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German, Greek Pages 326 [328] Year 2015
HOMERS ILIAS GESAMTKOMMENTAR
SAMMLUNG WISSENSCHAFTLICHER COMMENTARE
HOMERS ILIAS GESAMTKOMMENTAR (BASLER KOMMENTAR / BK) AUF DER GRUNDLAGE DER AUSGABE VON AMEIS-HENTZE-CAUER (1868–1913)
HERAUSGEGEBEN VON
ANTON BIERL UND JOACHIM LATACZ
GENERALREDAKTION:
MAGDALENE STOEVESANDT
DE GRUYTER
HOMERS ILIAS GESAMTKOMMENTAR (BASLER KOMMENTAR / BK) HERAUSGEGEBEN VON
ANTON BIERL UND JOACHIM LATACZ BAND XI ACHTZEHNTER GESANG ( Σ ) FASZIKEL 2: KOMMENTAR VON
MARINA CORAY MIT UNTERSTÜTZUNG VON RUDOLF FÜHRER, FRITZ GRAF, MARTIN A. GUGGISBERG, IRENE DE JONG, SEBASTIAAN R. VAN DER MIJE, RENÉ NÜNLIST, JÜRGEN v. UNGERN-STERNBERG, RUDOLF WACHTER UND MARTIN L. WEST †
DE GRUYTER
Die Erarbeitung des Ilias-Gesamtkommentars wird finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Bern, der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft, Basel, der Max Geldner-Stiftung, Basel, der Frey-Clavel-Stiftung, Basel, und der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Für vielfältige Unterstützung danken wir besonders Herrn Prof. Dr. Peter Blome (Basel).
ISBN 978-3-11-039971-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-040701-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-040718-1 ISSN 1864-3426 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
INHALT
Vorwort ……………………………………………………………………… Hinweise zur Benutzung (mit Abkürzungsverzeichnis)
VII
……………………
IX
……………………………………
1
Tabellarischer Überblick über die Handlung des 18. Gesangs ………………
8
24 Regeln zur homerischen Sprache (R)
Kommentar
…………………………………………………………………
Bibliographische Abkürzungen
……………………………………………
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VORWORT Im achtzehnten Gesang der Ilias wird den neuen Waffen des Achilleus viel Platz eingeräumt, ganz besonders dem Schild. Über dieses in jeder Hinsicht phantastische Gebilde gibt es unendlich viel zu sagen und ist auch schon viel Kluges und Anregendes geschrieben worden. Im vorliegenden Kommentarband nimmt die Kommentierung dieser Passage daher einen großen Raum ein; die Komplexität der Ekphrasis und die Fülle der Forschungsarbeiten dazu ließen es als sinnvoll erscheinen, orientierende Übersichten und Einführungskapitel zu diesen Versen in die Kommentierung einzufügen. Durch die Darlegung der verschiedenen Interpretationen und vielen strittigen Fragen und durch die Aufzählung weiterführender Literatur soll den Nutzern die Möglichkeit gegeben werden, sich vertieft mit den Themen auseinanderzusetzen. Der vorliegenden Kommentierung liegt wie den bisherigen Bänden dieses Kommentars der griechische Text der Ilias-Ausgabe von Martin L. West zugrunde (Bibliotheca Teubneriana, 1998/2000). * Die Erarbeitung und Herausgabe dieses Kommentars wäre nicht möglich gewesen ohne die Hilfe und Unterstützung von verschiedenen Seiten: In erster Linie danke ich herzlichst den Projektleitern und Herausgebern dieses Ilias-Kommentars, Joachim Latacz und Anton Bierl, für die umsichtige Begleitung meiner Auseinandersetzung mit dem Text. Zu danken habe ich ferner unserem internationalen Expertenteam für wertvolle Hinweise und Korrekturen: Rudolf Führer, Fritz Graf, Martin Guggisberg, Irene de Jong, Michael Meier-Brügger, Sebastiaan van der Mije, René Nünlist, Jürgen von Ungern-Sternberg, Rudolf Wachter und Martin L. West. Sie alle haben mir auch diesmal wieder mit Rat, Anregungen und wachsamem Auge zur Seite gestanden. Ganz herzlich danke ich auch den Mitgliedern des Kommentarteams für unzählige Anregungen, Hinweise, Gespräche und Ermutigungen in allen Stadien der Erarbeitung: Martha Krieter-Spiro, Magdalene Stoevesandt, Katharina Wesselmann und ganz besonders Claude Brügger, der mich zudem souverän durch alle Tücken der
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Arbeit am Layout gelotst hat. Ihnen fühle ich mich durch die lange, gemeinsame Arbeit des Kommentierens tief verbunden. Ebenso dankbar bin ich für den regen Austausch im Zentrum der Altertumswissenschaften an der Universität Basel, dem Rosshof, insbesondere für die hilfreichen Hinweise derjenigen, die mir bei Themen jenseits der Gräzistik weitergeholfen oder Passagen des Kommentars sorgfältigst mitgelesen haben. Den Mitarbeitern der Bibliothek der Altertumswissenschaften im Rosshof und der Universitätsbibliothek Basel danke ich für die großzügige und unkomplizierte Bereitstellung der homerischen Fachliteratur, dem Verlag Walter de Gruyter, insbesondere Katharina Legutke und Serena Pirrotta, für die sorgfältige Betreuung der Publikation. An dieser Stelle möchte ich auch den Projekt-Sponsoren meinen persönlichen Dank aussprechen: dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, außerdem den folgenden Basler Institutionen: der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft, der Frey-Clavel-Stiftung, der Max Geldner-Stiftung und der Universität Basel. Mein besonders inniger Dank gilt meinem Mann, der mit nie versiegender Geduld bereit gewesen ist, mit mir über die Interpretation schwieriger Stellen zu diskutieren und sich mit mir über die wunderbare Welt der homerischen Dichtung zu freuen.
Basel, im März 2015
Marina Coray
HINWEISE ZUR BENUTZUNG 1. Im Kommentar sind vier Erklärungs-Ebenen graphisch voneinander abgesetzt (vgl. HK 41): a) In Normaldruck erscheinen die wichtigsten Erläuterungen für Benutzer aller Adressatenkreise. Griechischkenntnisse sind hier nicht vorausgesetzt; griechische Wörter werden in Umschrift wiedergegeben (Ausnahme: Lemmata des LfgrE, s. HK 41 [1]). b) In etwas kleinerer Schrift erscheinen genauere Erklärungen zum griechischen Text. Dieser Teil entspricht einem gräzistischen Standardkommentar. c) In Petit-Druck stehen spezifische Informationen zu verschiedenen Teilgebieten der Homer-Forschung. d) Unter einem Trennstrich erscheint am Fuß der Seite der ‘Elementarteil’, der besonders Schülern und Studenten eine Hilfestellung zur ersten Texterschließung bieten will. Der Elementarteil erklärt neben Prosodie und Metrik v.a. die homerischen Wortformen. Er basiert auf den ‘24 Regeln zur homerischen Sprache’, auf die mit dem Kürzel ‘R’ verwiesen wird. Sehr häufige Phänomene (z.B. fehlendes Augment) werden nicht durchgängig registriert, sondern ca. alle 100 Verse in Erinnerung gerufen. — Auf Angaben zum homerischen Wortschatz wurde weitgehend verzichtet; hierfür sei auf das Spezialwörterbuch von AUTENRIETH/KAEGI verwiesen. Komplexe Probleme werden sowohl im Elementarteil als auch im Hauptkommentar aufgegriffen; im Elementarteil werden sie kurz zusammengefaßt, im Hauptkommentar ausführlicher diskutiert. Solche Stellen sind im Elementarteil durch Pfeil (↑) kenntlich gemacht. Querverweise im Elementarteil (im Typus ‘vgl. 73n.’) beziehen sich dagegen auf notae innerhalb des Elementarteils, nie auf den Hauptkommentar.
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2. Auf die Kapitel des Prolegomena-Bandes wird mit den folgenden Kürzeln verwiesen: FG/FM FOR G HK GT M MYK xxxP STR
Zum Figurenbestand der Ilias: Götter/Menschen Formelhaftigkeit und Mündlichkeit Grammatik der homerischen Sprache Einleitung: Zur Homer-Kommentierung Geschichte des Textes Homerische Metrik (samt Prosodie) Wort-Index Homerisch – Mykenisch Hochgestelltes ‘P’ hinter einem Begriff verweist auf die BegriffsDefinitionen in der ‘Homerischen Poetik in Stichwörtern’.* Zur Struktur der Ilias
In der englischen Ausgabe des Prolegomena-Bandes (Berlin/Boston 2015) sind außerdem folgende Kapitel enthalten: FOR2
Formularity and Orality (erweiterte Fassung)
NTHS
New Trends in Homeric Scholarship
3. Formelsprache Nach dem Vorbild des ‘Ameis-Hentze(-Cauer)’ werden wiederholte Verse und Halbverse regelmäßig registriert (vgl. dazu HK 30); auf andere formelsprachliche Elemente (bes. Versanfangs- und -endformeln) wird nur so häufig hingewiesen, daß der Gesamteindruck von der Formelhaftigkeit der homerischen Sprache vertieft wird. 4. Typische SzenenP Zu jeder Typischen Szene wird im Kommentar an geeigneter Stelle die ‘Idealform’ konstituiert, indem eine kumulative, durchnumerierte Zusammenstellung aller in Ilias und Odyssee vorkommenden charakteristischen Szenen-Elemente vorgelegt wird; die Ziffern der an der kommentierten Stelle tatsächlich aktualisierten Elemente erscheinen fett. Jede weitere Stelle verweist auf die Erstbehandlung und verwendet Numerierung und Fettdruck nach dem gleichen Prinzip.
* Mehrteilige Begriffe wie Dramatische IronieP, Sekundäre FokalisationP und Typische Sze-
neP sind in dem alphabetisch angeordneten Kapitel jeweils unter dem Anfangsbuchstaben des – durch die Majuskel als Teil des Begriffs gekennzeichneten – Adjektivs zu finden.
Hinweise zur Benutzung
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5. Abkürzungen (a) Bibliographische Abkürzungen Die bibliographischen Abkürzungen s. unten S. 271ff. (b) Primärliteratur (zu den verwendeten Textausgaben s. unten S. 274f.) Aisch. ‘Apollod.’ Apoll. Rhod. Arat. Certamen Chrest. Cypr. Diog. Laert. Eur. Eust. fgrE Hdt. Hes. ‘Hes.’ hom.h. h.Ap., h.Bacch., h.Cer., h.Merc., h.Ven. Hyg. Il. Il. parv. Il. Pers. Od. Ov. Pind. Plut. Schol. schol. A (etc.) Soph. Xen.
Aischylos (Ag. = ‘Agamemnon’, Eum. = ‘Eumeniden’) Apollodor zugeschriebene Werke (Bibl. = Bibliotheke) Apollonios Rhodios Aratos (Phain. = Phainomena) Certamen Homeri et Hesiodi, ‘Wettstreit zwischen Homer und Hesiod’ ‘Chrestomathie’ (Inhalts-Angabe des Proklos zum ‘Epischen Kyklos’) ‘Kyprien’ (im ‘Epischen Kyklos’) Diogenes Laertius Euripides (El. = ‘Elektra’, Hec. = ‘Hecuba’) Eustathios frühgriechisches Epos (Sammelbezeichung für Homer, Hesiod und hom. Hymnen) Herodot Hesiod (Op. = Opera, ‘Werke und Tage’; Th. = ‘Theogonie’) Hesiod zugeschriebene Werke (Sc. = Scutum, ‘Schild des Herakles’, fr. = Fragmente) Sammelbezeichnung für die homerischen Hymnen einzelne homerische Hymnen: an Apollon, – an Bacchus/Dionysos, – an Ceres/Demeter, – an Mercurius/Hermes und – an Venus/Aphrodite Hygin (Fab. = Fabulae) ‘Ilias’ Ilias parva, ‘Kleine Ilias’ (im ‘Epischen Kyklos’) Iliou Persis, ‘Zerstörung Troias’ (im ‘Epischen Kyklos’) ‘Odyssee’ Ovid (Met. = ‘Metamorphosen’) Pindar (Isthm., Nem., Ol. = ‘Isthmische, Nemeische, Olympische Oden’ [Siegeslieder], fr. = Fragmente) Plutarch (Thes. = ‘Theseus’) Scholion, Scholien scholion in der Handschrift A (etc.) Sophokles (Ant. = ‘Antigone’, Trach. = ‘Trachinierinnen’) Xenophon (Anab. = Anabasis, ‘Marsch ins Binnenland’)
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Ilias 18 (c) Übrige Abkürzungen (Die allgemein üblichen Abkürzungen und die unter 2. und 3. genannten Kürzel sind hier nicht aufgenommen.) * < > | ↑
rekonstruierte Form entstanden aus geworden zu markiert Vers-Anfang bzw. Vers-Ende verweist vom Elementarteil auf das entsprechende Lemma im Hauptkommentar a/b nach Verszahl bezeichnet die 1. bzw. 2. Vershälfte a/b nach Verszahlbezeichnet nur im app. crit. angeführte Zusatzverse A 1, B 1 (etc.) bezeichnet Zäsuren im Hexameter (vgl. M 6) abh. abhängig a.E. am Ende a.O. am (angegebenen) Ort app. crit. apparatus criticus (West) att., Att. attisch, das Attische Bed., bed. Bedeutung, bedeutet Bez., bez. Bezeichnung, bezeichnet dir., indir. direkt, indirekt ebd. ebendort ep. episch fgrE frühgriechisches Epos fr. Fragment (fragmentum) gr., Gr. griechisch, das Griechische hethit. hethitisch HS Hauptsatz Hs., Hss. Handschrift(en) idg., Idg. indogermanisch, das Indogermanische Introd. Introduction Komp. Kompositum Lit. Literatur metr. metrisch myk., Myk. mykenisch, das Mykenische n., nn. lat. nota, notae* NS Nebensatz prosod. prosodisch * Mit ‘48n.’ wird auf den Kommentar zu Vers 48 innerhalb des vorliegenden Bandes, mit 1.162n. auf den Eintrag zu V. 162 im 1. Gesang verwiesen. – Mit ‘in 19.126 (s.d.)’ od. ‘vgl. 24.229ff. (s.d.)’ wird primär auf die betr. Stellen im Homer-Text, sekundär auf einen oder mehrere Kommentar-Einträge dazu verwiesen (beim ersten Beispiel ist der relevante Kommentar-Eintrag unter 19.126–127 zu finden, beim zweiten steht Einschlägiges unter 24.229– 234 und 24.229–231).
Hinweise zur Benutzung Ptz. sc. s.d. s.o., s.u. s.v., s.vv. svw. t.t. typ. VA VE VH v.l., vv.ll. Vok. vorl. z.St.
Partizip scilicet siehe dort* siehe oben, siehe unten sub voce, sub vocibus soviel wie terminus technicus typisch Vers-Anfang Vers-Ende Vers-Hälfte varia lectio, variae lectiones Vokativ vorliegend zur Stelle
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24 REGELN ZUR HOMERISCHEN SPRACHE (R) Die folgende Zusammenstellung der charakteristischsten Eigenarten der homerischen Sprache legt den Akzent auf die Abweichungen von der attischen Schulgrammatik. Sprachgeschichtliche Erläuterungen sind hier nur ausnahmsweise beigegeben (sie sind in der ‘Grammatik der homerischen Sprache’ [G] im Prolegomena-Band zu finden, auf deren Paragraphen am rechten Rand verwiesen wird). R 1 Die hom. Sprache ist eine Kunstsprache, die geprägt ist durch: 1.1 das Metrum (kann Umgestaltungen aller Art bewirken); 1.2 die Technik der oral poetry (für viele häufig wiederkehrende Inhalte werden Formeln verwendet, oft in metrisch unterschiedlich einsetzbaren Varianten); 1.3 verschiedene Dialekte: Grunddialekt ist das Ionische; dieses ist mit Formen aus anderen Dialekten, insbes. dem Äolischen (sog. Äolismen), durchsetzt, die oft zugleich Varianten nach 1.1 bzw. 1.2 liefern.
G 3 3
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Lautlehre, Metrik, Prosodie R2
Lautwandel ᾱ > η: Im ion. Dialekt ist älteres ᾱ zu η geworden, im 5–8 nicht-att. Ion. (also auch bei Homer) auch nach ε, ι, ρ (1.30: πάτρης).
Bei Homer dennoch nachzuweisendes ᾱ ist im allgemeinen: 2.1 ‘jung’, d.h. nach dem ion.-att. Lautwandel entstanden (1.3: ψυχάς); 2.2 oder aus der äolischen Dichtungstradition übernommen (1.1: θεά). R3
Vokalkürzung: Langvokale (v.a. η) vor Vokal (v.a. ο/ω/α) werden im 39f. Wortinnern häufig gekürzt, aber nicht durchgängig (z.B. G. Pl. βασιλήων statt metrisch unmöglichem viersilbigem -έων; auch die damit verbundene Quantitätenmetathese [Längung des kurzen zweiten Vokals] tritt oft nicht ein [z.B. G. Sg. βασιλῆος statt -έως]).
R4
Digamma (ϝ): Der ion. Dialekt Homers kannte kein Phonem /w/ (wie in engl. will) mehr. Dieses ist aber 4.1 teils im Mykenischen oder in alphabetschriftlichen Dialekten direkt bezeugt (myk. ko-wa /korwā/, korinth. ϙόρϝα); 4.2 teils etymologisch zu erschließen (z.B. hom. κούρη – mit Ersatzdehnung nach Schwund des Digamma – gegenüber att. κόρη);
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2
Ilias 18 Häufig ist das Digamma bei Homer zudem aus dem Metrum erschließbar, nämlich bei 4.3 Hiat (s. R 5) ohne Elision (1.7: Ἀτρεΐδης τε (ϝ)άναξ); 4.4 Hiat ohne Kürzung des langvokalischen Auslauts (1.321: τώ (ϝ)οι, vgl. R 5.5); 4.5 Bildung von sog. Positionslänge bei Einzelkonsonanz (1.70: ὃς (ϝ)είδη). 4.6 Teilweise ist Digamma nicht mehr berücksichtigt (1.21: υἱὸν ἑκηβόλον, urspr. ϝεκ-).
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R5
Hiat: Zusammenprall von vokalischem Auslaut mit vokalischem Anlaut (hiatus ‘Klaffen’) wird vermieden durch: 5.1 Elision: Kurzvokale und -αι in Endungen des Mediums werden elidiert 30/ (1.14: στέµµατ’ ἔχων; 1.117: βούλοµ’ ἐγώ; 5.33: µάρνασθ’ ὁπποτέροι- 37 σι), gelegentlich auch -οι in µοι/σοι (1.170). Aus Elision resultierender Hiat wird belassen (1.2: ἄλγε’ ἔθηκεν). 5.2 Ny ephelkystikon: Nur nach Kurzvokal (ε und ι), v.a. D. Pl. -σι(ν); 33 3. Sg. Impf./Aor./Perf. -ε(ν); 3. Sg. und Pl. -σι(ν); Modalpartikel κε(ν); Suffix -φι(ν), vgl. R 11.4; Suffix -θε(ν), vgl. R 15.1; liefert zugleich metrisch willkommene Varianten. 5.3 Kontraktion über die Wortfuge hinweg (als Krasis notiert: τἄλλα, 31 χἡµεῖς). Hiat ist v.a. zulässig bei: 5.4 Schwund des Digamma (vgl. R 4.3); 5.5 sog. Hiatkürzung: langer Vokal/Diphthong im Auslaut wird gekürzt (1.17: Ἀτρεΐδαι τε καὶ ἄλλοι ἐϋκνήµιδες; 1.15 [mit Synizese: R 7]: χρυσέ͜ῳ ἀνὰ σκήπτρῳ); 5.6 metrischer Zäsur oder allgemein Sinneinschnitt; 5.7 nach -ι und ‘kleinen Wörtern’ wie πρό und ὅ.
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R6
Vokalkontraktion (z.B. nach Ausfall eines intervokalischen /w/ [Di- 43– gamma], /s/ oder /j/) ist in der hom. Sprache häufig nicht durchgeführt 45 (1.74: κέλεαι [2. Sg. Med. statt -ῃ]; 1.103: µένεος [G. Sg. statt -ους]).
R7
Synizese: Gelegentlich müssen zwei Vokale einsilbig gelesen werden, insbesondere bei Quantitätenmetathese (1.1: Πηληϊάδε͜ω: R 3), aber auch beim G. Pl. -έων. (Im Text wird Synizese durch einen Bogen markiert, 1.18: θε͜οί.)
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R8
Zerdehnung (sog. diektasis): Kontrahierte Formen (z.B. ὁρῶντες) werden oft ‘zerdehnt’ wiedergegeben (ὁρόωντες); damit wird die vom Metrum geforderte prosodische Gestalt der älteren, unkontrahierten Formen (*ὁράοντες, ⏖–⏑) künstlich wiederhergestellt. Ähnlich wird im Inf. Aor. -εῖν als -έειν geschrieben (statt älterem *-έεν).
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24 Regeln zur homerischen Sprache (R) Wechsel von Lang- und Kurzkonsonant ergibt metrisch willkommene Varianten (die meist urspr. aus verschiedenen Dialekten stammen: R 1.3): 9.1 τόσ(σ)ος, ποσ(σ)ί, Ὀδυσ(σ)εύς, ἔσ(σ)εσθαι, τελέσ(σ)αι; Ἀχιλ(λ)εύς; ὅπ(π)ως, etc. 9.2 Ähnliche Flexibilität ergibt der Anlautwechsel in π(τ)όλεµος, π(τ)όλις.
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R9
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R 10 Adaptation ans Metrum: Drei (oder mehr) kurze Silben hintereinander 49f. oder eine einzelne zwischen zwei langen (beides unmetrisch) werden vermieden durch: 10.1 metrische Dehnung (ᾱ̓θάνατος, δῑογενής, οὔρεα statt ὄρεα; µένεα πνείοντες statt πνέ-); 10.2 veränderte Wortbildung (πολεµήϊος statt πολέµιος; ἱππιοχαίτης statt ἱππο-).
Formenlehre Die hom. Sprache weist teils vom Attischen abweichende, teils zusätzliche Flexionsformen auf: R 11 Beim Nomen sind insbesondere zu nennen: 11.1 1. Deklination: 68 G. Pl. -άων (1.604: Μουσάων) und -έων (1.273: βουλέων); D. Pl. -ῃσι (2.788: θύρῃσι) und -ῃς (1.238: παλάµῃς); G. Sg. m. -ᾱο (1.203: Ἀτρεΐδαο) und -εω (1.1: Πηληϊάδεω); 11.2 2. Deklination: 69 G. Sg. -οιο (1.19: Πριάµοιο); D. Pl. -οισι (1.179: ἑτάροισι); 11.3 3. Deklination: 70– G. Sg. der i-Stämme: -ιος (2.811: πόλιος) und -ηος (16.395: πόληος); 76 G./D./A. Sg. der ēu-Stämme: -ῆος, -ῆϊ, -ῆα (1.1: Ἀχιλῆος; 1.9: βασιλῆϊ; 1.23: ἱερῆα); D. Pl. -εσσι bei s- und anderen Konsonantstämmen (1.235: ὄρεσσι); 11.4 G./D. Sg./Pl. auf -φι (1.38: ἶφι; 4.452: ὄρεσφι); oft metrisch willkom- 66 mene Variante (z.B. βίηφι neben βίῃ). R 12 Abweichende Stammbildung (und damit Flexion) zeigen u.a. folgende Nomina: 12.1 νηῦς: G. Sg. νηός, νεός, D. νηΐ, A. νῆα, νέα; N. Pl. νῆες, νέες, G. νηῶν, νεῶν, D. νηυσί, νήεσσι, νέεσσι, A. νῆας, νέας. 12.2 πολύς, πολύ (u-Stamm) und πολλός, πολλή, πολλόν (o/ā-Stamm) werden beide durchdekliniert.
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12.3 υἱός: G. Sg. υἱέος, υἷος, D. υἱέϊ, υἱεῖ, υἷϊ, A. υἱόν, υἱέα, υἷα; N. Pl. 53 υἱέες, υἱεῖς, υἷες, G. υἱῶν, D. υἱάσι, υἱοῖσι, A. υἱέας, υἷας. 12.4 Ἄρης: G. Ἄρηος, Ἄρεος, D. Ἄρηϊ, Ἄρεϊ, Ἄρῃ, A. Ἄρηα, Ἄρην, V. 53 Ἆρες, Ἄρες. 12.5 Ähnlich komplexe Flexionsreihen noch bei γόνυ (G. γούνατος neben 53/ γουνός, N./A. Pl. γούνατα nb. γοῦνα), δόρυ (δούρατος, -τι etc. neben 77 δουρός, -ί etc.); Ζεύς (Δ∆ιός, Δ∆ιΐ, Δ∆ία nb. Ζηνός, Ζηνί, Ζῆν/Ζῆνα). R 13 Ungewohnte Steigerungsformen sind u.a.: χερείων, χειρότερος, χερειότερος (neben χείρων); ἀρείων (neben ἀµείνων). Auch zu Substantiven können Steigerungsformen treten, z.B. βασιλεύτερος, βασιλεύτατος.
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R 14 Abweichende Pronominalformen: 14.1 Personalpronomen: 1. Sg. G. ἐµεῖο, ἐµέο, µεο, ἐµέθεν (sehr selten: µοι, z.B. 1.37) 2. Sg. G. σεῖο, σέο, σεο, σέθεν; D. τοι 3. Sg. G. εἷο, ἕο, ἕθεν, ἑθεν; D. οἷ, ἑοῖ, οἱ; A. ἕ, ἑέ, ἑ, µιν 1. Pl. N. ἄµµες; G. ἡµέων, ἡµείων; D. ἧµιν, ἄµµι; A. ἡµέας, ἄµµε 2. Pl. N. ὔµµες; G. ὑµέων, ὑµείων; D. ὔµµι; A. ὑµέας, ὔµµε 3. Pl. G. σφείων, σφεων; D. σφισι, σφι; A. σφέας, σφε, σφεας, σφας 1. Dual N./A. νώ, νῶϊ; G./D. νῶϊν 2. Dual N./A. σφώ, σφῶϊ; G./D. σφῶϊν 3. Dual N./A. σφωε; G./D. σφωϊν
81
14.2 Interrogativ-/Indefinitpronomen: G. Sg. τέο/τεο; D. Sg. τεῳ; G. Pl. τέων; entsprechend ὅττεο, ὅτεῳ etc.
84
14.3 Demonstrativ-anaphorisches Pronomen (= ‘Artikel’, vgl. R 17): gleiche Endungen wie bei den Nomina (R 11.1–2); N. Pl. m./f. oft mit anlautendem τ (τοί, ταί).
83
14.4 Possessivpronomen: 1. Pl. 2. Sg./Pl. τεός 3. Sg./Pl. ἑός, ὅς
82
ᾱ̔µός ῡ̔µός σφός
14.5 Relativpronomen: Als Relativpronomen fungiert häufig das demonstrativ-anaphorische Pronomen (14.3).
83
R 15 Die kasusähnlichen Adverbbildungen stehen im Grenzbereich Formenlehre/Wortbildung. Sie können metrisch willkommene Varianten zu den echten Kasus bilden: 15.1 ‘Genetiv’: -θεν (woher?, s. auch R 14.1), z.B. κλισίηθεν (1.391); 15.2 ‘Dativ’: -θι (wo?), z.B. οἴκοθι (8.513); 15.3 ‘Akkusativ’: -δε (wohin?), z.B. ἀγορήνδε (1.54).
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24 Regeln zur homerischen Sprache (R)
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R 16 Beim Verb verdienen besondere Beachtung: 16.1 Augment: fehlt häufig (was zu Assimilation führen kann, z.B. ἔµβαλε statt ἐνέβαλε, κάλλιπον statt κατέλιπον, vgl. R 20.1); dient der Anpassung ans Metrum.
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16.2 Personalendungen: 86/ 2. Sg. -θα (1.554: ἐθέλῃσθα) 93 1. Pl. Med. -µεσθα neben -µεθα (1.140: µεταφρασόµεσθα) 3. Pl. Med. (v.a. Perf.) -ᾰται/-ᾰτο neben -νται/-ντο (1.239: εἰρύαται) 3. Pl. -ν (mit vorangehendem Kurzvokal) neben -σαν (mit entsprechendem Langvokal), v.a. Aor. Pass. -θεν neben -θησαν (1.57: ἤγερθεν) Oft liegt der Unterschied zu att. Formen lediglich in der nicht vollzogenen Kontraktion (vgl. R 6) zwischen Verbalstamm und Endung. 16.3 Konjunktiv: bei athemat. Stämmen oft kurzvokalisch (ἴοµεν zu εἶµι, εἴδοµεν zu οἶδα); bei σ-Aoristen dann gleichlautend mit dem Ind. Fut. (1.80: χώσεται). – Ausgang der 3. Sg. Konj. neben -ῃ auch -ησι(ν) (1.408: ἐθέλησιν).
