend und gebückt sein Kreuz auf dem Weg zum Kalvarienberg Tragende; und als Gekreuzigter, zwischen Leben und Tod, den Leib an der Brust geöffnet und blutend; sowie der tote Körper, bei der Kreuzabnahme oder in den Armen der Virgen de la Piedad, vereinzelt aber auch in einem Sarg aus Glas. Eine zweite Bühne, der paso de palio, beschließt bei der Mehrzahl der Prozessionen den Zug: die madre dolorosa unter ihrem von zwölf silbernen Stäben getragenen Baldachin. Hier gibt es fast keine narrativen Elemente mehr, Maria ist Ikone. Ihr Körper ist mit wertvollem Samt bedeckt, ihr Haupt, gekrönt wie das einer Sonnenkönigin, trägt einen Schleier, nur ihr Hals und ihr jugendliches Gesicht sind zu sehen: ein, zwei oder auch mehr Tränen auf den Wangen. Sie scheint zu schweben, unbewegt zu schreiten, denn die Säulen, auf denen der Baldachin ruht, sind beweglich, wodurch ein im geübten Rhythmus der Schritte der (unter einem schweren Samtvorhang verborgenen) Träger und (seit einigen Jahren auch) Trägerinnen, der costaleros und costaleras, bewegter Raum entsteht. Die älteren Marien- und Christusfiguren stammen aus dem Siglo de Oro, die neueren aus dem 19. und vor allem 20. Jahrhundert. Neobarock sind die Stilelemente der Ornamentik, von barockem Maß ist die Größe der pasos, sie entspricht einer Theatralik des Beeindruckens durch Erhöhung, Mächtigkeit und die Inszenierung von Zentralperspektiven.4 Der Aufbau des Prozessionszuges, in den die beiden Körperbilder eingebunden sind, ist seit mindestens zwei Jahrhunderten im wesentlichen unverändert. Zuerst treten die nazarenos aus der Kirche: Sie tragen den capirote unter ihrer caperuza, was diesen Kapuzen die hohe Form gibt, wie wir sie zum Beispiel auch von Goyas Zeichnungen der Büßer kennen. Es folgt der paso de misterio, also der paso von Christus, dann die penitentes, die keinen capirote unter ihren Kapuzen tragen, dafür aber ein oder mehrere Kreuze schleppen. Das Ende der meisten Prozessionen bildet der paso de palio - sieht man davon ab, daß eine uniformierte Musikkapelle heute dem Zug hinterhergeht. 4

* J. A. Maravall: La cultura del Barroco, p. 507 sq.

Der offene Leib Christi

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Maria folgt ihrem Sohn, leidet mit ihm, trauert um ihn, nimmt Abschied. Diese Beziehung zwischen den beiden Tableaus gewinnt dann eine besondere Intensität, wenn es die Topographie der Straßen erlaubt oder nahelegt, im Gang der Prozession eine Begegnung zwischen Maria und Jesus zu inszenieren. Diese Begegnungen werden durch eine höchste Genauigkeit und vor allem eine extreme Langsamkeit der Bewegungen der pasos hervorgehoben. Die Kapellen unterbrechen ihre getragenen Märsche, und auch der Schlag der Trommeln schweigt in diesen Augenblicken; statt dessen werden die saetas, die im Stile des cante jondo vorgetragenen poetischen Fragmente, oft in die Inszenierung der Begegnungen eingebunden. Von der saeta haben wir die ersten schriftlichen Überlieferungen erst aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, aber die Forschung geht heute davon aus, daß sich ihre lyrische Form im 15. Jahrhundert herausgebildet hat.5 Diese und einige andere narrative Elemente erlauben es, von einer theatralen Inszenierung von Körpern in Fragmenten einer Geschichte zu sprechen. Man könnte also die Prozessionen als Performance, als Straßentheater, lesen, gestützt auf den Umstand, daß eine der Traditionen, aus denen das neuzeitliche europäische Theater entstanden ist, das Mysterienspiel, auch zu den Vorformen der heutigen Prozessionen gehört.6 Andererseits ist es aber ein Theater besonderer Art: Obwohl die Rollen zwischen Akteuren und Zuschauern deutlich getrennt sind, inszenieren die Zuschauer das Spiel mit, indem sie durch ihre Anwesenheit den städtischen Raum in den einer Prozession verwandeln.7 Es ist also auch ein Fest - zunächst ein Fest der Stadtteile mit ihren differenten sozialen Schichtungen, dann aber im Zusammenspiel der Prozessionen auch ein Fest der ganzen Stadt. Und schließlich ist nicht nur die in diesem Fest dargestellte Geschichte 5

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Edward F. Stanton: The Tragic Myth - Lorca and Cante Jondo, Lexington: University Press of Kentucky 1978, p. 102; Marion Müllerberg: Die Saeta der Semana Santa - Ausdrucksform andalusischer Poesie und Volksfrömmigkeit, Rheinfelden: Schäuble Verlag 1985; Gerhard Steingress: "De ciegos, saeteros y flamencos - Una reflexión sobre el origen y la evolución de lo 'jondo' en el cante flamenco", Demófilo 12 (1994), 93-107. Zu den Spuren des Mysterienspiels und anderer dramatischer Elemente: Geoffrey Lester: "Holy Week Processions in Seville", Medieval English Theatre 8, 2 (1986), 103-118: zu weiteren Orten Andalusiens: Rafael Portillo, Manuel Gómez Lara: "Vestiges of Dramatic Performances of the Passion in Andalusian's Holy Week Processions", Medieval English Theatre 8, 2 (1986), 119-133. So auch Fribourg: "[...] la foule est nécessaire, elle fait partie du spectacle lui-même. Une procession dans les rues qui ne défilerait pas au milieu d'une foule qui communie avec elle n'aurait pas de sens [...]" in: Jeanine Fribourg: "Les Rues de la ville - Scène du religieux". Archives de Sciences sociales des Religions 73 (1991), 51-62 (55).

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Reinhold

Görling

einem religiösen Kontext entnommen, auch in seiner Struktur folgt dieses Fest deutlich einem religiösen Ritual. Diese Gleichzeitigkeit religiöser, sozialer und ästhetischer Formen und Funktionen ist - zumindest für jemanden, der aus einer protestantisch geprägten Region kommt - eines der faszinierendsten Elemente der Semana Santa in Sevilla, denn die sakralen und profanen, die politischen und die ästhetischen Wahrnehmungsweisen scheinen sich nicht zu stören oder zu blockieren. Das trifft auch fiir die Präsentation und Rezeption der beiden Körperbilder zu. Sie stehen in Distanz zu den heute herrschenden geschlechtsspezifischen und sexualisierten Körperbildern, ja in gewisser Weise stellen sie deren Umkehrung oder Perversion dar. Der leidende, blutende, geschändete, geöffnete Körper Christi ist ein Gegenbild zum aktiven, verschlossenen oder seine Öffnungen schützenden und autonomen Körperideal des Mannes. Das wird auch in den saetas, die an die Christusfigur gerichtet und teilweise in der ersten Person aus der Sicht des Leidenden formuliert sind, auf den verschiedenen Stationen seines Kreuzweges immer wieder herausgestellt. Der nackte, blutende, schwitzende Körper der Flagellation: "Desnudo el cuerpo sagrado / lleva nuestro Redentor, / escupido y azotado, / Ueno de sangre y sudor / y a la columna amarrado."8 Auf dem Weg zum Kalvarienberg, das Kreuz tragend, der Ohnmacht nahe, entsteht das Bild eines von der Fragmentierung bedrohten Körpers: "¿No hay quien me ayude a llevar / este leno tan pesado, / que llevo el hombro molido / y el cuerpo descoyuntado?" (AT 256, cf. auch AT 315, AT 690) Ein "Dios hecho pedazos" (AT 619), ans Kreuz genagelt, den Leib durch einen Lanzenstich geöffnet: "En una cruz lo pusieron / desnudo y descoyuntado, / y una lanzada le dieron / en su divino costado." (AT 315) Christi Körper ist feminisiert: Er repräsentiert angstbesetzte Körperbilder der Selbstauflösung, des Autonomieverlustes, der geöffneten Innen-Außen-Grenzen des Körpers, des Blutens, der Verunreinigung und schließlich der Fragmentierung. Alles dies Bilder, die in den herrschenden geschlechtsspezifischen Diskursen mit denen des weiblichen Körpers verbunden werden. Der Körper der Frau aber wird in der Konstellation der Prozessionen von diesen Bestimmungen gereinigt, ja er wird weitgehend zum Verschwinden gebracht. Unter dem überproportional weiten Gewand haben diese Marienfiguren übrigens in der Tat keinen 8

Agustín Aguilar y Tejera ed.: Saetas Populares - Recogidas, ordenadas y anotadas por Agustín Aguilar y Tejera, Madrid: Compañía Ibero-Americana 1928, p. 34 (=AT 153). Da die von Aguilar y Tejera gesammelten saetas im Druck mit fortlaufenden Nummern versehen sind, gebe ich diese im folgenden nach dem Sigel an.

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Körper: Kopf, Hals. Hände und Kleid werden von einem Gestell aus Holz und Draht getragen. Selbst das Haar verschwindet unter dem tocado, dem Kopftuch, das sich allerdings erst seit dem 19. Jahrhundert durchgesetzt hat.9 An der höfischen Mode des 19. Jahrhunderts orientiert ist auch die übrige Kleidung der in ihren bildhauerischen Elementen manchmal sogar aus dem 16. Jahrhundert stammenden Statuen. Die Kleider sind hochgeschlossen, die Brust meist zusätzlich durch das Tuch verdeckt, so daß sogar die mit der Marienfigur sonst oft verbundene Körperlichkeit der nährenden Mutter vollständig verschwunden scheint. Nur in einem sublimen Zeichen bleibt ihr Körper repräsentiert: in den nur aus der Nähe sichtbaren Tränen und, noch stärker vom Körper gelöst, im panolito, dem Tränentuch, das sie in einer Hand hält und das sich ebenfalls erst in den letzten hundert Jahren durchgesetzt hat. Tränen sind geruch- und farblos, sie sind die "reinste" aller Körperflüssigkeiten: "perlas no las igualan." (AT 577) Blumen trinken die Tränen wie Morgentau (AT 800), und fallen sie zu Boden, "de cada una brotaba una rosa y una perla." (AT 586) Die Mineralisierung und Vegetalisierung, die die Tränen in den Metaphern der saetas erfahren, entsprechen der Entkörperlichung, die die pasos de palio darstellen. Überhaupt stützt die Poesie der saetas die Annahme, daß die mit solchen Attributen gepriesene Reinheit und Schönheit der Maria als ein Bild, als Repräsentation eines Ideals und damit - ich komme darauf zurück - als Allegorie verstanden wird: "En el cielo hay una mare / soberana de hermosura: / en el mundo estä su imagen: / La virgen de la Amargura, Reina de tierras y mares." (AT 785) Doch verschwindet der Körper eben nicht ganz, die Tränen sind ein höchst sublimes und zugleich höchst intensives Zeichen, in dem sich alles verbirgt oder verbergen kann: die Nahrung im Tau, der Samen und der Schoß in der Rose, die Einheit, der Schutz, aber wohl auch die Abweisung in der Perle. Die ausgestellte, feminisierte Körperlichkeit des Mannes, die in höchst sublimen Zeichen repräsentierte der Frau: In welcher Beziehung stehen diese beiden Bilder zueinander und wie ist die Umkehrung alltäglicher Körperbilder zu verstehen? Sind die Bilder reversibel? Bestätigen sie darin die alltäglichen Bilder? Werden sie fetischisiert, werden sie als Zeichen zu Objekten der Triebbesetzung? Oder gehen solche Überlegungen schon immer durch das Wahrnehmungsfilter einer geschlechtsspezifischen Sexualisierung des Körpers, die so erst ein Produkt des 19. Jahrhunderts ist, wie Michel Foucault gezeigt hat, und 9

Juan Miguel González Gómez: "Sentimiento y simbolismo en las representaciones marianas de la Semana Santa de Sevilla", in: Sánchez Herrero et al. edd.: Las cofradías de Sevilla, pp. 119-153(132).

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für die Entstehungszeit der Prozessionen und ihrer Bilder jedenfalls nicht angenommen werden kann?10 Stellen diese Tage der Semana Santa vielleicht so etwas wie eine Ausnahme, eine Entlastung vom alltäglichen Druck zur Erfüllung von Rollenerwartungen dar? Und werden die Zeichen vielleicht auch geschlechtsspezifisch unterschiedlich gelesen? Keine dieser Fragen läßt sich von außen beantworten, es lassen sich allenfalls modellhaft Kontextualisierungen durchspielen, Lektüreweisen. Weitgehend auszuschließen ist eine unmittelbare Kontextualisierung, also eine, die unbeachtet läßt, daß es sich hier um eine besondere Form der Produktion und Rezeption kultureller Zeichen handelt. Übersieht man dies, was allerdings nur zu oft geschieht, dann werden die Körper als direkte Repräsentationen von Geschlechterrollen oder ihrer Perversionen gelesen, dann erscheint der leidende Körper Jesu etwa als masochistischer Fetisch, das Bild der Maria als Enteignung der Körperlichkeit der Frau und als Aufforderung zu ihrer Schändung." Ich will gar nicht ausschließen, daß eine solche Lektüre außerhalb der Semana Santa möglich ist, und es ließen sich genügend Beispiele für eine solche Fetischisierung dieser Körperbilder, etwa in der Werbung, finden. Aber das läßt sich nicht übertragen auf die Semana Santa selbst. Sie ist als ein eigener, vielleicht eher sakraler, vielleicht eher poetischer Raum zu verstehen. Ich will deshalb zunächst Topographie und Architektur dieses Raumes etwas näher zu beschreiben versuchen. Passage Ihre mimetische Intensität bezieht die Semana Santa Sevillana in besonderer Weise durch die Herstellung, Inszenierung und Figuration von Zwischenräumen. Das Fest ist ein Zwischenraum, die Prozession ist eine Passage, die Passionsgeschichte ist eine Narration über Passagen, sie erzählt von Leben, Tod und Auferstehung, von Liebe, Trennung und Trauer. Die Thematik der Passage und die Herstellung von Zwischenräumen wiederholt sich mikrostrukturell in einer Vielfalt von Elementen. Die Höhepunkte der Prozessionen inszenieren Schwellenräume: So herrscht die intensivste Spannung, wenn die pasos durch das Portal der Kirche hinaus- oder wieder in sie zurückgetragen werden. Das fordert an einigen Kirchen äußerste körperliche Anstrengung der costaleros, sie müssen 10

Caroline Walker Bynum: "Der Leib Christi im Spätmittelalter - Eine Erwiderung auf Leo Sternberg", in: *Ead.: Fragmentierung und Erlösung, pp. 61-109 (66 sqq.). " *Mitchell. Passional Culture, p. 128 sqq.; *D. D. Gilmore: Aggression and Community, pp. 126-153; *S. Brandes: Metaphors of Masculinity, pp. 177-204.

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tief gebückt oder auf Knien die Bühnen hindurchtragen, denn es verbleiben nur wenige Zentimeter Zwischenraum. Dem Zuschauer kann es, vor allem beim paso de palio, wie ein Geburtsvorgang erscheinen - eine Metapher, die Sevillaner selbst benutzen.1" Das wiederholt sich, allerdings mit weniger Leidenschaft, beim Ein- und Ausgang der Kathedrale, durch die alle Prozessionen hindurchgehen. Dieser Zug durch die Kathedrale ist als eine Referenz an die "Mutter Kirche" gemeint und vom Klerus auch so erwünscht, aber daß die Inszenierung von Schwellen in solch legitimatorischer oder ideologischer Einbindung nicht aufgeht, zeigt sich an der Intensität, mit der dies an vielen Orten der Stadt, vorzüglich in engen Gassen, erneut dargestellt, von den Zuschauern konzentriert beobachtet und nach gelungener Vollendung begeistert applaudiert wird. Auch die saetas werden bevorzugt in diesen Schwellenräumen den pasos, vor allem dem paso de palio. zugesungen. Zumindest einige dieser Orte der festlichen Topographie Sevillas dürften seit Jahrhunderten bestehen und somit auch ein Beispiel dafür sein, wie die Bewohner den Raum ihrer Stadt als ein Palimpsest zu lesen verstehen.13 Die Konzepte des Zwischenraumes und der Passage sind der Theorie der Übergangsriten, der rites de passage, entlehnt - ein Begriff, der durch eine 1909 erstmals erschienene Untersuchung von Arnold van Gennep in die kulturanthropologische Diskussion eingeführt worden ist. Van Gennep unterscheidet drei Phasen in einem rite de passage, die liminale mit ihren rites de marge, die Trennungsphase mit eigenen rites de séparation, die ihr vorangeht, und die Wiederangl iederungsphase mit eigenen rites d'agrégation, die ihr folgt. Nicht immer müssen alle drei Phasen voll ausgebildet sein.14 Nach van Gennep gibt es in jeder Kultur solche Riten des Überganges, denn in ihnen werden (in eher zyklisch oder eher linear verstandener Zeit) die Passagen zwischen den Ordnungen organisiert, seien sie natürlicher Art wie der Wechsel der Jahreszeiten,15 sozialer Art wie der Wechsel von Funktionsinhabern, oder individualgeschichtlicher Art wie Geburt und Tod oder der Übergang vom Kind zum Erwachsenen. An letzteres knüpft die ethnopsychoanalytische Theorie Mario Erdheims an: Der zweizeitige Ansatz der Sexualentwicklung, wie Sigmund Freud es nennt, macht es notwenGonzalez Górnez, p. 123. 13

Michel de Certeau: Kunst des Handelns (1980). tränst. R. Voullié, Berlin: Merve 1988, p. 355.

14

Arnold van Gennep: Übergangsriten (Les Rites de passages) (1909), transtt. K. Schoniburg. S. Schomburg-ScherfT, Frankfurt a. M.: Campus 1986, p. 21.

15

Zu den Jahreszeiten: Ibid. p. 171 sq.

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dig, daß der Prozeß, in dem Sprache und Körper, Subjektivität und Geschlecht zusammenkommen, mindestens zweiphasig organisiert wird. 16 Somit ist keine Kultur denkbar, die nicht wenigstens fiir die Organisation dieses Überganges eigene Formen entwickelte. Es dürfte aber wohl auch keine Kultur geben, die nicht für die Grenzerfahrungen der Geburt und des Todes ebenfalls Ausdrucksoder Artikulationsformen erfunden hätte. Alle Passagen haben also etwas mit der Organisation des Verhältnisses von Körper und Sprache zu tun, von Diskontinuität und Kontinuität oder, religiös formuliert, von Fleisch und Seele. Das erlaubt es einem anderen zeitgenössischen Theoretiker der Übergangsriten, Victor Turner, diese Erzählung auf das Verhältnis von sozialer Struktur und Antistruktur zu übertragen. 17 Legt man dabei das Gewicht aber stärker auf die Phase der Wiederangliederung in eine gesellschaftliche Ordnung, lassen sich die rites de passage als eine Form der Opferriten verstehen, wie René Girard argumentiert: Mit dem Opfer wird das Chaos, das Unbestimmbare, das Sakrale wie das Erniedrigte, das mit zu viel ur.d das mit zu wenig Differenzbestimmungen Markierte in einer sich periodisch wiederholenden Prozedur ausgegrenzt. 18 Daß die Semana Santa auf die Erzählung des Übergangsritus anspielt, ist deutlich. Aber in welcher Weise? Überschreibungen "In sein Gesicht starrt sie und sieht, / was sie verloren hat - seine Mutter / die ihn an das Totenreich verlor. / Oh, welch grausamer Schmerz überfällt sie dort in der Einöde. / Sie ist die Mutter, die so sehr leidet." - Diese Übersetzung hat keine saeta zur Vorlage, sondern eine der ältesten Schriften, die die mediterrane Kultur überhaupt besitzt: eine Liturgie der Sumer, ungefähr 3000 vor Christus aufgezeichnet. Inanna hieß bei den Sumern die hier angesprochene "Frau des Himmels", sie trauert um das Opfer ihres Sohnes, in das sie gleichwohl hat einstimmen müssen. 19 Seit den Forschungen Frazers und anderer Anthropologen 16

17

18

19

Mario Erdheim: "Adoleszenz und Kulturentwicklung", in: Id.: Die gesellschaftliche Produktion von Unbewußtheit - Eine Einfiihrung in den ethnopsychoanalytischen Prozeß, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1982, pp. 271-367. Victor W. Turner: The Ritual Process - Structure and Anti-Structure, London: Routledge and Kegan Paul 1969. René Girard: Das Heilige und die Gewalt (1972), tränst. E. Mainberger-Ruh, Frankfurt a. M.: Fischer 1994, p. 412 sqq. Marina Warner: Maria - Geburt, Triumph, Niedergang - Rückkehr eines Mythos (1976), München: Trikont 1982, p. 245 sqq.

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dürfte es kaum noch ernsthaft zu bestreiten sein, daß die Karwoche mit ihren beiden Hauptfiguren eine sich über die Jahrtausende immer wieder neu tradierende Mythologie des Opfers fort- oder überschreibt.20 Aber haben die Zeichen noch dieselbe Bedeutung? Und ist die Struktur der Erzählung noch beibehalten und vollständig? "Cordero divino" (AT 159): Die Ansprache an Jesus als göttliches Opferlamm ist in den saetas geläufig. Näher zu antiken Traditionen stellt Federico García Lorca die Christusfigur. In seinem "Poema de la saeta" - das er schrieb, nachdem er 1921 zusammen mit seinem Bruder und mit Manuel de Falla die Karwoche in Sevilla verbracht hatte - stellt er den Zusammenhang zu Dionysos her.21 Das Fest, wie es heute gefeiert wird, läßt sich - nicht ohne Unterbrechung und vor allem nicht ohne Veränderungen - zurückverfolgen in das 12. Jahrhundert, also in die Zeit der eigentlichen Entstehung und Verbreitung des Marienkultes, der ja bekanntlich einen großen Teil seiner Motive der höfischen Minne entnommen und diese beeinflußt hat.22 Die ältesten der cofradías entstanden in jener Zeit. Diese zunächst eher als soziale Organisationen zur gegenseitigen Hilfe zu verstehenden und übrigens für beide Geschlechter offenen Organisationen haben sich dann gegen Ende des 15. Jahrhunderts großenteils zu Büßer- oder Blutsbruderschaften gewandelt, und zwar insbesondere unter dem Einfluß der Franziskaner,23 deren Lebensstil von dem Anthropologen Victor Turner als per-

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Schon James George Frazer hatte ja in seinem 1890 erstmals erschienenen "The Golden Bough" eine Fülle nicht nur an strukturellen Ähnlichkeiten, sondern auch an historisch belegbaren Übergängen aufgezeigt, vor allem für den römischen Kult des Attis und der großen Mutter, gefeiert am 25. März, dem Tag, an dem man in römischer Zeit die Tag- und Nacht-Gleiche festmachte und an dem auch die Christen damals die Passion feierten. Frazer verweist in diesem Zusammenhang auf ein Dokument, das einen Streit zwischen Römern und Christen um 400 belegt darüber, wer wen bei diesem Fest nachmache (James George Frazer: Der goldene Zweig - Eine Studie über Magie und Religion, tränst. H. von Bauer, 2 tt., Frankfurt a. M.: Ullstein 1977, p. 526). In Andalusien selbst war längst vor der Christianisierung ein Göttinnenkult heimisch. Die Kohlenstoffiintersuchungen an archäologischen Funden datieren entsprechende Kulte zurück bis ins 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. (Allen Josephs: White Wall of Spain - The Mysteries of Andalusian Culture (1983), Pensacola: University of West Florida Press 1990, p. 101 sqq.).

21

Federico García Lorca: Poema del Cante Jondo - Romancero gitano, edd. A. Josephs, J. Caballero, Madrid: Cátedra 15 1994, p. 168.

22

Warner, p. 169 sqq. »Mitchell, p. 42.

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manente Liminalität charakterisiert wird.24 Extensive Formen der Mortifíkation, des Flagellantentums, wurden 1796 verboten, aber die Prozessionen sind noch heute ein rituelles Ereignis, bei dem sich einige der beteiligten Büßer und Büßerinnen und vor allem der costaleros die Rücken, Nacken und Füße blutig scheuern. "Vienen de los remotos / países de la pena [...] Y van a un laberinto. / Amor, cristal y piedra", schreibt Federico García Lorca in "Arqueros", dem ersten Gedicht des Zyklus "Poema de la saeta":25 Die Liebe ist ein Labyrinth aus Spiegel und Stein, ein zerbrechliches Glück des Sich-im-anderen-gesehen-und-begehrtFindens und des sich Verlierens. Lorca überschreibt die Figur des Christus mit denen anderer großer (und scheiternder) Liebender: neben dem schon erwähnten Dionysos nennt er Don Juan, in "Procesión" folgt Don Quijote: "Por la calleja vienen / extraños unicornos. / ¿De qué bosque mitológico? / Más cerca, / ya parecen astrónomos. / Fantásticos Merlines / y el Ecce Homo, / Durandarte encantado. / Orlando furioso." Die Anspielung auf Dor. Quijotes Abenteuer in der Höhle von Montesinos, wo der Ritter mit dem von Merlin verzauberten Durandarte zusammentrifft, ist deutlich (II, Kap. XXIII). In unserem Zusammenhang wichtiger noch aber ist dieses Prinzip des Überschreibens religiöser, mythischer und literarischer Figurationen selbst. Einen fixierbaren Ursprung gibt es nicht, aber auch keine einzelne fixierbare Bedeutung oder nur eine einzelne Perspektive oder Stimme: Die in der Imitatio Christi prozessierenden nazarenos mit ihrem capirote werden zu Einhörnern - auch ein Symbol der Jungfräulichkeit - , zu Sternenkundigen und zu Magiern, die den Liebenden selbst verzaubern. Polysemantik und Polyphonie der Zeichen oder Symbole: Dieses für die liminale Phase (aber eben auch für das Kunstwerk) charakteristische Merkmal erlaubt es, daß die Semana Santa aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und in ganz unterschiedlichen Rezeptionsweisen gesehen, gelesen und erlebt wird. Sie macht es aber auch unmöglich, eine als maßgebliche herauszustellen - wenigstens dann, wenn der rite de passage nicht mehr vollständig, wenn er nicht mehr durch den Akt einer Bedeutungssetzung in der Wiederangliederung abgeschlossen ist. Das aber hätte auch Folgen für die Struktur der Erzählung und für den Charakter der Zeichen in ihr.

24

Turner, p. 145 sqq. Eine beachtenswerte Kritik an Turner hat Bynum formuliert: "Geschichten und Symbole der Frauen - Eine Kritik an Victor Turners Theorie der Liminalität", in: *Ead.: Fragmentierung, pp. 27-60.

25

Garcia Lorca, p. 165.

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Liminalität Die unterschiedliche Stellung der geschlechtlich differenzierten Körperbilder in der Prozession ist deutlich: Die Figur des Christus läßt sich als die eines Subjektes verstehen, das den Ritus in allen seinen Phasen durchläuft, vom Abschied beim Abendmahl über die liminale Phase der Erniedrigung, des sozialen und physischen Todes bis zur Wiederangliederung in der Auferstehung als Gottes Sohn. Das in der Semana Santa überwiegend ausgestellte Körperbild Jesu ist das der liminalen Phase: der Umkehrung unterworfen, erniedrigt, entblößt, feminisiert, der Autonomie und der Grenzen seines Leibes in seinen blutenden Wunden verlustig, fragmentiert, die Grenze zwischen Leben und Tod überschreitend, ja der Ordnung des Vaters, der Sprache, zumindest einen Augenblick lang ganz entzogen: "¿Por qué me has desamparado, en los últimos momentos de mi agonía?" (AT 376) Gerade in der Poesie der saetas wird dieser Riß des Bandes zwischen Vater und Sohn immer wieder artikuliert.26 Der sakrale, liminale Leib ist ein aus aller Ordnung der Differenz gefallener Körper, ein Ding, ein Abjekt.27 Weshalb aber erweckt seine Präsentation, seine Zurschaustellung, keinen Schrecken, keine Abwehr, ruft sie keinen Ekel hervor, wie es sicher geschähe, würde man etwa mit der Fotografie eines in einem Bürgerkrieg derart mißhandelten Leibes konfrontiert? Reicht der Hinweis, daß alle Zuschauer dieser Repräsentation von der Struktur des Dramas wissen, die dem Geopferten eine Rückkehr in die Ordnung zusichert? Es gibt ein viel wichtigeres anderes Element dieses Dramas, das eine Rückkehr absichert: die Figur der Maria. Der Augenblick der Begegnung zwischen den beiden pasos, der, wie gesagt, mit besonderer Intensität inszeniert wird, ist auch ein Augen-Blick der Sprachlosigkeit: "En la calle la Amargura / Madre e Hijo se encontraron / y no pudieron hablarse. / De tierna cera quedaron." (AT 280) Es gibt etwas jenseits der Sprache, selbst nicht darstellbar, aber doch in einer Figuration repräsentierbar; oder, was vielleicht dasselbe ist: Das Nichts jenseits der Sprache läßt sich flgurativ binden in der weitgehend entkörperlichten Mutter und Geliebten Maria. Maria steht nicht in einer Umkehrung: Selbst jene Körperlichkeit der Öffnungen, Ausscheidungen und ungewissen Grenzen, die der kulturelle Diskurs mit dem Körper der Frau verbindet, ist nicht verschwunden, sie bleibt in der allerdings hoch sublimen Form der Tränen repräsentiert. 26 27

AT 378-386, 444. Zum Begriff des Abjekts: *J. Kristeva: Pouvoirs de l'horreur.

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Das heißt, sie steht nur dort, wo die Frau im kulturellen Diskurs (ob als Mutter oder als Geliebte, ob als Jungfrau oder als Hure) schon immer situiert wird: in der Liminalität, als Schwellenfigur und als symbolische Hüterin der Grenzen. Während für Christus im Ritual der Semana Santa die Umkehrung symmetrisch und deshalb auch wieder rückkehrbar ist, wird sie für Maria zu einer Einbahnstraße: Sie verliert ihr Kind und ihren Liebhaber, sie verliert ihren Körper, ohne eine Chance zu haben, ihn wiederzugewinnen. Sie bleibt in der Liminalität: eine fast körperlose Schönheit, ein Ideal. Es ist nun aber bemerkenswert, daß die Karwoche in Sevilla ihren Höhepunkt in der Nacht zum Karfreitag hat. Wenn das Sonnenlicht am Karfreitagmorgen Nacht und Dämmerung verdrängt hat, geht die Karwoche in Sevilla eigentlich zuende. Was am Samstag folgt, ist Ausklang. Eine Prozession des Resucitado am Ostersonntag hat es nachweislich über dreihundert Jahre lang nicht gegeben. Erst 1982 wurde auf Druck der Kirche die Dramaturgie des Passionsrituals "vervollständigt", was aber bis heute fast keinen Anklang bei den Sevillanern gefunden hat.28 Der Ostersonntag ist im festiven Kalender Sevillas auch von einem anderen Ritual belegt, das ebenfalls etwas mit Rolleninversion, Körper und Tod zu tun hat, aber viel deutlicher und vollständiger der Struktur eines Opferritus folgt: Am Ostersonntag wird in der maestranza in Sevilla die spanische Stierkampfsaison eröffnet. Allegorie Ich möchte diesen Umstand der Fragmentierung des religiösen Rituals und damit einer möglichen Entsakralisierung zum Anlaß nehmen, nach den beiden Körperbildern noch einmal in einem anderen Kontext zu fragen und sie als ästhetische Figurationen, als zentrale Zeichen eines Straßentheaters zu lesen versuchen. Möglich aber wird das wohl erst, wenn sich zeigen läßt, daß der normbildende, Ordnung setzende Akt des Opfers und der Wiederangliederung hinter dem einer poetischen mimesis des thetischen Aktes zurücktritt und damit das Verschwinden des Körpers hinter dem Zeichen selbst thematisch und hinterfragbar wird.29 Die Marienfigur wäre dann als eine Allegorie zu lesen, als eine Allegorie verstanden in der Weise, wie sie von Walter Benjamin am barocken Trauerspiel entfaltet worden ist: als Sprache, die nicht nur die Willkürlichkeit 28

29

Isidoro Moreno Navarro: La Semana Santa de Sevilla - Conformación, mixtificación y significaciones (1982), Sevilla: Universidad de Sevilla 31992, p. 58 sq. *J. Kristeva: Die Revolution der poetischen Sprache, p. 70, p. 77 sqq.

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der Zeichen, sondern in dialektischer Bewegung den thetischen Akt, die "Urgeschichte des Bedeutens", wie Benjamin formuliert, lesbar macht.30 "Die Allegorie ist am bleibendsten dort angesiedelt, wo Vergänglichkeit und Ewigkeit am nächsten zusammenstoßen." 1 Die Fragmentierung des Rituals richtet die Elemente der (gleichwohl ja bei allen Beteiligten als bekannt vorauszusetzenden) Dramaturgie, die mit der Wiederangliederung, der Auferstehung und Wiedergeburt zu tun haben, auf die Figur der madre dolorosa, der "estrella de la mañana", wie es in mehreren saetas der Lauretanischen Litanei folgend - heißt (AT 809), nicht auf die von Jesus. Dieser ist wichtig als Leidender, Verwundeter, Gedemütigter und Sterbender, als der, der all dies mit Würde trägt. Das verleiht ihm Autorität. Wenn der das Kreuz tragende Jest'ts del Gran Poder in der Dämmerung des Donnerstagabend seine in einem eher bürgerlichen Stadtteil gelegene Kirche verläßt, hält die Menge auf der vollbesetzten Plaza San Lorenzo den Atem an; und das ist keine beliebige Metapher: Niemand spricht ein Wort, ja der Austausch von Innen und Außen ist einen Augenblick lang stillgestellt. Wenn dann nach dem langen Zug der penitentes die Marienfigur kommt, beginnt die Menge zu klatschen. Bei den beliebtesten Marienfiguren, der Macarena zum Beispiel, der Gitana oder der Triana, die alle in Stadtteilen mit proletarischer Tradition zu finden sind, erheben sich (von Frauen und Männern gleichermaßen) "¡Guapa, Guapa, Guapa!"Rufe. - Vielleicht kann man die soziale Differenzierung in der Dominanz der Adorationen dahingehend verstehen, daß vor allem diejenigen sich im vollständigen Drama, das die Christusfigur durchläuft, wiedererkennen, die sich aufgrund ihrer sozialen Machtstellung mit dem Akt der Setzung der symbolischen Ordnung identifizieren. Allen diesen bejubelten Figuren der mater dolorosa ist gemeinsam, daß in ihren Gesichtern Tränen und Lächeln, Trauer und Wissen sich nicht ausschließen, ja - wie in Benjamins Bestimmung der Allegorie Vergänglichkeit und Ewigkeit - dichter noch als in anderen Marienfiguren zusammenliegen. Es geht also in der Konstellation der beiden Körperbilder von Christus und Maria gerade nicht um die Inszenierung eines Gegensatzes zwischen Leid und Tod auf der einen, Schönheit und Jugend auf der anderen Seite. "El hijo lleva la cruz / pero a la madre le pesa!" so zwei Zeilen aus einer saeta. (AT 281) Die Passion der Ma30

Walter Benjamin: "Ursprung des deutschen Trauerspiels" (1928), in: Id.: Gesammelte Schriften /, edd. R. Tiedemann, H. Schweppenhausen Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1974, pp. 203-430 (342).

31

Ibid. p. 397.

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ria ist der von Jesus nicht nur gleichwertig, sie ist sogar in eigentümlicher Weise höher. Wohl sieht man die sieben Schwerter in Marias Herzen nicht; aber doch sind sie präsent, vielleicht in der sublimen Flüssigkeit ihrer Tränen: "Lleva vestido de luto, / en el pecho siete espadas, / y un pañolito en las manos / para sacarse las lágrimas." (AT 799) Ein besonderes Zeichen weist die schon erwähnte Skulptur der Maria Santísima de la Esperanza Macarena auf, die wohl berühmteste der Marienfiguren, Beschützerin vieler eher marginalisierter Gruppen (wie der der Stierkämpfer) und - auch durch die historische Berufsstruktur der Mitglieder der Bruderschaft belegt - einer proletarischen Tradition verbunden: 32 Ihr Gesicht zeigt ein Mal, eine kleine Narbe, und der Geschichten werden viele erzählt, wie es dazu gekommen sein soll. Werden in einzelnen saetas die Leiden von Jesus und Maria als körperliche metaphorisch gleichgesetzt - "atados en un amor / y penados en un dolor / y en una cruz abrazados" 33 - so läßt sich dieses Mal als Hinweis lesen, daß in der Figur der Maria ein Körperschicksal, wie es an der Figur des Jesus erzählt wird, vorausgesetzt werden muß: das Schicksal der Zeichnung, der Verletzung oder des Verlustes des eigenen Körpers beim Eintritt in die Ordnung der Sprache, beim Akt der Bezeichnung. Das Opfer wäre mithin nicht nur der an das Kreuz genagelte Leib, sondern jeder Leib, jeder Körper; und Schönheit, wie sie das Bild der madre dolorosa figuriert, wäre nicht der Gegensatz, sondern der sublime Ausdruck der Erfahrung des Todes. Aber wie ist eine Erfahrung des Todes denkbar und möglich? Wie an die Threnodie läßt sich auch an dieses Bild die Frage stellen, ob es soziale Rahmung des Todes oder seine Erfahrung ist. Kann man vom Nichts, von dem, was kein einzelner wissen kann, sprechen? Ich möchte hier mit einigen Überlegungen der Psychoanalyse antworten: Freud hat die Möglichkeit der Repräsentation des Todes im Unbewußten - wohl mit einer gewissen Provokation gegen die in der Malerei, der Literatur und vor allem auch der Philosophie Europas so deutliche (und listenreiche) Tradition einer Bezugnahme auf den Tod - an den ödipalen Konflikt, bzw. die Kastrationsangst gebunden. 34 Der Todestrieb wirke unauffällig 35 und stumm. 36 Aber wenn es doch eine Repräsentanz des Todes im Unbe32 33 3J 35

36

Moreno, "Las cofradías", p. 36. * Mitchell, p. 167. André Green: Narcissisme de vie, Narcissisme de mort, Paris: Minuit 1983, p. 256. Sigmund Freud: "Jenseits des Lustprinzips", in: Id.: Gesammelte Werke, ed. A. Freud, t. Xin, Frankfurt a. M.: Fischer ?1972, p. 69. Sigmund Freud: "Das Ich und das Es", in: Ibid. pp. 275, 289.

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wußten geben kann, dann, so eine Überlegung Julia Kristevas,37 als Erinnerungsspur eines Risses, einer Unterbrechung, einer Leere. Die Entstehung und Entwicklung von Subjektivität ist mit dem Erleiden von Trennungen und den Erinnerungsspuren, die diese hinterlassen, nicht nur lose oder peripher verbunden, sie sind nicht nur Kosten, sondern auch Konstitutionselemente. Ohne sie sind weder die sowohl lebensgeschichtlich ersten wie logisch primären noch alle späteren Trennungen denkbar: von den Differenzierungen zwischen An- und Abwesenheit über die Trennungen zwischen Innen und Außen, zwischen Ich und Nicht-Ich bis hin zu den komplexen raum-zeitlichen Differenzierungen der Subjektivität eines Erwachsenen. Es gibt keine Entwicklungen ohne Übergänge und keine Übergänge ohne Brüche oder Risse: Diese Momente einer Erfahrung der Leere sind Stücke von Initiationsriten, die Kinder, Jugendliche, Erwachsene in - oft bis zur Unkenntlichkeit im Alltag verborgenen - Inszenierungen eines "ersten Mals" erleben. Latent, vielleicht auch bis zu einem gewissen Grad manifest, aktualisiert jeder dieser Übergänge die ersten, lebensgeschichtlich frühen Spuren der Leere. In der institutionellen und der imaginären Verfassung unserer Kultur ist diese Dramatik in besonderer Weise mit der Figur der Mutter verbunden. Der Verlust aller Differenzen im Zustand der Liminalität wiederholt den eigentlich ausweglosen Verlust während einer ersten Trennung oder Spaltung: Die Erfahrung des Ich, oder genauer, die Existenz einer Instanz, aus der ein Ich entstehen kann, setzt das Erleiden einer Trennung voraus; eine Rückkehr ist unmöglich, bedeutete sie doch den Verlust eben dieser Instanz. Sprache kann diese Trennung zwischen An- und Abwesenheit, Innen und Außen, Ich und Nicht-Ich stabilisieren, aber die Inszenierung der Verlusterfahrung in der Semana Santa nimmt auch diesen Halt: "Vater, warum hast du mich verlassen?" Der melancholische Konflikt rührt an die Spuren der Angst nicht nur um den Verlust eines geliebten Objektes, sondern um den jeden Objektes - und damit auch des Selbst. Diese Spuren sind nicht-ursprüngliche Ursprünge, Markierungen der Leere, ein Nicht-Darstellbares; Gewalt der Ausstoßung, auch des eigenen in dem, was durch diese Ausstoßung zum Gegenüber wird. Die madre dolorosa ist die verführerischste Figuration dieses Nicht-Darstellbaren. Im bewegten Raum zwischen Bühne und Baldachin hütet sie am Ende des Prozessionszuges die Schwelle, öflfnet den leeren Raum jenseits der Sprache, nimmt aber das Subjekt auch wieder in das Diesseits der Sprache auf. Ihre Körperlosigkeit macht sie zugleich an- und abwesend, und auch die Narration trägt dem Rech37

Julia Kristeva: Soleil noir - Dépression et Mélancolie, Paris: Gallimard 1987, p. 35 sq.

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nung, indem sie Maria als die einzige imaginiert, die ohne zu sterben, ohne Riß, ohne Kreuz in den Himmel auffahrt. Sie braucht keine Auferstehung, sie schwebt hinüber, ist ewiges Fließen. "En tu barco de luces / vas / [...] / por el río de la calle, / ¡hasta el mar!" schreibt García Lorca.38 Schönheit ist das Resultat einer Macht, die wohl nur die Imagination besitzt: der Macht, Leere in die Präsenz eines verzückenden Bildes, eines sublimen Ideals zu verwandeln. Schönheit ist also dort am intensivsten, wo Leere und Präsenz, Ab- und Anwesenheit kaum trennbar aufeinandertreffen. In den Inszenierungen der Semana Santa in der Aufeinanderbezogenheit der Körperbilder des leidenden und abjekten Leibes Christi und der körperlosen Gestalt der Maria; in der Figur der Maria selbst im Zugleich von Wissendem und Lächelndem ihres Ausdrucks; oder auch im Zugleich von Markierung und Vollkommenheit. Was diese Allegorie kaum oder gar nicht mehr verdeckt, das ist das Element des - für Kinder jeden Geschlechts notwendigen - Matricides, ohne das es wohl ein Ich und ohne das es die abendländische Dynamik der Imagination nicht geben könnte. Schönheit, figuriert in der madre dolorosa, transformiert den Verlust, die Leere, um sie lebendig zu machen. Diese ponderación misteriosa ist die europäische Dynamik der Imagination. Sie ist etwas so vollständig Künstliches, daß es - und die rhetorische Figur der Allegorie bringt es auf den Begriff - den Bruch, die Leere und die Willkür nicht mehr verbergen kann. Sie schafft einen Raum der Imagination, zu sublim, um je gelebt werden zu können, zu mächtig, als daß er nicht zum Ideal des erotisch erfüllten Raumes würde. Schönheit, ich paraphrasiere Kristeva,39 ist der Königsweg, den Kummer über Trennung und Verlust zu transzendieren. dem Leiden Sprache zu geben. Aber diese Dynamik schreibt sich in die Geschichte des christlichen Körpers als Entkörperlichung einerseits, als Erotisierung des Leidens andererseits ein. Womit auch die Prozession von neuem begänne: mit dem Bild des leidenden Körpers und mit der Imitatio Christi der penitentes. "Eja Mater, fons amoris, / Me sentire vim doloris / Fac, ut tecum lugeam" so das im Umkreis der Franziskaner entstandene Stabat mater. Will man das Jubilatorische dieser Zeilen ganz begreifen, so hat Kristeva einmal angeregt, solle man diese Poesie in der Vertonung von Pergolesi hören.40 Wohl keine andere 38

Garcia Lorca, p. 170.

39

Kristeva, Soleil noir, p. 111.

40

Julia Kristeva: "Stabat Mater", in: Ead.: Geschichten von der Liebe (1983). transit. D. Hornig, W. Bayer, Frankfurt a. M.: Suhikamp 1989, pp. 226-255 (254).

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Ausdrucksform kann Jubel und Trauer so eng sich überlagern lassen wie die Musik. Möglich, daß die andalusische Semana Santa mit der Kunstform der saeta einen Imaginationsraum schafft, der sich von der europäischen Dynamik der ponderación misteriosa unterscheidet. Wenn in den Schwellenräumen der Prozessionen die Kapellen ihr Spiel unterbrechen, die Trommeln schweigen, die Zuschauer in ihren Gesprächen innehalten und von irgendwoher die plötzliche Stille vom "pfeilartigen", aufzuckenden Gesang der saetas erfüllt wird: Dann verliert sich in ihrer eigenartigen Tonalität alle Bildlichkeit, dann öffnen sich Sprache, Stimme, Laute für die Rhythmen, Spuren und Impulse des Körpers. Vielleicht kann man sagen, daß in der saeta das melancholische Körperbild der Nähe von Schönheit und Vergänglichkeit der jonissance eines melancholischen Körpers selbst weicht, daß Raum, Zeichen und Körper für einen Moment eins werden.

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Cuerpos sagrados. En torno a las imágenes perversas de la carne en España En Baton Rouge, película española de suspense rodada en 1988, Victoria Abril, actuando de lesbiana, seduce muy intencionadamente a Antonio Banderas y, poniéndole un preservativo en el momento justo, consigue conservar el semen de su amante para ulteriores usos criminales...1 En La noche oscura, película en la que Carlos Saura relata la prisión de San Juan de la Cruz en el convento de Toledo, observamos al pobre fraile hostigado por las tentaciones de la carne. En la soledad de su mazmorra, el cautivo parece estar a punto de ceder a los ataques del espíritu de lujuria y, en uno de los siguientes planos de la versión no recortada, se le descubre una larga mancha en su hábito...2 En Kika, película de Pedro Almodóvar, un joven mentalmente trastornado, tras haberse escapado de una procesión de flagelantes y tras un intento frustrado de violación, eyacula desde lo alto de una ventana, y una gota de su esperma le cae en la mejilla a una reportera de televisión que le está filmando desde abajo...3 Basten estos tres ejemplos con sus detalles necesariamente crudos para comprobar que la cinematografía española del posfranquismo y, seguramente, también otras artes, están obsesionadas con insólitas imágenes eróticas; son imágenes que remiten, sin duda, a prácticas que un Ricardo von Krafft-Ebing, padre de la moderna psicopatología sexual, hubiera adjudicado al campo de las perversiones.4 Muchos críticos "bienpensantes" del otro lado de los Pirineos suelen interpretar la evidente insistencia en tales imágenes perversas como un indicio e incluso como un logro de la ineluctable europeización de España -como si describir, pintar y ¿cómo no? filmar el caleidoscopio de las perversiones eróticas correspondiera en el plano cultural a la integración en la OTAN o a la entrada en la Unión Europea en el plano político-económico-. El omnipresente y abigarrado 1 2 3 4

Balón Rouge, director Rafael Moleón, España, 1988. La noche oscura, director Carlos Saura. España, 1989. Kika, director Pedro Aknodóvar. España. 1993. Véase el clásico manual de *Richard von Krafft-Ebing: Psychopathologia sexualis. Se trata de perversiones eróticas en cuanto tales prácticas y actos del sexo no aspiran a la procreación de la especie humana.

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erotismo de los años de la Transición y de la Movida sería, entonces, el resultado de un diálogo cultural entre España y las avanzadas sociedades ilustradas del Norte; diálogo, por supuesto, en el que España hubiera acabado por adoptar la actitud más tolerante y liberal de los demás europeos. Permítasenos preguntar, sin embargo, si en las artes de los países transpirenaicos se le da la misma importancia como en España a las imágenes de un escabroso erotismo más o menos perverso. Cuando comparamos, por ejemplo, el cine europeo y americano con el cine español, se nos antoja que existe una división del trabajo. Las películas extranjeras parecen exaltar los aspectos radiantes de un erotismo placentero y purificado mientras en España se hace hincapié en los aspectos opacos, impuros y vergonzosos del sexo. En el cine transpirenaico, la típica aventura erótica suele desembocar en una lograda cópula carnal entre macho y hembra. En España, por lo contrario, las aventuras eróticas se complican, se desvían y se accidentan a menudo por motivos materiales, corporales e incluso fisiológicos; de ahí las constantes alusiones a los peligros que puede correr el cuerpo, especialmente el cuerpo masculino, como lo son la impotencia, la fimosis, la eyaculación precoz o retrasada, etc. etc. Hay que señalar todavía otra vertiente de nuestro tema. Si en España las artes exhiben con tanto entusiasmo las imágenes perversas del cuerpo, este procedimiento adquiere un significado aún más provocativo en una sociedad que ha sido profundamente marcada por la religión cristiana bajo su aspecto católico. En la moral católica, las perversiones eróticas han sido juzgadas desde hace muchos siglos como pecados de la carne que contradicen el sexto mandamiento y proceden del vicio de la lujuria. s He aquí otra interpretación aparentemente plausible de las perversiones en España: difundir abundantemente las imágenes del erotismo perverso significaría superar finalmente los seculares tabúes de la moral católica; afirmar abiertamente las perversiones de la carne acusaría el proceso de secularización que España ha realizado en los últimos decenios. Las omnipresentes y abigarradas perversiones de los años de la Transición y de la Movida serían, entonces, el resultado de otro diálogo cultural entre España y su propia herencia religiosa; diálogo, por supuesto, en el que España habría acabado por rechazar el peso de aquella molesta tradición católica y dado al traste con ella.

s

Piénsese, ante todo, en la tradicional doctrina católica acerca de la lujuria que Santo Tomás de Aquino establece en los artículos al respecto de la Summa theologiae (II-L1 quaestiones 153 sq.).

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Las dos hipótesis interpretativas que estamos señalando, la del acercamiento de España hacia Europa y la del declive del fenómeno religioso, tienen su justificación. Pero la tesis que quisiéramos proponer es exactamente opuesta a lo que ha quedado dicho hasta ahora. En las imágenes perversas del cuerpo que exhiben las artes españolas no hay que ver ni una deuda externa para con Europa ni un unívoco rechazo de la tradición católica, sino más bien un nuevo avatar del discurso cristiano sobre la carne. Diálogo con Europa, por supuesto que sí; diálogo con la herencia religiosa, igualmente. Pero en el diálogo con Europa, España no asume la imagen pura del cuerpo erótico que le viene desde Hollywood y sus satélites europeos, sino que hace resaltar los ominosos aspectos impuros y perversos del cuerpo. Y, en el diálogo con la tradición cristiana, España no reniega de las bien conocidas preocupaciones de la Iglesia por las perversiones de la carne, sino que comulga con ellas y las perpetúa, desalojándolas sin embargo del campo de la moral y desplazándolas al terreno de las obras estéticas. En lo siguiente, nos gustaría esbozar muy sucintamente la genealogía cristiana y católica del erotismo perverso, con la mirada siempre puesta en la cultura ibérica. Se tratará, por consiguiente, de una genealogía que tiene su centro de gravitación en las imágenes sagradas del cuerpo, especialmente en los cuerpos sagrados por excelencia, el de Jesucristo y el de la Virgen. Para realizar esto, vamos a abarcar tres puntos: 1. Explicaremos el concepto clásico de las perversiones profanas dentro del discurso cristiano. En este discurso, las perversiones se consideran como nefandos pecados de la carne y se relegan al campo de lo maldito.6 2. Explicaremos cómo en los propios misterios de la fe cristiana está subyacente y reaparece una corporeidad perversa. A raíz de esto, las prácticas por un lado condenadas pueden asumir, no obstante, un carácter divino. La perversión de la carne posibilita, en ciertos contextos, la epifanía de la divinidad. El cuerpo

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Véase *Georges Bataille: L'Erotisme , passim. En otro lugar, el pensador fiancés afirma: "L'activité humaine n'est pas entièrement réductible à des processus de production et de conservation et la consommation doit être divisée en deux parts distinctes. La première, réductible, est représentée par l'usage du minimnm nécessaire [...] à la conservation de la vie et à la continuation de l'activité productive [...]. La seconde part est représentée par les dépenses dites improductives: le luxe, les deuils, les guerres, les cultes, les constructions de monuments somptuaires. les jeux, les spectacles, les arts, l'activité sexuelle perverse (c'està-dire détournée de la finalité génitale) représentent autant d'activités qui, tout au moins dans les conditions primitives, ont leur fin en elles-mêmes." (Id.: La Part maudite (1949) Précédé de: La Notion de dépense, ed. J. Piel, Paris: Minuit 1967, p. 28.)

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perverso se revela, paradójicamente, como un cuerpo sagrado y asciende al rango de lo venerable y sublime. 3. Para terminar, mostraremos que en la cultura ibérica de nuestro siglo han persistido huellas de aquella arcaica ambigüedad de lo sagrado y lo perverso. Pero aún así tendremos que preguntarnos lo que significan las imágenes perversas de la carne en las obras estéticas de hoy en día. 1. Perversiones profanas: la lujuria, la teología moral y los pecados contra natura Hemos hablado de perversiones eróticas. Pero, ¿qué es los que se entiende exactamente por ese término? La noción se remonta, por lo menos, a los tratados escolásticos sobre la lujuria y a la clásica teología moral donde el fenómeno viene designado como el pecado contra natura. Como es harto sabido, Michel Foucault pensaba que las perversiones eran esencialmente características de los tiempos modernos porque, siempre según Foucault, la teología y el derecho medievales habían estado basados en la sola dicotomía entre la ley de la alianza matrimonial, por una parte, y los placeres extramatrimoniales, por otra. La ley de la alianza limitaba el uso lícito del placer a la pareja casada y proscribía globalmente las demás prácticas eróticas sin distinguir estrictamente entre placeres supuestamente ordinarios y otros que pudieran parecerlo menos.7 Habría que matizar, sin embargo, el pensamiento de Foucault porque él no ha tenido suficientemente en cuenta que la teología moral también conocía otra dicotomía fundamental, a saber, la distinción entre comportamientos lícitos según natura y otros actos ilícitos, llamados pecados contra natura. En un sentido amplio, estos pecados contra natura no abarcaban sólo la sodomía o la homosexualidad propiamente dicha, como se suele pensar hoy, sino toda clase de actos eróticos entre personas de uno u otro sexo que impedían o dificultaban la fecundación y, por ende, la procreación. En consecuencia, las relaciones homoeróticas eran contra natura por definición mientras las relaciones heteroeróticas podían serlo según las circunstancias. 8 La distinción entre placeres según natura y contra natura supone una estricta economía del vaso natural así como del instrumento debido. Únicamente es lícito el ayuntamiento carnal en el que el vaso natural de la mujer sirve de reci7

Véase *Michel Foucault: La Volonté de savoir, pp. 136-151.

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Para más detalles remitimos otra vez a Santo Tomás y la Summa theologiae (II-II quaestiones 153 sq).