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16.4 Infinitiv: äol. -µεν(αι) (v.a. athemat. Verben) neben ion. -ναι (z.B. ἔµ(µ)εν und ἔµ(µ)εναι neben εἶναι); äol. -ῆναι neben ion. -εῖν (2.107: φορῆναι); them. -έµεν(αι) (1.547: ἀκουέµεν; Od. 11.380: ἀκουέµεναι); them. Aor. -έειν (2.393: φυγέειν; 15.289: θανέειν).
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16.5 Formen mit -σκ- stehen für wiederholte Handlungen in der Vergangenheit (1.490: πωλέσκετο).
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16.6 Als abweichende Formen von εἰµί sind v.a. zu merken: Ind. Präs.: 2. Sg. ἐσσι u. εἶς, 1. Pl. εἰµεν, 3. Pl. ἔασι(ν); Impf.: 1. Sg. ἦα, 3. Sg. ἦεν u. ἔην, 3. Pl. ἔσαν (vgl. 16.1); Fut.: 3. Sg. ἔσ(σ)εται; Ptz. ἐών, -όντος; zum Inf. 16.4.
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Syntax R 17 ὅ, ἥ, τό (zur Flexion R 14.3) ist selten ‘reiner Artikel’, sondern hat überwiegend die ältere, demonstrativ-anaphorische Funktion. R 18 Numerus: 18.1 Der Dual ist relativ häufig; Dual- und Pluralformen können frei kombiniert werden. 18.2 Der Plural dient gelegentlich nur der Anpassung ans Metrum (1.45: τόξα).
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R 19 Kasusgebrauch: 19.1 Akkusativ der Beziehung ist besonders häufig (u.a. im sog. σχῆµα καθ’ ὅλον καὶ κατὰ µέρος: zwei Akkusative bezeichnen je das Ganze und einen Teil davon, 1.362: τί δέ σε φρένας ἵκετο πένθος;). 19.2 Gelegentlich erfolgen lokale Herkunfts-, Orts- und Richtungsangaben ohne Präposition (1.359: ἀνέδυ … ἁλός; 1.45: τόξ᾿ ὤµοισιν ἔχων; 1.322: ἔρχεσθον κλισίην). R 20 Präpositionen: 20.1 Weisen eine größere Formenvielfalt auf: ἄν (= ἀνά; apokopiert, oft mit Assimilation: ἂµ πεδίον, 5.87; vgl. R 16.1); ἐς (= εἰς); εἰν, ἐνί, εἰνί (= ἐν); κάτ (= κατά; s. zu ἀνά); πάρ, παραί (= παρά); προτί, ποτί (= πρός); ξύν (= σύν); ὑπαί (= ὑπό); 20.2 sind in Verwendung und Stellung unabhängiger (1) in bezug auf das Nomen (d.h. eher adverbiell gebraucht), oft auch nachgestellt als Postposition, sog. Anastrophe (und dann häufig mit Akut auf der Anfangssilbe: z.B. ᾧ ἔπι, 1.162); (2) in bezug auf das Verb (d.h. nicht zwingend als Präverb mit dem zugehörigen Verb verbunden, sog. Tmesis: ἐπὶ µῦθον ἔτελλε, 1.25); dies liefert metrisch willkommene Varianten.
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R 21 Modusgebrauch: 100 21.1 Der Modusgebrauch und die Verwendung der Modalpartikel (κε/κεν = ἄν) sind weniger streng geregelt, als in der att. Schulgrammatik beschrieben. 21.2 Die Funktionen von Konjunktiv und Futur lassen sich nicht immer scharf trennen. R 22 Charakteristisch homerische Konjunktionen sind: 101 22.1 kondizional: αἰ (= εἰ); 22.2 temporal: εἷος/εἵως (= ἕως, ebenfalls belegt) ‘während’, ἦµος ‘als’, εὖτε ‘als’, ὄφρα ‘während, bis’; 22.3 kausal: ὅ τι, ὅ; 22.4 komparativ: ἠΰτε ‘wie’; 22.5 final: ὄφρα. R 23 Diathesenwechsel: Bei manchen Verben werden Akt.- und Med.-For- 100 men als metrisch willkommene Varianten ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied verwendet, z.B. φάτο/ἔφη, ὀΐω/ὀΐοµαι. R 24 Partikeln mit teilweise vom späteren Gebrauch abweichenden Verwen- 101 dungsweisen: 24.1 ἄρα, ἄρ, ῥα, ῥ’: signalisiert oder suggeriert Evidenz, etwa ‘ja, (denn) also, natürlich’; oft wohl v.a. aus metrischen Gründen gesetzt (bes. ῥ’ zur Hiatvermeidung, vgl. R 5).
24 Regeln zur homerischen Sprache (R) 24.2 ἀτάρ, αὐτάρ (etymolog. zu trennen, aber bei Homer nach metrischen Gesichtspunkten ohne Bedeutungsunterschied verwendet): ‘aber, doch’; teils adversativ (1.127: σὺ µὲν … αὐτὰρ Ἀχαιοί), teils progressiv (1.51: αὐτὰρ ἔπειτα), seltener apodotisch (wie δέ, s.d.). 24.3 Apodotisches δέ: δέ kann nach vorausgehendem Nebensatz (Protasis) den Hauptsatz (Apodosis) einleiten (z.B. 1.58). Gelegentlich werden auch ἀλλά (z.B. 1.82), αὐτάρ (z.B. 3.290, vgl. 1.133) und καί (z.B. 1.494) apodotisch verwendet. 24.4 ἦ: ‘wirklich, in der Tat’; fast ausschließlich in direkten Reden. – Abgeschwächt in den Verbindungen ἤτοι (z.B. 1.68), ἠµὲν … ἠδέ ‘einerseits … andererseits’ und ἠδέ ‘und’. 24.5 κε(ν): = ἄν (vgl. R 21.1). 24.6 µέν: nicht nur als Vorbereitung einer Antithese (mit nachfolgendem δέ), sondern häufig noch in seiner urspr. rein emphatischen Bedeutung (≈ µήν, µάν; z.B. 1.216). 24.7 µήν, µάν: hervorhebend; wenn alleinstehend, bei Homer fast nur in neg. Aussagen (z.B. 4.512) und bei Imperativen (z.B. 1.302); sonst verstärkend bei anderen Partikeln, bes. ἦ und καί (z.B. 2.370, 19.45). 24.8 οὐδέ/µηδέ: konnektives οὐδέ/µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen. 24.9 οὖν: fast nur in Verbindung mit temporalem ἐπεί und ὡς, ‘(als) nun also’ (z.B. 1.57). 24.10 περ: betont das vorangehende Wort; spez. konzessiv, bes. bei Partizipien (1.586: κηδοµένη περ ‘wenn auch betrübt’); steigernd (1.260: ἀρείοσι ἠέ περ ὑµῖν ‘mit noch Besseren als euch’); limitativ-kontrastierend (1.353: τιµήν περ ‘wenigstens Ehre’). 24.11 ‘Episches τε’: steht in generalisierenden Aussagen (z.B. 1.86, 1.218), bes. häufig auch im ‘Wie-Teil’ von Gleichnissen (z.B. 2.90). 24.12 τοι: zur Partikel erstarrter dat. ethicus des Personalpron. der 2. Person (und oft nicht klar von diesem zu unterscheiden); appelliert an die besondere Aufmerksamkeit des Adressaten, etwa ‘⟨denk⟩ dir, ⟨sag’ ich⟩ dir’. 24.13 τοιγάρ: ‘daher’ (von τοι ≈ σοι zu trennen; das Vorderglied gehört zum Demonstrativstamm το-, vgl. τώ ‘darum’); leitet bei Homer stets die Antwort auf eine Bitte ein (z.B. 1.76).
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TABELLARISCHER ÜBERBLICK
ÜBER DIE HANDLUNG DES 18. GESANGS
1–147
Klage um Patroklos. 1–34 35–147
148–242
Achilleus erhält die Nachricht von Patroklos’ Tod. Thetis sorgt sich um ihren Sohn Achilleus. Sie bricht zu Hephaistos auf, um neue Waffen zu erbitten. Ende des Kampftages. Bergung von Patroklos’ Leichnam. Im Kampf um Patroklos’ Leichnam sind die Achaier in große Bedrängnis geraten. Seine Rettung gelingt erst, als Achilleus, aufgefordert durch die Götterbotin Iris, eingreift und sich den Troern mit Athenes Hilfe als furchterregende Erscheinung zeigt. Der Tag endet mit der Bergung des Leichnams.
243–355
Im Heerlager der Troer und Achaier.
243–314a
Die Troer beraten nach dem für sie unvorteilhaften Ausgang der Schlacht in einer Heeresversammlung die Strategie für den kommenden Tag. Beeinflußt durch die Göttin Athene mißachten sie dabei den Rat des Polydamas, sich hinter die Stadtmauern zurückzuziehen, und folgen stattdessen dem Plan ihres Heerführers Hektor, ihr Lager im freien Feld außerhalb der Stadt zu belassen.
314b–355
Achilleus und die Myrmidonen richten Patroklos’ Leichnam für die Aufbahrung (Prothesis) her und halten die ganze Nacht hindurch Totenklage.
356–467
Gespräche unter Göttern auf dem Olymp.
356–368
Zeus und Hera unterhalten sich über die Einflußnahme Heras zugunsten der Achaier.
369–467
Thetis erreicht den Olymp, trifft Hephaistos bei der Arbeit an und wird zunächst von dessen Gattin, dann von ihm selbst freundlich
Tabellarischer Überblick über die Handlung
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empfangen. Ihrer Bitte um neue Waffen für ihren Sohn kommt der Schmiedegott sogleich nach. 468–617
Die Fertigung von Achills Rüstung.
468–477
Vorbereitungen für die sog. Hoplo-poiie (‘Waffen-Fertigung’): Hephaistos richtet in der Schmiedewerkstatt die Feuerstelle her und legt das Material und sein Werkzeug bereit (versch. Metalle sowie Amboß, Hammer, Zange).
478–608
Beginn der eigentlichen Hoplopoiie: Hephaistos schmiedet den Schild des Achilleus.
609–617
Hephaistos schmiedet die restlichen Defensivwaffen: Brustpanzer, Helm und Beinschienen. Nach der Waffenherstellung verläßt Thetis mit ihnen sogleich den Olymp.
KOMMENTAR Der 18. Gesang schildert die letzten Ereignisse des 3. Kampftages der Ilias (d.h. des 26. Tages der Ilias-Handlung insgesamt: STR 21 Abb. 1), der die Gesänge 11–18 umfaßt (239–242n.); zu den bisherigen Ereignissen dieses Kampftages s. die Einleitungen in den Kommentarbänden zu den Gesängen 14 und 16. Beim Einsetzen des 18. Gesanges ist Patroklos tot, der Kampf um seinen Leichnam in vollem Gang, Achills Waffen, die Patroklos getragen hatte, sind dem Feind in die Hände gefallen (zu Patroklos’ Tod s. die Verweise auf den Kommentar des 16. Gesanges in den nn. zu den Vv. 453–456). Was den Griechen nicht gelingen will, nämlich wenigstens den Leichnam vor Hektor und den Troern zu retten (17.1–18.164: 148–164n.), schafft Achilleus mit göttlicher Hilfe, nachdem er zu Beginn des 18. Gesanges die Nachricht vom Tod seines Freundes erhalten hat; er ist zwar waffenlos, aber mit der Unterstützung der Athene gelingt ihm ein furchteinflößender Auftritt am Rand des Schiffslagers (in Anlehnung an eine Epiphanie gestaltet: 203–221n.): die Troer fliehen in Panik, der tote Patroklos kann ins Lager zurückgebracht und für die Totenklage aufgebahrt werden (230–242). Der Rest des Gesanges schildert Ereignisse, die sich in der Nacht zwischen dem 3. und dem 4. (und letzten) Kampftag der Ilias abspielen: Totenklage, strategische Beratung der Troer, Herstellung neuer Waffen für Achilleus durch den Schmiedegott Hephaistos. Insgesamt bereitet der 18. Gesang auf verschiedene Arten den Abschluß von Achills Groll und seinen Wiedereintritt in die Heeresgemeinschaft der Griechen im 19. Gesang vor und leitet so zur Schlußphase der Ilias über: (a) der ErzählerP läßt mehrfach FigurenP Rückschau auf die ‘Menis’-Handlung halten oder vergangene Ereignisse rekapitulieren (‘récit spéculaire’), nämlich in Reden von Thetis (74–77, 436–461: s.d. und bes. nn. zu den Vv. 444–456) und von Achilleus (98–113, 125, 324–332), auf seiten der Troer von Polydamas (257–260) und Hektor (293f.), eher andeutungsweise im Gespräch zwischen Zeus und Hera (356–368 [s.d.]); indirekt tut er dies auch in der Gestaltung gewisser Bilder auf dem Schild des Achilleus (478–608n. Abschn. B.2.b.); (b) er läßt Achilleus wie Hektor den Entschluß zum Kampf gegeneinander fassen (90ff., 114ff., 334f. bzw. 305ff.) und bereitet so den Zweikampf der beiden im 22. Gesang vor; und mit seinem Kommentar zum Ergebnis der Heeresversammlung der Troer (310–313) signalisiert er, daß das Kampfglück der Troer zu Ende ist und eine
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Ilias 18
Wende im Kampfverlauf eintreten wird; (c) die Herstellung neuer Waffen für Achilleus (468–617) macht dessen Wiedereintritt in den Kampf möglich und bereitet seine Teilnahme an der Schlacht des folgenden Tages vor (19.424–23.4) – der ersten innerhalb der Ilias, an der er aktiv teilnimmt; Herkunftsgeschichte und Beschreibung von Waffenteilen sind sonst in Rüstungsszenen integriert, in diesem besonderen Fall jedoch aus dem Schema herausgehoben und vorweggenommen (18.369–19.3) – die Rüstungsszene folgt 19.364–398 (478n.): der ErzählerP gestaltet eine Szene der Herstellung der Waffen, v.a. des Schildes, die eine Atempause vor dem Rachezug Achills schafft und auch die Möglichkeit zur Reflexion über künstlerisches Schaffen bietet. – Zwei Themen ziehen sich durch den ganzen Gesang: (1) Achills Waffen: (a) der Verlust der ersten, von Peleus ererbten Rüstung (21, 82–85, 130–133, 188, 197, 451–456, 460b), (b) der waffen-lose Achill (134f., 189f., 192f., 203–206), (c) die neue Rüstung aus der Werkstatt des Hephaistos (136f., 143f., 147, 191, 457– 460a, 466–617, s. auch 19.3–22); (2) Achills Tod: sowohl seine Mutter als auch v.a. er selbst setzen sich wiederholt mit seiner Sterblichkeit auseinander, zumal sein Entschluß zur Rache an Hektor den eigenen Tod unausweichlich näher rücken läßt (59f., 86–93, 95f., 98–101, 114–121a, 329–333, 432–443, 464f., s. auch 19.408– 423). Einen Überblick über die Handlung des 18. Gesanges bieten folgende Einträge: tabellarische Übersicht (s.o. S. 8f.), innerhalb der Vers-Kommentierung die Einträge 1–147n., 134–144n., 145–147n., 239–242n., 243–314a n., 254–309n., 315n., 343–355n., 356–368n., 369–427n., 429–461n., 468–617n. (‘Hoplopoiie’ insgesamt), 478–608n. Abschn. B.1.b. (Schild). Einträge zu einzelnen Themen: Achilleus’ Tod: 22–147n., insbesondere (a) Vorverweise: 88–93n., 95–96n., 114–126n., 328– 332n., 333–342n., (b) Klage um Patroklos als Spiegelung der Trauer um Achilleus: 28– 31n., 37–72n., (c) Sterblichkeit vs. göttliche Überhöhung und göttliche Unterstützung: 117– 121a n., 464–467n. Bestattungsriten: 336–337n., 343–355n., 352–353n. ‘Hoplopoiie’, v.a. der Schild des Achilleus: 468–617n., 478–608n. Abschn. B.1.–B.4., 478– 482n. Musik, Gesang und Tanz: 491b–496n., 493n., 494n., 495a n., 570n., 571–572n., 590–606n., 592n., 593–602n., 594n., 603–604a n., 605b–606n. Neoanalyse: 17n., 26–27n., 37–72n., 95–96n., 130–137n. a.E., 453–456n. a.E. Nereïden-Katalog: 39–49n. (zu den einzelnen Namen s. nn. zu den Vv.) Totenklage: 23–27n., 28–31n., 37–72n., 55–60n., 56–57n., 315n., 316n., 317n., 324–342n. FigurenP: Antilochos: 2n., 17n. Charis: 382n. Hektor: 92n., 285–309n., 286–292n., 243–314a n.
Kommentar
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Hephaistos: 369–381n., 370–371n., 383n., 394–409n., 395–397a n., 400n.; seine wunderbaren Objekte: 376n., 417–420n., 419–420n., 469n. Hera: 119n., 168n., 356–368n. Polydamas: 249–253n., 251–252n. Thetis: 85n., 394–409n., 429–461n., 432–434a n., 434a n. Poetologisches: GleichnisseP und VergleicheP: 109–110n., 161–164n., 203–221n., 207–227n., 207–214n., 219–221n., 318b–322n., 318b n., 478–608n. Abschn. B.2.b. (zu 4b), 579–586n., 600– 601n., 616–617n. Typische SzenenP und Typische EreignissequenzenP (alphabetisch): ‘Ankleiden’ 414–416n.; ‘Ankunft’ und ‘Besuch’ 369–427n.; ‘Botengang’ 1–22a n., 166–202n.; ‘Hikesie’ (457n.); ‘Hinterhalt’ 513n.; ‘Ortsveränderung einer Gottheit’ 65–72n.; ‘Wiedereintritt eines Kriegers in den Kampf’ 203–221n. ‘récit spéculaire’: 444–456n., 478–608n. Abschn. B.2.b. ‘table of contents’ speech: 134–144n., 333–342n. ‘Wenn nicht’-Situationen: 165–168n.
1–147 Klage um Patroklos Der Gesang beginnt mit einer Überleitung vom Kampf um Patroklos’ Leichnam (V. 1), dessen Schilderung sich durch den 17. Gesang erstreckt hat und 18.148bff. fortgesetzt wird, zu Achilleus (V. 2), der von jetzt an wieder stärker im Zentrum des Geschehens steht. Bei seinem letzten Auftritt hatte er Zeus um Patroklos’ Wohlergehen gebeten und sich daran gemacht, die Schlacht zu beobachten (16.220–256: 16.255–256n.). In den Kampfschilderungen, die auf Patroklos’ Tod folgen (zu den Ereignissen, die dazu führten, s. die Einleitung zum 16. Gesang), wird er als völlig ahnungslos in bezug auf Patroklos’ Schicksal beschrieben (17.401b–406a); Aias sowie Menelaos sorgen dafür, daß er durch Antilochos vom Tod des Freundes unterrichtet wird (17.640–642, 654f., 691f., 701, 708f.: RUTHERFORD 1982, 155). Zu Beginn der Szene rücken nach der Erwähnung der äußeren Situation (18.2f.) Achills Gedanken und Befürchtungen angesichts der Bedrängnis der Griechen in den Vordergrund, vom Erzähler zuerst angedeutet (4), danach in einer Rede Achills ausgeführt (6–14), werden sie schließlich durch Antilochos bestätigt (18–21). Den weiteren Raum der Erzählung bis zur Rückkehr zur Kampfschilderung (148b) nimmt die Reaktion der Figuren auf die Todesnachricht ein: Achill ist von Schmerz und Trauer um den Freund überwältigt (22– 35a), Thetis sorgt sich in böser Vorahnung um den Sohn (35b–64), Achill schildert der Mutter seine Situation (65–147). Zur Gestaltung dieser Szenen im ganzen s. SCHADEWALDT (1936) 1965, 245–256; EDWARDS zu 1–69. 1–34 Achilleus erhält die Nachricht von Patroklos’ Tod. 1–22a Die Vv. 2–22 bilden den Abschluß der Typischen SzeneP ‘Botengang’ (dazu 1.320–348a n.) mit den Elementen (3) Bote kommt an (V. 2), (4) findet den Ge-
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Ilias 18
suchten (Situationsschilderung Vv. 3–15), (5) tritt heran (Vv. 16–17a), (6) richtet Botschaft aus (Vv. 17b–22a); die Elemente 1–2 (Auftrag und Aufbruch) gehen in 17.684–701 voraus. Die in die Typ. Szene eingeschobenen Kampfschilderungen 17.702–18.1 – die vorliegende Bucheinteilung ist erst in nachhom. Zeit etabliert worden (1n.) – dienen u.a. dazu, die Zeitspanne von Antilochos’ Weg aus der Schlacht bis ins Schiffslager zu überbrücken (DeckszeneP; vgl. 6.119–236n.; KURZ 1966, 162; zur Frage der Darstellungstechnik von gleichzeitigen Handlungen s. RICHARDSON 1990, 225–227 Anm. 14; RENGAKOS 1995). 1 = 11.596, 13.673; bis Zäsur C 2 = 17.366. — So …: summarische Zusammenfassung der vorausgehenden Kampfschilderungen zwischen Griechen und Troern. Die VA-Formel ‘so … diese’ (gr. hōs hoi men, s.u.) bereitet den Szenenwechsel vor (hier die Rückkehr zur Botenszene: 1–22a n.); diese Formel wurde bei der – erst nachhomerischen – Einteilung der Ilias in 24 Gesänge öfter als Buchgrenze gewählt (16.1n. mit Lit.; DE JONG zu Il. 22.1–4) und ist hier dem anderen Handlungseinschnitt, dem Einbruch der Nacht in V. 239, vorgezogen (WEST 2011, 343; vgl. 1.605–611n., 19.1–39n.). — Feuer: Der VergleichP mit Feuer dient oft der Charakterisierung eines hitzigen Kampfes (ROLLINGER 1996, 166ff. [mit altoriental. Parallelen]; STOEVESANDT 2004, 414f.), hier bei der Verteidigung von Patroklos’ Leichnam, den die Troer zu erbeuten drohen (17.722ff.). ὣς οἳ µέν: flektierbare VA-Formel (26× Il., 23× Od.), oft mit Verb im Impf. verbunden; µὲν … | … δ(έ) verknüpft hier, wie öfter, gleichzeitige Handlungen, wobei das Impf. anzeigt, daß die vorausgehende, summarisch genannte als Hintergrundhandlung weiterläuft (RENGAKOS 1995, 30; SEECK 1998, 139–142; vgl. auch 1.318a n., 19.3n., 24.22n.; zur Erklärung in den Scholien [sog. παραγραφή] NÜNLIST 2009, 60). — µάρναντο: Das nur im Präs.-Stamm belegte Verb ist eine metr. bequeme Variante für µάχεσθαι, hat aber einen archaischeren Charakter (24.395n.). — δέµας πυρὸς αἰθοµένοιο: Der adverbial gebrauchte Akk. δέµας (‘wie’) ist im fgrE nur in der vorl. Wendung belegt (s. Iterata; CHANTR. 2.48; LfgrE); π. αἰ. ist VE-Formel (7× Il., 2× Od., 3× Hes.).
2 Antilochos: Der Nestor-Sohn Antilochos (FM 4) ist Achills liebster Freund nach Patroklos (23.556, Od. 24.15f., 24.78f.) und gilt als der schnellste unter den jungen Kämpfern (Il. 15.569f., 23.756), eine Eigenschaft, die er mit Achill teilt (78n.); daher wurde er hier als Überbringer der Nachricht gewählt (17.640–642, 17.654f., 17.691–693): JANKO zu 15.568–71. Ἀντίλοχος δ’ Ἀχιλῆϊ πόδας ταχύς: Durch die Kontaktstellung der Namen entsteht eine enge Verbindung zwischen Bote und Empfänger der Botschaft; die Aufmerksamkeit geht sogleich auf Achill über (KURZ 1966, 121). πόδας ταχύς ist eine flektierbare Formel
1 οἵ: mit demonstr.-anaphor. Funktion (R 17); ebenso τόν (3) u.ö. — µάρναντο: zur augmentlosen Form R 16.1. — αἰθοµένοιο: zur Flexion R 11.2. 2 Ἀχιλῆϊ: zur Flexion R 11.3; zum einfachen -λ- R 9.1. — πόδας … ἄγγελος: prädikativ, ‘als’; πόδας ist Akk. der Beziehung (R 19.1).
Kommentar
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vor der Zäsur C 2 (Nom./Akk. Sg.: 8× Il., 1× ‘Hes.’ fr. 204.88 M.-W.), sonst häufig auf Achill selbst bezogen (insgesamt 5×; vgl. hier den Anklang an Ἀχιλῆα πόδας ταχύν 13.348, 17.709, 18.358 und π. τ. … Ἀχιλῆα 18.354, Varianten zu der häufigeren VEFormel πόδας ὠκὺς Ἀ. [30× Il.]). Durch diese Verwendung der Formel wird die Schnelligkeit als Eigenschaft beider hervorgehoben (vgl. EDWARDS zu 1–2; ALONI 1979, 221–223). — ἄγγελος ἦλθεν: flektierbare Junktur an versch. Verspositionen (24.194n.).
3–5 fand: In hom. Ankunftsszenen erfolgt die Situationsschilderung (hier ‘Botengang’ Element 4) meist aus der Sicht des Ankommenden (1.329–333n., 2.169– 171n.; vgl. auch die Typ. SzeneP ‘Ankunft’ 1.496b–502n.). Hier ist die Szene jedoch nicht in gleichem Maße sekundär fokalisiertP, denn es wird nicht, wie sonst häufig, die sichtbare Haltung oder Beschäftigung der gesuchten Figur beschrieben (z.B. stehend od. sitzend: 2.170n., liegend 19.4 [s.d.]), oder Anzeichen, die ihre Stimmung erkennen lassen (z.B. 24.123 Seufzen), sondern der Erzähler lenkt die Aufmerksamkeit sogleich auf ihre Gedanken (4 ‘bedenkend’, gr. phronéont’), die zeigen, daß sie bereits befürchtet, wovon der Bote gleich berichten wird (EDWARDS zu 1–69; KURZ 1966, 66; DE JONG [1987] 2004, 108f.). Denn trotz der Einleitung mit ‘sprach er zu …’ (zur Rede-EinleitungsformelP 5n.) und der Wiedergabe in der Form einer direkten Rede ist die ganze Rede Achills als innerer Monolog aufzufassen, vgl. auch den Rede-Abschluß V. 15 (PELLICCIA 1995, 128– 134; KULLMANN [1999] 2002, 180–182; LÉTOUBLON 2001, 248–257, bes. 250f.). Solche inneren Monologe dienen u.a. dazu, die Einsamkeit einer Figur darzustellen (PELLICCIA a.O. 134ff., bes. 141–146. 218 Anm. 196). Sie lassen sich in Entscheidungsmonologe (dazu 2.3–7n., 16.431–461n.; DE JONG zu Il. 22.91–137) und Überlegungsmonologe einteilen, wobei letztere jeweils durch eine Beobachtung ausgelöst sind, hier der Flucht der Griechen (6f., vgl. 17.755–761, 18.148– 150): DE JONG zu Od. 5.299–312; HENTZE 1904, 14–16; PELLICCIA 1995, 120– 128 (bes. 121f.). 3 ≈ 19.344. — Schiffen: Achilleus verfolgt von seinem Schiff aus den Verlauf der Kämpfe (vgl. 11.599ff.). – Die Schiffe der Achaier waren an Land gezogen worden und in einem bogenförmigen Halbkreis in Reihen-Staffelung nebeneinander aufgestellt; Achills Schiff befindet sich – mit Blick in Richtung troische Ebene und Troia – am rechten Ende des Schiffslagers (11.7–9): 1.12b n.; Skizzen bei HAINSWORTH zu Il. 11.5–9 u. JANKO zu 13.681; zur Lokalisierung des Schiffslagers s. die Appendix topographica zum 14. Gesang. νεῶν ὀρθοκραιράων: zu Bed. und Verwendung des EpithetonsP (‘mit emporgerichteten Hörnern’, viell. mit Bezug auf Bug- und Hecksteven) 19.344n.
4–5 Der gr. Begriff thymós bezeichnet teils den Sitz von Emotionen (‘Sinn, Herz, Gemüt’, als die von Affekten betroffene innere Instanz), teils diese selbst; zudem kann er auch Träger intellektueller Prozesse sein, hier gr. phronéont’ (2.196n., 3 νεῶν: zur Flexion R 12.1. — ὀρθοκραιράων: zur Flexion R 11.1.
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6.72n.; LfgrE s.v. θυµός 1085.22ff.; BREMMER 1983, 54f.). Zur Diskussion über die Frage, ob er auch Stellvertreter für das Ich sei, s. LfgrE s.v. θυµός 1085.37ff.; BÖHME 1929, 79f.; VOIGT 1934, 90; JAHN 1987, 20–23. 212–220. 225–232; SULLIVAN 1995, 58. 4 ≈ 2.36 (s.d.); 1. VH ≈ 10.491, Od. 2.116; VE ≈ Il. 8.454. — τά: zur vorausweisenddemonstr. Funktion vor Rel.-Satz G 99. — φρονέοντ(α): ‘im Sinn habend’, mit Bezug auf Zukünftiges ‘sich vorstellend’, hier einen Sachverhalt, der sich abgespielt haben könnte (AH: ‘ahnend’; LfgrE s.v. 1043.4ff.). — ἀνὰ θυµόν: Formel vor der Zäsur B 2 zur Angabe der seelisch-geistigen Instanz bei inneren Vorgängen (2.36n., 24.518n., vgl. auch 15n.). — τετελεσµένα ἦεν: flektierbare VE-Formel τετελεσµένος/-ον/-α + Formen von εἶναι (12× Il., 11× Od., 1× hom.h.; davon 14× Fut., 5× Präs., 3× Opt., 2× Impf.); der Hiat ist auf Formelmodifikation (M 14) zurückzuführen. Die mit Ptz. Perf. + εἶναι umschriebene Verbform betont das Endgültige (1.212n.): Der Erzähler legt hier Wert darauf, die Intimität von Achill und Patroklos dadurch fühlbar zu machen, daß er Achill genau das ahnen läßt, was tatsächlich (δή: wie ja bereits erzählt) geschehen ist (EDWARDS 1968, 262 u. zu 3–4; FINKELBERG 1988, 207. 210; zu δή BAKKER 1997, 74–80, bes. 78: “draws the hearer into the story”; CUYPERS 2005, 55–58).
5 = 11.403, 17.90, 20.343, 21.53, 21.552, 22.98, Od. 5.298, 5.355, 5.407, 5.464. – Formelvers zur Einleitung eines inneren Monologs (3–5n.; DE JONG zu Il. 22.98; LfgE s.v. ὀχθῆσαι; USENER 1990, 86f.). Hier werden mit diesem Mittel die Beunruhigung Achills über die Flucht der Griechen (6f.), seine Angst um Patroklos (8–12) und sein Unmut über Patroklos’ Kampfesdrang (13f.) wesentlich eindringlicher nachfühlbar gemacht, als es eine auktoriale Beschreibung leisten könnte. ὀχθήσας δ’ ἄρα εἶπε: VA-Formel (8× Il., 5× Od.). — µεγαλήτορα θυµόν: flektierbare VE-Formel (Dat./Akk.: 11× Il., 6× Od., 1× Hes.). µεγαλήτορα (‘mit großer Energie’: LfgrE) ist generisches EpithetonP von versch. Handlungsfiguren und von θυµός (6.283n., 22.98n.).
6–14 Im Zentrum des ringkompositorischP angeordneten Monologs steht die Erinnerung an eine Prophezeiung von Achills Mutter Thetis; zur RingkompositionP gehören die rahmenden Vv. 4f./15 und 2/16f. und die Rede selbst, bestehend aus: (A) momentaner Beobachtung der Flucht zu den Schiffen (6f.), (B) Besorgnis über drohendes Unheil (8), (C) Erinnerung an die Prophezeiung (9–11), (B’) Vermutung, daß die Befürchtung Wirklichkeit ist (12–13a), (A’) damaligem Befehl an Patroklos zum Rückzug zu den Schiffen (13b–14); Achill beantwortet somit seine eingangs gestellte Frage durch die Erinnerung an die Prophezeiung gleich selbst (8–11), und in seinen Befürchtungen spiegeln sich die tatsächlichen Ereignisse,
4 φρονέοντ(α): zur unkontrahierten Form R 6; zur Elision R 5.1. — δή: suggeriert Evidenz (‘wirklich’). — ἦεν: = ἦν (R 16.6). 5 ἄρα (ϝ)εῖπε: zur Prosodie R 4.3. — ὅν: Poss.-Pron. der 3. Person (R 14.4).
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die zu Patroklos’ Tod geführt hatten (interne AnalepseP; s. auch 13n., 14n.; AH zu 12; EDWARDS zu 6–14 u. zu 12–14; HENTZE 1904, 20; LOHMANN 1970, 20 Anm. 23; PELLICCIA 1995, 184ff. 193 Anm. 156). – Ähnlich befürchtet Andromache 22.450ff., daß Hektor tot ist, als sie Geschrei und Wehklagen von der Mauer hört, und wie Achill erfährt sie von dem Unheil als letzte (SCULLY 1986, 149f.; EDWARDS 1987, 270). 6 VA ≈ 11.404, Od. 5.465. — wieder: Achill hatte schon vor der Aussendung des Patroklos beobachtet, wie sich die Griechen unter dem troischen Ansturm zu den Schiffen zurückzogen (16.17f.); vgl. die Schlachtbeschreibung 15.304ff., 360ff., 592ff., 653ff., 696ff. und STR 21 mit Abb. 1. — Achaier: ‘Achaier’ ist neben ‘Danaer’ und ‘Argeier’ eine der hom. Bezeichnungen für die Griechen (1.2n.; FOR 24; LATACZ [2001] 2010, 191–194; [2011] 2014, 490–492); zur Langhaarigkeit der Achaier und zur VE-Formel s. 2.11n. ᾤ µοι ἐγώ: VA-Formel, 8× Il., 6× Od.; ᾤ µοι ist Ausdruck versch. negativer Emotionen (1.149n.), hier ahnungsvoller Angst; zur Schreibung von ᾤ (mit ι subscr.) s. WEST 1998, XXXVII. — τί ταρ αὖτε: αὖτε in Fragesätzen kann leichte Irritation des Sprechers markieren (BONIFAZI 2012, 244f.); zur Bed. der verstärkenden Partikel ταρ (‘warum denn nun?’) und zur umstrittenen Orthographie (ταρ od. τ’ ἄρ) s. 1.8n.; WEST 1998, XXIX; LfgrE s.v. ταρ; REECE 2009, 217–230.
7 2. VH ≈ 6.38. — Ebene: Zur Diskussion um die Lokalisation des Schlachtfeldes in der Troischen Ebene s. Appendix topographica zum 14. Gesang. κλονέονται ἀτυζόµενοι πεδίοιο: κλονέοµαι bed. ‘sich zusammenballen, verknäueln’, abgeleitet von κλόνος ‘Gewühl, Getümmel’ (TUCKER 1990, 102) und beschreibt das Gedränge, das z.B. bei Panik und Flucht entsteht (KURZ 1966, 144); hier mit νηυσὶν ἔπι ‘sie verknäueln sich auf die Schiffe hin’. Die Grundbed. von ἀτυζόµενος ist ‘erschrocken, in Panik’, meist von Kriegern (‘gescheucht’) oder ihren Pferden (‘scheuend’), dazu die Orts-/ Richtungsangabe πεδίοιο (eigtl. ‘ein Stück weit durch die die Ebene’: 2.785n., 6.38n.).
8–11 Diese Erinnerung steht in Kontrast zum ErzählerP-Kommentar 17.401–411, in dem die Unwissenheit Achills in den Vordergrund gestellt wird; er hatte nie damit gerechnet, daß sein Freund Patroklos vor ihm sterben könnte, sondern vielmehr damit, selbst vor dem Freund zu sterben (vgl. 19.328–333 mit n.): EDWARDS zu 17.404–11; REINHARDT 1961, 374 (“Es gibt da einen wissenden und einen blinden Achill, und der Dichter kann zwischen beiden wechseln”); BURGESS 2009, 48–50; anders BARTH 1989, bes. 22ff. Die Prophezeiung der Thetis ist vom Erzähler ad hoc erfunden (vgl. WEST 2011, 223f.; 343), dient der Emotionalisierung und soll Achills wachsende Unruhe verständlich machen: In der ohnehin schon ständigen 6 µοι ἐγώ: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — κάρη: att. τὸ κάρα (R 2), ‘Kopf’; Akk. der Beziehung (R 19.1). — κοµόωντες: zur ep. Zerdehnung R 8. 7 νηυσὶν ἔπι: = ἐπὶ νηυσίν (R 20.2), zur Flexion von νηυσίν R 12.1.
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Sorge um den Freund taucht bei der Beobachtung der Flucht heiß die Erinnerung an die göttliche Vorhersage auf und führt zur Ahnung des Unheils (EDWARDS zu 8–11; WILLCOCK 1977, 52; BURGESS a.O. 50; vgl. auch 16.36n. u. JANKO zu 16.49–50; zu den “expressive features” in dieser in indir. Rede wiedergegebenen Prophezeiung [v.a. V. 10] s. BECK 2012, 85). – Das Motiv der Erinnerung an eine verdrängte Prophezeiung in dem Moment, da sie Wirklichkeit wird, findet sich auch in der Odyssee: 9.507ff. (Polyphems Blendung), 10.330ff. (Odysseus’ Besuch bei Kirke), 13.172ff. (Poseidons Drohung gegen Alkinoos): EDWARDS 1987, 270; weitere Stellen: DE JONG zu Od. 2.171–6. 8 µὴ δὴ … τελέσωσι: Rückbezug auf ἃ δὴ τετελεσµένα ἦεν 4; unabhängiger Befürchtungssatz zum Ausdruck der Besorgnis, ‘daß (nur) nicht’, vgl. 1.28 (s.d.), 16.128 (s.d.), Od. 5.356 (mit AH z.St.): AH; WILLCOCK; vgl. K.-G. 1.224 (mit weiteren Stellen); SCHW. 2.317; WACKERNAGEL [1924] 1928, 277). — κήδεα: ‘Leid, Kummer’, meist Trauer um Angehörige (1.445n., 6.240–241n.), durch die Verbindung mit θυµῷ (am VE noch 53, θυµοῦ Od. 8.149, 14.197) als seelisches Leiden verdeutlicht, verstärkt in der Formel κακὰ κήδεα (nach der Zäsur C 1: noch Od. 1.244, 6.165, 15.344): LfgrE s.v. κῆδος. Für Achill ist dieses Leid von den Göttern gewollt (τελέσωσι θεοί). 9 διεπέφραδε: redupl. Aor. zu δια-φράζω (SCHW. 1.748); das Präverb διά kennzeichnet das Trennen, also etwa ‘auseinandersetzen’ (CHANTR. 2.95; LfgrE s.v. φράζ(ω): ‘make clear’); erläutert ist es durch καί … ἔειπεν (AH; vgl. schol. D). — ἔειπεν: zum redupl. Aor. 19.76n.
10 bester: “Sterbende Krieger werden öfter emphatisch als ‘beste’ ihrer Gruppe bezeichnet” (6.7–8n.; vgl. auch 6.208n., 24.242n.; EDWARDS 1984), so auch Patroklos in Menelaos’ Bericht (17.689f.). In Thetis’ Prophezeiung jedoch umschreibt ‘Bester der M.’ konkret den Anführer des Kontingents (allg. zu dieser Verwendung von gr. áristos LfgrE s.v. ἄριστος 1289.49ff.; VAN WEES 1988, 21; BARTH 1989, 5–10; zu ‘Myrmidonen’ als Bez. für Achills Gefolgsleute 2.684n.; FM 2 mit Anm. 11), und damit kann nur Patroklos, ‘des Menoitios Sohn’ (12) gemeint sein. Er stammte urspr. aus dem lokrischen Opus, wuchs aber zusammen mit Achill im Haus des Peleus in Phthia auf und zog von dort aus mit in den Krieg um Troia (11.771ff., 23.84ff.; vgl. FM 2, 16.2n.; LATACZ [1995] 2014, 309f. Anm. 107; zum Freundschaftsverhältnis der beiden s. 19.4–6a n.). Die Bezeichnung als ‘Bester’ hier weckt aber Assoziationen mit Achill, da sie ihm häufiger zuteil wird (1.244 u.ö.): NAGY (1979) 1999, 32–34 (Patroklos habe “the heroic identity of Achilles” angenommen [Zitat 34]). 8 µοι … θυµῷ: σχῆµα καθ’ ὅλον καὶ κατὰ µέρος, hier im Dat. (R 19.1). — κήδεα: zur unkontrahierten Form R 6. 9 ὡς: ‘wie’. — ἔειπεν: = εἶπεν (↑). 10 ἔτι ζώοντος ἐµεῖο: gen. abs.; ζώοντος = ζῶντος (R 8), Ptz. zu ζώειν (= ζῆν), ἐµεῖο = ἐµοῦ (R 14.1).
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τὸν ἄριστον: Zu dieser Verwendung des vorausweisend-präsentierenden Demonstrativums in Artikelfunktion s. BASSET 2006, 111; vgl. auch 1.11n. — ἔτι ζώοντος ἐµεῖο: kürzere Variante neben häufigeren Formulierungen mit synonymischer Doppelung (… καὶ ἐπὶ χθονὶ δερκοµένοιο 1.88, … καὶ ὁρᾷ φάος ἠελίοιο 61n.). 11 1. VH = 11.827. — χερσὶν ὕπο: VA χερσὶν ὕπ(ο) 9× Il., 1× ‘Hes.’ Sc.; zu ὑπό + Dat. in der Bed. ‘unter der Wirkung von’ s. SCHW. 2.526; CHANTR. 2.140; ALIFFI 2002. — λείψειν φάος ἠελίοιο: ≈ ‘sterben’, noch Od. 11.93, Hes. Op. 155, h.Ven. 272 (zu indoiran. Parallelen WEST 2007, 86f.); Gegensatz zu ὁρᾶν φάος ἠελίοιο, z.B. 18.61 (s.d.; LfgrE s.v. φάος 819.23ff.). φάος ἠελίοιο ist VE-Formel (8× Il., 10× Od., 3× Hes., 4× hom.h.); zu ihrem Gebrauch bei Homer s. FOLEY 1991, 150–154.
12 Menoitios’ Sohn: Mit der gleichen formelhaften patronymischen Umschreibung wird Patroklos im Moment des Sterbens auch vom Erzähler (16.827) und im Bericht der Thetis (18.455) benannt, jeweils mit Hinweis auf seine Kampfleistung (im Munde Achills auch 19.24, s.d.). Menoitios ist in der Ilias nur in seiner Rolle als Vater des Patroklos erwähnt (FM 2; s. auch 326n.).
ἦ µάλα δή: emphatische Partikel-Verbindung, stets Figuren-SpracheP; hier als Einleitung einer Vermutung, die für den Sprecher Gewißheit ist, s. 6–14n. (‘bestimmt, sicher’: 6.255n.). — ἄλκιµος υἱός: flektierbare VE-Formel (Nom./Akk.), insgesamt 15× Il. (davon 12× mit Μενοιτίου verbunden), 5× Hes., 1× h.Merc. (19.24n., 16.278n.); zur Struktur der 2. VH (Vatersname im Gen. + Adj. + υἱός/ν) 16.14n.
13 2. VH ≈ 16.301; VE = 9.347, 9.674. — Die Stellung von gr. schétlios (‘eigensinnig’) als runover word im progressiven EnjambementP bewirkt besondere Emphase: Achill vermutet zu Recht, daß Patroklos sich nicht an seine Anweisungen gehalten hat, was zu seinem Tod führen mußte (zum Erzählmotiv ‘Mißachtung einer Warnung’ s. 249–253n., 16.686–687n.). Er aber hatte seinen Freund vor dem Auszug in den Kampf eindringlich ermahnt, nach der Vertreibung der Troer weg von den Schiffen sogleich zurückzukehren und keinesfalls weiter gegen Troia vorzudringen (16.87–96; vgl. 16.83–96n.). Patroklos aber hatte – nachdem es ihm gelungen war, den Feind von den Schiffen zu vertreiben und den Schiffsbrand zu löschen (16.284–305) – den Angriff fortgesetzt (16.372ff., 394ff., 462ff., 692ff.). Im Erzähler-Kommentar 16.684–693 wird dieses Verhalten, das zu seinem Tod führt, mit ‘Verblendung’, aber auch mit Zeus’ übermächtigem Einfluß erklärt, der ihn in den Kampf trieb, s. auch 16.652ff. (s. 16.684–691n., 16.685n. [zu Patroklos’ ‘Verblendung’] und 16.688–691n. [zu Zeus]). σχέτλιος: Wort der Figuren-SpracheP, hier mit negativer Nuance ‘eigensinnig’; zur urspr. Bed. (‘hartnäckig’) und zur sonstigen Verwendung s. 2.112n., 24.33n. — ἦ τ(ε): Partikel-
11 χερσὶν ὕπο: = ὑπὸ χερσίν (R 20.2). — φάος: = φῶς (R 6). — ἠελίοιο: = ἡλίου. 12 ἦ: emphatisch (R 24.4); ebenso im folgenden Vers. 13 ἀπωσάµενον: zum Med. ἀπωθέοµαι ‘von sich wegstoßen’; vertritt den Subjektsakk. im AcI, der von ἐκέλευον abhängt.
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verbindung mit τε zur Anfügung eines Gegensatzes (‘und doch’): MONRO (1882) 1891, 309 (‘and yet, although’); RUIJGH 796–800 (‘et [pourtant] il est vrai, que …’); EDWARDS zu 17.170–2; vgl. 3.56n. — δήϊον πῦρ: δήϊον ist mit Kürzung des Binnenhiats zu lesen (⏑⏑–); es wird als Epitheton zu πῦρ, πόλεµος und ἀνήρ verwendet. Zu seiner Etymologie und Bed.-Entwicklung (‘zerstörerisch’ od. ‘brennend’) s. 2.415n. (mit Lit.); 16.127n.; CHANTR. 1.107; zum Gebrauch von πῦρ (konkret und übertragen vom feindlichen Angriff) s. GRAZ 1965, 150f. 327.
14 Hektor: Achill hatte offenbar mit seiner Anweisung zum Rückzug impliziert, er solle nicht gegen Hektor kämpfen, hatte dies aber nicht konkret formuliert. Patroklos hatte (wie von Achill vermutet) auch Hektor selbst angegriffen (16.380– 383, 733ff., 754ff.). νῆας ἔπ’ ἂψ ἰέναι: so die Hauptüberlieferung; in einigen Hss. ist, die Lesart ἂψ ἐπὶ νῆας ἴµεν wie 21.297 überliefert (vgl. auch 16.395, 17.432; s. dazu app. crit. u. LEAF), die von EDWARDS auch hier bevorzugt wird, da ἄψ gewöhnlich vor der Präposition stehe; dies gilt jedoch nicht ausnahmslos, s. LfgrE s.v. 1786.48ff. — ἶφι µάχεσθαι: VE-Formel (7× Il.).
15–17 Rückkehr zur Handlung der Vv. 2–5 und Fortsetzung der Typ. SzeneP ‘Botengang’ (1–22a n.). Die sprachlich angedeutete Gleichzeitigkeit von innerem Monolog und Nahen des in Tränen aufgelösten Antilochos (15f. gr. héōs … | tóphra …) weist viell. darauf hin, daß Achill während seines Ahnens (ausgelöst durch die Beobachtung 6f.) den Antilochos kommen sieht und sich dadurch in seiner Angst bestärkt fühlt (vgl. CERRI; MONTEIL 1963, 302f.; RICHARDSON 1990, 95 u. 227 Anm. 16). 15 = 1.193, 11.411, 17.106, Od. 4.120, 5.365, 5.424; ≈ Il. 10.507, Od. 6.118; 2. VH = Il. 4.163, 5.671, 6.447, 8.169, 15.163, 20.264, 7× Od., 1× h.Ap. — SummaryPFormelversP, der hier als Rede-AbschlußP dient und nochmals andeutet, wie die ‘Rede’ aufzufassen ist (vgl. 5n.); zur sprachlichen Präsentierung von inneren Monologen mittels gr. Demonstrativpronomen táuta s. BAKKER [1999] 2005, 89–91. Oft leitet der Formelvers zu einem Szenenwechsel oder, wie hier, zu einem neuen Auftritt über (1.193n.). ἕως: < *ἧος; trochäisch (–⏑) zu lesen; zur prosodischen ‘Irregularität’ und den Konjekturen s. 1.193n. — ὥρµαινε: durativ (Hintergrundhandlung), im Gegensatz zum Aor. im HS; ὁρµαίνω bed. ‘(geistig) hin- und herbewegen, überlegen’ (LfgrE); derselbe Vorgang ist in 4 mit φρονέοντ(α) umschrieben. — κατὰ φρένα καὶ κατὰ θυµόν: VE-Formel bei versch. seelisch-geistigen Vorgängen (10× Il., 11× Od., 1× h.Ap.; davon mit ὥρµαινε 5× Il., 4× Od., s. Iterata), mit metrisch bequemer synonymischer Doppelung (1.160n.); φρήν
14 νῆας ἔπ(ι): = ἐπὶ νῆας (R 20.2); zur Flexion von νῆας R 12.1 — ἄψ: ‘zurück’. — µηδ(έ): konnektives µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — ἶφι: ‘Instrumentalis’ (-φι: R 11.4) der Nominalwurzel (ϝ)ίς (vgl. lat. vis), ‘mit Macht, Kraft, Gewalt’. 15 ἕως: ‘während’ (R 22.2); zur Prosodie ↑. — ὅ: demonstr.-anaphor. (R 17).
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und θυµός dienen dabei nicht der Bez. versch. Aspekte des inneren Vorgangs: die Lexeme für seelisch-geistige Instanzen sind in solchen Wendungen austauschbar (6.447n.). 16 1. VH = 18.381. — ἀγαυοῦ Νέστορος υἱός: Νέστορος υἱός ist VE-Formel (7× Il.), die Verbindung mit ἀγαυοῦ ist singulär, aber nicht ungewöhnlich (vgl. 5.277; außerdem ἀγαυοῦ nach der Zäsur B 2 insgesamt 18× fgrE). Die metr.-prosod. Variante der Halbversformel καὶ Νέστορος ἀγλαὸς υἱός (1× Il., 3× Od.) läßt sich jedoch nicht mit der 1. VH kombinieren (EDWARDS 1968, 264). – ἀγαυοῦ ist generisches EpithetonP von Menschen und Göttern; die Bed. ist unsicher, am ehesten ‘bewundernswert, erhaben’ (3.268n.).
17 1. VH = 16.3, 18.235; ≈ 7.426, Od. 4.523, 24.46; 2. VH ≈ Il. 2.787. — heiße Tränen weinend: Antilochos hatte sich mit der Nachricht weinend auf den Weg zu Achill gemacht (17.695–701; zum Weinen von Männern 19.5–6a n.). In den folgenden Szenen mit Thetis (35ff., 67ff.) spielt er keine Rolle mehr und wird daher nicht mehr erwähnt (Stumme FigurP; vgl. FENIK 1974, 65f.); er tritt erst wieder bei den Wettkämpfen zu Ehren des Patroklos in Erscheinung (23.301ff.). – Die Beschreibung von Antilochos’ Ankunft klingt an die Szene zu Beginn des 16. Gesanges an: Patroklos kommt weinend zu Achill, da die Achaier in der Schlacht in arge Bedrängnis geraten sind; am Ende der Szene läßt Achill ihn an seiner Stelle in den Kampf ziehen (EDWARDS; SEGAL 1971, 26; zu ). Nach Auffassung der Neoanalyse (dazu EDWARDS S. 16–19; BURGESS 2006; TSAGALIS 2011; vgl. auch NTHS 10) ist die Verbindung der beiden Figuren durch diese beiden Szenen und die Tatsache, daß Antilochos hier als Bote auftritt, eines der Anzeichen dafür, daß die Figurenzeichnung des Patroklos beeinflußt ist durch die Zeichnung des Antilochos in älteren, mündlich tradierten Versionen des troianischen Sagenstoffes, in denen dieser durch die Hand Memnons fiel (vgl. Od. 4.187f.) – wie es später im epischen Kyklos erzählt wurde (Aithiopis, Proklos Chrest. § 2 West; zum Verhältnis zwischen den hom. Epen und dem Kyklos s. LATACZ [1985] 2003, 78f.; BURGESS 2001, bes. 132ff.; WEST 2003, 5ff.; weitere Lit. s. 16.419–683n. a.E.): SCHADEWALDT [1952] 1965, 176; KULLMANN 1960, 316; [1977] 1992, 203; [1991] 1992, 115–118; KRISCHER 1994, 158ff.; WILLCOCK 1997, 181f., 187f.; CURRIE 2006, 26f.; kritisch BURGESS 1997, bes. 10ff.; zur Diskussion über mögliche Parallelen zwischen Antilochos und Patroklos s. auch 16.684–867n. a.E.; vgl. auch 1.307n., 19.3n. Innerhalb der Ilias jedoch dürfte die Parallele von 16.3/18.17 sowie die Tatsache, daß Antilochos bei Achill bleibt und in vertrauter Nähe mit ihm trauert (32ff.), die Funktion haben, gleitend in den neuen Zustand einzuführen, daß der tote Freund allmählich durch mehrere andere Figuren ersetzt wird (vgl. 19.392n. zu Automedon): RUTHERFORD (1996) 2013, 120f.; BOUVIER 2002, 398. — tat er kund …: leitet zu Element 6 der Typischen Szene ‘Botengang’ 16 τόφρα: ‘unterdessen’. — τόφρα (ϝ)οἱ: zur Prosodie R 4.3. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). — ἐγγύθεν: ‘nahe (heran)’. 17 φάτο: Impf. von φηµί; zum Medium R 23. — ἀγγελίην: zum -η- nach -ι- R 2.
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über (1–22a n.) und steht anstelle einer formelhaften Rede-Einleitung (vgl. etwa die ‘Botenszene’ 2.787/790: EDWARDS); der Erzähler läßt die Eile des Boten in der Einleitung und der Rede selbst spürbar werden (vgl. 18–21n.) und charakterisiert im voraus deren Inhalt, ebenso der Bote selbst 18f. δάκρυα θερµὰ χέων: zur flektierbaren Halbversformel, zum Formelsystem ‘Tränen vergießen’ und zu den Epitheta bei δάκρυ s. 16.3n.
18–21 Die Form dieser Botenrede ist der dramatischen Situation angemessen: der Bote kommt nach schnellem Lauf atemlos und in Tränen aufgelöst an (vgl. auch 17.694ff.), der Adressat – in aufgewühlter Stimmung – erahnt das Unglück bereits. Antilochos kommt ohne Umschweife zur Sache und berichtet mit wenigen Worten die für Achill wichtigen Fakten (schol. bT zu 20–1). Und wie er selber von Menelaos, der ihm diesen Botengang 17.685–693 aufgetragen hatte, schonungsvoll darauf vorbereitet worden war (EDWARDS zu 17.685–6 u. zu 18.20–1; DE JONG [1987] 2004, 281 Anm. 70), bereitet auch er Achill voll Empathie auf die Todesnachricht vor (18f.). Die Rede ist eine verdichtete Kurzfassung dieses Auftrags mit teils wörtlichen Anklängen: 1. Anrede, schlimme Nachricht (18f., vgl. 17.685f.); 2. Fakten: Tod, Kampf um die Leiche, Verlust der Rüstung an Hektor (20f., vgl. 17.689b–690a, 17.693). Der Bericht ist ganz auf Patroklos und Hektor fokussiert, die Nennung der anderen Beteiligten (Achaier und Troer) wird vermieden (20). Es fehlen daher Hinweise auf die Lage der Griechen (vgl. 17.687–689a, 17.690b), v.a. aber auf den Auftraggeber (dazu 6.269–278n.; DE JONG zu Od. 5.1– 42) und auf dessen Bitte um Hilfe bei der Bergung der Leiche (vgl. 17.691f.). Als Beispiel einer ausführlichen Botenrede s. dagegen 2.23–34n.; zur epischen Erzählkonvention beim Motiv ‘Ausführen eines Auftrags’ s. 6.86–101n. a.E. mit Lit. 18–19 18b–19 ≈ 17.685b–686. — ᾤ µοι: 6n. — Πηλέος υἱέ: Formel vor der Zäsur B 2 (5× Il., 1× Od.), teils durch Adj. am VA erweitert; diese betonte Versstelle ist hier jedoch durch den emphatischen Ausruf besetzt (SHIVE 1987, 117). Zur kurzvokalischen Form Πηλέος s. G 76. — δαΐφρονος: ‘kampfesmutig’, generisches EpithetonP, meist von Männern, oft wie hier von ‘Heldenvätern’, dann auch von ihren Söhnen (so 30 von Achill) (2.23n., 6.161–162n.). — ἦ µάλα: ‘ganz gewiß’ (vgl. 12n.). — λυγρῆς | … ἀγγελίης: Steigerung von 17.685f., wo Antilochos seinerseits die Unglücksbotschaft erhält (s. auch 17.641f.), durch das integrale EnjambementP mit Sperrung (EDWARDS; BLANC 2008, 431; vgl. 19.337n.). — ἣ µὴ ὤφελλε γενέσθαι: ἥ ist grammatikalisch auf ἀγγελίης bezogen, metonymisch auch auf deren Inhalt. Das Impf. ὤφελλον/ὄφελλον und der Aor. ὤφελον/ὄφελον können beide unerfüllte Wünsche der Gegenwart und der Vergangenheit einleiten (1.353n.; ALLAN 2013, 16ff.); zu ἣ µὴ ὤφελλε + Inf. für εἴθε µὴ + Ind. Präteritum s. SCHW. 2.346f.; CHANTR. 2.333.
18 λυγρῆς: zum -η- nach -ρ- R 2. 19 πεύσεαι: zur unkontrahierten Form R 6.