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píente para acoger el instrumento debido del varón y su semen, a fin de que él pueda engendrar y que ella pueda concebir. Todo lo demás son prácticas ilícitas contra natura. De ahí resulta que la infracción más vistosa y espectacular contra la economía del vaso natural se realiza cuando el varón derrama su semen fuera del vaso. Poco importa, en tal caso, que el acto ocurra junto con una persona del sexo opuesto o no o incluso en la soledad. Siempre se tratará de un pecado contra natura porque no ha sido respetada la entelequia del placer erótico que consiste solamente en la procreación de los hijos. 9 Hablar, entonces, de erotismo perverso en España equivale a hablar de imágenes que exponen o aluden a pecados contra natura en el sentido tradicional de la teología. Y la patente obsesión con el derrame del semen fuera del vaso debería interpretarse tal vez no como arrogante exhibicionismo machista, sino como el indiscutible indicio de que el pecado ha sido cometido perfectamente y con todos sus requisitos debidos; pecado que para los antiguos teólogos nunca podía ser venial, sino siempre mortal. 2. Perversiones sagradas: la Natividad, la Pasión y la Imitación de Jesucristo En el entorno del Colegio de Sociología parisino se daba mucha importancia al hecho de que las civilizaciones arcaicas poseían una concepción ambigua de la sacralidad ya que el vocablo latín "sacrum" significaba a la vez lo santo y sublime así como lo abyecto y maldito.10 Según Georges Bataille y sus compañeros, una acepción unívoca de lo sagrado había sustituido en la religión cristiana, a la acepción ambigua que habían compartido las sociedades antiguas."

4

Parece evidente que la doctrina católica acerca de los usos lícitos del matrimonio se transmitió durante muchos siglos gracias al rito de la confesión auricular que está ligado al Sacramento de la Penitencia. En cuanto a la importancia de la confesión en toda la historia de Occidente, véase igualmente *Foucault: La Volonté de savoir, pp. 76-84. 10 Véase sobre todo el capítulo "L'ambigüité du sacré" en el estudio fundamental de •Georges Caillois: L'Homme et le Sacré, pp. 41-76. En un principio, Caillois retoma ideas del teólogo protestante Rudolf Otto: Das Heilige - Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen (1917), Nachdruck, München: C. H. Beck 1987. En cuanto a las teorías del Colegio de Sociología véase la antología presentada por Michel Hollier ed.: Le Collège de Sociologie 1937-1939 (1975), Nouvelle édition, Paris: Gallimard 1995. Un enfoque posmoderno sobre la categoría de lo sagrado nos lo propone Félix Duque: "La profanación técnica de Dios", in: Id. ed.: Lo santo y lo sagrado, Madrid: Trotta 1993, pp. 203-222. " Véase »Bataille: L 'Erotisme, pp. 130-142.

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En el caso que estamos estudiando aquí, la teoría de Bataille no es cierta. Claro está que, para la teología moral, las perversiones profanas tienen un significado impuro y pecaminoso. Pero, al mismo tiempo, los cuerpos sagrados que venera la Iglesia también están caracterizados por determinados rasgos perversos. Veamos en qué consisten estas perversiones sagradas del cristianismo, pero recordemos antes que en el centro de la religión cristiana está el misterio de la Encarnación del Hijo de Dios. Este misterio puede ser enfocado bajo dos aspectos: la Natividad de Jesucristo y, más tarde, su Pasión y Muerte que culmina en la Resurrección. En la Natividad, al igual que en la Pasión, la indiscutible corporeidad de la Virgen María y de su Hijo Unigénito son artículos de fe. Por consiguiente, un cuerpo sagrado femenino y un cuerpo sagrado masculino están en la base de la religión cristiana. ¿Por qué decimos, entonces, que estos cuerpos sagrados revisten características perversas? La respuesta es la siguiente: en la imaginería tradicional de la patrística y de la liturgia, la Natividad ESI COfilO l a Pasión se consideran como misteriosos actos eróticos. La Natividad se concibe como un matrimonio entre la Virgen María y el Niño Jesús, y la Pasión se convierte en tremendas bodas de sangre en las que el Hijo de Dios se une con la Humanidad entera. Las imágenes eróticas que codifican estos misterios vienen desde los Padres de la Iglesia, pero tal vez hayan arraigado con más fuerza en España que en otras culturas. Para encontrar dos ejemplos no hay que ir a buscar muy lejos: en el romance de San Juan de la Cruz sobre el Nacimiento podemos leer lo siguiente: Ya que era llegado el tempo en que de nacer auía, assí como desposado de su thálamo salía abraijado con su esposa que en sus brafos la traía al qual la graciosa madre en un pesebre ponía entre unos animales que a la sazón allí auía. 12

En estos versos, la relación entre Madre e Hijo equivale a la relación entre esposa y desposado. El "thálamo", es decir, el lecho nupcial que se menciona es el propio vientre de la Virgen. Dado que la Iglesia ha siempre exaltado la incorrupta virginidad de la Madre de Dios, queda bien claro que la cópula entre el 12

San Juan de la Cruz: "Romance sobre el euangelio 'In principio erat verbum'. acerca de la Sanctíssima Trinidad", n° 9, w . 1-10. in: Id.: Poesías, ed. Paola Elia, Madrid: Castalia 1990, p. 146.

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Hijo y la Madre ha tenido que realizarse fuera del vaso natural y que, por consiguiente, se trata de un milagroso acto contra natura. Aquí lo sobrenatural se asemeja a la contranatura. La codificación de la Pasión como matrimonio es aún más usual en la tradición. Observemos otra vez unos versos de San Juan de la Cruz, sacados de su Cántico espiritual. Habla el Esposo con la Esposa diciéndole: Debaxo del mainano allí conmigo fuiste desposada: allí te di la mano y fuiste reparada, donde tu madre fuera violada.13

En estos versos se expresa una analogía entre la unión de los amantes y el sacrificio consumado en el árbol de la cruz al cual remite alegóricamente el "maníano". En la cruz, Cristo derrama voluntariamente su sangre y entrega su vida para la salvación de la Humanidad. La Iglesia ha sostenido siempre que ella debe su fundación al derramamiento de la sangre en la cruz. El sacrificio de Jesucristo es, entonces, un acto singular de generación a partir de un cuerpo masculino que está sangrando. Menos novedoso de lo que parece resulta, en este contexto, el hecho de que un ejecutado pueda engendrar en el trance de su suplicio. En el espasmo de la muerte, los ahorcados solían sufrir una erección e incluso eyacular. Conocemos la creencia popular según la cual la mandràgora crecía precisamente del esperma que emitían los ahorcados.14 La siembra de la mandràgora desde la horca así como el derrame de la sangre desde la cruz tienen ciertas semejanzas entre sí; ambos gestos implican un acto generativo fuera del vaso y, por ende, contra natura. En cuanto al sacrificio de la cruz, la razón es evidente: el misterio de la redención y de la fundación de la Iglesia es tan extraordinario que no podía proceder de un fenómeno meramente natural, sino sólo de un acto contra natura; acto, por supuesto, que también aquí no se concibe como nefando y pecaminoso, sino como infinitamente venerable y glorioso de manera que la contranatura se va transformando de nuevo en sobrenaturaleza.

13

14

San Juan de la Cruz: Cántico espiritual, copla 28, w . 136-140 (versión de Sanlúcar de Barrameda), in: Poesías, p. 111. Véase *Hans Peter Duerr: Nacktheit und Scham, pp. 267-272. En cuanto a la mandràgora, compárese también Jean Chevalier, Alain Gheerbrant: Dictionnaire des symboles (1969), Edition revue et augmentée. Paris: Robert Laffont/Jupiter 1982, pp. 608 sq.

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Fig. 1. Giovanm Lorenzo Bemini:

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La Transverberacion de Santa Teresa

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A base de lo dicho se puede analizar el impacto que ha tenido la corporeidad de la Virgen y de Jesucristo en la historia y en la imaginería del cristianismo. Durante muchos siglos, la religión cristiana se ha definido explícitamente como una interminable Imitación de Jesucristo; imitación que incluía espontáneamente la corporeidad del Hijo de Dios y, además, de la Virgen.16 Pensemos, por ejemplo, en la Lactación de San Bernardo, en la Estigmatización de San Francisco así como en la famosa Transverberación de Santa Teresa de Jesús.17 Pero pensemos, sobre todo, en el fenómeno del martirio san., griento, estilo de vida J y muerte °

que, en España, parece haber guardado su atractivo desde los tiempos de la Santa abulense hasta Juan Goytisolo. Es muy significativa, bajo este aspecto, la anécdota del niño mártir que Goytisolo relata en el primer capítulo de Señas de identidad. En plena Guerra Civil, Alvarito, el pequeño protagonista -"niño todo vestido de blanco"-, y su niñera, la muy devota señorita 15

La celebérrima imagen de la Transverberación de Santa Teresa fue creada por el Bernini entre 1645 y 1652. La estatua está colocada en el ábside de la Iglesia de Santa María de la Victoria en Roma. En cuanto a ejemplos españoles del mismo motivo, véase Stoichita: Das mystische Auge, pp. 123-125.

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Según el historiador jesuíta Michel de Certeau, la historia de la Iglesia y, a fortiori, el fenómeno místico podrían interpretarse como el incesante intento de sustituir el "cuerpo desaparecido" de Jesucristo por manifiestos cuerpos eclesiales. Véase *Michel de Certeau, La Fable mystique, pp. 107-111.

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Para los numerosos ejemplos de las curiosísimas experiencias corporales que figuran en la pintura española del Siglo de Oro -sobre todo la visión de la Lactación-, véase Victor I. Stoichita: Das mystische Auge - Vision und Malerei im Spanien des Goldenen Zeitalters (versión original francesa), tränst. Andreas Knop. München: Wilhelm Fink 1997, pp. 8086, 123-163.

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Lourdes, salen a visitar una parroquia barcelonesa, esperando merecer padecer el martirio, en tan propicia ocasión. 1 8 Aunque Goytisolo no parece darse cuenta de ello, la aventura de sus personajes ficticios recuerda extrañamente la huida de Santa Teresa y de su hermanito Rodrigo, cuando ambos se escaparon de casa de sus padres para padecer el martirio "en tierra de moros". En su Libro de ¡a vida, la Santa nos cuenta el acontecimiento de la manera siguiente: Eramos tres hermanas y nueve hermanos [...]. Tenía uno casi de mi edad; juntábamonos entramos a leer vidas de santos, que era el que yo más quería, aunque a todos tenia gran amor y ellos a mi; como vía los martirios que por Dios los santos pasaban, parecíame compraban muy barato el ir a gozar de Dios, y deseaba yo mucho morir ansí, no por amor que yo entendiese tenerle, sino por gozar tan en breve de los grandes bienes que leía haber en el cielo, y juntábame con este mi hermano a tratar qué medio habría para esto. Concertábamos irnos a tierra de moros, pidiendo por amor de Dios para que allá nos descabezasen, y paréceme que nos daba el Señor ánimo en tan tierna edad, si viéramos algún medio, sino que el tener padres nos parecía el mayor embarazo.1'' Pero la Santa y también el padre Ribera, hagiógrafo coetáneo que nos da aún más detalles sobre el asunto, 20 miran el episodio - y la obvia tentación de hacerse mártir voluntariamente- con ojos innegablemente irónicos y que contrastan singularmente con el exacerbado sarcasmo y la amargura de Goytisolo. 2 1 D e todas formas está claro que ya los Padres de la Iglesia habían considerado la sangre de los mártires como semilla de la que iban a nacer los neófitos; constatamos, pues, otra vez un ejemplo llamativo de fecundación contra natura donde la perversión asume de nuevo los rasgos de lo sagrado.

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Nos referimos a Juan Goytisolo: Señas de identidad (México 1966), cap. I, Barcelona: Seix Barrai 1988, pp. 17-26. " Santa Teresa de Jesús: Libro de la vida (impr. 1588), cap. 1,3-4, ed. Dámaso Chicharro, Madrid: Cátedra 1979. pp. 121. 20 En la Vida de la Madre Teresa de Jesús (Salamanca 1590), el padre Francisco de Ribera explica lo siguiente: "En fin, lo tomó tan de veras [seil, la Santa], que tomando alguna cosilla para comer se salió con su hermano de casa de su padre, determinados los dos de ir a tierra de moros, donde les cortasen las cabezas por Jesucristo. Y saliendo por la puerta del Adaja se fueron por un puente adelante, hasta que un tío suyo los encontró y los volvió a su casa." (Francisco de Ribera, cit. apud: Santa Teresa: Libro de la vida, ed. Chicharro, p. 121, n. 5.) 21

En cuanto a la severa crítica de la tradición cristiana y la simultánea fascinación por la religiosidad del Vodú que el lector observa en Señas de identidad, véase Rainer Vollath: Herkunftswelt und Heterotopien - Dekonstruktion und Konstruktion literarischer Räume im Werk Juan Govtisolos, Frankfurt am Main: Peter Lang 2001, pp. 33-74.

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3. Perversiones de hoy en día: cuerpos sagrados en Lorca, Antonio Saura y Almodóvar En este último párrafo presentaremos tres ejemplos de cómo persisten huellas de una ambigua sacralidad perversa en las imágenes del cuerpo que exhiben las artes españolas del siglo XX. Todos conocemos el famoso Romance de la lima, luna de Federico García Lorca. Aunque no sepamos exactamente lo que ocurre en la enigmática fragua en la que se encuentran la Luna y el Niño, sí podemos afirmar que parece insinuarse una relación erótica entre un pequeño niño inocente y una mujer adulta, identificada con la Luna. Dice el poeta: La luna vino a la fragua con su polisón de nardos. El niño la mira mira. El niño la está mirando. En el aire conmovido mueve la luna sus brazos y enseña, lúbrica y pura, sus senos de puro estaño. Huye luna, luna, luna. Si vinieran los gitanos, harían con tu corazón collares y anillos blancos.22

Como se sabe, la luna es el atributo de la Inmaculada Concepción. Además, la primera estrofa del romance lorquiano remite dos veces al primer capítulo del Cantar de los Cantares donde se habla igualmente del olor de los nardos así como de la fabricación de collares y anillos plateados: "Murenulas aureas faciemus tibi vermiculatas argento // dum esset rex in accubitu suo / nardus mea dedit odorem suum." 23 Una exégesis tradicional del Cantar había reconocido en los diálogos amorosos entre la Sulamita y Salomón una referencia alegórica a la relación entre la Virgen María y el Niño Jesús. Indudablemente, la misteriosa mujer luna del romance evoca también a la diosa de la serpiente con sus senos nudos, pero este recuerdo arcaico se incorpora otra vez al mundo bíblico gracias al paralelismo establecido con la Virgen. Lo que podría considerarse como simple profanación del simbolismo católico se revela, al mismo tiempo, como una sacralización de un obsceno mundo pagano -como ya había ocurrido en la poesía de Rubén Darío u otros modernistas-. Los gestos lúbricos de una "bailaora" 22

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Federico García Lorca: "Romance de la luna luna" (1926). w . 1-12. in: Id.: Poema del cante jondo - Romancero gitano (1927), ed. Alien Josephs, Juan Caballero. Madrid: Cátedra 1977, p.226. Canticum canticorum iuxta Vulgatam 1,10 sq.

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pura e intocable ante los ojos precoces del niño mirón corresponden, en cierto modo, a la lectura perversa de la Natividad que desde siempre había ofrecido la Iglesia. Incluso los presagios de que el Niño tendrá que morir se encuentran ya en muchos villancicos navideños.

Fig. 2. Antonio Saura: Gran crucifixión roja y negra24

Pasemos, ahora, a un ejemplo pictórico. Se trata de un cuadro de Antonio Saura, titulado Gran crucifixión roja y negra. La obra data del año 1963 y está expuesta en el museo Boymans de Rotterdam. En el óleo de Antonio Saura, presenciamos un espectáculo tremendo. La imagen del crucificado apenas se reconoce porque aparece tan sólo un bulto de carne despellejada. El cuerpo lleva rasgos andróginos; podemos adivinar a la vez un pene de hombre y dos pechos

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Antonio Saura: Grande Crucifixion rouge et noire (1963), 195 cm x 243 cm, Rotterdam: Museum Boymans-van Beuningen, inv. 2693. Véase el catàlogo de Rainer Michael Mason: Antonio Saura - Malerei 1956-1985, Madrid Ministerio de Cultura - München: Städtische Galerie im Lenbachhaus 1990. pp. 104 sq.

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desmesurados de mujer.' También aquí se podría aludir a un famoso versículo del Cantar que solía aplicarse a Cristo y en el que la Sulamita equipara a su amado con una mujer que da el pecho: "quia meliora sunt ubera tua vino". 26 Pero los pechos del crucificado no amamantan a sus criaturas ni con leche ni con vino, sino con su propia sangre, a manera del ave pelícano; es una perversa lactancia sanguinolenta. El cuerpo entero del crucificado está derramando su sangre mientras su pene eyacula esperma, como en el ya mencionado caso de los ahorcados. La crucifixión se nos presenta así como un sangriento rito arcaico del improductivo desgaste carnal hasta la muerte. He aquí un fenómeno parecido al del romance lorquiano: en Antonio Saura, la perversión de la carne crucificada es tan ambigua como lo había sido la pureza lasciva de la mujer luna. Podemos descodificar estas imágenes perversas como profanación de un cuerpo sagrado, pero también como sacralización de un cuerpo profano. Tal vez la impresionante serie de crucifixiones que ha creado Antonio Saura se sitúa precisamente en aquella tierra de nadie donde ya no cabe la fácil distinción entre lo profano y lo sagrado porque la imagen perversa del cuerpo posibilita y condiciona aquella distinción. En un valioso estudio sobre la persistencia de la tradición rabínica en el pensamiento moderno, la crítica norteamericana Susan Handelman llega a la siguiente conclusión: In the scbool of beretic hermeneutics, boly and profane intermingle [...]. The lines become crossed: who knows now which ist the holy, and which the profane: which the leopards [scil. the heretics] and which the priests?27

Quizá no sea tan distinto el caso de aquellos profanos cuerpos sagrados que pululan en las obras modernas y posmodernas del arte ibérico. Allí también la separación entre "fanum" y "profanum", entre lo sagrado y lo terrenal, entre el templo y el prostíbulo se hace sumamente difícil sino rotundamente imposible.

23

26 27

Para una discusión más amplia de la serie de crucifixiones pintadas por Saura, véase el estudio de Friedhelm Mennekes, Johannes Rdhríg: Crucifixus - Das Kreuz in der Kunst unserer Zeit, Freiburg et alibi: Herder 1994, pp. 60-67. El libro incluye una entrevista con el pintor, realizada por Rohrig (ibid. pp. 54-59). Canticum canticorum 1,2. Susan Handelman: The Slayers of Moses - The Emergence of Rabbinic Interpretation in Modern Literary Theory, Albany, New York: State University of New York Press 1982, p. 223.

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¿Podrían ser, entonces, las crucifixiones de Antonio Saura típicas o, por lo menos, emblemáticas de otras tantas imágenes estéticas del cuerpo perverso en España? Cuando Victoria Abril, por ejemplo, actúa de presentadora de televisión en Kika, está sangrando de los ojos igual que aquellas imágenes milagrosas de la Virgen que lloran sangre. Y la gota de esperma que, más tarde, le cae en la mejilla recuerda obviamente la antigua leyenda de la Virgen de la Macarena. En una procesión, un imprudente sevillano le había ofrecido un brindis a la Macarena y, arrojándole su copa de jerez, la hirió en la mejilla. Tales analogías no son fortuitas en el cine de Pedro Almodóvar y, desde el punto de vista de la genealogía, remiten indudablemente a la imaginería perversa del cristianismo.

Fig. 3. Nuestra Señora de la Esperanza Macarena28

- P e r o , preguntarán algunos escépticos, ¿tales imágenes son lo suficientemente poderosas como para sacrauzar, aun noy en día, las perversiones profanas de la carne? - V a y a n Vds. a saber...

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La preciosa imagen que sale en procesión se venera en una iglesia contigua a la de San Gil, en el barrio sevillano de la Macarena: fue tallada hacia 1690 y, a veces, se la atribuía al famoso escultor Pedro Roldán e incluso a su hija María Luisa llamada la Roldana.

Andreas Mahler

Ikonen der Verausgabung. Sakrales Körperbild und ekstatischer Text in der Lyrik Ana Rossettis ... y eres solo un regalo que hago a mi misma 1

Mein Beitrag ist ein Triptychon. Der linke Flügel zeigt eine Offenbarung, das Altarbild einen Körper, der rechte Flügel eine Flucht von Supplementen. Ihnen ist gemeinsam das Thema der Liebe. Ich beschreibe zunächst den linken Flügel als Initiationserlebnis absoluter Präsenz, analysiere sodann die Ikone in der Mitte als eine textuelle Station der Suche und entwickle abschließend auf der rechten Seite eine Poetik der Ekstase. Damit schreite ich von einer Station religiöser über eine Station sexueller zu Stationen textueller Verausgabung. Ich beginne mit dem linken Flügel.

Ana Rossetti: "Misterios de pasión - Quinto", in: Ead.: Devocionario, Madrid: Visor 1986, p. 67 sq., p. 68, v. 12. Die folgende Collage zeigt von links nach rechts: Miniatura del Bealo de El Escorial que representa la plaga de la segunda trompeta, in: Henri Stierlin: Los Beatos de Liébana y el Arte Mozárabe, Madrid: Editora Nacional 1983, p. 58; Erwin Olaf: Joy, in: Norbert Kosmoski ed.: Das MännerFotoBuch - The Male Photography Omnibus 1+2, Berlin: Trifolium 1985, p. 105; Fernando Rubio: Arcángel con flagelo y columna (1989), in: /mago Pasionis - Pinturas de Fernando Rubio, texto de Ana Rossetti (16-31 de marzo 1990, San Femando) Prospekt zur Ausstellung: Fundación de Cultura San Femando (s.p ).

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Linker Flügel: Offenbarung In einer Kirche steht die Statue eines Engels. Davor kniet - "[m]anos juntas" 2 ein Ich und betet. Das Gebet verursacht Schmerz: "Me duele la cintura, tanto tiempo / en el reclinatorio / arrodillada, llamándote." (9-11) Die dargestellte Situation konfrontiert ein Subjekt mit einem Objekt; es ist eine vergangene Situation, eine Situation der Statik: hier das einsam betende Kind ("la niña que fui cuando te amaba".»), dort der erwiderungslose, in sich ruhende Engel ("mi bello ensimismado"i), zwei 'körperlose' Körper im einseitigen Monolog. Subjekt und Objekt verbindet ein Begehren; in Sehnsucht blickt das weibliche Ich auf die Kostbarkeiten der männlichen Statue, auf "sangre" und "topacio"7, auf ein von "kirchlicher Macht autoritär semantisiert[es]"3 katholisches Körperbild. Das Begehren dynamisiert; in die Beziehung zwischen Ich und Engel kommt Bewegung: "Lágrimas adiamantando los retablos, / balanceando el vano turiferio / que de tus manos cuelga." (12-14) Im Blick der Tränen beseelt sich das sakrale Körperbild;4 das Ich wird zum ekstatischen Subjekt, die Gipsfigur Objekt irdischen Begehrens: "Los afilados pliegues del elevado fuste / quisiera separar de tus redondas alas" (15-16). Doch das absolute Wunder der Vereinigung bleibt aus; kein Flügel löst sich, keine Männlichkeit, kein Tränenerguß erwidert das Gebet - sichtbar nur starre, ungefügige "ojos de vidrio"i7. Der Text des Gedichts "Just Call the Angel of the Morning" markiert den Moment einer Offenbarung und zeigt die Konstitution weiblicher Subjektivität aus der Widerständigkeit des Absoluten, den Beginn einer weiblichen quête. Er substituiert die "desesperación, estática y secreta'^? des betenden Kindes durch den aktiven "atrevimiento"^ der Sprecherin-Frau, den indifferenten Engel durch jagdbare "muchacho[s]"2i: "acaricio'^, "beso"37, "tiendo mis celadas"38, und jede irdische Eroberung gemahnt gleichwohl an den Verlust - schmerzhaftes pars pro toto, das stets die Utopie des totum in Erinnerung hält: "Sólo te llamo a ti, sólo a ti"3i - "Se ama así sólo una vez." (Motto) Im Verzicht aufs bloße 2

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Rossetti: "Just Call the Angel of the Morning", in: Ead.: Devocionario, p. 46 sq., p. 46, v. 5. Im folgenden vermerke ich Einzelbelege mit einer tiefergestellten Ziffer, längere Zitate durch jeweilige Zeilenangabe in Klammern. Siehe Bernhard Teuber und Horst Weich im Vorwort zu diesem Band. Sie betrachten dort Körperbilder generell als Resultate kultureller Modellierung und verweisen auf deren iberische Semantisierung durch Agenturen autoritärer weltlicher und vornehmlich kirchlicher Macht. Zum Begriff eines "allegorizing gaze" siehe Elisabeth Bronfen: Over her Dead Body Death, femininity and the aesthetic, Manchester: Manchester UP 1992, p. 227 sq.

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Warten - "que el milagro suceda'^ - konkretisiert sich mithin auch der Engel; er hat nicht mehr nur unverdächtige '"manos"14 und "ojos de vidrio'V, sondern seine Merkmale der "rosadas rodillas / entre el crujiente encaje" (24-25), des "apretado talle igual que el de una niña" (26), der "entreabierta boca / - los labios retocados con violento carmín" (27-28) und des "rizado pelo cayendo por la espalda / como un ramo de lirios" (29-30) stilisieren ihn zum verführerischen erotischen Objekt. Im Durchlauf der Körper entbirgt sich also hinter dem sakralen Körperbild des Engels ein erotisches; in der Suche nach der einstigen Offenbarung verkörperlicht sich die Statue, die sich das Ich metonymisch über Männerkörper einverleibt, "antes de que negarse puedan'^: "regalo"2i, "enfilo"22, "anudo"23, und dies treibt - auch und gerade mit Blick auf den Engel - eine sexuelle Neugier hervor, die weiter forscht und an andere Grenzen kommt. In "De los pubis angélicos s hält die Sprechinstanz den Engelskörper bereits in Besitz und bewegt sich auf ihm: "Divagar / por la doble avenida de tus piernas, / recorrer la ardiente miel pulida, / demorarme, y en el promiscuo borde, / donde el enigma embosca su portento, / contenerme." (1-6) Hier verbergen sich nunmehr andere Kostbarkeiten als "sangre" und "topacio", und die Hand geht weiter als bloß bis zum Rosa der spitzenbedeckten Knie. Noch verharrt die Sprechinstanz; gleichwohl steht sie unmittelbar an der Schwelle, kurz vor der Transgression: "El dedo titubea, no se atreve, / la tan frágil censura traspasando / - adherido triángulo que el elástico alisa - / a saber qué le aguarda. / A comprobar, por fin, el sexo de los ángeles." (7-11) "Die Übertretung", so Michel Foucault in Anlehnung an Georges Bataille, "ist eine Gebärde, die die Grenze betrifft. Dort an dieser dünnen Trennungslinie offenbart sie sich blitzartig im Vorübergehen, aber vielleicht auch in ihrem Verlauf, vielleicht sogar in ihrem Ursprung."6 A m Gummiband des Slip wiederholt sich blitzartig die ursprüngliche Offenbarung der einstigen "niña", und die Suche gewahrt eine partielle Erfüllung. Hierin liegt eine Grundstruktur der Texte Ana Rossettis; in Inszenierungen körperlicher Übertretung erhält sich die einstmalige religiöse Verausgabung als textuelle 7 und macht so 5 6

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Rossetti: Devocionario, p. 36. Michel Foucault: "Zum Begriff der Übertretung" (1963), in: Id.: Schriften zur Literatur, transit. K. von Hofer, A. Botond (1974), Frankfurt a. M.: Fischer 1988, pp. 69-89, p. 73. Zum Begriff der Verausgabung siehe 'Georges Bataille: L'Érotisme sowie Id.: "La Notion de dépense" (1933), in: Id.: Œuvres complètes, 9 tt., Paris: Gallimard 1970-78, t. 1, pp. 302-320; zu Theorien des Schreibens als (post-)moderaes Opferritual der Verausgabung siehe Wolfram Nitsch: Sprache und Gewalt bei Claude Simon - Interpretationen zu seinem Romamverk der sechziger Jahre, Tübingen: Narr 1992, p. 13 sqq.

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die Abwesenheit der Offenbarung für die Zeit des Textes präsent. 8 Ana Rossettis Liebeslyrik steht mithin in einem mehrfachen Dialog; als Ikonen religiöser Verausgabung nehmen ihre Texte die sakralen Körperbilder spanischer - wie viktorianischer - Mystik wieder auf, 9 als Ikonen sexueller Verausgabung subvertieren sie die keuschen, katholisierten Körperbilder der FrancoZeit, 10 als Ikonen textueller Verausgabung erschaffen sie von den Gedichten der Generation von 27 und der Pop-Kultur der Sechziger Jahre gespeiste supplementäre Textkörper.11 Eine typische Einlösung einer solchen Ikone der Verausgabung ist das Gedicht "Reliquia"; es füllt den Raum meines Altarbilds.

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Zur Dialektik von Präsenz und Absenz als Signatur der Lyrik siehe Bernhard Teuber: "Presencia de la ausencia en la poesía contemporánea de Hispanoamérica", Iberoromania 40 (1994). 74-94, sp. 78 sqq. Als Bezugstexte hierzu ließen sich etwa anführen Santa Teresa de Jesús: Moradas del Castillo interior, in: Ead.: Obras completas, ed. F. E. de la Madre de Dios, O.C.D., 3 tt., Madrid: La Editorial Católica 1954, t. 2, pp. 305-495, sp. ab der fünften morada sowie als ein Beispiel für viele - Christina Rossetti: "Twice", in: Ead.: The Poetical Works, London: Macmillan 1908, p. 366 sq.; für Hinweise danke ich Ursula Lenker und Horst Zander. Zur Latenz des Erotischen im mystischen Diskurs der frühen Neuzeit siehe - am Beispiel der "Noche oscura" des San Juan de la Cruz - Bernhard Teuber: "Saint Jean de la Croix lecteur de Bataille - Ein Versuch zur erotischen Transgression im Lied von der dunklen Nacht", in: H. Finter, G. Maag edd.: Bataille lesen - Die Schrift und das Unmögliche, München: Fink 1992, pp. 73-100 und id.: "Erotik und Allegorie bei San Juan de la Cruz", Romanische Forschungen 104 (1992), 104-131, sp. 105 sqq.

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Zur Verdrängung des Sexuellen in der Franco-Zeit und seiner verstärkten Wiederkehr nach 1976 siehe das Kapitel zur Zensur und zum Diskurs der Zensur bei *Hans-Jörg Neuschäfer: Macht und Ohnmacht der Zensur, pp. 38-76; zum Klosterintemat als dem prägenden Erziehungsmilieu spanischer Gegenwartslyrikerinnen siehe Angel Sánchez Pascual: "Die Stimme der Poesie ist weiblich - Aspekte zeitgenössischer spanischer Lyrik von Frauen", in: C. Bierbach, A. Rössler edd.: Nicht Mose, nicht Heldin - Schriftstellerinnen in Spanien seit 1975, Berlin: edition tranvía 1992, pp. 205-221, sp. p. 209 sqq.

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Zur Beziehbarkeit der Texte Ana Rossettis z. B. auf die Lyrik Lorcas siehe Anm. 14; zur Relation zum Schlager cf. die knappen Anmerkungen in Horst Weich, Andreas Mahler: "Ana und die Engel der Lüste - Religiöse Verlockung und erotisches Begehren im Werk Ana Rossettis", in: D. Ingenschay, H.-J. Neuschäfer edd.: Aufbrüche - Die Literatur Spaniens seit 1975, Berlin: edition tranvía 1991, pp. 207-213.

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Altarbild: Körper Ana Rossettis "Reliquia" ist ein typisches Beschreibungsgedicht. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Apenas asomado el lívido destello la enardecida flor, hostigada y pujante. su violencia apresura. Desplegados los frunces, tanto caudal cautivo. desbórdase del cáliz la llama estremecida y su cinta desprende e irisándose por tu vientre resbala. Nácar ardiente sobre el plumón del vello. sobre el negro empanado de las ingles, vertido. Solícito el pañuelo quisiera retener del pálido granizo tan quemante diadema y tiende su gardenia de batista. El eco de tu huida en mi puerta aún clavado y la liviana tela es pájaro de yeso. rígida cartulina o dura nieve por la alfombra encrespando sus opacas estrellas.

Der Text besteht aus siebzehn Zeilen und gliedert sich in einen längeren Beschreibungs- (1-13) und einen kürzeren Kommentarteil (14-17). Typographisch sind beide Teile deutlich durch eine gepunktete Linie voneinander abgesetzt; sie entspricht beispielsweise dem innehaltenden Gedankenstrich bei Baudelaire. Der Titel des Gedichts ruft, im Zusammenhang mit dem Sammlungstitel Devocionario zumal, thematisch den Lebensbereich katholischer Glaubenspraxis ab. Die Erwartbarkeit religiöser Thematik wird zudem gestützt durch das Motto des in der Tradition der englischen Präraphaeliten religiös dichtenden, exzentrischen Viktorianers Gerard Manley Hopkins. 13 Der erste Teil konstituiert in vier Sätzen den Gegenstand des Sprechens. Dabei scheint sich zunächst die erweckte religiöse Erwartung einzulösen. Der erste Satz evoziert eine Perspektive erwartungsvollen Schauens, dem ein geheimnisvoll an Macht gewinnendes Funkeln in den Blick kommt. Die aufgerufene Isotopie des Religiösen scheint dabei wiederaufgenommen im Element bußfertiger 12

Rossetti: Devocionario, p. 15.

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Der aus tiefreligiösem Elternhaus stammende Hopkins (1844-89) konvertierte 1866 zum Katholizismus und wurde 1870 Jesuit; seine in kühner Metaphorik und exzentrischer Sprachlichkeit die Schöpfung Gottes feiernde Lyrik wurde erst im 20. Jahrhundert richtig wahrgenommen und gewürdigt.

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Züchtigung ("hostigada'^) und stabilisiert sich sodann im Zentralbegriff des "cáliz" 5 , um den sich eine erste, religiöse Lesart der aufgebauten besprochenen Situation anzudeuten beginnt: Was der Text zu beschreiben scheint, ist derjenige Moment im Ablauf des katholischen Gottesdienstes, in dem der mit Wein ("tanto caudal cautivo",») gefüllte, mit einem faltigen Tuch ("frunces",») bedeckte und mit einem Band ("cinta" 6 ) versehene Kelch seine Abendmahlsfunktion erfüllt. Diese Hypothese destabilisiert sich jedoch in der Einführung einer weniger auf die geistige Vereinigung von Blut und Leib denn auf konkrete Körperlichkeit ausgerichteten Angesprocheneninstanz ("tu vientre"7). Über die religiöse Lesart lagert sich eine zweite, sexuelle Lesart, in der sich rückblickend die eucharistische Situation umkodiert in die Beschreibung eines männlichen Glieds: dunkel glänzende Eichel ("lívido destello"]), anschwellende Erektion ("enardecida flor'N), sich straffendes Fleisch ("Desplegados los frunces" 4 ), machtvolles Behältnis ("tanto caudal cautivo'^) und überschäumender Kelch. 14 Die Doppelung des Religiösen und des Sexuellen zeitigt zugleich eine doppelte Ereignishaftigkeit; die Abendmahlszeremonie als Zentralereignis im kultischen Handlungsablauf des Gottesdienstes liest sich somit auch als Beschreibung eines männlichen Orgasmus: Vibrieren des Gliedes in höchster Erregung ("la llama estremecida"5), plötzliches Hervorschießen des Samens ("cinta" 6 ), seine Verteilung auf dem Körper ("por tu vientre resbala"^). Die ambivalente Beschreibung setzt mithin ewiges Licht und glühende Flamme funktional in eins; im Rahmen der abgerufenen Plötzlichkeitsästhetik inszeniert sie erhoffte und ersehnte Präsenz, den geschauten Gott und das Prinzip des Lebens. Ganz im Sinn der für das Beschreibungsgedicht typischen propositionalen Gesten des Verweilens wird

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Diese Überlagerung hat ihr Fundament in der Uneigentlichkeit der Blumenmetaphorik, die im Verlauf der spanischen Kulturgeschichte sowohl als Codierungsform für das Religiöse wie auch für das Sexuelle in Anspruch genommen worden ist; insofern ließe sich als erste semantische Schicht in der Textkonstitution die des Pflanzlichen vorschalten, aus der sodann durch ko-textuelle und kontextuelle Hinweise die Rivalität der kulturell anzitierten primum-Bereiche entwickelt wird. Zur pflanzlichen Codierung des Sexuellen bei Ana Rossetti siehe den Paralleltext "Cibeles ante la ofrenda anual de tulipanes", in: Ead.: Indicios vehementes (Poesía 1979-1984) (1985), Madrid: Hiperión 41990, p. 27; zu ihrer Tradition cf. die erotische Lyrik Lorcas, insbesondere die "Gacela primera - Del amor imprevisto" aus der Sammlung Diván del Tamarit (1931-35), in: Federico García Lorca: Diván del Tomarit / Llanto por Ignacio Sánchez Mejias / Sonetos, ed. M. Hernández (1981), Primera reimpresión, Madrid: Alianza 1989, p. 61, in der sich bis in die konkrete Lexematik hinein auffallige Parallelen zu "Reliquia" finden lassen. Für Hinweise danke ich Carlos Sanz Oberberger und Uta Feiten; cf. hierzu auch den Beitrag von Horst Weich in diesem Band.

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dabei die Erfassung des unfaßbaren, blitzhaften einen Moments mit sprachlichen Verfahren gedehnt; 15 Partizipialkonstruktion, Inversion, Apposition zergliedern den beschreibungstypischen Aussagesatz in simultan und gleichberechtigt nebeneinanderstehende Syntagmen von hoher lexematischer Dichte und erfordern beim Rezipienten die Bereitschaft und Fähigkeit zu einer verlangsamten, vergleichenden, vorwärts und rückwärts schreitenden Lektüre. Die Gestik des Verweilens kulminiert im dritten Satz. Nach dem ereignishaften Anschwellen und der hervorbrechenden momentanen Explosion fokussiert sich der Blick im einzigen ohne finites Verb verbleibenden Satz auf das scheinbar sichtbare Zeichen des Orgasmus: Die "cinta" wird gefeiert als "Nácar"«. Die sowohl als resümierender Aussagesatz wie auch als insgeheime Apostrophe lesbaren Zeilen 8/9 erweisen sich somit nicht nur positionsbezogen, sondern vor allem auch semantisch als das Zentrum des Gedichts; sie halten Präsenz noch fiir einen Augenblick fest: Im Zentrallexem "nácar" laufen die Isotopien des Funkeins ("destello"i, "cáliz"5, "estremecida"5), des Weißlich-Bleichen ("lívido"], "irisándose'^), des Edlen und Kostbaren ("flor"2, "cáliz"5) noch einmal zusammen, zeigt sich über die beigegebene Spezifizierung "ardiente"« noch einmal die Hitze des Lebens ("la enardecida flor"2, "la llama estremecida"5), bevor der hervorgehobene, erlesene Moment wiederum im diskreten Strom der Zeit verschwindet. Diesem sich abzeichnenden Verlust versucht sich sogleich das eilfertige Taschentuch ("Solícito el pañuelo"io) zu widersetzen; es ist darum bemüht, das sich bereits Entziehende zu erhalten ("retener", \), die schwindende Präsenz zu bewahren. Der Erhalt des Vergänglichen im daran erinnernden Gewebe ist aber wiederum Teil christlicher Liturgie. Die Bewahrung des Körpers des geliebten Anderen im körpersaftaufsaugenden Stoff hat ihren religiös nobilitierten Ursprung im Schweißtuch der Veronika: Der Stoff wird seinerseits zum Zeichen stattgehabter Präsenz, zum Ort des Erhalts blitzhafter Ereignishaftigkeit. Dieser Erhalt spiegelt sich in der Fortfuhrung der Isotopienstruktur; dem hagelbleichen Sperma ("pálido granizo"n), seiner hitzigen Kostbarkeit ("quemante diadema"i2) streckt sich nunmehr ein ebenso kostbares, ebenso pflanzlich bestimmtes Tuch ("su gardenia de batista")]) entgegen und trägt dessen Merkmale fort.

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Cf. hierzu Klaus Dirscherl: "Das Beschreiben als poetische Sprechweise in Baudelaires Fleurs du Maf\ in: A. Noyer-Weidner ed.: Baudelaire, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1976, pp. 318-361, sp. p. 327 sqq.

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Und doch signalisiert der Text genau an dieser Stelle einen Bruch. Die Sprechweise wechselt vom Beschreiben zum Besprechen;' 6 über die besprochene Situation hinaus konstituiert sich nunmehr explizit eine Sprechsituation, in der sich eine bis dahin verborgene Sprechinstanz deutlich manifestiert ("mi puerta" 14). Dieses Ich evoziert nach der Situation beobachtender Gemeinsamkeit im Hier und Jetzt des Sprechens eine Situation der Trennung; Sprechinstanz und Angesprocheneninstanz sind kaum voneinander entfernt, gerade verklingt noch eine letzte gleichwohl nurmehr akustische Verbundenheit ("El eco de tu huida en mi puerta aún clavado"i 4 ), und schon verfestigt sich das geschaute Leben zur erstarrten Reliquie: "cuando [el pañuelo] ha empapado cualquier secreción de la persona amada se convierte en una preciosa reliquia". 17 Aus dem leichtfertig beweglichen Tuch ("la liviana tela"i 5 ) wird ein starres Objekt, "rígida cartulina o dura nieve" 16 , das nur noch Bild des Lebens, aber nicht mehr eigenes Leben ist. Damit verdichtet sich die sich aus dem überschäumenden Kelch lösende und im Flug auf den Körper fallende "cinta'V zum starren Gipsgebilde des "pájaro de yeso"is, das im Verlust des Eigentlichen gleichwohl noch an das Eigentliche ("pájaro") zu erinnern vermag. Dem Tuch erwächst mithin ein Gefieder, dessen sich sträubendes ("encrespando"n) Kleid das geheimnisvolle Funkeln der ersten Zeile wiederaufnimmt und auf sich sichtbar weiterträgt. In der über ihre Positionsäquivalenz markierten Parallelisierung der "opacas estrellasen mit dem anfänglichen "lívido destello"i schließt sich die Struktur des Gedichts zum Kyklos. Dem Verlust an Eigentlichkeit steht also gegenüber die Kontinuität der Wirkung; als "actor con múltiples registros" 18 erhält das "pañuelo" den Augenblick der Ewigkeit: Es substituiert das Vergängliche, ist totes Material ("yeso"i 5 ) und Zeichen des Lebendigen ("pájaro"^) zugleich. Die beschworene Situation erinnernden Bewahrens einer blitzhaften Präsenz im Gewebe eines kostbaren Materials steht in bewußter Spannung zum gewählten Motto ("La más cierta belleza no resiste el esfuerzo de guardarla"), das der Text sowohl zunächst dementiert als auch letztendlich einlöst. Die scheinbar unhintergehbare Endgültigkeit des Verlusts momenthafter Schönheit wird überwunden in der Metamorphose eines konkreten Objekts zum re-präsentierenden Zeichen, das die einstmalige Präsenz allzeit vorstellig zu machen vermag. Die 16

Zum Begriff der Sprechweisen und ihrer Typologie siehe Dirscherl: "Das Beschreiben als poetische Sprechweise", p. 323 sqq.

17

Ana Rossetti: Prendas intimas - El tejido de la seducción, Madrid: Temas de hoy 1989, p.

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89. Ibid. p. 89.

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Reliquie als metonymisches Substitut überfuhrt augenblickliches Scheitern in uneigentliches Gelingen; sie verewigt den nicht zu erhaltenden Zeitpunkt zur dauerhaften Erinnerung. Damit eröffnet sich aber mehr als nur die eine Lesart des scheiternden Erhaltungsversuchs des über die Isotopien des Pflanzlichen, Heißen, Beweglichen konnotierten Lebens und seiner Rettung im materiellen, kalten, starren Zeichen. Nicht allein im konkreten Sinn der Beschreibung empfangt das dienstfertige Tuch den Samen, dessen Substanz es statt zu konservieren nurmehr zu symbolisieren vermag, sondern es schließen sich nunmehr über die kulturelle Semantik des Auslöseworts "pañuelo" mehrfache Lektüreschichten an, die die besprochene Situation auf weitere Bezugsrahmen hin transzendieren. Ein erstes Erweiterungsangebot erschließt sich noch intratextuell bereits in der Verbindung des "pañuelo" mit der Sprechinstanz. Die bewußt neutrale Wendung "el pañuelo / quisiera retener"i0/n ließe sich mithin im Licht der folgenden Kommentierung (14-17) zunächst ersetzen durch "mi pañuelo" und schließlich durch "yo quisiera retener". Damit offenbart sich im neutralen Erhaltenswunsch das zentrale Begehren des Sprechsubjekts selbst. Nicht das Tuch, sondern die Beobachtungs- und Sprechinstanz begehrt den gefeierten "Nácar ardiente"8 des angesprochenen Anderen. Über die bloße Beschreibung hinaus inszeniert mithin der Text bereits im sprecherlos verbliebenen ersten Teil eine Gestik des Begehrens, die sich nunmehr kontextuell weiterfuhren läßt. In ihrer essayistischen Abhandlung Prendas íntimas weist Ana Rossetti das "pañuelo" als spezifisch weibliches Kleidungsstück aus, so daß sich über dessen Besitz, aber auch über dessen Gebrauch ("Solicito"10) auf eine weibliche Sprechinstanz schließen läßt. Das sich somit ergebende Bild von einer die Männlichkeit des Mannes begehrenden Frau stützt sich im weiteren durch die kulturelle Symbolik des "pañuelo" als "testigo de la rendición de [la] preservada virginidad"19, wie dies auch die referierte Geschichte vom gemeinsamen, "cintas" und "pañuelo" vereinigenden "baile de compadres" bestätigt. [TJómanse una porción de cintas del mismo color, iguales en número al de pareja de compadres. Atanse estas cintas por la mitad con un pañuelo y se reparten los cabos de un lado entre las señoras, y entre los caballeros los del otro. Desatado el pañuelo a una señal convenida, queda cada cinta uniendo a un caballero y a una señora, y establece entre ellos el vínculo del compadrazgo [...].20

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Ibid. p. 89.

20

Ibid. p. 92 sq.: Rossetti bezieht sich hierbei auf Luis Coloma.

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Die zeichenhafte Verbindung des "pañuelo" mit dem Verlust weiblicher Unschuld bringt somit das Gewebe des Jungfernhäutchens ins Spiel: "enardecida flor"2 einerseits und Deflorationsphantasie ("mi puerta" 1 4 ) andererseits. Gleichwohl versprachlicht das Gedicht nicht einen vollzogenen Sexualakt; das Tuch tränkt sich mit Samen, wird aber nicht durchstoßen: In der über das "pañuelo" abgerufenen "historia universal de la seducción" 21 steht die Jungfräulichkeit auf dem Spiel und bleibt doch erhalten. Damit verdeutlicht sich: Über die symbolische Besetzung des "pañuelo" als Zeichen fiir die sexuelle Vereinigung - "diccionario secreto", "código para iniciados", "indicio" 2 2 - imaginiert das weibliche Begehren eine befleckte Empfängnis, die die Jungfräulichkeit gleichwohl intakt läßt. Über die materielle Beschaffenheit des "pañuelo" als Textur und Gewebe läßt sich aber schließlich und vor allem auch eine poetologische Lesart anschließen, denn der Erhalt des kostbaren Augenblicks in der Textur der Sprache ist spätestens seit der Romantik wesentlicher Bestandteil lyrischen Sprechens. Damit wird das Gedicht selbst zum metapoetischen Analogon des "pañuelo"; der flüchtige "nácar" erhält sich im verbalen Konstruktionsgewebe des Textes, der seinerseits über den Moment hinaus verbleibt und somit selbst Reliquienstatus einzufordern vermag. Auch der Text ist mithin überdauerndes Zeichen für das stattgehabte Ereignis; er macht das Vergangene wieder präsent in der Schrift, indem er es - wie das stets hervorholbare Tuch - an anderem Ort re-präsentiert. Und doch gibt es zwischen Tuch und Text einen entscheidenden Unterschied. Das Gedicht signalisiert als eine seiner zentralen Oppositionen den Gegensatz 'aktiv' vs 'passiv', der sich zudem in scheinbar ganz traditioneller Weise überlagert mit der angesprochenen- bzw. sprecherbezogenen Opposition 'männlich' vs 'weiblich'. Die damit aufgerufene Geschlechterrollenkonstruktion des gebenden männlichen und des empfangenden weiblichen Parts wird zunächst einvernehmlich gestützt durch das Bild des weiblich semantisierbaren, passiven "pañuelo", das nur da zu sein scheint, um den männlichen "nácar" in sich aufzunehmen und dessen Merkmale weiterzutragen. Seine Funktion bloßer Stellvertretung verdoppelt das Maskuline: Neben die männliche Sache tritt zudem ihr Männlichkeit signalisierendes Zeichen, Samen und Zeichen für den Samen. Doch wird nunmehr genau diese Konstruktion einer sich vor der scheinbar 'natürlichen' Hegemonie des Männlichen annullierenden Weiblichkeit konterkariert auf der Ebene des Textes selbst. Dort erweist sich nämlich die Reliquie ihrer21

Ibid. p. 93.

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Ibid. p. 89 sqq.

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seits als passive Hervorbringung einer aktiven weiblichen Stimme: Während die auf der Inhaltsebene des Textes gefeierte männliche Zeugungskraft in der Starre verfällt, bleibt sie auf der Ebene der Vermittlung erhalten dank ihrer weiblichen Er-Zeugung in der Schrift. Dem Tod des Mannes korrespondiert das Leben der Frau; der bedrohten Annullierung des Männlichen steht gegenüber seine prekäre Rettung durch das Weibliche. In dieser bedeutsamen Verkehrung angestammter Dominanzverhältnisse offenbart sich eine dekonstruktive Arbeit an der gender-Opposition. Mit der Imagination eines Sprechsubjekts, das sich männlicher Sexualität bemächtigt, wird seit jeher besetztes Terrain angeeignet; was sich oberflächlich als faszinierte Feier des Männlichen und weibliche Klage über seinen Verlust liest, erweist sich tiefgründiger somit als bewußter weiblicher Schöpfungsakt. Die selbstbewußte Kreation des Männlichen in der weiblichen Schrift verweist zugleich auf die Verfügungsgewalt des Weiblichen auch über das Männliche, dessen "violencia"3 im Gedicht "Reliquia" nicht vorgängige Wirklichkeit, sondern Produkt weiblicher textueller Imagination ist. Damit liest sich aber das Gedicht weder als revisionistisch Zugang zu männlicher Macht einfordernde larmoyante Inszenierung weiblichen Penisneids noch als revolutionär verwerfende, radikale Subversion, die das Weibliche lediglich anstelle des Männlichen zu setzen sucht, ohne die darin implizierte Opposition selbst auf ihre Validität zu befragen. Die Verschränkung von (männlichem) Faszinosum und (weiblicher) Kreativität lenkt vielmehr den Blick auf die Dialektik der Geschlechterpositionen, deren interessierte Fixierung allein zu jener Starre fuhrt, die das Leben selbst bedroht.23 Die Lektüre meines Altarbildes hat meine Beschreibung von einem religiösen Ausgangspunkt über eine sexuelle Verausgabung zu einem metapoetischen Endpunkt gefuhrt; sie hat zunächst im Abendmahlskelch eine religiöse, sodann im flüssigkeitsgetränkten Tuch eine sexuelle und schließlich im Gedicht selbst eine textuelle Reliquie entdeckt. Der Weg der von der Offenbarung ausgelösten quête findet also über Transgressionen sexueller Erfahrung sein Ziel im Text; er fuhrt vom erwiderungslosen Engel über sich entziehende Körper zur verausga23

Zur Aufgliederung der feministischen Bewegung in die Phasen liberalistischer Forderung nach Gleichberechtigung, radikaler Setzung weiblicher Überlegenheit sowie grundsätzlicher Dekonstruktion patriarchalischer Denkstrukturen siehe Julia Kristeva: "Women's time". Signs 7 (1981). 13-35. In diesem Sinn führen Ana Rossettis Texte das Projekt eines epistemologischen Feminismus fort: "the goal of the feminist struggle must precisely be to deconstruct the death-dealing binary oppositions of masculinity and femininity"; siehe Toril Moi: Sexual / Textual Politics - Feminist Literary Theory (1985), repr., London: Methuen 1986, p. 8 sqq., das Zitat p. 13.

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bcnden Feier des schreibenden Subjekts, von der staunenden nina über das passiv erlebende zum aktiven sprechenden Ich. Ich komme zum rechten Flügel.

Rechter Flügel: Poetik der Ekstase Vor einem Blatt Papier sitzt ein Ich und schreibt: "Pongo en tus manos dagas y sortijas, / convierto tus ausencias en infidelidades, / en ansia irresistible tus retornos." (1-3)24 Wiederum konfrontiert die dargestellte Situation ein Subjekt und ein Objekt, doch ist die Situation bereits dynamisiert. Im Schlußtext des Gedichts "Misterios de pasión" ist die Sprechinstanz selbst tätig: "pongo", "convierto"; sie ist Agentur der Semantisierung und Umsemantisierung. Wie die einstige niña empfindet das Ich Schmerz: "Cada silencio tuyo es aguda lanzada, / cada palabra como un afán que acude"(4/5). Doch es wartet nicht mehr "que el milagro suceda", denn das Wunder ist bereits geschehen, das Ich hat es geschehen lassen, das Wunder ist - in einer metapoetischen Lektüre - der Text: "mas no te vanaglories: sólo es mío el orgullo / si te logré, tan cruel y tan querido. / Pues mi pasión decide la fuerza de tu agravio, / acuerda tu belleza mi deseo / y en tí transfigurarme / responde a una versátil voluntad, / y eres sólo un regalo que hago a mí misma." (6-12) Der Körper, den sich das Ich zum Geschenk macht, ist mithin auch ein Textkörper, und die Arbeit am Text folgt einer Poetik der Ekstase - einer sich im Text verausgabenden Bearbeitung des einstmaligen Verlusts. In Situationen der Verausgabung, so bringt Wolfram Nitsch Batailles Thesen auf eine Formel, "überschreitet das Subjekt die durch Zeugung gezogenen Grenzen seiner Individualität, indem es sich rückhaltlos verschwendet".25 Weibliches Schreiben, gegenwärtiges weibliches Schreiben, ist geprägt von solch rückhaltloser Verschwendung und läßt Texte entstehen, die den Körper kulinarisch-verausgabend in den Blick nehmen: "sehr fleischlich, sehr sinnlich, Texte der Erforschung. Texte eines wirklichen 'Hungers' ... und eines Dursts: sie baden im Wörterbuch, sie fressen Wörter, sie sind eine Art von gewaltiger verbaler Feinschmeckerei."26 In den Texten Ana Rossettis ist viel die Rede von Veraus24 25 26

Rossetti: "Misterios de pasión - Quinto", in: Ead.: Devocionario, p. 67 sq. Nitsch: Sprache tmd Gewalt bei Claude Simon, p. 17. Hélène Cixous: "Geschlecht oder Kopf?", in: K. Barck et al. edd.: Aisthesis - Wahrnehmung heule oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig: Reclam 1990. pp. 98-122, p. 116 sq. Cixous spricht dort vor allem von älteren Autorinnen; cf. hierzu mit Blick auf jüngere Autorinnen im postfranquistischen Spanien Angel Sánchez Pascual: "Die Stimme

Ikonen der

Verausgabung

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gabung: "Pues me abandono en tí, / pues de mí me extravío"27; sie zeigen Situationen der Ekstase, sie sind selbst ekstatisch, sie feiern eine Erotik des Worts. In "Festividad del dulcísimo nombre" gibt sich die Offenbarung auch als verbale zu erkennen. Ein Ich sucht in seinem Brevier ("devocionario") Namen für den Geliebten: "Se abrían, dulcemente, / insólitos caminos en mi sangre / - obediente hasta entonces - extraviándola, / perturbando la blancura espectral / de mis sienes de niña cuando de los versículos, / las más bellas palabras, asentándose iban / en mi inocente lengua." 28 Das Wort setzt sich auf die Zunge und wird erotische Erfahrung: "Mis primeras caricias fueron verbos, / mi amor sólo nombrarte." (11-12) Und es führt zur Selbstaufgabe: "Y anulada, enamorada yo / entreabría mi boca, mientras mi cuerpo todo / tu cuerpo recibía." (27-29) Die verausgabende Arbeit am Text macht präsent, was nie 'war'; sie macht sprachlich, was vorsprachlich geahnt, sie konstruiert - in der Terminologie Julia Kristevas - im Symbolischen, was im Semiotischen unartikulierbar bliebe.29 Damit füllt sie einen unvorgreifliehen Mangel; jeder Text schafft ein weiteres Supplement, und der Zweck einer Poetik der Ekstase ist nicht passives Erwarten andernorts gegebener Wahrheiten, sondern aktives Erschreiben einer unabschließbaren Wahrheit, "la única verdad", wie José Infante formuliert, "la realidad del cuerpo en su epifanía". 30

der Poesie", p. 214, der auf die "Unverfrorenheit und sinnliche Direktheit der poetischen Sprache" spanischer Gegenwartslyrikerinnen aufmerksam macht und deren innovative Kraft vor allem auch darin sieht, daß sie "Körperteile bei ihrem Namen nennt". Zu Poetiken weiblichen Schreibens generell siehe Sigrid Weigel: Die Stimme der Medusa Schreibweisen in der Gegenwartsliteratur von Frauen (1987), Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 21989, sp. p. 196 sqq. 27 28 29

30

Rossetti: "Misterios de pasión - Primero", in: Ead.: Devocionario, p. 66, w . 5/6. Rossetti: "Festividad del dulcísimo nombre", in: Ead.: Devocionario, p. 13, w . 4-10. *Julia Kristeva: Die Revolution der poetischen Sprache, p. 32 sqq.; cf. hierzu auch - mit Blick auf die Mystikerinnen des Siglo de Oro - *P. J. Smith: The Body Hispanic, p. 18 sq. José Infante: "Ana Rossetti, desafiante", in: Rossetti, Devocionario, pp. 7-9, das Zitat p. 8.

II. Körper der Macht und Macht der Körper

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Fiktive Brandzeichen. Körper, Schrift und Spiel bei Lope de Vega "Errar es de hombres y ser herrado, de bestias y esclavos." Wie dieser konzeptistisch zugespitzte Satz aus dem Prolog zu Quevedos Sueno del infiemo erahnen läßt, war es in Spanien noch im Zeitalter des Barock in bestimmten Fällen gebräuchlich, Menschen mit dem Brandeisen ein unauslöschliches Erkennungszeichen auf den Körper zu prägen. Zwar waren derartige Körperstrafen schon unter Philipp II. grundsätzlich in Galeerenstrafen umgewandelt worden, doch wurden sie gelegentlich auch noch im 17. Jahrhundert vollzogen, insbesondere an entsprungenen oder in Fluchtgefahr befindlichen maurischen Sklaven.1 Im Vorfeld der heraufkommenden Epoche moderner Strafnüchternheit, in der die Strafe zunehmend entkörperlicht und dem Blick der Öffentlichkeit entzogen wird, erinnerte der gebrandmarkte Leib des Leibeigenen demnach weiterhin an eine im Verschwinden begriffene Strafjustiz vormoderner Prägung, in deren Zentrum das festliche Schauspiel grausamer körperlicher Züchtigung stand." Als relikthafter Zeuge archaischer Strafgrausamkeit tritt er auch in der Literatur des Siglo de Oro häufig in Szene, am spektakulärsten zweifellos im Theater Lope de Vegas.3 Dabei erlangt zweimal zugleich das eingangs erwähnte konzeptistische Wortspiel sinnfällige dramatische Gestalt: Lopes Sklavenkomödien La esclava de su galân und Los melindres de Beiisa stellen den Körper des esclavo herrado als cuerpo (h)errado im doppelten Sinne des Wortes, als nur scheinbar gebrandmarkten Leib eines vermeintlichen Sklaven zur Schau. Damit aber werden, so die im folgenden vertretene These, Körper und Schrift durch theatralisch entfesseltes Spiel in ein medien- und diskursgeschichtlich instruktives sowie ästhetisch produktives Wechselverhältnis gesetzt: Während einerseits der Körper verschriftlicht, zum verwirrend unverbindlichen Zeichen entwirklicht wird, kommt es umgekehrt zu einer verblüffend barbarischen Verkörperlichung von 1

Cf. Augustin Redondo: "Mutilations et Marques corporelles d'infamie dans la Castille du XVI e siècle", in: *Id. ed.: Le Corps dans la société espagnole des XVf et XVIF siècles, pp. 185-199.

2

Siehe hierzu *Michel Foucault: Surveiller et punir, pp. 7-83.

3

Einen immer noch nützlichen, einschlägigen Überblick bietet J. Brooks: "Slaveiy and the Slave in the Works of Lope de Vega", Romanic Review 19 (1928), 232-243.

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Schrift, wodurch eine abstrakte Machttechnik modernen Zuschnitts konkret verbildlicht und im gleichen Zug sinnenfroh beantwortet wird. 1. Simulation und Grausamkeit Lopes Sklavenkomödien sind Intrigenkomödien, in denen sich betrogene oder bedrängte Figuren aus dem niedrigen spanischen Adel zur Verbesserung ihrer Lage als fremdländische Sklaven verkleiden. In La esclava de su galán gibt sich die Andalusierin Elena als verschleppte Ostinderin namens Bárbara aus, damit sie ihrem nach Madrid verbannten Geliebten Juan unerkannt folgen kann; in Los melindres de Beiisa wird das Madrider Liebespaar Felisardo und Celia zum maurischen Sklavengespann Pedro und Zara, um nach einem Duell mit scheinbar tödlichem Ausgang der Verfolgung durch die Polizei zu entgehen.4 Während das erstgenannte Stück ganz in den Bahnen der barocken Intrigenkomödie spanischer Art, der sogenannten comedia de capa y espada verläuft, zeigt sich das letztgenannte - und im weiteren exemplarisch behandelte - Drama gleichermaßen dem Handlungsmuster der Typenkomödie antiker bzw. italienischer Herkunft verpflichtet. 5 Kaum sind Felisardo und Celia unter falschem Namen im Haus ihres Freundes Eliso untergetaucht, werden sie als lebende Pfander ins Haus von dessen Gläubigerin Lisarda verschleppt, wo sie sich anstelle polizeilicher Verfolgung alsbald den leidenschaftlichen Nachstellungen der Geschwister Juan und Beiisa ausgesetzt sehen. Die ebenso schöne wie reiche Beiisa aber entspricht dem von Lope geschaffenen Typ der mujer esquiva, d.h. der Spröden, die zunächst aus Eitelkeit oder Stolz sämtliche Verehrer kategorisch verschmäht und dafür zuletzt mit einer unstandesgemäßen Leidenschaft bezahlt;6 sie verkörpert darüber hinaus den Typ der mujer melindrosa, d.h. der Überempfindlichen, die sich der materiellen Außenwelt überhaupt verweigert und ihren Zumutungen mit handgreiflichen Überreaktionen begegnet.7 Als heikle Spröde, die sich einer 4

Alle Zitate nach Lope de Vega: Obras selectas, t. 1, ed. F. C. Sáinz de Robles. Madrid: Aguilar 1947; allfallige Korrekturen des stellenweise fehlerhaften Textes von Los melindres de Beiisa nach der kritischen Einzelausgabe von H. C. Barrau, Amsterdam: Paris 1933.

5

Zur Überlagerung beider Handlungsstrukturen in Lopes Komödien cf. Wolfgang Matzat: "Lope de Vega - La dama boba", in: V. Roloff, H. WentzlafF-Eggebert edd.: Das spanische Theater - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Düsseldorf: Bagel 1988. pp. 90-104.

6

Cf. Melveena McKendrick: Woman and Society in the Spanish Drama ofthe Golden Age, Cambridge: Cambridge U.P. 1974, pp. 142-173.

7

Cf. etwa Luis Quiñones de Benavente: "Entremés famoso de la Melindrosa", in: E. Cotarelo y Mori ed.: Colección de entremeses, loas, bailes, jácaras y mojigangas. 2 tt., Madrid: Bailly-Bailliére 1911 (N.B.A.E. 17/18). t. 2. pp. 797-800.

Fiktive Brandzeichen

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Kleiderpuppe ("imagen". 1321a) ähnlich und damit eines Körpers ledig wähnt, weist sie nicht bloß das andere Geschlecht, sondern bereits Bewegungen und Berührungen gleichweicher Art, ja sogar entfernt daran gemahnende Wörter mit hochaggressiver Gebärde zurück; unentwegt schlagen ihre "melindres" um in "crueldades", ihr furchtsamer Verfolgungswahn in grausame Verfolgung. So sticht sie etwa gleich zu Beginn der Handlung auf die Stäbe ihrer Jalousie ("palos") ein, von deren Schlägen ("palos") sie sich getroffen sieht (1309a); und so ordnet sie nach Ankunft der falschen Sklaven, von der plötzlichen Leidenschaft für Felisardo gleichsam körperlich überwältigt, deren nicht minder gewalttätige Züchtigung an - eben ihre Brandmarkung, die der ins Verkleidungsspiel eingeweihte Onkel und Familienvorstand Tiberio freilich nur scheinbar vollzieht. (1322 sq.) Innerhalb der handlungsbildenden Konfrontation von esclavos fingidos und mujer mehndrosa kommt dem zum Schein gebrandmarkten Sklavenleib eine Doppelrolle zu. Zum einen steht er im Mittelpunkt eines entfesselten Spiels der Simulation, das nicht allein den beweglichen Körperschmuck, sondern auch den Körper selbst mit einbezieht. Mit den fiktiven "hierros", die Tiberio Felisardo und Celia mit löschbarer Tinte auf die Wangen malt, dringt das zuvor noch auf Gewand und Namen beschränkte Verstellungsspiel bis ins Gesicht der falschen Leibeigenen vor: Wo sonst allenfalls abwaschbare Schminke Platz findet, prangt nun eine scheinbar unauslöschliche Narbe. Insofern bereichert das Stück in besonders erfinderischer Weise das im spanischen Barocktheater allerorten vorgeführte Arsenal an Listen und Tricks, das sich mit Michel de Certeau als volkskulturelles Archiv taktischer, aus Machtlosigkeit geborener Verhaltensmuster begreifen läßt.8 Darüber hinaus verleiht es der solchermaßen potenzierten List eine gewissermaßen epidemische Wirkung, die schließlich sogar die überlistete Heldin ins Verstellungsspiel eintreten läßt. Als Beiisa erkennt, daß sie auch dem gebrandmarkten Felisardo verfallen bleibt, täuscht sie im Interesse ihrer Leidenschaft übertriebene Empfindlichkeit gelegentlich bloß vor: Während sie bei Handlungsbeginn noch unwillkürlich in Ohnmacht fiel (1310b), befallt sie in Gegenwart des Sklaven nunmehr ein "desmayo" taktischer Art, der seiner Verfuhrung oder Überfuhrung dient. (1329, 1336) Angesichts der falschen Sklavenmale verlieren auch ihre "melindres" zeitweilig jeden symptomatischen Ernst; aus krankhaftem Wahn wird Alibi, Rolle, Simulation.9 8

Cf. Michel de Certeau: L'Invention du quotidien I - Arts de faire (1980), Paris: Gallimard 1990 (folio essais 146). bes. pp. 57-63.

9

Zu Lopes Tendenz, Wahnsinn als simuliertes Verhalten auf die Bühne zu bringen, cf. Karl Vossler: Lope de Vega und sein Zeitalter (1932), München: Biederstein 2 1947, pp. 272-

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Da Belisas hyperbolische Reizbarkeit damit aber keineswegs gänzlich aufgehoben ist, bildet der ctierpo (h)errado zum anderen den Fluchtpunkt eines im Zuge der Verstellungsintrige erspielten Imaginären der Grausamkeit. Die fiktiven Brandzeichen bezeugen nicht nur die zum Schein erfüllten Gewaltphantasien der Heldin, sie spornen sie auch zu weiteren an. Auf die getürkte Brandmarkung Feiisardos folgt seine tatsächliche Anprangerung, womit das Konnotationspotential von herrar weiter ausgeschöpft wird (1331 sq.); auf den Befehl, Celia mit heißem Fett zu übergießen ("pringar", 1337a), schließlich der Versuch, sie und ihren Geliebten eigenhändig zu erschlagen. (1344 sq.) Die sklavische Maskierung standesgemäßer erotischer Partner beziehungsweise Rivalen schafft also Raum, die nach höfischer Liebeslehre gebotene Entkörperlichung und Erhöhung des Anderen durch seine körperliche Erniedrigung zu ersetzen, eine symmetrische Liebesbeziehung als asymmetrische Machtbeziehung zu gestalten, kurz, im häuslichen Innenraum der Zivilisation barbarische Gewalt zu entbinden. Im Zeichen der falschen Sklavenmale gewinnen die "crueldades" der Herrin eine körperliche Dimension, die in den bloß seelischen "crueldades" der petrarkistischen Liebestopik verborgen bleibt.10 Wenn das barocke Tyrannendrama ein Theater der öffentlichen Grausamkeit ist. dann bietet sich die um einen Haustyrannen zentrierte Sklavenkomödie demnach als Theater der privaten, erotischen Grausamkeit dar, mit dem Unterschied jedoch, daß die erspielten Gewaltszenen immer nur angedeutet und in letzter Minute wieder zerspielt werden.11 Insofern fuhren die simulierten Brandmarken vor Augen, was Wolfgang Iser als Mobilisierung des Imaginären durch das Fiktive beschrieben hat: Die fiktionale Rollenverdoppelung des Spielens im Spiel eröffnet einen Spielraum, in dem sich eine real immer schon beschnittene Möglichkeitsvielfalt menschlichen Verhaltens wenigstens zeitweilig ungehemmt entfalten kann.12 Der ge-

277; ferner Françoise Vigier: "Folie et exclusion dans les comedias de Lope de Vega", in: A. Redondo ed.: Les Problèmes de l'exclusion dans l'Espagne des XVf et XVIf siècles, Paris: Publications de la Sorbonne 1983, pp. 239-255. 10

11

12

Gleiches gilt für Lopes Palastkomödie El perro del hortelano, wo die "crueldades" der in ihren Sekretär verliebten Fürstin Diana in einer erotisch aufgeladenen Ohrfeige gipfeln. (1083 sqq.) Jedwede private Grausamkeit im spanischen Barocktheater bestreitet hingegen Manfred Tietz: "Grausamkeit im spanischen Theater des Siglo de Oro", in: G. Ahrends. H.-J. Diller edd.: Chapters from the history of stage cruelty. Tübingen: Narr 1994 (Forum modernes Theater 17), pp. 53-70, der freilich die Komödie nur einmal am Rande erwähnt (p. 57). Siehe Wolfgang Iser: Das Fiktive und das Imaginäre - Perspektiven literarischer Anthropologie (1991), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1993 (stw 1101). pp. 377-441; zur Anwendung auf das Theater cf. auch Spielstrukturen in Shakespeares Komödien, Heidelberg: Winter

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schichtliche Horizont aber, vor dem dies erfolgt, ist der eines Umbruchs in der Wahrnehmung von Körper und Schrift. 2. Körper und Schrift Das ebenso listige wie grausame Spiel mit dem Körper, das in Los melindres de Beiisa vorgeführt wird, setzt diesen ständig in Beziehung zur Schrift. Nicht von ungefähr werden die fiktiven Brandzeichen der falschen Sklaven mehrfach als "letras", ihre Haut wiederum als beschriebenes "papel" bezeichnet. (1325a, 1327b) Denn zwischen Brandmarken und Buchstaben besteht seit jeher und zumal im Siglo de Oro eine enge Verflechtung. Einerseits waren im Spanien Lope de Vegas vorrangig alphabetische Brandzeichen gebräuchlich, namentlich etwa ein S zusammen mit einem clavo, einem Bildzeichen in Form eines Nagels, das nach dem Rebusverfahren ebenfalls als Schriftzeichen gedeutet wurde: S + clavo = escla\'o.n Auch die falschen Brandmarken im Gesicht Feiisardos und Celias sind "clavos fingidos", mithin Elemente einer quasi-alphabetischen Bilderschrift. (1324b, 1325a) Andererseits kommen eingebrannte Sklavenmale, kulturgeschichtlich betrachtet, überhaupt erst und allein in Schriftkulturen vor, wo die 'wilde' Praxis der persönlichen, langsamen und gegenseitigen Tätowierung geächtet und durch die "barbarische" Praxis der unpersönlichen, raschen und einseitigen Brandmarkung ersetzt wird.14 In dieser Perspektive gewinnt das skizzierte Wechselspiel von Simulation und Grausamkeit medien- und diskursgeschichtliche Prägnanz: Der bis auf die Haut verkleidete Körper erscheint als Träger unzuverlässiger Schriftzeichen, der entstellende Akt des Schreibens wiederum als quasi-körperlicher Akt sozialer Unterwerfung. 2.1 Verschriftlichung des Körpers Im Zuge des entfesselten Spiels von Verstellung und Verkleidung werden die Körper der daran beteiligten Figuren zu Orten irritierender Vieldeutigkeit. Dies 1993 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, t. 3). 13

Cf. Pedro Calderón de la Barca: El alcalde de Zalamea, ed. J. M. Diez Borque, Madrid: Castalia 1976 (Clásicos Castalia 82), p. 280, Akt m , V. 489. Eine entsprechende Volksetymologie referiert Sebastián de Covarrubias im Artikel "Esclavo" seines Tesoro de la lengua castellana (1611): "Algunos quieren se aya dicho del hierro que les ponen a los fugitivos y díscolos en ambos carrillos, de la S y del clavo".

14

Siehe hierzu Jean-Thierry Maertens: Ritologiques 1 ~ Le Dessein sur la peau - Essai d'anthropologie des inscriptions tégumentaires, Paris: Aubier 1978, pp. 67-115.

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wird vor allem an Hand der "clavos fingidos", der Körperinschriften der esclavos fingidos deutlich. Von Beiisa als Schandmale gedacht, welche die gefahrlich schöne und edle Erscheinung der falschen Sklaven auf immer zerstören sollen, werden sie von diesen selbst als Liebesmale gedeutet, die ihre innere Zusammengehörigkeit sichtbar machen und quasi zeremoniell auf Dauer besiegeln. Nach der Ankündigung ihrer scheinbaren Brandmarkung beteuert Celia gegenüber Felisardo: Si acertamos en errar de veras mi hierre a mí quien por ti pusiere clavos a un rostro que ya los tiene en el alma de quien viene la estampa. (1325b)

Wie das einleitende Spiel mit dem Wort (h)errar anzeigt, liest das Paar die ihm aufgezwungenen Schriftzeichen gegen den Strich, interpretiert die entstellende Hautinscnrift als äußeres Abbild einer verbindenden Seeleninschrift. welches ihm bei seiner wenig später vollzogenen heimlichen Trauung die Eheringe ersetzt. (1328a) Aber auch das ihm weiterhin verfallene Geschwisterpaar schließt sich alsbald dieser eigensinnigen Lesung an. Juan sieht in den "letras" auf Celias Haut zwar durchaus die Spur einer entehrenden "afrenta", die er zu rächen gelobt, darüber hinaus jedoch seinerseits Drucktypen, die sich seiner Seele einprägen und damit seine Liebesgefangenschaft bezeugen. (1327b) Und selbst Beiisa muß schließlich unter Wiederholung von Celias Wortspiel zugeben, daß in Feiisardos Gesicht die "clavos" wie "lunares", die Sklavenmale wie Schönheitsmale wirken, daß seine Entstellung also nicht nur gescheitert, sondern gar in ihr Gegenteil umgeschlagen ist. (1329a) Dennoch erweist sich ebenso wie die ursprünglich intendierte Bedeutung auch diese Umdeutung der fiktiven Brandzeichen als labil, da Belisas taktische Annäherungsversuche bei Celia zeitweilig Zweifel an Feiisardos Treue und somit am Wirklichkeitsbezug seiner Seeleninschrift erregen: "Ya herrados / ¿qué podemos acertar?" heißt es nun in skeptischer Wendung des Wortspiels, das den Streit der Interpretationen eröffnet hat. (1330a) Noch undurchsichtiger präsentiert sich das fiktive Brandzeichen in La esclava de su galán, wo Elena ihren "clavo" ebenfalls erst gegen den Strich als geheimes Liebeszeichen, einen eifersüchtigen Augenblick später aber schon wieder als öffentlich lesbares Zeichen ihrer Schande begreift. (1367 sq., 1369a) In beiden Sklavenkomödien kommt der Schrift auf dem Körper demnach intrigenbedingt jene unkontrollierbare und damit potentiell absichtswidrige Bedeutungsvielfalt zu, die der Schrift nach Jacques Derrida überhaupt und grundsätz-

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lieh eignet.15 Statt ihre Träger eindeutig zu identifizieren und ihnen eine feste Rolle zuzuschreiben, lösen die "hierros" immer neue "yerros" aus, indem sie abwechselnd entehrte und begehrte Körper bezeichnen. Der wachsenden Ambiguität der Körperinschrift auf der Seite der vermeintlichen Sklaven entspricht auf der anderen Seite eine wachsende Ambiguität des komischen Typs beziehungsweise Charakters, den Beiisa anfangs so deutlich zu verkörpern scheint. Verraten ihre Körpersprache und ihre Rede zunächst noch einigermaßen symptomatisch die überempfindliche Spröde, so wirken sie im Laufe der Handlung immer opaker, so daß ihr vermeintlich 'typisches' beziehungsweise 'charakteristisches' Gepräge schließlich, etymologisch gesprochen, unleserlich wird.16 Dies fallt spätestens bei ihren schon erwähnten Scheinohnmachten im II. und III. Akt ins Auge, wo sie lediglich vorgibt, wegen eines Mückenstichs oder eines Staubkorns das Bewußtsein zu verlieren. Genauer besehen, tragen aber auch schon ihre im I. Akt exponierten "melindres" teilweise erkennbar taktische Züge. Wirkt sie übertrieben empfindlich, wenn sie sich vor stattlichen Galanen wegen deren Barttracht oder Ordenstracht ängstigt, so wirkt dasselbe Verhalten durchaus listig, wenn sie grauhaarige oder gar kahle, ja einäugige oder einarmige Verehrer verschmäht. (1310 sq., 1314) Nur gelegentlich verteufelt sie das andere Geschlecht in wahnhaften Visionen; ebensooft verspottet sie seine Verfallserscheinungen in satirischen Porträts. Was für ihre Körpersprache gilt, gilt damit auch für ihre Rede, deren Erkennungszeichen der ausgeprägte Hang zum Doppelsinn ist. Während sie in ihren wahnhaften Visionen sprachliche Ambiguität eher erleidet, spielt sie sie in ihren satirischen Porträts auf witzige Weise aus. Es geht auf eine sprachliche Fehlleistung zurück, wenn sie die Stäbe ihrer Jalousie ("palos") als Schläge wahrnimmt und sich zum Gegenschlag herausgefordert wähnt; doch es kommt einer sprachlichen Höchstleistung gleich, wenn sie den Einarmigen mit der Begründung abweist, er habe wild gestikulierend von Schlägen mit seinem Schwertknauf ("puño de la espada") erzählt und dabei durch die unachtsame Bewegung seiner Manschette ("puño de la camisa") seine Faustprothese ("puño postizo") schamlos entblößt. (1314a) Ein solchermaßen witzig gewendeter statt irre gelebter Doppelsinn zeichnet ja auch ihr Spiel mit dem Homonymenpaar hierro/yerro aus, mit dem 15

Siebe Jacques Derrida: De la grammatologie, Paris: Minuit 1967 (Critique), pp. 42-108. Einen prägnanten Abriß dieser Schriftauffassung und ihrer Konsequenzen gibt David E. Wellbery: "The exteriority of writing", Stanford Literature Review 9 (1992), 11-23.

16

Zur Herkunft der Begriffe Typ und Charakter aus der Prägekunst, an die auch ihr Gebrauch in der Typographie erinnert, cf. etwa das Nachwort von Peter Steinmetz in Theophrast: Charaktere, gr./dt.. Stuttgart: Reclam 1969 (RUB 619), p. 96 sqq.

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sie ihrerseits die eindeutige Lesbarkeit der fiktiven "hierros" in Zweifel zieht. Damit aber ist angezeigt, daß die symptomatischen Zeichen am Körper der überempfindlichen Spröden sozusagen spiegelbildlich zu den Schriftzeichen im Gesicht der falschen Sklaven ihre Verbindlichkeit verlieren. Im allgemeinen Simulationsspiel wird der von Beiisa inkarnierte Charakter ähnlich äquivok wie die Charaktere, die Felisardo und Celia auf den Leib geschrieben sind; die einsinnige melindrosa wandelt sich zur eigensinnigen bizarra, zur durch und durch undurchsichtigen Figur in einer zeitweilig zum unlesbaren Text geratenen Welt. 17 2.2 Verkörperlichung von Schrift Da nun aber das entfesselte Spiel der Simulation durchweg ein Imaginäres der Grausamkeit entbindet, ähnelt es nicht allein den Körper einer vieldeutigen Schrift, sondern umgekehrt auch das Schreiben einer gleichsam handgreiflichen Gewalthandlung an. Ist das Schriftzeichen im Gesicht der falschen Sklaven in vielfacher Hinsicht ein Ort des "yerro", so hat es doch die Form eines "hierro", eines Mals fremder Gewalt und eigener Schande. 18 Entsprechend wird es einmal mit einem schriftlichen Todesurteil, einer "sentencia escrita" verglichen (1327b), ja mit dem entehrenden Schriftstück am Körper eines Gehenkten in Verbindung gebracht. (1320a) Darin zeigt sich ein tiefgreifendes Unbehagen in der Schriftkultur, das sich in Lopes Theater immer wieder mehr oder weniger explizit artikuliert. 19 Dieses Unbehagen rührt zunächst daher, daß die Schrift als unpersönliches und tendenziell unübersichtliches Medium der Kommunikation die auf das gesprochene Wort gegründete Ehrenordnung gefährdet: Wo nicht mehr das persönlich gegebene Ehrenwort, sondern vielmehr schriftliche Dokumente oder Kontrakte gelten, dort gerät die ehrenwerte Gesellschaft leicht aus

" Das Bizarre und Unberechenbare an Beiisa. das bei ihrer Wiederkehr in Lopes letzter Komödie noch schärfer hervortritt, betont Fritz Schalk: "Lope de Vegas Los melindres de Beiisa und Las bharrias de Beiisa'", in: K. H. Kömer, K. Riihl edd.: Studio Ibérica - Festschrift Hans Flasche, Bern: Francke 1973, pp. 581-588. Zur ästhetischen Positivierung des Bizarren im spanischen Barock cf. seine reich dokumentierte Untersuchung "Das Wort bizarr im Romanischen", in: H.-E. Keller ed.: Etymologica - Walther v. Wartburg zum 70. Geburtstag, Tübingen: Niemeyer 1958, pp. 655-679, hier pp. 664-667. 18

Cf. Lopes Komödie La moza de cántaro, wo der Abdruck einer entehrenden Ohrfeige einem Brandzeichen "con cinco letras" verglichen wird. (1002b)

19

Am ausdrücklichsten wohl in dem sonettförmigen Klagemonolog "¡Oh. malditos papeles..." aus: El galán escarmentado (1598), in: Obras. Nueva edición, ed. E. Cotarelo y Morí, 13 tt„ Madrid: Real Academia Española 1916-1930. t. 1. pp. 133b-134a.

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den Fugen.20 Eine in diesem Sinne bedrohliche "escritura" bildet der am Ende des Stücks ins Spie) gebrachte und erst in letzter Minute zunichte gemachte Ehevertrag, mit dem Bel isas verwitwete Mutter Lisarda ihrerseits Anspruch auf die Hand des falschen Sklaven erhebt, mithin eine nach Alter und Stand höchst sittenwidrige Allianz festzuschreiben gedenkt. (1339a) Ähnlich verhält es sich mit dem Ehekontrakt in La esclava de su galán, einer fast schon unterzeichneten "escritura" wider das mündliche Eheversprechen zwischen Elena und Juan, den Elena im Beisein des Notars mit spektakulärer Geste zerreißt, bevor sie mit nicht minder großer Gebärde ihren fiktiven "clavo" entfernt. (1378 sqq.) In beiden Fällen behauptet sich der ungeschriebene Kodex persönlicher Bindungen und Verpflichtungen kraftvoll gegen ein der Körperinschrift analog wirkendes Schriftstück, das ihn beinahe entkräftet hätte. Schrift beunruhigt bei Lope jedoch nicht allein als seit alters her unpersönliches Zeichensystem, sondern ferner auch und besonders als spezifisch neuzeitliche Machttechnik im Sinne Michel Foucaults, die Körper und Rede des Einzelnen in nie zuvor gekanntem Ausmaß diskursiver Kontrolle unterwirft.21 Wie neuere Forschungen erwiesen haben, nimmt die Schrift unter den Prozeduren zentralstaatlicher Machtentfaltung im Siglo de Oro eine Schlüsselstellung ein: als bürokratisches Instrument, das die Peripherie des Staates diskret zu kolonisieren ermöglicht;" als Medium massenkultureller Textrezeption, das dem Staat neue Manipulationskanäle eröffnet;23 als normatives Modell einer regulierenden Sprachpolitik, die dem traditionellen Wildwuchs volkssprachlicher Rede Einhalt gebietet.24 Vor diesem Hintergrund erhält das seinerzeit verbreitete, ursprünglich auf den Schreibunterricht gemünzte Sprichwort "La letra con sangre entra" eine 20

21

22

23

24

Siehe hierzu, am Beispiel von Lopes bzw. Claramontes Ehrendrama La estrella de Sevilla. Elias L. Rivers: Quixotic Scriptures - Essays on the textuality of Hispanic literature, Bloomington: Indiana U.P. 1983, pp. 79-88; ferner Catherine Swietlicki: "Close cultural Encounters: Speech and Writing in Fuenteovejuna'\ Hispanic Review 60 (1992), 33-53. Zum Konzept der 'technologie du pouvoir' siehe wiederum *Foucault: Surveiller et punir, bes. pp. 30-40. Eine damit vereinbare Kritik von Derridas geschichtsvergessenem Schriftbegriff aus mediengeschichtlicher Perspektive formuliert Walter J. Ong: Orality and literacy - The technologizing of the word, London - New York: Methuen 1983 (New Accents), pp. 165-170. Cf. John Beverley: "Barroco de estado - Góngora y el gongorismo", in: Id.: Del Lazarillo al sandinismo - Estudios sobre la función ideológica de la literatura española e hispanoamericana, Minneapolis: The Prisma Institute 1987, pp. 77-97. Cf. Wlad Godzich, Nicholas Spadaccini: "Popular culture and Spanish literary history", in: lid. edd.: Literature among discourses - The Spanish Golden Age, Minneapolis: Minnesota U.P. 1986, pp. 41-61. Cf. *Bernhard Teuber: Sprache, Körper, Traum, pp. 20-51.

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besondere Note, die Lopes Theater an verschiedenen Stellen, vor allem aber an Hand der fiktiven Brandzeichen betont.25 In seinen Sklavenkomödien läßt sich der Versuch erkennen, die beunruhigend abstrakte Gewalt der Alphabetisierung in die konkrete Gestalt der Brandmarkung zu bannen und damit greifbar sowie belachbar zu machen. Insofern tritt sein Theater gewissermaßen an die Stelle des aus der Öffentlichkeit weithin verschwundenen Schafotts, das darin wohl nicht ohne Grund ebenfalls gerne als teatro bezeichnet wird. (cf. 824b) Wie dieses verbildlicht es eine Macht, die sich von der spektakulären körperlichen Züchtigung verabschiedet und auf subtilere Techniken der Disziplinierung zurückgezogen hat. Der ausgehenden Epoche der Strafgrausamkeit demonstrativ zugewandt, verwandelt das Spiel mit der Brandmarkung unsichtbare Kontrolle zurück in sichtbare Unterwerfung.26 Die theatralische Verkörperlichung von Schrift dient dabei aber nicht so sehr, wie in der neueren Lope-Forschung verschiedentlich erwogen, einer epistemologischen und letztlich didaktischen Reflexion über die 'kulturelle Inskription', der noch das scheinbar zivilisationsfernste Subjekt nolens volens immer schon unterworfen ist.27 Sie dient vielmehr, so meine Vermutung, der ästhetischen Inthronisation des mit Schriftzeichen versehenen Körpers. Denn ganz im Gegensatz zu den Brandmarken und Buchstaben der barocken Lebenswelt eignet den fiktiven Brandzeichen der Sklavenkomödien ja eine ausgeprägte sinnlich-erotische Dimension, wie sie sonst eher wilde, vorschriftliche Tätowierungen auszustrahlen pflegen. Dies wird in beiden Stücken dadurch unterstrichen, daß die falschen Sklaven jeweils das Sklavenlied des Renaissancedichters Baltasar del Alcázar glossieren, ein bekanntes, die Tradition der Gefangenschaftsmetaphorik fortführendes Liebesgedicht, wo der Liebende als inwendig gebrandmarkter Sklave seiner Geliebten erscheint.28 Zeigt dort das Brandzeichen "en el alma" 25

26

Cf. wiederum El perro del hortelano, wo es anläßlich von Dianas Ohrfeige heißt: "Con sangre / quiere amor que de los celos / entre la letra" (1084a). Siehe auch den Artikel "Letra" bei Covarrubias, der die buchstäblich-körperliche Bedeutung der Formel bezeichnenderweise aus dem spanischen Lexikon verbannen möchte. Daß die Tätowierung überhaupt ein anschauliches Modell fiir die Alphabetisierung abgibt, sofern man diese unter dem Aspekt der Disziplinierung betrachtet, erläutert Alois Hahn: "Handschrift und Tätowierung", in: H. U. Gumbrecht, K. L. Pfeiffer edd.: Schrift, München: Fink 1993 (Materialität der Zeichen A 12), pp. 201-217.

27

Cf. Paul Julian Smith: "Lope and nature", in: *Id.: Writing in the Margin, pp. 134-144; ferner Charles Oriel: "Cultural inscriptions - The written and the spoken in Lope's El villano en su rincón", in: Id.: Writing and lnscription in Golden Age Drama. West Lafayette: PurdueU.P. 1992, pp. 21-40.

28

Siehe Baltasar del Alcázar: "Esclavo soy, pero cuyo...", in: The Oxford Book of Spanish Verse, ed. James Fitzmaurice-Kelly, Oxford: Clarendon 2 1969, p. 123 sq. Das Bild der

Fiktive Brandzeichen

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eine metaphorische Liebensleibeigenschaft an, so wird es den beiden glosas nach außen, "en el rostro" gewendet, wo es eine buchstäbliche, jedoch nicht weniger erotisch aufgeladene Sklaverei indiziert. Eine solche dramatische Verbuchstäblichung und Versinnlichung von topischen Metaphern der Liebesdichtung ist in Lopes Theater keine Seltenheit.29 Hier jedoch gewinnt sie ein ganz eigenes Profil. Indem Lope die erotische Seeleninschrift Iiteralisiert, als despotische Körperinschrift inszeniert, erotisiert er im Gegenzug die zur Schau gestellte Gewalt der Schrift. Im Zeichen einer sich durchsetzenden Zivilisation der Schriftlichkeit spielt er das der Bühne eigene Potential an Körperlichkeit aus; aus ein paar auf die Haut geschriebenen Buchstaben erzeugt er eine wilde Folge jener "meneos y melindres", deren sinnliche und die Sinne erregende Potenz die Kampfschriften seiner gelehrten Feinde so eindrucksvoll bezeugen.30

Liebesgefangenschaft weist zurück auf den allegorischen Roman Cárcel de Amor (1492) von Diego de San Pedro, auf den in den Melindres wahrscheinlich ebenfalls angespielt wird (1317b). 2

" Zur JagdmetaphorLk cf. entsprechend E. M. Ferli: "The Hunt of Love: The Literalization of a Metaphor in FuenteovejunaNeophilologus 63 (1979), 54-58; zur Todesmetaphorik Francisco Rico: "La poesía dramática de EI Caballero de Olmedo" (1967), in: Lope de Vega: El Caballero de Olmedo, Madrid: Cátedra l2 1992 (Letras Hispánicas 147), pp. 1335. 30 Cf. Padre Juan de Mariana: Tratado contra los juegos públicos (1609), in: Obras, Madrid: Real Academia Española 1950 (B.A.E. 31), t. 2, pp. 413-462, hier p. 413b. Das körperbetonte Theater wird daher in patristischer Tradition der Pest verglichen (p. 441b) - ein Vergleich, den Antonin Artaud im Rückgriff auf Augustinus positiv wenden wird; cf. "Le théâtre et la peste", in: Id.: Le Théâtre et son double (1938), Paris: Gallimard 1985 (folio essais 14), pp. 21-47.

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Bilder des königlichen Körpers im Dialog: Veläzquez und Goya Die Beziehung, welche insbesondere die Königsporträts Francisco Goyas mit denen Diego Veläzquez' verknüpft, läßt sich in doppelter Hinsicht als dialogische beschreiben. So beginnt Goyas Dialog mit Veläzquez unter explizit künstlerischen Zielsetzungen bereits Ende der 1770er Jahre mit einer Reihe von Radierungen nach Gemälden des Barockmalers.1 Implizit setzt sich diese Beziehung seit Goyas Ernennung zum Pintor del Rey 1786 als Auseinandersetzung mit der sozialen Position des Hofkünstlers und den mit ihr verknüpften künstlerischen Aufgaben fort. Seit Veläzquez 1623 zum Ugier di Camera ernannt wurde, hatte er sowohl die Erwartungen an die Rolle des Hofmalers als auch die Gattungsvorgaben der Königsporträts für Spanien in einzigartiger Weise geprägt.2 Der vorliegende Aufsatz fokussiert die Gestaltungen des königlichen Körpers der zwei hervorragenden Maler und verfolgt die These, daß sich die Akzentverschiebungen innerhalb des Genres der Herrscherporträts auf einen Bruch in den Konfigurationen sozialen Wissens zurückfuhren lassen. Foucault bestimmt diesen Wandel als Ablösung einer klassischen Episteme der Repräsentation,3 wie sie für Veläzquez Gültigkeit besitzt, durch eine moderne Episteme, die m. E. auf das Entstehen der Körperwelten Goyas wirkt. Da Goya sich aber gerade in seiner Funktion als Hofmaler mit den Vorgaben der alten Episteme auseinandersetzen muß, kann man diese für die Werke beider Künstler als wirkmächtig ansehen: Während Veläzquez ihr in seinem gesamten Werk Aussagekraft verleiht, versucht Goya, sich von ihr zu lösen. Diese Macht der Repräsentationsepisteme in Spanien verweist direkt auf einen Sinnhorizont, der für die spanische Gesellschaft über Jahrhunderte hinweg bindend bleibt: Die Identitätsbildung Spaniens 1

2

3

Zu Goyas Kopien nach Veläzquez cf. Manuela Mena B. Marqués: "Goya 'Copista' de Veläzquez", in: Goya y Veläzquez - El retrato real, Madrid: Museo del Prado 1991, pp. 4449. Zum Begriff des Hofkünstlers cf. Martin Warnke: Hojkiinstler - Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, Köln: DuMont 1985. Cf. *Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge.

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rekurriert auch zur Zeit Goyas noch immer auf das Selbstbild der katholischen Nation.4 Meines Erachtens ist es dieser Sinnhorizont, der auf die Körperbilder Veläzquez' und Goyas ausstrahlt und vor dem sich ein Körper mit spezifisch iberischen Zügen abzeichnet. In meiner Analyse der epistemisch bedingten Differenzen und Kontinuitäten in der Gestaltung königlicher Körperbilder möchte ich den Blick zunächst auf die Karriere beider Hofkünstler lenken. Darauf aufbauend sollen Aspekte der Wechselbeziehung zwischen künstlerischem Selbstanspruch und höfischen Rollenerwartungen anhand verschiedener Herrscherporträts Veläzquez' und Goyas thematisiert werden, um dann in eine vergleichende Analyse der für beide Künstler jeweils paradigmatischen Gemälde zu münden: die 1656 gemalte Hofszene Las Marinas und das 1800 entstandene Gemälde La familia de Carlos IV. 1. Verschiebungen im Kosmos höfischer Hierarchien: Vom Aposentador de Palacio zum Primer Pintor del Rey Die Karriere des jungen Diego da Silva Veläzquez gehört zu den strahlendsten Künstlerkarrieren bei Hofe. Bereits 1623 an den königlichen Hof nach Madrid berufen, gelangt er unter Philipp IV. schnell in eine Vertrauensstellung, die er versehen mit entsprechend hochrangigen Beförderungen wie seiner Ernennung zum Hofmarschall 1652 - bis zu seinem Tod im Jahre 1660 inne haben wird. Damit ist er ökonomisch betrachtet der Sorge um die eigene Existenzsicherung entbunden, künstlerisch gesehen von den handwerklichen Pflichten eines Auftragsmalers befreit und in sozialer Hinsicht in die Hierarchie der autarken Hofgesellschaft eingebunden. Seinen Biographen zufolge betreibt der Abkömmling eines aus Portugal emigrierten, verarmten Adelsgeschlechts seit seinem zwanzigsten Lebensjahr nur ein Unternehmen mit Leidenschaft: die Wiedererlangung des Adelstitels.5 Dieses gelingt 1660 nach einem langwierigen Verfahren, in dem 148 Zeugen aussagen, Veläzquez habe niemals einen handwerklichen Beruf ausgeübt, d. h. er habe seine Bilder niemals bezahlen lassen, sondern aus reiner Muße und zur Erbauung des Königs geschaffen. Er wird in den Adelsstand erhoben und als Ritter des Santiago-Ordens mit verschiedenen Vorbereitungen für die Hochzeit der Tochter Philipps IV. mit Ludwig XIV. beauftragt. Eine gute 4

5

Besonders klar zeichnet sich dieser Sinnhorizont noch nach dem spanischen Unabhängigkeitskrieg ab bei Rafael de Velez: Apologia del Altar y del Trono o Historia de las Reformas hechas en España en triunfo de las llamadas Cortes, 2 tt., Madrid 1818. Cf. zuletzt die Biographie von Jonathan Brown: Veläzquez - Maler und Höfling, München: Hinner 1988.

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Woche nach der Vermählung, die ihm Gelegenheit gibt, die neue Rolle zu erproben, stirbt er in Madrid. Damit deutet sich bereits an, daß das künstlerische Selbstverständnis Velázquez' gerade darauf beruht, daß er sich in erster Linie nicht als Maler definiert, sondern als Untergebener des Königs, dem er mit seinem Pinsel dient und dem als Edelmann dieser Dienst nächst dem an Gott das höchste Daseinsideal ist. Als er während seines zweiten Italien-Aufenthaltes als Botschañer seines Monarchen ein Porträt Innozenz' X. anfertigt, weist er die goldene Kette zurück, welche der Papst ihm als Entlohnung sendet.6 Auch diese Geste zeugt von einer Selbstdefinition als Diener des Königs, die neben einem phlegmatischen Wesen der Grund für sein kleines Gesamtwerk zu sein scheint. Mit seiner distanziert wirkenden Malweise ist es von einer erstaunlichen Kontinuität geprägt, die ihre lebensweltliche Entsprechung besitzt: "nur eine Frau erscheint in seinem Leben; nur ein Freund: der König; nur ein Atelier: das Schloß".7 Ähnlich wie Velázquez' Leben und Schaffen geradlinig die Regierungszeit Philipps IV. begleiten, korrelieren bei Francisco Goya lebensweltliche und künstlerische Brüche mit der Brüchigkeit der drei konkurrierenden Herrschaftsformen und den ebensovielen Bourbonenkönigen, die er erlebt. Aus den persönlichen und politischen Umbrüchen seines Lebens lassen sich sein Gehörsturz 1792/93 und der Unabhängigkeitskrieg gegen Napoleon 1808-13 als diejenigen anfuhren, welche sein künstlerisches Werk am nachhaltigsten geprägt haben. Zu Beginn der mit Eifer betriebenen Karriere orientiert Goya sich noch an der von Anton Raphael Mengs vertretenen Rokokomalerei, die bis dato die europäische Hofkunst beherrscht. In einem Prozeß, der in den 1780er Jahren beginnt und mit der Auslöschung der Malerei in den Pinturas Negras endet, legt er diese die Idealität der Oberfläche propagierende Malweise allmählich ab. Koordinaten auf dem Weg dieser Entwicklung sind die Caprichos, deren Veröffentlichung mit einem Markstein seiner Karriere zusammenfällt: seiner Ernennung zum Primer pintor de cámara 1799. Der von schwerer Krankheit gezeichnete Künstler verliert das Interesse an seiner Position als Hofmaler und zieht sich von nun an allmählich auf eine von Aufträgen freie Malerei zurück. Nach den politischen Wirren der napoleonischen Besatzung und der anschließenden Restauration unter Ferdinand VII. setzt er sich 1824 nach Frankreich ab, wo er vier Jahre später stirbt. 6

7

Cf. José Ortega y Gasset: Velàzque: und Goya - Beiträge zur spanischen Kulturgeschichte, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1955, p. 55 sqq. Ibid. p. 44.

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Die kurze Gegenüberstellung der beiden Viten Veläzquez' und Goyas macht die wesentlichen Unterschiede in ihrem künstlerischen Selbstverständnis deutlich. Veläzquez stellt sich als uomo universale in die Nachfolge der italienischen Malerfursten der Renaissance und ordnet dennoch seine soziale Rolle als Höfling derjenigen des Künstlers eindeutig über. Eingebunden in die Hierarchie der Hoffamilie pflegt er dementsprechend eine Distanz zu seiner Malerrolle, wie sie auch in seinen Königsporträts zum Ausdruck kommt. Während Goyas frühes Streben noch auf soziale Anerkennung zielt, konzentriert sich der reifere Maler auf die Entwicklung eines sogenannten 'Privatwerkes', in dem er Positionen sowohl der modernen Malerei als auch des modernen Künstlers vorwegnimmt. 2. Königsporträts von Veläzquez und Goya: Vom entrückten Herrscher zum Erkenntnis- und Studienobjekt In den 1620er Jahren entsteht eine Porträtgruppe Philipps IV.,8 die sogenannten grauen Bilder, in denen Veläzquez bereits die Bedingungen der meisten seiner folgenden Herrscherbildnisse absteckt. Er verzichtet darauf, den schwarz gekleideten König mit den Insignien seiner Macht auszustatten und arbeitet mit einer sehr reduzierten Palette aus Schwarz-, Grau und Braunwerten. Italienische Porträttraditionen vernachlässigend, situiert er den König vor einem undefinierbaren Hintergrund, einziges Interieur ist ein Tisch. Auf allen Porträts dieser Serie bleibt der Körper des Herrschers - von schwarzer Kleidung und Schattenwirkung verhüllt - im Imaginären. Sichtbar sind allein der durch einen weißen Stehkragen abgesetzte Kopf und die feingliedrigen Hände, die auf dem Degen ruhen bzw. ein gefaltetes Blatt Papier halten. Insgesamt erstaunt die geringe Idealisierung der königlichen Gesichtszüge: die tiefhängenden Lider, der breite unharmonische Nasenrücken und die leicht geschwollene Oberlippe. Insofern als Philipp IV. hier offenbar keine Machtansprüche deklamiert, scheint Veläzquez damit die Funktion des Königsporträts zu unterlaufen. Zwar sollte das Herrscherporträt keinem "schrankenlosen Individualismus oder einem Kult der Persönlichkeit" huldigen, da es "den Herrscher wertorientiert zeigen [mußte]". Es "löschte [aber genausowenig] durch Schemata und anonyme Standards die persönliche Identität aus, [...] denn es mußte den persönlichen Machtanspruch signalisieren und die persönliche Kenntnisnahme des Herrschers ermöglichen."9

8

Cf. Antonio Dominguez Ortiz et al.: Veläzquez, Madrid: Museo del Prado 1990, pp. 132134.

* Warnke: Hojkünstler, p. 270 sq.

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Veläzquez verzichtet nun gerade auf eine Darstellung Philipps IV. als diesseitigen und entsprechend machtbewußten Potentaten zugunsten einer Transzendierung und Entwirklichung des Königs, indem er ihn als vergeistigten, fast entrückten Herrscher ins Bild setzt. Damit entfernt sich der Hofkünstler von Gattungspostulaten, die sich beispielsweise in Tizians Gemälde Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg (1550-51) 10 oder in Rubens' Ölbild Philipps IV. (1628/29)' 1 noch realisiert finden. Beide Monarchen sind dort mit herrscherlichen Attri-

Abb. 1. Tizian: Karl V. nach der Schlacht

buten ausgestattet. Die aufrechte, gespannte Haltung des siegreichen Feldherrn mit energischem Kinn und in voller Rüstung wird durch die Diagonalwirkung der nach oben gerichteten Lanze unterstützt. Auch Rubens betont die Repräsentationsfunktion seines Porträts, wenn er Philipp IV. vor einem bühnenartigen Hintergrund in Szene setzt. Trotz aller vordergründigen Ähnlichkeit mit Veläzquez' sogenanntem 'Silver Philip' von 1632/3312 gerät Rubens' Komposition ungleich spannungsvoller und leibhaftiger: Eine Säule mit ionisch anmutender Basis wird von einem schweren, in Faltenwürfen gelegten Vorhang verdeckt, der sich quer durch das gesamte Porträt zieht und den Blick auf eine Hügellandschaft im rechten Bildhintergrund öffnet. Veläzquez' Porträt Philipps IV. in silbernem Gewand nimmt die Pose des Rubensbildes wieder auf, in dem die linke Hand des Königs auf einem Degen ruht, verlagert die Diagonale des Vorhangs jedoch aus der Bildmitte und reduziert damit die Spannung des Gemäldes. Die filigranen Füße der Kommode im Hintergrund vermitteln den Eindruck eines Spannungsverlustes, welcher der Dynamik der zitierten Arbeiten Tizians und Rubens' entgegensteht. Ähnlich wie in den 'grauen Bildern' verzichtet Veläzquez darauf, den Bildraum auf eine Landschaftsansicht hin zu er-

10 11 12

Cf. Enriqueta Harris: Velazquez, Stuttgart: Klett-Cotta 1982, p. 67. Cf. ibid. p. 90. Cf. Domínguez Ortiz et al.: Velazquez, p. 141.

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weitem. In seiner flachen, klar definierten Raumwirkung büßt das Porträt jenen Bühnencharakter ein, welcher der Repräsentationsfunktion des königlichen Bildes einen entsprechenden Inszenierungsrahmen bereitgestellt hatte. Diese Kompositionsstrategie verleiht dem Bild eine Statik und Bewegungslosigkeit, die der Momentaufnahme eine überzeitliche Dauer verleiht, welche Veläzquez in seinen Reiterporträts ins Künstliche hinein steigert. Ergebnis dieses Inszenierungstyps ist ein ungeachtet seiner körperlichen Defizite unantastbarer, seiner diesseitigen Präsenz enthobener Monarch, dessen melancholischer, am Betrachter vorbei ins Imaginäre schweifender Blick die Fiktionalität und Mystik dieses Königskörpers akzentuiert. Eines der ersten Herrscherporträts Goyas, das zwischen 1786-88 entstanAbb. 2. Veläzquez: Silver Philip dene Porträt Karls ID. als Jäger, wird häufig mit Veläzquez' Bildnis Philipps IV. in ähnlicher Pose verglichen.13 Während Philipps Haltung jedes offensive Moment leugnet, präsentiert sich der 'aufgeklärte Absolutist' Karl III. als weltorientierter Potentat, der seinen persönlichen Machtanspruch zu dokumentieren sucht. Der Schattenwurf Philipps zeigt an, daß die vermeintliche Hügellandschaft vielmehr als Leinwandkulisse zu denken ist, die jede Naturbewegung einer doppelten Bändigung und in diesem Fall der Starrheit unterwirft. Bereits in der Bildaufteilung schlägt Goya einen ganz anderen Weg als Veläzquez ein. Ruht das Gewehr Philipps wenig funktional, eher dekorativ in seiner Hand und durchzieht damit als abfallende Diagonale das untere linke Bilddrittel, zeichnet die Waffe Karls III., parallel zur aufrechten majestätischen Haltung des Herrschers, eine aufstrebende, die gesamte Bildmitte beherrschende Linie. In der Pose des Eroberers, der neues Terrain in Besitz nimmt, gibt sich der König als 13

Goya, Karl III. als Jäger. Cf. Pierre Gassier et al.: Goya - Vie et ceuvre, Fribourg: Office du Livre S.A. 1971, p. 31; Veläzquez, Philipp IV. als Jäger: Cf. Harris: Veläzquez, p. 96.

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Befehlshaber der Rokokolandschaft im Hintergrund zu erkennen, die stilisiert, aber nicht fiktiv gestaltet ist. Die starre Haltung des Souveräns löst Goya durch die Farbgebung und im Kopfporträt wieder auf. Der mit feinen Schattierungen und Faltenwürfen versehene graue Mantel, ebenso wie die zart pastellig, im sanften blau-gelb Komplementärkontrast gestaltete Färbung von Rock und Schärpe, verleihen der Figur trotz ihres kraftvollen Auftretens eine gewisse Transparenz. Im Einklang dazu stehen die milden Gesichtszüge des Königs, der offene, den Betrachter fixierende Blick. So haftet der Herrschergestalt noch eine auratische Überhöhung an, die den Körper - anders als bei Veläzquez - aber nicht entrückt, sondern als im Diesseits verhaftet zeigt.14 Gut zehn Jahre später fertigt Goya ein ganz ähnliches Bildnis Karls IV. an, in dem er sich von vormaligen Positionen löst. Wie auf den meisten der in den 1790er Jahren entstandenen Porträts entbehrt der königliche Körper jeder Aura, zeigt sich gewissermaßen als Studienobjekt.15 Auch die gewohnt pastellige Farb-

Abb. 3. Goya: Karl III. als Jäger

Abb. 4. Veläzquez: Philipp IV. als Jäger

14

Im Anschluß an Benjamin entwickelt T. Hölscher einen Begriff der Aura / Aurazerstörung im Hinblick auf Goya, cf. Thomas Hölscher: Bild und Exzeß - Näherungen zu Goya, München: Matthes & Seitz 1988, p. 100 sq.

15

Eine Ausnahme bildet hier das Gemälde Carlos V, cazador (1799, GW 744). Cf. Francisco Javier Rocha ed.: Goya y el espíritu de la Ilustración, Madrid: Museo del Prado 1988, p. 198.

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gebung Goyas vermag der massigen, ungestalten Erscheinung der Figur nicht mehr zu schmeicheln. Karl IV. strahlt weder auf den Reiterporträts noch in einer an Rigauds Ludwig XIV. angelehnten Pose, ausgestattet mit den Insignien seiner Macht, eine gottgegebene majestätische Würde aus, wie sie für Karl III. noch charakteristisch war. Als Endpunkt innerhalb dieser Entauratisierung möchte ich mich noch einem Porträt Ferdinands VII. von 1814 zuwenden, das zu den letzten Aufgaben Goyas als Hofmaler gehört.

Abb. 5. Goya: Ferdinand VII. im Königsornat

Das Gemälde 16 zeigt Ferdinand VII., der nach dem Befreiungskrieg gegen Napoleon die politische Restauration einleitet. Hatte Karl IV. sich eher selten mit Staatsornat geschmückt, stellt Ferdinand VII. sich betont mit den Attributen seiner Macht dar. Das Goldene Vlies, der Orden Karls III., und der rote, brokatgefaßte und hermelingefutterte Hofmantel zeugen zum einen von dem Legitimationsdrang, unter dem Ferdinand VII. handelt, und stehen zum anderen in direktem Kontrast zur untersetzten, gedrungenen Gestalt des Herrschers. Der finstere Blick unter den zusammenwachsenden Augenbrauen, das nach vorn geschobene Kinn, die schmalen, zusammengepreßten Lippen erscheinen als physiognomisch e

Entsprechung der tatsächlichen Engstirnigkeit und Rückwärtsgewandtheit des Monarchen. Innerhalb der hier betrachteten Herrscherporträts von Veläzquez zu Goya figuriert dieser Körperentwurf in dem Maße als Endpunkt, wie der königliche Körper zur pompösen Hülle erstarrt, allein seine Dysfunktionalität manifestiert.