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20–21 21 ≈ 17.122, 17.693. — In den verschiedenen Berichten über Patroklos’ Tod und den Kampf um seine Leiche wird immer wieder Patroklos’ Spoliierung, also der Verlust der Rüstung, die Achill seinem Freund geliehen hatte (16.40 u. 64f.), in Erinnerung gerufen (zum Waffentausch-Motiv 16.278–283n.): außer hier noch 17.192–197 u. 210–214 vom Erzähler; 17.120–122, 689–693, 711–714 von Menelaos; 17.201–208, 443–450 von Zeus; 17.472f. von Alkimedon; 18.80–85, 188– 195, 333–335 von Achill; 18.130–137, 451–461 von Thetis. Das allg. Motiv ‘Spoliierung des Gegners’ (dazu 6.28n.) wird mit bes. Gewicht versehen, damit es mehrfach funktionalisiert werden kann: es dient dem ErzählerP dazu, (1) Hektors Selbstüberschätzung zu zeigen (17.201ff., 22.322ff.), (2) es plausibel zu machen, daß Achill zwar Patroklos’ Leichnam rettet, aber nicht sofort Rache nimmt, also dazu, seine Rückkehr in den Kampf und die Tötung Hektors hinauszuzögern (RetardationP), (3) eine kunstvoll gestaltete Ekphrasis über die Herstellung neuer Waffen und ihre Pracht einzufügen (468ff.), und (4) den Handlungsablauf so zu gestalten, daß Zeit für eine Heeresversammlung am nächsten Morgen geschaffen wird (19.40ff.; s. 19.40–281n.), in der Achill sich wieder offiziell in die Heeresgemeinschaft einreiht und dem Oberbefehl Agamemnons unterstellt und in der Agamemnon öffentlich seinen Fehler eingesteht und Wiedergutmachung leistet (EDWARDS zu 17.711 u. S. 139f.; 1987a, 57f.; JANKO S. 311). — seine Waffen … Hektor: macht klar, daß Hektor es ist, der ihn getötet hat. Daß ein Gott daran beteiligt war (Apollon), wird Achill erst 19.411–414 (s.d.) aus dem Mund seines Pferdes Xanthos erfahren (vgl. 16.786–867, 17.125–197). κεῖται Πάτροκλος: explikatives Satz-Asyndeton (vgl. 1.105n.; MAEHLER 2000, 421f.), mit höchst konziser Wiedergabe der Botschaft: ‘tot ist P.’ (eigtl. ‘liegt tot da’); die gleiche Satzstruktur auch 16.541 (Sarpedon: s.d.), ähnlich 5.467, 16.558 (LfgrE s.v.; KURZ 1966, 18). — νέκυος … | γυµνοῦ: γυµνός ‘entblößt’ ist in der Ilias oft die Bez. für spoliierte Leichname in der Schlacht (LfgrE s.v.), hier durch das Enjambement bes. hervorgehoben, ebenso 17.122, wenn Menelaos den Aias um Hilfe beim Kampf um die Leiche bittet, und 17.693, wenn er Antilochos mit dieser Bitte um Hilfe zu Achill schickt: ein empörter und mitleidheischender Appell; vgl. 22.510, außerdem Tyrtaios fr. 10.21–27 West (EDWARDS zu 17.120–2). — τά γε τεύχε(α): τά demonstr.-vorausweisend, vgl. G 99; SCHW. 2.21f. – τεύχεα (‘Rüstung, Waffen’) umfaßt in erster Linie Helm, Panzer, Schild und Beinschienen, s. 458–460, 466 (3.29n.). — νέκυος … ἀµφιµάχονται: mit Gen. ‘um etw./jn. (herum) kämpfen’ i.S.v. ‘zu dessen Schutz, um dessen Besitz kämpfen’, vgl. 173 ἀµυνόµενοι νέκυος πέρι (16.496n.: “lokale und übertragene Bed. […] konvergieren”; LfgrE s.v. µάχοµαι 55.27ff.). — κορυθαιόλος Ἕκτωρ: VE-Formel (37× Il.); zum Epitheton (entweder ‘helmschüttelnd’ od. ‘mit glänzendem Helm’) s. 2.816n., 6.116n.
20 δή: vgl. 4n. — ἀµφιµάχονται: als Subj. sind Achaier und Troer zu denken. 21 ἀτάρ: ‘aber’ (R 24.2). — τεύχε’ ἔχει: zum Hiat R 5.1; zur unkontrahierten Form τεύχε(α) R 6.
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22–147 Der ErzählerP zeichnet in diesen Szenen (22–35a/35b–147) ein Bild der Trauer um Patroklos, indem er nicht nur Achills Trauer beschreibt, sondern in der Beschreibung auf dessen eigenen Tod vorausweist und durch Worte und Gesten der anderen FigurenP die Trauer über Achills Schicksal heraufbeschwört (externe ProlepseP; zu den verschiedenen Thesen über Patroklos als Stellvertreter des Achilleus s. 16.165n.): (a) Ankündigungen in Figuren-Reden (59f., 88–91, 95f., 98, 115f., 120f.); (b) Formulierungen, die Assoziationen mit dem toten Achill wecken können (22n., 23–27n., 24n., 26–27n., 28–31n., 71n.); (c) Klage von Achills Mutter Thetis und ihren Schwestern als Abbild der Totenklage um Achill selbst (37–72n., 55–60n., 56–57n.): EDWARDS zu 22–31; SCHEIN 1984, 129–137; SEAFORD 1994, 166f.; KIM 2000, 121–124; GRETHLEIN 2006, 121f. Infolgedessen ist eine bis heute andauernde Diskussion um die Frage entflammt, in welcher Weise der ErzählerP hier ep. Vorlagen über Achills Tod benutzt haben könnte (Lit.: 37–72n. a.E.; RUTHERFORD [1996] 2013, 118–120; KELLY 2012, 223f. mit Anm. 9). 22–35a Achills Reaktion auf die Nachricht ist als Klimax von stummer Trauer zum lauten Schrei beschrieben: überwältigender Schmerz (22), stumme Trauergesten (23–27, begleitet von Klagen der ihn Umgebenden 28–34), Stöhnen (33b), lauter Klageruf (35a). Seine Trauer bleibt zunächst wortlos, erst mit dem Auftreten der Mutter äußert er sich über seinen Schmerz (78ff., 97ff.), später in seinen Klagereden an der Leiche (316ff., 19.314ff.): AH, Anh. S. 120f.; EDWARDS zu 1–69; SCHADEWALDT (1936) 1965, 247f.; KRAPP 1964, 343–345; HOLST-WARHAFT 1992, 105f. 113f. Zum parataktischen Erzählstil mittels δέ s. 1.10n.; BAKKER 1997, 62–71.
22–24a = Od. 24.315–317a. 22 = 17.591 (Reaktion Hektors auf die Nachricht vom Tod seines Gefährten Podes). – Zur Rede-Abschlußformel ‘sprach’ + Reaktion des Adressaten allg. s. 1.33n., 24.200n.; zu Reden, die Affekte auslösen, von denen Handlungsimpulse ausgehen, s. 2.142n.; BARCK 1976, 145. — umhüllte … Wolke: Das Bild beschreibt den überwältigenden Verlust-Schmerz, von dem Achill eingehüllt und gleichsam umnachtet wird, in Anlehnung an Formulierungen für Sterben (s.u.), viell. ein indirekter Vorverweis auf seinen Tod (22–147n.); zu ‘umhüllen’ als Ausdruck für versch. Bewußtseinsveränderungen s. 2.19n., 3.442n. und 16.316n. (jeweils mit Lit.). Von dieser Empfindung Achills werden die restlichen Gesänge der Ilias bestimmt sein; denn Achill wird bis zur Tötung Hektors von dieser ‘Wolke des Schmerzes’ eingehüllt handeln und auch danach nur schwer dem Zureden von Freunden zugänglich sein (24.2b–13n., 24.3n.; SCHEIN 1984, 128f.; Stellensamm22 φάτο: 17n. — τόν: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ἄχεος: zur unkontrahierten Form R 6. — νεφέλη ἐκάλυψε: zum Hiat R 5.6.
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lung: KARSAI 1998, 42ff.). – Der gr. Begriff áchos bezeichnet einen durch äußere Ereignisse verursachten seelischen Schmerz, bei dem sich zunächst Ohnmachtsgefühl und Resignation einstellen, die dann aber oft in Wut und Aggression umschlagen und so einen – nach wie vor schmerzgequälten – Handlungsimpuls auslösen (2.169–171n., 19.125n.); dieser zeigt sich hier in Achills Entschlossenheit zum Kampf gegen Hektor 90ff., 98ff., 114ff. (s. auch 322ff., 19.15ff. [s.d.]; vgl. 19.307n.). Zu Achills áchos s. 62 (mit n.), 436ff. (dazu NAGY [1979] 1999, 80f.; LATACZ [1995] 2014, 320 [“Das ist Achilleus’ Grundgestimmtheit die ganze ‘Ilias’ hindurch”]). τὸν δ’ ἄχεος νεφέλη ἐκάλυψε µέλαινα: eindrückliche Beschreibung der Wirkung dieser Botschaft im Gegensatz zu Formulierungen wie 1.188 (s.d.), 2.171 (s.d.) od. 14.475 (vgl. auch 19.125 [s.d.]): sie enthält Anklänge an versch. formelhafte Wendungen für das Eintreten des Todes, bei denen Finsternis oder Nacht die Augen des Opfers umhüllt (Beispiele. s. 6.11n., 16.316n.), vgl. bes. die ähnlichen Formulierungen νεφέλη δέ µιν ἀµφεκάλυψεν | κυανέη (20.417f.) und θανάτου δὲ/θανάτοιο µέλαν νέφος ἀµφεκάλυψεν (16.350 [s.d.], Od. 4.180). Weitere Stellen, an denen eine Figur wie hier nach dem Tod eines anderen von einer plötzlichen Leid-Empfindung eingehüllt wird: 11.249f. (von Trauer), 22.466 (von Entsetzen); zu weiteren Emotionen, welche die Sinne (φρένες) umhüllen, s. 1.103n.; µέλας dient auch der Beschreibung körperlicher Schmerzen bei Verwundung (4.117, 4.191, 15.394; vgl. außerdem νὺξ ἐκάλυψε µέλαινα für Hektors Ohnmacht nach Verwundung 14.438–439n.): LfgrE s.v. µέλας; MAWET 1979, 48; vgl. auch 2.834n. und 16.687n. zur VE-Formel µέλανος θανάτοιο.
23–27 Achills Schmerz äußert sich weder in einer direkten Reaktion gegenüber dem Boten (auch Antilochos war 17.694–700 auf die Nachricht hin sprachlos geblieben) noch in spontaner Klage; die wortlosen Gesten deuten Achills innere Anspannung an, die sich erst 35 in einem Schrei entlädt (22–35a n.; AREND 1933, 56 Anm.1; PETERSMANN 1973, 6f.; LATEINER 1995, 13). Diese Gesten, Zeichen des Schmerzes, werden auch sonst genannt, wo eine Handlungsfigur den Leichnam eines geliebten Menschen erblickt oder von seinem Tod erfährt: den Kopf mit Schmutz oder Asche verunstalten (Priamos 24.164; Laërtes Od. 24.316f.; vgl. auch Achills Pferde Il. 17.439f.), sich am Boden wälzen (Priamos 22.414, 24.165, 24.640), sich die Haare raufen (Hektors Angehörige 22.77f., 22.406, 24.711); zu diesen Zeichen der Selbstzerstörung s. ANDRONIKOS 1968, 1f.; DERDERIAN 2001, 53f. mit Anm. 146 u.148; weitere Lit.: 19.284–285n., 24.164n., 24.711–712n.; Parallelen in der vorderoriental. Lit. bei WEST 1997, 340 mit Anm. 12 (v.a. Gilgameschs Trauer um seinen Freund Enkidu und Hiob 42.6). Die vorl. Schilderung des trauernden Achill hat aber auch Ähnlichkeit mit der Beschreibung von Gefallenen (22–147n.; KURZ 1966, 40f.; EDWARDS 1986, 86. 91 Anm. 12): (a) das von Staub beschmutzte Haupt im Kontext von Niederlage und Tod, z.B. 16.638–640 Sarpedon, 16.795ff. Patroklos’ Helm, 22.402f. Hektor (RICHARDSON zu Il.
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22.401–404; DE JONG zu Il. 22.401–4; vgl. 24n. s.v. χαρίεν); (b) das ausgestreckt Daliegen wie ein Toter (26–27n.). 23–25 Staub, den rußig schwarzen | … | schwarze Asche: Durch die Rahmenstellung der Wörter für rußig-schwarzen Staub (23, 25) im ‘lieblichen Antlitz’ und auf dem ‘nektarischen Kleid’ entsteht ein starker Kontrast im Bild des trauernden Achill (s. bes. 24b–25). Die ganze Szene ist geprägt von Begriffen für ‘schwarz’ (22/23/25), ‘Staub’ (23/26) und für das Entstellen des Äußeren (gr. ḗischyne 24/27), indem sich in den Trauergesten das Dunkel des Schmerzes spiegelt (BREMER 1976, 73f.); zu ‘schwarz’ als Farbe der Trauer 24.94n. 23 = Od. 24.316; 1. VH = Od. 5.428; ≈ Il. 18.123, Od. 4.116. — κόνιν αἰθαλόεσσαν: entspricht 25 µέλαιν(α) … τέφρη (‘Asche, Ruß’, s. 23.250f.). αἰθαλόεις ist Ableitung zu αἴθαλος/αἰθάλη (‘Qualm, Ruß’, zu αἴθω ‘brennen’), Epitheton auch von σποδός ‘Asche’ (Certamen § 9 West) und µέλαθρον (2.415n.) zur Bezeichnung des vom Herdfeuer geschwärzten Umfelds; gemeint ist also rußig-schwarze Asche (LfgrE s.vv. αἰθαλόεις, κόνις). 24 χεύατο: Med. des Wz.-Aor. ἔχε(υ)α, zu *χέ(ϝ)ω (3.10n.). — κὰκ κεφαλῆς: ‘(von oben) über den Kopf hin’, ebenso Od. 8.85, 23.156, 24.317 (SCHW. 2.479; CHANTR. 2.113). — χαρίεν: ‘reizend, lieblich’, dient der äußerlichen Charakterisierung von Menschen (6.90n.), von Achills Antlitz noch 16.798f. im Gegensatz zu seinem im Schmutz liegenden Helm (im Moment von Patroklos’ Untergang: 16.795–797), hier kontrastierend – und Mitleid evozierend – zu ᾔσχυνε und κόνιν αἰθαλόεσσαν (23). Mit der vorl. Stelle ist auch 22.401–403 vergleichbar: Hektors ehemals liebliches Haupt (κάρη … | … πάρος χαρίεν) im Staub (ἐν κονίῃσιν) (TREU 1955, 56f.; LATACZ 1966, 101f.). — ᾔσχυνε: in konkreter Bed. ‘häßlich machen, verunstalten’, nur hier und 27 von einem Lebenden, sonst von der Entstellung eines Leichnams (18.180, 22.75, 24.418): LfgrE. 25 νεκταρέῳ: Die genaue Bed. (eigtl. ‘nektargleich’) als Attribut eines Kleidungsstücks (noch 3.385) ist unbekannt (schol. bT; 3.385n. mit Lit.; zu νέκταρ 19.38n.); Vorschläge: ‘mit Öl eingerieben, duftend’ (LEAF; EDWARDS); ‘göttlich, von göttlicher Schönheit’ in Analogie zu ἀµβρόσιος (mit Bezug auf 16.222–224: Achill hatte seine Kleider von Thetis erhalten: AH; EDWARDS; contra LEAF); ‘glänzend, weiß’ als Gegensatz zu µέλαινα τέφρη (SCHMID 1950, 35; vgl. SCHADEWALDT [1936] 1965, 247 [“auf dem reinen Kleid”]). — χιτῶνι: unter dem Panzer od. Mantel getragenes weiches ‘Untergewand’ der Männer (2.42n.; VAN WEES 2005, 1f. mit älterer Lit.; LfgrE s.v. χιτών). — ἀµφίζανε: hom. hapaxP, ‘saß ringsum’ od. ‘setzte sich nieder’ (i.S.v. ‘blieb haften’): LfgrE; zum Bildungstyp ἵζω/ἱζάνω RISCH 271f. 26–27 αὐτός: ‘er selbst’, mit seinem ganzen Körper, im Gegensatz zum Kleid und einzelnen Körperteilen 23–25 (ἀµφοτέρῃσι χερσίν, κεφαλῆς, πρόσωπον, χιτῶνι): LfgrE s.v. 1651.30f. u. 1652.24f./46ff.; vgl. 1.4n. — µέγας µεγαλωστὶ τανυσθείς | κεῖτο: klingt an die Beschreibung von Gefallenen an: (1) Das Adv. µεγαλωστί, hier auf τα-
23 ἀµφοτέρῃσι: zur Flexion R 11.1. 24 κάκ: = κατά (mit Assimilation: R 20.1).
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νυσθείς bezogen (‘über eine große Fläche, d.h. langhin ausgestreckt’), im fgrE immer mit µέγας kombiniert (zur Bildungsweise RISCH 366 mit Lit.; allg. ANGHELINA 2007; zur Iteration SCHW. 2.700), wird sonst nur mit Bezug auf Tote verwendet: κεῖτο/κεῖσο µέγας µεγαλωστί 16.776 von Kebriones (Patroklos’ letztem Opfer: s.d.), Od. 24.40 von Achilleus. (2) Auch die Kombination von τανύω und κεῖµαι dient sonst der Beschreibung von ausgestreckt daliegenden Toten: VE-Formel κεῖτο τανυσθείς (Il. 13.392, 16.485, 20.483), VA-Formel κεῖτο ταθείς (13.655, 21.119): LfgrE s.v. τανύω; EDWARDS; KURZ 1966, 18f. Die Wendung ist daher wohl urspr. eine allg. Formulierung für Tote in Kampfszenen (BURGESS 2009, 84f.; 2012, 171–176; vgl. 16.485n.). Die Vv. 26f. wurden öfter als Interpolation verdächtigt (so u.a. von WEST 2001, 12 Anm. 28. 243f.; vorsichtiger WEST 2011, 343, vgl. a.O. 46f.), denn (a) die Formulierung ‘er selbst lag …, der Große, groß hingestreckt’ sei hier weniger passend als in 16.776 u. Od. 24.40 (s.o.; contra DIHLE 1970, 23f., u. LfgrE s.v. µεγαλωστί: sekundär seien vielmehr 16.776 u. Od. 24.40, wo τανυσθείς fehlt, so daß µεγαλωστί auf κεῖτο bezogen werden muß: κεῖµαι wird sonst nie mit Adv. verbunden; s. auch 22n., 23–27n., 24n.); (b) der Kontext suggeriere eine stehende od. sitzende Haltung Achills (24f.: Staub und Asche von oben nach unten; 28–31: Frauen umringen ihn; 32: ἑτέρωθεν “is naturally taken to mean ‘opposite Achilles, facing him’ ” [s.d.]; 33 u.70f.: das sei kaum vorstellbar, wenn Achill am Boden liege [s. aber 70n., 71n.]). Kaum klärbar ist die Frage, ob die Verwendung der Formulierung in der vorl. Szene – wie in der neoanalytischen Forschung vermutet wurde – als direkte Übertragung aus einer Beschreibung des toten Achilleus in vorhom. Epik anzusehen ist (Doxographie: DANEK 1998, 466–469; CURRIE 2006, 40 mit Anm. 181; BURGESS 2009, 151f. Anm. 35; 2012, 170–173; s. auch 22–147n.). — δαΐζων: stark emotional gefärbtes Verb mit der Bed. ‘gewaltsam zerteilen, zerfetzen’, meist in milit. Kontext vom Niedermetzeln (24.393n.), ähnlich wie hier noch h.Cer. 41 vom Zerfetzen des Kopfschmucks als pathetische Trauergeste (LfgrE).
28–31 Achilleus ist Mittelpunkt einer lauten und bewegten Klageszene, indem die in Achills Behausung anwesenden Frauen sich in die Totenklage einreihen – ohne daß ihr Wissen um den Sachverhalt erklärt wird – und typisches Klageverhalten zeigen, das sich in der folgenden Szene mit Thetis und ihren Schwestern wiederholt: sie erheben Klagerufe 29/37a), gruppieren sich um die trauernde Person (30a/37b–38), schlagen sich an die Brust (30b–31/50b–51a). Ein ähnliches Schema findet sich in weiteren Szenen von Totenklagen, wobei sich jedoch immer gleichgeschlechtliche Gruppen formieren: (1) für Patroklos: (a) Briseïs mit kriegsgefangenen Frauen (19.284–302), (b) Achill mit Gefährten (18.314b–355, 19.4– 6a, 19.303–339); (2) für Hektor: (a) Hekabe mit Troerinnen (22.430), Andromache mit den Schwägerinnen (22.473–515), Andromache, Hekabe und Helena mit Troerinnen (24.723–761), (b) Priamos mit den Troern bzw. seinen Söhnen (22.412–429, 24.160–165); (3) für Achilleus: (a) Thetis und ihre Schwestern (24.83–86, Od. 24.47–49/58f.): DERDERIAN 2001, 35f. mit Anm. 81 u. 53–56; GAGLIARDI 2007, 102–105; ELMER 2013, 199–202; s. auch 316n. Üblicherweise gruppieren sich klagende Frauen um männliche Tote (vgl. 339f. die gleichen Frauen um Patroklos, Od. 24.58–61a Thetis und ihre Schwestern um Achill).
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28 Die kriegsgefangenen Frauen hatten im Heereslager als ‘Dienerinnen’ (gr. dmōiái) v.a. häusliche Arbeiten zu verrichten (Essen bereiten, Gäste baden, Betten richten: 24.582–583a n.; WICKERT-MICKNAT 1983, 77. 164 Anm. 63). Bemerkenswert ist, daß diese Beutefrauen zusammen mit Antilochos und Achill trauern, ebenso später auch Briseïs angesichts von Patroklos’ Leichnam; die Klage dieser Frauen vertritt die Totenklage durch weibliche Verwandte des Toten (19.282– 302n.; zur Motivation ihrer Klagen s. 19.302n.). — Achill und Patroklos: Achill selbst erwähnt diese Beutezüge in der Erinnerung an den Freund als gemeinsame Aktionen, s. 341f., 24.7f. (vgl. auch 9.328f.: externe repetitive AnalepsenP). Zu Achills Eroberungszügen s. 1.366n.; STR 23 Abb. 3; zu Frauen als Kriegsbeute 6.426n.; zum Los kriegsgefangener Frauen s. 1.13n., 1.31n., 6.57b–60n.; zum weiteren historischen Horizont LATACZ (2001) 2010, 357f. ληΐσσατο: Aor. zu ληΐζοµαι (‘erbeuten’), ebenso noch Od. 1.398; Denominativum zu ληΐς (SCHW. 1.735; RISCH 298); zur Kongruenz des Verbs mit dem vorausgehenden Subjekt s. auch Il. 2.858, 19.310 (allg. dazu SCHW. 2.610f.; CHANTR. 2.18f.). 29 θυµόν: die von Affekten betroffene innere Instanz (‘im Innern’), gleichbedeutend mit κῆρ 33 (LfgrE s.v. θυµός 1086.10ff., bes. 65ff.; vgl. 1.24n., 19.57n.). — ἀκηχέµεναι: dient als Ptz. Perf. von ἄχνυµαι, metr. bedingte Form des Fem. (noch ἀκηχεµένη 5.364, h.Cer. 50) neben dem Mask./Neutr. ἀκαχήµενος/-ον/-οι (immer vor vokal. Anlaut: 4× Il., 9× Od., 1× Hes.) zu ἀκάχηµαι ‘betrübt sein’ (RISCH 343; CHANTR. 1.436; SCHW. 1.766); betont sonst meist einen andauernden Gemütszustand, der auf einen bereits weiter zurückliegenden Verlust zurückgeht (LfgrE s.v. ἄχνυµαι, ἀκαχίζω, ἄχοµαι 1772.4ff., bes. 22ff.). — µεγάλ’ ἴαχον: variierbare Formel (µεγάλ’ ἴαχον/-ε) nach der Zäsur B 1 (4× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’); zu den Varianten der Junktur µεγα(-λα) + ἰάχω s. KAIMIO 1977, 20–22. µεγάλα ist Angabe der Quantität zur Bez. der Intensität eines Tones (6.207n., 3.221n.; WILLE 2001, 74). ἰάχω bez. einen Aufschrei von bes. Intensität, oft als Reaktion auf ein Ereignis od. eine Rede, hier auf die Todesnachricht (LfgrE s.v.); die Formen ἴαχε, ἴαχον (redupl. Präs.-Stamm, auch mit Aor.-Funktion?) werden verschieden erklärt (CHANTR. 1.393; LfgrE s.v.; LIV 665; vgl. 19.41n. mit Lit.). 30 δαΐφρονα: 18–19n. — χερσὶ δὲ πᾶσαι: hebt den kollektiven Charakter des Trauerns hervor, ebenso und mit gleicher Versstruktur (Satzbeginn mit Subj. nach der Zäsur C 2 und Vorgang des Trauerns [Präd.] im EnjambementP) in der Szene mit Thetis und den Nereïden 50f. und 65f. 31 1. VH = 51; 2. VH = Od. 18.341; ≈ Il. 16.805, Od. 11.527. — πεπλήγοντο: redupl. Aor. mit iterat. Bed. (LfgrE s.v. πλήσσω 1291.26; SCHW. 1.777 Anm. 4; LATACZ 1966, 58f. 62;
28 Ἀχιλεύς: zum einfachen -λ- R 9.1. 29–30 θυµόν: Akk. der Beziehung (R 19.1). — ἐκ … | ἔδραµον: zur sog. Tmesis R 20.2. — θύραζε: ‘zur Tür hinaus, heraus’; zur Form R 15.3 (-ζε < *-σδε). — Ἀχιλῆα: zur Flexion R 11.3. 31 λύθεν: = ἐλύθησαν (R 16.2). — ὑπό: adverbiell (‘unten’). — γυῖα (ϝ)εκάστης: zur Prosodie R 4.3.
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TICHY 1983, 48). — λύθεν … γυῖα: Die Kombination von medio-pass. Formen von (ὑπο)λύω und γυῖα bez. neben den Folgen von Erschöpfung od. Verwundung v.a. eine psychosomatische Reaktion als Folge starker Emotionen wie z.B. Furcht und Entsetzen 16.805f., Od. 18.341, ähnlich Il. 7.215, 20.44, Od. 18.88 (‘erschlaffen, den Halt verlieren’ [so daß die Knie einknicken]: 6.27n., 24.498n.; vgl. auch 16.312n.); zur Verwendung von γυῖα [‘Glieder’] 3.34n. — γυῖα ἑκάστης: flektierbare VE-Formel (3× Il., 3× Od.). 32 ≈ 22.79; 2. VH = Od. 16.214. — ἑτέρωθεν: signalisiert meist Szenen- od. Perspektivenwechsel (1.247a n.), hier konkreter als Ortsadverb (vgl. 3.230, 9.666, 16.763): “symmetrische Gruppierung zweier Partner”, nämlich Antilochos zum “trauernd daliegenden Achill” (KURZ 1966, 73 Anm. 4; WEST 2001, 244: “facing him”), s. die Ortsangabe ἀµφ’ Ἀχιλῆα 30; mit Athetese von 26f. ist Achill stehend. — δάκρυα λείβων: VE-Formel (3× Il., 6× Od.); weitere Versionen von VE-Formeln für ‘Tränen vergießen’ (mit δάκρυ χέω) s. 1.413n., 3.142n.; HASLAM 1976, 203–207; vgl. auch 17n.
33 2. VH ≈ 10.16, Od. 21.247. — hielt die Hände: Das Festhalten der Hand kann je nach Kontext versch. interpretiert werden, als Geste des freundlichen Versicherns und Zuredens (24.361n., 24.671–672n.), aber auch der Kontrolle über die Person und ihr Handeln (LATEINER 1995, 57; BOEGEHOLD 1999, 17f.); hier wird die Geste in 34 – falls der V. echt ist, s.d. – mit Antilochos’ Angst um Achill begründet. Ähnlich versuchen die Troer 22.412f., Priamos festzuhalten und zu verhindern, daß er sich sogleich zu den Feinden begibt, um den Leichnam seines Sohnes loszubitten (EDWARDS zu 32–4). χεῖρας ἔχων Ἀχιλῆος: vgl. noch χεῖρας ἔχοντες/ἔχουσαι 594, h.Ap. 196 (Tanzende, die sich an den Händen halten); anders dagegen χειρὸς ἔχων Μενέλαον VA 4.154 u. τὸν … | χειρὸς ἔχων 11.487f., wo eine Figur in Sorge um jemanden diesen am Arm bzw. an der Hand hält und sich um ihn kümmert (LfgrE s.v. ἔχω 839.41ff.; zu weiteren Formulierungen für die Geste BARCK 1976, 141–143.). — ἔστενε … κῆρ: Variante der formelhaften Wendung βαρὺ στενάχων (70 [s.d.], 78); ist nicht zwingend als lautloses, inneres Stöhnen aufzufassen, sondern entspricht etwa der Formulierung ‘aus tiefem Herzen aufstöhnen’, vgl. µέγα an den Iteratstellen (LfgrE s.v. στένω; KRAPP 1964, 31f.; SPATAFORA 1997, 9; zu κῆρ 29n.). — κυδάλιµον: generisches EpithetonP versch. Helden und bei κῆρ (‘wacker, ruhmreich’), zu κῦδος (‘Herausgehobenheit’) gehörig (6.184n. mit Lit.).