16

Cf. Kindlers Malereilexikon (CD-Rom), edd. M. Bertram/E. Jurschitza, Berlin: Directmedia 1999 (Digitale Bibliothek 22).

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3. Von einer klassischen zu einer modernen Episteme: Das Bild als Modell von Wissenskonfigurationen

Abb. 6. Velázquez: Las Meninas

Zunächst mag es erstaunen, das Königsporträt in Veläzquez' Las Meninas auf seine Aussagekraft im Rahmen der bisherigen Überlegungen hin zu befragen. 17 Schließlich handelt es sich dabei lediglich um einen Reflex im Spiegel und damit um kein eigentliches Herrscherporträt, das entsprechenden Gattungskonventionen folgt, sondern gleichsam um eine mise en abyme, die einer fiktiven doppelten Abbildlichkeit unterworfen ist. Begreift man die Repräsentation der Meninas mit Foucault als "reine Repräsentation", die sich - von jedem vermeintlichen Sujet befreit - 1 8 in einem endlos reziproken "Spiel der Verwandlungen" 19

17 18

Cf. Harris: Veläzquez, p. 173. Cf. "Die Ordnung der Dinge, p. 45. Zur Bedeutung des Foucaultschen Ansatzes für die Kunstgeschichte cf. Svetlana Alpers: "Interpretation ohne Darstellung - oder: Das Sehen von Las Meninas", in: W. Kemp ed.: Der Betrachter ist im Bild, Köln: DuMont 1985. pp.

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verwirklicht, wächst dem Spiegelbild eine ganz besondere Bedeutung zu, die wichtige Rückschlüsse auf das zeitgenössische Konzept des königlichen Körpers zuläßt. Die immer wieder betonte Rätselhaftigkeit von Veläzquez' Las Meninas, die einen Großteil der Faszination des Bildes ausmacht, liegt zuallererst in ihrer nur vordergründig zentralperspektivischen Anlage begründet, in der die Bildmitte vakant bleibt.20 So scheint der Schlüssel der Komposition rechts und links von der eigentlichen Bildmitte zu liegen: im gespiegelten Porträt des Königspaares, das dem Bild einen paradoxerweise nach vorne verlegten Fluchtpunkt verleiht, und in der geöffneten Tür, die den Raum auf einen hinter dem Bild liegenden Fluchtpunkt hin öffnet. Mit dieser ersten Dezentralisierung fallt auch die strenge Aufteilung des Bildes in Horizontale und Vertikale auf. So beschreiben der Deckensturz und die parallel zu ihm verlaufenden Ober- und Unterkanten der im Hintergrund sichtbaren Bilder Horizontallinien, während das von rechts einfallende Licht die Vertikale der Fensterumrandung betont, die mit der nach außen geöffneten Tür, den Bilderrahmen und auch der links im Bild sichtbaren Leinwand korrespondiert. Die Unbeweglichkeit, welche diese Grundkomposition vermittelt, lockert Veläzquez mittels dynamisierender Diagonalen, die - beginnt man die Lektüre im lateinischen Schriftsinn von rechts nach links - von der Leinwand über die Personen im unteren Drittel des Bildes verschiedene Aufund-ab-Bewegungen beschreiben. Parallel zu der an der Rückseite der Leinwand angedeuteten Staffelei verläuft eine abfallende Diagonale vom Selbstporträt des Künstlers über die links im Bild stehende Maria Agustina Sarmiento bis auf den Krug, den sie der Infantin reicht. Der dabei nach vorn gebeugte Oberkörper M. A. Sarmientos beschreibt eine zunächst aufsteigende Diagonale, die sich bis in die Mitte des oberen Bildrandes des Spiegelporträts hin verlängert. Dort setzt eine nach unten fallende Linie ein, die über die linke Körperhälfie der im Mittelpunkt stehenden Infantin Margarita hin zu dem vorne im Bild kauernden Hund verläuft. Komplementär dazu entwickelt sich eine weitere aufsteigende Diagonale, die von der rechten Körperhälfte der Infantin ausgeht und den im Türrahmen erscheinenden José Nieto mit einbezieht, um dann von dort aus erneut in eine abfallende Linie zu münden, die der nach links geneigte Rumpf Isabel de Velascos markiert und sich über die Unterarme der beiden Zwerge in der

19 20

91-109; zuletzt cf. Ellen Harlizius-Klück: Der Platz des Königs - Las Meninas [sie!] als Tableau des klassischen Wissens bei Michel Foucaull, Wien: Passagen Verlag 1995. *Die Ordnung der Dinge, p. 33. Die Bildkonstroktion hat zu zahlreichen Perspektive-Studien angeregt. Dazu zuletzt cf. Caroline Kesser: Las Meninas von Veläzquez, Berlin: Reimer 1994, p. 151 sqq.

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rechten Bildecke hin verlängert. Aus dieser Grundkomposition ergeben sich zwei Dreiecke, deren Spitzen einmal im Spiegelbild des Königspaares und dann in der geöffneten Tür liegen. Die beschriebenen Aufwärts- und Abwärtslinien stehen in direkter Funktion einer Bildregie, die den Blick auf eine künstliche Bildmitte lenken will: Insoweit die Infantin Margarita im Deckungsraum der beiden Dreiecke und auch im Mittelpunkt der durch Fenster und Tür einfallenden Lichtkegel steht, konvergiert sie - neben dem Spiegelbild und dem hereintretenden Nieto - als drittes Element um den geometrischen Mittelpunkt des Bildes. Die dynamische Spannung des Diagonalgeflechts und die strenge Ruhe des Gerüsts aus Horizontalen und Vertikalen wird durch parallel angeordnete Figurenpaare in Balance gehalten: Maria Agusta Sarmiento und die Infantin Margarita, Philipp IV. und Mariana, Marcela de Ulloa und ein guardadamas rechts hinter Isabel de Velasco, die Zwerge Maribärbola und Nicolas de Portosanto sowie der ausgestreckt liegende Hund. Die Anordnung der Figuren ihrer kompositorischen Funktion gemäß, das austarierte Gleichgewicht im Widerspiel der Linienführung und die starke Betonung der Raumwirkung des Bildes, das sich kulissenartig fiktiv auf einen außen liegenden Fluchtpunkt hin zu öffnen scheint, verleihen dem Bildraum jenen Bühnencharakter, der Foucault veranlaßt haben dürfte, von einem Schauspiel zu sprechen und nach den Rollen der Beteiligten zu fragen. Innerhalb der Rollenspiele ist der Spiegel von zentraler Bedeutung, da er einerseits die einzig sichtbare Repräsentation im Bild darstellt und andererseits in seiner "Indifferenz" nicht reflektiert, was im Bildraum selbst zu sehen ist.21 Funktional sichert er eine "Metathese der Sichtbarkeit"22 und ist ein Pendant zur geöffneten Tür, mit der er gemeinsam die beiden gegenläufigen Bildtiefen entwickelt. Dem bildimmanenten Betrachter Nieto, der die uns verborgene Leinwand und auch die modellhafte Szenerie vor dem Bild einsehen kann, stellt Veläzquez damit einen zweiten Bildbetrachter frontal gegenüber. Inhaltlich ist der Körper des Königs in seiner Spiegelbildlichkeit "die zerbrechlichste Form und am entferntesten von der Realität"23 und bezeichnet damit einen Kontrapunkt zur leibhaftigen Erscheinung des Höflings.24 In dieser komplementären Konstellation stellt der Spiegel eine Variante des imaginären, entrückten Königskörpers der grauen Bilder dar. Insofern er "als Betrachtender und 21 22 23 24

Cf. *Die Ordnung der Dinge, p. 35. Ibid. p. 37. Ibid. p. 43. Den völlig anders konzipierten Körper der Königin klammere ich aus meiner Betrachtung aus. Cf. Lynn Hunt: "The Many Bodies of Marie Antoinette", in: *Ead. ed.: Eroticism and the Body Politic, pp. 108-130.

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Betrachter" erst jene "reine Reziprozität" schafft.25 die die Konstellation der Meninas für uns heute problematisch werden läßt, wird sein Inhalt zum "Zentrum, um das sich die ganze Repräsentation ordnet".36 Indem er den abwesend anwesenden Körper des Königs thematisiert, macht er aus den Meninas eine Apotheose der spanischen Gesellschaftsordnung, an deren Spitze eben dieser Körper steht. Als metaphysisch begründeter Repräsentant Gottes verfugt der König über einen ubiquitär gedachten Körper, der es ihm ermöglicht, als 'Auge' des Staates zu fungieren, das allwissend alles sieht.27 Im Bild korrespondiert die Doppelung des betrachtenden Betrachters mit dem Konzept des auch in seiner Absenz allgegenwärtigen Königs. Das mysteriöse Paradox des abwesend anwesenden monarchischen Körpers verweist auf einen religiösen Begründungszusammenhang, der auch das Gemälde betrifft: Affirmation simultanée d'une médiation et d'une immédiateté: l'existence de tenantlieu [...] n'empêche pas qu'il y ait présence réelle du souverain. En quoi le mystère royal s'apparente de fort près à un autre: celui, très discuté à l'époque, de la présence réelle dans l'Eucharistie.28

Vor dem Hintergrund dieser Teilhabe am eucharistisehen Leib Christi, die es dem königlichen Körper ermöglicht, zwei Positionen im Repräsentationsschauspiel zu besetzen - die des Modells und die des Zuschauers - reihen sich Las Meninas in eine Rex-Imago-Dei Tradition ein:29 Die Person der Madonna und des 'katholischen Königs' trennt zwar der Rang, aber der Aufbau des Porträts ist identisch. Das imperiale und das sakrale Bild, die eine gemeinsame Wurzel in der Antike hatten, tendieren damals in Spanien wieder zur Annäherung aneinander.30

Diese Nähe der Bilder vom königlichen und vom heiligen Körper erklärt auch die Transzendierung des königlichen Körpers in den besprochenen Herrscherporträts und stellt sie in direkten Bezug zu einer "Metaphysik des herrscherlichen Bildes",31 der entsprechend das Königsbild, der Funktion mittelalterlicher Effigien ähnlich, den abwesenden Fürsten re-präsentiert. Indem er den Platz des 25 26 27

28

29 30

31

*Die Ordnung der Dinge, p. 42. *Die Ordnung der Dinge, p. 43. Cf. René Démoris: "Le Corps royal et l'imaginaire au XVII e siècle - 'Le Portrait du Roy' par Félibien", Revue des sciences humaines 44 (1978). 9-30. p. 23. Ibid. p. 17. Die greifbare körperliche Präsenz in der Eucharistie behandelt Louis Marin: La Critique du discours, Paris: Minuit 1975. Cf. *V. I. Stoichita: "Imago Régis", p. 182. Ibid. p. 177. Stoichita kommt von einer anderen Fragestellung ausgehend zu diesem Schluß. Ibid. p. 182.

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Körpers im Dialog

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Betrachters und des Modells - des Subjekts und des Objekts - immer schon durch den König als Zeugen göttlicher Sinnstiftung besetzt hält, gestaltet Velazquez auf dieser Basis eine reziproke Sinnfigur, die ganz im Sinnbildungshorizont des Barock aufgeht: "Die Meninas stehen als Bild des Barock historisch vor dem Vollzug der Selbst-Erfahrung, daß der Mensch seiner Umwelt Sinn gibt, statt einen unabhängig von ihm existierenden Sinn der Welt zu entziffern." 32

Abb. 7. Goya: Familie Karls IV.

Versteht man Las Meninas vor diesem Hintergrund modellhaft als Bild, in dem die Wirkmaicht der Repräsentationsepisteme in ihrem Zugriff auf die beteiligten Instanzen Maler, Modell und Beobachter sichtbar wird, dann läßt sich die Familia de Carlos IV von Goya33 gleichsam als Dokumentation des Machtverlustes jener Episteme beschreiben. Der vordergründig zentralperspektivischen Anlage der Meninas zieht Goya eine flache, von zwei goldenen Schnitten beherrschte Komposition vor. Mit der horizontalen Schnittfuhrung, die oberhalb der Köpfe von Maria Luisa und Carlos IV verläiuft, betont Goya die friesartige Anordnung der Figuren im unteren Bildteil. Wäihrend Maria Luisa den geometrischen Bildmittelpunkt besetzt, lenkt 32

*Hans Ulriich Gumbrecht: Eine Geschichte der spanischen Literatur, p. 429.

33

Cf. Kindlers

Malereilexikon.

90

Susanne

Schlünder

der goldene Schnitt der Vertikalen das Interesse auf den Monarchen. Zwischen König und Königin zeichnet sich ein nach unten zulaufendes Dreieck ab, das den in seiner kardinalroten Kleidung auch farblich hervorgehobenen Infanten Francisco de Paula betont. Die beiden Figurengruppen links und rechts im Bild wirken dieser Konzentration auf das Dreieck aus Königspaar und Infant insofern entgegen, als sie im Einklang mit der schwachen räumlichen Gestaltung des Bildes die harmonische Gleichgewichtung wiederherstellen. Neben einem vage hinter Francisco de Paula angedeuteten Wandverlauf wird nur durch die schräggestellte Leinwand eine geringe perspektivische Raumwirkung erzielt. Der Verzicht auf ein spannungsreiches Geflecht aus Diagonalen, das die Blickregie der Meninas rhythmisiert, sowie die geringe Raumwirkung und die gleichmäßige Figurenanordnung stehen ganz in Funktion einer entdramatisierten Bildwirkung. Entsprechend trägt auch der von links einfallende, diagonal die Figurenreihe streifende Lichtkegel nicht dazu bei, einen Spannungsbogen im Bild zu entfalten. Vielmehr unterstützt er die Konformität der vorwiegend in Gold- und Silbertönen gekleideten Frauengruppe bestehend aus Maria Luisa, der Infantin Maria Isabel und der unbekannten Prinzessin an der Seite Kronprinz Ferdinands. Auch in seiner Farbgebung trägt Goya zu einer Harmonisierung des Ensembles bei: Die sparsam verwendeten roten Akzente sind über das Bild verteilt, der König ist - mit brillierenden Orden geschmückt - in Schwarz gekleidet. Seine blauweiße Königsschärpe korrespondiert zum einen mit denen der Infanten; zum anderen steht ihr Blauwert in zartem Komplementärkontrast zu den von Goldnuancen dominierten Kleidern der Königin und der Prinzessinnen. Selbst der Komplementärkontrast, der sich zwischen der durchgängig in blau gekleideten Figur des Kronprinzen und der Prinzessin neben ihm andeutet, wird durch den Lichteinfall von links, der die Frauengruppe trifft und dadurch leicht akzentuiert, wieder abgeschwächt. Von der Anlage her steht das Bild damit im Zeichen einer Harmonisierung, die als Normalisierung den Bildgegenstand selbst betrifft. Die oft festgestellte 'Bürgernähe' der Figuren,34 die der Betonung ihres Familienstatus' ebenso wie ihrer Gestik zu verdanken ist,35 steht ganz im Zeichen einer Normierung des Körpers, die in der Französischen Revolution auch den Körper des Königs trifft.36 Diesen Normalisierungszwängen, die in Frankreich eine neue 34

35

36

Cf. Jörg Traeger: "Goyas königliche Familie - Hofkunst und Bürgerblick", Münchner Jahrbuch der bildenden Künste 41 (1990), 147-181. Cf. Martin Warnke: "Goyas Gesten", in: Id. et al.: Goya - 'Alle werden fallen', Frankfurt a. M.: Athenäum 1987, pp. 115-177. Zur Bedeutung der Hinrichtung Ludwigs XVI. für einen Bruch im zeitgenössischen Körperverständnis cf. Daniel Arasse: La Guillotine et l'Imaginaire de la Terreur, Paris: Flammarion 1987, p. 47 sqq.

Bilder des königlichen Körpers im Dialog

91

Gattung grotesker Königsbilder befördern,37 entspricht in Spanien eine Normalisierung des Herrscherporträts, die sich in La Familia de Carlos IV als Bruch mit der Gattungstradition vor allem in den Gesichtern der Dargestellten spiegelt. Während Las Meninas Ausdruck der natürlichen Synthesis zwischen sozialer Funktion und metaphysischer Ordnung ist, dokumentiert Goyas Familienporträt eine Privatisierung und Psychologisierung des fürstlichen Familienlebens. Indem er den Monarchen in seiner Vaterrolle direkt in das Bildgeschehen einbezieht, unterwirft Goya den auf seine Modellrolle reduzierten Körper des Königs letzthin einem künstlerisch analytischen Blick. Dieses säkularisierte Herrscherbild steht ganz im Gegensatz zum Konzept des sakralisierten Körpers,38 das in den Meninas zum Tragen kommt. Der Bruch mit einem metaphysischen Bildstatus,39 auf den sich Goyas Königsbilder seit Ende der 1790er Jahre zubewegen, steht in einer engen Wechselbeziehung zu der von Foucault konstatierten Ablösung einer Episteme der Repräsentation durch eine Episteme der Moderne. Verweisen die entwirklichten Körper Philipps IV. in den Veläzquez-Porträts auf ihren metaphysischen Begründungszusammenhang, erweisen sich die Gestalten Karls IV. und noch mehr Ferdinands VII. als in dieser Hinsicht ursprungslose. Sie sind damit Dokumente jener - ganz körperlich empfundenen - Verlusterfahrung, die sich in Goyas ambivalenten und halluzinatorisch anmutenden Körperwelten der Radierungszyklen und der Pinturas Negras manifestiert.

37

Cf. Annie Duprat: "La Dégradation de l'image royale dans la Caricature révolutionnaire", in: M. Vovelle ed.: Les ¡mages de la Révolution Française, Paris: Editions de la Sorbonne 2 1988, pp. 167-176. pp. 167-176. 38 Zur Sakralisierung des königlichen Körpers cf. Pierre Civil: "Le Corps du roi et son image - Une symbolique de l'Etat dans quelques représentations de Philippe II", in: »Augustin Redondo ed.: Le Corps comme métaphore dans l'Espagne des XVIe et XVIIe siècles, pp. 11-29. 3 " Cf. Hölscher: Bild und Exzeß, p. 85 sqq.

Uta Feiten

Zerstückelte Körper bei Garcia Lorca und den Surrealisten im intermedialen Rekurs auf prämoderne Text- und Bildtraditionen Ein Mann wird in seiner Wohnung von einer kriechenden Hand belästigt. Mehrere Versuche, sich ihrer zu entledigen, scheitern kläglich. Der Mann versucht die Hand aus dem Fenster zu werfen, doch kurz darauf sieht er mit Entsetzen, wie diese aus seinem Hemd hervorkriecht. Wütend greift der Mann nach einem Dolch, will das Körperteil am Tisch festnageln. Er durchbohrt seine eigene Hand: Loco de rabia, coge con decisión el órgano mutilado y lo sujeta furiosamente con su mano izquierda mientras empuña una daga con la derecha. Se dirige a la mesa y coloca la mano muerta sobre ella. Las dos manos izquierdas, la viva y la muerta. El espectador desconoce cual de las dos manos es la muerta. [...] Primer plano de las dos manos izquierdas. El puñal atraviesa una de ellas. Alarido de dolor. Una de las manos ha quedado clavada contra la mesa por la daga. La otra comienza a deslizarse. El hombre ha atravesado su propia mano.1

Traumphantasien von zerstückelten und durchbohrten Körpern, wie sie Buñuel in seinem "escrito cinematográfico" Alucinaciones en torno a una mano muerta inszeniert, sind in surrealistischen Texten, Bildern und Filmen bei Garcia Lorca, Salvador Dali und Luis Buñuel allgegenwärtig. Zu den bekanntesten Inszenierungen einer desintegrierten Gestalt des Körpers zählen die berühmte Eingangssequenz des zerschnittenen Auges und die Sequenz der mano cortada in Buñuels und Dalis berühmter filmischer Koproduktion Un Chien andalou. Doch auch die weniger rezipierte Obra literaria Buñuels, z.B. seine Lyrikanthologie Un perro andaluz, liefert eine Fülle von Beispielen für die traumanaloge Lust der Surrealisten an der Zerstückelung. In Buñuels poème en prose Palacio de hielo reißt eine sich die Fingernägel polierende Dame dem Erzähler - Luis Buñuel - die Augen aus und wirft sie auf die Straße:

1

Luis Buñuel: "Alucinaciones en tomo a una mano muerta", in: Obra literaria, ed. A. Sánchez Vidal, Zaragoza: Heraldo de Aragón 1982, p. 209.

94

Uta Fetten

La ventana se abre y aparece una dama que se da polisoir en las uñas. Cuando las considera suficientemente afiladas me saca los ojos y los arroja eu la calle. Quedan mis órbitas solas sin mirada, sin deseos, sin mar, sin polluelos. sin nada: una enfermera viene a sentarse a mi lado en la mesa de café. Despliega un periódico de 1856 y lee con voz emocionada: "Cuando los soldados de Napoleón entraron en Zaragoza en la VIL ZARAGOZA; no encontraron más que viento por las desiertas calles. Solo un charco croaboan los ojos de Luis Bunuel. Los soldados de Napoleón los remataron a bayonetazos."" Daß auch García Lorcas surrealistische Textproduktion - sein Theaterstück El Público, sein Filmscript Viaje a la luna und seine experimentellen Prosatexte

Degollación de los innocentes, Degollación del bautista, Nadadora sumergida und Santa Lucía y San Lázaro - in einem Verweisungskontext zu dem bei Buñuel und Dali dominierenden surrealistischen Diskurs der Zerstückelung stehen, wird in der Lorca-Forschung kaum erwähnt. Es könnte jetzt der Eindruck entstehen, es wollte hier eine Motivgeschichte des zerstückelten Körpers im Surrealismus vorgelegt werden, doch das ist nicht mein Anliegen. Entscheidend erscheint es mir, die surrealistischen Körperbilder nicht als subjektive Einzelprodukte, sondern als literarische Einbildungen, dialogische Auseinandersetzungen mit der literarischen und pikturalen Tradition zu verstehen. Die in Lorcas Textproduktion frequenten Bilder einer desintegrierten Gestalt des Körpers stehen in einem breit gefächerten Verweisungskontext mit der Bild- und Texttradition der Prämoderne, deren Lust an der Zerstückelung sie - frei von christlichen Ideologemen - aktualisieren. Quevedos Sueño del juicio final gehört neben Hieronymus Boschs Versuchung des Heiligen Antonius und den berühmten Märtyrerdarstellungen des Juan de Valdés Leal - Cabeza cortada de Santa Catalina (siehe Abb. 1) - und Francisco Zurbaráns - Santa Lucia und Santa Agueda (siehe Abb. 2 und 3) - zu den wesentlichen Referenzsystemen der surrealistischen Zerstückelungsästhetik. Die Surrealisten entdecken in diesen vom Tridentinischen Konzil dogmatisch vereinnahmten Körperbildern deren inhärente Mehrdeutigkeit wieder 3 und deuten diese als Antizipationen einer Ästhetik der grotesken Sinnvervielfaltigung und Zerstückelung.

2 3

Luis Bunuel: "Alucinaciones en torno a una mano muerta", p. 141. Cf. in diesem Zusammenhang auch Uwe Scheele, der ausgewählte Sequenzen aus Un Chien andalou und La Voie lactée in einen intermedialen Verweisungskontext mit Valdés Leals Fin de ta gloria del Mundo stellt und konstatiert, daß Bunuels surrealistische Transposition von Motiven aus der prämodernen Malerei eines Valdés Leals sich von der christlichen Dogmatik, die der barocken Kunst von der Gegenreformation aufgezwungen wurde, befreit habe und in den Filmen Bunuels zu "unmittelbarem, unkontrollierbarem Ausdruck" gelange (Uwe Scheele: "El obispo podrido - Bunuels Schock-Ästhetik zwi-

Zerstückelte

Körper bei Lorca und den

Surrealisten

95

Abb. 1. Juan de Valdés Leal: Cabeza cortada de Santa Catalina4

Im folgenden soll es um Fragen der Rezeption, der Aktualisierung und Transformation prämoderner Zerstückelungsmytheme in der surrealistischen Traumästhetik bei García Lorca gehen. Das Konzept der Intermedialität, das hier im Anschluß an Volker RolofT als "spannungsreiche Mischung verschiedener Diskurse und Medien" 5 verstanden wird, liefert eine geeignete methodische Prämisse für die Beantwortung dieser Fragen. Am Beispiel der Textproduktion Garcia Lorcas soll gezeigt werden, wie Intermedialität als eine von psychoanalytischen und ideologischen Sinngehalten befreite Aktualisierung von prämodernen Körperbildern der Zerstückelung funktioniert. Die Lust an der Darstellung zerstückelter Körper, an der fröhlichen Darstellung von Grausamkeit, manifestiert sich vor allem in Lorcas Prosatexten - Nadadora sumergida, Suicidio en Alejandría, Santa Lucía y San Lázaro, Degollación del bautista, im Filmscript Viaje a la luna und in seinem Theaterstück El Público. Im Prosatraumtext Nadadora sumergida, einem surrealistischen Zeitungsbericht, berichtet der Erzähler vom monströsen Fund einer Leiche am Strand. Es ist die Leiche der Gräfin X, der ein "seltsamer Mörder" eine Absinthgabel in den Nacken gestochen hat: sehen Hyperrealismus und innerer Bildwelt", in: V. RolofT, U. Link-Heer edd.: Luis Bunuel - Film - Literatur - Intermedialiät, Dannstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1994, p. 155). 4

Abb. 1-3 in diesem Artikel nach Photographien der Autorin.

5

Ibid. p. 4.

Uta Feiten

96

A la mañana siguiente ñte encontrada en la playa la condesa de X con un tenedor de ajenjo clavado en la nuca. Su muerte debió de ser instantánea. En la arena se encontró un papelito manchado de sangre que decía: "Puesto que no te puedes convertir en paloma, bien muerta estás". Los policías suben y bajan las dunas montados en bicicleta. Se asegura que la bella condesa X era muy aficionada a la natación, y que esta ba sido la causa de su muerte. De todas maneras podemos afirmar que se ignora el nombre de su maravilloso asesino.6 Suicidio

en Alejandría,

ein cinemato-

graphisches Poema, beginnt mit einer Enthauptungsszene,

in der geschildert

wird, w i e ein abgeschnittener Kopf auf einen Bürotisch gelegt wird: "Cuando pusieron la cabeza cortada sobre la mesa se rompieron todos los cristales de la ciudad". 7 Die Erzählung Santa San

Lázaro,

markierten, Abb. 2. Francisco de Zurbarén: Santa Lucia

der

einzige

expliziten

Lucia y

Fall

einer

Intermedialität,

versucht die visuelle Inszenierung eines Bildes von Zurbarán, das die Heilige Lucia, die ihre ausgestochenen Augen

auf einem Tablett trägt, darstellt (siehe Abb. 2): Santa Lucía fue una hermosa doncella de Siracusa. La pintan con dos magníficos ojos de buey en una bandeja. Sufrió martirio bajo el cónsul Pacasiano. que tenía los bigotes de plata y aullaba como un mastín. [...] Los ojos de la Santa miraban en la bandeja con el dolor frío del animal a quien acaban de darle la puntilla. [...] Ojos de Santa Lucía [...] Merecedores de la bandeja que les da realidad y levantados, como los pechos de Venus [,..].8

6

7 8

Federico García Lorca: Obras completas. III. ed. A. del Hoyo. Madrid: Aguilar 1986, p. 160. Ibid. p. 156. Federico García Lorca: Obras completas. HI. ed. A. del Hoyo. Madrid: Aguilar 1986, pp. 144-146.

Zerstückelte Körper bei Lorca und den Surrealisten

97

In Degollación del bautista wird das Abtrennen eines Kopfes vom Rumpf inszeniert: Bajo un cielo de plantas de pie. La degollación fue horripilante. Pero maravillosamente desarrollada. El cuchillo era prodigioso. Al fin y al cabo, la carne es siempre panza de rana. Hay que ir contra la carne. Hay que levantar fábricas de cuchillos. Para que el horror mueva su bosque intravenoso. El especialista de la degollación es enemigo de las esmeraldas. Siempre te lo había dicho, hijo mío. No conoce el chicle, pero conoce el cuello tiemísimo de la perdiz viva. El Bautista estaba de rodillas. El degollador era un hombre minúsculo. Pero el cuchillo era un cuchillo. Un cuchillo chispeante, un cuchillo de chispas con los dientes apretados."

In den sado-masochistischen Rollenspielen der Figura de Cascabeles und der Figura de Pámpanos, die im Cuadro segundo von El Público als homoerotische Spielformen Amors inszeniert werden, befiehlt die Figura de Pámpanos ihrem Geliebten, er solle eine Axt nehmen und ihr die Beine abschlagen: "FIGURA DE PÁMPANOS. Toma una hacha y córtame las piernas".10 Die Zerstückelungsphantasie der Figura de Pámpanos kul. . , . , „ , . „

,

..

miruert in der Schlußszene des zweiten Bu-

Abb. 3. Francisco de Zurbarán: „ . , Santa Agueda

des, in der die Figur vorschlägt, sich selbst zu enthaupten, um dem Kaiser den eigenen Kopf als Objekt der Lust anzubieten: "FIGURA DE PÁMPANOS. [...] Si me besas yo abriré mi boca para clavarme después tu espada en el cuello. [...] Y deja mi cabeza de amor en la ruina".11 In Lorcas Drehbuch Viaje a la luna werden Bildsequenzen von schreienden, aufgerissenen Mündern, Phalloi, vomierenden Körpern, Augen, Beinen, Füßen, Händen und Köpfen ineinandergeschachtelt: 3: Pies grandes corren rápidamente [...] 4: Cabeza asustada que mira fijamente un punto [...] 5: [...] un sexo de mujer con movimiento de arriba abajo [...] 9: Dos pier-

9

Ibid. pp. 153-154.

10

Id.: El Público, ed. M. d e m e n t a Millán, Madrid: Cátedra 1988, p. 133.

" Ibid. pp. 132-139.

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Uta Feiten

ñas corren con gran rapidez. 10: Las pieraas se dissuelven sobre un grupo de manos que tiemblan. [...] 14: Al final un gran plano de un ojo (...) 19 [...] una cabeza que vomita y abre y cierra los ojos [...] 32: [...] aparece una cabeza enorme dibujada de mujer que vomita. 12

Lorcas tabuüberschreitende Lust an der Zerstückelung des Körpers wird besonders in den Bildsequenzen erwürgter Fisch-, Vogel- und Krötenköpfe deutlich, die sich mit den Bildmaterialien vomierender Frauenköpfe, schreiender Münder und Phalloi überlagern: 27: [...] Un pez vivo sostenido en la mano de una persona, en gran plano, que lo aprieta hasta que muere [...] 44: aparece una cabeza de un pájaro en gran plano a la cual se estruja hasta que muere frente al objetivo [...] y aparece en la pantalla una luna [...] que se dissuelve sobre un sexo y el sexo en la boca que grita. 51: Una cabeza mira estúpidamente. [...] Y se dissuelve en una rana. El hombre de las venas estruja la rana con los dedos [...] 54: Una cabeza que vomita.

Die Bildsequenzen der vom Körper abgetrennten Beine, Hände, Augen, Phalloi, erwürgten Fisch- und Krötenköpfe in Lorcas Drehbuch Viaje a la luna stehen im intermedialen Verweisungskontext mit Hieronymus Boschs Versuchungen des Heiligen Antonius und realisieren in bestimmter Weise das "dort entwickelte System der Askese, das durch Verbote strukturierte Begehren" 13 , das bei Bosch in den Phantasmen der einander zerstückelnden und verschlingenden Tier- und Dämonenkörper, die die innere Bildproduktion des Eremiten, seine "Phantasien der Askese" bevölkern, zur Darstellung kommt. Als ein weiteres intermediales Referenzsystem für die sich in Viaje a la luna manifestierenden Zerstückelungsphantasien des begehrenden Blicks sowie fiir die Lust an der Transgression kann die literarische und filmische Produktion Luis Bunuels betrachtet werden. In Bunuels Prosatext Una Jirafa, eine Art Gebrauchsanweisung für eine multimediale Performance, in der filmisches Sehen präinszeniert wird, seziert der begehrende Blick den Körper in Objekte seiner Begierde und generiert Phantasiegebilde seiner Lüste. Objekt dieser multimedialen Performance, die Buñuel in diesem Text entwirft, ist eine von Alberto Giacometti in Form eines einfachen Holzbrettes ausgeschnittene Giraffe, deren Besonderheit darin besteht, daß ihre Flecken vom Betrachter aufgeklappt werden können. Die HolzgirafTe mit ihren aufklappbaren Flecken kann als ein filmanaloges Bestiarium und als metamediales Experiment über die Möglichkeiten

12

Id.: Viaje a la luna (guión cinematográfico), ed. M. Laffranque. Loubressac: Braad 1980.

13

Peter Gendolla: "Begegnungen im Traum - Buñuels Transformation der Versuchungsgeschichte in den Film", in: V. RolofT, U. Link-Heer edd.: Luis Buñuel - Film - Literatur Intermedialität, p. 139.

Zerstückelte Körper bei Lorca und den

Surrealisten

99

filmischer Mittel verstanden werden, das die Idee der surrealistischen Schockmontage bereits präinszeniert und Zuschauerreaktionen, mögliche Schockreaktionen mitreflektiert. Je nachdem, welche der zwanzig aufklappbaren Flecken der Betrachter öffnet, können seine Reaktionen von der Lust bis zur Angst, vom Lachen bis zum Entsetzen variieren. So wird beispielsweise im zweiten Fleck der Blick des Betrachters von dem eines Kuhauges erwidert, dessen Lid unvermittelt herunterklappen und die Betrachtung beenden soll. Im achten Fleck wird die voyeuristische Lust des Betrachters angetestet. Sein Blick wird von der Scham eines jungen dänischen Mädchens empfangen. In anderen Flecken wird der Blick des Betrachters mit einer Schweinsblase, einer Rose, einem schwarzen Loch, einem lachenden Christuskopf, einem Nachtfalter, lebendigen Spinnen oder dem Bild einer mit Exkrementen beschmierten Jungfrau konfrontiert: Esta jirafa, de tamaSo natural, es una sencilla tabla recortada en forma de jirafa que ofrece una particularidad que la diferencia del resto de los animales fabricados en madera: cada mancha de su piel que, vista a tres o cuatro metros de distancia no ofrece nada anormal, está, en realidad, constituida sea por una tapadera que cada espectador puede fácilmente abrir [...] DE LO QUE DEBE HALLARSE EN CADA MANCHA DE LA JIRAFA [...] En la segunda: A condición de abrirla al mediodía, como lo precisa la inscripción exterior, aparece un ojo de vaca en su órbita, con sus pestañas y párpado. La imagen del espectador se refleja en el ojo. El párpado debe caer bruscamente, dando fm a la contemplación.[...] En ta octava: Esta mancha es ligeramente cóncava y está cubierta de pelos muy finos, rizados, rubios, del pubis de una joven adolescente danesa [...] En la doceava: Una hermosísima foto de la cabeza de Cristo coronada de espinas, pero RIÉNDOSE A CARCAJADAS [...] En la dieciseisava: Al abrirse la mancha se ve [...] la figura de la Virgen cuidadosamente ensuciada con excrementos [...].14

Im neuen Medium des Films findet Buñuel schließlich das Medium par excellence, das die durch den begehrenden Blick generierten inneren Traum- und Körperbilder in äußere zu verwandeln weiß. Hat doch der Film als ideales Traumgenre, vielmehr noch als Prosa, Theater und Malerei die Möglichkeit, "die Objekte des Begehrens, das halluzinatorische Versteckspiel mit den eigenen Obsessionen, in eine gleitende Bewegung zu bringen, in traumanaloge Bildserien aufzulösen und so den Prozeß des Begehrens selbst zu veranschaulichen". 15

14

Luis Buñuel: "Una Jirafa", in: Obra literaria, ed. A. Sánchez Vidal, pp. 145-148. " *Peter Gendolla: Phantasien der Askese, p. 183.

Uta Feiten

100

Peter Gendolla erkennt in den Komplementärpaaren Lust und Angst. Tabu und Tabuübertretung die primären bilderzeugenden Prinzipien, die générateurs eines durch Verbote determinierten Begehrens, das Bunuels Chien andalou in rhythmische Bilder zu kleiden sucht: So gibt es im Chien andalou unentwegt plötzliche Übergänge von neutralen zu tabuisierten Bildern, anstößig vor allem aufgrund der Verknüpfimg. die das neutrale Bild denunziert, eine verbotene Beziehung, heimliche Komplizenschaft aufdeckt. Der Schnitt oder die Überblendung geben einen Zusammenhang frei, der verdrängt und mit Angst aufgeladen war. Eben diese Angst bildet die den Film beherrschende Emotion, unauflösbar verbunden mit der Lust. Die Angst ist nur die unters Verbot geratene Lust, genau diese Überlagerung gibt der Film fürs Auge frei. [...] Tabu und Tabuübertretung werden vom Film rhythmisiert [...].16

Lust und Angst, Askese und Ekstase, Tabu und Tabuübertretung, Lachen und Entsetzen sind die primären générateurs, die die Bildproduktion in Viaje a la luna bestimmen, und sind zugleich Rezeptionsanweisungen an den Leser bzw. an den imaginierten Zuschauer, bewußte ironische Spiele mit dem durch Tabus und Verbote determinierten Begehren des Zuschauers, mit seinen möglichen Erwartungen, Obsessionen, Phantasmen. Jenes schon in Boschs Versuchungen des Heiligen Antonius realisierte System der Askese eines durch Verbote determinierten Begehrens manifestiert sich bei Lorca im Sinne einer lacanianischen Grundstruktur des Begehrens. In La Signification du phallus erläutert Lacan den sich im kindlichen Triebleben äußernden Prozeß des Begehrens, bei dem das durch Spaltung determinierte Subjekt den Anderen zum phallischen Signifikanten erhebt und dessen Begehren anerkennt: Que le phallus soit un signifiant, impose que ce soit à la place de l'autre que le sujet y ait accès. Mais ce signifiant n'y étant que voilé et comme raison du désir de l'Autre, c'est ce désir de l'Autre comme tel qu'il est imposé au sujet de reconnaître, c'est-à-dire l'Autre en tant qu'est lui-même sujet divisé de la Spaltung signifiante. 17

Die lacanianische Grundstruktur, wie sie sich in Viaje a la luna manifestiert, läßt sich folgendermaßen beschreiben: Ein imaginärer Eremit - ich verstehe den Eremiten als eine die innere Bildproduktion steuernde Instanz - besetzt verschiedene Objekte, Köpfe, Münder, Phalloi, erwürgte Fischköpfe mit seinem Begehren. Durch die Besetzung der Bilder mit Begehren werden diese zu phallischen Signifikanten. Doch wird durch die phallische Überdetermination der Bildsequenzen selbst - die Bildsequenzen zeigen biologische Phalloi - der

16

Id.: "Begegnungen im Traum - Bunuels Transformation der Versuchungsgeschichte in den Film", p. 139.

17

Jacques Lacan: Écrits II, Paris: Seuil 1971. p. 112.

Zerstückelte Körper bei Lorca und den Surrealisten

101

Drehbuchtext unzugänglich für eine ernsthafte lacanianische Deutung, die sich in der Pathologisierung gefällt und hinter den Bildern von zerstückelten und zerrissenen Körpern ein pathologisches Individuum konstruieren würde. Für Lacan sind, so erläutert er in seinem bekanntesten Text Le Stade du miroir, Traumphantasien von zerstückelten oder durchbohrten Körpern als Regressionen in eine Zeit vor dem Spiegelstadium, als "symptômes de schize ou de spasme, de l'hystérie", als Symptome eines kranken, aggressiven, hysterischen Individuums zu begreifen: Ce corps morcelé [...] se montre régulièrement dans les rêves, quand la motion touche à un certain niveau la désintégration agressive de l'individu. Il apparaît alors sous la forme de membres disjoints [...] cette forme se [...] manifeste dans les symptômes de schize ou de spasme, de l'hystérie. 18

Die lacanianische "Abarbeitung des Imaginären", die sich in der Konstruktion eines pathologischen Individuums konkretisiert, kann - mit Norbert Bolz gesprochen - als ein "methodischer Ikonoklasmus, ein Wegsprechen der Bilder" 19 bezeichnet werden. Der Pathologisierung des Traums vom zerstückelten Körper durch Lacan setzen die Surrealisten die karnevaleske Freude an der Zerstückelung des Körpers in seine begehrlichen Einzelteile entgegen. Die Zerstückelung wird ästhetisiert und von den sie pathologisierenden rationalistischen Prinzipien befreit. Als Produkt eines begehrlichen traumanalogen Sehens wird die Zerstückelung des Körpers zum zentralen ästhetischen Verfahren der surrealistischen Bild- und Textproduktion. Die Theoreme zum Traumbild, die Gilles Deleuze in L'Image-temps im Anschluß an Bergson entwickelt, bieten eine geeignete methodische Prämisse fur eine Analyse jenes traumanalogen begehrlichen Sehens, das die Zerstückelung generiert. Deleuze definiert das Traumbild als ein dem Erinnerungsbild wesentlich verschiedenes. Das Erinnerungsbild, das, so Deleuze im Anschluß an Bergson, ein dem Wesen nach virtuelles Bild ist, kann sich im Wahrnehmungsbild unmittelbar aktualisieren. Im Traum träten zwei wesentliche Unterschiede auf: 1. Die Wahrnehmungen des Träumers entschwinden dem Bewußtsein. 2. Die virtuellen Bilder aktualisieren sich nicht unmittelbar, sondern bilden virtuelle Bildketten. Deleuze beschreibt die Struktur des Traums als einen regresstts ad infinitum, eine unendliche Kette von virtuellen Bildern, von denen jedes sich in einem an-

18 |Q

Jacques Lacan: Écrits, Paris 1966, p. 97. Norbert Bolz: Eine kurze Geschichte des Scheins, München: Fink 1991, p. 31.

Uta Feiten

102

deren aktualisiert, das selbst wiederum die Rolle eines virtuellen Bildes übernimmt, das sich in einem dritten aktualisiert, bis ins Unendliche: Le cas du rêve fait apparaître deux différences importantes. D'une part les perceptions du donneur subsistent, mais à l'état diffus d'une poussière de sensations actuelles, extérieures et intérieures, qui ne sont pas saisies pour elles-mêmes, échappent à la conscience. D'autre part l'image virtuelle qui s'actualise ne le fait pas directement, mais s'actualise dans une autre image, qui joue elle-même le rôle d'image virtuelle s'actualisant dans une troisième; à l'infini: le rêve n'est pas une métaphore, mais une série d'anamorphoses qui tracent un très grand circuit. 20

Überträgt man Deleuzes Traumtheoreme auf Bunuels Chien andalou, so erhält man einen neuen Zugang zu dem sich im Film manifestierenden Verfahren des traumanalogen begehrlichen Sehens und entdeckt im Film die Struktur des regressiis ad infinitum, der endlosen Verkettung virtueller Bildsequenzen, Produkte des begehrlichen Sehens. Ein Beispiel für ein solches onirisches Sehen in unendlichen virtuellen Bildketten bildet die Aktualisierung der virtuellen Bildsequenz der Achselhaare in der Sequenz der Seeigelstachel, die selbst wiederum die Rolle einer virtuellen Bildsequenz übernimmt, die sich in der Sequenz eines Kreises von Schaulustigen realisiert, die eine auf dem Boden liegende Hand betrachten. Auch die berühmten, häufig als Schockmontage bezeichneten Eingangssequenzen des Chien andalou können als Inszenierung eines traumanalogen Sehens in unendlichen virtuellen Bildketten gelesen werden: Die virtuelle Sequenz der aufgerissenen Wolke aktualisiert sich in der berühmten Sequenz der zerschnittenen Pupille, die wiederum die Funktion eines virtuellen Bildes übernimmt, das sich in den unzähligen Bildern zerstückelter, zerschnittener, durchbohrter Körper der surrealistischen Bildproduktion immer wieder neu aktualisiert und so einen unendlichen Kreis virtueller Bildverkettung generiert. Als Produkte eines begehrenden Sehens sind die surrealistischen Körperbilder der Zerstückelung polyvalent. In ihrer Mehrdeutigkeit inkarnieren sie sowohl den obsessioneilen Aspekt eines Systems der Askese, eines durch Verbote determinierten Begehrens, das auf die Bildtradition der Versuchung des Heiligen Antonius verweist, als auch den Aspekt lustvollen Chaos, der auf eine karnevaleske Tradition verweist. Reaktualisieren doch die heterogenen Bildsequenzen zerstückelter Körper in Viaje a la luna auf ihre Weise das in Quevedos Stteno del juicio final inszenierte karnevaleske Chaos der einander suchenden, sich gegenseitig vertauschenden Körperteile.

20

Gilles Deleuze: Cinéma 2 - L'Image-temps,

Paris: Minuit 1995, pp. 77-78.

Zerstückelte Körper bei Lorca und den

Surrealisten

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Wie Bernhard Teuber in seiner Studie zur karnevalesken Tradition bei Quevedo gezeigt hat21, trifft man im Sueño del juicio final auf eine hohe Frequenz von Bildern zerstückelter Körper. Der Träumer des Sueño del juicio final betrachtet von einer Anhöhe aus die Auferstehung der Toten, wobei die Totengebeine aus den Gräbern aufstehen und mit der Suche nach ihren einzelnen Körperteilen beginnen. Doch nicht für die von der göttlichen Vorsehung gelenkte Montage der Körperteile zu einem perfekten Ganzen interessiert sich der Träumer, sondern für den lachenden Anblick des Chaos der einander suchenden, einander vertauschenden Körperteile: [...] al punto comenzó a moverse toda la tierra y dar licencia a los huesos, que andaban ya unos en busca de otros. [...] Después noté de la manera que algunas ánimas venían con asco y otras con miedo huían de sus antiguos cuerpos. A cual faltaba un brazo, a cual un ojo y dióme risa ver la diversidad de figuras, y admiróme la providencia de Dios en que, estando barajados unos con otros, nadie por yerro de cuenta se poma las piernas ni los miembros de los vecinos. Solo en un cementerio me pareció que andaban destrocando cabezas y que veía un escribano que no le venía bien el alma y quiso decir que no era suyo por descartarse della. [...] Riérame si no me lastimara a otra parte el afán con que una gran chusma de escríbanos andaban huyendo de sus orejas, deseando no las llevar por no oír lo que esperaban, mas solos fueron sin ellas los que acá las habían perdido por ladrones, que por descuido no fueron todos. Pero lo que más me espantó fue ver los cuerpos de dos o tres mercaderes que se habían calzado las almas al revés y teman todos los cinco sentidos en las ufias de la mano derecha.2"

Obgleich sich der Träumer nicht so sehr für die von der göttlichen Providencia gesteuerte Rekombination der Körperteile zu einem perfekten Ganzen zu interessieren scheint, so ist doch entscheidend, daß diese hier - im Sinne einer wirksamen Einlösung christlicher Ideologie - noch stattfindet. In Lorcas Viaje a la luna hingegen fehlt die ideologisch-christliche Komponente gänzlich, die von Gott gesteuerte Montage des zerstückelten Körpers zu einem perfekten Ganzen findet nicht mehr statt. Es fehlt die göttliche Vorsehung, die den zerstückelten Körper wieder zusammensetzt. Es entsteht vielmehr ein monströser deformierter desintegrierter Körper, der auf die falsch zusammengesetzten Puppenkörper des Surrealisten Hans Bellmer (siehe Abb. 4) verweist. Der implizite intermediale Verweis auf die monströsen Puppenkörper des Hans Bellmer unterstreicht noch einmal mehr die Dialogizität, die breite Spannweite der Referenzsysteme, in denen sich Garcia Lorcas Körperinszenie-

21 22

'Bernhard Teuber: Sprache, Körper, Traum. Francisco de Quevedo y Villegas: Los Sueños, ed. I. Arellano, Madrid: Cátedra 1991, pp. 93-97.

Uta Feiten

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rungen der Zerstückelung bewegen. Als innere Freiräume des Traums, der Imagination und des Begehrens sind die Körperinszenierungen der Zerstückelung bei Garcia Lorca als kulturell geprägte Ein-ß/'W-ungen des Körpers zu begreifen, deren Referenzsysteme von den christlichen Märtyrerdarstellungen Zurbaräns über Quevedos Sueno del juicio final bis hin zum surrealistischen Film Luis Bunuels und zur Photocollage Hans Bellmers reichen.

Abb. 4. Hans Bellmer: Puppe'3

23

© VG Bild-Kunst, Bonn 1998.

Susanne Kleinert

Groteske Körperbilder in ausgewählten Romanen von Carlos Fuentes Schon im Frühwerk von Carlos Fuentes, vor allem in La muerte de Artemio Cruz, bildet der zerfallende Körper des Protagonisten einen Gegenpol zu seinen Versuchen, sich im Rückblick auf die Vergangenheit immer wieder eine andere Möglichkeit des eigenen Lebens vorzustellen. Während der Geist vor dem Tod in die Phantasie einer Welt anderer Möglichkeiten ausweicht, entfaltet der Körper seine eigene unausweichliche Dynamik. Paul Julian Smith hat auf diese Widerstandsfähigkeit des Körpers in Fuentes1 Roman hingewiesen: For Fuentes it seems likely that the body is the 'real', in the Lacanian sense: that is, the irreducible substance outside language and representation. Thus it is no accident that Cruz's loss of control over his body signals the beginning of the narrative: through its revelation of the absolute, this violent reminder of the primacy of the metabolism serves as a standard against which we may measure the vicissitudes of Cruz's conscious career in the symbolic arena.1

Der Körper entfaltet bei Fuentes seine Eigendynamik nicht nur gegenüber dem Geist, gegenüber der symbolischen Ebene, sondern auch auf der Ebene der einzelnen Körperteile, die sich gegenüber dem Körperganzen verselbständigen können. Besonders in Terra nostra konfrontiert der Autor seine Leserschaft mit bizarr fragmentierten Körpern. Die Autonomisierung des Körpers ist bei Fuentes mit Unheimlichkeitssignalen ausgestattet. Sie verweist auf eine Ohnmacht, auf einen Kontrollverlust des Protagonisten. Identitätsverlust, Spaltung des Ich und Doppelgängervisionen begleiten das Thema des autonomen Körpers. Dies gilt etwa für Fuentes' bekannten Kurzroman Aura. Der sich verselbständigende Körper kann bei Fuentes die Handlungsebene dominieren, wie in Aura, indem die Handlung nahelegt, daß Aura und die alte Frau ein und dieselbe Figur in zwei Gestalten ist, sie kann aber auch als besondere Körperwahrnehmung eines Protagonisten in dessen Inneres verlegt werden. Ein Beispiel dafür wäre die exzessive Aufmerksamkeit von Javier, eines der Protagonisten von Cambio de piel, fur seine Verdauungs-

1

*P. J. Smith: The Body Hispanic, p. 186.

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Vorgänge.2 Die Angst vor dem verfaulenden Körper prägt in noch stärkerer Weise Felipe, die Herrscherfigur in Terra nostra. Wie Paul Julian Smith dargestellt hat, dienen die Frauenfiguren dazu, dem Protagonisten die Identität zu sichern; dieses Unterfangen ist jedoch immer brüchig, da die Wahrnehmung der Frau häufig auch als eine Wahrnehmung der Leere dargestellt wird. Auf die Ambivalenz des Frauenbildes bei Fuentes ist vor allem Gloria Durán eingegangen; sie hat unter Bezug auf C. G. Jungs Archetypenkonzeption das Bild der Hexe und des Androgynen bei Fuentes untersucht, wobei sie die Betonung des Körperlich-Sexuellen in Fuentes' Androgynitätsbild sehr kritisch beurteilt.3 Im Hinblick auf die Darstellung grotesker Körperlichkeit bieten Fuentes' Hauptwerk Terra nostra und sein späterer Roman Cristóbal nonato schon deswegen ein sehr gutes Textmaterial, da der Autor sich hier keinerlei Beschränkungen eines realistischen Romandiskurses unterworfen hat. Die Anaichie det Körper Der antirealistische Charakter von Terra nostra wird im 1. Kapitel, dessen Handlung im Jahr 1999 in Paris spielt, besonders durch die Darstellung einer aus den Fugen geratenen Körperlichkeit unterstrichen. Der einarmige Protagonist dieses Kapitels, Polo Febo, wird in seinem Haus und am Quai Voltaire Zeuge der gleichzeitigen Niederkunft aller Frauen der Stadt - auch 90jährige Greisinnen gebären plötzlich Kinder. Dieser anarchischen Kraft der Prokreation steht wie der Text eher suggeriert als beschreibt - eine ebenso kollektive Vernichtung gegenüber. Der aus der Kirche Saint-Sulpice quellende Rauch wird von Polo Febo als Zeichen dort praktizierter Menschenopfer erfahren. Zu dieser gleichzeitigen Präsenz von Prokreation und Massenvernichtung wird eine Interpretation geliefert, die eine ambivalente Identität von Leben und Tod andeutet: La cabeza empezó a girarle a Polo; un orden implacable privaba en Saint-Sulpice y no había allí bien alguno; un desorden espantoso reinaba en el Quai Voltaire y no podía haber allí mal alguno, a menos que la vida hubiera adoptado las facciones de la muerte, y la muerte el semblante de la vida. 4

2

Cf. Carlos Fuentes: Cambio de piel (1967), Barcelona: Seix Barrai 1980, z. B. pp. 47-53, besonders p. 52 sq., wo ein metonymischer Zusammenhang zwischen dem von Maden durchsetzten Aas eines Hundes und Javiers Verdauung hergestellt wird.

3

Cf. Gloria Duran: The Archetypes of Carlos Fuentes - From Witch to Androgyne, Hamden, Connecticut: Archon Books 1980.

4

Fuentes: Terra nostra, Barcelona: Seix Barrai 1975, p. 30 (TN).