34 Suizid wird auch in der Odyssee erwähnt: Od. 10.49ff. Odysseus’ Überlegung, ob er sich in seiner Verzweiflung ins Meer stürzen oder im Sturm auf dem Schiff ausharren soll; 11.271–279 die Selbsttötung der Epikaste, Mutter/Gattin des Oedipus; 11.543ff. die Anspielung auf Aias’ Suizid (allerdings nicht explizit erwähnt), s. Aithiopis fr. 6 West (AH, Anh. S. 121; EDWARDS zu 32–4). Der vorl. 32 ὀδύρετο: zur augmentlosen Form R 16.1. 33 Ἀχιλῆος: vgl. 28n., 29–30n. — ὅ: gemeint ist Achilleus. — κῆρ: Akk. der Beziehung (R 19.1). 34 δείδιε: ‘er fürchtete’, sc. Ἀντίλοχος; zur Form ↑. — ἀπαµήσειε … ᾤµωξεν: Subj. ist wieder Achilleus.
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Situation am ähnlichsten ist Od. 4.539f.: Menelaos’ Todessehnsucht auf die Nachricht von Agamemnons Tod. Selbsttötung aus Trauer ist für mythologische Figuren nachhom. vereinzelt belegt: z.B. Theseus’ Vater Aigeus (Plut. Thes. 22), Niobes Gatte Amphion (Ov. Met. 6.271f.), Laodameia, Gattin des Protesilaos (Hyg. Fab. 243); z.T. kommen noch andere Motive dazu (Haimons Wut über sich selbst: Soph. Ant. 1234ff.; Deianeiras Schuldgefühle: Soph. Trach. 1130ff.). – Der Vers wird von einigen für eine Interpolation gehalten, da die Subjektswechsel zwischen Achill (33b, 34b–35a) und Antilochos (34a) – anders als in 32f. – nicht angezeigt sind: WEST 2001, 244 (“suspect line”); vorsichtig LEAF (mit Hinweis auf Subjektswechsel in 7.186–189; vgl. auch CHANTR. 2.359); contra EDWARDS zu 32–4, mit Hinweis auf schol. T (Antilochos’ Angst ist “perfectly reasonable”). Für die Beibehaltung könnte sprechen, daß bei Wegfall von 34 Antilochos’ Geste in 33 allenfalls zwar noch als Geste des Trostes deutbar wäre, die Szene aber mit der Abfolge 33/35 an Dramatik verlöre, s. dagegen 22.412f. (33n.); die 2. VH von 33 läßt sich auch als Parenthese auffassen (so FAESI; VAN LEEUWEN), in der Funktion eines participium coniunctum (s. 70); zum Argument der eher seltenen Verwendung von gr. sídēros ‘Eisen’ als Bez. für eine Waffe (AH, Anh. S. 121f.; LEAF) s.u. δείδιε: Plpf. zum Perf. δείδω ‘sich fürchten’ (6.99n.). — ἀπαµήσειε: Das Kompositum zu ᾱ̓µάω (‘mähen’), außer hier noch in Tmesis Od. 21.300f. u. Hes. Th. 180f. vom Abtrennen von Körperteilen (LfgrE s.v.), ist v.l. (auch Lesart Aristarchs, s. app. crit.) und lectio difficilior gegenüber der Hauptüberlieferung ἀποτµήξειε (‘ab-, zerschneiden’, u.a. von Körperteilen: Il. 11.146 als v.l., Od. 10.440, Hes. Th. 188; ‘durchschneiden’: Il. 16.390; s. LfgrE s.v. τµήγω; LEAF; VAN DER VALK 1964, 118). Eine Nachahmung der als ungewohnt empfundenen und daher z.T. verworfenen Formulierung λαιµὸν ἀπαµήσειε findet sich bei Apollonios Rhodios 4.374 (RENGAKOS 1993, 99). — σιδήρῳ: hier metonymisch für eine Waffe, viell. ein Messer; vergleichbar sind Erwähnungen von Waffen aus Eisen 23.30, Od. 16.294 = 19.13 (vgl. auch Il. 4.123, 7.141); mit ‘Eisen’ werden sonst im hom. Epos meist Werkzeuge umschrieben, Waffen dagegen meist mit χαλκός (‘Bronze’): LfgrE s.v. σίδηρος; zum Problem der Erwähnung von Bronzewaffen neben Eisen s. 6.3n., 6.48n.; zur Metonymie 1.236n.
35–147 Thetis sorgt sich um ihren Sohn Achilleus. Für den Szenenwechsel folgt der Erzähler gleichsam der Ausbreitung des Klagerufes weg von den klagenden Frauen und den Schiffen der Achaier hinunter in die Meerestiefe zu Thetis und ihren Schwestern (weitere Beispiele solcher Szenenwechsel: RICHARDSON 1990, 113. 229 Anm. 8), von dort begleitet er die Meeresgöttinnen ins Schiffslager (65–68a), und mit dem Herantreten konzentriert sich die Szene wiederum auf die Person des Achilleus (70ff.); dadurch werden fließende Szenenwechsel geschaffen (DE JONG/NÜNLIST 2004, 73f.). – Thetis war in der Ilias zuletzt im 1. Gesang anläßlich ihres Bittgangs zu Zeus aufgetreten (1.495ff.),
Kommentar
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bei dem sie diesen dazu überredet hatte, Achills Wunsch zu gewähren und den Troern Überlegenheit in der Schlacht zu geben, und hatte sich danach in die Tiefe des Meeres zurückgezogen (1.531f.). Die vorl. Szene zwischen Achill und seiner Mutter nimmt durch sprachliche Anklänge und explizite Erinnerung (18.74b–75) Bezug auf jene Szene im 1. Gesang (1.357–430a), in der Thetis ebenfalls aus dem Meer aufsteigt (dort von ihm angerufen), um ihrem weinenden Sohn nach einem Verlust beizustehen (dort Briseïs, hier Patroklos), und sich danach auf den Weg macht, sein Vorhaben zu unterstützen (Genugtuung bzw. Waffen): vgl. bes. 1.357f./18.35f., 1.362f./18.73f., 1.409/18.76, 1.364/18.78, 1.417/18.95 und 1.420/18.136f.; und wie bereits im 1. Gesang nimmt Achills Handeln eine entscheidende Wendung (EDWARDS zu 36; CERRI zu 70–137; SCHADEWALDT [1938] 1966, 132; REINHARDT 1961, 368–373; KRAPP 1964, 345f.; TAPLIN 1992, 194ff.; WEST 2011, 344). 35 1. VH ≈ Od. 9.395. — hörte: Die räumliche Ausbreitung der Klage bis in die Meerestiefe und Thetis’ spontane Reaktion darauf (37, 63f.) sind Hinweise auf die außergewöhnliche Intensität (vgl. die Wirkung der Klage der Thetis und der Nereïden Od. 24.48ff.: 2.153n., 24.512n.). σµερδαλέον ᾤµωξεν: σµερδαλέον/-έα als Charakterisierung eines Lautes ist sonst oft im Kontext von Aggression verwendet (Angriffsgeschrei: 19.41n., Schelte: 19.399n.), ᾤµωξεν bez. den Aufschrei von Männern bei Schmerz (24.591n.). Die Verbindung kennzeichnet hier die starken Emotionen Achills, der sowohl von Trauer um den Freund wie von Wut auf Hektor (91–93) durchdrungen ist, und die daraus resultierende Lautstärke seines Schreis – den Ausbruch seiner Gefühle nach dem Stöhnen 33 (LfgrE s.v. οἰµώζω; KAIMIO 1977, 62f.). — πότνια µήτηρ: VE-Formel zur Bez. von Göttinnen und angesehenen Frauen (21× Il., 13× Od., 3× h.Cer.), 9× für Thetis verwendet (1.357n., 6.264n.).
36 = 1.358; 2.VH = 17.324. — Vater: Er trägt bei Hesiod (Th. 233f.) den Namen Nereus (1.358n.; FG 20). ἡµένη: formelhafter VA, ἧσθαι in der Bed. ‘sich befinden, sich aufhalten’ (1.358n.).
37–72 Das Auftreten von Thetis und ihren Schwestern, den Nereïden (Töchtern des Nereus und Bewohnerinnen der Meerestiefe: FG 20), entspricht der zu erwartenden Reaktion auf Achills Klageschrei – auch in anderen Szenen kümmern sich nahestehende Personen sogleich um den Trauernden (22.408ff. um Priamos, 22.473ff. um Andromache; s. 28–31n.); die Szene erscheint aber nicht nur als Totenklage um Patroklos, sondern auch gleichsam als vorweggenommene Totenklage um Achill (dazu 22–147n.; zur Klage durch weibliche Verwandte 19.282– 302n.; KELLY 2012, 252f. mit Anm. 82; zu vorzeitigen Totenklagen in der Ilias 6.497–502n., 24.85n.; KELLY a.O. 229–245. 264f.). Die Beschreibung enthält einige typische Motive von Klageszenen, wobei die Nereïden ähnlich agieren wie 35 σµερδαλέον: ‘furchtbar, schrecklich’ (Adv.). 36 ἡµένη ἐν: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — βένθεσσιν: zur Flexion R 11.3.
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die Dienerinnen in der vorausgehenden Klageszene (vgl. 28–31n.): (a) Schrei (29 Dienerinnen; 37/71 Thetis), (b) Gruppierung um eine klagende Figur (30 Achill; 37f./65f. Thetis), (c) kollektives Sich-Schlagen (30f. Dienerinnen; 50f. Nereïden [betont ‘miteinander’), (d) Rede-Einleitung (51b, s.d.), (e) Thetis’ Äußerungen Vv. 54 und 59b–60 (mit nn.), (f) Berühren od. Halten des Kopfes (71, s.d.): EDWARDS zu 65–9; KAKRIDIS 1949, 66ff.; REINHARDT 1961, 368; PETERSMANN 1973, 13f.; GRIFFIN 1980, 27f.; SCHEIN 1984, 130–132. Mit der Klage der Thetis, die viell. auch ihrem Wissen um Achills frühen Tod entspringt (vgl. dann 24.83ff.), entfaltet der Erzähler den Hintergrund dieses drohenden Todes, vor dem sich die Handlung der restlichen Gesänge abspielen wird: SCHADEWALDT (1936) 1965, 250f.; THALMANN 1984, 50f.; TSAGALIS 2004, 139; zu den externen ProlepsenP von Achills Tod 19.328–333n., 19.409–410n. – Auffallend ist, daß die Nereïden als Kollektiv auftreten (37b–38, 49–51b, 52f.), das auf Thetis’ Schrei bereits in der Meerestiefe wie ein Chor von Klagefrauen agiert (50f.) und Thetis ins Schiffslager begleitet. Dieser Ablauf scheint an die Szene von Achills Bestattung anzuklingen, wie sie in der Odyssee (24.47ff.) und im ep. Kyklos (Aithiopis, Proklos Chrest. § 4 West) überliefert ist (Totenklage der Thetis und der Nereïden bzw. der Nereïden und Musen), und wird von manchen als eindeutiger Hinweis aufgefaßt, daß die Szene ein Vorbild in einem Epos habe, in welchem der Tod Achills und die Totenklage um ihn beschrieben waren: HEUBECK zu Od. 24.47–9; KAKRIDIS 1949, 70ff.; KULLMANN 1960, 36f. 332; SEAFORD 1994, 154–172, bes. 166f.; WILLCOCK 1997, 177f. 187f.; WEST 2011, 46f., 344f.; 2013, 154; vorsichtig BURGESS 2009, 83–87 mit Lit.; contra CERRI zu 65–69; DIHLE 1970, 20–22; DI BENEDETTO (1994) 1998, 309 Anm. 25; KELLY 2012 (bes. 246–255): vorzeitige Totenklage als allg. geläufiges Motiv des Epos (s.o.); ausführliche Diskussion der versch. Positionen s. bei TSAGALIS 2008, 239–271, bes. 245ff. (vgl. auch 17n.). Zur allg. Diskussion über Motive und Erzählstrukturen der Ilias (v.a. um die FigurenP Achilleus und Patroklos) und ihr Verhältnis zu möglichen ep. Vorlagen (insbesondere den im ep. Kyklos [‘Aithiopis’] überlieferten Geschichten zum Troianischen Krieg) s. 16.419–683n. a.E. (mit Lit.); 16.684–867n. a.E. 37 1. VH = 24.703 (Kassandra angesichts des toten Hektor). — Zum Ablauf vgl. 23–30 (28–31n.). κώκυσέν τ’ ἄρ’ ἔπειτα: ist eine Version neben mehreren weiteren formelhaften VA zur Bezeichnung emotionaler Reaktionen (3.398n.); κωκύω bez. oft den Klageschrei einer Frau angesichts eines geliebten Toten od. aus Sorge um einen geliebten Menschen (19.284n.).
37 µιν: = αὐτήν (R 14.1). — ἀµφαγέροντο: Aor. zu ἀµφ-αγείρoµαι ‘sich versammeln um’.
Kommentar
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38 ≈ 49. — κατὰ βένθος: ‘durch die Tiefe hin’, betont die örtliche Erstreckung (vgl. SCHW. 2.479) und nimmt ἐν βένθεσσιν (36) wieder auf. Ζum Verhältnis zwischen hom. βένθος und ion.-att. βάθος s. DELG s.v. βαθύς.
39–49 Der Nereïden-Katalog besteht aus einer Liste von 33 Namen, von denen lediglich drei durch (generische) EpithetaP erweitert sind (40, 45, 48), und ist von teils sprachlichen (38 ≈ 49), teils inhaltlichen Wiederholungen (37/50f.) umrahmt, die Scharniere zwischen KatalogP und Erzählung bilden (dazu 2.760n. [Schiffskatalog], 16.306–357n. [Androktasie-Szene]). Die Schilderung, wie ‘alle’ Nereïden (38, 50) sich um Thetis versammeln, dient dazu, die seit der Ankunft des Unglücksboten sich ausbreitende Trauer in ihrer selbst die göttliche Ebene umfassenden Dimension zu zeigen und durch die doppelte Trauer (um Patroklos, um Achill selbst, s. 37–72n.) die Bedeutsamkeit dieses Moments zu unterstreichen; die lange Liste der Namen, die explizit abgebrochen wird (49), soll dabei zusätzlich die große Menge der Versammelten veranschaulichen (THALMANN 1984, 11f. u. 191 Anm. 36; MINCHIN 1996, 17; 2001, 94; GAERTNER 2001, 302f.; SAMMONS 2010, 9–11). Der bereits in der Antike als Interpolation verdächtigte Katalog wird aber von WEST unter die “rhetorical expansions” eingereiht (WEST 2001, 12), wofür die für hom. Kataloge unübliche lange Aneinanderreihung von Namen fast ohne Erweiterungen sprechen könnte (AH u. AH, Anh. S. 123; LEAF; EDWARDS; BLÖSSNER 1991, 53 Anm. 191; WEST 2001, 244f.; vgl. auch schol. A zu 39–49 mit Zenodots Urteil). Er gleicht darin dem Nereïden-Katalog in Hesiods Theogonie (Vv. 243–262), der aus 50 Namen der Töchter des Pontos-Sohnes Nereus besteht und folgende Übereinstimmungen mit dem vorliegenden aufweist: V. 43 = Th. 248, V. 45 ≈ Th. 250; in beiden Katalogen genannt werden außerdem (neben Thetis) Glauke, Kymodoke, Nesaië, Speio, Thoë, Aktaië, Kymothoë, Melite, Agaue, Nemertes (EDWARDS zu 39–49; WACHTER 1990, 23–26; BLÖSSNER a.O. 51). Das Verhältnis der beiden Kataloge zueinander ist umstritten: Der vorl. Katalog könnte (a) unter dem Eindruck des Hesiodischen entstanden sein (LEAF; SELLSCHOPP 1934, 59–63; NICKAU 1977, 235f.; BLÖSSNER a.O. 52–58; WEST 2001, 245: “a Homerid taking inspiration from the Theogony”; 2011, 344f.; 2011a 220f.; vorsichtig BOLLING 1953, 294), (b) das Vorbild für Hesiod gewesen sein (KRAFFT 1963, 144–152; VAN DER VALK 1964, 437–439; BUTTERWORTH 1986, 41–43) oder aber (c) beide basieren auf einer gemeinsamen älteren ep. Vorlage (WILLCOCK; KAKRIDIS 1949, 75 [mit Hinweis auf V. 49: Abbruch einer bestehenden Liste]; WACHTER 1990, 24ff. [mit Hinweis auf die Mischung im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Wahl und in der Reihenfolge der Namen]; BURGESS 2001, 234 Anm. 238; TSAGALIS 2010, 325 mit Anm. 6; 2011, 224; vorsichtig EDWARDS); weitere Lit. zu dieser umstrittenen Frage bei NICKAU 1977, 232 Anm. 7; APTHORP 1995; LfgrE s.v. Νηρηΐ(ς). – Innerhalb der vorl. Namensliste zeigt sich ein ästhetisches Spiel mit zahlreichen rhythmischen und
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klanglichen Entsprechungen, verbunden mit großer Variation bei der Verteilung der gr. Wörter für ‘und’ (te, kai, te kai) und der Silbenzahl der Namen, wodurch das Tempo der Aufzählung immer wieder wechselt: VA 39 ≈ 47, VE 44 ≈ 46, gleicher Versbau in 41/44/46); Gleichklang am VE von 46f. und innerhalb von 43 (1. VH) u. 47 (2. VH); wachsende Silbenzahl (z.B. 39, 43, 46); Asyndeton am VA und Epitheton beim letzten Namen (40/45/48); gleiche Zäsuren (39/43); aus gleichen Bestandteilen zusammengesetzte Namen (z.B. Amphi-, Kymo-, Kalli-, -thoë, -ménē, -áneira, -ánassa: s.u. zu den einzelnen Vv.): KRAFFT 1963, 146–148; NICKAU 1977, 234f.; BUTTERWORTH 1986, 40–42; PERCEAU 2002, 139–141. Die sprechenden Namen hängen teils mit Örtlichkeiten (Küste, Grotten, Inseln) oder Eigenschaften des Meeres (Glanz, Bewegtheit, Gewalt), teils mit den Fähigkeiten der Nereïden als Meeresgöttinnen (u.a. Hilfe, Gaben) zusammen und evozieren im Hörer ein Bild des Meeres in seinen verschiedenen Aspekten. Allg. zu den Nereïden s. WEST zu Th. 240–64; KlP s.v.; LfgrE s.v. Νηρηΐ(ς); zu weiteren NamenKatalogen s. 19.238–240n.; DE JONG zu Od. 3.412–15; EDWARDS 1980, bes. 99; KELLY 2007, 122f.; zur mnemotechnischen Funktion sprechender Namen in Katalogen s. MINCHIN 2001, 82–84. 88–90; allg. Lit. zu Katalogen in oral poetry s. 2.494–759n. (1.); KatalogP mit Anm. 31. 39 Gláukē: fem. Pendant zum gängigen PN ‘Glaukos’ (6.119n.), als Adjektiv auch Epitheton und Kenning (Hes. Th. 440) für das Meer. Bedeutung (‘die Grau-Blaue’ od. ‘die hell Glänzende’) und Etymologie sind nicht ganz klar (WATHELET s.v. Γλαῦκος [mit Lit.]: “brillant et clair avec un reflet bleuté”; WEST zu Th. 244 u. 440 [“the gray”]; weitere Lit. s. 16.34n.). — Tháleia: ‘die Üppige’, Ableitung vom Verb thállō ‘gedeihen’; als Adjektiv Epitheton zu dáis ‘(Fest-)Mahl’ (LfgrE); bei Hesiod auch Name einer Muse (Th. 77, vgl. auch Thalíē Th. 909: eine der Chariten). — Kymodókē: ist Th. 252ff. erklärt als diejenige, die zusammen mit Kymatolḗgē und Amphitrítē “die Wogen (kýmata) besänftigt” (-dokē zu gr. déchomai ‘aufnehmen’ [vgl. gr. douro-dókē u. histo-dókē, Halterungen für Mast bzw. Speer]: LfgrE s.v.). ἔνθ’ ἄρ’ ἔην: ἄρ(α) nimmt hier das 37f. Angekündigte auf und führt es weiter aus, ‘also denn’ (GRIMM 1962, 10; LfgrE s.v. ἄρα 1148.52ff.); ähnlich 47 ἔνθα δ’ ἔην, die Liste fortsetzend.
40 ab Zäsur A 4 ≈ Hes. Th. 245. — Nēsáiē: Ableitung von gr. nḗsos ‘Insel’ (LfgrE); bei Hesiod (Th. 249) systematisierend zusammen mit Aktáiē genannt (s. V. 41; zu gr. aktḗ ‘Küste’); zur Bildungsweise RISCH 126. — Speiṓ: zu gr. spéos ‘Höhle’, also eine ‘Grottennymphe’ (LfgrE); zur Verehrung der Nereïden an Küsten und in Höhlen WEST zu Th. 249. — Thóē: ‘die Schnelle’. — Halíē: Adjektivableitung
39 ἔην: = ἦν (R 16.6); ebenso in V. 47.
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zu gr. hals ‘Meer’, auch gemeinsames Attribut der Nereïden (86) und ihres Vaters Nereus (141), als substantiviertes Adj. ‘Meerfrau(en)’, s. 86, Od. 24.47/55. Nησαίη …: Asyndeton am VA innerhalb von Namenslisten ist nicht ungewöhnlich, hier noch in den ebenfalls durch Epitheton erweiterten Vv. 45, 48 (weitere Stellen s. WEST zu Th. 245). — βοῶπις: generisches Schönheits-EpithetonP verschiedener Göttinnen und menschl. Frauen, meist von Hera, von anderen außer hier noch 3.144 (wohl interpoliert, s.d.), 7.10 u. 2× Hes., 1× hom.h.; es wird als ‘großäugig’ gedeutet (1.551n., 3.144n.).
41 Kymothóē: Kompositum mit Vorderglied kýma (39n.); das Hinterglied ist entweder nominal aufzufassen (thoós: ‘schnell’), ‘die Wogenschnelle’ (v. KAMPTZ 74), oder verbal (théō: ‘laufen’) als ‘die in den Wellen laufende’ (GIGANTE/BONINO 1973, 114; vgl. RISCH 202). — Limnṓreia: Kompositum mit Vorderglied von gr. límnē ‘stehendes Gewässer’; das Hinterglied ist unklar: abgeleitet entweder von gr. ṓrē (‘Sorge für etw.’) oder von gr. óros (‘Berg’, vgl. 48n.); sie ist entweder die ‘Herrin der Sümpfe’ (LfgrE s.v. Λιµνώρεια mit Lit.) oder ‘Herrin der hohen See’ (LfgrE s.v. Νηρηΐ(ς) 375.56). 42 Melítē: zu méli ‘Honig’ (LfgrE); ist h.Cer. 419 Name einer Okeanide, Spielgefährtin der Persephone, außerdem u.a. der Name von Inseln (z.B. Malta): DNP s.v. Melite. — Iaira: Die Bed. ist unklar (s.u.). — Amphithóē: zum Hinterglied s. 41n.; das Vorderglied entweder intensivierend (EDWARDS; v. KAMPTZ 54, 74: ‘die sehr Schnelle’; vgl. SCHW. 2.437) oder örtl. ‘ringsum’ (LfgrE s.v. Ἀµφιθόη: ‘die ringsum Eilende’; vgl. RISCH 202). — Agauḗ: bed. möglicherweise ‘die Bewundernswerte’ (3.268n.); den gleichen Namen trägt eine Tochter des Kadmos (Hes. Th. 976), Mutter des Pentheus. Ἴαιρα: wird entweder mit dem Adj. ἱερός (ved. iṣirá-) in Verbindung gebracht (v. KAMPTZ 121; EDWARDS), welches urspr. die Bed. ‘kraftvoll’ (vgl. DELG, FRISK u. BEEKES s.v.) oder ‘vital’ (vgl. 24.681n., 16.407n. [von einem Fisch]) haben kann, oder ist Kurzform zu einem Namen mit Ἰ- (RISCH 138; vgl. PETERS 1980, 194: -αιρα als “verselbständigtes Suffix”).
43 = Hes. Th. 248. — Dōtṓ: ‘die Geberin’, ebenso Dōrís 45 (zur Bildung RISCH 192; SCHW. 1.442); der Name ist entweder auf die Gaben aus dem Fischfang zu beziehen (WEST zu Th. 244) oder allg. auf alles, was das Meer bietet (u.a. auch Strandgut). — Prōtṓ: wird meist als Kurzform zu Namen mit Prōto- aufgefaßt (Hes. Th. 249 Protomedeia) und mit prṓtos (‘erster’) verbunden, nach anderen jedoch mit *prōtón ≈ peprōménon (‘schicksalsgegeben’): SCHULZE 1892, 22f. Anm. 3; WEST zu Th. 248; LfgrE s.vv. Πρωτώ, Πρωτεύς mit Lit. — Phérousa: Ptz. Präs. ‘die Tragende, Bringende’, d.h. diejenige, die Schiffe ans Ziel bringt (WEST zu Th. 248 u. GIGANTE/BONINO 1973, 114, mit Hinweis auf Od. 3.300 etc.), oder darauf bezogen, was das Meer den Menschen an Gaben bringt (RE s.v. Nereiden). — Dynaménē: Ptz. Präs. zu dýnamai ‘können, die Macht zu etw. haben’. 44 Dexaménē: Ptz. Aor. zu déchomai ‘aufnehmen’ (39n.), also z.B. ‘die gastlich Aufnehmende’ als Beschützerin der Schiffe (LfgrE; WILLCOCK mit Hinweis auf
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398: “she who protects”; anders EDWARDS: diejenige, die Gebete od. Opfer annimmt). — Amphinómē: Femininform zum PN Amphinomos (Od. 16.394), der meist gedeutet wird als ‘reich an Weideplatz’ (gr. nomós; amphí mit intensivierender Bed.): v. KAMPTZ 55, 74; RISCH 201; EDWARDS. — Kalliáneira: ‘die schöne Männer hat’ (LfgrE; zur Bildung RISCH 138. 219). 45 ≈ Hes. Th. 250. – Nach dem ‘Gesetz der wachsenden Glieder’ gebauter Vers: er besteht aus drei Eigennamen, wobei der dritte durch ein EpithetonP erweitert ist (1.145n., 19.87n.). — Dōrís: 43n. — Panópē: wohl ‘die All-Sehende’ (LfgrE mit Lit.; EDWARDS). — Galáteia: viell. von gála ‘Milch’ abgeleitet (RISCH 138), im Hinblick auf den milchig-weißen Meerschaum (RE s.v. Nereiden; EDWARDS).
ἀγακλειτή: ‘hochberühmt, herrlich’, generisches EpithetonP von Männern u. Frauen, außerdem von ἑκατόµβη; immer nach der Zäsur B 2 (5× Il., 6× Od., 3× Hes., 1× hom.h.), vgl. 6.436–437n. zur metr.-prosodischen Variante ἀγακλυτός.
46 Der Vers ist rhythmisch und – v.a. am VE – klanglich ähnlich gebaut wie 44. — Nemertḗs und Apseudḗs: Die Adjektive (‘untrüglich, treffend’ und ‘ohne Falsch, wahrhaftig’) bez. Eigenschaften, mit denen im fgrE der – mit z.T. verschiedenen Namen versehene – ‘Meergreis’ charakterisiert wird (Od. 4.349/384/401/542, 17.140, Hes. Th. 233ff.), vgl. Hes. Th. 262; sie stehen wohl im Zusammenhang mit der mantischen Gabe, die Meergöttern zugeschrieben wird (WEST zu Th. 233 u. 261–2; LUTHER 1935, 41f., 81; DÉTIENNE 1967, 30–32; vgl. auch WEST zu Od. 4.349; zur Wortbildung von nēmertḗs 1.514n., 6.376n.). — Kalliánassa: Kompositum mit den Bestandteilen ‘schön’ (vgl. 44n.) und ‘Herrscherin, Beschützerin’ (v. KAMPTZ 85; RISCH 139; vgl. 6.402–403n. s.v. Astyanax zur Bed. von ánax); die Bed. ist nicht klar (‘die auf schöne Weise herrscht’?: LfgrE). 47 Klyménē: ‘die Berühmte’ (RISCH 54; v. KAMPTZ 242; vgl. auch 2.742n., 19.10n. zum Adj. klytós); bei Hesiod Name einer Okeanide, Gattin des Iapetos (Th. 351, 508). — Iáneira und Iánassa: beide Komposita mit unklarem Vorderglied (bei Vorderglied zu gr. [w]ī́phi [‘mit Kraft’, vgl. lat. vīs] ist Langvokal zu erwarten), das Hinterglied zu anḗr (‘Mann’; vgl. 44n.) bzw. ánax (‘Herrscher’; vgl. 46n.): RISCH 139; v. KAMPTZ 102, 121; SCHW. 1.452. ἔνθα δ’ ἔην: Neueinsatz mit Anklang an 39 (s.d.); Vv. 39–46 zeigen die engsten Entsprechungen zu Hesiod (bes. Th. 244b–245, 247–250; zu 46 vgl. Th. 262): WACHTER 1990, 24– 26.
48 entspricht in Aufbau und Klang (VE) V. 45 (s.d.). — Maira: ‘die Glitzernde’, zum Verb marmáirō (RISCH 137; v. KAMPTZ 121; LfgrE); ist Od. 11.326 wie Klymene Name einer Heroine. — Ōréithyia: wird gedeutet als ‘die am Berg Stürmende’ (s.u.), die eigtl. Bed. ist aber nicht klar (LfgrE s.v. Νηρηΐ(ς) 375.53f.; vielleicht wie der Wind, der von einem Berg herab auf das Meer zubraust?: EDWARDS); ist in nachhom. Lit. auch Name der Tochter des Erechtheus und Gattin des Windgottes Boreas. — Amátheia: zu gr. ámathos ‘Sand’, entspricht wohl
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der Nereïde Psamathe bei Hesiod Th. 260 (WEST z.St.; LfgrE s.v. ἄµαθ(ος); RISCH 138, 174).
ἐϋπλόκαµος: ‘mit schönen Haarflechten’, generisches Epitheton P von Göttinnen und menschlichen Frauen; dazu und zu weiteren ähnlichen Epitheta s. 6.379–380n. — Ὠρείθυια … Ἀµάθεια: Die Lesart Ἀµάθεια ist der Hauptüberlieferung Ἀµάθυια vorzuziehen, da der Name wohl mit Ψαµάθη/Ψαµάθεια zusammenhängt, und die Lesart mit Hinterglied -θυια wohl von Ὠρείθυια beeinflußt ist (WEST zu Th. 260; WEST 2001, 245). – Ὠρείθυια ist zusammengesetzt aus ὄρος (mit metr. Dehnung) + θύω (RISCH 136; LfgrE s.v. Ὠρείθυια; WYATT 1969, 49 Anm. 14).
49 ≈ 18.38 (s.d.). — der Salzflut Tiefe: Die Formulierung hier und 38 umrahmt die Namensliste (zum Phänomen 39–49n.). ἄλλαί θ’ αἳ …: gleicher Abbruch einer Aufzählung von Namen wie 2.649 (s.d.), Hes. Th. 21, 363–370 (WEST zu Th. 21).
50–67a Thetis’ Rede vor ihren versammelten Schwestern ist umrahmt von Versen, die in Inhalt und Struktur aufeinander abgestimmt sind: die Höhle (50a/65a), syntaktischer Neueinsatz bei der Zäsur C 2 (50b/65b; allg. dazu 1.194n.), Trauer der Schwestern (50b–51a/65b–66a, jeweils mit integralem EnjambementP). Sie entspricht trotz der Rede-Einleitung 51b (s.d.) und einzelner Motive aus Totenklagen (54n., 55–60n.) nicht einer Klagerede im engeren Sinn (zur Struktur von Totenklagen s. 19.286–339n., 24.725–745n., 24.749–750n.): (1) Beginn und Ende sind situationsbezogen (52f. Aufforderung zum Zuhören mit Anrede an Umstehende / 63f. Hinweis auf folgende Begegnung mit Achill), (2) Vv. 61f. zeigen Thetis’ Sorge um den lebenden Achill; außerdem werden die Vv. 56–62 in ihrer Rede an Hephaistos 437–443 wiederholt: EDWARDS zu 52–64; CERRI zu 52–64; LOHMANN 1970, 54; PETERSMANN 1973, 13–15; TSAGALIS 2004, 137f.; 2008, 240–255. 265f.; BECK 2005, 258–260. 268; GAGLIARDI 2007, 101. 169f. 50 VE ≈ 30 (s.d.). — Höhle: Zu Thetis’ Wohnsitz in einer Höhle im Meer vor der kleinasiatischen Küste s. 24.83n. καί: bezieht sich auf die ganze Aussage: die Folge von 37f. (AH; vgl. 16.148n.). — ἀργύφεον: ‘hell, weiß, glänzend’, Erweiterung zu ἄργυφος (zur Etymologie 24.621n.). Ist sonst Epitheton von Schafen und Gewändern, beschreibt hier das Lichtspiel in der Höhle im Meer (CERRI; vorsichtig LfgrE s.v. ἀργύφε(ος): eher “groß u. licht”).
51 1. VH = 31 (s.d.); 2. VH ≈ 18.316, 22.430, 23.17, 24.723, 24.747, 24.761. – Die Klagegeste der Versammelten und die Rede-Einleitung gehören in den Kontext der Totenklage (28–31n., 37–72n.; ALEXIOU [1974] 2002, 13; DERDERIAN 2001, 35f.). ἐξῆρχε γόοιο: ἐξάρχω bed. ‘anstimmen, anführen’ von bestimmten Liedformen (z.B. Tanzlied [606n.], Dithyrambos u. Paian [Archil. fr. 120 u. 121 West]), hier wie bei einer Totenklage das Wehklagen (CALAME 1977, 157f.; ZIMMERMANN 1992, 19f.); γόος bez. 50 πλῆτο (+ Gen.): ‘sich füllen mit’, Wz.-Aor. Med. zu πίµπληµι.
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meist die spontane Totenklage von Angehörigen bei einem Trauerritual (im Unterschied zum formalen θρῆνος), z.T. auch ohne rituellen Kontext ‘das Weinen, Klagen’ (24.160n., 24.723n.).
52–53 Thetis’ Kummer entspringt v.a. dem Wissen um Achills frühen Tod (1.414– 418, 1.505f.), d.h. um die Tatsache, daß er nicht mehr von Troia heimkehren werde (18.59–62, 18.95f., 18.429–461 [bes. 440f.], 21.276–278, 24.84ff., 24.131f.): KELLY 2012, 249f.; zu gr. thymós 4–5n. κλῦτε: Imp. ‘hört zu’, immer am VA, meist mit Anrede an vertraute Personen, ebenso 2.56, Od. 4.722, 6.239, 14.495, 15.172 (LfgrE); Wurzel-Aor. (G 63), -ῡ- viell. analog dem Imp. Sg. κλῦθι mit metr. Dehnung (CHANTR. 1.103, 379; WYATT 1969, 210; BEEKES s.v. κλύω), neben VA mit κέκλῠτε (dazu 3.86n.). — ὄφρ’ εὖ πᾶσαι | εἴδετ’: Variante der flektierbaren VE-Formel ὄφρ’ εὖ εἴδω/εἴδῃς (1.185n.); wie in 38 und 50 ist der kollektive Charakter der Gruppe hervorgehoben (vgl. n.). — ἐµῷ ἔνι … θυµῷ: betont ‘in meinem Innern’; aber jetzt sollen die Schwestern daran teilhaben (JAHN 1987, 229). — κήδεα: ‘Leid’, meist i.S.v. Trauer um Angehörige (8n.), was hier im Kontext ebenfalls suggeriert wird (37–72n.); im folgenden stehen aber Thetis’ Sorgen um den Sohn im Vordergrund (‘Kummer, Sorgen’: LfgrE), s. bes. die Betonung des ‘ich’ durch ἐµῷ … θυµῷ, im Ausruf 54 und durch Pronomina und Verben in 1. Pers. Sg. in den Vv. 55/57–62 (Hinweis VAN DER MIJE).
54 1. VH ≈ 22.431, Od. 5.299. — Der Klageruf, dessen Pathos durch die im fgrE singuläre Doppelung von ōi moi (‘o mir’) verstärkt ist, wird im Folgenden erklärt: 55–56 ‘Heldengebärerin’ (gr. aristo-tókeia), 59b–62 ‘ich Arme’, ‘Unglücks-’ (gr. dys-); vgl. auch Thetis’ Klage gegenüber Achill selbst 1.414/418 (SCHADEWALDT [1936] 1965, 250; TSAGALIS 2004, 48. 138f.; 2008, 266–271). Mit dem gr. Adj. deilḗ (‘beklagenswert, unglücklich’) bezeichnen sich auch Briseïs (19.287, s.d.) und Hekabe (22.431) in Totenklagen. ᾤ µοι ἐγώ: 6n.; emphatische Anapher der Interjektion (FEHLING 1969, 206), mit Rhythmus-Wechsel aufgrund der Position im Vers. — δυσαριστοτόκεια: hapax legomenonP mit der Bed. ‘Unglücks-Heldenmutter’ (schol. D: ἐπὶ κακῷ τὸν ἄριστον τετοκυῖα; LfgrE: ‘wretched mother of a noble son’), bestehend aus einem Nominalkompositum ἀριστοτόκεια (zu τίκτω, -εια wegen VE) mit Negativ-Präfix δυσ- (RISCH 229; SCHW. 1.428 Anm. 4; zum Präfix 3.39n.; weitere Bsp. solcher sehr emotionalen Selbstbezeichnungen bei GRIFFFIN 1986, 41f.).
55–60 Externe AnalepseP: Thetis umschreibt ihre Rolle bei Achills Heranwachsen und bei seinem Aufbruch nach Troia. Die Passage enthält Anklänge an Motive aus dem narrativen Teil von Totenklagen, die v.a. in den Klagen von Hekabe und Andromache um Hektor im 22. und 24. Gesang erkennbar sind: Hinweis auf familiäre Verbindung zum Toten, das Leben des Verstorbenen mit dem Totenlob, die 52 ὄφρ(α) (+ Konj.): final (R 22.5). 53 εἴδετ(ε): kurzvokal. Konj. (R 16.3). — ἀκούουσαι, ὅσ(α): zum Hiat R 5.6. — ἐµῷ ἔνι: zum hiatüberbrückenden unsilbischen ι (emōj éni) M 12.2. — ἔνι: = ἐν (R 20.1), ≈ ἔνεστι.
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Zukunft der Hinterbliebenen: EDWARDS; REINER 1938, 13f.; PATTONI 1998, 15– 18; DERDERIAN 2001, 36f.; TSAGALIS 2004, 88–90; s. außerdem 56–57n. ἥ τ’ ἐπεὶ ἂρ τέκον … | (3 Vv.) | … ὑποδέξοµαι: Erklärung von δυσαριστοτόκεια in 55–56a, mit Übergang von Hypotaxe zu Parataxe im narrativen Teil mit den VergleichenP in 56/57 (ὃ δ’ ἀνέδραµεν …) und Gegenüberstellung der Handlung in 57ff. (τὸν µὲν ἐγὼ … | …προέηκα …Ἴλιον εἴσω vs. τὸν δ’ οὐχ ὑποδέξοµαι … | … δόµον Πηλήϊον εἴσω): AH zu 56; LEAF zu 55 und zu 17.658; CERRI zu 57; CHANTR. 2.361; zur erläuternden Funktion von Rel.-Sätzen bei Komposita s. 24.479n. 55 2. VH ab υἱόν = 4.89, 5.169, 21.546, h.Ap. 100; ab ἀµύµονα = Hes. Th. 1013, ‘Hes.’ fr. 141.14, 171.6. — ἥ τ’ ἐπεὶ ἄρ: VA ≈ 17.658, 24.42 (ὅς), h.Ap. 158 (αἵ) und 4× Il. ohne ἄρ; zur Verwendung von ἐπεὶ ἄρ 24.42–43n. — ἀµύµονα: konventionell als ‘vortrefflich’ verstanden; zur umstrittenen Etymologie dieses generischen EpithetonsP s. 6.22–23n.
56–62 = 437–443, ebenfalls aus Thetis’ Mund; die Verse zeigen die zwiespältigen Gefühle der Mutter, die ihren Sohn in den Krieg ziehen ließ: einerseits Stolz (vgl. das emphatische runover word in 56), andererseits Besorgnis. Die Mutter-SohnBeziehung wird auch sonst in dieser und der folgenden Szene betont: durch die Benennung Achills als ‘Sohn’ und ‘Kind’ in ihren Reden zu den Schwestern 55, 63, 144; in den Anreden 73, 95, 128; im Erzählertext am Beginn und Ende der Begegnung 71 (s.d.), 138, 147; vgl. auch die Periphrastische BenennungP der Thetis als ‘Mutter’ im Erzählertext 35, 70 und in der Anrede 79 (DE JONG [1987] 2004, 190; vgl. 24.122n.). – Bereits im 1. Gesang hatte Thetis die beiden Gegebenheiten von Achills Dasein beklagt, den frühen Tod und sein kummervolles Leben (1.417, s.d.; DI BENEDETTO [1994] 1998, 306f.). 56–57 VergleicheP mit Pflanzen dienen u.a. dazu, das Wachsen und Gedeihen eines jungen Menschen darzustellen (außer hier noch Od. 6.157–169 Nausikaa, 14.175 Telemachos und vgl. Il. 22.86f., h.Cer. 66, 187, h.Ven. 278, Il. parv. fr. 31 West [mit WEST 2013, 185]; zu alttestamentl. Parallelen WEST 1997, 242); sie zeigen aber auch die Vergänglichkeit der Menschen (vgl. 6.146–149n. mit Lit.), so etwa im Zusammenhang mit dem Tod eines jungen Kriegers in der Schlacht Il. 8.304ff., 17.53ff. (SCOTT 1974, 70f.). An der vorl. Stelle ist der Vergleich zunächst auf Achills Gedeihen bezogen; aber in der Fortsetzung von Thetis’ Rede (59f.) klingt der frühe Tod des wie eine Pflanze gehegten Sohnes an (TSAGALIS 2004, 139; GRETHLEIN 2006, 90f.; zu solchen VergleichenP in Totenklagen s. ALEXIOU [1974] 2002, 195ff., bes. 198; allg. zu Vergleichen in FigurenP-Reden 2.289n.; DE JONG [1987] 2004, 135f.). 56 VE ≈ Od. 14.175. — ἔξοχον ἡρώων: ἔξοχος ist meist im Bezug auf Kampfleistung gebraucht; häufiger sind jedoch andere Gen.-Verbindungen (z.B. die VE-Formel ἔξοχον 55 ἥ τ’ ἐπεί: inhaltliche Fortsetzung von ἥ im HS 59b–60 (‘episches τε’: R 24.11); ἐπεί ist mit τέκον zu verbinden. — ἄρ: = ἄρα (R 24.1). — τέκον: zur augmentlosen Form R 16.1. 56 ἔρνεϊ (ϝ)ῖσος: zur Prosodie R 5.4.
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ἄλλων [12× fgrE]: LfgrE s.v. ἔξοχος; 2.188n.; vgl. den an Achill gerichteten Appell 11.784 ὑπείροχον ἔµµεναι ἄλλων). ἔξοχος ἡρώων ist in der Ilias nur noch Agamemnon – allerdings vorübergehend, beim Auszug in die Schlacht 2.483 (2.480–483n.); zu Gebrauch und Konnotationen des Begriffs ἥρως 1.4n., 6.34–35n. — ἀνέδραµεν: ‘schoß auf’, vom schnellen Wuchs in die Höhe, hebt die Geschwindigkeit hervor, mit der in den Augen der Mutter das Kind im Rückblick heranwuchs, vgl. dagegen Od. 6.163 νέον ἔρνος ἀνερχόµενον (Odysseus zu Nausikaa über den Wuchs einer Pflanze): LEAF; LfgrE s.v. δραµεῖν.
57 VE = 9.534, 18.438. — aufgezogen: In anderen, im ep. Kyklos überlieferten Versionen hat Thetis ihren Gatten Peleus schon nach der Geburt Achills verlassen; dessen Erziehung wurde darauf vom Kentauren Cheiron übernommen (24.83n.; MARCH 1987, 23f.). φυτὸν ὥς: zur Prosodie (Langmessung der Silbe vor ὥς) 2.190n. — γουνῷ ἀλωῆς: γουνός ist wohl etym. verwandt mit γόνυ und bed. viell. ‘Erhebung, Hügel’ (DELG; FRISK; contra BEEKES), ἀλωή bez. bepflanztes Land wie einen Obstgarten od. Weinberg (Od. 1.193, 11.193, h.Merc. 207 γουνὸν ἀλωῆς οἰνοπέδοιο), das z.T. von einer Einfriedung (ἕρκος) umgeben ist (561/564, 5.90, Od. 24.224, h.Merc. 188): LfgrE s.vv. ἀλωή, γουνός; RICHTER 1968, 97f. Der Vergleich betont die Hege und Pflege der Mutter.
58 Thetis spricht in dieser sehr emotionalen Rede aus der Sicht der zutiefst besorgten Mutter, die den Sohn in den Krieg geschickt hat und die Verantwortung für dessen Teilnahme am Feldzug trägt (zu ihrer Rolle bei Achills Aufbruch vgl. auch 16.222–224n.). An anderen Stellen der Ilias, in denen andere FigurenP über Achills Auszug nach Troia berichten, steht Peleus im Vordergrund (9.252–259 Odysseus, 9.438–443 Phoinix, 11.769–790 Nestor): ANDERSEN 1990, 40f.; LATACZ (1995) 2014, 309f. Anm. 107; TSAGALIS 2004, 88f.; vgl. dagegen die Version, nach der Peleus den Sohn auf der Insel Skyros versteckte (Cypr. fr. 19 West, mit WEST 2013, 103f.). — Ilios: der andere Name für Troia (1.71n.; FOR 24), davon der Werk-Titel ‘Ilias’ (gr. hē Iliás ⟨póiēsis⟩, ‘die ⟨Dichtung⟩ über Ilios’). νηυσὶν ἔπι προέηκα κορωνίσιν: so der Text bei WEST – analog zur VA-Formel νηυσὶν ἔπι γλαφυρῇσι (12× Il.; vgl. 304n.) –, andere bevorzugen die Schreibung mit Doppelkompositum ἐπι-προ-έηκα zur Angabe von Richtung (‘⟨dem Feind〉 entgegen-’) und Aufbruch (‘aussenden’) mit νηυσίν als Dat. instrumenti (AH; LEAF mit Hinweis auf die Bed. von ἐπὶ ν.: hom. sonst ‘bei/zu den Schiffen’ [u. vgl. LfgrE s.v. νηῦς 385.53ff.]; EDWARDS; LfgrE s.v. ἵηµι 1154.65ff.). – Das Schiffs-Epitheton κορώνισιν (wohl ‘gekrümmt’ vom Schiffsschnabel) steht immer im Dat. Pl. und zwischen den Zäsuren B 2 und C 2, direkt hinter νηυσὶ/νήεσσι, hier jedoch in Formelsprengung (1.170n.; EDWARDS 1968, 266); vgl. aber auch 17.708. — Ἴλιον εἴσω: VE-Formel (6× Il., 2× Od., 1× ‘Hes.’); εἴσω 57 τὸν µέν: wieder aufgenommen in 59 τὸν δέ, zur Kontrastierung der Prädikate; zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — θρέψασα: Ptz. Aor. zu τρέφω. — φυτὸν ὥς: = ὡς φυτόν; zur Prosodie ↑. — γουνῷ: Ortsangabe ohne Präposition (R 19.2). 58 νηυσὶν ἔπι: = ἐπὶ νηυσίν (R 20.2), zur Flexion von νηυσίν R 12.1. — προέηκα: Aor. zu προίηµι ‘aussenden, schicken’ (ἕηκα ist Nebenform zu ἧκα).
Kommentar
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ist ein auch als Postposition verwendetes Adv. (1.71n.), hier und 1.71, 18.493, Od. 19.182, 19.193 mit der Bed. ‘nach … hin’ (LfgrE s.v. εἴσω).
59b–60a ≈ 89b–90a, Od. 19.257b–258a. – Der Gedanke an das Sterben im Krieg wird oft mit der Vorstellung verbunden, daß jemand nicht mehr zum Vater oder in die Heimat zurückkehren wird (2.162n., 19.329n.; zum Motiv ‘Heimkehr’ MARONITIS 2004, 64ff.). Das Motiv ist hier variiert, indem sich auch die Mutter in die imaginierte Heimkehrszene einfügt (s. auch 330–332, 19.422) – obwohl sie nicht bei Peleus lebt (57n.) –, zur Erhöhung des Pathos (zu Thetis’ Wissen 52–53n.). οἴκαδε νοστήσαντα: flektierbare VA-Formel (5× Il., 7× Od., 1× ‘Hes.’); zu νοστήσαντα s. 238n. — Πηλήϊον: zu den Zugehörigkeitsadjektiven auf -ιος s. 2.20n. 61 ≈ 24.558 (s.d.), Od. 4.540, 4.833, 10.498, 14.44, 20.207, h.Ven. 105. — ζώει καὶ ὁρᾷ φάος ἠελίοιο: synonymische Doppelung mit emphatischer Wirkung (vgl. 1.88n.; zu ihrer versifikatorischen Funktion 1.160n.; vgl. auch den Gegensatz dazu: τεθνᾶσι/τέθνηκε καὶ εἰν Ἀΐδαο δόµοισιν (22.52, Od. 4.834 u.ö.); die formelhafte Wendung ist nur hier durch µοι erweitert, Ausdruck der mütterlichen Anteilnahme. Zu indo-iran. Parallelen für den Ausdruck ‘die Sonne sehen’ = ‘leben’ s. WEST 2007, 86f.; zur VE-Formel φ. ἠ. s. 11n.
62 ≈ 11.120. — Der gr. Begriff áchnymai/áchos, eine Bez. für die “Grundkonstante des menschlichen Daseins”, die ganz besonders für das Leben Achills zutrifft, bildet den Gegensatz zum sorgenlosen Leben der Götter (24.526n.; LATACZ [1995] 2014, 319f.; zu Hypothesen über klangliche od. gar etymologische Beziehungen zwischen der Wortfamilie und dem PN Achilleus s. 16.21–22n.). Hier ist sie jedoch in Zusammenhang mit Thetis’ Hilflosigkeit gesetzt, die, obwohl eine Göttin, ihrem sterblichen Sohn diese Gegebenheit nicht ersparen kann und es nicht verhindern kann, daß ihm in seinem kurzen Leben die Freude verwehrt bleibt, s. auch 446, 461 (SLATKIN [1991] 2011, 30ff.). χραισµῆσαι: ‘Beschützer sein, helfen’, vgl. z.B. 11.117 (die Hilflosigkeit einer Hirschkuh, die ihre Jungen nicht beschützen kann), 16.837 (Achill und Patroklos): LfgrE s.v.; vgl. 1.242n. — ἰοῦσα: konzessiv, ‘auch wenn ich hingehe’ (sc. zu Achill nach Troia), s. die Fortsetzung 63 ἀλλ’ εἶµ(ι).
63 anzuhören: Anklang an die Einleitung von Thetis’ eigener Klage vor ihren Schwestern (52f.) und Übergang zu Achills Trauer. Sie kennt den Grund für Achills Trauer nicht (vgl. auch 73–77), wie sie auch 1.362f. den Grund für seinen
59 µαχησόµενον: Ptz. Fut. zu µαχέοµαι (einer Nebenform zu µάχοµαι). — αὖτις: = αὖθις. 60 δόµον … εἴσω: ≈ εἰς δόµον. — Πηλήϊον: ‘dem Peleus gehörig, des Peleus’. 61 ὄφρα: ‘solange’. — ζώει: ep. Form für ζῇ. — φάος: = φῶς (R 6). — ἠελίοιο: = ἡλίου. 62 οὐδέ τι: ‘und gar nicht’ (eigtl. ‘und nicht in irgendeiner Hinsicht’: τι ist Akk. der Beziehung, R 19.1). Konnektives οὐδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — τι (ϝ)οι: zur Prosodie R 5.4. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). 63 ὄφρα (ϝ)ίδωµι: zur Prosodie R 4.3. — ὄφρα (+ Konj.): final (R 22.5). — ἠδ(έ): ‘und’ (R 24.4).
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Kummer nicht kannte (s.d.). Darin muß nicht ein Widerspruch zu ihren mantischen Fähigkeiten gesehen werden (vgl. 9–11, 95f.): (a) es wird ein weiterer Moment ihrer ständigen Sorge um den Sohn gezeigt, den sie angewiesen hatte, sich von Kampf fernzuhalten, s 1.421f. und 64 (KELLY 2012, 249f. Anm. 72); (b) zudem ermöglicht diese Konstellation es dem Erzähler, Achill selbst seine Situation beschreiben zu lassen; für den Rezipienten ergibt sich in den Vv. 22–126 eine gestaffelte Leid-Erfahrung (EDWARDS; TAPLIN 1992, 198f.; zum Phänomen der ‘poetischen Lizenz’ schol. A zu 63–4 u. NÜNLIST 2009, 174ff., bes. 176; andere Gewichtung bei CERRI). ἴδωµι: zur Form (1. Sg. Konj. Aor.) G 89. — φίλον τέκος: Steigerung gegenüber υἱόν 55; immer vor der Zäsur C 2 (12× Il., 4× Od., 1× h.Cer.), außer hier u. h.Cer. 71 immer als Anrede verwendet (EDWARDS 1968, 266; vgl. LfgrE s.v. τέκος); zu den prosod. Varianten τέκος/τέκνον 1.202n. 64 ἵκετο πένθος: Zu Formulierungen für ‘überkommen, befallen’ mit abstraktem Subjekt s. 24.707–709n.; zu πένθος ‘Leid, Trauer’ als Reaktion auf Verlust 1.254n.; LfgrE. — πτολέµοιο: bed. im fgrE meist (wie hier) ‘Kämpfen/Kampf’, seltener ‘Krieg’ (2.453n.; LfgrE s.v. 1335.41ff.).
65–147 Die Begegnung zwischen Achill und Thetis ist eingerahmt von der Ankunft und dem Weggang der übrigen Meeresgöttinnen und enthält zwei ähnlich aufgebaute Reden Achills (RingkompositionP: SCHADEWALDT [1936] 1965, 251–256; LOHMANN 1970, 141–144, bes. 142; zu den Reden 79–126n.): (A) Thetis und die Nereïden steigen aus dem Meer und kommen zu Achill (65–71), (B) einführende Rede der Thetis mit Blick in die Vergangenheit (72–77), (C) erste Rede Achills (78–93), (D) Thetis über Achills Schicksal (94–96), (C’) zweite Rede Achills (97– 126), (B’) abschließende Rede der Thetis mit Blick in die Zukunft (127–137), (A’) Thetis scheidet von Achill, schickt die Nereïden zurück ins Meer und bricht zum Olymp auf (138–147). In der Szene konzentriert sich alles auf Mutter und Sohn: die anwesenden Mittrauernden (die Mägde und Antilochos: 30–33) sind nicht mehr erwähnt, die Nereïden treten nur in den Rahmenteilen A/A’ in Erscheinung (zum Ausblenden der Umgebung bei Götterauftritten 1.197–198n.). 65–72 Die Beschreibung von Thetis’ Gang ins Schiffslager der Myrmidonen ähnelt der Szene 24.96ff. und enthält Elemente der Typischen SzeneP ‘Ortsveränderung einer Gottheit’ (24.89–102n.), hier mit Begleitung (65b–66a, 68): (1) Anlaß (63f.), (3) Aufbruch und Wegbeschreibung (65–67a), (5) Ankunft (67b–69). Damit verbunden sind Elemente der Typischen SzeneP ‘Ankunft’ (1.496b–502n.): (3) Situationsschilderung (68b–69), (4) die Figur tritt heran (70f.), (5) sie redet (72ff.).
64 ὅττι: = ὅ τι (vgl. R 9.1 u. 14.2), auf πένθος zu beziehen. — µιν: = αὐτόν (R 14.1). — ἀπὸ πτολέµοιο µένοντα: ‘fern bleibend von …’; das Ptz. temporal od. konzessiv. — πτολέµοιο: zum πτ- R 9.2.
Kommentar
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65 ὣς ἄρα φωνήσασα: flektierbare VA-Formel (Rede-AbschlußP): 24.468n. — αἳ δὲ σὺν αὐτῇ: zur Versstruktur 30n.
66–67a teilte sich: zu diesem Motiv 24.96n. κῦµα θαλάσσης: VE-Formel (4× Il., 1× hom.h.: 24.96n.); zum kollektiven Sg. κῦµα SCHW. 2.41; CHANTR. 2.29. 67b 2. VH ≈ 23.215. — ἐρίβωλον: ‘mit großen Schollen’, Epitheton von Landschaften, von Τροίη (als Bez. für die Landschaft ‘Troas’: 2.141n.) noch 9.329, 23.215; metr.-prosod. Variante von ἐριβῶλαξ (dazu 1.155n., 6.314b–315n.). 68 ≈ 1. VH 24.97. — ἐπισχερώ: ‘eine nach der anderen, hintereinander’, wie in einem Reigen; noch 11.668, 23.125; zur Bildungsweise (Zusammenrückung) SCHW. 2.469; zur Etymologie von σχερο- (Nominalbildung zu σχέσθαι ‘sich anschließen’) DELG u. BEEKES s.v. ἐπισχερώ; RISCH 69. 355. 358; JANKO 1979, 21–23. — θαµειαί: prädikativ ‘dicht nebeneinander’; zur Wortbildung 19.383n.