Groteske Körperbilder bei Carlos Fuentes

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Die Anarchie drückt sich auch darin aus, daß die Körper nicht mehr an Raum und Zeit gebunden sind. Durch das Paris des Jahres 1999 geistern mittelalterliche und frühneuzeitliche Flagellantenprozessionen, es mischen sich Stimmen aus verschiedenen Jahrhunderten und die eingeölten Körper, die Polo Febo im dichten Rauch von Saint-Sulpice ertastet, können im Verlauf der Lektüre des Romans aztekischen Opferritualen zugeordnet werden. Auch bei der weiteren Lektüre von Tetra nostra fallt zunächst auf, daß die Grenzen der Körper weder mit der Alltagserfahrung noch mit dem historischen Wissen übereinstimmen. Bekanntlich stellt Terra nostra eine imaginäre Konstruktion des spanischen SigJo de Oro und der Eroberung Mexikos bzw. Lateinamerikas dar. Vergleicht man aber die historischen Anspielungen mit dem vorhandenen historischen Wissen über das Siglo de Oro, so wird sehr schnell klar, daß die Figuren aus mehreren historischen Gestalten zusammengesetzt sind. Es gehört zum Kompositionsprinzip dieses monumentalen Romans, daß historische Gestalten vom Autor auseinandergenommen, zerstückelt und wieder neu zusammengesetzt wurden.5 Fuentes schafft damit Bilder historischer Archetypen, z. B. den Typus des jenseitsorientierten, leibfeindlichen Herrschers oder den Typus der wahnsinnigen Königin. Die Funktion dieser Kompositgestalten liegt offensichtlich darin, eine Kontinuität der Figuren bzw. ihrer Weltbilder über die Jahrhunderte hinweg zu behaupten. Im Hinblick auf das historische Wissen kann man also ohne weiteres von fließenden Grenzen in der Figurendarstellung sprechen. Aber auch für die deutlicher fiktionalen Figuren gilt dieses Prinzip. Im ersten Kapitel tauft Polo Febo ein Kind, das mit sechs Zehen und einem Kreuz auf dem Rücken geboren wird. Dieses Kind tritt im folgenden in der Gestalt von drei Jünglingen in dem imaginären Siglo de Oro in dreifacher Form auf. In den ersten Kapiteln des 1. Teils mit dem Titel "El viejo mundo" wird der Leser zunächst systematisch verunsichert, da er die Figuren der drei Jünglinge nicht un-

5

Vor allem Ingrid Simson ist dieser Frage in ihrer Arbeit Realidad y ficción en Terra nostra de Carlos Fuentes, Frankfurt a. M.: Vervuert 1989, nachgegangen und hat die historischen Anspielungen in den verschiedenen Figuren untersucht. So ist Felipe zusammengesetzt aus Anspielungen auf Karl V. und Philipp II., sowie in geringerem Maße auf Karl II. und Karl IV. von Spanien. Zu Felipe cf. auch Peter-Eckhard Knabe: "Philipp II. in Terra Nostra von Carlos Fuentes", in: Ch. WentzlafT-Eggebert ed.: Realität und Mythos in der lateinamerikanischen Literatur - Akten des Internationalen Literatursymposiums in Lindau, 22. 24.3.1984, Köln: Böhlau 1989, pp. 207-217 und seine Wertung: "Ahnenkult, Totenkult, Reliquienkult, die in der Tat dem König zugeschrieben werden müssen, werden aber einseitig betont und verzerrt. Diese Einseitigkeit macht Felipe und sein Wirken zu einem pathologischen Wesen." (p. 215)

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Kleine,

terscheiden kann. Sie haben als Identitätszeichen ihre körperliche Abnormit: (sechs Zehen, ein Kreuz zwischen den Schultern), wirken aber sonst wie unbc schriebene Blätter. Die Ausdifferenzierung der drei Figuren erfolgt durch di Frauenfiguren, die sich ihrer bemächtigen und ihnen verschiedene Funktione geben. Die jungen Körper dienen den Frauen als Projektionsfläche ihrer Wür sehe. Es handelt sich bei den Frauen um die wahnsinnige Königin-Mutter, dere historisches Vorbild Juana la Loca (Johanna die Wahnsinnige) ist, sowie um Fe lipes Frau Isabel und um Celestina in jugendlicher Gestalt als Page. Das Scheitern der Utopie befreiter Körperlichkeit und die grotesken Körperbilder Terra nostra hat den Charakter eines Gedankenexperiments, da die historische Referenzen dazu genutzt werden, eine Alternativgeschichte zu entwerfen. Ir ersten Teil werden dabei verschiedene utopische Entwürfe in die Zeit Philipp II. projiziert. Mit diesem Verfahren will Fuentes die Möglichkeitsdimension vo Geschichte neu beleben. Die skizzierten Utopien beziehen sich teilweise auf di Körperlichkeit: Simon träumt von einer Welt ohne Krankheit und Tod, Celestin von befreiter Liebe und Sexualität.6 Doch Felipe weist die Utopien zurück: I dem Moment, in dem er mit Celestina und Ludovico das Bett teilt, hat er bereit den Verrat an den Häretikern und Utopisten begangen und sie den Soldaten sei nes Vaters ausgeliefert. Das drei Tage dauernde Fest der Häretiker endet - wi von Felipe befohlen - in einem Blutbad. Die Utopie befreiter Sexualität wird nicht, wie dies im Kontext der Entste hungszeit des Romans, nämlich der 70er Jahre, zu erwarten wäre, als positive Diskurs gegen die Leibfeindlichkeit des spanischen Siglo de Oro gesetzt. Di Körperlichkeit erscheint bei Fuentes nur ansatzweise als Träger eines politisch© Gegendiskurses, in der Regel wird sie jedoch obsessiv und ambivalent besetzl Der Moment, in dem sich die Körper öffnen - die Liebesnacht zwischen Celes tina, Felipe und Ludovico - , ist zugleich der Moment der Ansteckung mi Krankheit. Celestina, die von Felipes Vater vergewaltigt und mit der Syphili infiziert wurde, gibt die Krankheit an seinen Sohn weiter. Die ungehemmte Se xualität wird in Terra nostra nicht mit der Freiheit, sondern mit der Macht ver bunden. Sie ist ein Attribut des Vaters und des absolutistischen Herrschers.

6

Cf. die Kapitel Teil I, Kap. "La ciudad del sol" und folgende Kapitel.

Groteske Körperbilder bei Carlos Fuentes

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Die Körper- und Sexualitätsbilder sind fast durchgehend grotesker Art: Die Körper sind deformiert wie der Torso der wahnsinnigen Königinmutter, deren Arme und Beine von den königlichen Jagdhunden angefressen wurden und daher amputiert werden mussten,7 oder Felipes sterbender Körper, der von Würmern und Maden durchsetzt ist. Gesunde Körper werden absurden Ritualen unterzogen: Als der Monarch kriegsbedingt abwesend ist, muß die Königin Isabel 33 Vi Tage auf dem Pflaster des Hofes liegenbleiben, da sie wegen ihres Reifrocks nicht allein nach einem Sturz aufstehen kann und die Etikette verbietet, daß sie in der Öffentlichkeit von einem anderen Menschen als ihrem Gemahl berührt wird. Den grotesken Charakter dieses Details unterstreicht Fuentes noch, indem er schreibt, daß die wegen der Krankheit Felipes unberührte Isabel bei dieser Gelegenheit von einer Maus defloriert wird. (TN p. 167 sq.) Nach seiner Rückkehr läßt Felipe sie nicht nur im Spiegel die Verwüstungen ihres Körpers sehen, sondern zeigt ihr auch zum ersten Mal seinen eigenen Körper: "[...] pude ver las taras permanentes que la herencia dejö en el, los abscesos, los chancros, las bubas, las visibles ülceras del cuerpo, la prematura debilidad de sus partes." (TN p. 170) Es gibt kaum positive Körperdarstellungen, sieht man von dem Element der 20 jungen Mestizen ab, die die Geburt der Neuen Welt repräsentieren oder der Szene androgyner Verschmelzung zwischen Polo Febo und Celestina am Ende des 3. Teils von Terra rtostra. Auch die Liebe zwischen der Königin und Juan, einem der drei Jünglinge, scheitert bei dem Versuch, in den Escorial eine maurisch geprägte, erotische Gegenwelt einzuführen. Auf die inzestuöse Beziehung zu Isabel, seiner eigenen Mutter, antwortet Juan mit Entzug: Er wird zum Archetypus des liebesunfahigen Don Juan. Als Antwort darauf versucht Isabel, aus den Überresten von Felipes Ahnen eine Mumie zu basteln und so selbst einen Thronfolger zu erschaffen. Die Mumie repräsentiert schließlich die spanische Monarchie 8 und erinnert an einen spanischen Meister des Grotesken, an Valle-Inclän, dessen Figur Max Estrella in Luces de Bohemia sich fol-

7

Die Königinmutter drückt am deutlichsten das Ideal der Leibfeindlichkeit aus, da sie den Verlust ihrer Glieder positiv als Gottes Prüfung sieht und den wahren Adel als Opfer und freiwilligen Verlust alles Vergänglichen, auch des eigenen Körpers definiert, cf. Kap. "La loca".

8

Die Inthronisation der Mumie spielt bezeichnenderweise in einem mit Grotesken ausgemalten Saal, geschmückt mit "grutescos en estuque, donde habia mil diferencias de figuras y ficciones." (TN p. 645) Fuentes verwendet hier das Wort in der ursprünglichen Bedeutung einer bestimmten Art der Arabeske. Cf. zur BegrifFsgeschichte von Groteske Frances K. Barasch: The Grotesque - A Study in Meanings, Den H a a g - Paris: Mouton 1971.

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gendermaßen äußert: "España es una deformación grotesca de la civilización europea." 9 Der Traum der Reinheit und die ursprüngliche Perversion Die Welt des Escorial wird als eine Welt der Perversionen beschrieben, und zwar ohne daß es eine Aussicht gäbe, an einem Punkt des Ursprungs zu einer nicht krankhañen Körperlichkeit zu gelangen. Felipe, der krankheitsbedingt auf Fortpflanzung verzichtet, pflegt als Herrscher den Traum der Reinheit und der Dauer. Der Escorial wird zum steinernen Denkmal seines Wunsches, jenseits der Körperlichkeit etwas Bleibendes zu schaffen. Doch so wenig Felipe verhindern kann, daß er schließlich bei lebendigem Leibe verfault, so wenig gelingt es ihm, die Körperlichkeit aus seinem Palast zu verbannen. Alles Körperliche nimmt allerdings durch das generelle Verbot gegenüber dem Unreinen perverse Züge an. So verschreibt sich Isabel wegen ihrer Ekelgefühle gegenüber Felipes Körper der Schwarzen Magie. Auffallig und manchmal geradezu aufdringlich ist die mit der Körperlichkeit verbundene Nekrophilie, die die gesamte Atmosphäre des Escorial in Fuentes' Roman prägt. Dem Zweck des Bauwerks, als Nekropole zu dienen, korrespondiert vor allem der groteske Umgang von Felipes Mutter Juana mit dem Leichnam ihres Mannes, den sie erst im Tod wirklich zu besitzen meint. Die Perversion wird bei ihr ebenso wie bei Isabel aus einer unerfüllten Liebe erklärt, die schließlich zwischen den beiden Frauen in einen Wettstreit auf der Suche nach einem Thronfolger mündet. Auffallig ist in Terra nostra außerdem, daß es kein Modell der Reinheit in einem wie auch immer gearteten Ursprung gibt. Hier wäre vor allem das schwer zu deutende Kapitel über den Hof des römischen Kaisers Tiberius im dritten Teil des Romans (Kap. "Manuscrito de un estoico") anzuführen. Nach der Beschreibung einer zeremoniell arrangierten Orgie erfahren wir, daß die Körper der vor Tiberius posierenden Teilnehmer mißgebildet und zum Tode verurteilt sind. Die Perversion des Herrschers, Urbild aller historisch folgenden Perversionen, wird darin ersichtlich, daß es ihm weniger um Lustgewinn als um die pure Machtausübung geht. Es gibt also bei Fuentes keinen gesunden Ursprung, der in Krankheit degeneriert, sondern nur ein Begehren, das immer schon von Krankheit, Macht und Perversion gezeichnet ist. Auch in der Neuen Welt kommt dem Kör-

* Ramón del Valle-Inclán: Luces de Bohemia (1924), Madrid: Espasa-Calpe 1976. p. 106.

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per nicht das Attribut von Unschuld und Reinheit zu: Der Reisende, der sich anfangs in eine schöne junge Frau verliebt, erfahrt, daß der Körper ein Trugbild ist, in dem eine alte Frau steckt, die Göttin des Schmutzes - entsprechend obsessiv wirkt die Beschreibung der sexuellen Vereinigung mit ihr. Zerstückelte Körper, Identität und Schrift An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, daß die drei Jünglinge, die an dem imaginären Hof Felipes (Philipps II.) während der Bauzeit des Escorial ankommen, keine psychologisch begründete Identität haben, sondern nur aufgrund zunächst identischer, später differenzierter Merkmale vom Leser erkannt werden. Die fehlenden Konturen ihrer Körpergrenzen werden auch dadurch unterstrichen, daß sie in verschiedenen historischen Zeiten auftreten und daß sie sich gegenseitig erträumen.10 Ein noch drastischeres Bild des identitätslosen Körpers entsteht durch die Figur der Mumie, die von der Königin aus Einzelteilen verschiedener königlicher Leichen zusammengesetzt wird. Der fragmentarische Charakter dieses Körpers wird durch die rhetorische Form der Aufzählung unterstrichen: [...] admiró la monstruosa figura de retazos que yacía sobre el lecho: la nariz del rey arriano: una oreja de la reina que cosía banderas con los colores de su sangre y de sus lágrimas; la otra del rey astrólogo quejoso de que Dios no le hubiese consultado sobre la creación del mundo: un ojo negro del rey fratricida y un ojo blanco de la Infanta revoltosa; la lengua amoratada del rey cruel que a los cortesanos hacía beber el agua de baño de su barragana; los brazos momificados del rey rebelde levantado en armas contra su padrastro, asesino de su madre; el torso negro del rey que murió incendiado entre sus sábanas; la calavera del doliente y el sexo apasado del impotente; una canilla de la reina virgen asesinada por un alabardero del rey mientras rezaba; otra canilla de su propia suegra, la llamada Dama Loca, reliquia del sacrificio que la madre del actual Señor se impuso al morir su hermoso marido, el príncipe putañero y violador de aldeanas. (TN p. 299) Es handelt sich hier nicht um ein bloßes Detail, da die beschriebene Mumie an anderen Stellen des Textes wieder erscheint und schließlich den spanischen

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Das Bild der geträumten Träumer stammt ursprünglich von Borges, dessen Bedeutung für sein eigenes Schreiben Fuentes mehrfach hervorgehoben hat, z. B. in: Von mir und anderen, tränst. B. von Bechtolsheim, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1989 (= Mvselfwith others, New York: Farrar, Straus & Giroux 1988). Zu den Körperbildern von Borges und García Márquez im Zusammenhang prämoderner Traum- und Körperdiskurse cf. Volker RolofF, "Traumdiskurs und Körper - Beispiele der lateinamerikanischen Literatur", in: R. Behrens, R. Galle edd.: Menschengestalten - Zur Kodierung des Kreatürlichen im modernen Roman, Würzburg: Königshausen & Neumann 1995, pp. 269-283.

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Thron okkupiert. Dem Motiv des zerstückelten Körpers kommt darüber hinaus eine noch größere Bedeutung zu, da Fuentes das Motiv im Zusammenhang mit einer Thematisierung der Schrift verwendet. Im dritten Teil des Romans treffen die drei Jünglinge auf einen Magier. Bevor er dazu kommt, ihnen ihr Schicksal zu prophezeien, wird sein Körper von der Menge in Stücke gerissen und ins Meer geworfen. Dort verwandelt er sich in drei Manuskripte, die in drei Flaschen eingeschlossen sind und im Text als weitere Attribute der rätselhaften jungen Männer erscheinen. Eine Zigeunerin erklärt das Geschehen: Der Magier sei immer aus Papier gewesen, Held oder Autor aus Papier. Nach einer rückwärts und gegenteilig erzählten Version der Odyssee fährt sie fort: "Era de papel. Su cuerpo era su muerte. Cuando lo mataron y lo arrojaron al mar, volviö a ser papel. Volviö a vivir." (TN p. 558) Fuentes gibt hier vermutlich einen Hinweis darauf, daß hinter den Körperbildern in ihrer eigenartigen Paradoxie von Vitalität und Todesverlangen eine andere Paradoxie steckt, nämlich die des Schreibens, genauer gesagt die Paradoxie, daß der geschriebene Buchstabe unveränderlich und damit tot ist, daß aber die Literatur sich in einem beständigen Prozeß des Neu- und Umschreibens befindet. Als unmöglich erreichbares Ziel des Magiers wird hier die vollkommen simultane Erzählung genannt. Die metanarrative Äußerung lädt dazu ein, die Körperbilder und die metonymischen Verschiebungen in den Attributen der Figuren als Manifestationen eines verschriftlichten Körpers zu lesen. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, daß die Entnaturalisierung des Körpers, die sich schon darin zeigt, daß historische und literarische Figuren denselben Realitätsstatus haben," auch die Funktion hat, auf das Schreiben zu verweisen. Die körperbetonte Beschreibung des Bildes von Orvieto erfüllt ebenfalls eine metanarrative Funktion: Das Bild stößt Felipe, der auf der Eindeutigkeit und Unveränderlichkeit des Geschriebenen besteht, auf eine andere Kunstkonzeption, nämlich auf die einer Beweglichkeit und Vielfalt der Formen. Indem der Text vor allem im ersten und dritten Teil die Geschichten von Don Juan, Celestina und Don Quijote weiterschreibt, ergibt sich ein Kontinuum von Körperlichkeit und Schrift: Die literarischen Figuren erhalten eine Körperlichkeit, die über ihre festgelegte Textgestalt hinausreicht, während bei einer Figur wie der des Magiers der Körper sich in Schrift verwandelt. Die Auflösung festgelegter Identitäten der Körper und der Texte hat im Rahmen ei-

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Felipe, der seinerseits aus verschiedenen historischen Figuren zusammengesetzt ist, oder Cervantes stehen im Roman auf derselben Ebene wie Don Juan, Don Quijote und Celestina.

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ner Ästhetik der Vielfalt und des Unreinen zweifellos eine positive Bedeutung,12 doch weist etwa die drastische Schilderung der Auflösung von Felipes Körper (Kap. "Requiem") zumindest auf eine starke Ambivalenz dieses Themas hin. Körpermodellierung und Psychoanalyse Der obsessive Charakter von Fuentes' Körperdarstellung fallt auch bei oberflächlicher Lektüre ins Auge. Läßt sich diese Ebene mit Hilfe der Psychoanalyse genauer beschreiben? Im folgenden geht es mir nicht darum, bestimmte Elemente des Textes in Zusammenhang mit Krankheitsbildern zu bringen, noch möchte ich über irgendeinen Zusammenhang zwischen Textstrukturen und biographischer Erfahrung spekulieren. Daß in Fuentes' Werk grundlegende Annahmen der Psychoanalyse eingegangen sind, liegt jedoch auf der Hand, wenn man etwa sein Thema der Verdrängung der Gewalterfahrung berücksichtigt, die mit der Eroberung Lateinamerikas und der Repression der indianischen Kulturen einhergegangen sei. Fuentes' Gedanke, daß Mexiko zirkulär immer wieder dieselbe Erfahrung von Gewalt wiederholen müsse, solange es sich nicht bewußt mit seiner Geschichte beschäftige, zeigt eine Prägung durch psychoanalytische Verdrängungs-Konzepte. Das Wechselspiel zwischen Gedächtnis, Verdrängung und Vergessen wird in Terra nostra explizit an mehreren Stellen thematisiert; eines der wichtigsten Kapitel des Werkes ist das Kapitel "El teatro de la memoria", das auch metafiktionale Funktionen erfüllt. Läßt sich ein Zusammenhang mit der Psychoanalyse auch im Hinblick auf die Körperbilder behaupten? Eine - möglicherweise nur zufällige - Übereinstimmung liegt darin, daß sowohl Freud als auch Fuentes sich auf Signorellis Fresken im Dom von Orvieto beziehen. Die Figur des Herrschers Felipe steht zumindest im ersten Teil "El viejo mundo" im Zentrum des Textes. Die Jenseitsorientierung Felipes, sein Wunsch, den Escorial als eine Totenstadt zu bauen, seine Visionen und seine körperliche Schwäche sind Elemente dieses Bildes. Gegen die historische Wahrscheinlichkeit läßt Fuentes seine Figur aber auch eine häretische Version der Heilsgeschichte imaginieren, die von einem Bild aus Orvieto nahegelegt wird. Die Beschreibung spielt in freier Weise auf die Fresken von Luca Signorelli im Dom von Orvieto an. Freud hat sich ebenfalls am Anfang von Zur Psychopathologie

12

Zentrale Textstellen dazu enthalten die Kapitel "El teatro de la memoria", "Alma de cera" und "Los treinta y tres escalones" im dritten Teil des Romans.

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des Alltagslebens auf Signorelli bezogen. Er erklärt das Funktionieren einer Fehlleistung am eigenen Beispiel: Ihm sei der Name Signorelli einmal nicht eingefallen, als er an das Thema von Sexualität und Tod dachte. In einer Fußnote merkt er dabei lapidar an, daß es einen Konnex zwischen den Fresken Signorellis und dem Thema von Sexualität und Tod geben könne, ohne diesen Gedanken jedoch weiter auszufuhren. 13 Aus dem Romantext läßt sich nicht ableiten, ob Fuentes diese Passage von Freuds Werk kannte. Interessant ist jedenfalls, daß er das Bild von Orvieto auf Felipe in einer Art wirken läßt, die religiöse Verbote sprengt und die Körperdarstellung als subversiv, als Provokation der Verbote des Über-Ich, erfahrbar macht. Felipe registriert betroffen, daß die Christusfigur des Bildes nicht nur keinen Heiligenschein hat, sondern ihren Blick auf den Körpern der sie umgebenden nackten Männer - und zwar zu tief - ruhen läßt. (TN p. 89 sq.) Von dem Bild geht eine homoerotische und blasphemische Faszination aus, denn Felipe imaginiert, daß sich die nackten Männerkörper zu ihm umdrehen und ihre sexuelle Erregung zeigen (p. 160), während die Christusfigur ihn auslacht und verspottet, (p. 162) Das Bild erzählt Felipe eine häretische Version der Kreuzigung und suggeriert, daß Jesus nur ein palästinensischer politischer Agitator gewesen sei, der im übrigen einen Stellvertreter zur Kreuzigung geschickt habe. (p. 209 sq.) Die Plastizität und Sinnlichkeit der Fresken von Signorelli wird hier zum Aufbau eines Gegendiskurses herangezogen, wobei es recht kühn ist, ausgerechnet einer an Philipp II. orientierten Figur häretische Gedanken zuzuschreiben. Das Körpermodell der italienischen Renaissancekunst und später auch die Malerei von Hieronymus Bosch werden kontrastiv gegen die körperfeindliche Welt der spanischen Monarchie und der Kirche gesetzt. Die Körperbetontheit der in Terra nostra enthaltenen Beschreibung von Gemälden liefert aber nicht nur ein inhaltlich wichtiges Moment. Im dritten Teil des Romans erfolgt nochmals - auf der Zeitebene 1999 - ein Hinweis auf das Bild von Orvieto: Bei einer Radiographie des nun in Mexiko in einer Kirche der CoraIndianer hängenden Bildes sei ein darunterliegendes Gemälde des spanischen Hofes sichtbar geworden (TN pp. 726-729): Die Beschreibung dieses zweiten Bildes enthält in einer mise en abyme die Figuren von Terra nostra. Sie deckt damit ein poetologisches Prinzip der Verschiebung und Überlagerung von Figuren, Handlungen und historischen Zeiten und Räumen auf, das den Roman be-

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Sigmund Freud: Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Frankfurt a. M. - Hamburg: Fischer 1954, p. 23 und pp. 13-18.

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reits in der Komposition der Figuren durchzieht und offensichtlich das Postulat der Dialogizität und Dynamik einlösen soll. Die Frage, ob Fuentes in dieser Hinsicht durch Freuds Analysen und Technik der freien Assoziation beeinflußt sein könnte, läßt sich leider nicht schlüssig beantworten. Freuds Aufmerksamkeit für sprachliche und gedankliche Ambiguitäten und Verschiebungen, die Todorov zufolge im Grunde genommen mit den Mitteln der Rhetorik erklärbar sind,14 ist auf der Ebene der Interpretation durchaus den Verfahren ähnlich, die Fuentes auf einer kreativen Ebene realisiert. Im Hinblick auf das Bild des zerstückelten Körpers kann man gewisse thematische Ähnlichkeiten zwischen Terra nostra und Lacans berühmtem Aufsatz "Das Spiegelstadium als Bildner der Ich-Funktion" feststellen. Die Ich-Identität ist nach Lacan eine stets gefährdete Konstruktion. Die Primärerfahrung stelle sich nicht als die einer feststehenden Grenze zwischen Ich und Außenwelt dar, sondern als die einer ständigen Bedrohung des Körpers. Nach Lacan gehört zur Primärerfahrung die Angst vor der Zerstückelung des Körpers.15 Bekanntlich hat er, wie im Grunde schon vor ihm Freud, den Krankheitsbegriff dahingehend relativiert, daß er aus seinen Fallstudien zur Paranoia allgemeine Aussagen über die frühen psychischen Stadien getroffen hat. Da Fuentes während der Arbeit an Terra nostra in Paris gelebt hat, war ihm vielleicht Lacans Theorie damals schon bekannt. Allerdings soll hier nicht suggeriert werden, er habe auf der Basis dieser Theorie seinen Roman konstruiert. Es handelt sich eher um eine Ähnlichkeit der Thematik, die sich möglicherweise bei beiden aus der Erfahrung der Analyse des Imaginären ergeben hat.

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15

Auf die Ähnlichkeit zwischen Rhetorik und Psychoanalyse, die Freud selbst allerdings nicht bewußt gewesen sei, weist Tzvetan Todorov in Theories du Symbole, Paris: Seuil 1977, pp. 285-322 hin. Cf. Jacques Lacan: "Das Spiegelstadium als Bildner der Ich-Funktion", in: Id.: Schriften 7, Ölten - Freiburg i. B.: Walter 1973, pp. 61-70, bes. p. 65. Hanna Gekle: Tod im Spiegel Zu Lacans Theorie des Imaginären. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1996, weist auf die Nähe zum Surrealismus hin: Wie Lacan hält auch Dali die Ich- und Identitätsgewißheit nicht für etwas Ursprüngliches; sie ist vielmehr bereits Resultat: ein vermitteltes sekundäres Phänomen der Selbsterfahrung. Ursprünglich dagegen sei die Erfahrung des Doppeltseins, der Ich-Gespaltenheit, des zerstückelten Körper-Ichs und der Selbstentfremdung. (p. 142) Lacan hat in diesem Zusammenhang interessanterweise auf Hieronymus Bosch hingewiesen, der in Terra nostra ausführlich angeführt wird. Auch auf den Doppelgänger, ein bei Fuentes zentrales Motiv, geht Lacan ein. H. Gekle kritisiert im übrigen Lacans These von der prinzipiell paranoisch verfaßten menschlichen Existenz.

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Durch eigene Äußerungen von Fuentes ist allerdings die Tatsache belegt, daß er durch eine Psychoanalyse bei einem Lacan-Schüler, nämlich Marc Nacht, sich seinen eigenen Text besser auf die darin enthaltenen persönlichen Obsessionen hin transparent machen konnte. Bezogen auf diese Erfahrung schreibt er: Entonces, entendimos, creo, desde un punto de vista psicoanalítico. qué era Terra nostra, cómo se fundía con las dos obsesiones básicas que recorren toda mi obra, que son el miedo y la identidad, el terror y la identidad. Y cómo Terra nostra es simplemente una dialéctica de lo accesible y de lo inaccesible, el hoyo, del deseo de penetrar el hoyo y del miedo de ser expulsado a través del hoyo, lo cual tiene que ver con el sexo, el oro, el excremento, Don Juan, la muerte: con el hecho monstruoso, supremo, de nacer de un cadáver, que quizás es como España aparece en Terra nostra.16

Marc Nacht hat übrigens selbst einen Aufsatz über Terra nostra geschrieben, der allerdings im Hinblick auf die Körperbilder wenig ergiebig ist und eher Themen wie das Spiegelmotiv, Polo Febos narzißtischen Wunsch nach Selbsterzeugung, den mexikanischen Todeskult, Quetzalcóatl und die köpf- und grenzenlose Muttergottheit Coatlicue behandelt. Nacht fuhrt - offensichtlich in Anlehnung an Fuentes' eigene Reflexionen - die Identitätsproblematik mit dem Thema mexikanischer Geschichtserfahrung zusammen: In Mexico the double is both the same and the other. Indeed. something has happened in the past which has broken the lirnits of the ego. fixing it. so to say. at a level of regression that hides the field of possibility from the view of the subject. 17

Neben der Thematik des zerstückelten Körpers sehe ich eine weitere Parallele zu Lacan darin, daß es bei Fuentes nicht das imaginäre Bild einer Reinheit im Ursprung gibt. Am Ende von Terra nostra werden die Weltbilder, die den Roman durchziehen, begrifflich einander gegenübergestellt. Auf der einen Seite steht Felipes Idee der Einheit, Reinheit, Askese und Autorität, auf der anderen Seite die Unreinheit und die Vielzahl der Sprachen, Kulturen und Völker. Zwar ist die Unreinheit der Körper bei Fuentes alles andere als idyllisch, sie stellt dennoch einen positiven Wert gegenüber der Reinheit dar. repräsentiert sie doch unter anderem auch Lateinamerika gegenüber der Spanien-Idee Philipps II. Bei Lacan liegen Destruktion und Konstruktion der Ich-Identität eng beieinander. Sie sind Elemente ein und desselben Prozesses. Dem entspricht bei

16

Fuentes, in: "Mesa redonda - La experiencia de los novelistas - Juan Goytisolo, Carlos Fuentes, Jorge Edwards, Vargas Llosa", Revista Iberoamericana, 116/117 (1981), 311313, hier 312.

17

Marc Nacht: "Carlos Fuentes and Malintzin's Mirror", Review of Contemporary Fiction 8, 2 (1988). 211-216, hier 213.

Groteske Körperbilder bei Carlos Fuentes

117

Fuentes die enge Nachbarschaft von Geburt, Sexualität und Tod. Eines der anschaulichsten Bilder daftir ist das des kopulierenden Paares (Don Juan und Inés) in einem verspiegelten abgeschlossenen Raum. Als dem König vor seinem Tod zugetragen wird, Don Juan sei in die Neue Welt geflohen, läßt er das Zimmer ö f f n e n und findet dort zwei Skelette in der Position geschlechtlicher Vereinigung. Die gleiche Nähe zum Tod gilt für die Pervertierung der Prokreation in Isabels aus Leichenteilen zusammengebasteltem Thronfolger. Die Instabilität dieser Weltsicht kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß die Grenzen zwischen den Figuren immer wieder verschwimmen. In diesem Zusammenhang wird das Bild der Frauen deutbar: Es entspricht dem psychoanalytischen Konzept der phallischen Mutter, die die Erfahrung eines frühen Entwicklungsstadiums spiegelt, in dem das Kind für die Mutter völlig verfugbar und von ihr abhängig ist. Es ist wohl kein Zufall, daß es Frauen sind, die im Roman die leere Identität der drei j u n g e n Männer mit ihren Wünschen und Projektionen fällen und als Hexen die Körper auseinanderreißen und zusammenfugen. Bei Fuentes wird ähnlich wie bei Lacan die Mutterfigur mit furchterregender Macht und einer unvermittelten Ambivalenz zwischen lebenspendender Funktion und Todesdrohung ausgestattet. 18 Auch wenn Fuentes sich vielleicht nicht direkt auf Lacan gestützt hat, so gibt es doch zwischen dem Psychoanalytiker und dem Schriftsteller einen gemeinsamen Bezugspunkt, und zwar den Surrealismus. Kunst und Wahnsinn, präzise gesagt: die Paranoia, decken für Lacan die Verhüllungen wieder auf, die das Subjekt mit dem Ziel der Ich-Identität konstruieren mußte. Mit diesem Brückenschlag zwischen Kunst, Wahnsinn, Psychoanalyse und Anthropologie ist Lacan vor allem bei den Surrealisten auf offene Ohren gestoßen. Salvador Dali konnte seine kritisch-paranoische Methode auf diese Weise mit wissenschaftlicher Seriosität untermauern. Für Dali war vor allem Lacans Gedanke interessant, daß die Einheitlichkeit des Ichs als Abwehr gegenüber den Phantasien vom zerstückelten Körper aufzufassen sei. 19 Fuentes' Gesamtwerk weist über die Vermittlung von Octavio Paz Einflüsse des Surrealismus auf. Im Vorwort zu Tetra

18

19

Cf. zu Lacan die Kritik von H. Gekle: Tod im Spiegel an der Konzeption des Mutterschoßes als Ursprung des Lebens und Ort des Todes: "Leben und Tod erscheinen einmal als absolute Gegensätze, das andere Mal fallen sie ununterscheidbar ineinander..." (p. 126). Cf. dazu Peter Gorsen: Kirnst und Krankheit - Metamorphosen der ästhetischen Einbildungskraft, Frankfurt a. M.: Europäische Verlagsanstalt 1980, das Kapitel "Salvador Dali, der kritische Paranoiker" und H. Gekle: Tod im Spiegel, pp. 78-80 und das Kapitel "Die Kunst des Imaginären", pp. 142-165.

118

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nostra hat Fuentes explizit auf einen Altmeister des Surrealismus hingewiesen, dem er die Inspiration für das Werk verdanke, nämlich auf Luis Bunuel. Hispanische Tradition und groteske Körperbilder Wenn ich mich bisher an die grotesken Körperbilder in Terra nostra über die psychoanalytische Theorie und den Surrealismus, also über diskursive Zusammenhänge des 20. Jahrhunderts angenähert habe, so blieb die Frage nach ihrer historischen Fundierung noch offen. Liegt in Fuentes' Körperbildern ein Bezug auf das Siglo de Oro vor oder handelt es sich dabei um eine gänzlich individuelle Erfindung des Autors? Kannte Fuentes womöglich Bachtins Studie Rabelais und seine Welt. Volkskultitr als Gegenkultur20 und ihr Kapitel über die grotesken Körperbilder in der frühen Neuzeit? In Geografia de la novela hat Fuentes Bachtin nicht nur als den wahrscheinlich größten Romantheoretiker des 20. Jahrhunderts bezeichnet, er hat auch im nachhinein sein Konzept der Dialogizität für Terra nostra in Anspruch genommen.21 Es ist immerhin möglich, daß Fuentes während der Zeit der Arbeit an seinem Roman Bachtin rezipiert hat, da dessen wichtigste Studien schon 1968 und 1973 in englischer und französischer Sprache vorlagen. In der thematisch parallel zu Terra nostra verfaßten Studie Cer\'antes o la critica de la lectura von 1976 erwähnt Fuentes allerdings Bachtins Rabelais-Studie nicht. Die Hyperbolisierung des Körpers, die Bachtin bei Rabelais auf dem Hintergrund karnevalesker Traditionen untersucht hat, kann man auch in Terra nostra beobachten, wie die bereits angeführten Beispiele zeigen. Doch während gemäß Bachtins Rabelais-Interpretation das groteske Körperbild der frühen Neuzeit in Analogie zu den Prozessen des Gebärens und der Einverleibung und Verdauung von Nahrung gewonnen wird, geht die Hyperbolisierung bei Fuentes in eine andere, nämlich in eine nekrophile Richtung. Nicht die Geburt, sondern der Tod mit seinen Begleiterscheinungen des Verfaulens und der Auflösung liefert das metaphorische Feld für das in Terra nostra dominante Körperbild. Karnevaleske

20 21

*M. Bachtin: Rabelais und seine iVelt. Cf. Fuentes: Geografía de la novela, Madrid: Alfaguara 1993: Nadie ha definido mejor, al nivel teórico, esta nueva fase de la novela que Mijail Bajtin. [...] La novela no sólo como encuentro de personajes, sino como encuentro de lenguajes, de tiempos históricos distantes y de civilizaciones que. de otra manera, no tendrían oportunidad de relacionarse. Este fue el criterio que me guió, notablemente, en la redacción de Terra nostra. (p. 33 sq.)

Groteske Körperbilder bei Carlos Fuentes

119

Elemente finden sich auf der Inhaltsebene in dem Fest der Häretiker, das die alltägliche Not außer Kraft setzt, und in dem grotesken Gelage, das die wahnsinnige Königinmutter zu Ehren des stumpfsinnigen jungen Mannes gibt, den sie als Thronfolger auserkoren hat. Hat die Umdeutung dieser Elemente durch das bei Fuentes überdeutliche Todesthema möglicherweise einen Bezug auf hispanische Traditionen? Beachtenswert ist an dieser Stelle die Tatsache, daß Fuentes sich in seiner dem Roman vorangestellten Danksagung in eine hispanische Tradition stellt. Er erwähnt nämlich nicht nur spanische und hispanoamerikanische Autoren, Regisseure und Maler der Gegenwart, sondern auch - im direkten Zusammenhang mit dem mexikanischen Maler José Luis Cuevas - den Schriftsteller des Sigio de Oro Francisco de Quevedo: "[...] porque el genio y la figura de su encuentro sepulcral acudieron a mi llamado de auxilio en los momentos difíciles [...]" [nicht paginiert]. Im Text selbst bezieht sich Fuentes auf literarische Figuren und Autoren des Siglo de Oro, vor allem auf die Celestina, auf Don Juan und auf den Don Quijote, sowie - in der Figur des Chronisten - auf Cervantes. Eine Anspielung auf Quevedo läßt sich nicht direkt in einer Figur feststellen, doch konnte Fuentes aus dem Werk dieses Autors einige Anregungen im Hinblick auf die grotesken Körperbilder gewinnen. Die Schwarze Magie der Königin Isabel erinnert an Quevedos Buscón, und zwar an Pablos Mutter, eine Hexe, die Leichenteile sammelt und zu Hause aufbewahrt. Auch Quevedos Schilderungen von Exkrementen können Passagen bei Fuentes beeinflußt haben, in denen in drastischer Weise von Körpersekreten wie Schleim, Eiter, Exkrementen und Urin die Rede ist." Die Fragmentierung und Zerstückelung des Körpers ist als Motiv bereits bei Quevedo präsent, am deutlichsten im Buscón und in den Sueños in den Passagen, wo die Reste der durch Vierteilung Hingerichteten in Pasteten eingebacken werden, oder im "Sueño de la muerte", in dem der Nigromant in einem Destillierkolben aus verschiedenen Einzelteilen zusammengekocht wird. Wie Bernhard Teuber in Sprache - Körper - Traum ausfuhrlich analysiert hat, läßt sich schon bei Quevedo eine Umkehrung des Karnevalesken beobachten, da sich bei ihm die Opposition von Karneval und Fastenzeit auflöse und das Bild eines Körpers entworfen werde, der nicht mehr in die Ordnung der Prokreation eingebunden sei.23 Das Bild einer Körperlichkeit, die weniger sinnliche Fülle als vielmehr Todesnähe vermittelt, wird von

22

23

Cf. z. B. die Kapitel "Victoria" über die Schändung einer niederländischen Kirche durch die Söldner Felipes und das Kapitel "Requiem" über das Sterben des Herrschers. Cf. *B. Teuber: Sprache, Körper, Traum, besonders pp. 193-203.

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Fuentes jedenfalls stark mit einer hispanischen kulturellen Tradition verbunden. Das Kapitel "Nox intempesta" greift beispielsweise die traditionellen Motive des karnevalesken Banketts und der karnevalesken Messe auf, wobei die wahnsinnige Königinmutter blasphemische, da direkt sexuelle Reliquien Jesu beschwört, also das Rituelle von der Ebene des Erhabenen auf die der Körperlichkeit herabzieht. Das Personal dieser karnevalesken Veranstaltung aber ist deutlich hispanisch: Johanna die Wahnsinnige und ihre Zwergin, die an Velázquez' Bild Las Meninas erinnert, sowie die maurischen und jüdischen Gefangenen verleihen dem Bild düstere Züge. Die Bettler wiederum lassen an Bunuels groteskes Bettlerbankett in Viridiana denken, das durch die Parodie auf Leonardo da Vincis Abendmahl ebenfalls die sakrale Ebene subvertiert. In ihrer Rede setzt die Königinmutter das karnevaleske Prinzip der Metamorphosen und des Wandels außer Kraft und behauptet das Prinzip einer todesähnlichen Dauer, der die Zeit nichts anhaben könne und die schon im Königswappen figuriert sei: "Aquí vivimos: en el abismo, que es e) centro mismo, el punto ciego, el corazón inmóvil del campo heráldico." (TN p. 283 sq.) Die grotesken Körperbilder tendieren also insgesamt gesehen nicht wie bei Rabelais zu einer Modellierung analog der Nahrungsaufnahme und -ausscheidung, sondern sie bewegen sich hauptsächlich im Bildfeld des Todes. Für Fuentes drückt sich hierin ein Spezi fikum der spanischen Kultur aus. Synkretistische Körperbilder und das heutige Mexiko In welcher Beziehung steht nun aber die spanische Todesbezogenheit zur indianischen Kultur, die den zentralen Themenbereich des zweiten Teils von Terra nostra darstellt? Fuentes geht es nicht um eine Idealisierung der Azteken. Auch ihre Gesellschaft und Kultur erscheinen in Terra nostra als todesbeherrscht. Im Unterschied zum europäischen Konzept der Dauer hebt Fuentes hier allerdings das Moment der Instabilität hervor, indem er die Menschenopfer aus der permanenten Katastrophenerwartung der Azteken erklärt. Karnevaleske Elemente im Sinne einer vitalen Dynamik der Körper finden sich eher in Fuentes' Mexiko-Roman Cristóbal Nonato?* Der Begriff wird ex-

24

Auch in Cristóbal Nonato finden sich obsessive Körperbilder, z. B. das der vagina dentata der Tochter von Matamoros Moreno; der ganze Stil des Buches, vor allem die vielen Wortspiele und der Einbezug populärer Kulturelemente wie der Rockmusik, bewirken aber, daß diese Bilder viel spielerischer und leichter erscheinen als die in Terra nostra aufs Korn genommene Nekrophilie der spanischen Hofkultur.

Groteske Körperbilder

bei Carlos

Fuentes

121

plizit in der Beschreibung einer "Revolution" verwendet: Der Ayatollah Matamoros Moreno organisiert eine revolutionäre Bewegung der mexikanischen LKW-Fahrer im Namen der Heiligen Jungfrau von Guadalupe, was der Onkel Homero als Kamevalskönig folgendermaßen kommentiert: [...] una revolución, al fin, carnavalesca, una revolución de risa loca, [...] por fin! una revolución mexicana horizontal, todo para todos y todos para todo, aquí en el país del vertical imperio azteca seguido por el vertical imperio español seguido por la vertical república centralizada y patrimonialista y piramidal, mira, mira, mira sobrinito ciego, la inversión de la pirámide, la inversión de la jerarquía [...].2S

Diese "ernst" wirkende Erläuterung ist eingebettet in eine parodistische Darstellung. Den Revolutionsbeschwörungen der Staatspartei PRI setzt Fuentes hier weniger ein anderes Revolutionsmodell als die Praxis literarischer Verfremdung entgegen, indem er verschiedene Versatzstücke mexikanischer kultureller Identität neu montiert und insgesamt ins Lächerliche zieht. Die kulturelle Heterogenität Mexikos erscheint dabei allerdings als etwas Vitales und Dynamisches. Im Unterschied zu früheren nationalkulturell orientierten Definitionen des Mestizentums bringt Fuentes einen internationalistischen Aspekt ein, da er sehr stark mit der Sprache und zwar auch mit Anglizismen und Amerikanismen arbeitet und eine Fülle kultureller Assoziationen aufnimmt. Er bezieht sich auf Quevedo (CN p. 158 sq.) und mehrfach auf Sternes Tristram Shandy. Die Körperlichkeit ist schon auf der Makroebene stark betont, da die Handlung die 9 Monate des intrauterinen Lebens von Cristóbal umfaßt, der von seinen Eltern mit dem Ziel gezeugt wird, pünktlich zum 500. Jahrestag der Entdeckung Amerikas durch Columbus auf die Welt zu kommen. Sein Nachname Palomar erinnert nicht nur über die Wörter "paloma" und "columba" für "Taube" an Columbus, sondern auch an den italienischen Schriftsteller Italo Calvino und seine Kunstfigur Palomar. Die Körperlichkeit wird in diesem Roman stark mit den gesellschaftlichen Diskursen verbunden, über die das ungeborene Kind in geradezu idealer Weise verfugt. Karnevaleske Vitalität zeigt sich in der Beschreibung des Zeugungsvorgangs. Als parodistisches Element wirkt sie aber auch in der Charakterisierung der näheren und weiteren Verwandten. So sterben die Eltern von Angel, dem Vater Cristóbals, an ihrer Erfindung eines Tacos, der beim Verzehr nicht verschwindet, sondern nachwächst - einer Erfindung, mit der sie die Ernährungsprobleme Mexikos lösen wollten. Der Bildbereich der Verdauung und der Exkremente kommt immer wieder ins Spiel, um die kollektive Befindlich-

25

Carlos Fuentes: Cristóbal Nonato, México et alibi: Fondo de Cultura Económica 1987, p. 462 (CN).

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Kleinert

keit des Landes und seiner Bewohner aufs Korn zu nehmen. Der Onkel Homero, ein erzkonservatives Mitglied der Akademie, flieht gleich am Anfang vor den Guerrilleros aus Guerrero, indem er sich an ein Flugzeug hängt und dabei vor lauter Angst seine Exkremente vom Himmel auf den Strand von Acapulco fallen läßt, und zwar ausgerechnet auf Cristóbals Eltern, die diesen gerade zeugen. Die Verdauungsprobleme erstrecken sich bis auf die globale Ebene. Auf die Frage in einer Zwischenüberschrift "¿Qué va a respirar mi niño cuando nazca?" erfolgt die Antwort: La mierda pulverizada de tres millones de seres humanos que carecen de letrinas. El excremento en polvo de diez millones de animales que defecan al aire libre. Once mil toneladas diarias de desperdicios químicos. (CN p. 90)

Der Müll und die Umweltverschmutzung erreichen in diesem Roman hyperbolische Ausmaße. Acapulco versinkt in einer Flut von Exkrementen. (CN pp. 218226) Der Synkretismus zeigt sich deutlich in einem Körperbild wie dem des Jipi Toltec, dessen Haut wie die des aztekischen Fruchtbarkeitsgottes Xipetotec in Fetzen herabhängt, der als Rockmusiker aber gleichzeitig an Mick Jagger erinnert. (CN p. 180) Sein Vorname Jipi ähnelt im übrigen der spanischen Aussprache von "Hippie". Auch die beiden parodistischen Inkarnationen von Geschlechtsstereotypen, der Macho Matamoros Moreno und die Mutter des Vaterlandes, Mamadoc, sind aus verschiedenen kulturellen Elementen zusammengesetzt. Sein sprechender Name verweist gleichzeitig auf das spanische Erbe und den "mestizaje" und die Körperdarstellung definiert ihn als Macho schlechthin. Mamadoc wiederum stellt ein Beispiel für die Zurichtung der Körper im Dienste der Ideologie dar: Sie soll als Inkarnation der mexikanischen Muttergottesfigur, der Virgen de Guadalupe, der Nation ein Gefühl symbolischer Erlösung vermitteln, und dies im Dienst des PRI, der mexikanischen Revolutionspartei. Als Nationalheilige, deren Name in parodistischer Absicht an den haitianischen Diktator "Papadoc" Duvalier erinnert, wird sie zur Asexualität verdammt: Ihre Vagina wird mit Goldfaden zugenäht und mit Juwelen besetzt, ihr Busen chirurgisch zugerichtet ("senos inyectados, inflados, sillycónicos. manoseados quirúrgicamente", CN p. 41), um die politisch angestrebte Mischung aus Mae West, der aztekischen Göttin Coatlicue und der Virgen de Guadalupe zu erreichen. Gleichzeitig wird sie verpflichtet, stets barfuß zu gehen, um volkstümlich zu wirken. Mit diesem synkretistischen, hyperbolischen, antinaturalistischen Körperbild, auf dessen Künstlichkeit explizit hingewiesen wird, erreicht Fuentes durchaus das Ziel, auf die herrschende Verlogenheit in der Politik des PRI aufmerksam zu

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machen. Die symbolische Ebene der kollektiven Diskurse schafft sich in diesem Roman auf der Inhaltsebene die ihr entsprechenden Körper, doch die Satire legt mit den Mitteln der Hyperbolik das Maskenhaft-Starre der politischen Inszenierungen bloß. Die antinaturalistischen Körperbilder von Fuentes können insgesamt als ein Stück Widerständigkeit verstanden werden, das als Obsession, als fragmentierter und unheimlicher Körper nach dem Scheitern der Utopie befreiter Körperlichkeit übrig bleibt (Terra nostra) oder als Ausdruck eines vitalen Synkretismus zwar durchaus den kollektiven Diskursen unterworfen ist, in der Einverleibung dieser Diskurse aber auch ein beträchtliches satirisches Potential freisetzt (Cristóbal Nonato).

III. Der un/sichtbare Frauenleib

Patricia Saldarriaga

El Primero Sueño de Sor Juana Inés de la Cruz y el cuerpo aparentemente asexuado de la poetisa El poema barroco-didáctico El Primero Sueño, o llamémosle "Sueño metafísico" (aprox. 1685) de la monja y poeta mexicana Juana Inés de la Cruz (16511695), describe una visión de éxtasis que el sujeto vivencial recibe durante el sueño. Esta visión le permite, por un breve instante, captar la esencia del universo. Un lector naif tiene ciertamente la impresión de que el sujeto hablante evita en forma sistemática toda mención que revele su género sexual femenino, puesto que sólo en el último verso se rompe sorpresivamente con esta estrategia y el sujeto asume explícitamente su femineidad: "y yo despierta". Hasta ahora la opinión crítica estaba de acuerdo en que esta estratagema le permitió a sor Juana esconder la femineidad del yo lírico en la medida en que utilizó la fachada de un cuerpo asexuado. Esta presunta asexualidad asumida por la crítica se basa indudablemente en un romance de la jerónima dedicado a la marquesa de la Laguna, donde dos de sus versos rezan: "Pues sabes tú, que las almas/ distancia ignoran y sexo."1 Uno de los objetivos de este estudio es demostrar que si bien, aparentemente, en una primera instancia se consigue neutralizar sexualmente el cuerpo, a un nivel más profundo de lectura se llega a la conclusión que esta presunta exclusión genérica se convierte más bien en una afirmación implícita tanto del género como del cuerpo femenino. Esta afirmación pondría, pues, en duda la tesis generalizada de la crítica de que el género del sujeto hablante no repercutiría en la esencia del poema, puesto que su femineidad recién se manifestaría en el último verso. Las interpretaciones "feministas" a las que he tenido acceso se limitan a señalar la importancia de los sujetos femeninos, en la medida en que éstos intentan el logro del conocimiento. Se han hecho, asimismo, múltiples asociaciones de los sujetos femeninos con la persona

1

2

Cf. el romance: "Puro amor, que ausente y sin deseo de indecencias, puede sentir lo que el más profano" in: Sor Juana, Obras completas, ed. A. Méndez Planearte, México: Fondo de Cultura Económica 1951, p. 57. Cf. S. Merrim ed.: Feminist Understanding of sor Juana, Detroit: Wayne State University Press 1991, así como G. Sabat de Rivers: El Sueño de sor Juana Inés de la Cria - Tradiciones literarias y originalidad, London: Támesis 1977.

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de sor Juana, o de éstos con la figura de la Virgen María.3 e incluso se ha trazado un equivalente entre la sombra de los primeros versos y el país mexicano.4 Desde mi punto de vista, lo que se ha descuidado es la identificación del cuerpo mismo. Como veremos más adelante, sor Juana recurre a campos metafóricos, a alusiones mitológicas y a símbolos eclesiásticos que producen connotaciones de femineidad. Es así como el mismo yo lírico se atribuye un cuerpo femenino en el momento que describe el estómago como centro y motor de los procesos fisiológicos y mentales. El estómago se asocia con la femineidad de la Iglesia, puesto que ésta, según la simbología de la patrística5, se interpretó como el vientre o el estómago materno.6 Existe también una analogía entre el cuerpo de la hablante y el vientre de María. Así como la Virgen y Madre de Dios concibe y pare al logos sin necesidad del hombre, del mismo modo la poetisa concibe la visión extática del sueño, primero en forma de un embrión, el cual luego "parirá" bajo la forma de la escritura del poema El Primero Sueño. La escritura poética está, por lo tanto, en relación estrecha con la experiencia de la corporeidad femenina, la virginidad y la maternidad. ¿En qué consiste, pues, esta sistematización, que permite afirmar que el cuerpo presente en el poema es un cuerpo femenino? Veamos primero el contexto sugerido por las figuras mitológicas: Estos sujetos mitológicos, enunciados a modo de digresiones, configuran ejemplificaciones que caracterizan al yo hablante. Estas digresiones, por otro lado, tienen un punto común de referencia y están insertadas bajo el (yo) "digo" ( w . 47, 226, 690, 795, 975) del sujeto de la

3

4

El caso de L. Egan: "Donde Dios todavía es mujer - Sor Juana y la teología feminista", in: S. Poot de Herrera ed.: }' diversa de mi misma entre vuestras plumas ando - Homenaje internacional a sor Juana Inés de ta Cric. México: Colegio de México 1993. p. 327 sqq. E. Arenal: "Where Woman Is Creator of tlie Wor(l)d - Or, sor Juana's Discourses on Method", in: Merrim ed.: Feminist understanding of sor Juana, pp. 135 sqq.

5

Cf. *E. R. Curtius: Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter, así como *H. Rahner: Griechische Mythen in christlicher Deutung, p.143 sqq.

6

Para la recepción de la santidad del vientre en el Renacimiento y el Barroco, cf. Augustin Redondo: "Tradición carnavalesca", Bulletin hispanique 80 (1978), 39-70. Basándose en obras representativas de la época, como el caso de la Tragicomedia de Lisandro v Rosalia (1542), Redondo seflala que los estudiantes de la época aún celebraban la fiesta de Panza, a quien se consideraba como un santo burlesco de las fiestas carnavales. Sancho Panza o Santo Panza, llamado también "Santo de hartura", era la personificación festiva del carnaval y en él se hacían patentes el rito y la necesidad biológica alimenticia, con los cuales se manifestaba el triunfo de la vida sobre la muerte y se permitía la renovación fundamental del cuerpo y del mundo. Tanto Juan del Encina, en su Egloga segunda, como Rabelais en Pantagruel (libro 12, cap. I), aluden a figuras que representan a este vientre omnipotente.

Sor Juana y el cuerpo de la poetisa

129

enunciación. Existe, sin embargo, otro elemento común entre estas digresiones: se trata del concepto de la virginidad, el cual no se menciona explícitamente, sino que sólo se sugiere. Este elemento, así como el embarazo y la deificación femenina, se vuelven características comunes no sólo entre las figuras, sino también con el cuerpo presente en nuestro poema. Tomemos el caso de las aves nocturnas. El entorno dentro del cual aparecen estas aves está descrito con lexemas como "sagradas puertas" (v. 28), "faroles sacros" y "perenne llama" (v. 33), términos que nos permiten trazar un paralelo con el templo romano de la diosa Vesta, aunque a ésta no se la nombre explícitamente. En el templo de esta virgen ardía una perenne llama que sólo se apagaba una vez al año. Lo interesante para nuestro poema es la renovación de esta llama, pues el fuego sagrado se obtenía de los aposentos de la virgen. Es decir, que el fuego y la divinidad provenían de un sujeto femenino. No hay que olvidar que la diosa Vesta, a pesar de ser virgen, también era considerada como un símbolo de la maternidad idealizada, debido a la propiedad de multiplicación del fuego. La circularidad del modelo sorjuanino, sugerido en una primera instancia por medio del entorno exterior, a través de la autorreproducción del fuego, nos lleva a las aves nocturnas mismas: Con tardo vuelo y canto, del oído mal, y aun peor del ánimo admitido, la avergonzada Nictimine acecha [...] y sacrilega llega a los lucientes faroles sacros de perenne llama que extingue, si no infama, en licor claro la materia crasa consumiendo, que el árbol de Minerva de su fruto, de prensas agravado congojoso sudó y rindió forzado ( w . 25-38).

El cuerpo de Nictimine, la lechuza que bebe el aceite de las lámparas y, por lo tanto, la luz que éstas producen, se ha convertido en el recipiente del fuego, un fuego sagrado que ella misma (re)producirá en la medida que beba el aceite que produzcan las sacerdotisas vírgenes. La circularidad de la autorreproducción se da en el momento en que la lechuza permanece en su entidad de ser nocturno, y que éste, al tener necesidad de "beber", logrará satisfacer nuevamente su sed, una y otra vez, casi ad infinitum, gracias a su función alegórica. El fuego que quema el aceite de la lámpara, que en este caso se localiza dentro del cuerpo de

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Nictimine, se puede comparar, como hace fray Luis de Granada, 7 con el calor humano que consume el húmedo radical. Así como Nictimine necesita satisfacer su necesidad de beber, para lo cual tiene que restaurar el aceite y el calor de la lámpara dentro de su cuerpo, así el cuerpo del poema necesita restaurar el húmedo radical que se consume por el calor natural del cuerpo, para lo cual es imprescindible la ingestión de alimentos y, por ende, el funcionamiento del estómago. La autorreproducción del fuego dentro del cuerpo de Nictimine está, pues, en relación estrecha con la digestión estomacal. Nictimine, en su calidad de sujeto femenino, que nos señala el ambiente virgen, la deidad, la maternidad y la circularidad, se convierte así en uno de los primeros paradigmas explícitos del cuerpo del sujeto visionario. Algo similar ocurre con las doncellas tebanas, hijas de Minias, quienes fueron metamorfoseadas en murciélagos. En la aparente oscuridad de la tiniebla, éstas, para evitar ser vistas, puesto que existe una luz ínfima, crean otra niebla dentro de la tiniebla, es decir una segunda oscuridad. Sin embargo, en su calidad de sujetos mitológicos, ellas y el buho permanecen temerosos de ser vistos, lo cual sugiere otra luz dentro de esa segunda tiniebla, luz de la que permanentemente estarán huyendo y que los forzará a seguir creando las tinieblas. Puesto que éstas, en vez de tomar parte en las festividades del Dios Baco, prefieren quedarse a laborar en sus tejidos y se entretienen contándose diversas historias entre sí. las tinieblas que ellas crean ad infinitutn se vuelven alegorías de su propio discurso: aquellas tres oficiosas, digo, atrevidas hermanas, que el tremendo castigo de desnudas les dió pardas membranas [...] solos la no canora componían capilla pavorosa, máximas, negras, longas entonando, y pausas más que voces, esperando ( w . 47-59).

Tanto el tejido de las vírgenes antes de su metamorfosis, como la niebla y las voces que producen con su vuelo nos remiten a un nivel metapoético, puesto que

7

Fray Luis de Granada: Introducción del Símbolo de la Fe, ed. J. M. Balcells, Madrid: Cátedra 1989, pp. 412-413. Esta nota bibliográfica ya la menciona Méndez Planearte en sus notas al Sueño en Sor Juana, Obras completas, p. 590.

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ambos se basan en la antigua metáfora del tejido como texto, 8 y es exactamente esta cualidad la que las une al cuerpo del sujeto vivencial, pues, como veremos más adelante, la corporeidad dentro del Primero Sueño conlleva a la escritura femenina. Ascáfalo, por otro lado, nos remite al mundo sombrío de los infiernos. Como sujeto mitológico y espía de Plutón, se supone que fue transformado en búho y que no pudo salir del mundo subterráneo debido al castigo que le impuso su propia víctima. Pero la circularidad, en este caso, se produce más a través de la acción de Ascáfalo sobre el sujeto de Perséfone, que por la propia acción del búho. A consecuencia de la delación de éste, Perséfone se moverá indefinidamente entre el mundo subterráneo (diosa de los infiernos/esposa de Piutón) y la tierra (diosa de la agricultura/hija de Ceres). Su función como sujeto cambiará en forma constante. Si bien permanece en su calidad de deidad, ella debe cumplir el rol de esposa, hija, esposa y así sucesivamente. Junto a las aves nocturnas tenemos la figura del águila. Este ave de Júpiter aparece en una primera instancia ( w . 129-146) en su calidad de reina y simboliza la constancia de los gobernantes, pues con sus garras sostiene un "cálculo" (piedra) que caerá cuando el ave intente dormirse.9 Esta primera representación del águila se asemeja a la descripción del alma humana, que también es "suprema" (v. 438) y "Reina soberana" de lo "sublunar" (v. 439). En una segunda instancia (w.327-339), el águila aparece como el ave del Sol que intenta llegar a la cumbre de una inconmensurable montaña imaginaria, más alta que el monte Atlas (v. 310), el Olimpo (v. 313) o los volcanes (v. 320). De acuerdo a la creencia, el águila es la única ave que puede llegar hasta el Sol.10 Su incapacidad momentánea nos remite a un estado de confusión semejante al que atraviesa el alma humana. Así como el águila no puede llegar a la cumbre, pues la distancia no es aprehensible, así el alma humana fracasará en su intento por llegar al conocimiento a través de la

8

Recuérdese que el lexema textus tiene originalmente una significación metafórica equivalente a "tejido". Una mención explícita se encuentra también en Las Metamorfosis de Ovidio VI, w . 455-578. Filomela, a quien Tereo viola y le corta la lengua, borda su historia en un lienzo.

9

Sabat de Rivers ha demostrado que estas cualidades se le atribuían más bien a la grulla, y así cita ejemplos de Garcilaso, Góngora, Quevedo, Trillo y Figueroa, Salazar y Torrep. En el caso de Trillo y Bocángel, es el gallo aquel animal que previene del sueño: El Sueño de sor Juana, pp. 76-79.

10

Véase la explicación de Covarrubias: Tesoro de 1a Lengua Castellana o Española (1611) para el lexema "águila".

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intuición. D e acuerdo a la c o n c e p c i ó n neoplatónica y sobre todo, de acuerdo a la c o n c e p c i ó n de Ladino y Ficino, cada fracaso del alma humana conduciría a la verdad eterna y a la belleza. 1 1 El hombre, c o m o sujeto racional, participaría del intellectus

divinus,

pero para alcanzarlo, su alma tiene que fracasar y sobrepo-

nerse a sus fracasos. Por otro lado, la presencia del águila en la cercanía de una montaña elevada n o s remite a la leyenda de Prometeo, a quien los d i o s e s castigaron por haber robado el c o n o c i m i e n t o del fuego. C o m o pena le impusieron permanecer encadenado a una roca en la cumbre del C á u c a s o y un águila le roía incesantemente el hígado, que siempre v o l v í a a crecerle. El paralelo de esta escena c o n el alma humana la t e n e m o s a s i m i s m o en Ficino. En De mente,

el f u e g o divino es equi-

valente al entendimiento y el águila, a la voluntad de sabiduría. El fracaso de Prometeo en su afán c o g n o s c i t i v o lo llevará en un m o m e n t o determinado hacia la iluminación. 1 2 El águila aparece a s i m i s m o unida al águila evangélica, la cual, por otro lado, alude al Apocalipsis, e s decir a la v i s i ó n que tuvo San Juan en la isla de Pat-

" "De felicítate" iu: P. R. Blum et al. edd.: M. Ficino - Traktate zur platonischen Philosophie, Berlin: Akademie Verlag 1993, p. 222 sqq. Cf. también la referencia a la asociación entre la idea cristiana de la resurrección y la teoría de Ficino y Ladino de *E. Panofsky: Studies in iconolog)'. 12

"Hic esse videtur infelicissimus lile Prometheus, qui divina sapienta Palladis instructus, ignemque caelestem, id est rationem adeptus, ob hoc ipsiim in summo vertice montis, hoc est in ipsa contemplationis arce, ob continuum avis rapacissimae morsum, id est inquisitionis stimulum, miserrimus omnium mérito iudicatur, doñee transferatur eodem, unde olim acceperat ignem, ut quemadmodum uno illo luminis supemi radiolo nunc assidue stimulatur ad totum, sie toto deinde lumine penitus impleatur", in: Blum et al. edd.: M. Ficino, p. 208.

13

"[...] Y vuelto, vi siete candeleras de oro. y en medio de los candeleras a uno semejante a un hijo de hombre, vestido de una túnica talar y ceñidos los pechos con un cinturón de oro... Escribe, pues, lo que vieres, tanto lo presente como lo que ha de ser después de diestra y los siete candeleras de oro, las siete estrellas son los ángeles de las siete iglesias, y los siete candeleras, las siete iglesias", in: Apocalipsis 1,13, 19-20. En los Lucidarios españoles, ed. R. P. Kinade, Madrid: Gredos 1968, pp. 222-223, el maestro le explica al discípulo por qué se le apareció un águila a San Juan: por estas tres maneras que te be contadas que ha en el agüita, es sant Johan puesto en figura de aguila: lo primero, asi como el aguila buela mas alto que todas las otras abes, vien asi sant Iohan fablo mejor e mas altamente que todas otras evangelistas, nin los santos que fueron... E otrossi, asi como el aguila vee mas claramente por los rayos del sol que son a semejanca de Ihesu Christo, fijo de Dios; e el sol es Dios padre; e los rrayos uio el, estando Ihesu Christo en la cruz, salir de la llaga del su eos-

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de quien pudo ser imagen misteriosa la que el águila evangélica, sagrada visión en Patmos vio, que las estrellas midió y el suelo con iguales huellas (w. 689-683). En la simbología cristiana, este ave constituye una metáfora de la resurrección a través del bautismo, del ascenso de Cristo, y es también un símbolo del evangelio de San Juan.14 A San Juan también se le apareció la imagen de una mujer, la cual ya ha sido identificada con María.15 El niño que nacería de ella sería el Mesías. Al igual que la Virgen, la mujer del Apocalipsis, quien también estaba esperando un varón, corría peligro de vida. Para que pudiera huir del dragón que la acosaba, fue metamorfoseada en águila: "Pero fuéronle dadas a la mujer dos alas de águila grande para que volase al desierto [...]". 16 Su hijo "fue arrebatado a Dios y a su trono" al igual que Cristo. 17 Es pues la Iglesia la que pare, y su tado. sangre e augua, la qual cosa non vio otro de los apostoles, ca todos eran fuydos nino el, que lo vio por sus ojos e da testimonio dende aquel que lo vio. E por estos rrayos del sol Ihesu Christo, fijo de Dios, vio el la diunidad de Dios padre en las cosas que el tenia ascondidas e ordenadas para mostrar pos su rrebelacion. Escriuio un libro el qual es llamada Apocalipsi... La tercera es aci como el aguila torna los cavos mas agudos de los huevos que tiene en su nido contra los rrayos del sol, e sos mismo faze de los fijos despues que los ha sacados de los heubos; e otrosí, sant Johan por las palabras quel dixo en los sus libros quel fizo por la vondad, e por la santidad, e vrinidad que en ouo, e el alunbro e enderesco a nos los christianos, fijo de santa Iglesia de Dios, que somos fijos de aguila por rrazon deste sant Iohan que es nuestro padre. E asi como el aguila torna a sus fijos los ojos contra el sol, vien así torna el a nos los fieles christianos por las sus escripturas, e por los sus euangelios, a conscer la diuinidad e la trinidad que antes nos conoscimos nin podíamos tan derechamente conscer... 14

15

16 17

Méndez Planearte en sus notas al Sueño, cita la visión del Evangelio de San Juan que reza: "Ángel fuerte que bajaba del cielo [...], y que poma el pie derecho sobre el mar y el izquierdo sobre la tierra". Según él, esta imagen alegórica sería bastante forzada, pero no dispondría de ningún otro texto sobre el cual se basarían los versos de sor Juana en: Obras completas de sor Juana, p. 597. Pienso que, a falta de textos, es necesario remitirse a la emblemática de la época, por medio de la cual se tenía la posibilidad de memorizar el evangelio. Cf., por ejemplo, la Prima Ymago Johannis in: Ars memorandi notabüis per figuras evangelistarum, Basel, aprox. 1470, reproducido en A. Assmann et al. edd.: Mnemosvne, Frankfurt a.M.: Fischer 1991, p. 182. Esta edición suiza consta de 30 imágenes, las cuales representan una especie de resumen del evangelio. En la Prima ymago Johannis se ve un águila, cuya vagina abierta está situada a la altura del vientre de la madre-águila; simboliza además la resurrección. Según *H. Rahner: Symbole der Kirche, p. 91 sqq., Hipólito de Roma (De Antichristo 61) también había identificado a la mujer apocalíptica con la Iglesia a comienzos del siglo III. La exégesis del Apocalipsis de Beda también identifica a esta mujer con María. Apocalipsis 12,14 Ibid. 1-6

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criatura es el cuerpo místico de Cristo. Nuevamente tenemos, pues, la alusión a la maternidad, que en este caso se puede asociar no ya con la diosa Vesta, sino más bien con la figura de María y con la Iglesia misma.18 Se sabe que en la noche del Sueño la Luna brilla en el firmamento: del orbe de la diosa que tres veces hermosa con tres hermosos rostros ser ostenta (w. 13-15).

Estos versos se refieren a Diana, quien era llamada así por representar tanto a Diana o Delia, a la Luna y a Hécate o Proserpina. La Luna, por otro lado, nos remite a la figura de la diosa Selene, quien era considerada la madre de los nacimientos.19 De ella dependía todo elemento húmedo, así como el crecimiento de las plantas y el mundo animal. Se la consideraba como la tierra celestial de donde nacían todas las almas. Su relación con Helios, el dios Sol, se producía en la medida que éste se tragaba el agua (pues con su calor se evaporaba) y la Luna, por lo tanto, la volvía a parir por medio del rocío. Según el teólogo alemán Hugo Rahner, Metodio de Filipo en su Simposio a las diez vírgenes, escrito a finales del siglo III, hace la primera interpretación del texto sobre la mujer apocalíptica desde una perspectiva cristiana de la Antigüedad, considerando a la vez la simbología de la Luna.20 El griego fue el primero que desarrolló la teología de la Iglesia maternal bajo la figura de la Luna, proveedora de agua. Su cuerpo creciente representaba a la Iglesia en expansión, a través de los nuevos creyentes bautizados. La fase decreciente iba paralela con la muerte de Cristo en la cruz. La Luna, de acuerdo a esta teología, representaba el cuerpo de la Iglesia que permanentemente da a luz a Cristo.21 Y el alumbramiento, reflejado también en el Mega Mysterion de la Epístola de San Pablo a los Efesios, está representado por medio del nacimiento del Sol novns durante la noche de Navidad.22 El nacimiento de Cristo es, por lo tanto, equivalente al nacimiento del Sol. El sujeto femenino que pare es por tanto María o la Luna.

18

19 20 21 22

La interpretación de Rafael Catala, aunque limitada al tema del incesto, ya identifica el águila del Sueño con la figura de María. Cf. R. Catala: "La trascendencia en el Primero Sueño - el incesto y el águila", Revista Iberoamericana 44,104-105 (1978), 421-434. Cf. también el capítulo "Mysterium Lunae" in: *Symbole der Kirche, p. 91 sqq. *Griechische Mythen, p.147 sq. * Symbole der Kirche, p. 140 sqq. Epístola a los E/es ios 3,4-22.

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¿Cuál es la conexión entre los versos de sor Juana y la simbología eclesiástica aquí presentada? Pienso que el grado de sistematicidad tan elevado dentro del Primero Sueño refleja un intento de paralelismo con el cuerpo en cuestión. Las características de los sujetos femeninos se reflejan en el cuerpo, hasta ahora ignorado por la crítica. Veamos un fragmento del poema: Y aquella de calor más competente científica officina próvida de los miembros despensera, que avara nunca y siempre diligente ni a la paite prefiere más vecina ni olvida a la más remota (w. 234-239).

Esta oficina, según Vossler y Elias Rivers, entre otros, se localiza dentro del estómago. En efecto, ahí se concentra el calor y desde allí se repartirá el "quilo" (la esencia de las esencias) a todos los miembros, de acuerdo a un esquema regulativo. Los lexemas "miembros" (v. 236), "despensera" (v. 236), "cuadrante" (v. 240), "fiel" (v. 227), "testigo" (v. 227), "piadoso" (v. 245), "medianero" (v. 244). "piedad" (v. 247), "castigo" (v. 250), así como los significantes de "corazón" ( w . 205-209) nos remiten a una isotopía semántica religiosa que no se debería seguir ignorando. En la primera Epístola de Pablo a los Corintios, sobre los dones espirituales, tenemos: "Porque así como, siendo el cuerpo uno, tiene muchos miembros y todos los miembros del cuerpo, con ser muchos, son un cuerpo único, así también es Cristo [...] Pues vosotros sois el cuerpo de Cristo y (sus) miembros parciales [...] Y Dios los estableció en la Iglesia." Es decir, los miembros pertenecen, del mismo modo que al cuerpo, a la Iglesia. Significación que, por otro lado, se corrobora en el Diccionario de Autoridades. Se es miembro de la Iglesia o de alguna otra institución. Esta oficina, es decir el estómago, en la cual se pueden decidir cosas "morales" y "no materiales" posee las siguientes cualidades: es próvida, es el lugar desde donde se reparten los bienes a los miembros, nunca es avara, etc. 23 Características todas que coinciden con las propiedades de la Iglesia. La Iglesia es, pues, despensera de los bienes de Dios. 24

23

24

Cf. la acepción del lexema "membro" lexicalizada en el Diccionario de Autoridades (1726-1739, DA): "qualquiera parte que sirve y concurre a la composición de algún cuerpo moral como [...] Religión." Despensera también significa "repartidora de los bienes que otro le ha entregado para este fin". (DA)

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El "quilo" que se reparte a los miembros del cuerpo posee asimismo, de acuerdo a la definición de Covarrubias, un aspecto lechoso. La imagen de la leche materna, con la cual la Iglesia alimenta a sus miembros, se puede asimismo constatar en la Biblia. El tópico de la lactancia resulta ser reiterativo en el poema. La mención de las "flores breves" en los versos 730-736 nos remite a la diosa Venus, de cuyos pechos, según Covarrubias, brotó tanta leche que una parte se derramó por el firmamento y constituyó la Vía Láctea, y la otra cayó sobre unos lilios o azucenas. Estas flores, que antes habían sido rojas, se volvieron blancas. Esta interpretación se corrobora con los versos siguientes: que a sus fértiles pechos maternales con virtud atractiva, los dulces apoyó manantiales de humor terrestre, que a su nutrimiento natural es dulcísimo alimento ( w . 628-632).

Si bien estos versos se refieren a la diosa Tetis, nos remiten inexorablemente al Evangelio de San Juan: "El que cree en mí, según dice la escritura, ríos de agua viva manarán de sus entrañas".25 Es del estómago (venter) de donde brotará el agua sagrada. Del cuerpo de Cristo brotará la misma agua que brota de los pechos de Tetis, líquido con el que se alimentará toda la Tierra. La otra alusión a la maternidad-virginidad aparece dentro de la digresión de Acteón, el cazador ( w . 97-122). Acteón fue castigado por Diana y ésta lo convirtió en ciervo. La acción de Diana, sin embargo, trae a colación a la diosa Artemisa, quien al igual que Vesta, era virgen. La interpretación de la estatua de Artemisa de Éfeso permite ver la multiplicidad de niveles de esta concepción virginal. Algunos la conciben como la diosa de la fertilidad. Para otros, Artemisa representa la diosa de la caza y la protectora de todo animal preñado. Otros consideran que la estatua es un símbolo del seno que las amazonas sacrificaban en honor de esta deidad. No en vano el sujeto que escribe se refiere explícitamente a las figuras de la Noche y de la Aurora como dos amazonas en lucha. Esta última ya ha sido identificada por L. Egan con la figura de la Virgen María.26 Ahora bien, identificar el estómago como metáfora de la Iglesia significa reconocer que el cuerpo le pertenece a ella y que este cuerpo está embarazado. Las reiteradas alusiones a la virginidad y al embarazo dentro del poema, como, por ejemplo, el caso del águila preñada ( w . 331-333), el águila del evangelio de San

25 26

San Juan!,hi. Cf. nota 3.

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Juan (w.689-693), la sombra "embarazada" (v. 926), la alusión a la diosa Vesta a través de la figura de Nictimine, la alusión a Artemisa a través de la digresión del cazador Acteón y de la mención de las amazonas, así como la mención de los sujetos femeninos (noche, Luna, Virgen) y el embrión del cuerpo, que analizaré a continuación, reafirman esta interpretación.27 Hay una simultaneidad de niveles del lenguaje. Es el cuerpo femenino y es, a la vez, la Iglesia o la Virgen.28 Es el estómago un órgano vital y a la vez la Iglesia que reparte su caridad entre los cristianos, es el quilo y a la vez la sabiduría divina. La equivalencia entre el águila y el alma humana del poema se concretiza también a un nivel corporal, pues tanto el águila ( w . 331-333) como el cuerpo visionario (v. 549) poseen un embrión. Al igual que el águila del Ars memorandi notabilis per figuras evangelistarum, el águila de los versos de sor Juana también está preñada, pues busca un lugar cálido y seguro para establecer su nido: del águila- que puntas hace al cielo y al sol bebe los rayos pretendendo entre sus luces colocar su nido ( w . 331-333).

En forma paralela, el cuerpo del Primero Sueño posee además un embrión, dentro del cual se estaría generando metafóricamente el universo, a partir del caos. Su agente creador implícito se revela como el alma misma: el alma que asombrada [...] aún no sabía recobrarse a sí misma del espanto que portentoso había su discurso calmado, permitiéndole apenas de un concepto confuso el informe embrión que inordinado caos retrataba ( w . 540-550).

El discurso femenino del alma es, pues, equivalente a la creación a partir del caos. Ahora bien, si consideramos que el estómago de este cuerpo es una metá-

27

Aun cuando la acepción más utilizada de la época reza: "impedida, detenida, retardada", el DA también menciona la significación de "mujer que está en cinta y preñada".

28

Recuérdese la figura de la pastora que decía ser la Virgen en el Auto de la Sibila Casandra (1513). Para Casandra, el matrimonio no sólo significaba la esclavitud de la mujer, sino que también simbolizaba la unión del alma con Cristo. Ella se concibe a sí misma como la Mater Dei, es decir su cuerpo es el de la Iglesia y el de la Virgen María. Gil Vicente: Obras Dramáticas Castellanas, Madrid: Espasa-Calpe 1962, p. 43 sqq.

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fora de la Iglesia y que el cuerpo en sí es la Iglesia misma, este embrión que representa el discurso del alma femenina se puede comparar con el logos y/o el cuerpo de Cristo, que nace del vientre de María. Según la teología patrística, es el logos el que nace en el corazón de los creyentes al momento de recibir el bautismo y es la Iglesia este cuerpo femenino que da a luz al logos.29 Así como la Luna da a luz al Sol, símbolo de Cristo, y así como la Iglesia pare el logos, de igual modo el cuerpo pare el conceptus. Y en este punto sor Juana, como jerónima, coincide con la doctrina del verbum coráis de San Agustín.30 El logos nace en el corazón y por lo tanto este órgano reemplaza al útero femenino. Hablar del uterus coráis no era ninguna rareza en la época31, y la misma sor Juana describe el corazón de este cuerpo resaltando sus cualidades uterinas: Este, pues, miembro rey y centro vivo de espíritus vitales, con su asociado respirante fuelle - pulmón, que imán del viento es atractivo, que en movimientos nunca desiguales o comprimiendo ya, o ya dilatando el musculoso, claro arcaduz blando, hace que en él resuelle el que lo cincunscribe fresco ambiente ( w . 210-218).

Para aclarar la simultaneidad de los niveles del discurso, habría primero que aclarar las significaciones de algunos lexemas. "Arcaduz" tiene varias acepciones. La primera es la de "caño", razón por la que generalmente se interpreta este caño como la garganta humana. Significa, por otro lado, "el conducto o la parte por donde el alma se explica, y da a entender sus afectos: como los ojos, la lengua, etc., y también por donde percibe las especies". El lexema "resollar", ade-

29

Cf. Orígenes. "Homilía del Exodo 10,3", in: Id: Homilías sobre el Éxodo, ed. M. I. Danieli, transt. Ángel CastaSo Félix, Madrid: Ciudad Nueva 1992. Mulier praegnans dicitur anima quae nuper cocepit Verbum Dei. De tali autem conceptione legimus et in alio loco scriptum (Js 26, 18): a timore tuo. Domine, in utero concepimus et peperimus... formatus infans potest videri Sermo Dei in corde eius animae, quae gratiam baptismi consecuta est vel quae evidentius et clarius verbum fídei concepit

30

En el capítulo 12,19 de las Confesiones, Agustín afirma: "Ut redeamus hinc ad eum in illud secretum, unde processit ad nos, in ipsum primum virginalem uterum, ubi ei nupsit humana creatura, ut redeamus ad car et inveniamus eum".

31

Cf. *Syntbole der Kirche, p. 14. Cf. también *Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter, p. 147.

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más de "echar el aliento con algún ruido", implica el acto de "hablar" (DA). De acuerdo a estas acepciones, el corazón y el pulmón crearían una voz que explicaría los afectos del alma. 32 Esta voz es un producto del aire que nace gracias a las acciones de los gerundios "comprimiendo" y "dilatando", acciones que si bien se pueden referir al fuelle del pulmón y al corazón, también aluden a la significación de corazón = útero femenino. 33 El corazón no sólo sería el "claro vaso" (v. 558) o el "natural vaso" (v. 843), lugar donde, en teoría, se produciría la Encarnación.34 En el modelo sorjuanino, el corazón da a luz a la voz del aire (alma humana), elemento que por otro lado también se puede comparar con el "soplo" o el spiritus del Génesis. La creación a partir del caos se iguala aquí a la creación de la voz del sujeto hablante y vivencial. El uterus cordis es, pues, el espacio donde nace el discurso femenino, el cual es comparable al cuerpo de Cristo, a la luz del Sol y al logos que nace del cuerpo de la Iglesia. Sor Juana no se limita a la descripción del estómago como metáfora de la Iglesia. Basándose en los principios de la medicina hipocrático-galénica, la jerónima resalta la influencia del estómago y de los humores sobre las facultades aristotélicas de "imaginativa" y "memoria": ésta, pues, si no fragua de Vulcano. templada hoguera del calor humano, al cerebro enviaba húmedos, mas tan claros los vapores de los atemperados cuatro humores, que con ellos no sólo empañaba los simulacros que la estimativa dió a la imaginativa y aquésta, por custodia más segura, en forma ya más pura entregó a la memoria que, oficiosa,

32

33

34

Fray Luis de Granada: Introducción del símbolo de la Fe, p. 435, compara el caflo por donde se despide el aire de los pulmones con la imagen de una flauta. La lengua y las partes de la boca ayudarían a la articulación de esa voz. Cf. Teresa de Jesús, Vida, in: Obras completas, ed. L. Santullano, Madrid: Aguilar 1990, cap. XXIX, p. 176. En la escena de la Transverberación, la penetración con el dardo también se localiza en el corazón. La metáfora del "vaso" como recipiente y útero femenino también se encuentra en la obra de la carmelita Teresa (cf. Vida, cap. XVIII, p. 118): Acaéceme muchas, cuando acabo de recibir estas mercedes, o me las comienza Dios a hacer...decir: Sefior, mirad lo que hacéis, no olvidéis tan presto tan grandes males míos... No pongáis, Criador mío, tan precioso licor en vaso tan quebrado, pues habéis ya visto de otras veces que le torno a derramar.

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grabó tenaz y guarda cuidadosa sino que daban a la fantasía lugar de que formase imágenes diversas (w. 252-266).

Es el estómago la oficina y hoguera de donde se desprenden los "húmedos" y "claros" vapores que influyen en la producción de imágenes. Estos vapores, por otro lado, proceden de la "vaporosa sombra fugitiva" (v. 9), es decir, de un sujeto femenino. Pero aquí el alma traspasa el mundo sublunar, de acuerdo a la concepción neoplatónica del universo, es decir, que sale del mundo de la naturaleza y de la materia para alcanzar el anima mundana, puesto que llega al mundo del intellectus divinus: "que intelectuales claras son estrellas" (v. 287). Es decir que en la creación del concepto está incluido el anima mundana o la divinidad.35 En su Examen de Ingenios, aproximadamente de 1574, Huarte de San Juan se basa en las clasificaciones de los humores y temperamentos ya existentes, para así tratar de establecer en qué medida el ingenio está influido por estos temperamentos. Para él, la facultad generativa del "entendimiento" está capacitada para engendrar "conceptos." Huarte describe esta propiedad de fecundidad del entendimiento como la posibilidad de "producir dentro de sí un hijo, al cual llaman [...] noticia o concepto que es el verbus mentís",36 Concepto que por otro lado nace gracias al funcionamiento del estómago. Esta "industria femenil" (v. 753) necesita, sin embargo, del "entendimiento" para poder obtener el conocimiento. Tanto en Huarte de San Juan, como en sor Juana, concepto y embrión aparecen unidos dentro del mismo espacio: el discurso calmado [...] de un concepto confuso el informe embrión [...] (w. 546-550).

35

36

El universo, para los neoplatónicos. sobre todo de acuerdo a la concepción que Marsilio Ficino desarrolla en su Theologia Platonica está compuesto por cuatro jerarquías de perfección decreciente, a saber: la mens mundana, mente cósmica o intellectus divinus sive angelicus, donde se encuentran el intelecto, las ideas y las inteligencias (ángeles); la anima mundana o el alma cósmica, donde se ubican las estrellas y los planetas; el reino de la naturaleza; y, como grado último, el reino de la materia. Cf. también *Panofsky: Studies in Iconolog},,pp. 131-137. Cf. Guillermo Serés: "Introducción", in: Juan Huarte de San Juan: Examen de ingenios para las ciencias, ed. G. Serés, Madrid: Cátedra 1989, p. 37.

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La relación corazón-útero-estómago también está sugerida en la tradición teológica. Si bien en la psicología de la Antigüedad era el corazón al que se asociaba directamente con el centro de la vida, o con el lugar donde radicaba la sabiduría, este miembro está en relación directa con el estómago. Así se constata en el tratado de San Agustín sobre el Evangelio de San Juan 32, 4: "Venter interioris hominis conscientia cordis est [...] Quid est fons et quid est fluvius qui manat de ventre interioris hominis? [...] Benevolentia, qua vult consulere proximo". La teología patrística, por otro lado, considera que el nacimiento de Cristo, ocurrido en el corazón de los creyentes al momento de recibir el bautismo dentro de la Iglesia, unifica el cuerpo del cristiano con el cuerpo de Dios. Este nacimiento es una imagen y una continuación del nacimiento eterno de la palabra de Dios, así como del nacimiento de Cristo de su madre, la Virgen María. El corazón es, pues, tanto el lugar del nacimiento del logos como del nacimiento de Cristo. Pero, debido a que el logos es equiparable al cuerpo de Cristo, y es la Iglesia la que pare permanentemente este logos, la Iglesia, por lo tanto, se da a luz a sí misma. El enunciado dialéctico de la teología patrística, que señala Hugo Rahner, de que "la Iglesia se da a luz a sí misma, puesto que ésta alumbra el cuerpo de Cristo", nos llevaría a concluir que el cuerpo de la mujer cuyo estómago es una metáfora, es el mismo cuerpo de la Luna, de la Virgen o de la Iglesia que se da a luz a sí misma.37 Y si la Iglesia se da a luz a sí misma, entonces la mujer también se dará a luz a sí misma. Su embrión será su propia creación (tácita o alegórica). Este embrión, por otro lado, es equiparable al logos, la palabra de Dios. Y si el embrión es equivalente tanto a la creación de la mujer como al logos,, entonces la creación de la mujer será su propio logos. Es ella, y no el hombre, quien está capacitada para crear el logos. La mujer, por lo tanto, puede ser Dios. Su "deiparto" es el logos.19 El modelo sorjuanino utiliza, pues, los tópicos de la maternidad para sugerir la inferioridad tanto del hijo como del logos, siendo éste último la propia criatura

37 38

*Symbole der Kirche, p. 199. Entre los siglos XIII y XV eran comunes las esculturas que representaban a la Virgen. Estas figuras cerradas presentaban la imagen de la Virgen con el niflo en brazos. Abiertas, sin embargo, mostraban la imagen de la Virgen en cuyo vientre se contenia la trinidad. Padre, Hijo y Espíritu Santo nacían del vientre de María, el caso p. ej. de la "Viérge Ouvrante", estatua que se encuentra en una Iglesia de la Bretaña, Francia. Cf. Christa Mulack: Maria, die geheime Göttin im Christentum, Stuttgart: Kreuz 1985, p. 64. La mitología azteca también narra el caso de la diosa Coatlicue, quien había parido más de 400 dioses. Cf. P. Krammer: Afythologies of the Ancient World, New York: Anchor 1991, p. 461.

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de la instancia materna. La aparente negación de la femineidad, lograda por medio de una estrategia discursiva, que salvó a sor Juana de la Inquisición y que logró hasta ahora convencer a la crítica, se convierte más bien en una afirmación de dicha femineidad. Lo establecido o lo aceptado era que el estado normal de la mujer no era la inteligencia, y si ésta la poseía, entonces ella había perdido la razón. La mujer era vista incluso como un ser endemoniado. 39 Una mujer no debía tener acceso a las letras, y la que lo lograba, como ella, corría el peligro de ser castigada. Al encubrir o negar el género sexual del alma, sor Juana le brinda la posibilidad de que su intento sea aceptado socialmente. Las tretas del débil, como diría Josefina Ludmer, se reflejan en el entinema común a las digresiones, es decir en lo "no dicho" o en el "yo no digo", frente al "yo digo" del sujeto de la enunciación.40 Ambos configuran el elemento dialógico del enunciado. Gracias a la fantasía, el alma femenina puede permanecer aparentemente asexuada durante el sueño y parecerse así al alma masculina. El modelo sorjuanino no es pues simplemente un mero modelo oposicional. La erudita jerónima desarrolla aquí una relación asimétrica, que no reivindica la igualdad de los géneros sexuales, sino que más bien presenta una superioridad o una antelación de lo femenino frente a lo masculino. La afirmación de lo femenino, dentro de este modelo, radica en la elevación del sujeto mujer a un estado no solamente superior al hombre, sino también superior a Dios. Según la Theologia Platónica de Ficino, Dios creó el mundo en la medida que se pensó a sí mismo. La mujer, como Dios, se crea a sí misma por medio de su embrión, el cual es la alegoría de su propio discurso, la misma que se puede comparar con la noche, puesto que ésta, como figura alegórica, es la hija del Caos y la madre del Sueño y de la Muerte. Que esta lectura coincida con algunos postulados feministas contemporáneos no significa haber incurrido en un anacronismo. Anacronismo sería olvidar que a María se le concedió el título de deípara desde el Concilio de Éfeso, en el año 431. Si bien esta interpretación del Primero Sueño puede llevar a afirmar que este texto sugiere un tratado teológico poco ortodoxo, por parte de la jerónima, no hay que olvidar que en este texto también se tematiza la labor poética. Veamos primero hasta qué punto los sujetos femeninos presentes en el poema logran una

39 40

Cf. por ejemplo, El Josef de las mujeres de Calderón. J. Ludmer: "Tricks of the Weak", in: Merrim ed.: Feminist understanding of sor Juana Inés de la Cruz, p. 86 sqq.

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escritura alegórica. Empecemos con la comparación entre la sombra y la mente humana: que como sube en piramidal punta al cielo la ambiciosa llama ardente así la humana mente su figura trapunta y a la causa primera aspira (w. 403-407). El alma, a través de su mente, intenta llegar a la primera causa por medio de la elevación de la sombra (Cf. también w . 1-9). Aquí la mente humana "trasunta" la figura del fuego. El lexema "trasuntar' 1 nos lleva, sin duda alguna, a las acepciones de "copiar" o "transcribir" algo de su original. Es así que la mente humana crea una escritura alegórica femenina en su afán de llegar a Dios dentro de la concepción neoplatónica del universo: céntrico punto donde recta tira la línea, si ya no circunferencia que contiene, infinita, toda esencia (w. 409-411). Al Espíritu Santo se le asocia con la imagen de "lenguas" de fuego que penetran en el individuo. Así, el fuego bíblico también es equivalente al logos de la patrología. Esta imagen también se encuentra en la digresión de la lechuza Nictimine. 41 Ella produce su propio fuego gracias al funcionamiento del estómago, y es ella misma quien se convierte en la personificación del Espíritu Santo. 42 Esta identificación femenina no es nueva, puesto que ya se ha señalado que el término tiene influencia del hebreo rtiach, que significa la fuerza femenina de lo divino. Luego pasó a la traducción griega pneuma, de género neutro, y después al latín spiritus sanctus, de género masculino. 43 El niño nacerá de la relación entre María y esta ruach divina, la espíritu santa. La escritura de la sombra y del alma femenina, que transcribe el fuego (ruach) puede, pues, interpretarse como la transposición lingüística de la palabra divina femenina. El logos coincide así con el logos poetikos. Al igual que la escritura femenina que producen las doncellas tebanas con sus cuerpos de murciélago dentro de la niebla, aquí el cuerpo

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La llama que arde permanentemente, como la del templo de la diosa Vesta, también se menciona en la Biblia (2 Génesis 27. 20). Es interesante comparar la metáfora que sor Juana utiliza en su Respuesta a sor Filotea: "Si todos los miembros de mi cuerpo fuesen lenguas...", in: Sor Juana, Obras Completas, p. 461. Cf. C. Mulack: Maria, die geheime Göttin im Christentum, p. 34.

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de Nictimine conlleva a la producción del fuego y por lo tanto al logos. Su corporeidad, en tanto paradigma del cuerpo humano, conduce, pues, al logos poetikos. Veamos también la sombra de los primeros versos: que con negros vapores le intimaba la pavorosa sombra fugitiva [...] quedando sólo dueño del aire que empañaba con el aliento denso que exhalaba

(w. 8-18).

Si bien el lexema "aliento" alude en primer lugar a la respiración, en su acepción lexicalizada en el Diccionario de Autoridades también nos remite a un nivel metapoético, pues implica "la voz de los poetas". Empañar el aire, por otro lado, quiere decir cubrir la luz con nieblas o vapores, con lo cual es clara la alusión de que la exhalación proviene del sujeto sombra. La exhalación, asimismo, se remite a la emisión de vapores procedentes del cuerpo. Patio, lexema del cual se deriva el verbo "empañar", está lexicalizado como "aquel color bermejo causado de abundancia de sangre".44 Entonces la acción de empañar se revelará como una emanación de vapores exclusivamente femeninos, puesto que con este paño se sugiere la sangre menstrual femenina. 45 En esta empañadura, que se eleva al cielo, coinciden, pues, la voz del sujeto sombra, equivalente también a la figura amazónica de la noche, y el "aliento" o la voz de la poetisa como sujeto hablante y vivencial que recibe una visión equivalente al propio logos poetikos, puesto que la creación corporal que se produce en la vagina, a partir del caos, equivale también al discurso del alma femenina. Este discurso es el concepttts, la voz que "resuella" y que nace de las partes inferiores del cuerpo femenino. Es del estómago desde donde se distribuyen los humores que influyen en la "imaginación", y es el útero donde se localiza el embrión. Aquí, en el cuerpo femenino del Primero Sueño, el logos de la teología patrística coincide con el logos poetikos del poema. La poetisa, por lo tanto, se concibe a sí misma como una instancia poética. En este punto, y a modo de digresión, habría que resaltar la ponderación que hace sor Juana respecto a la escritura masculina:

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Cf. las diferentes acepciones en el DA.

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Recuérdese que según las afirmaciones de Covarrubias. la sangre menstrual de la mujer embarazada servía para alimentar al niño. En este caso esta sangre alimenta el conceptas o la voz poética del "aliento". Cf. Covarrubias: Tesoro de la lengua castellana o española, ver 'menstruación'.

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Llegó en efecto, el sol cerrando el giro que esculpió de oro sobre el azul zafiro: de mil multiplicados mil veces puntos, flujos mil dorados -líneas, digo, de luz clara- salían de su circunferencia luminosa, pautando al cielo la cerúlea plana ( w . 943-949).

El lexema "plana", de acuerdo a la acepción del D.A., se refiere a la hoja de papel impreso o escrito, el medio donde se fijará la escritura solar. El cielo se descubre como una hoja de papel donde se "pautará" la voz. Esta voz, sin embargo, se define por medio de un oxímoron: "líneas [...] de luz clara." Las líneas, para que sean legibles, no pueden ser transparentes; por el contrario, tienen que ser oscuras para ser aprehendidas. La escritura "cerúlea" (del Sol) es pues una pseudoescritura que está en oposición a la escritura femenina, equivalente al logos. Ésta es el producto de la noche, del vapor, de la niebla y, en general, del elemento humidum. En La volonté de savoir, Michel Foucault resalta el hecho de que, antes del siglo XVII, la discursividad sexual ya se había desarrollado dentro de una tradición ascética y conventual. Por medio del acto de la confesión se obligaba a los creyentes no sólo a confesar aquellas acciones que incurrían contra la ley, sino que también se les exigía formular todo su deseo, aun cuando esta formulación se basara en lexemas estrictamentes neutralizados. Así, al analizar la hipótesis de la represión. Foucault presenta la tesis de que la economía restrictiva predominó al nivel de la enunciación, mientras que, por otro lado, los discursos mismos se multiplicaron incesantemente.46 Aquí, en El Primero Sueño, se puede afirmar que, al nivel del enunciado, sor Juana se basa en los discursos y metáforas procedentes de los Padres de la Iglesia, para con ellos describir sus perversiones, visiones o fantasías sexuales que, como monja, debía encubrir. Y aquí hay que afirmar, con Foucault, que es el mismo discurso de la Iglesia, como fuerza de poder, el que motiva a sor Juana a desarrollar su propia discursividad sexual, es decir una discursividad perfectamente depurada. El sueño, como situación enunciativa, le permite al sujeto hablante crear un espacio donde se elimine la economía restrictiva dominante frente a la discursividad del sexo, pues la producción del texto surge durante el sueño, es decir, en un estado similar a la muerte. Esta eliminación, sin embargo, está cargada de una fuerte carga metafó-

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*M. Foucault: La volonté de savoir, p. 25 sqq.

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rica, la cual, aparentemente, ajusta el discurso sorjuanino a la retórica inquisitorial. Esta justificación virtual frente a la censura, lograda por medio de la enunciación, libraría, pues, al sujeto hablante de posibles incriminaciones. Por otro lado, la misma enunciación le permite al sujeto vivencial gozar de cierta libertad (sexual) durante el sueño, libertad, que por otro lado, conlleva a la concepción virginal y a la cumbre del éxtasis en el momento del parto (escritura). El yo hablante y el yo vivencial coinciden así en la producción poética. El "yo" del sujeto de la enunciación se convierte en una alegoría de la poetisa. Es la instancia femenina la que juega el rol ficticio del poeta, y es la corporeidad de ese yo hablante la que justifica la escritura femenina. El mundo temático del Primero Sueño es, por lo tanto, la invención de un sujeto hablante que, al mismo tiempo, adopta la condición de poeta, mujer y vidente.

María Paz Yáñez

¿Botas o zapatos? Trayectoria de una metonimia galdosiana1 En pocos períodos de la literatura española ha sufrido el cuerpo femenino mayor tabuización que en la segunda mitad del siglo XIX. Si desde el punto de vista político y religioso se enfrentaban dos Españas, en lo concerniente al discurso moral el único enfrentamiento consistía en reivindicar cada cual para sí los eternos esquemas. Los conservadores se apoyaban en los preceptos de la religión católica; los liberales lanzaban en 1868 el grito de "¡Viva España con honra!", apropiándose unos valores morales que nadie había puesto en duda. Los teóricos krausistas, cuyo ideal de sociedad estaba basado en la misma institución que el cristianismo burgués - l a familia-, influyeron no poco en el mantenimiento, incluso el refuerzo, del anatema contra la sexualidad, ya implantado por el catolicismo contrarreformista. En especial, la novela, el género más difundido entre el elemento femenino, se veía obligada a recurrir a todos los trucos posibles para dejar entrever ese componente indispensable, tanto de la vida como del arte, que es la pasión. La producción novelesca se somete así a una constante autocensura, manifestada en el juego de velar descubriendo o descubrir velando. De este modo cobran importancia capital tres partes del cuerpo femenino, las únicas que tanto el vestido como el lenguaje dejan entrever de tarde en tarde: el cuello, los brazos y los pies, es decir, los extremos que permiten adivinar lo que no puede mostrarse. Pero si el cuello o los brazos encuentran ocasiones de pública exhibición en algunos trajes de fiesta, no así los pies que, a lo sumo, se exhiben en los baños de mar y, a ser posible, ya dentro del agua. Quizás por esta razón llegan a adquirir un estatuto de sinécdoque del cuerpo femenino, que va llenándose de significados por el uso literario. Como señala Ivan Almeida, el cuerpo - e n este caso su representación sinecdóquica- no es por sí solo una categoría semiótica, sino una

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La presente contribución ocupa un capítulo titulado "Trayectoria de una metonimia", in María Paz Yáñez: Siguiendo los hilos - Estudio de la configuración discursiva en algunas novelas españolas del siglo XIX, Bem et alibi: Peter Lang 1996 (Perspectivas Hispánicas).

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figura que funciona dentro del discurso investida ya de las categorías sociosemánticas de la representación.' Esta transformación del pie en figura retórica no es, por otra parte, un invento de la literatura española, obligada a luchar con tantas trabas moralizantes. Nada menos que Zola, que tanto escandalizó en el terreno de la moral a propios y a extraños, y que escribía en la libre Francia, presenta esta figura con tal función en una de sus novelas. En Le rêve, publicada en 1888 y considerada atípica dentro de la producción zoliana, la ingénua protagonista, en un alarde de caridad, regala sus zapatos a una chica pobre en presencia de su enamorado. La terrible consecuencia no se hace esperar: Mais, à ce moment, Angélique s'aperçut qu'elle avait les pieds nus et que Félicien les voyait. Une confusion l'envahit. Elle n'osait plus bouger, certaine que. si elle se levait, il les verrait davantage. Puis, elle s'alarma, perdit la tête, se mit a fuir.3

En textos españoles de la misma época, encontramos a menudo la presencia de la mencionada figura con idéntica significación. En otro lugar he hablado extensamente de su importancia en la obra maestra de Clarín4, y no menos importante se revela en autores como Jacinto Octavio Picón, cuya obra se recrea en la estética del cuerpo femenino, cargando de significado los semipermitidos extremos. De Galdós suele decirse que lleva la autocensura en este terreno más lejos que la mayoría de sus contemporáneos. Y, sin embargo, tampoco renuncia al erotismo que, dígase lo que se diga, está presente en toda su producción; más presente quizás que en la de muchos que pasan por menos recatados. Lo que ocurre es que, más sutil que ninguno en la técnica de revelar velando, retiene la sinécdoque y la transforma en metonimia. Entre los teóricos de la retórica es tema de actualidad la discusión sobre las diferencias entre estos dos tropos, o metasememas, según la nomenclatura del Grupo n 5 , o anomalías combinatorias, como las nombra Todorov6. Sabido es que algunos lingüistas ilustres -Jakobson entre ellos 7 - no toman en cuenta esta

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Ivàn Almeida: "Un corps devenu récit", in: *C. Reichler ed.: Le corps et ses fictions, p. 7. Émile Zola: Le rêve, ed. Colette Becker. Paris: Garnier-Flammarion 1975. p. 118. Maria-Paz Yâfiez: "Ana Ozores entre la piel de tigre y el crucifijo". iu: W. Matzat ed.: Peripherie und Diaiogizität - Untersuchungen zum realistischen Roman in Spanien, Tübingen: Narr 1995, pp. 135-155. Groupe |ì: Rhétorique générale, Paris: Seuil 1982. Tzvetan Todorov: Littérature et signification. Paris: Larousse 1967. "Le développement d'un discours peut se faire le long de deux lignes sémantiques différentes: un thème (topic) en amène un autre soit par similarité soit par contiguïté. Le mieux

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diferencia, reservando el término metonimia para todos los casos de desplazamiento semántico por contigüidad. En los modernos tratados en lengua alemana, después de Lausberg, el término sinécdoque ha desaparecido. 8 Sin embargo, cabe diferenciar entre un desplazamiento dentro del contenido conceptual y un desplazamiento fuera del contenido conceptual. Aunque en ambos casos se trata de la sustitución de un semema por otro, la distancia de significación entre ambos sememas es mayor en la metonimia que en la sinécdoque. Lausberg concede que "los límites entre metonimia y metáfora son fluidos, pues la metonimia deja el plano del contenido conceptual y no puede distinguirse ya claramente entre desplazamiento y salto"9. Es evidente, pues, que la metonimia supone un grado más profundo de transformación que la sinécdoque, un paso adelante en la creación de imágenes literarias, muy cercano ya a la metáfora, el más complejo de los metasememas. Vamos a ver cómo se produce este paso a lo largo de la obra galdosiana. Es muy cierto que en los textos de Galdós apenas se dejan traslucir los espacios más castos del cuerpo femenino al natural, ni siquiera esos socorridos pies, que, dotados ya de significado erótico por la tradición, cumplen su función s¡necdóquica. Pero a falta del contenido, encontramos una profusión del continente: el calzado, en todas sus variantes, es una de las figuras del mundo más presentes en la obra galdosiana. Tan presente que, como casi todas las constantes en dicha obra, va cargándose de significados de novela en novela, hasta adquirir unos valores complejos, característicos del discurso literario de nuestro autor. Desde el punto de vista del plano del contenido, llega a acumular paulatinamente, por lo menos, hasta tres significados de muy diversa índole. El que encontramos con más frecuencia, es el de signo icónico de una determinada situación social. Con este valor resalta, sobre todo en Marianela, y nótese que esta novela es de la primera época (1878). El humanitario Teodoro Golfín ironiza a propósito de las prácticas caritativas de su cuñada: •Yo me pregunto por qué has empleado el tiempo y el dinero en hacerle un gabán a ese señorito canino, y no se te ha ocurrido comprarle unos zapatos a la Nela.

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serait sans doute de parler de procès métaphorique dans le premier cas et de procès métonymique dans le second, puisqu'ils trouvent leur expression la plus condensée, l'un dans la métaphore, l'autre dans la métonymie." (Roman Jakobson: "Deux aspects du langage et deux types d'aphasies", in: Id.: Essais de Linguistique Générale, Paris: Minuit 1963, p. 61). Cf., p. ej. Alwin Binder et al.: Einführung in Metrik und Rhetorik, Königstein/Taunus: Scriptor 1980; Hermann Schlüter: Grundkurs der Rhetorik, München: DTV 1974. Heinrich Lausberg: Elementos de Retórica Literaria, Madrid: GTedos 1983, p. 116. (Version original: Elemente der Literarischen Rhetorik, München: Max Hueber 1975)

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• ¡Zapatos a la Nela! -exclamó Sofía riendo-, Y yo pregunto: ¿para qué los quiere?... Tardaría dos días en romperlos, (t. IV. p. 720a)'°

El significado más inmediato -dentro de un discurso social burgués, en el que la envoltura (el parecer) define a las clases- surge, como era de esperar, ya en los primeros títulos. Por otra parte, la función emblemática del calzado como distintivo social está ya presente en la tradición popular, desde la cancioncilla infantil según el modelo francés de "avec mes sabots", hasta la despectiva denominación de la clase obrera asumida en España a partir del período de la Restauración: "gentes de alpargata", que también recoge Galdós.11 Pero, poco a poco, a lo largo de toda la producción galdosiana. la configuración del calzado se va enriqueciendo, se va impregnando de significaciones diversas, hasta llegar a convertirse, ya a finales de siglo, en signo de la barrera de lugares comunes levantada por una falsa interpretación del discurso religioso, que impide reconocer en la letra el espíritu del auténtico cristianismo. Este es el caso de Nazarín, publicada en 1895: Y un día. encontrándose [Nazarín] con su calzado lleno de roturas y sin recursos para mandar que se lo remendaran, imaginó que la mejor y más barata compostura de botas era no usarlas. Decidido a ensayar el sistema, se pasó todo el día descalzo, andando por el patio sobre guijarros y humedades, porque llovió abundantemente. Satisfecho quedó; pero considerando que a la descalcez, como a todo, hay que acostumbrarse, hizo propósito de darse la misma lección un día y otro, hasta llegar a la completa invención del calzado permanente, que era uno de sus ideales de vida [...]. (t. V.p. 1751b)12

Entre uno y otro significado, en los casi veinte años que transcurren de Mañanóla a Nazarín, el motivo no ha dejado de estar presente en la obra galdosiana, adquiriendo justamente en la época de su producción más estimada, un nuevo significado hasta entonces inédito: el de emblema erótico, basado en su calidad de continente de esa parte del cuerpo en la que el cauteloso lenguaje de la Restauración ha concentrado el erotismo femenino. Con este valor, la configuración del calzado discurre por toda la producción agrupada bajo el nombre común de "novelas contemporáneas", que algunos críticos han afiliado al naturalismo, y

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Todas las citas de textos galdosianos remiten a Benito Pérez Galdós: Obras Completas, ed. F. C. Sainz de Robles, Madrid: Aguilar 1941. Véase, por ejemplo, este comentario de cierto parásito de las clases elevadas: "-¡El trabajo!... Ya ni siquiera sabemos tener paño pardo. Van desapareciendo las alpargatas [...]" (La familia de León Roch, t. IV, p. 776a). La cursiva es mía.

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que se desarrolla entre 1881 (La desheredada) y 1887 (Fortunata y Jacinta), época a la que, sin duda, pertenece lo mejor de la obra galdosiana. Pero esta nueva semantización del motivo había aparecido ya antes, en la última de las clasificadas como "novelas de la primera época", La familia de León Roch, publicada en 1878, obra que la mayoría de los críticos consideran de transición, por estar ya dotada de muchos de los elementos que van a caracterizar el período siguiente. Su protagonista, María Egipcíaca Sudre, es la primera heroína galdosiana que presenta rasgos de carácter sexual. Hasta aquí, hemos conocido sólo mujeres asexuadas. Incluso Gloria, que cae una vez en los brazos de su galán y tiene un hijo de resultas de su "caída", se nos revela sólo por sus características intelectuales o emocionales; se diría que no tiene cuerpo. María Egipcíaca, en cambio, a pesar de sus extremados alardes de religiosidad, es, por encima de todo, una mujer temperamental: El amor de María Egipcíaca, que era al principio tímido y frío, como corresponde a un Cupido bien educado que acaba de quitarse la venda, fue bien pronto arrebatado y ardoroso. La pasión, que primero había estado detrás de la cortina, presentóse después con su tea incendiaria, su cáliz divino, su dogal de ansias perpetuas que producen una estrangulación deliciosa [...]. (t. IV, p. 784b)

María Egipcíaca ha sido abandonada por su marido a causa de la incompatibilidad de sus respectivos programas de convivencia. Una amiga oficiosa le informa de que León vive cerca de otra mujer, y de que la voz pública atribuye a esta relación algo más que amistad. Loca de celos, nuestra heroína decide abandonar sus ropas de beata y, armada con las más bellas galas, lanzarse a reconquistar al hombre perdido. En un capítulo, significativamente titulado "¿Cortesana?", pasa toda una noche eligiendo el vestuario apropiado para esta campaña, hasta llegar al punto más conflictivo: El calzarse no era obra tan fácil. Probó zapatos, botas... [...] Pero María vacilaba en la elección de forma. ¿Bota o zapato? He aquí un problema que por su gravedad podía equipararse a éste: ¿Gloria o infierno? El coturno fue deshecbado. al fin, después de una acaloradísima discusión interna. Venció el zapato alto, de cuero bronceado, de tacón Luis XV y hebilla de acero: una verdadera joya. Después de mirarlos mucho, María se calzó. Sus pies eran bonitos de cualquier modo, y desnudos, más. Admitido el calzado como una necesidad social que no era ley en tiempo de Venus, María vio con admiración sus pies artificiales, con los cuales Dafne no hubiera podido coner, pero que no por eso eran menos lindos.