69 2. VH ≈ 354. — Achills Schiff, das offenbar von den übrigen Schiffen der Myrmidonen umgeben ist, liegt am rechten Ende des Schiffslagers (3n.). ταχὺν ἀµφ’ Ἀχιλῆα: Gemeint ist hier ‘um das Schiff des schnellen Achilleus’ (AH); ταχύς als Epitheton von Achill ist sonst erweitert mit πόδας (Variante zu πόδας ὠκὺς Ἀ.: VE-Formel 30× Il.), vgl. 2. VH von 354 und die Formel Ἀχιλῆα πόδας ταχύν vor der Zäsur C 2 (13.348, 17.709, 18.358, vgl. auch 2n.). 70 βαρὺ στενάχοντι: flektierbare Formel nach der Zäsur A 2 (8× Il.), sonst immer Nom. Sg. mask. (1.364n.); außer hier und 23.60 immer in Rede-Einleitungen (KAIMIO 1977, 40f.). — παρίστατο: ebenso 19.6, wo Achill über Patroklos’ Leiche liegend trauert (s.d.); anders 1.360 und 24.126 (sie setzt sich zu ihm: 1.360n.). — πότνια µήτηρ: 35n.
71 nahm …: Die Geste ist eine Steigerung gegenüber derjenigen in 1.361 (ihn streichelnd, ebenso 24.127), wo Thetis ebenfalls ihren Sohn aufsucht, um ihn zu trösten (AREND 1933, 29; vgl. 19.7n.); sie ähnelt aber auch der Trauergeste, bei der die nächsten Verwandten den Kopf des Verstorbenen halten (24.711–712n. mit Lit.), was den Eindruck verstärkt, daß die Szene das Bild des toten Achill evozieren soll (22–147n., 37–72n.). Fraglich bleibt, welche Haltung Thetis einnimmt, wenn Achill am Boden liegt (kauernd od. sitzend? und seinen Kopf in ihrem 65 λίπε: zur augmentlosen Form R 16.1. — αἵ: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. 66 δακρυόεσσαι: prädikativ, ‘unter Tränen’. — ἴσαν: augmentlose (R 16.1) 3. Pl. Impf. von εἶµι. — περί: ‘rings herum’. — σφισί: = αὐταῖς (R 14.1); dat. commodi. 67 ῥήγνυτο: ‘teilte sich’. — ταί: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 14.3). — Τροίην: zum -ηnach -ι- R 2. — ἵκοντο: zur augmentlosen Form (kurz gemessenes ἵ-) R 16.1. 68 ἐπισχερώ, ἔνθα: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. 69 εἴρυντο: Plpf. Pass. zu (ϝ)ερύω, ‘waren ⟨an Land⟩ gezogen, lagen da’. — νέες: zur Flexion R 12.1. — Ἀχιλῆα: zur Flexion R 11.3; zum einfachen -λ- R 9.1. 71 κάρη: att. τὸ κάρα (R 2), ‘Kopf’. — ἑοῖο: Poss.-Pron. der 3. Person (R 14.4); zur Flexion R 11.2.
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Schoß?; vgl. die ähnliche Situation 19.3–7); Vorschläge bei AH; EDWARDS; CERRI; WILLCOCK; KAKRIDIS 1949, 67; KURZ 1966, 47. 95. κωκύσασα: s. ihren Klageruf 37 (mit n.); hier durch ὀξύ verstärkt, womit die durchdringende, schrille Lautstärke betont und ein Kontrast geschaffen wird zu βαρὺ στενάχοντι/στενάχων 70/78 von Achill, worin sich dessen tiefsitzender Schmerz zeigt, der seine 79ff. folgende Rede bestimmt (ARNOULD 1990, 150–153). — κάρη λάβε παιδὸς ἑοῖο: VE παιδὸς/υἷος ἑοῖο noch 14.266, Hes. Th. 496 bzw. Il. 14.9, 18.138; zu dieser Periphrastischen BenennungP Achills 56–62n.; SHIVE 1987, 53f.; FRIEDRICH 2007, 129f.; zu ἑοῖο G 82; NUSSBAUM 1998, 97f.; zur Konstruktion (Akk. des Körperteils u. Gen. der Pers.) 24.465n. 72 = Od. 2.362, 11.472, 17.40, h.Cer. 247; ≈ Il. 5.871, 11.815, Od. 10.265, 10.324, 10.418, 11.154, 11.616, 16.22 (ὀλοφυρόµενος bzw. µ’ ὀλ.). — ἔπεα πτερόεντα προσηύδα: formelhafte Rede-EinleitungP (19.20n.; vgl. auch 1.201n.).
73–77 In Thetis’ Rede mit wörtlichen Anklängen an ihre Rede bei ihrem Auftritt im 1. Gesang (1.362f.), bei dem die Umsetzung des 76f. angedeuteten Racheplans eingeleitet wurde (35–147n.), macht der Erzähler das Tragische der Situation besonders deutlich: sie ist ratlos (dazu 63n.), denn Achills Wunsch (1.240–244, 1.408–412; s. dazu 1.408n., 1.410n., 1.411n., 2.375–380n.) und ihr Plan gingen in Erfüllung; gerade dies brachte aber Unglück über ihn (79–82): EDWARDS; REINHARDT 1961, 370; NAGLER 1974, 134 Anm. 6: “backfiring wish”; REICHEL 1994, 122; MURNAGHAN 1997, 27f.; RINON 2008, 34; zu dieser Kausalkette als Kompositionsplan LATACZ (1995) 2014, 333f. – Zum Vergleich mit einem ähnlichen Gespräch nach dem Tod des Freundes im Gilgameschepos s. DI BENEDETTO (1994) 1998, 314. 316; WEST 1997, 340f. 73 = 1.362 (s.d.); VE = 24.708, Od. 23.224. — Zur affektiven Wirkung der Wiederholung des Fragepronomens (τί … τί) und zum Bedeutungsunterschied zwischen πένθος und ἄχος s. 1.362n.; zur Anrede τέκνον s. auch 6.254n., 19.8n.; zum VE (ἵκετο πένθος) s. 64n. 74 1. VH = 1.363 (s.d.), 16.19. — τὰ µὲν δὴ … τετέλεσται: vorausweisend: τά wird 76f. durch eine Apposition in Form eines AcI erklärt (AH; FAESI; CORLU 1966, 66). Eine mit µάν/µήν/µέν eingeleitete Beteuerung kann dazu dienen, mögliche Einwände des Adressaten vorwegzunehmen (CUYPERS 2005, 46); µὲν δή betont den offensichtlichen Vollzug der Handlung (weitere Stellen 24.599n.) und damit die Erfüllung des Wunsches (ὡς ἄρα δὴ πρίν γ’ ηὔχεο): ‘ja doch (wie du siehst)’; zur Verwendung von δή vgl. 4 τὰ …, ἃ δὴ τετελεσµένα ἦεν (s.d.).
72 ῥ(α): zur Hiatvermeidung (R 24.1, vgl. R 5.1). — ὀλοφυροµένη (ϝ)έπεα: zur Prosodie R 4.4. — ἔπεα: zur unkontrahierten Form R 6. 73 τί δέ: Die Partikel δέ verbindet die beiden Fragen (konnektives δέ). — σε φρένας: Akk. des Ganzen und des Teils (R 19.1). 74 ἐξαύδα, µὴ κεῦθε: Imp. Präs. als allgemein gefaßte Aufforderung. — µέν: ≈ µήν (R 24.6). — τοι: = σοι (14.1).
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75 2. VH ≈ 1.450, 3.275, Od. 17.239, 20.97. — Zeus: emphatisches runover word (ebenso 2.33, 2.70, 2.669, Od. 1.283, 2.217; weitere Stellen KELLY 2007, 168f.); es zeigt die Befriedigung über den Erfolg ihres Intervenierens bei Zeus (s. 1.495– 532, 15.72–77 und vgl. 8.370–373 [Athene], 13.347–350, 15.592–602 [Erzähler]): EDWARDS 1992, 175. — wie du’s …: Thetis macht deutlich, daß alles nach seinem Wunsch verlaufen ist. Ein direktes Gebet Achills an Zeus wird zwar nirgends im Erzählertext beschrieben, aber von Handlungsfiguren erwähnt (hier, 15.74f. von Zeus, 16.236f. von Achill [s.d.]). Bei der Begegnung mit der Mutter im 1. Gesang hatte Achill diese gebeten, seine Bitte bei Zeus vorzutragen (1.351– 357, 1.393–412, 1.419–427, vgl. 1.502ff., 15.76f.): schol. bT; anders REYNEN 1983, 68f. (auf 1.351, d.h. auf Achills Bitte an Thetis bezogen); zur antiken Gebetshaltung s. 3.275n. mit Lit. χεῖρας ἀνασχών: flektierbare VE-Formel χεῖρας ἀνασχών/ἀνασχεῖν/ἀνέσχον (9× Il., 4× Od.).
76 alle … zuhaufgepreßt: Dies entspricht dem einen Teil von Achills Wunsch, s. 1.409f., 9.650–653, 16.61b–63 (STR 21 Abb. 1; zum anderen Teil – daß Agamemnon dadurch zur Einsicht in sein Fehlverhalten gebracht werden soll – s. 19.134–138n.; zum Motiv des Kampfs um die Schiffe 19.135n.) und beschreibt die Lage der Achaier an den letzten beiden Kampftagen, nach der Götterversammlung zu Beginn des 8. Gesangs. πρύµνῃσιν: eigtl. ‘Hecks’ (vgl. 19.135n.), hier als pars pro toto für die ‘Schiffe’; zum Akzentunterschied zwischen subst. (so hier) u. adj. Verwendung s. 14.31–32n. a.E. — πάντας … υἷας Ἀχαιῶν: Hyperbaton zur Hervorhebung des Hauptpunktes, von Achill 1.409f. drastischer formuliert (s.d.). Die flektierbare VE-Formel υἷες Ἀχαιῶν ist periphrastische Kollektiv-Bezeichnung für die Achaier, vermutlich ein alter Semitismus (1.162n.; weitere Lit. LfgrE s.v. υἱός 701.3ff.).
77 deiner ermangelnd: Auch dies hatte Achill beabsichtigt, s. 1.240–244; zum stehenden Motiv ‘die Truppe vermißt ihren Heerführer’ s. 1.240n.; KLOSS 1994, 71f. 74f. σει’ ἐπιδευοµένους: Zu den Formen s. G 81 (σεῖο) u. G 61 (-δευ-). — ἀεκήλια: hom. hapaxP; gebildet mit α privativum, der zweite Bestandteil zur gleichen Wz. wie ἑκών, ἕκηλος (1.554n.) gehörig, also ‘ungewollt, unerwünscht’ (AH; LfgrE u. ChronEG 1 s.v. ἀεκήλιος). Die Wendung ἀεκήλια ἔργα klingt an die Junktur ἀεικέα ἔργα (‘unangemessen’, vgl. 1.97n., 19.133n.) und das Adj. ἀεικέλιος an, das (teils nur als klangliche) Vorlage für die Bildung von ἀεκήλιος angesehen wird (RISCH 122; WEST 2001, 245).
75 πρίν: adverbiell, ‘vorher, früher’. — ηὔχεο: zur unkontrahierten Form R 6. 76 πρύµνῃσιν: zur Flexion R 11.1. — ἀλήµεναι: Inf. Aor. zu εἴλοµαι ‘sich zusammendrängen’; zur Form R 16.4. — υἷας: zur Flexion R 12.3. 77 σεῖ’ ἐπιδευοµένους: zum Hiat R 5.1. σεῖ(ο) = σοῦ (R 14.1); ἐπιδευοµένους = att. ἐπιδεοµένους. — παθέειν: Inf. Aor. (R 16.4). — ἀεκήλια (ϝ)έργα: zur Prosodie R 4.3.
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78 = 1.364; ≈ 97, 16.20. — Die Rede-EinleitungP ersetzt hier, wie meist in Dialogen, den Rede-AbschlußP (vgl. 19.28n.). — Zur VE-Formel (gr. pódas ōkýs Achilléus: 30× Il.) s. 1.58n.; zur Schnelligkeit als Charakteristikum Achills s. 24.138n. τὴν δὲ … προσέφη …: Rede-EinleitungP mit typischer Struktur (τὸν/τὴν δέ + Ptz. + προσέφη(ς) + Nomen-Epitheton-Formel): 1.58n., 1.364n., 24.55n.; zu βαρὺ στενάχων 70n.
79–126 Die beiden Reden Achills 79–93 und 98–126 sind thematisch eng aufeinander bezogen und bilden das Zentrum der Szene, in deren Mittelpunkt (95f.) Thetis’ Aussage über die enge Verknüpftheit von Achills Tod mit demjenigen Hektors steht (65–147n.); in der zweiten Rede zeigt sich jedoch eine intensivere Auseinandersetzung Achills mit dem eigenen Handeln in Vergangenheit und Zukunft (s. auch 82b–85n.): (A) Schmerz um den Tod des Freundes und den Verlust der Waffen an Hektor (79–84a) / Todeswunsch wegen versäumter Hilfe, als Patroklos und andere Gefährten durch Hektor fielen (98–103); (B) Reflexion und daraus resultierender unerfüllbarer Wunsch (84b–85: die Waffen waren ein Hochzeitsgeschenk der Götter, 86f.: hättet ihr doch nie geheiratet / 104–106: seine bisherige Untätigkeit, 107–113 Verwünschung von Streit und Zorn, die diese herbeigeführt haben); (A’) Rückkehr zur Gegenwart (‘jetzt aber’): eigener Tod und Rache für Patroklos an Hektor (chiastisch angeordnet: 88–93 Achill–Hektor–Patroklos / 114–126 Patroklos–Hektor–Achill). Ausführliche Diskussion der Strukturen und inhaltlichen Entsprechungen: EDWARDS zu 79–93; SCHADEWALDT (1936) 1965, 252–255; REINHARDT 1961, 371f.; LOHMANN 1970, 142–144. 79–93 Achills erste Rede zeichnet sich durch die Wortwahl (82b n., 85n., 93n.) und eine bemerkenswerte Kombination von Vers- und Satzbau aus: EnjambementsP, teils mit emotionaler Emphase auf bedeutsamen Wörtern (81, 82, 84, 87, 89, 90), in der Versmitte beginnende und über das VE hinausgehende Sätze (82b–83, 90b– 92), Formelsprengung über 3 Vv. (82–84, s. 84n.): EDWARDS 1992, 175–178 u. zu 79–93 u. 83–4. Inhaltlich ist sie von höchster Emotionalität geprägt: In seiner Verzweiflung beschränkt Achill sich zunächst auf den Kernpunkt (‘Patroklos ist tot’; zur Formulierung 80n., 81–82a n.) und einige wenige Informationen (Hektors Rolle, Verlust der Waffen), bevor er im Schlußteil seine Absicht andeutet, sich an Hektor im Kampf zu rächen; dabei spricht Achill mit Blick auf seine Mutter (85 ‘dich’, 86 betontes ‘du’, 88 ‘auch dir’, 89f.), wobei er tiefes Mitgefühl mit ihr zeigt: 85n., 86–87n., 88n.; HEBEL 1970, 118–120; THALMANN 1984, 107f.; GAGLIARDI 2007, 119f. 79 τὰ µὲν ἄρ µοι Ὀλύµπιος ἐξετέλεσσεν: Achill nimmt den zentralen Punkt der vorausgehenden Rede (74f.) zustimmend auf (Catchword-TechnikP) und legt dabei das Ge-
78 πόδας: Akk. der Beziehung (R19.1). 79 τά: demonstr.-anaphor. (R 17). — ἄρ: = ἄρα, ‘ja’ (R 24.1). — ἐξετέλεσσεν: zum -σσR 9.1.
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wicht auf die Handlung ‘bis zum Ende erfüllen’ (zum Präverb ἐκ- SCHW. 2.462: “‘verstärkende’ Bezeichnung des Abschlusses, des Zieles der Verbalhandlung”). Der Sg. Ὀλύµπιος bez. stets Zeus.
80 1. VH ≈ Od. 24.95; 2. VH ab Zäsur C 1 = Il. 17.642; ≈ 5.695, 23.556; ab Zäsur C 2 = 17.411, 17.655. — liebe Freund: ist häufige, sowohl in direkten Reden (bes. von Achill) als auch im Erzähler-TextP verwendete Periphrastische BenennungP für Patroklos (19.209–210n., 24.4n.; zu gr. hetáiros s. auch 19.305n.). Die zusätzliche Nennung des Namens, am VA von 81 emphatisch plaziert, ist Ausdruck höchster Emotionalität (ähnlich 114f.), ebenso die Fortsetzung 81–82a (EDWARDS 1968, 267). ἦδος: ‘Freude, Vergnügen’, zur Wz. von ἥδοµαι u. ἡδύς gehörig, mit Psilose (FRISK u. DELG s.v. ἥδοµαι). — φίλος … ἑταῖρος: φίλος, bei Homer sonst oft mit rein possessiver Bed. (‘mein’; vgl. 1.20n.), hat hier, im Kontext der Klage um den Verlust des Freundes und in Formelsprengung, affektive Bed. ‘lieb’ (vgl. 19.345n., 24.4n.).
81–82a Mit der Aussage ‘x ehrt y gleich wie z’ wird besonders hohe Wertschätzung zum Ausdruck gebracht und eine bestimmte Handlung (vgl. 90b ff.) begründet; für z werden dabei oft nahe Verwandte eingesetzt (24.57n.). Mit seiner Formulierung zeigt Achill die enge Verbundenheit mit dem Toten (vgl. auch 19.319–323; zu ihrem Freundschaftsverhältnis 19.4–6a n.; DE JONG zu Il. 22.387–90). – Der Kopf (gr. kephalḗ) kann Repräsentant der ganzen Person sein, teils mit der Konnotation ‘(gefährdetes) Leben’, z.B. 17.242 (Aias fürchtet um sein Leben), teils emotional gefärbt in der Bed. ‘geliebte Person’ z.B. 18.114, Od. 1.343f. (Penelope über Odysseus), oder in Anreden (Il. 23.94: Achills Anrede an den toten Patroklos, 8.281: Agamemnons Anrede an Teukros): 24.276n. mit Lit.; ONIANS 1951, 98. περὶ πάντων …: ‘mehr als alle …’; zu περί in dieser Bed. SCHW. 2.502; CHANTR. 2.129; Formel zwischen Zäsur B 1 u. C 2 (5× Il., 3× Od., 2× Hes.) od. am VE (1.417n.).
82b–85 Der Verlust der Rüstung, die es bei der Rache an Hektor zurückzuholen gilt, um die Schande zu tilgen (18.334f., 22.367ff.), nimmt in Achills erster Rede mehr Platz ein als der Tod des Freundes (80–82a / 82b–85 u. 93): die Erwähnung bildet das Scharnier zu Achills eigenem Todesschicksal (88–91), das mit dieser Rüstung als Hochzeitsgeschenk der Götter an seine Eltern begann, und ist ein erster Vorverweis auf die Herstellung neuer Waffen (s. auch 20–21n.). Erst in seiner zweiten Rede wird er den Verlust mit seinem eigenen Verhalten in Verbindung bringen (100, 102ff.): SCHADEWALDT (1936) 1965, 252f.; HEBEL 1970, 118f.; MARG (1957) 1971, 26; EDWARDS 1992, 176f.; ZANKER 1994, 7f. 82b τὸν ἀπώλεσα: effektvolles Satz-Asyndeton mit erklärender Funktion (vgl. 20–21n.). ἀπώλεσα ist zwar ambivalent (vgl. 24.44n.), bed. hier aber ‘habe ich verloren’ od. allen80 τί µοι τῶν ἦδος: sc. ἐστι; etwa ‘was habe ich davon?’ (τῶν R 17). — ὤλεθ’: = ὤλετο. 81 τόν: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5). — τῖον: Impf. zu τίω ‘ehren’. 82 ἶσον: adverbiell, ‘gleich’. — τόν: demonstr.-anaphorisch (R 17).
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falls ‘habe ich zugrundegehen lassen’ (Ausdruck der verpaßten Hilfeleistung, vgl. 98b– 106), nicht ‘habe ich zugrunde gerichtet’ als Schuldbekenntnis; die Wortwahl ist viell. von 80 und vom folgenden Thema ‘Waffenverlust’ beeinflußt (vgl. 460): AH; VAN LEEUWEN zu 79–82; LfgrE s.v. ὄλλυµι 651.3ff.; CUNLIFFE s.v.; SCHADEWALDT (1936) 1965, 264; vorsichtig EDWARDS; GRIFFIN 1980, 163f. mit Anm. 41; contra CERRI; STALLMACH 1968, 24 mit Anm. 55; SARISCHOULIS 2008, 222. 83 2. VH = 10.439 (Rhesos’ Waffen). — πελώρια: Adj. zu πέλωρ ‘Monstrum, Ungeheuer’, Epitheton versch. Heroen und Götter (‘gewaltig, stattlich’: 3.166n.), bei Sachen in der Il. nur von göttlichen Waffen, sonst von Wellen (Od. 3.290), dem Stein des Sisyphos (11.594), der Sichel des Kronos (Hes. Th. 179); oft mit Bezug auf die Wirkung auf andere (θαῦµα ἰδέσθαι: Sekundäre [bzw. wie hier in dir. Rede Tertiäre] FokalisationP), dann auch ‘gewaltig, furchterregend’ (LfgrE; DE JONG [1987] 2004, 130). — θαῦµα ἰδέσθαι: VE-Formel (4× Il., 4× Od., 5× Hes., 2× hom.h.); in der Ilias ist das Objekt der Bewunderung immer ein göttlicher Gegenstand, dem das Wunderbare anhaftet, in Figuren-Rede immer aus der Sicht eines Sterblichen (hier Peleus’ Waffen, ein Geschenk der Götter, u. 10.439 die eigtl. Göttern gebührenden Waffen des Rhesos; im Erzähler-Text: 377 [s.d.], 5.725 Räder an Heras Wagen, vgl. auch Od. 8.366, 13.108): DE JONG (1987) 2004, 48f.; PRIER 1989, 94–97. 158; HUNZINGER 1994, 7–11. 84 ≈ 16.867 (Achills Pferde), 24.534. — καλά: progressives EnjambementP mit bemerkenswerter Formelsprengung über den V. 83 hinweg: die Junktur τεύχεα καλά ist VE-Formel (8× Il., 2× Od., 1× ‘Hes.’ Sc.), VA-Formel (3.89 [s.d.], 18.137) und Formel vor der Zäsur B 2 (6× Il., 1× Od.), im Enjambement 22.322f.; vergleichbar ist 19.10f. (19.11n.), ferner (mit ἔντεα statt τεύχεα) 10.471f., 17.186f. (EDWARDS). — τὰ … ἀγλαὰ δῶρα: τά ist anaphorisch zu τεύχεα in V. 82 und vorausweisend auf das Prädikativum ἀγλαὰ δῶρα, eine VE-Formel (8× Il., 6× Od., 1× ‘Hes.’, 1× h.Merc.); zur Etymologie und Verwendung des Epithetons (‘glänzend’) 1.23n.
85 2. VH ≈ h.Ven. 199. — Mit der Erinnerung an die Herkunft der Waffen – urspr. ein Hochzeitsgeschenk der Götter für seinen Vater (17.194–196, vgl. 17.202) – kreisen Achills Gedanken um die fatalen Auswirkungen dieser Verbindung der Göttin mit einem Sterblichen, die er am liebsten ungeschehen machen würde (86f.); denn seiner Mutter erwächst daraus auch aufgrund seiner eigenen Sterblichkeit Leid (88ff.): SCHEIN 1984, 92. 132; HEATH 1992, 390f.; GRETHLEIN 2008, 41f. Die Formulierung hóte se … émbalon eunḗ ist eine Anspielung darauf, daß die Hochzeit von Peleus und Thetis gegen Thetis’ Willen (18.432–434) oder zumindest nur auf Drängen der Götter (hier u. 24.537) oder des Zeus (18.431) oder
83 δῃώσας: ‘niedermetzeln, töten’, als Obj. ist Πάτροκλον zu denken. — θαῦµα (ϝ)ιδέσθαι: zur Prosodie R 4.3. — ἰδέσθαι: zum Medium R 23. 84 Πηλῆϊ: zur Flexion R 11.3. 85 ἤµατι τῷ: ≈ ἐκείνῳ τῷ ἤµατι (ἤµατι zu ἦµαρ ‘Tag’; zur demonstr. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17). — τῷ, ὅτε: zum Hiat R 5.6. — ἀνέρος: = ἀνδρός; Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). — ἔµβαλον: = ἐνέβαλον (R 16.1).
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der Hera (24.59–61) geschlossen wurde (zu den versch. Versionen 1.396–406n., 24.59–63n., jeweils mit Lit.; allg. zu repetitiven externen AnalepsenP DE JONG 2007, 36f.; Stellensammlung bei DE JONG [1987] 2004, 155. 277 Anm. 15). Achill hebt hier angesichts der traurigen Aussichten (88f.) das Negative hervor, nämlich den unfreiwilligen Akt und die Verbindung Göttin/Sterblicher (ebenso Thetis 431–441), während er 24.537 aus der Sicht des Peleus neutral formuliert; vgl. auch die Aussage über Aphrodite und Anchises im Erzähler-Text 2.821 gegenüber derjenigen aus Aphrodites Mund h.Ven. 198f., 241ff. (zum Motiv ‘Göttin und Sterblicher’ FAULKNER S. 10f.). ἤµατι τῷ, ὅτε: VA-Formel, in direkter Rede sonst meist Erinnerung an Selbsterlebtes (2.351n., 19.60n.). — βροτοῦ ἀνέρος: Die Wendung betont das Außergewöhnliche der Verbindung einer Göttin mit einem Sterblichen (LfgrE s.v. ἀνήρ 840.32ff.; s. auch 19.22n.; zur Form βροτός 1.272n.).
86–87 VA von 86 = 1.415, 3.40; VE von 86 = Od. 24.47, 24.55. — Anstelle des (auch in Totenklagen gebräuchlichen) Topos ‘wäre ich doch nie geboren worden’ (zum Todeswunsch-Motiv s. z.B. Andromache 22.481; ähnlich Helena 3.173, 6.345–348, 24.764, s. nn.) formuliert Achill den Wunsch anders, indem er assoziativ von der – von den Göttern initiierten – Hochzeit der Eltern ausgeht: denn hätte Thetis bei den Meeresgöttinnen bleiben können und Peleus eine Sterbliche geheiratet, hätte es diese göttlichen Waffen nicht gegeben (84f.) und Thetis würde jetzt der Schmerz um den sterblichen Sohn erspart (88–91): schol. bT zu 86–7; AH zu 87; EDWARDS. ὄφελες: zur Verwendung als Einleitung unerfüllbarer Wünsche vgl. 18–19n., 6.345n. (dort auch zur Verstärkung mittels Wunschpartikel). — ἀθανάτῃς ἁλίῃσιν: Bez. für die Nereïden, ebenso Od. 24.47, 24.55, dagegen Il. 24.84 ἅλιαι θεαί (‘Meeresgöttinnen’). Das adjektivische ἀθανάτῃς (also ‘unsterbliche Meerfrauen’) kontrastiert mit βροτοῦ ἀνέρος 85 und θνητὴν … ἄκοιτιν 87 (vgl. AH; FAESI; LfgrE s.v. ἅλιος 1; anders LfgrE s.v. ἀθάνατος 203.42ff.: substantivisch mit ἅλιαι als Attribut); zur fem. Endung von ἀθανάτῃς s. SCHW. 2.38. — ἀγαγέσθαι: zur Verwendung von ἄγοµαι in der Bed. ‘als Gattin heimführen’ 3.72n. — ἄκοιτιν: Possessivkompositum ‘die dasselbe Lager hat, Gattin’ (aus α copulativum und κοίτη ‘Lager’): 3.138n.
88–93 Mit der Rückkehr zur Realität (‘jetzt aber’) richtet sich Achills Blick sogleich auf seinen Tod; denn da es für ihn selbstverständlich (und unverhinderbar: 126) ist, daß er jetzt wieder kämpfen und den Freund rächen wird (90b–93), sieht er seinen Tod klar vor sich (89), vgl. sein Wissen um seine Lebenszeit 9.412f. (zu den externen AnalepsenP seines Todes 19.328–333n., 19.409–410n.). Er verknüpft 86 αἴθ’ (= εἴθε) ὄφελες: unerfüllbarer Wunsch der Vergangenheit. — αὖθι: Kurzform für αὐτόθι ‘(eben)dort’, näher umschrieben durch µετ’ ἀθανάτῃς ἁλίῃσιν. — ἀθανάτῃς: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1); zur Flexion R 11.1. 87 ναίειν: imperfektisch ‘wohnen bleiben’.