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Sentó con arrogancia la planta, examinó todo desde la rodilla, giró un poco el tacón, movió la delgada punta, semejante a un dedal. El pie tenia su expresión como la cara. (t. IV, p. 888b)13

Está claro que aquí la "necesidad social" ya no es la de mostrar el distintivo de clase, sino la de cubrir lo que el discurso moral proscribe. La figura ha adquirido por medio de estas alusiones mitológicas un nuevo significado que ya va a quedar integrado en lo sucesivo. Por otra parte, vale la pena retener para después los términos "coturno", "pies artificiales" y "expresión", a los que volveré más adelante. A partir de esta novela, se suceden situaciones semejantes, en las que el calzado asume una doble significación: la de distintivo social y la de punto de concentración del discurso erótico. Ya en la siguiente, La desheredada, la alusión es una constante que acompaña cada descripción de su protagonista, Isidora Rufete. La encontramos en la primera de ellas, harto parca en informaciones: una muchacha "más que medianamente bonita, no por cierto muy bien vestida ni con gran esmero calzada", (t. IV, p. 976b) Indudablemente, el valor de "signo social" es el que se impone en una novela donde el primer objeto de la protagonista es el reconocimiento de su presunto origen aristocrático. Así, cuando Isidora reflexiona en uno de sus insomnios sobre la posibilidad de desplazarse a Córdoba a buscar a su supuesta ascendiente, el estado ruinoso del calzado figura como principal impedimento: "Temo presentarme a mi abuela con esta facha innoble. Ya mis botas no están decentes." (t. IV. p. 1038a) Y, sin embargo, la ambigüedad apunta ya en el calificativo "decente", válido en esa época tanto para designar una categoría social burguesa -las "personas decentes" por oposición al pueblo llano-, como para servir de honroso título a la mujer que acata las obligaciones impuestas en el terreno de la sexualidad. Y nótese que este término ambiguo aparece calificando a unas botas. Más tarde, cuando por fin se prepara para visitar a la Marquesa, vuelve a recaer la importancia capital de su indumentaria en este requisito, esta vez de forma mucho más explícita, pero manteniendo siempre el ambiguo calificativo "decente": Miróse mucho al espejo y se puso el velo. ¡Bien, bien! Su dignidad, su hermosura, su derecho mismo, resplandecían más en la decencia correcta y limpia de su vestido negro. Miróse luego a los pies. ¡Bien, muy bien! Admirablemente calzada, aunque sin lujo, completaba su personalidad con la decencia de las botas, parte tan principal del humano atavío, que por ella quizá se dividen las clases sociales, (t. IV. p. 1060a)

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La cursiva es mía.

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Sin embargo, son muchas las ocasiones, en que el componente erótico adquiere prioridad. A los pocos días de su estancia en Madrid, Isidora ha gastado parte de su dinero en vestirse y calzarse, para poder salir de paseo con cierto estudiante. Del vestido sólo sabemos el precio. En cambio, notamos la insistencia en el valor estético del calzado: "Aquel día estrenaba unas botas. ¡Qué bonitas eran y qué bien le sentaban!". Y sus pensamientos siguen dando vueltas en torno a las botas y al efecto que causarán al joven con el que va a encontrarse. Culmina el pasaje con un cervantino comentario del narrador: Y se volvió a mirar las botitas. Los documentos de que se ha formado esta historia dicen que eran de becerro mate con caña de paño negro, cruzada de graciosos pespuntes. (t. IV. p. 992 a-b)

Mucho más importancia adquieren en su relación con Joaquín Pez, el que llegará a convertirse en su gran amor. En los comienzos de dicha relación, tanto desde la perspectiva de la dama como desde la del galán, las botas ocupan un primer término: Venía compuesta con galana sencillez, respirando aseo y coquetería: pero todo el aseo del mundo, toda la gracia y sencillez no podían disimular la fea catadura del descolorido traje, ni menos ¡y esto era lo más atroz! la desgraciadísima vejez y mucho uso de las botas, que no sólo estaban usadas y viejas, sino ¡rotas! Lo que Isidora padecía con esto no es decible. Cuidadosamente escondía bajo la falda sus pies, tan pequeños como mal calzados, para que Joaquín no se los viera. Pero él ya se los había visto, sin perder por eso el amor, o llámese como se quiera, que sentía: antes bien, exaltándose más. (t. IV. p. 1047a)

Tenemos aquí la impresión de que por ese resquicio de las botas rotas, la virtud de Isidora comienza a peligrar. Y, en efecto, será Joaquín el hombre con quien perderá su virginidad, en un capítulo titulado "Suicidio de Isidora", primer paso en su carrera de descenso social, que llegará hasta la prostitución. Con su segundo amante, el más repulsivo de todos, que, por cierto se apellida "Botín" 14 , las botas adquieren el valor de representación icónica de su rompimiento y, a la vez, de signo erótico que pone en evidencia los lazos en que se basa esta relación. El grosero millonario, en un ataque de celos, obliga a la joven, que se ha disfrazado de chula - d e "Flamenca Cytherea" como dice irónicamente el narrador-, a devolverle todos sus regalos:

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Podría ser casualidad, pero pocas páginas más adelante del mencionado pasaje Miquis afirma, refiriéndose a él que "uo hay dos Botines en el mundo", (t. IV, p. 1106 a) Dada la ironía, tanto de este personaje como del texto galdosiano, no deja de llamar la atención la coincidencia lingüística.

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Bien pronto la Cytherea se quedó en enaguas. - E s lástima que no se lleve usted también mis botas -dijo Isidora sentándose y apoderándose con verdadera furia de uno de sus pies para descalzarlo. -Llévelas usted para que las use su señora. Y se quitó una bota. - N o , no tanto -dijo Botín-; conserve usted su calzado. Isidora dio algunos pasos cojos con un pie calzado y otro no. y entrando en su alcoba se puso otras botas. Botín tuvo que dar en aquel instante una nueva batalla a su pasión: pero el caso era tan grave, que la dignidad llevó la mejor parte, (t. IV, p. 1103a)

Obsérvese que la batalla contra la pasión no surge al quedar Isidora en enaguas, como sería de esperar, sino al quedar medio descalza. Diríase que toda su carga de atracción sexual está en los pies. Más adelante, podría añadirse que también lleva toda su vergüenza en la suela de sus botas. Así, cuando piensa en el cambio que se producirá en su vida, si gana su pleito, vuelve a surgir la imagen: Entonces sí que podré tener cuanto necesite y cuanto me agrade sin humillarme. Sacudiré la tierra que se haya pegado a las suelas de mis botas, y diré: "Ya no más, ya no más lodo de las calles." El cristal más puro se podrá comparar entonces a mi conciencia. (t. IV, p. 1132a)

La degeneración de Isidora corre pareja con la de su calzado. Cuando sale de la cárcel y se va a vivir con el último de sus amantes, también el último en la escala social, "sus botas [tienen] algunos agujeros" (t. IV. p.l 162a). Al final de la novela, cuando ya ha perdido todas sus esperanzas y se ha decidido por la prostitución callejera, la encontramos "en el estado más deplorable, sentada en un rincón del cuarto, tras un sofá viejo, los pies desnudos [...]". (t. IV, p.l 166a) Los pies desnudos del final remiten tanto a la definitiva caída moral, como a la también definitiva renuncia al reconocimiento social. Ambas trayectorias constituyen el hilo narrativo de la novela y ambas quedan figurativizadas por medio de la isotopía del calzado, que va desarrollando el juego de velado y desvelado del cuerpo, a la vez que proclama los avances y retrocesos sociales de la protagonista. La configuración sigue deslizándose por las novelas siguientes, como un hilo tenue que enlazara los significados en el vasto universo que constituye la obra galdosiana. Encontramos a menudo su huella, marcada apenas por una pincelada aquí y allá: el primer regalo que El amigo Manso (1882) ofrece a Irene, la mujer de quien más tarde se enamorará, son unos zapatos; la amante de su amo despierta en el ingénuo Doctor Centeno (1883) una sóla admiración: "¡Bonito aire el de la Tal, y qué bien calzada!" (t. IV, p. 1408a); la heroína de Tormento (1884) - y con ella el lector- sospecha de la virtud de su hermana Refugio por-

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que exhibe botas nuevas15. Pero es en Lo prohibido (1884-85) donde la figura vuelve a manifestarse de forma llamativa, esta vez ya claramente con su valor erótico. El protagonista, José María Bueno de Guzmán, mantiene relaciones con sus tres primas. De una de ellas -Eloísa- llega a ser amante oficial; con la mayor -María Juana- tiene esporádicos contactos, en los que sólo interviene el sexo; la menor -Camila- es la única que se le resiste y, por consiguiente, la que el voluble héroe creerá amar con más exaltación. Pues bien, la interferencia entre las hermanas se iconiza en el intercambio de calzado. Cuando José María ha terminado su relación con Eloísa -que por cierto le sustituirá por aquel mismo Botín de La desheredada-, sus dos hermanas se prueban todos sus zapatos y Camila aspira incluso a apropiárselos (t. IV, p. 1846a-b). Esta misma, ante los ataques de su primo, se defiende golpeándole con las botas que lleva puestas, que además resultan ser de su marido: La vi palidecer, dar una fuerte patada; la oí tartamudear dos o tres palabras: levantó la pierna derecha, quitóse con rápido movimiento una de aquellas enormes botas, la esgrimió con la mano derecha, y me sentó la suela en la cara, una, dos, tres veces [...]. -Así, así, quiero que lleves estampadas en tu hocico las suelas de mi marido, (t. IV, p. 1863b)

Por fin, en prueba de amor, José María encarga a Camila unas preciosas botas, que nunca llegará a aceptar, una vez que ve claras las intenciones de su primo. Nuestro héroe cae enfermo de resultas de su insatisfacción, y no tiene más consuelo que contemplar el inútil regalo. Así se lo confiesa a su prima María Juana: Sí, esa mujer me tiene loco, me tiene enfermo, y como no la puedo adorar, estoy adorando sus botas hace muchos días, como si fueran su retrato, (t. IV, p. 1871b).

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" - Y a ves lo que sacas del arrimo de esos hambrones... Mírate y mírame. Tú parece que acabas de salir de un hospital: yo voy sin lujo, pero apañadita; tú llevas las botas rotas, y... Mira las que estreno hoy. Alzó un pie para que su hermana examinara las bonitas botas con que estaba calzada. -¿Con qué dinero las has comprado? -dijo Amparo, cogiendo la bota y ladeándola como si no hubiera dentro de ella un pie. Refugio tardó mucho en contestar. - Q u e me haces daño... Vaya -dijo, al fin, volviéndose al tocador. -¿Cuánto te han costado? ¿De dónde has sacado el dinero? Al cabo de un rato, Refugio dio esta respuesta: -Vendí aquella falda de raso..., ¿sabes?... Además, yo tenía unos cuartos, (t. IV, p. 1490b).

María Paz Yáñez

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Y María Juana -celosa de su germana- responde a esta confidencia con cierta travesura: Cuando volví a mi gabinete [...] sentí a María Juana trasteando en rai alcoba, haciendo algo que no pude comprender de pronto. Ello debía de ser alguna humorada, porque la sentí reír. Atento a mis asuntos, no hice caso. De pronto la vi salir, y se despidió de mi conteniendo la risa que jugaba en sus labios. ¿Qué había hecho? También me sonreí y nos dijimos adiós. ¿Qué creéis que hizo? En cuanto fui a mi alcoba me enteré de la travesura. ¡Se había puesto las botas de Camila, mis dulces prendas, y había dejado las suyas en el mismo sitio que ocupaban aquéllas y del propio modo que estaban colocadas, (t. IV, p. 1873 a-b)

Una vez consolidada con esta novela la significación erótica de nuestra metonimia, en la siguiente, Fortunata y Jacinta, la más madura de todas, el motivo se desborda. Lo encontramos por primera vez actuando como reclamo de las niñas casaderas. La madre de Jacinta, que tiene nada menos que siete, conoce muy bien este valor, y toma sus medidas: "dentro de casa la que se me ponga otro calzado que no sea las alpargatitas de cáñamo, ya me tiene hecha una leona" (t. V, p. 32a). Y que este reclamo no es ya social, sino sexual, lo confirma el primer encuentro entre Juanito Santa Cruz y Fortunata: [...] al ver a la chica y observar lo linda que era y lo bien calzada que estaba, diéronle ganas de tomarse confianzas con ella. -¿Vive aquí - l e preguntó- el Sr. de Estupiñá? - ¿Don Pácido?... en lo más último de arriba -contestó la joven, dando algunos pasos hacia fuera. Y Juanito pensó: "Tú sales para que te vea el pie. Buena bota"... (t. V. p. 40b)

Más adelante, llega a imbuir contenido erótico a un espacio de apariencia inofensiva. La casa donde vive Fortunata tiene dos entradas, una por la pollería de su tía, que es la que Juanito utiliza habitualmente. y otra por una zapatería llamada "Al ramo de azucenas". Irónicamente, Juanito y Fortunata tomarán esta segunda salida para huir juntos. El ramo de flores blancas sugiere además el adorno nupcial de esta grotesca boda de Fortunata "por la puerta de atrás". Si Isidora comenzó a perder su virtud por los agujeros de sus botas, Fortunata pierde la suya al traspasar el umbral de una zapatería. El juego metonímico se vuelve cada vez más refinado. En otro momento trascendental de su historia, la joven siente la presión de los zapatos, que en esta situación asumen un nuevo valor semántico: el de coraza social. Para que pueda ser admitida en la familia Rubín, olvidando su pasado, ésta le impone una estancia en el convento de las Micaelas, donde se regeneran las "mujeres malas". Pocos días antes de internarse en dicho convento, la joven

¿Botas o zapatos?

157

pasea por sus alrededores con su novio, "y a Fortunata le empezaba a molestar un pie, a causa de la apretura de la bota. El calzado estrecho es gran suplicio, y la molestia física corta los vuelos de la mente", (t. V, p. 234a) Así, mientras Maxi piensa en el peligro de que su prometida se aficione a la vida monástica y decida quedarse en el convento para siempre, la joven permanece "con un pie calzado y otro descalzo", deseosa por un lado de someterse a una represión que va a permitirle integrarse en la sociedad, temerosa por otro de las consecuencias de la pérdida de su libertad. Y hacia el final de la novela, el calzado llegará a asumir el valor de representación figurativa de la propia Fortunata. Al reconocer unas botas encontrará su pista el ya abandonado marido. Atando cabos sobre el posible paradero de Fortunata, Maxi se sienta en un café junto al tío de su mujer, que ha dejado cierto paquete a su lado. Mirólo el joven con disimulo y vio que era algo como ropa o calzado, cubierto por un pañuelo. Tan mal hecho estaba el atadijo, que al mover la silla se descubrió una bota elegante con caña color de café. Al verla Rubín, sintió como si le cayera una gota de agua fría en el corazón. "Esa bota es de ella... ¡ay, de ella es!... La conozco, como conozco las mías." (t. V, p. 507b)

De nuevo resulta aquí una situación irónica, producto de un juego de intertextualidad. El reconocimiento de la identidad por el calzado no puede dejar de recordarnos a Cenicienta, a quien su príncipe busca y encuentra sirviéndose de un zapato. Pero en esta novela, encontramos a otra figura femenina más ligada aún a la metonimia del calzado: Mauricia la Dura, prostituta profesional, que llega a asumir entre otras la función de diablo tentador en la relación amorosa de Fortunata con Juanito Santa Cruz.16 La conocemos en las Micaelas, protagonizando las principales situaciones de esta parte de la novela, que culminan en una comunión sacrilega. Su espectacular salida del convento, expulsada tras uno de sus escándalos, queda iconizada en sus pies descalzos, signo externo de su liberación, y en sus botas colgando como un fardo inútil:

16

"Funcionalmente su misión [de Mauricia] en la novela es ser la tentadora de Fortunata, traerle a la memoria, cuando no debiera, al señorito Santa Cruz, primero cuando la moza, en el reformatorio de las Micaelas, purga sus culpas pasadas y se prepara al matrimonio; luego cuando, ya en casa de doña Lupe, va a prevenirla de la trampa que se le ha armado; finalmente cuando, poco antes de morir, le infunde la 'idea 1 , esa idea que Fortunata hará tan suya de que el amor y la maternidad todo lo justifican [...]." (José F. Montesinos: Galdós. Madrid: Castalia 1980, t. O, pp. 216-217).

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Con gran dificultad se levantó Mauricia del suelo y recogió su ropa. Al ponerse en pie pareció recobrar parte de su furor. - Q u e se te queda este lío. -Las botas, las botas. La tarasca lo recogió todo. Ya salía sin decir nada, cuando Guillermina la miró severamente. -¡Pero qué mujer ésta! Ni siquiera sabe salir con decencia. Iba descalza, cogidas las botas por los tirantes. -Póngase usted las botas - l e gritó la superiora. - N o me da la gana. Agur... [...] Era cosa de ver aquella mujerona descalza, desgarrada, melenuda, despidiendo de sus ojos fiereza, con un lío bajo el brazo y las botas colgando de una mano. (t. V, p. 269a)

Volvemos a encontrarla la víspera de la boda de Fortunata y Maxi. Mauricia visita inesperadamente a la confiada novia y destruye en un momento la falsa y endeble coraza social que le han fabricado las Micaelas, revelándole el cerco que acaba de tenderle Juanito, en el que irremisiblemente caerá el mismo día de la boda. Lo primero, lo único en que se fija la inminente novia, después de tan larga separación, es en el calzado de su amiga: Observó que Mauricia traía unos zapatos muy bonitos de cuero amarillo, atados con cordones azules terminados en madroños, (t. V, p. 273a)

Llama la atención la insistencia en los colores amarillo y azul, a la vez opuestos y complementarios, si consideramos sus respectivos valores primarios de luz y oscuridad. Mauricia, figura complementaria de Fortunata, ángel y demonio, visionaria y sacrilega, encarna muy bien esta dualidad. En este pasaje, sus zapatos crean un ambiente inquietante de luz y sombra, que llega a obsesionar a su interlocutora: Poco después Fortunata veía sólo el bulto de su amiga y los zapatos amarillos. Empezaba a cogerle miedo; pero no deseaba que se marchase, sino que hablara más y más del temeroso asunto, (t. V, p. 275a)

Como ocurrirá con Fortunata, a partir de este momento, el calzado de Mauricia se convierte en su representación figurativa. Después de muerta, su amiga sólo va a percibir esta seña de identidad: Por un resquicio de la puerta que comunicaba la sala primera con la cámara mortuoria, vio Fortunata los pies de la Dura en el ataúd, y no tuvo ánimo para acercarse a ver más. (t. V, p. 410a)

¿Botas o zapatos?

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Y, un poco más adelante, "mudó de sitio por no ver los pies de Mauricia, calzados con bonitas botas de caña clara: pies preciosísimos que no darían ya un solo paso." (t. V, p. 410b) Y aún los verá en sus alucinaciones: [...] le causaba pavor la visión figurada de los pies de Mauricia... En la oscuridad, que surcaban rayas luminosas, veía las botas elegantes y pequeñas de la difunta... (t. V, p. 416b)

En este caso, la isotopía ha desempeñado una función complementaria: la de señalar el paralelismo entre las dos mujeres, elemento de significación de capital importancia en la obra.17 *

*

*

Hemos visto hasta aquí la riqueza semántica que el calzado va adquiriendo a través de la obra galdosiana, por lo general a partir de su función metonimica con respecto al pie. Pero no hay que olvidar que los pies son también un señalado medio de comunicación, que en el siglo XIX tenía su principal función precisamente en el dominio de las relaciones eróticas. Raro es el texto de la época donde no encontramos algún intencionado pisotón por debajo de una mesa, movimiento semiotico que, al producirse entre dos personas de diferente sexo, equivale a una declaración amorosa. Un pasaje harto significativo encontramos en la novela de un autor catalán muy admirado por Galdós -Narcís Oller- titulada La febre d'or, que data de 1890. Cierta joven enamorada recuerda así los avances de su galán durante las inofensivas comidas familiares: Aquell peu no parava. Jo apartava el meu, l'allungava. el recollia sota las faldilles... El seu, com si tingués ulls, venia de dret a trobar-lo. Per fi, eren ja com dos colomets que es parrupaven amorosament, que s'arraulien l'un damunt de l'altre per comunicar-se l'escalfor. [...] ¡I quin llenguatge més senzill i eloqüent, el d'aquells peuets! Mai no ens vam dar la clau, i com ens compreníem! Un copet ràpid, de punta: "Escolta el que vaig a dir". I allò que deia Uavors l'Eladi tenia per a mi un significat molt més interessant i directe que per ais altres. Una apretada viva sobre el dit gros era un si apassionat, que corresponia al meu cor amb un raig de bálsam. Dos copets seguits, y també vius, eren un no de protesta. Dos de bellugosos, indecisos, portaven l'accent despreciatiu, i jo entenia que volien dir: "Eh! no, no en facis cas" Quan la planta del seu peu feia presa del meu: "A! que t'estimo!" [...] Si em pegava amb el dit gros sota la punta del peu, volia dir: "Calla! deixa'm estar, que no t'estimo". Dis-

17

Está por hacer un estudio completo de la relación Fortunata / Mauricia, aunque la existencia de ésta ya ha sido insinuada por Julio Rodríguez Puértolas ("Fortunata y Jacinta - entre la libertad y el 'orden'", in: Id. ed.: Galdós en el centenario de Fortunata y Jacinta, Palma de Mallorca: Prensa Universitaria 1989, pp. 85-102).

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Maria Paz Yáñez

simulant tant com podía, li manifestara amb una ullada ma sorpresa, abaixava tol seguit els ulls demanant pietat, y curts moments després, els peus s'ajaien l'un damunt de l'altre, reconciliats, mes amics que mai.18

La crítica galdosista ha insistido demasiado en la cautela con que don Benito trataba los temas eróticos y no falta quien le acuse de "poco anacoreta en la vida pero pudibundo en la literatura"19. No poco ha contribuido a ello la tendencia a dejarse guiar más por los escritos teóricos que por los textos literarios, error que ha dado lugar a la pervivencia de tantos lugares comunes en la historia de las letras. Uno de los documentos más mencionados a este respecto es cierta carta en la que Galdós expresaba a Clarín sus juicios sobre La Regenta, señalando como únicos defectos de la novela: "I o , la preocupación de la lujuria; 2o, las dimensiones." Justificaba así el autor canario sus objeciones respecto al primer punto: Bien se me alcanza que toda la vida humana, como la tierra sobre sus polos, gira sobre el pivote del acto de la reproducción de la especie; pero así como en la vida no aparece éste sino en ciertas y determinadas ocasiones, porque la cultura lo disimula y como que quiere aparentar otra cosa, el libro debe a mi juicio ofrecer una veladura semejante. Y crea Vd. que es mucho más efecto en el arte disimular el papel principalísimo que la fornicación hace en el mundo, que patentizarlo con tanta sinceridad.20

Y, en este caso, el problema se agranda, porque no solamente se han tomado las declaraciones a la letra, sino que se han leído mal. No hay más que fijarse en el ambiguo valor de las expresiones "disimular", "aparentar" y "veladura", así como en la insistencia en resaltar los condicionamientos propios de la obra de arte, tendentes a producir "efecto", para darse cuenta de que Galdós no está censurando una falta a las convenciones morales, sino un problema de consecuencias estéticas. Si el arte del momento -mal llamado por eso realista- pretendía construir un universo basado en el referente que ofrecía el entorno, debía seguir procedimientos similares a los que empleaba el discurso social implantado, para expresar los mecanismos de dicho entorno. Esta pudiera ser una primera lectura del párrafo en cuestión. Pero aún puede leerse a más profundidad. Tratándose de un producto artístico, y Galdós insiste en esta condición, se revela doblemente

18

20

Narcís Oller: Lafebre d'or, Barcelona: Edicions 62 i "La Caixa" 1980.1.1, p. 100 sq. Jean-François Botrel: "Alquimia y saturación del erotismo en La Regenta", in: M. DíazDiocaretz, I. M. Zavala edd.: Discurso erótico y discurso transgresor en la cultura peninsular - Siglos XI aIXV, Madrid: Ediciones Tuero 1992, p. 109. Carta fechada el 6 de abril de 1885, incluida como apéndice en María José Tintoré: La Regenta de Claríny la crítica de su tiempo, Barcelona: Lumen 1987, p. 311.

¿Botas o

zapatos?

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obligado construir universos en los que el disimulo, la apariencia y las veladuras expresen por sí solas su condición de materiales ficcionales. A partir de este principio, nuestro autor construye, como hemos visto, "pies artificiales" en La familia de León Roch y construirá muchos años después el polo opuesto de la imagen: el "calzado permanente" de Nazarín. Pero además, una vez convertido el motivo en signo de expresión, Galdós va más lejos aun que Narcís Oller y hace hablar, ya no al pie, sino al calzado, al continente, incluso despojado de su contenido. Ya he mencionado las botas que el protagonista de Lo prohibido encarga para su prima y que constituyen su única compañía durante su enfermedad. Pues bien, estas botas llegan a mantener diálogos con nuestro héroe: Una falta les encontraba, y era que no teniendo huellas de uso, carecían de la impresión de la persona. Pero hablaban bastante aquellos mudos objetos, y me decían mil cositas elocuentes y cariñosas. Yo no les quitaba los ojos, y de noche, durante aquellos fatigosos insomnios, ¡qué gusto me daba mirarlas, una junto a otra, haciendo graciosa pareja con sus puntas vueltas hacia mí como si fueran a dar pasos hacia donde yo estaba! (t. IV, p. 1869b)

Los significados rebasan así el nivel del enunciado para instalarse en el nivel de la enunciación. El calzado en su función de metonimia del pie ha llegado a semantizarse hasta tal punto, que incluso puede prescindir de su contenido para, tomando su valor de medio de expresión, actuar como transmisor de una comunicación. Que la figura era adecuada como elemento poetológico lo prueba el hecho de encontrarse documentada desde la antigüedad actuando como emblema de un determinado género literario -la tragedia-, y, por asociación, de un determinado nivel de lenguaje. Según Horacio, "Esquilo [...] enseñó a hablar en tono elevado y a subirse en el coturno"21. De ahí queda la denominación "alto coturno" para el teatro de ambientes selectos, así como para el lenguaje sublime. Y en ello siguen insistiendo todos los teóricos del Siglo de Oro, desde el Pinciano hasta Lope de Vega, que llama a la comedia "planipedia del argumento humilde, pues la hacía sin coturno [...] el recitante"22. Que Galdós tiene en cuenta este valor, lo demuestra otra vez la cita de La familia de León Roch, en la que junto a los "pies artificiales" de María Egipcíaca aparece mencionado el "coturno", como una

21

Horacio: Epístola a los Pisones, verso 280.

22

Lope de Vega: Arte nuevo de hacer comedias, w . 113-115. Cfr. también, entre otros, Alonso López Pinciano: Philosophia Antigua Poética, ID y Miguel de Cervantes: El rufián dichoso. Jornada n .

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María Paz Yáñez

señal que resalta más la importancia del objeto, ya que, evidentemente, no puede referirse a ningún tipo concreto de calzado de los usados en la época en que discurre la novela. Ambos términos -"coturno" y "pies artificiales"- quedan, además, reforzados por un tercero -"expresión"- que los engloba y afirma. Galdós construye toda su obra a base de ciertas isotopías que van enriqueciendo sus significados en cada nueva novela. Pero esta del calzado me parece particularmente interesante por la riqueza de expresión que llega a adquirir a lo largo de toda la obra y por su función de principal instrumento en esa técnica de velar desvelando tan característica de la poética galdosiana, una poética que, lejos de llamar a las cosas por su nombre, como propagaron durante casi un siglo lecturas más que superficiales, crea su propio lenguaje, dotándolo de expresividad. Es indudable que nos hallamos ante un maestro en el arte de crear isotopías que van semantizándose de novela en novela, hasta adquirir un significado propio. Y esto destruye la falsa imagen de un "don Benito garbancero", atento a reproducir con fidelidad el habla ccmún. Muy a! contrario, el lenguaje galdosiano, dotado de plena significación literaria, es todo él una creación artística.

Angelica Rieger

Die "spanische Venus" in Bild und Text: La Maja desnuda von Vicente Blasco Ibänez

Abb. 1. Goya: Bekleidete Maja1

Goyas Majas (siehe Abb. 1 und 2) gehören - neben Carmen - ohne jeden Zweifel zu den verbreitetsten Bildern der spanischen Frau überhaupt. Modellcharakter für die Schönheit der Spanierin im allgemeinen und der Kurtisane im besonderen besitzt ihr Körper bereits ab dem 19. Jahrhundert in der französischen Kunst und Kunstliteratur; paradoxerweise erobert dieses genuin iberische Körperbild des späten 18. Jahrhunderts die französischen Salons des 19. auch noch als Inbegriff der "femme moderne".2

1

2

Ca. 1798-1805). 95 x 190 cm, Madrid, Museo del Prado, in: Pierre Gassier et al.: Goya Leben und Werk, Köln : Taschen 1994, p. 153. Cf. Manja Wilkens: "Goyas Majas und die 'femme moderne' - Zur Rezeptionsgeschichte von Goyas 'nackter' und 'bekleideter Maja' in der französischen Kunstliteratur des 19. Jahrhunderts", Mitteilungen der Carl Jtisti-Vereinigung e.V. zur Förderung der kunstwissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Spanien und Portugal 4 (1992), 24-54; sowie darüber

Angelica Rieger

164

Aber erst nachdem Goyas zwischen 1797 und 1798 gemalte Maja desnuda als Teil der ersten großen Goya-Retrospektive 1900 und durch ihren Übergang in den Prado 1901 einer größeren Öffentlichkeit zugänglich wird, 3 kehrt sie gewissermaßen triumphierend auf die iberische Halbinsel zurück, stilisiert Vicente Blasco Ibáñez die über Hundertjährige in seinem gleichnamigen, 1906 erschienenen Roman 4 erneut zum Inbegriff der "Venus española" schlechthin. (I, 1, p. 1523) Mit dessen Protagonistin setzt Blasco Ibáñez die erstaunlich konstante Tradition dieses erotischen Frauenbilds in Malerei und Literatur nahezu bruchlos fort: Der Anblick von Goyas Maja desnuda im Prado löst in seinem 'literarischen Kollegen', Mariano Renovales, eine tiefe Sinnkrise aus, die ihn zwingt, über sein eigenes Leben und Arbeiten zu reflektieren ("El recuerdo de la novelesca vida de Goya le hacía pensar en su propia vida", I, 1, p. 1525). Die Prüderie und Eifersucht seiner Frau Josefina, in jungen Jahren Muse, Modell und getreues Abbild der Maja desnuda, hindern den Künstler an der Verwirklichung seines auf der Darstellung nackter Weiblichkeit basierenden Kunstideals, das er selbst so formuliert: Al contemplar sobre revuelta cama una divina desnudez, trasladaba al lienzo sus formas, por impulso irresistible, por imperiosa necesidad de reproducir la belleza, [...]. Pintar sin miedo y sin preocupaciones, extasiarse reproduciendo sobre el lienzo la jugosa desnudez, el húmedo ámbar de la carne femenil con sus pálidos rosa de caracola marina, era el deseo y la envidia de Renovales. (1,1, p. 1525)

Schließlich scheitert er am Versuch, es Goya gleichzutun und aus dem imaginären Bild Josefinas nach deren Tod - mit Hilfe eines zweitklassigen Nacktmodells - endlich eine neue "spanische Venus" zu schaffen. Beide, die nackte und die imaginäre Maja, zwingen ihn dabei beständig, (nackte) Weiblichkeit mit literarischen Mitteln zu beschreiben. Die Analyse seines Versuchs, den alten und den neuen Mythos der "Venus española" gleichsam mit den Mitteln der Malerei, im subtilen Umgang mit Licht und Schatten, wiehinaus ead.: "... er vergaß sich bisweilen soweit, mich 'die Spanierin', 'die Fremde', zu nennen! " Das Bild der Frau im Frankreich des Zweiten Kaiserreichs - Eine klischeegeschichtliche Untersuchung, Frankfurt a. M.: Vervuert 1994. Erst im 20. Jahrhundert deutet sich eine Umdeutung der Maja in der französischsprachigen Literatur an, so zum Beispiel bei René Schwöb: "Goya", in: Id.: Profondeurs de l'Espagne, Paris: Bernard Grasset 1928, pp. 110-122: "Le nu de la Maya atteint à la poésie la plus pure par la sublimation qui s'en est accomplie, et le dépouillement d'une arabesque fermée sur soi." (p. 118) 3

Wilkens: "Goyas Majas", p. 39.

4

Zitierte Ausgabe: Vicente Blasco Ibáñez: La Maja desnuda, in: Id.: Obras completas I (1946), Madrid: Aguilar s 1976, pp. 1517-1658 (alle kursiven Hervorhebungen aus der Textausgabe).

Die "spanische Venus " in Bild und Text

165

derzugeben, verspricht nicht nur Aufschluß über das Verhältnis von Bild und Text, von Maler und Schriftsteller, sondern auch Einblicke in die Entwicklung eines der suggestivsten iberischen Körperbilder und in den keineswegs unbefangenen Umgang mit weiblicher Körperlichkeit bei Vicente Blasco Ibänez. La Maja desmida

steht - nach Blasco Ibänez' eigener Aussage 5 - am Anfang

einer neuen Schaffensperiode und im Mittelpunkt des ersten von insgesamt fünf Liebesromanen, die von der Forschung, wenn auch nicht unangefochten, 6 gern als "psychologische Romane" von den "frühen Valencianischen Romanen" und "spanischen Sozialromanen" abgegrenzt werden: 7 La Maja desnuda signals a dramatic and purposeful shift in direction from the polemical, sociopolitically orientated works of his 'thesis' period, to a new focus on human motivation and the development of personality.8 Mit dieser künstlerischen Neuorientierung geht eine biographische einher: die Biographen sind sich einig, daß die Übersiedlung nach Madrid, der Kontakt mit der Madrider Boheme, 9 die Freundschaft mit dem Maler Sorolla, 10 eine Ehekrise, die Bekanntschaft mit Elena Ortüzar und der zeitweilige Rückzug aus der Politik für Blasco Ibänez einen neuen Lebensabschnitt markieren."

5

Siehe José Luis León Roca: Vicente Blasco 1bañez, Valencia: Prometeo 1967, pp. 327-337; "La Maja desnuda", p. 332; Concepción Iglesias: Blasco Ibáñez - Un novelista para el mundo, Madrid: Silex 1985 (Retratos de antaño. La biografía histórica), p. 101. 6 Jeremy T. Medina: The "psychological" Novéis of Vicente Blasco Ibáñez, Valencia: Albatros 1990. pp. 13-31: "¿a Maja desnuda", setzt den Begriff nicht nur im Titel in Anführungszeichen, sondern spricht in der Einleitung von "five creations generally (and inappropriately) referred to as 'psychological novéis'." (p. 9) 7 Nach Medina: The "psychological" novéis, p. 9, sind dies: La Maja desnuda (1906), La voluntad de vivir (1907), Sangre y arena (1908), Los muertos mandan (1909) und Luna Benamor (1909). 8 Medina: The "psychological" novéis, p. 14. 9 Siehe Enrique Conde Gargollo: "Blasco Ibáñez y el Madrid novecentista". Insula 361 (1976), 11-15. 10 Siehe E. Michael Gerli: "Blasco Ibáñez's Flor de Mayo, Sorolla, and Impressionism". Iberoromania 1 (1974), 121-129. " Neben Roca: Vicente Blasco Ibáñez, siehe Id.: Vicente Blasco Ibáñez - Exposición Vicente Blasco Ibáñez - La aventura del triunfo 1867-1928 - Junio / septiembre 1986, Valencia: Diputación Provincial de Valencia 1986 (Ausstellungskatalog); Mauricio Xandró: Blasco Ibáñez, Madrid: EPESA 1971 (Grandes escritores contemporáneos 39); A. Grove Day, Edgar C. Knowlton: Vicente Blasco Ibáñez, New York: Twayne 1972 (Twayne's World Authors Series 235) sowie besonders Pilar Tortosa: Tres mujeres en la vida y la obra de Vicente Blasco Ibáñez, Valencia: Prometeo 1972 und ead.: La mejor novela de V. Blasco Ibáñez - su vida, Valencia: Prometeo 1977.

166

Angelica

Rieger

Insgesamt gilt diese Schaffensperiode, der eine längere Veröffentlichungspause folgen sollte, als weniger interessant und bedeutend als die vorangehenden;12 dementsprechend dürftig ist - mit Ausnahme der erst nach Redaktionsschluß erschienenen Studie von Anne-Marie Reboul - auch der Forschungsstand:13 wo La Maja desmida in der kritischen Literatur überhaupt erscheint, finden sich - neben zeitgenössischen Rezensionen14 - selten mehr als essayistische oder biographistische Ansätze, die sich - bis auf Jeremy T. Medinas Teilstudie im Rahmen der Analyse der sogenannten "psychologischen Romane"15 entweder auf die Aufzeigung von möglichst vielen Parallelen zwischen Biographie und Romangeschehen16 oder auf dessen möglichst präzise Nacherzählung beschränken.17

13

Medina: The "psychological"

13

Anne-Marie Reboul: "Deux peintres et un modèle inspiré de Goya - L 'Œuvre de Zola et La Maja desnuda de Blasco Ibáflez", in: S. Saillard, A. Stelo edd. Zola y España - Adas del coloquio internacional - Lyon, septiembre ¡996, Barcelona: Universität de Barcelona 1998. pp. 205-212. Eine Zusammenfassung und die wichtigsten bibliographischen Angaben zu früheren Publikationen finden sich bei Medina: The "psychological" novéis, p. 10 sq., n. 1. Weitere Literatur verzeichnet Paul Smith: Vicente Blasco ¡bañe: - An annotated Bibliography, Valencia - London: Grant & Cutler 1976 (Research Bibliographies and Checklists 15). Leider geht auch Sabine Horl: "Der Schlaf der Vernunft - Zur Rolle Goyas in der spanischen Literatur des 20. Jahrhunderts", in: D. Kremer ed.: Aspekte der Hispania im 19. und 20. Jahrhundert - Akten des Deutschen Hispanistentages 1983, Hamburg: Buske 1983, pp. 33-48 (Romanistik in Geschichte und Gegenwart 15). nicht auf Blasco Ibáñez' Maja-Roman ein.

14

Die mir bekannten stammen zur Hälfte aus Blasco Ibáñez' eigener Zeitung, El Pueblo, und gehören eher der Kategorie der Eigenwerbung an: V. Ballester Soto: "Impresiones literarias: La Maja desnuda", El Pueblo - Diario Republicano de Valencia 5111 (18.5.1906), 1; Antonio Zozaya: "Crónica - La Maja desnuda". El Pueblo 5144 (20.6.1906), 1; und Luis Marote: "El libro del día", El Pueblo 5147 (23.6.1906), 1. Desweiteren: José Francés: "La Maja desnuda, por Vicente Blasco Ibáñez", La Lectura 2 (1906), 195-199; E. Gómez de Baquero: "La Maja desnuda, novela por Vicente Blasco Ibáñez", La España Moderna 18,3 ( 1906), 175-182; und J. A. Meliá: "Bibliografía - La Maja desnuda", Revista socialista 86 (1906), 447-448 (diese letzte Rezension konnte bis jetzt nicht eingesehen werden).

novéis, p. 9.

15

Medina: The "psychological"

16

Besonders Pilar Tortosa: Tres mujeres, pp. 165-261: "Elena - La pasión (1906)", und, in Kurzfassung, ead.: La mejor novela, pp. 310-315 sowie Concepción Iglesias: "El amor y la mujer en la vida y en la obra de Vicente Blasco Ibáñez", in: Ead.: Blasco Ibáñez, pp. 89109, pp. 101-103.

17

Besonders François Vézinet: "La Maja desnuda (La femme nue)", in: Id.: Les Maîtres du roman espagnol contemporain, Paris: Hachette 1907, pp. 256-279, pp. 256-264.

novéis, pp. 13-31.

Die "spanische

Venus " in Bild und Text

167

Einziger weiterer Diskussionspunkt sind die literarischen Einflüsse französischsprachiger Vorbilder, die B l a s c o Ibänez in La Maja

desnuda

verarbeitet

haben könnte. S i e reichen v o n vorsichtigen V e r w e i s e n auf Zolas L 'Œuvre18 z u m kategorischen Plagiatsvorwurf Roger Edels, La Maja

desnuda

bis

sei nichts

anderes als ein, allerdings recht kunstvoll und geschickt konstruiertes Plagiat aus d e m Goncourtschen Künstlerroman Manette R o m a n Brnges-La-Morte

Salomon

und d e m symbolistischen

des Belgiers Georges Rodenbach. 1 9

Interessanterweise fehlt bei diesen Überlegungen j e d o c h gerade der V e r w e i s auf das e i n z i g e Werk, zu d e m sich konkrete intertextuelle B e z ü g e , die zu vertiefen hier j e d o c h nicht der Ort ist, n a c h w e i s e n lassen: H o n o r é de Balzacs Le d'œuvre

inconnu

(1831/37).

20

Chef-

Balzac ( 1 7 9 9 - 1 8 5 0 ) hatte damit den Malerroman

18

Medina: The "psychological" novéis, p. 15; auch Annedörte Greiner: Vicente Blasco Ibáñez - Der spanische Zola?, Jena: G. Neuenhahn 1932, stellte bereits fest: "Nicht schwer fiele es zunächst, noch durch die Frage der vermeintlichen Zola-Abhängigkeit angeregt, eine Parallele zwischen dem Malerroman La Maja desnuda und Zolas L'Œuvre zu vermuten, da in beiden Romanen das Kunst- und Liebeserleben eines Malers in ja notwendig ähnlicher Problemstellung behandelt wird"; sie will aber "mit der Motivähnlichkeit nun aber nicht sofort auch eine Wesensähnlichkeit beider Werke" annehmen, (p. 69 sq.)

10

Roger Edel: Vicente Blasco Ibáñez in seinem Verhältnis zu einigen neueren französischen Romanschriftstellern (Emile Zola, Gustave Flaubert, J.-K. Hitysmans, J. & E. de Goncourt, Georges Rodenbach), Münster: Thiele 1935, pp. 105-118: "J. & E. de Goncourts Manette Salomon und Georges Rodenbachs Bruges-la-Morte als Vorbilder fiir La Maja Desnuda", p. 121.

20

Als Beispiel müssen hier die Reaktionen der Freunde der beiden Maler auf die unvollendeten Meisterwerke Renovales', bzw. Frenhofers in Le Chef-d'œuvre inconnu (zitierte Ausgabe: Honoré de Balzac, Le Chef-d'œuvre inconnu et autres nouvelles, Paris: Gallimard 1994; siehe auch: La Comédie Humaine - Études philosophiques X, edd. P.-G. Castex et al., Paris: Gallimard 1976, pp. 413-438 und pp. 1401-1428) genügen: El amigo [Cotoner] miró. Frente a la luz había un lienzo en un caballete; un lienzo gris en su mayor parte, sin otro color que el del preparado, y, sobre éste, rayas confusas y entrelazadas delatando cierta indecisión ante los diversos contomos de un mismo cuerpo. A un lado, una mancha de colores, que era lo que el maestro señalaba con su mano: una cabeza de mujer, que se destacaba vigorosa sobre el crudo fondo de la tela. [...] - M e ha costado mucho. Ninguna obra me hizo sufrir tanto, ( m , 3, p. 1640) In seinem malerisch verunglückten Frauenakt hatte sich Balzacs Frenhofer lediglich statt des Kopfes auf die Darstellung eines Frauenfußes kapriziert: - L e vieux Lansquenet se joue de nous, dit Poussin en revenant devant le prétendu tableau. Je ne vois là que des couleurs confusément amassées et contenues par une multitude de lignes bizarres qui forment une muraille de peinture [...] En s'approchant, ils aperçurent dans un coin de la toile le bout d'un pied nu qui sortait

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als das Genre mitbegründet und wesentlich mitbestimmt, dem La Maja desnuda zuzuordnen ist.21 Wenn man also überhaupt von 'Einflüssen' sprechen kann, sind sie sicher eher auf der Gattungs- als auf der Inhaltsebene zu suchen: Die Wahl der in Spanien wenig praktizierten, aber im Europa des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus weit verbreiteten Romanform, 22 in deren Mittelpunkt eine Malergestalt und deren schöpferische Probleme stehen, bot, neben der bereits angedeuteten MajaRezeption im Kurtisanenroman, 23 Blasco Ibänez einerseits Gelegenheit zur Darstellung des geradezu obsessiv körperorientierten Kunstverständnisses des Malers Mariano Renovales. Da aber anderereits, wie ich in anderem Zusammenhang zu zeigen versuche, 24 die Protagonisten des Malerromans in der Regel Identifikationsfiguren des Autors sind, reflektiert der fiktive Maler immer auch die künstlerischen Anliegen des Schriftstellers, der ihn erschuf. In dieser Perspektive ist auch die absolute Fixierung des Malers Renovales auf die Darstellung des menschlichen Körpers zu sehen: Auch Blasco Ibänez' literarische Figuren zeichnen sich, wie die folgenden Textbeispiele belegen werden, durch ihre ausgesprochene Körperlichkeit aus.

de ce chaos de couleurs, de tons, de nuances indécises, espèce de brouillard sans forme [...].

21

22

-Quelques-unes de ces ombres m'ont coûté bien des travaux. [...] Et du bout de sa brosse, il désignait aux deux peintres un pâté de couleur claire, (p. 66 sq.) Siehe Claudia Laurich: Der französische Malerroman, Salzburg: Institut für Romanistik der Universität Salzburg 1983 (Salzburger Romanistische Schriften 8), pp. 24-37. Einen groben Überblick über das umfangreiche Korpus bieten: für Frankreich Theodore Robert Bowie: The Painter in French Fiction - A Crilical Essay, Chapel Hill: University of North Carolina 1950 (University of North Carolina Studies in the Romance Languages and Literatures 15), und für Deutschland Werner Hofmann: "Der Künstler als Kunstwerk", in: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung - Jahrbuch ¡982, Heidelberg: Lambert Schneider 1982, pp. 50-65. Siehe neben Wilkens: "Goyas Majas" und ead.: Das Bild der spanischen Frau im Frankreich des zweiten Kaiserreiches auch Beate Schmolke-Hasselmann: "Manon-MargueriteNana oder: Was liest die literarische Kurtisane? Zur Gattungs- und Rezeptionsgeschichte des Kurtisanenromans", Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte / Cahiers d'Histoire des Littératures Romanes 8 (1984), 533-546, sowie zu dessen Rezeption in Spanien d. Verf.: "Nana en Espagne - La courtisane chez Zola et Pérez Galdös", in: W. Engler, R. Schober edd.: 100 Jahre Rougon-Macquart im Wandet der Rezeptionsgeschichte, Tübingen: Narr 1995, pp. 137-158.

24

Alter Ego - Der Maler als Schatten des Schriftstellers in der französischen Erzählliteratur von der Romantik bis zum Fin de siècle (Habilitationsschrift Frankfurt a. M. 1998), Köln Wien: Böhlau 1999.

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Die partielle Identifikation von Autor und Hauptfigur 25 wird darüber hinaus auch durch die gemeinsame Verachtung etablierter gesellschaftlicher Normen 26 und die sie verbindende realistische Kunstauffassung gestützt, nach der nur gelebtes Leben, erlebte Wirklichkeit, zum Kunstwerk geformt werden kann.27 Beide wollen Erneuerer einer Kunst sein - der Name des Malers Renovales (von renovar) legt beredtes Zeugnis davon ab - , deren Vorgaben sie nur in ihren herausragendsten Vertretern respektieren. Renovales sähe sich selbst gern als Fortfuhrer der Goya-Tradition und die unübersehbare Referenz an Goya im Titel erhebt die Maja desmida in den Rang der - in Bild und Text - zu überbietenden künstlerischen Herausforderung. Das legt nahe, daß auch Übereinstimmungen in der Formulierung beider Frauenideale zu erwarten sind, daß das von Goya vorgegebene und in La Maja desmtda von Renovales leitmotivisch beschworene Körpermodell - mit seinen Variationen - auch Blasco Ibänez' eigenem Schönheitsideal entspricht.

25

26

27

Siehe Medina: The "psvchological" novéis. p. 16 sq. und n. 8: "Renovales may well be an autobiographical reflection of Blasco's own view of seif." (p. 16) Z. B. in der Beschreibung der Reaktionen von Museumsbesucherinnen vor Goyas Maja desnuda: [...] pasaban también algunos grupos de señoras españolas. Todas hacían lo mismo ante la obra de Goya, como si estuvieran aleccionadas previamente. [...] Sus inquietos ojos sentíanse heridos en el rabillo por la lejana desnudez; [...] pasando frente al cuadro sin volver la cara, sin querer ver los lienzos inmediatos, no deteniéndose hasta la vecina sala de Murillo. Era el odio al desnudo, la cristiana y secular abominación de la Naturaleza y la verdad [...]. (I. l.p. 1524) Renovales verurteilt diese Prüderie scharf- "La hermosura se había eclipsado para siempre tras los velos de la hipocresía y el falso pudor" (I, 4, p. 1562) - und setzt ihr das konsequente Anderssein des Künstlers entgegen: "Los artistas formaban una familia aparte: la moral y los prejuicios vulgares eran para los otros. Ellos vivían acogidos al fuero de la belleza, teniendo por natural lo que las gentes miraban como pecado..." (1,3, p. 1544) Schon als angehender Maler scheitert Renovales am Verfahren seines Meisters, als Madonnenmodell einen ehemaligen Zivilgardisten einzusetzen: "No puedo, maestro. Soy un imbécil: no sé inventar. Sólo pinto lo que veo." (I, 2, p. 1531) Dieselbe Erklärung gibt er auch Josefina, als sie den Verzicht auf Nacktmodelle von ihm fordert: "Estaba pintando una bacanal y le era imposible pasar adelante sin modelo. Era una necesidad; la carne no podía hacerse de memoria.'" (I, 3, p. 1542) In einem Augenblick der Verzweiflung wird dieser Realismus sogar zum Todesurteil für die Kunst: "La pintura, lo mismo que todas las artes, era una mentira bonita." (IQ, l,p. 1617)

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Wie dieses Schönheitsideal aussieht, zeigen die folgenden Körperstudien exemplarisch an Josefina - unter Hinzuziehung von Renovales' Mutter, seiner Tochter Milita, seiner Geliebten Concha und seiner Malermodelle - als a) ästhetische Verwirklichung eines spanischen Frauentyps, Goyas Maja desmida, in kunstvoller Doppelung mit ihrer Rivalin Concha b) Fallstudie des Realismus/Naturalismus in der minutiösen Beschreibung ihres körperlichen Verfalls c) ästhetische Verwirklichung eines eigenen, konservativen Frauentyps, der neueren Körperbildern des 20. Jahrhunderts als Ideal entgegengestellt wird.28 (a) In der "sala de Goya" des Prado zieht vor allem "una figura desnuda que parecía dejar en la sombra los lienzos cercanos con el esplendor luminoso de sus carnes" (I, 1, p. 1523) Renovales' Aufmerksamkeit auf sich. Es ist die Maja desnuda, deren gleich zweifache Bildbeschreibung die Norm für alle weiteren Körperbilder im Roman setzt: El pintor contempló con delectación aquel cuerpo desnudo, graciosamente frágil, luminoso, como si en su interior ardiese la llama de la vida, transparentada por las carnes de nácar. Los pechos firmes, audazmente abiertos en ángulo, puntiagudos

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Einschränkend sei vorausgeschickt, daß die Auseinandersetzimg mit dem Thema Geschlecht und Körper, wie sie bei Redaktionsschluß im Januar 1996 in der (post)feministischen Literaturwissenschaft geführt wurde (siehe: *M.-L. Angerer ed.: The Body of Gender, Tagungsbericht: Siegfried Kaltenecker, Georg Tillner: "Drei Tage Körpererlebnis. Symposion The Body of Gender, Wien", Postfeminismus - Frauen in der Literaturwissenschaft 43 (1994), pp. 36-37; sowie z. B. *J. P. Butler: Gender Trouble-, *S. Weigel: Topographie der Geschlechter und S. R. Suleiman ed.: The Female Body in Western Culture, darin besonders: ead.: "(Re)Writing the Body: the Politics and Poetics of Female Eroticism", pp. 7-29), der Hispanistik bislang - trotz der Ansätze bei *L. ChamonDeutsch: Gender and Representation oder *P. J. Smith: The Body Hispanic, die sich ebensowenig auf Blasco Ibâfiez und die hier zur Debatte stehende Problematik beziehen wie die Beiträge in dem Sammelband *Erotisme et corps au XX? siècle und die Studie von Bridget Aldaraca: "The Medical Construction of the Feminine Subject in Nineteenth-Century Spain", in: H. Vidal ed.: Cultural and Historical Grounding for Hispanic and Luso-Brazilian Feminist Literary Criticism, Minneapolis, Minnesota: Institute for the Study of Ideologies and Literature Minneapolis Minnesota 1989 (Literature and Human Rights 4), pp. 395-413 (sie behandelt punktuell die Rezeption von Charcots im französischen Naturalismus stark verbreiteten Hysterie-Thesen in Spanien) - wenig Beachtung schenkte, hier also ein eindeutiges Theoriedefizit vorliegt, das zu beheben im Rahmen dieser exemplarischen Fallstudien nur als Desideratum formuliert werden kann. Cf. ferner Elizabeth Ann Scarlett: Spanish Women Writers and the Reconquest of Inner Space - Gender, the Body, and Sexuality in Novels by Emilia Pardo Bazân, Rosa Chacel, and Merce Rodoreda, Dissertation Abstracts International 1992 52:11, 3955A, No. DA 9211741 und *M. Cohen, C. Prendergast edd.: Spectacles of Realism.

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como magnolias de amor, marcaban en sus vértices los cerrados botones de un rosa pálido. Una musgosa sombra apenas perceptible entenebrecía el misterio sexual; la luz trazaba una mancha brillante en las rodillas de pulida redondez, y de nuevo volvía a extendese el discreto sombreado hasta los pies diminutos, de finos dedos, sonrosados e infantiles. Era la mujer pequeña, graciosa y picante; la Venus española, sin más carne que la precisa para cubrir de suaves redondeces su armazón ágil y esbelto. Los ojos ambarinos. su malicioso fuego, desconcertaban con su fijo mirar; la boca tenia en sus graciosas alillas el revuelo de una sonrisa eterna; en las mejillas, los codos y los pies, el tono de rosa mostra la transparencia y el fulgor húmedo de esas conchas que abren los colores de sus entrañas en el profundo misterio del mar. -¡La maja de Goya!... ¡La maja desnuda!... (I, 1. p. 1523, siehe Abb. 1/2) Die körperliche Schönheit der Maja beruht auf immer wiederkehrenden Eigenschaften, die sich unter den Oberbegriffen "Kindfrau" und "Lichtgestalt" subsumieren lassen: sie ist "graciosamente frágil", "pequeña, graciosa y picante"; eine besondere Rolle spielen für ihre erotische Anziehungskraft die "pies diminutos, de finos dedos, sonrosados e infantiles". Die Farben ihres Fleisches, "el esplendor luminoso de sus carnes", leuchten weiß und rosé, "magnolias de amor [...] de un rosa pálido"; deren erotischer Symbolcharakter ist unmißverständlich: "el tono de rosa mostraba la transparencia y el fulgor húmedo de esas conchas que abren los colores de sus entrañas en el profundo misterio del mar".29 Dieses Bild bestätigt der 'zweite Blick' des Künstlers: Fijaba una vez más su mirada en aquella mujer de luminosa blancura, semejante a mi ánfora de nácar, con los brazos en torno de la cabeza, los pechos enhiestos y triunfadores. los ojos puestos en él. como si le conociera muchos años, y repetía mentalmente. con expresión de amargura y desaliento: -¡La maja de Goya!... ¡La maja desnuda!... (1,1, p. 1526) Ebenso hat Renovales sein eigenes, eingangs zitiertes Kunstideal formuliert; und genauso sieht er auch Josefina, als er sie kennenlernt: "aquella criatura tan fina, tan débil" (I, 2, p. 1536), "[e]ra pequeña, su rostro no ofrecía otra hermosura que la de la juventud, su cuerpo tenía la gracia de la fragilidad." (I, 2, p. 1534)

29

Im Zusammenhang mit dem von Blasco Ibânez hier eindeutig erotisch eingesetzten "concila" ist auch der sprechende Name von Renovales' Geliebter Conchita / Concha de Salazar zu sehen; siehe auch die ironische Anmerkung von H. Peseux-Richard: "Vicente Blasco Ibânez - La Maja desnuda", Revue Hispanique 15 (1906), 865-868, hier 867. Pilar Tortosa: Très mujeres, p. 187, regt an, Blasco Ibânez verweise damit zugleich auch auf Elena, mit Kosenamen (Con-)Chita Ortüzar.

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Allerdings gewinnt das Bild der Kindfrau mit ihr eine neue Qualität: Sie wird zur Puppe. Erst der "cuerpo gracioso y frágil" dieser "muñeca de cera" (I, 2, p. 1536) vermag in ihm sexuelles Begehren zu wecken: "Su castidad de fiero trabajador disolvíase en una fiebre, en un anhelo de hacer suya cuanto antes aquella muñeca encantadora." (I, 2, p. 1537) Erst auf der Hochzeitsreise, in Rom. entdeckt er die Deckungsgleichheit der beiden Bilder, der 'Josefina desnuda' mit der Maja desnuda: Josefina tendida en su cama monumental de dogaresa. estremecíase con la voluptuosidad del descanso, estirando sus miembros antes de ocultarlos bajo las fmas sábanas, mostrándose con el abandono de la hembra que ya no tiene secretos que guardar. Sus pies desnudos y carnosos movían los dedos de carmín como si llamasen a Renovales. [...] Quería verla, admirarla. [...] No era un capricho amoroso: era un deseo de pintor, una exigencia de artista. Sus ojos sentían hambre de su belleza. [...] £1 cuerpo, libre de veios, mostró su blancura nacarada. Josefina cenó los ojos, como si quisiera huir de la vergüenza de su desnudez. Sobre la nítida sábana destacábanse, ligeramente sonrosadas, las annoniosas redondeces, embriagando los ojos del artista. La cara de Josefina no era gran cosa; pero ¡el cuerpo...! ¡Si él. venciendo sus escrúpulos, pudiese pintarlo algún día!... [...] la mujercita dobló los brazos, colocándolos bajo su cabeza, y arqueó el torso, elevando las blancas amenidades que hinchaban su pecho. [...] - T e adoro. Josefina. Eres hermosa como Venus. No: Venus, no. Es fría y reposada como una diosa, y tú eres una mujer. [...] Eres la majita de Goya, con su gracia delicada, con su seductora pequeñez... ¡Eres la maja desnuda! (I. 2. pp. 1538-1539. siehe Abb. 1/2)

Noch bevor es Renovales gelingt, in der Sommerfrische in Castelgandolfo Josefina als neue Maja desmida zu malen, unterstreicht er bereits hier jenes entscheidende 'Manko' Josefinas, das zur Katastrophe fuhren wird. Das Wachspüppchen, und das klang bereits in den ersten Eindrücken Renovales' an ("su rostro no ofrecía otra hermosura que la de la juventud", cf. stipra), ist nämlich 'kopflos': "La cara de Josefina no era gran cosa; pero ¡el cuerpo...!". Also läßt er konsequenterweise diesen Kopf im Bild auch weg, ersetzt ihn, puppengerecht, durch eine "Maske" und beschränkt sich auf das in seinen Augen 'Wesentliche': [...] el artista rondaba en torno de ella elogiando las diversas bellezas de su cuerpo. Josefina cedió. [...] El pintor dijo a todo que sí. deseando verse cuanto antes, pincel en mano, ante la codiciada desnudez. Tres días trabajó con una fiebre loca, los ojos desmesuradamente abiertos, cual si pretendiera devorar con su retina aquellas formas armoniosas. [...] Ella seguía admirándose en el lienzo, lo mismo que ciertas mañanas se contemplaba

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en el gran espejo de su dormitiorio. Ensalazaba con tranquila inmodestia las diversas partes de su hermosura, fijándose especialmente en el vientre recogido, de curva suave; en las audaces y duras puntas de sus pechos, orgullosa de estos blasones de la juventud. Deslumbrada por la belleza de su cuerpo, no se fijaba en la cara, que parecía sin valor, perdida en suaves veladuras. Cuando sus ojos se posaron en ella mostró cierta decepción. -¡Se me parece muy poco! ¡No es mi cara!... El artista sonreía. No era ella; había procurado desfigurar su rostro, su rostro nada más. Era una máscara, una concesión a las conveniencias sociales. Así nadie la reconocería, y su obra, su grande obra, podría salir a la luz, reclamando la admiración del mundo. (I, 3,p. 1544)30

Empört über den Betrug zerstört Josefina das kopflose Abbild ihres Körpers: Josefina, desnuda aún, había saltado sobre el cuadro con una agilidad de gata rabiosa. Del primer golpe de sus uñas rayó de arriba abajo el lienzo, mezclando los colores todavía tiernos, arrancando la cascarilla de las partes secas. Después cogió el cuchillete de la caja de colores y, ¡raaás!..., el lienzo exhaló un larguísimo quejido, se partió bajo el impulso de aquel brazo blanco, que parecía azulear con el espeluznamiento de la cólera. (I. 3, p. 1545)31

Fragt man sich nun, wo der Kopf der Maja desnuda geblieben ist, wird man ihn - zunächst - im Portrait von Renovales' späterer Geliebter, der Gräfin Concha de Alberga zu suchen haben. Wie bei Goya entsteht ihr Portrait - 'ohne Unterleib' - auf grauem Hintergrund: Sobre un fondo gris erguíase, con la majestad de la belleza habituada a la admiración. una dama vestida de blanco. [...] La parte baja de la figura estaba indicada solamente por trazos de carbón sobre la blancura del lienzo. La cabeza, casi terminada,

30

Dies deckt sich mit der Legende, nach der Goya erst den Körper der Maja desnuda gemalt habe, und erst später den - wie manche Kunsthistoriker glauben - nicht ganz passenden Kopf, der wiederum als Portrait der Herzogin von Alba, mit der ihn eine Liaison verbunden haben soll, gilt (siehe Wilkens: "Goyas Majas", pp. 28-31 sowie Carmen Barberá: La duquesa de Alba, Barcelona: Planeta 1995).

31

Der Vergleich mit der Wildkatze - Renovales wird Josefina später sogar als "animal hostil" (I. 6, p. 1574, cf. infra) empfinden - erinnert an ein häufiges Beschreibungsverfahren der Animalisierung weiblicher Sinnlichkeit bei Blasco Ibáñez; so zum Beispiel, wenn Renovales Reue über seine Heirat mit Josefina formuliert: [...] tal vez hubiera sido mejor permanecer solo, libre para su arte, y, en el caso de serle necesaria una compañera, buscar una maritornes hermosa, con todo el esplendor y la humildad intelectual de la bella bestia, que admirase y obedeciese ciegamente al maestro. (I, 3, p. 1545) Auch Josefina bedient sich dieses Vergleichs in ihrer Eifersucht auf Renovales' Schönheitsideal: "Si pudieses, si tuvieras valor, correrías tras esas bestias de hermosas carnes que tanto elogias [...] todas hermosas, como bestias del demonio; todas desnudas, como tentaciones..." (I. 5, p. 1573)

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parecía mirar a los tres hombres con sus ojos orgullosos, algo fríos, pero de una falsa frialdad, delatando detrás de su pupila apasionamientos ocultos, un volcán muerto que resucitaba a sus horas. (I, 4. p. 1559) I m übrigen charakterisieren s i e d i e g l e i c h e n E i g e n s c h a f t e n w i e Josefina: "Era una mujer alta, esbelta, d e adorables y j u s t a s carnosidades, q u e parecía sostenerse e n el e s p l e n d o r d e una s e g u n d a j u v e n t u d . " (I, 4, p. 1 5 5 9 ) Ihre "gracia loca" und "ligereza casi infantil" (I, 5, p. 1 5 6 4 ) setzt sie in ähnlicher W e i s e w i e die Majas

mit e r h o b e n e n A r m e n in S z e n e , " e c h a n d o el busto atrás, mostrando su

blanca garganta, q u e o n d u l a b a c o n los e s t r e m e c i m i e n t o s d e alegría. [...] S u s braz o s arqueábanse e n torno d e la cabellera rubia." (ibid.) D i e L ö w e n m ä h n e der Maja

- "sus rizos d e un rubio l e o n a d o " (I, 4, p. 1 5 5 9 ) - ist l e d i g l i c h erblondet.

Aber: " A q u e l rubio l u m i n o s o y audaz debía d e ser teñido." (I, 5. p. 1 5 6 4 ) Präzisere Konturen b e k o m m t C o n c h a s Körper erst in R e n o v a l e s ' Phantasien v o n der nackten C o n d e s a d e A l b e r g a : ¡Qué mujer para pintarla!... Sus ojos parecían desnudar a la beldad que se erguía en el lienzo con toda su prosopopeya aristocrática; intentaban penetrar el misterio de aquella envoltura de encajes y sedas; ver el color y las líneas de unas formas que apenas se marcaban con suave bulto al tTavés del vestido. A esta reconstrucción mental ayudaban los hombros desnudos y el arranque de los amorosos globos que parecían temblar con dureza elástica en el filo del escote, separados por una línea de suave penumbra. (I. 4. p. 1560) A u c h s i e k ö n n t e - n a c h J o s e f i n a - s e i n e n I d e a l v o r s t e l l u n g e n v o n einer " V e n u s e s p a ñ o l a " entsprechen, "en p i e sobre un pedestal, c o n toda la majestad de s u d e s n u d e z , v e n c i e n d o al m á r m o l d e las estatuas m á s f a m o s a s c o n la v i d a d ; s u carne

(II, 3, p. 1 5 9 7 ) , 3 2 d e n e n er in e i n e m G e m ä l d e , d i e nackte Phryne d a n t e i -

lend, d e f i n i t i v e Gestalt g e b e n will: Hacía tiempo que soñaba con una obra maestra. La tenía completa en su imaginación, [...]. Era Friné, la famosa beldad de Atenas, mostrándose desnuda a los peregrinos aglomerados en la playa de Delfos. [...] Al ver en la orilla a Friné. gloría de U Grecia, cuya belleza era el orgullo nacional, los peregrinos se detienen y la contemplan volviendo la espalda al templo [...]; y la hermosa, conmovida por esta procesiót del dolor, quiere alegrar su tristeza, lanzar en sus míseros surcos un puñado de saluc y belleza, y se arranca los velos, haciéndoles la regia limosna de su desnudez. E cuerpo blanco, luminoso, destaca la armoniosa curva del vientre y la punta aguda de sus firmes senos sobre el azul oscuro del mar. El viento arremolina sus cabello) como serpientes de oro sobre los hombros de marfil: las ondas, al morir cerca de sui

32

Die Ähnlichkeit mit der Medici-Venus in Renovales' Atelier, "una mujer enorme, banca, desnuda, con una mano velando su sexo y la otra cruzada ante el saliente pecho. Era li V e nus de Médicis, una pieza soberbia de mármol [...]" (II. 4. p. 1600). ist unübersehbar.

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pies, le envían estrellas de espuma que con su caricia, estremecen su piel desde la nuca de ámbar a los talones sonrosados. La arena mojada, tersa y brillante como un espejo, reproduce invertida y confusa la soberana desnudez en lineas serpenteadas, que adquieren al perderse el temblor del iris. (I, 4, p. 1562)33

Als sich seine Pläne konkretisieren, denkt er ernsthaft daran, Concha, inzwischen seine Geliebte, als Aktmodell zu gewinnen: Pintaría su famoso cuadro de Friné en una playa cuando llegase el verano y pudiera huir a la costa solitaria, llevando con él a la belleza perfecta que le serviría de modelo. Tal vez convenciese a la condesa. ¡Quién sabe!... Sonreía con cierta satisfacción cada vez que escuchaba de sus labios el elogio de sus bellas desnudeces, ( m , 1, p. 1618)

Doch wie Josefina liebt Renovales auch Concha nur als Puppe, verachtet sie, als sie bei der Trennung von ihm menschliche Regungen zeigt: "Renovales la miraba como si fuese otra mujer. Le parecía ridicula en este dolor que trastornaba su rostro, que lo afeaba, borrando su sonriente impasibilidad de hermosa muñeca/' (III, 4, p. 1642) Entstellende menschliche Regungen passen nicht in sein ästhetisches Konzept. Wie sich bei seinen Beobachtungen von Josefinas körperlichem Verfall zeigt, wird ihm alles Häßliche hassenswert, zur Verkörperung seines "mayor enemigo", der sein Leben als Mann und Künstler zerstört: "Odiaba este cuerpecillo ruin [...], y experimentó cierta repulsión, como si rozase un animal hostil." (I, 6, p. 1574) (b) Die Beobachtung von Josefinas Körper in seinem fortschreitenden Verfall mit deutlicher Kontrastfunktion zur Hervorhebung der Schönheit der Majas wird darüber hinaus zum Studienobjekt des Naturalisten Blasco Ibáñez. Minutiös protokolliert er Schritt für Schritt die Etappen dieses Verfalls, beginnend mit der Geburt der Tochter Milita. Renovales läßt Josefina nur widerstrebend stillen, für ihn bedeutet es "dejar que la pequeña se agarrase con una voracidad de ogro a aquellos pechos hinchados ahora por la maternidad y tantas veces admirados por el pintor en su virginal recogimiento." (I, 3, p. 1548) Indirekt wird der Tochter die Schuld am Verlust von Josefinas Schönheit gegeben: ¡Pobre maja desnuda! La gentileza de su cuerpo de capullo borrábase con el amplio florecimiento de la maternidad. Sus piernas, dilatadas por la hinchazón del embarazo, habían perdido sus antiguos líneas; sus pechos, más fuertes y abultados ahora, ya no tenían su esbeltez de magnolia cerrada.

33

Blasco Ibänez bezieht sich hier auf eine Legende, die griechische Hetäre Phryne, Modell des Praxiteles, betreffend (cf. Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Reihe 1, t. 39 [Phlen-Pignusj, Stuttgart: Metzler, pp. 893-907, hierp. 905 sq.).

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Parecía más robusta, pero la amplitud de su cuerpo iba acompañada de anémica flaccidez. (I,3,p. 1549)

Damit setzt ein von den Naturalisten gern beschriebener Aufzehrungsvorgang ein, der - als extreme "combustion" von Zola im Docteur Pascal beispielhaft am Tod des Alkoholikers Macquart dargestellt34 - den menschlichen Körper regelrecht aufzehrt: De aquella Josefina de sus primeros tiempos de matrimonio sólo quedaba una lejana sombra. La maja desnuda de las dulces noches de Roma y Venecia no era más que un recuerdo. Al volver a España se había evaporado la falsa robustez de la maternidad. Adelgazaba como si la consumiese un fuego oculto: derretíase en interna combustión el grasoso almohadillado que rellenaba su cuerpo con graciosas ondulaciones. Comenzaba a marcar el esqueleto sus agudas aristas y oscuras oquedades bajo la piel pálida y fráccida. ¡Pobre maja desnuda! [...] sin otros restos de su antigua belleza que los ojos hundidos en sus azuladas órbitas, brillantes con el misterioso fuego de la fiebre. ¡Pobrecilla! (I. 3. p. 1552)

Jedoch ist das Feuer, das Josefina verzehrt, nicht der Alkohol, sondern die Eifersucht auf Renovales' Modelle, ja sogar auf sein Schönheitsideal, dem sie selbst nicht mehr zu entsprechen vermag: Eran celos [...]. Los ojos de Renovales, que parecían beber con adoración los brazos de armoniosas líneas, los pechos torneados y firmes como copas de alabastro, las caderas de voluptuosas caída, las gargantas de aterciopelada redondez, las piernas de esbelta majestad eran los mismos que contemplaban por la noche su tronco débil, surcado por la saliente escalinata de las costillas: los blasones femeniles, antes firmes y voluptuosos, colgantes como harapos: sus brazos, en los que la debilidad moteaba la piel con manchas amarillas: sus piernas, cuya delgadez esquelética sólo estaba interrumpida por el abultamiento saliente de las rótulas. ¡Mísera de ella!... (I. 3. p. 1554)

In der Meinung, daß sie als Aktmodell Renovales' Schönheitsideal von Gesicht und Körper zu vereinen vermocht hätte, verzehrt sie die Reue über ihre frühere Prüderie: Ay, cómo se acordaba de aquellos días en que defendía del marido su cuerpo primaveral que intentaba pintar! Si ahora volviesen a ella la juventud y la belleza, arrojaría impúdicamente todas las envolturas, se plantaría en medio del estudio con la arrogancia de una bacante, gritando:

34

Émile Zola: Le Docteur Pascal, Paris: Gamier-Flammarion 1975, p. 249 sq.: "C'était le plus beau cas de combustion spontanée qu'un médecin eût jamais observé. [...] Et le voilà qui meurt royalement, comme le prince des ivrognes, flambant de lui-même, se consumant dans le bûcher embrasé de son propre corps."

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-Pinta: hártate de mi carne, y siempre que pienses en tu eterna querida, en esa que llamas la Belleza, procura verla con mi misma cara, que tenga mi mismo cuerpo. (I, 3, p. 1555) A m E n d e dieses sich in seinen Einzelheiten beständig wiederholenden naturalistischen Protokolls v o n Josefinas körperlichem Verfall 3 5 steht folgerichtig ihre fast vollständige Aufzehrung: A los dos meses de enfermedad, Josefina no pudo permanecer en el lecho. Su hija la sacaba de él sin ningún esfuerzo, con la misma ligereza que si fuese una pluma, y permanecía en un sillón, pequeñísima, insignificante, desconocida, con un rostro descarnado que no presentaba de frente más que los grandes redondeles de los ojos y la nariz afilada como la hoja de un cuchillo. [...] - ¡ N o queda nada de ella! (II. 5. p. 1612) S i e stirbt, "con una sonrisa de calavera que ajustaba la piel a las oscuras oquedades d e sus huesos": "Cuando parecía haber llegado al último extremo, todavía sorprendía con n u e v o s encogimientos, c o m o si tras de la desaparición total de la carne f u e s e liquidándose el mísero esqueleto." (II, 5, p. 1614) Josefina verliert, nach ihrem Gesicht, auch ihren Körper. D i e s e A u f z e h r u n g geht einher mit der bereits angedeuteten endgültigen Identifikation des Häßlichen mit d e m B ö s e n , Josefina erscheint z u n e h m e n d als D ä m o n und Bestie: El monstruo invisible estaba junto a él. moribundo, pataleante, hiriéndole, con las angulosidades de su cuerpo. [...] el resplandor blanco y crudo de la lámpara mostró a la mujercita en el desorden de su crisis nerviosa: los flacos miembros, contraídos dolorosamente: los ojos desmedradamente abiertos, mates y con un estrabismo de

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Weitere Beispiele dafür lassen sich in großer Zahl anführen; so Josefinas angsteinflößende Augen, "sus ojos desmesuradamente abiertos" (I, 6, p. 1569): "Sus ojos se agrandaban, adquirían una luz extraña, como si viesen más allá de las personas y las cosas. ¡Ay, estos ojos!" (II, 5, p. 1612); die spärlichen Haare, "los rabitos de su pobre cabellera [...] lacios y tristes" (I. 6. p. 1569); die Abmagerung bis zum Skelett - "tan enflaquecida, tan pequeña, que apenas si las ropas de la cama marcaban su insignificante bulto como el cuerpo de un niño" (II, 5, p. 1611): Y a este cuerpo mísero, cada vez más frágil, más esquelético, como si el fuego de la fiebre devorase hasta la última partícula de su grasa y sus músculos, no le quedaba otra envoltura y defensa que la piel, que también parecía liquidarse en eterna humedad. [...] A pesar de su esquelética delgadez aumentaban de volumen algunas partes de su cuerpo. El vientre era mayor, las piernas ofrecían extraña particularidad: una, delgadísima, enjuta, marcando bajo la piel las estrecheces y amplificaciones de los huesos, sin el más leve almohadillado de grasa; la otra, enorme, de una gordura que jamás había tenido, con la piel tirante y blanca, marcando en ellas las venas sus serpenteados de un intenso color azul. (II, 5, p. 1610)

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agonía; la boca, llorosa, goteando por sus comisuras una espumilla de rabia. (I, 5. p. 1571) V o n Josefina bleibt nichts als die weit aufgerissenen A u g e n , die Macht ihres Blicks, den R e n o v a l e s v e r g e b e n s durch seine Kunst zu bannen versuchen wird. S o lange er sich an nichts anderes erinnert als "un rostro pálido" (III, 2, p. 1624), können sie ihre dämonische Kraft nicht entfalten. Aber als er in die "ojos v a g o s y soñadores" (III, 2, p. 1 6 2 7 ) eines früheren Portraits blickt, erwacht Josefina wieder z u m Leben. c ) A m A n f a n g ist e s nicht ihr Körper, sondern d e s s e n Hülle, der Duft eines alten Kleides, der R e n o v a l e s an vergangene Zeiten erinnert: Era el olor de la juventud que volvía. [...] Era el perfume de las magnolias carnales, de la sedosa y leve vegetación puesta al descubierto por los brazos cruzados bajo la cabeza, de aquel vientre recogido y blanco, con esplendor nacarado de luna, que una noche, en Roma, le había hecho suspirar con admiración: - T e adoro, Josefina. Eres hermosa como la majita de Goya... ¡Eres la maja desnuda! (DI, l , p . 1621) Der Verlust d i e s e s Körpers lenkt Renovales" Blick schließlich auf dessen künstliche Präsenz in den zahllosen Bildern, die er i m Laufe seiner Karriere von Josefina gemalt hat, den zahllosen " M a j a s vestidas"*6

die sein Haus bevölkern ("La

casa está llena...", III, 2, p. 1628): Entonces vió el pintor que el retrato goyesco no era el único. Otras Josefinas lo acompañaban en esta soledad. Contempló con asombro la cara de su esposa, que parecía surgir de todos los lados del salón. Pequeños estudios de mujeres del pueblo o de señoras del siglo XVIII; acuarelas de moras: damas griegas, con la rígida severidad de las figuras arcaicas de Alma-Tadema: todo lo que estaba en el salón, todo lo que había pintado, era Josefina, tenia su rostro o conservaba sus rasgos con la vaguedad de un recuerdo. [...] en todos los cuartos adornados con pinturas, le salió al encuentro su mujer, bajo los aspectos más diversos, ceñuda o sonriente, hermosa o con la expresión triste de la enfermedad. Eran bocetos, simples dibujos al carbón, esbozos de su cabeza en el ángulo de un lienzo sin acabar; pero siempre aquella mirada que parecía seguirle, unas veces con melancólica dulzura, otras con intensa expresión de reproche.

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Siehe besonders einen weiteren 'Goya': Allí, en el sitio de honor, conocía él un gran retrato de su esposa, pintado en Roma: una linda mujer con mantilla de blonda, falda negra de triple volante y en la breve mano el abanico de concha: un verdadero Goya. Contempló un instante la graciosa cara sombreada por el negro de las blondas, y cuya palidez aristocrática rasgaba unos ojos de expresión oriental. ¡Qué hermosa era Josefma en aquellos tiempos! (III. 2. p. 1627)

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¿Dónde tenía los ojos? Había vivido en medio de todo esto sin verlo; había pasado diariamente frente a Josefina, sin fijarse en ella. Su mujer resucitaba; [...]. La muerta no había muerto. (III, 2, p. 1627)37 N u n erst entwickelt Josefinas Blick seine v o l l e Macht, beginnt die letzte Phase in R e n o v a l e s ' Schaffen, in der er vergeblich versuchen wird, Josefina n e u e s Leben einzuhauchen: "Y el triste maestro agrandaba con el pensamiento el último fantasma d e su deseo, colgaba de la imagen amada de la muerta todos los delirios de su imaginación, deseando infundirle nueva vida con una parte de la suya." (III, 4 , p. 1648) U n d w i e d e r bricht auf R e n o v a l e s ' Leinwand der K a m p f z w i s c h e n K o p f und Körper aus, nur diesmal unter umgekehrten Vorzeichen: Zur Verwirklichung absoluter Schönheit soll nun Josefinas Gesicht mit e i n e m fremden Körper vers c h m o l z e n werden. D a z u s c h a f ñ er zuerst ein überirdisch s c h ö n e s Portrait der Verstorbenen, mit dessen "novedad extraña" er die S c h a f f u n g eines neuen Ideals, einer "Humanidad nueva" fast erreicht: Esto es la cabeza nada más. ¡Lo más fácil! Después vendrá el cuerpo; una desnudez divina como nunca se haya visto. [...] No he tenido más guía que ésos: pero es el mejor, el defmitivo. Esos eran todos los retratos de la muerta, descolgados de las paredes colocados en caballetes o en sillas, formando un apretado círculo en tomo del lienzo empezado. [Cotoner] volvió a contemplar la cabeza. Sí; era ella con una belleza que parecía de otro mundo: extremada, espiritualizada, como si perteneciese a una Humanidad nueva, libre de groseras necesidades [...]. Contemplaba los numerosos retratos de otros tiempos, y reconocía sus rasgos en la nueva obra, pero animados por una luz que venía de dentro y cambiaba el valor de los colores, dando al rostro una novedad extraña. (III.3,p. 1640)38

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Siehe auch Renovales' Besuch auf Josefinas Grab, auf dem er wiederholt die Wiederauferstehung ihres Körpers beschwört (ID, 3, pp. 1632-1633 und p. 1635): Su cuerpo surgía ante él tal como había sido en su juventud, como había quedado en los lienzos pintados por su mano. Su mirada profunda se fijaba en la suya: la mirada de los tiempos de amor. [...] Era una resurrección; la imagen de la muerta estaba ante él, formada, sin duda, por moléculas invisibles de su ser que flotaban sobre la tumba, por algo de su esencia vital que aún aleteaba en torno de los restos materiales [...]. (DI, 3, p. 1636)

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Bereits in Renovales' Erinnerung ist Josefina 'nicht von dieser Welt': "Lo único que recordaba era un rostro pálido asomado entre los negros velos de lo inconsciente, como una imagen, alrededor de la cual giraban todos sus ensueños. No era Josefina; su cara tenía una expresión de criatura de otro mundo." (DI. 2, p. 1624 sq.) Conchas und Militas Reaktionen auf dieses letzte Portrait, das der Maler für "el más fiel de los retratos" (ID, 4, p. 1647) hält, sind ablehnend ("¡Enamorado de su mujer..., y después de muerta! ¡Encerrado como

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Daun beginnt die verzweifelte Suche auf den Straßen von Madrid, in allen "tiendas de carne humana" (III, 5, p. 1650), nach einem geeigneten Aktmodell; sie fuhrt Renovales zu Pepita, einer zweitklassigen Nachtklubsängerin, "La Bella Fregolina": Era una muchacha pequeña, esbelta, de una delgadez rayana en la demacración [sie]. Su cara, de cierta belleza dulce y melancólica, era lo más notable de su cuerpo. Por debajo del vestido, negro con hilos de plata, que se abría en ancha campana, mostrábanse sus piernas de frágil esbeltez, con la carne puramente necesaria para cubrir el hueso. Sobre las gasas del escote, la piel, pintada de blanco, elevábase con ligerísima protuberancia en los pechos, marcando luego las tirantes aristas de las clavículas. Lo primero que se veía de ella eran los ojos, unos ojos límpidos, grandes, virginales [...]. (DI, 5, p. 1652)

Renovales beginnt Pepita zunehmend mit Josefina zu identifizieren; zunächst erkennt er nur deren Körper wieder: "Es ella, ¿verdad?... Igual: el mismo cuerpo." (III, 5, p. 1653). Ais Pepita schließlich - in Josefinas Kleidern - für ihn Modell steht, glaubt er, auch in Josefinas Gesicht zu sehen, "al fijarse en sus ojos surgió de nuevo la conmovedora semejanza; y partiendo de éstos, fué reconstruyendo el rostro adorado" (III, 5, p. 1655). ihren Duft zu riechen, "¡Era ella! La tenía ante sus ojos, corpórea, con su perfume de carne amada." (III, 5, p. 1657) Doch ihre Augen vermögen ihn nur kurz zu täuschen: Era ella: sus mismos ojos..., ¡sus ojos! Y al levantar la mirada para sumirse en sus dulces pupilas, para contemplarse en su tembloroso espejo, vió irnos ojos fríos [...]. ¿Era su cuerpo, su perfume, sus ropas, su pálida belleza de flor moribunda?... Pero no; no era ella. ¡Aquellos ojos!... [...] Sólo tenía ante él una reproducción del vaso adorado pero el incienso, el alma, perdidos para siempre. [...] En el instante supremo, al tocar la realidad, desvanecíase aquel algo indefinible que había cerrado el cuerpo de su Josefina, de su maja desnuda, adorada en las noches de juventud. La decepción inmensa, irreparable, extendía por su cuerpo la cama glacial de la mujer. (IE, 5, pp. 1657-1658)

Renovales ist mit dem Versuch der Verwirklichung seines ästhetischen Ideals aus Versatzstücken von Frauenkörpern und -köpfen endgültig gescheitert. Wie aber sieht es mit der ästhetischen Verwirklichung eines neuen Frauentyps, einer "Venus española" des 20. Jahrhunderts, durch Blasco Ibáñez selbst aus? Die Beschreibung schöner Frauenkörper in Renovales' Bildern von Joseun asceta para pintarla con una hermosura que nunca había tenido!...". III. 4. pp. 16441645) bis reserviert ("¡Si es mamá! [...] Sí, estaba bien: tal vez un poco más hermosa que había sido. Ella no la conoció nunca así". III. 4. p. 1645). Ihr bodenständiger Realismus macht umso deutlicher, daß Renovales den Kontakt zur Wirklichkeit bereits verloren hat.

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fina und Concha und deren Gegenüberstellung mit Goyas Majas (siehe Abb. 1 und 2) zeigt, daß sich die "neue Venus" nur unwesentlich von der alten unterscheidet. Ihre Ähnlichkeit mit den beiden Majas bestätigt, daß hier ein konservatives, traditionelles Frauenbild mit gelegentlich misogynen Zügen (die Frau ohne eigenes Gesicht, die Frau als Puppe) tradiert wird. Die obsessive Darstellung des makellosen Frauenkörpers, zur Schaufensterpuppe mit auswechselbaren Zügen erstarrt, verweist, verstärkt durch die mindestens ebenso obsessive Verteufelung des Häßlichen, auf Entsprechungen zu Blasco Ibáñez' eigenen Körperbildern. Sie legt nahe, daß Blasco Ibáñez' Bild vom Körper der spanischen Frau ein zutiefst konservatives und versteckt misogynes ist. Diese konservative Grundhaltung äußert sich auch in der Prüderie, die seinen sprachlich oft so unscharfen Umgang mit weiblichen Körperbildern bestimmt, deren erotische Attribute geradezu mit dem Weichzeichner erstellt scheinen, in denen es von "misterios", "penumbras" und umschreibenden Metaphern wie "concha" und "magnolia" wimmelt (cf. suprä). Doch ihm war auch bewußt, daß die von Renovales praktizierte Ästhetik der reinen Körperlichkeit an der Schwelle des 20. Jahrhunderts letztlich zum Scheitern verurteilt war. Goyas Majas sind tot, offen bleibt, welcher Frauentyp an ihre Stelle treten soll. Blasco Ibáñez setzt dem positiv besetzten "Abbild" von Goyas Majas, verkörpert durch Josefina und Concha, zwar eine neue Körperlichkeit des 20. Jahrhunderts entgegen. Doch sie wird durchgängig als bedrohlich empfunden und mit Unbehagen und Skepsis kommentiert. Concha, noch ganz Vertreterin des alten Frauentyps, bringt sie in ihrem Urteil über den "femenismo feroz de algunas de sus acolitas" auf den Punkt: Querían la mujer del futuro sin caderas, sin pechos, lisa, huesuda, musculosa, apta para todos los trabajos de fuerza, libre de la esclavitud del amor y de la reproducción. ¡Guerra a la grasa femenil!... [...]. La mujer lisa y escueta por delante y por detrás, con el pelo cortado y las manos duras, en competencia con el hombre para toda clase de luchas! ¡Y a esto llaman emancipación!... [...] Deseaba el triunfo de la mujer, pero aumentando aún más sus encantos y seducciones. Si le quitaban la hermosura, ¿qué quedaría de ella? La quería igual al hombre en inteligencia, pero superior a él por la magia de su belleza. (I, 5, p. 1567)

Was sich in diesem Zitat bereits abzeichnet, bestätigt die Beschreibung von Josefinas Tochter Milita als Mannweib und Vampir: sie saugt ihrer Mutter Schönheit und Leben ("Parecía haber heredado la carne de la muerta", III, 4, p. 1646) aus:

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El vigor que a ella le faltaba lo tenia Milita, aquella criatura que llamaba la atención por su robustez y sus colores. La voracidad de este organismo fuerte y avasallador había absorbido toda la vida de la madre. (1.3. p. 1552) 0 Und, obwohl Renovales sie als "'echten Rubens" ("un verdadero Rubens", ' un Rubens en moreno", I, 4, p. 1557) sieht, überwiegen doch ihre männlichen Züge: "Era temible; un chico con faldas, más varonil que sus admiradores" (II, 1. p. 1579), ihrem Vater ähnlicher als ihrer Mutter: Contempló a su hija [..] Paseaba su mirada satisfecha de creador por este cuerpo fuerte y sonrosado [..] El maestro admiraba su belleza saludable ¡Qué magnifico ejemplar!... Con ella no se extinguiría la raza. Era él. toda él: de haber nacido hembra, sería semejante a su Milita. (I. 4, p. 1557) Zieht man zum Vergleich die zahlreichen effeminierten Männergestalten, die Milita umgeben, 40 heran, wird überdeutlich: Diese neue Generation, verkörpert durch Renovales' Tochter Milita, ist nicht nur schuld am Tod der Maja, sie ist eine Generation von Androgynen. Die Vermännlichung der Frau und die Effeminierung der meisten Männer41 wird als modeine Entwicklung so beständig

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Ihre bereits erwähnte "voracidad de ogro" (I. 3. p. 1548. cf. suprä), der Vampirismus Militas, wird durchgängig durch Verweise auf Küsse und Bisse. Lippen und Zähne unterstrichen; so im Umgang mit ihrem Vater: "Otro beso. Deja que te muerda. Y después de clavar con suavidad sus dientecitos en una mejilla del maestro, la joven salió." (1. 4. p. 1557); "-Adiós, papá. Milita, levantándose el velo, avanzaba sus labios rojos y sensuales, mostrando al sonreír su dentadura nítida." (II. 1. p. 1576)

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Siehe zum Beispiel Renovales' Schüler Soldevilla: "Su delgadez y lo exiguo de su estatura", "la debilidad de aquel dandy de la pintura", "con una fmura mujeril". "Era una porcelana, siempre brillante." (I, 4, p. 1559) Oder den Doctor Monteverde, Conchas jugendlichen Liebhaber: "Era un jovenzuelo hermoso y frágil como una figurilla de porcelana; un conjunto de bellezas extremadas, hasta el punto de dar a su rostro una exageración caricaturesca", "unos verdaderos ojos de odalisca", "Renovales le despreciaba, dudando de su virilidad." (O, 2, p. 1581) Außerdem hat der "lindo Monteverde" "manos de dama" (U, 2, p. 1582), ganz wie der Nuntius bei Militas Hochzeit: "Los hombres [...] se inclinaban gravemente, cogiendo al paso aquella mano fina y pálida, una mano de dama antigua, para besar la enorme piedra de su anillo." (II, 4, p. 1601) Das von Militas Mann verkörperte sportliche männliche Gegenbild wird nicht als Alternative betrachtet, sondern als mindestens ebenso große Bedrohung des Geistes durch ihre Uberbetonte Körperlichkeit verachtet, als eine juventud vigorosa, sana y con el cerebro virgen de todo cultivo [...]. La actividad huía del cerebro para localizarse en los tentáculos del cuerpo [...]. La inteligencia parecía haberse aglomerado en sus manos, dejando vacío el cráneo. ¿Adonde iba la gente nueva?... Tal vez a formar otra Humanidad más sana, más fuerte, sin amor, sin apasionamiento, sin otTas aproximaciones que el ciego impulso de la reproducción. Tal vez este culto a la fuerza, esta vida continua de hombres entre hombres, desnu-

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warnend beschworen, daß klar wird, daß der Verlust geschlechtsspezifischer Körperbilder, der Verlust der Majas, von Blasco Ibänez als kultureller Identitätsverlust empfunden wird.

Abb. 2. Goya: Nackte Maja42

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dándose en la promiscuidad de los ejercicios, admirando el músculo hinchado y la vigorosidad saliente, se deviara en repugnante aberración. (II, 1, p. 1580) Ca. 1798-1805. 97 x 190 cm. Madrid, Museo del Prado, in: Goya - Leben und Werk, p. 153.

IV. Masken der Männlichkeit

Horst Weich

Obskure Begierden. Blumenmetaphorik und kodierte Körperlichkeit in Lorcas Sonetos del amor oscuro i. "[L]a poesía no se analiza, la poesía se ama", behauptet Federico García Lorca in seinem 1928 erstmals gehaltenen Vortrag "Imaginación, inspiración, evasión"1 und scheint so einem rationalen und mehr noch einem wissenschaftlichen Zugang zu seinen lyrischen Texten eine Absage zu erteilen. Denn die Poesie gehorche keiner rationalen Logik, sondern folge einzig einer "lógica poética",2 die sich der Kontrolle des menschlichen Verstandes entziehe. Nicht zergliedernde Analyse sei daher die dem Rezipienten gemäße Haltung, sondern ein "estado de gracia", in dem sich der Leser vom Wunder des "hecho poético"3 überwältigen läßt. Nur so stellten sich "emociones intensas" ein, nur so gelinge der "salto a mundos de emociones vírgenes" 4 . Es gilt das Gebot: "se necesita saber rechazar con vehemencia toda tentación de ser comprendido". 5 Gleichwohl hat Lorca selbst dieser Versuchung nicht immer widerstanden. Im Rahmen der Rehabilitierung Góngoras beispielsweise bezeichnet er 1926/27 dessen Lyrik als zwar elitäre, aber eben nur scheinbar hermetische Dichtung, deren vermeintliche Dunkelheit sich einem durch reichliche Lektüreerfahrung sensibilisierten "iniciado" erhelle.6 Dementsprechend lautet hier das gegenteilige Gebot: "A Góngora no hay que leerlo, sino estudiarlo." 7 Dieses intellektuelle

1

2 3 4 5 6

7

Der zwischen 1928 und 1930 mehrfach gehaltene Vortrag ist nur in Teilen überliefert; seine wesentlichen Gedanken lassen sich über mehrere Zeitungsrezensionen rekonstruieren, die abgedruckt sind in Federico Garcia Lorca: Obras complelas, ed. A. del Hoyo, 3 tt., Madrid: Aguilar 1988, t. 3, pp. 258-271, das Zitat findet sich dort p. 269. Ibid. p. 261. Ibid. p. 263. Ibid. pp. 259 bzw. 261. Ibid. p. 263. "La imagen poetica de don Luis de Göngora", in: Id.: Obras completas, t. 3, pp. 223-247, dort p. 238. Ibid. p. 228.

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Studium habe sich dabei vornehmlich auf die Metaphern zu richten, mit Hilfe derer Góngora häufig einfache Sachverhalte verschlüssele und einander widerstrebende, sich anscheinend ausschließende Welten in überraschender Weise zusammenzwinge. Der dadurch erzielte Überschuß an Bedeutung diene der komplexen, mehrfach kodierten Vermittlung einer spezifischen Erfahrung; die durch metaphorisch-uneigentliches Reden zunehmende Entfernung vom eigentlich Gemeinten produziere reine Poesie: "Dobla y triplica la imagen para llevarnos a planos diferentes que necesita para redondear la sensación y comunicarla con todos sus aspectos. Nada más sorprendente de poesía pura."8 Vor dem Hintergrund dieser Gegenstrebigkeit von Verstehensabwehr und Verstehensgebot, die die Lorcasche Poetik des misterio umreißt, geht es mir im folgenden um Strategien und Funktionen der sekundären Kodierung in der sogenannten "späten" Liebeslyrik Lorcas. Hierzu analysiere ich exemplarisch das Einleitungsgedicht der erst postum erschienenen Sammlung Sonetos del amor oscuro und konzentriere mich dabei auf die zentralen Aspekte der Metaphorik und des intertextuellen Verweises. Das Hauptaugenmerk meiner Untersuchung gilt dementsprechend der Frage, inwieweit sich im Rahmen der von Lorca grundsätzlich intendierten suggestiven Vieldeutigkeit für die iniciados eine versteckte Botschaft entbirgt, die gerade in der Sprache der Natur und insbesondere dem traditionell dafür bereitgestellten lenguaje de las flores9 eine der Artikulation tabuisierter Körperlichkeit adäquate Kodierungsform gefunden hat. II. Unter dem auf Vicente Aleixandre zurückgehenden Titel der Sonetos del amor oscuro finden sich elf Liebessonette, die großenteils bereits im November und Dezember 1935 entstanden sind, aber erst 1984 von Miguel García Posada in der Kulturbeilage der Zeitschrift ABC veröffentlicht wurden.10 Mit den Sonetos wendet sich Lorca einer formstrengen und traditionsreichen Gedichtform zu, die er bis dahin kaum genutzt hatte und deren Renaissance in Zusammenhang mit

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Ibid. p. 234. Zu dessen Topik, Tradition und Funktion cf. die von José M. Blecua besorgte und eingeleitete Anthologie Las flores en la poesía española, Madrid: Hispánica 1944, die die sexuelle Dimension allerdings völlig ausspart (und aufgrund des Publikationsjahrs wohl aussparen mußte). Zur Entstehungs- und komplexen Publikationsgeschichte der Sammlung cf. etwa Mario Hernández: "Jardin deshecho - Los 'Sonetos' de Garcia Lorca", El Crotalón - Anuario de Filología 1 (1984), 193-228.

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der Wiederbesinnung auf Garcilaso de la Vega anläßlich der bevorstehenden Feierlichkeiten zu seinem 400. Todestag 1936 gesehen werden kann. Mit der traditionellen Form ist auch der traditionelle Inhalt der Liebe verbunden. Dazu steht im Gegensatz die Semantik des Adjektivs oscuro.11 Es evoziert zum einen die Konzeption der Heimlichkeit, zum anderen die einer quälenden, gewaltsamen Liebe, die zur 'Lichtliebe' neuplatonischer Prägung in Opposition steht, und schließlich vor allem eine homosexuelle Liebesbeziehung,12 die in den Gedichten - so meine These - hinter der affichierten Dunkelheit der sprachlichen Oberfläche stets heimlich mit zum Ausdruck kommt. Daß sich in den Sonetos del amor oscuro unvermutet konkrete Körperlichkeit - Männerkörper und ihre erotische Interaktion - kodiert findet, dafür haben in den letzten Jahren vereinzelte kritische Lektüren zunehmend den Blick geöffnet. So liest etwa Paul Binding das die Sammlung beschließende Sonett "Noche del amor insomne" als Evokation einer Liebesnacht zwischen zwei Männern mit mehreren Geschlechtsakten, unter anderem auch einer gegenseitigen Fellatio: "surely 'las bocas puestas sobre el chorro helado/ de una sangre sin fin que se deirama' refer to fellatio - and in the 69 position at that".13 In ähnlicher Weise interpretiert Andrew A. Anderson die Metaphorik in der dritten Strophe des "Soneto gongorino en que el poeta manda a su amor una paloma" als indirekte Kodierung einer Masturbationsphantasie: "what we find here can be understood as the imagined masturbation of the poet by the beloved ("Pasa la mano sobre su blancura") and the poet's imagined ejaculation ("que nevada melodia/ esparce en copos"), with the poet receiving temporary physical satisfaction imaginatively in the text if not in real life".14

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Zur mehrfachen Lesbarkeit des Titels cf. Ian Gibson: Federico Garcia Lorca, 2 tt., Barcelona: Grijalbo 31987 bzw. 21988; Andrew A. Anderson: Lorca's Late Poetry - A Critical Study, Leeds: Leeds UP 1990, pp. 305-310. Die Geschlechtszugehörigkeit der beiden Liebenden wird auf Textebene eher verschleiert, yo und tú finden sich neutral konkretisiert als el poeta und su amor, und nur an einer Stelle, im Sonett "El amor duerme en el pecho del poeta", erlaubt das Genus eines Adjektivs eine dementsprechende Zuordnung ("estás dormido'^). Der homosexuelle Charakter der dargestellten Liebesbeziehung wird sowohl durch das biographische Substrat (cf. Anderson: Lorca 's Late Poetry, p. 307, n. 59, sowie grundsätzlich Gibson, Lorca) wie auch die im Zeichen der Zensur stehende Publikationsgeschichte nahegelegt. Paul Binding: Lorca - The Gay Imagination, London: Gay Men's Press 1985, p. 209. Anderson: Lorca's Late Poetry, p. 369. Zur Stützung seiner Interpretation verweist er auf die Dichtungspraxis des Siglo de Oro und insbesondere auf Góngora und Quevedo, "who sometimes built a hidden erotic layer of meaning into their poetry" (ibid.).

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Im Anschluß an solche Lektüren schlage ich vor, auch das die Sammlung einleitende "Soneto de la guirnalda de rosas" körperbetont zu lesen, und zwar als ein schwules carpe c/iem-Gedicht, das unter einem feingesponnenen Gewebe von Natur- und Pflanzenmetaphorik das Skandalon körperlicher Vereinigung verbirgt und auf versteckte Weise eine homoerotische Gewaltphantasie ausschreibt. Hierin zeigt sich also in einer sexualisierten Variante Lorcas Konzeption von Dichtung als Kunst der Evokation, wie sie sich exemplarisch in einem Brief an Melchor Fernández Almagro formuliert findet: "no se dicen más que las palabras precisas y se insinúa todo lo demás". 15 Einer solchen Technik der Insinuation folgt auch, so wird zu zeigen sein, das zu analysierende Sonett: Soneto de la guirnalda de rosas

4

¡Esa guirnalda! ¡pronto! ¡que me muero! ¡Teje deprisa! ¡canta! ¡gime! ¡canta! Que la sombra rae enturbia la garganta v otra vez viene y mil la luz de Enero.

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Entre lo que me quieres y te quiero, aire de estrellas y temblor de planta, espesura de anémonas levanta con oscuro gemir un año entero.

11

Goza el fresco paisaje de mi herida, quiebra juncos y arroyos delicados. bebe en muslo de miel sangre vertida.

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Pero ¡pronto! Que unidos, enlazados, boca rota de amor y alma mordida, el tiempo nos encuentre destrozados.16

Andersons Interpretation der Sonetos del amor oscuro ist geleitet von der These der Darstellung einer Liebesbeziehung als Mangelerfahrung: Liebe ist ihm zufolge gekennzeichnet durch Abwesenheit. 17 In seinem umsichtigen dose

15

16

17

reading

Federico García Lorca: Epistolario completo, edd. A. A. Anderson, C. Maurer, Madri d: Cátedra 1997, p. 241; cf. hierzu auch grundlegend Angel Sahuquillo: Federico García Lorca y la cultura de la homosexualidad masculina - Lorca, Dali, Cernuda, Gil-Albeirt, Prados y la voz silenciada del amor homosexual, Alicante: Instituto de Cultura "Juan GüAlbert" 1991, p. 19 sqq. Sonetos del amor oscuro, in: Federico García Lorca: Obras completas, ed. M. García-P osada, tt. 4, Barcelona: Galaxia Gutenberg 1996, t. 1, p. 627. "[T]he 'other half of the relationship - the beloved - is actually a sketchy, hazy figure, often not even physically present. The poems are to be read, therefore, as explorations in Southern Spain, Philadelphia: University of Pennsylvania Press 1990. Hans-Jörg Neuschäfer: Macht und Ohnmacht der Zensur - Literatur, Theater und Film in Spanien (1933-1976), Stuttgart: Metzler 1991. Erwin Panofsky: Studies in Iconology - Humanist Themes in the Art of the Renaissance, New York - Evanston: Harper and Row 1962. Dt.: Studien zur Ikonologie - Humanistische Themen in der Kunst der Renaissance, tränst. D. Schwarz, Köln: DuMont 1980. Hugo Rahner: Symbole der Kirche - Die Ekklesiologie der Väter, Salzburg: O. Müller 1964. : Griechische Mythen in christlicher Deutung, dritte, überarbeitete Auflage, Zürich: Rhein-Verlag 1966. Augustin Redondo ed.: Le Corps dans la société espagnole des XVf et XVIf siècles, Paris: Publications de la Sorbonne 1990. ed.: Le Corps comme métaphore dans l'Espagne des XVIe et XVIIe siècles, Paris: Publications de la Sorbonne 1992. Claude Reichler ed.: Le corps et ses fictions, Paris: Minuit 1983.

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Basisbibliographie

Janett Reinstädler: Stellungsspiele - Geschlechterkonzeptionen in der zeitgenössischen erotischen Prosa Spaniens (¡978-1995), Berlin: Erich Schmidt Verlag 1996. Susan Rubin Suleiman ed.: The Female Body in Western Culture - Contemporary Perspectives, Cambridge, Massachusetts - London: Harvard University Press 1986. Paul Julian Smith: Writing in the Margin - Spanish Literature of the Golden Age, Oxford: Clarendon 1988. : The Body Hispanic - Gender and Sexuality in Spanish and Spanish American Literature, Oxford: Clarendon 1989. : Laws of Desire - Questions of Homosexuality in Spanish Writing and Film (1960-1990'), Oxford: Clarendon Press 1992. Victor I. Stoichita: "Imago Regis - Kunsttheorie und königliches Porträt in den Meninas von Velazquez", Zeitschrift für Kunstgeschichte 49 (1986), 165-189. Bernhard Teuber: Sprache, Körper, Traum - Zur karne\alesken Tradition in der romanischen Literatur aus früher Neuzeit, Tübingen: Niemeyer 1989. Paul Virilio: The Vision Machine, London: British Film Institute 1996. Orig. Frz.: La Machine de vision, Paris: Galilée 1988. Sigrid Weigel: Topographie der Geschlechter - Kulturgeschichtliche Hamburg: Rowohlt 1990.

Studien,

Harald Weinrich: "Über Sprache, Leib und Gedächtnis", in: H. U. Gumbrecht, K. L. Pfeiffer edd.: Materialität der Kommunikation, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1988, pp. 80-93.

Autorenverzeichnis OTTMAR ETTE. Jahrgang 1956, Habilitation 1995 in Eichstätt, seit 1995 Professor für Romanische Literaturwissenschaft in Potsdam. Arbeitsschwerpunkte: José Marti, kubanische und iberoamerikanische Literatur der Kolonialzeit und des 20. Jahrhunderts, französische Reiseberichte des 18. Jahrhunderts, Studien zu Roland Barthes, Literatur-, Kultur- und Medientheorie. http://www.uni-potsdam.de/ii/romanistik/professuren.htm UTA FELTEN, Promotion 1998 in Siegen, dort wissenschaftliche Mitarbeiterin. Arbeitsschwerpunkte: Surrealismus in Spanien, französisches Theater des 18. und 19. Jahrhunderts, Kino der Nouvelle Vague. http://www.fb3.uni-siegen.de/romanist/Felten.htm REINHOLD GÖRLING, Jahrgang 1952, Habilitation 1995 in Hannover, dort Außerplanmäßiger Professor am Seminar für Deutsche Literatur und Sprache, Gastprofessuren in Irvine/Kalifornien, Innsbruck und Düsseldorf. Arbeitsschwerpunkte: Ästhetik und politische Praxis der Avantgarden in Spanien, Literaturtheorie, Psychoanalyse, Kulturanthropologie. http://www.fbls.uni-hannover.de/sdls/goerling/ DIETER INGENSCHAY, Jahrgang 1948, Habilitation 1987 in Bochum, 1990 Professor in München, lehrt seit 1995 Romanische Philologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeitsschwerpunkte: Prosagedicht. Theater, kubanische und iberoamerikanische Literatur, Geschlechterforschung. http://www2.hu-berlin.de/romanistik/index.html SUSANNE KLEINERT, Habilitation 1994 in Saarbrücken, dann Professorin in Mainz, lehrt seit 1995 Romanische Literaturwissenschaft in Saarbrücken. Arbeitsschwerpunkte: postmoderner Roman in Europa und Lateinamerika, italienische Autorinnen der Gegenwart. http://www.phil.uni-sb.de/fr/romanistik/kleinert.htm ROLF KLOEPFER, Jahrgang 1942, Habilitation 1971 an der Technischen Universität Berlin, seit 1971 Professor für Romanische Philologie an der Universität Mannheim. Arbeitsschwerpunkte: Literaturgeschichte und Literaturtheorie, Semiotik, europäischer Film, Erzählen im heutigen Spanien. http://www.split.uni-mannheim.de/R3/frameset/Professor/Kloepfer.html ANDREAS MAHLER. Jahrgang 1957, Promotion 1990 in München, lehrt dort sowie an der Universität Passau Englische und Romanische Philologie. Arbeitsschwerpunkte: Satireforschung, Literatur der Frühen Neuzeit in England und Europa, Großstadtliteratur. WOLFRAM NITSCH, Jahrgang 1960, Habilitation 1998 in München, seit 2000 Professor fiir Romanische Philologie an der Universität zu Köln. Arbeitsschwerpunkte: spanischer Barock, französische und lateinamerikanische Moderne, literarische Anthropologie und Theorie der Medien. http://www.romanistik.uni-koeln.de/phil-fak/roman/

JANETT REINSTÄDLER, Stipendiatin des Münchner Graduiertenkollegs "Geschlechterdifferenz und Literatur", Promotion 1996 in Göttingen, wissenschaftliche Angestellte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeitsschwerpunkte: spanische Literatur der Movida, Geschlechter- und Frauenforschung. http://www2.hu-berlin.de/romanistik/index.html ANGELICA RIEGER, Habilitation 1998 in Frankfurt am Main, dort Privatdozentin für Romanische Philologie, Gastprofessorin an verschiedenen Universitäten, darunter Konstanz, Düsseldorf und Graz. Arbeitsschwerpunkte: okzitanische Literatur des Mittelalters, Künstlerroman des 19. und 20. Jahrhunderts in der Romania, Intermedialität und Interkulturalität. http://www.angelica-rieger.de PATRICIA SALDARRIAGA, Studien in Lima und München, Promotion 1999 an der University of Washington in Seattle (USA), seither Assistenzprofessorin für Spanische Literatur am Middlebury College in Vermount (USA). Arbeitsschwerpunkte: Sor Juana Inés de la Cruz, spanische Literatur des Barock und der Kolonialzeit, Federico García Lorca, Studien zu Walter Benjamin. SUSANNE SCHLÜNDER, Promotion 1997 in Siegen, dann Forschungsstipendiatin an der Maison des Sciences de l'Homme in Paris, seit 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeitsschwerpunkte: Francisco Goya, spanische Kultur und Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, Literatur und Film des 20. Jahrhunderts in Frankreich. http://www2.hu-berlin.de/romanistik/index.html PAUL JULIAN SMITH, Professor für Spanisch an der Universität Cambridge (Trinity Hall), Vorstand des Department for Spanish, Portuguese and Catalan, lehrt spanische Literatur, Kinematographie und Kultur vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Arbeitsschwerpunkte: Körpergeschichte, Geschlechterforschung, Federico García Lorca, Pedro Almodóvar. http :/www. cam. ac.uk/spanish/staff/profile.xhtml#smith BERNHARD TEUBER, Jahrgang 1954, Habilitation 1994 in München, 1996 Professor in Kiel, lehrt seit 2000 Romanische Philologie in München. Arbeitsschwerpunkte: literarische Anthropologie, karnevaleske Literatur, spanische Mystik, iberoamerikanische Literatur. http://www.romanistik.uni-muenchen.de/teuber.htm HORST WEICH, Jahrgang 1956, Habilitation 1994 in Passau, seit 1996 Professor für Romanische Philologie in München. Arbeitsschwerpunkte: komisch-parodistisches Schreiben in der Frühen Neuzeit, klassische und moderne Lyrik, Geschlechterdifferenz und Literatur. http://www.romanistik.uni-muenchen.de/weich.htm MARÍA PAZ YÁÑEZ, Promotion in Spanischer Philologie, Privatdozentin für spanische Literaturwissenschaft an der Universität Zürich. Arbeitsschwerpunkte: Roman und Theater des 19. und 20. Jahrhunderts in Spanien. http://www.unizh.ch/rose/MitarbeiterInnen./500.htm