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Hektors Tötung mit dem eigenen Tod mit einer Formulierung ähnlich der bedingten Selbstverfluchung (‘ich will des Todes sein, wenn ich nicht …’: 2.258–264n.) oder der Wendung ‘lieber sterben als etwas miterleben müssen oder etwas nicht erreichen’ (zu diesem Motivkomplex 24.224b–227n.; zum Todeswunsch-Motiv s. auch 86–87n.). 88 Für Thetis als eine Unsterbliche wird die Trauer um den Sohn endlos sein; vgl. Achills Blick auf das Leid des Vaters 19.322–324, 19.334–337 (s.d.), 24.511. νῦν δ’ ἵνα …: Rückkehr von der Wunschvorstellung in die Realität (vgl. 2.82n.); zu νῦν δ(έ) als einer für Achilleus charakteristischen Wendung (ebenso 101, 114, 121: FigurenSpracheP) s. 1.354b–356n. Die Annahme einer Gedanken-Ellipse (‘nun aber’ ⟨machten sie dich zur Frau eines Sterblichen⟩, damit auch dir ⟨wie mir⟩ unermeßliches Leid im Innern sei …’ und 89 τόν Relativsatz: AH; LEAF; WILLCOCK; EDWARDS; CHANTR. 2.167) ließe sich allenfalls mit SCHW. 2.326 vermeiden: Finalsatz vor Hauptsatz (mit Haupttempus ὑποδέξεαι; zu εἴη vgl. 7.339f.; CHANTR. 2.271: optativisch) ‘nun aber, damit auch dir …, wirst du den [sc. Sohn] verlieren’. — πένθος … µυρίον: betont die andauernde Trauer (πένθος: 1.254n., 1.362n.) und das Unermeßliche ihres Leidens; µυρίος bed. im hom. Epos ‘zahllos, unermesslich’ (1.2n.; LfgrE). — ἐνὶ φρεσί: ‘im Innern’ (svw. ‘tiefstes Leid’), fast immer (80× im fgrE) nach der Zäsur B 2 (19.169–170n.). 89b–90 ≈ 59b–60 (s.d.). — οὐδ’ ἐµὲ … ἄνωγεν: ‘auch mir ⟨wie Patroklos⟩ läßt … nicht zu, auch mir verbietet …’ (AH; FAESI); die gleiche Wendung noch 6.444 (s.d.). — θυµὸς ἄνωγεν: flektierbare VE-Formel (11× Il., 6× Od., 1× Hes.); zu θυµός als Subjekt bei Verben des Antreibens u.ä. LfgrE s.v. 1084.7ff.; 2.276n.; vgl. auch 6.444n. 91 ζώειν οὐδ’ ἄνδρεσσι µετέµµεναι: umfaßt sowohl die physische Existenz als auch den Wirkungskreis in der Gemeinschaft der Männer (ähnlich auch 11.762; anders dagegen ζωοῖσιν µετέω 22.388, 23.47, Od. 10.52: ‘leben’): AH; LEAF; LfgrE s.v. ἀνήρ 845.45ff.; zu den äol. Formen HOEKSTRA 1965, 146.
92 ≈ 11.433, 12.250, 16.861. — Formulierung im Anklang an Drohungen gegenüber dem Gegner, s. Iterata und vgl. 1.205, 8.358, 10.452. — hingegeben hat sein Leben: Hektors Tod wird mehrfach in der Ilias angekündigt, oft mit dem Hinweis, daß er von Achills Hand fallen wird (interne ProlepseP); zuerst durch Zeus (15.68, 17.201–208; weitere Götter: 18.95f., 18.132f., 21.296, 22.216–221), dann durch den sterbenden Patroklos (16.852–854; dazu 16.851–854n.), schließlich durch Achill (hier u. 18.114f., 333–335); im Erzähler-Text: 15.612–614, 16.800, vgl. 88 ἐνί: = ἐν (R 20.1). 89 παιδὸς ἀποφθιµένοιο: gen. obiectivus, abhängig von πένθος. — ἀποφθιµένοιο: zur Flexion R 11.2. — τόν: zur Konstruktion ↑ zu 88. — ὑποδέξεαι: zur unkontrahierten Form R 6. — αὖτις: = αὖθις. 90 ἄνωγεν: präsentisches Perf., ‘befiehlt, heißt’. 91 ζώειν: ep. Form für ζῆν. — ἄνδρεσσι: zur Flexion R 11.3. — µετέµµεναι: = µετεῖναι (R 16.4). — αἴ κε: ≈ ἐάν (R 22.1, 24.5). 92 δουρί: zur Flexion R 12.5. — ἀπὸ … ὀλέσσῃ: zur sog. Tmesis R 20.2; zum -σσ- R 9.1.
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auch 12.10ff.: EDWARDS, Introd. 8f.; DUCKWORTH 1933, 60f.; MORRISON 1992, 133 Anm. 29. 141 Anm. 38; DE JONG 2007, 29; zu vagen Andeutungen s. 6.367– 368n. πρῶτος: wohl mit zeitlicher Komponente ‘wenn nicht H. zuerst’, mit undeterminierter Vorwegnahme von 95f. (LfgrE s.v.; BALENSIEFEN 1955, 121), kaum ‘Hektor als erster’, d.h. ‘vor allen anderen, in erster Linie’ (AH; LEAF; CERRI). — ὑπὸ δουρί: ὑπό + Dat. ‘unter der Wirkung von’ (≈ Instrumentalis): 2.374n., 3.436n. — θυµὸν ὀλέσσῃ: variierbare VE-Formel (8× Il., 1× Od.); zur Verwendung von θυµός als ‘Leben, Lebenskraft’ 1.205n., 3.294n., 6.17n.
93 des Menoitiaden: Vgl. 12n. Πατρόκλοιο … Μενοιτιάδε͜ω: Sperrung nur hier, sonst Nomen-Epitheton-Formel nach der Zäsur A 3 (Gen.: 5× Il., 1× Od.; mit Umkehrung 16.554), außerdem Halbversformel 16.760 (Hinweis FÜHRER); zum Gen. des Patronymikons (fast immer wie hier nach der Zäsur B 2) G 40; zur Überlieferung WEST 2001, 246. — ἕλωρα: ἕλωρ ist Ableitung zum Verb ἑλεῖν, ‘Raub, Beute’ (‘Greif-Stück’: 1.4n.); der Pl. ist wie ein nomen actionis verwendet, also ‘die Spoliierung’, was auch die Tötung impliziert, vgl. die Formulierung in V. 83 (AH; WILLCOCK; LfgrE). — ἀποτείσῃ: ‘bezahlen für, büßen’; ebenso dann 22.271 gegen Hektor drohend; zur Schreibung τεισ- vs. τισ- 3.28n. 94 ≈ 1.413 (s.d.), 18.428. — τὸν δ’ αὖτε προσέειπε: Rede-Einleitungsformel in Dialogen (3.58n., 24.217n.; zu προσέειπε vgl. 19.76n.). — (κατὰ) δάκρυ χέουσα: flektierbare VE-Formel (15× Il., 13× Od. 1× Hes.; vgl. 32n.). Die 2. VH der Rede-EinleitungP ist der momentanen Stimmung angepaßt; vgl. dagegen die Nomen-Epitheton-Formel in V. 127 (s.d.; PARRY [1928] 1971, 15; EDWARDS 1968, 268f.; FRIEDRICH 2007, 75. 103).
95–96 Thetis präzisiert mit wenigen Worten ein Stück weit Achills Schicksal (FRAZER 1989, 385: “oracular pronouncement”; vgl. 16.707–709) und damit die vagen Aussagen über sein kurzes Leben (1.352, 1.417, s.d.): Achills Ankündigung, er werde nicht nach Hause kehren (d.h. vor Troia sterben), aber vorher müsse Hektor sterben (88–93n.), wird mit dem Hinweis auf die – auch zeitlich – enge Verknüpfung ihrer beider Schicksale von göttlicher Seite bestätigt (REINHARDT 1961, 371; LOHMANN 1970, 144). Daß sein Tod nahe ist, erfährt er nochmals 19.409 (durch sein Pferd Xanthos), 22.358–360 (durch den sterbenden Hektor) und 24.131f. (durch Thetis); weitere Ankündigungen s. 19.328–333n., 19.409– 410n., 16.36n.; zur Verknüpfung der Schicksale Patroklos–Hektor–Achilleus s. 16.844–854n. — schnellen: Das gr. Adj. ōkýmoros (‘schnellsterblich’), ein Wort der Figuren-SpracheP, erscheint in der Ilias nur in Reden der Thetis in bezug auf 93 Μενοιτιάδε͜ω: zur Flexion R 11.1; zur Synizese R 7. — ἀποτείσῃ: Konj. Aor. zu ἀποτίνω. 94 προσέειπε: = προσεῖπε. — κατὰ … χέουσα: zur sog. Tmesis R 20.2. — δάκρυ: kollektiver Sg. 95 τέκος: = τέκνον. — ἔσσεαι: = ἔσῃ (zur unkontrahierten Form R 6; zum -σσ- R 9.1). 96 τοι: = σοι (R 14.1). — µεθ’ Ἕκτορα: ‘nach H.’ zur Angabe der Reihenfolge (i.S.v. ‘nach Hektors Tod’).
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Achill (noch 1.417, 1.505, 18.458): 1.417n.; SARISCHOULIS 2008, 118f.; zu gr. móros (eigtl. ‘Schicksal’) 19.421n. — sogleich: Thetis’ Äußerung kann eine schnelle Abfolge der Todesfälle von Hektor und Achill suggerieren (zum Sprachlichen s.u.), was beim Rezipienten die Spannung erhöht, aber nicht mit dem Inhalt der vorliegenden Ilias übereinstimmt (vgl. 19.408, 20.126ff., 22.385ff., 24.657ff.); viell. ist es nur eine rhetorische Übertreibung (Hyperbel; vgl. LfgrE s.v. ἑτοῖµος). Aber diese Unstimmigkeit löste eine kontroverse Diskussion darüber aus, ob der Iliasdichter den Stoff des Memnon-Mythos adaptiert habe, in welchem Achill nach der Tötung Memnons noch in der gleichen Schlacht fällt (vgl. den Inhalt der ‘Aithiopis’ bei Proklos, Chrest. § 2–3 West): pro: Position der Neoanalyse, s. KULLMANN 1960, 37f. 311; CURRIE 2006, 29–31; BURGESS 2009, 27–30. 85–87 (mit Lit.); contra: EDWARDS; HÖLSCHER 1955, 394–397; REINHARDT 1961, 350; LOHMANN 1970, 145; versch. Ilias-Versionen des IliasDichters: WEST 2003, 5–8. 10; 2011, 44–47. 346; 2013, 145. 149f.; HEITSCH 2006, 17ff.; zur Diskussion s. auch KELLY 2012, 260–262 (mit anderer Erklärung: falsche Aussage über den Zeitpunkt der Todesgefahr als Motiv aus der vorzeitigen Totenklage). τέκος: vgl. 63n. — οἷ’ ἀγορεύεις: VE-Formel (1× Il., 5× Od., 1× h.Merc.), ‘⟨nach dem⟩, was du da sagst’ i.S.v. ‘da du dies sagst’ (EDWARDS: ‘from what you say’; CHANTR. 2.238; K.-G. 2.371; vgl. οἷον 2.320n., 6.166n., 24.683n.); Variante der VE-Formel ὡς ἀγορεύεις (24.373n.). — αὐτίκα: steht in Kombination mit ἔπειτα sonst meist in Kontaktstellung vor ἔπειτα (21× von 23 Stellen im fgrE, davon 14× VA-Formel), ist hier jedoch mit ἑτοῖµος zu verbinden. Es betont hier nicht so sehr die schnelle Aufeinanderfolge von Ereignissen, sondern vielmehr die Tatsache, daß sich aus einer Situation folgerichtig eine nächste Handlung ergibt, d.h. Hektors Tod zieht zwingend denjenigen Achills nach sich, und mit Achills Ankündigung 91ff. erklärt sich somit seine Bez. als ὠκύ-µορος: ERREN 1970, bes. 30, 38 Anm. 5; LfgrE s.v. 1600.68ff.; anders BONIFAZI 2012, 273. 276 (“presentational value of αὐτίκα”: der Sprecher identifiziert einen besonderen Moment im Geschehen). — ἔπειτα: wohl zurückweisend auf 90ff. ‘dann, in diesem Fall’, vgl. VE 95 (EDWARDS; HÖLSCHER 1955, 395; vgl. 19.112–113n.), nicht zeitl. ‘dann, darauf’ als Vorbereitung von µεθ’ Ἕκτορα. — πότµος: ‘Los’ (zu πίπτω), meist ‘Todeslos’ (vgl. die Verbindung θάνατον καὶ πότµον 2.358–359n.): LfgrE; DIETRICH 1965, 270f.; SARISCHOULIS 2008, 116–121. — ἑτοῖµος: bed. ‘bereit’ i.S.v. ‘immediately present to one’s experience’ (LfgrE s.v., z.St.: ‘ready at hand’, “seems to involve an element of urgently vivid exaggeration”); EDWARDS (‘certain to be fulfilled’); stärker das Zeitliche betonend AH (“steht nahe bevor”). 97 ≈ 78, 16.48, 19.419 (s.d.), 22.14 (τόν); 1. VH (bis zur Zäsur C 1) = 1.517 (s.d.), 4.30, 8.208, 15.184; ≈ 7.454, 17.18, Od. 4.30, 4.332, 15.325, Hes. Th. 558. — µέγ’ ὀχθήσας προσέφη: deutet Achills Frustration und höchste Erregung angesichts des Geschehenen an, die sich durch die ganze Rede zieht (98–126n.), ähnlich dann bei der nächsten Prophe-
97 µέγ(α): Adv., ‘sehr’. — πόδας: 78n.
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zeiung 19.419 (s.d.): SCULLY 1984, 22f.; zu mit ὀχθήσας eingeleiteten Reden s. 16.48n.; zur Vers-Struktur 78n.
98–126 Achills Ungeduld und Erregung, die nach einem ersten heftigen Ausbruch abebbt und dann wieder ansteigt, ist auf sprachlicher und bildlicher Ebene sichtbar gemacht: (a) Zeitangaben ‘gleich’ (98), ‘jetzt’ (101, 111, 114, 121); (b) eigenwillige Syntax 101–106 und 122–124 (101–114n.; SCHEIN 1984, 134. 136f.); (c) Formulierung der Zukunft als Wunsch (gr. Optativ 98, 121, 124, 125) und als Faktum (gr. Futur 115, 121); (d) Metaphern (102, 104, 109f., 114): SCHADEWALDT (1936) 1965, 254–256; LOHMANN 1970, 144f.; TAPLIN 1992, 198; zur Struktur der Rede 79–126n. 98–111 Achill beginnt mit einem impulsiven Ausbruch, unterstrichen durch emphatische runover words in 99/100 und asyndetische Fortsetzung des 98b begonnenen Gedankens in 99b (EDWARDS zu 98–100: “Every word counts heavily here”; zur rhetor. Wirkung des Satzasyndetons MAEHLER 2000, 422). Der Todeswunsch – u.a. auch ein Element der Totenklage (86–87n.) – signalisiert zunächst seine Annahme des Schicksals (DE JONG zu Il. 22.365–6), wird aber durch die Verknüpfung mit dem Tod des Freundes auch Ausdruck seiner verzweifelten Hilflosigkeit: Er klagt, es sei ihm nicht bestimmt gewesen (gr. ouk … émellon: 98–99n.), dem Freund zu helfen, und er sei ihm und den Gefährten im Kampf keine Stütze gewesen – jedoch nicht darüber, daß er ihn in den Kampf hat ziehen lassen (zu den Sachzwängen, die dazu führten, s. 16.48–100n., 16.60–63n.); darin zeigt sich: er bedauert den Ausgang zutiefst und leidet daran, auch im Bewußtsein, daß er bestimmte Erwartungen nicht erfüllt hat (100, 102–104) oder erfüllen konnte (98f.; s. außerdem 324–330). Das Eingeständnis, er sei nicht der Beste in der Versammlung (106), führt ihn zur Reflexion über die verderbliche Wirkung von Streit und v.a. Zorn (gr. éris und chólos: 107–110) und schließlich zum Ausgangspunkt des Unheils, zum Zusammenstoß mit Agamemnon (111). Wenn er Streit und Zorn ganz allgemein verwünscht (107f.), ist darin auch der Wunsch enthalten, es wäre nicht zum Zerwürfnis mit Agamemnon gekommen (s. auch seine Worte an Agamemnon 19.56–64 mit n.): EDWARDS zu 98–100 u. 105–6; LOHMANN 1970, 143; TAPLIN 1992, 199; VAN WEES 1992, 135; 1996, 17; ZANKER 1994, 17. 100f.; weiter gehend: LLOYD-JONES 1971, 22; COLLOBERT 2011, 216f.; CAIRNS 2012, 31; FULKERSON 2013, 63f. (Schuldgefühle wegen Patroklos’ Tod); zu unterschiedlichen Interpretationen um die Achilleus-Figur s. auch DE JONG zu Il. 22, Introd. 16–18 (Lit. 16 Anm. 33). 98–99 Gleich …: Achill knüpft mit inhaltlicher Steigerung an 96 an (CatchwordTechnikP): gr. autíka mit der Nuance ‘auf der Stelle’, Wunsch (gr. Optativ 98 ἄρ(α): ‘ja’, signalisiert Evidenz (R 24.1). 99 τηλόθι (+ Gen.): ‘fern von’. — πάτρης: zum -η- nach -ρ- R 2.
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tethnáiēn) anstelle einer Feststellung (AH; EDWARDS zu 98–100). Daß die Wiederholung von autíka, der impulsive Ausbruch und die bemerkenswert kurze Rede der Thetis ein Hinweis darauf sei, daß Achill seiner Mutter ins Wort falle (so EDWARDS nach LOHMANN 1970, 145), ist kaum anzunehmen, vgl. die expliziten Signale beim Vorfall mit Agamemnon 1.292/304f. (MINCHIN 2007, 234–236; zur Kürze s. auch 95–96n.). — dem Gefährten, | … keine Hilfe: Das Motiv ‘X konnte Y nicht schützen’ dient sonst der Erhöhung des Pathos in Kampfbeschreibungen; hier erscheint es in der Klage des Freundes, der nicht am Kampf teilgenommen hat, in der Tötungsszene des Patroklos 16.837f. in Hektors Triumphrede zur Verhöhnung des Gegners (16.837n.; GRIFFIN 1980, 113–115). In der Ilias finden sich zahlreiche Beispiele für die gegenseitige Hilfe unter Gefährten während der Schlacht (VAN WEES 1996, 16f. 64–66; s. auch 16.363n.; allg. zum solidarischen Einstehen der Achaier füreinander s. 3.9n.). — Heimat: Das Motiv ‘fern der Heimat sterben’ bewirkt Pathos (2.162n.; GRIFFIN 1986, 55). ἐπεὶ οὐκ ἄρ’ ἔµελλον … | κτεινοµένῳ ἐπαµῦναι: ‘da ich ja … nicht Hilfe bringen sollte, als er getötet wurde’; µέλλω als Bez. der “Schicksalsbestimmung”, hier mit effektivem Inf. Aor. (LfgrE s.v. µέλλω 113.42ff.; K.-G. 2.179; BASSET 1979, 73. 132; RUIJGH [1985a] 1996, 601f.: “emploi ‘fatal’”). — τηλόθι πάτρης: VE-Formel (5× Il., 1× Od., darunter µάλα τ. π. Il. 24.541). 100 ἐµέο δ’ ἐδέησεν: δεύω ist hier mit ablat. Gen. (‘er entbehrte meiner, mußte mich missen’) + konsek. Inf. konstruiert: ‘ich aber fehlte ihm, … zu werden’ (AH; SCHW. 2.92; CHANTR. 2.313; LfgrE s.v. δεύ(ω) II: ‘needed me to be his protector’). WEST setzt mit LA ROCHE (1869, 101f.) ἐµέο δ’ ἐδέησεν; die Hauptüberlieferung hat ἐµεῖο δὲ δῆσεν, als v.l. δ’ ἔδησεν (s. app. crit.), mit sonst nicht mehr belegter Kontraktionsform statt ἐδεύησεν (Od. 9.483 = 9.540): G 61; WEST 2001, 246; zur Form WACKERNAGEL (1881) 1953, 219; (1887) 1979, 1802; RISCH 300; SCHW. 1.752 Anm. 3; zur Frage des Augments WEST 1998, XXVIf.; vgl. G 85. — ἀρῆς ἀλκτῆρα: flektierbare Formel nach der Zäsur B 2 (ἀ. ἀλκτῆρα/-ες: 3× Il., 3× ‘Hes.’); zum Subst. ἀρή ‘Schaden, Verderben’ (d.h. “Schädigung von Leben und Besitz, welche die Angehörigen […] zu Beistand und Rache verpflichtete”) s. 24.489n.; LfgrE s.v. ἀρή II 1233.46ff. u. 1234.33ff. ἀλκτήρ ist nomen agentis zu ἀλέξω ‘abwehren, schützen’, als Bez. der allg. von ihm zu erwartenden Rolle (LfgrE; SCHUBERT 2000, 45. 78f.). 101–114 νῦν δ’ ἐπεὶ …: Der mit νῦν δ(έ) begonnene Satz (dazu 88n.) endet mit Anakoluth, evoziert durch den folgenden Kausalsatz mit eingeschobenem Relativsatz (101–106 ἐπεὶ οὐ νέοµαι … | οὐδέ … γενόµην … | …, οἳ … δάµεν …, | ἀλλ’ ἧµαι) und durch den adversativen Hauptsatz (106 ἀγορῇ δέ); die Reflexion über ἔρις und χόλος führt 111 zum konkreten Fall und in die Realität (νῦν), wobei mit ἀλλὰ τὰ µὲν προτετύχθαι … (112f.) ein neuer Ansatz mit νῦν δ’ … (114ff.) vorbereitet wird (LEAF; WILLCOCK; zur Interpunktion s. ALLEN [113f. ἀνάγκῃ· | νῦν δ’] vs. WEST [Parenthese 107–113; ähnlich AH; FAESI]; zu Parenthesen bei Homer 6.242–253n.). 100 ἔφθιτ(ο): Wz.-Aor. Med. zu φθίνω. — ἐµέ͜ο: = ἐµοῦ (R 14.1); zur Synizese R 7.
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101 = 23.150; 2. VH insgesamt 16 × Il., 13 × Od., 1× ‘Hes.’ — Zum Gedanken s. 59b–60a n.; zur Bed. des gr. Verbs néomai 19.330n. νῦν δ(έ): 88n. — πατρίδα γαῖαν: zur flektierbaren VE-Formel 2.140n., zum Attr. φίλην in dieser Formel [hier ‘mein’] s. 16.832n.
102–103 Interne AnalepseP: Zusammenfassung der vorausgehenden verlustreichen Kämpfe der Achaier und v.a. der Aristie Hektors in den Gesängen 8 und 11–17 (STR 21 Abb. 1; Liste der Tötungsszenen bei SINGOR 1991, 54 Anm. 113). — Licht: Zu dieser Metapher für ‘Retter/Rettung’ in höchster Bedrängnis s. 6.6n. Genau das hatte Patroklos an seiner Stelle für die Griechen sein wollen (16.31ff., bes 39), und in der Bittgesandtschaft des 9. Gesanges war Achill um diesen Beistand gebeten worden (9.247–251, 301–303, s. auch 1.283f.): VAN WEES 1996, 66 Anm. 48; zur Verantwortung des Anführers für seine Leute s. HAUBOLD 2000, 17–46. δάµεν Ἕκτορι δίῳ: Zum Dat. der beteiligten Person bei intrans. Med.- u. Pass.-Formen von δάµνηµι s. 3.183n.; zur flektierbaren Formel Ἕκτορι δίῳ 24.22n.
104–113 Achill sieht die Ursache seines Handelns in Streit und Zorn als universalen (107 ‘aus Göttern und aus Menschen’) Wirkkräften (111, 113), ohne sich auf das Einwirken göttlicher Mächte zu berufen, wie es dann Agamemnon tun wird (vgl. 19.56ff. vs. 19.86ff.). Indem er Streit und Zorn als Übel ausmacht, von denen alle heimgesucht werden, und indem er Agamemnon als Urheber seines Zorns benennt (111), rückt Achill auch den anderen Beteiligten ins Blickfeld (111n.; vgl. 19.270n.; WALSH 2005, 217–219). 104 VE = Od. 20.379. — sitz’ ich: Umschreibung seiner Untätigkeit; das Verweilen bei den Schiffen geht auf Thetis’ Anweisung 1.421f. zurück (zu Achills Dasitzen seit Ausbruch des Streites s. 1.349n., 2.137n., 19.344–346n.). Indirekt hatte schon Patroklos ihm vorgeworfen, in seiner Untätigkeit nutzlos zu sein (16.31f.). Nun anerkennt er mit diesem Selbstvorwurf, daß er der Grund nicht nur für die Not der Achaier sei, die er sich ja ausdrücklich gewünscht hatte (1.409f.), sondern auch für sein eigenes Unglück durch Patroklos’ Tod (KURZ 1966, 44. 56). ἧµαι: kann Inaktivität bezeichnen, ohne konkret eine Sitzhaltung zu implizieren (vgl. 2.255n., 24.542n.); vgl. die Umschreibung von Achills Boykott 1.488f. (αὐτὰρ ὃ µήνιε … παρήµενος …). — ἐτώσιον: nur hier auf eine Person bezogen (‘nutzlos’), in der Ilias sonst von Geschossen, die ‘wirkungslos, erfolglos’ bleiben (3.368, 5.854, 14.407, 17.633, 22.292, Od. 22.256, 22.273), dann auch von Dingen, die ‘fruchtlos, ohne Ertrag’ bleiben 101 ἐς: = εἰς (R 20.1). 102 οὐδέ τι: 62n. — φάος: = φῶς (R 6). — ἑτάροισιν: = ἑταίροις; zur Flexion R 11.2. 103 πολέες: = πολλοί (R 12.2); prädikativ, ‘in großer Zahl’. — δάµεν: = ἐδάµησαν, Aor. Pass. von δάµνηµι (vgl. R 16.2); zur augmentlosen Form R 16.1; mit Dat. Ἕκτορι δίῳ ‘durch den göttlichen Hektor’. 104 νηυσίν: zur Flexion R 12.1.
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(Od. 24.283 δῶρα, h.Cer. 309, Hes. Th. 182 Samen, Op. 402, 440 Worte bzw. Arbeit): LfgrE. — ἄχθος ἀρούρης: ἄρουρα bez. eigtl. das bebaubare Ackerland, dann auch allg. den Erdboden; die Wendung ist auch als Sprichwort belegt, auch in der Version ἄχθος γῆς (LfgrE s.v. ἄρουρα; RICHTER 1968, 93f.).
105 1. VH ≈ Od. 7.312, 20.89. — Diese allgemeine Selbsteinschätzung, ähnlich derjenigen in 1.244, relativiert Achill durch das runover word und die Antithese ‘im Kampf; im Rat aber’ in V. 106. In der Ilias sprechen verschiedene Figuren P mit einem gewissen Selbstbewußtsein von ihrer besonderen Tüchtigkeit und von ihren Leistungen, um Freund oder Feind zu beeindrucken (Achill noch 1.165ff., 1.240ff., 1.411f., 16.70ff., 19.70ff.; weitere Stellen bei STOEVESANDT 2004, 286 Anm. 850). Achills positive Selbsteinschätzung dient hier jedoch in erster Linie dazu, seine im Plan vorgesehene (104n.) Untätigkeit noch schlimmer erscheinen zu lassen (schol. T, b zu 105–6; CERRI). τοῖος ἐὼν οἷος: variierbare VA-Formel (1× Il., 6× Od.), wobei οἷος/-ον 3× mit zwei kurzen Silben (hο-jος) zu lesen ist (hier u. in den Iteratversen; vgl. auch Il. 13.275): CHANTR. 1.168; zu οἷος (Figuren-SpracheP) 24.376n. — Ἀχαιῶν χαλκοχιτώνων: zur VE-Formel und zur Bed. des Epithetons 1.371n.
106 Die gleiche Einschätzung äußern auch andere (Odysseus 19.217–219, indirekt Patroklos’ Vater 11.786–789). Peleus hatte seinem Sohn für diese beiden typischen Bewährungsfelder Phoinix als Lehrer zur Seite gestellt (9.438–443). Zur Gegenüberstellung von physischer und intellektueller Überlegenheit und zu den Bewährungsfeldern Kampf und Rat s. 1.258n., 2.370n., 19.218–219n.; JANKO zu 15.281–5; PATZER 1996, 168f.; vgl. auch 6.77–79n. zur Bewährung in Kampf und strategischer Planung. πολέµῳ: 64n. — τ’ … καὶ ἄλλοι: τε bewirkt eine generalisierende Aussage: ἄλλοι sind nicht nur andere im Heer der Achaier, sondern allg. andere, die sich im Kampf bewähren (RUIJGH 656). Mit ihnen teilt Achill eine gewisse Fähigkeit im Rat (vgl. 9.442f.), aber nicht in gleichem Maße (vgl. LfgrE s.v. ἄλλος 554.51ff., bes. 555.32ff.).
107–108 Streit … | und Zorn: Zorn und die Unfähigkeit, einen Streit gütlich beizulegen, sind die Hauptzüge der beiden Kontrahenten in der Auseinandersetzung im 1. Gesang (1.6, 1.8, 1.80–83, 1.192, 1.210–224, 1.277f., 1.282f., 1.318f.; vgl. auch Agamemnons Vorwurf, Achill liebe stets Streit und Kampf 1.176f. [s.d.], und Peleus’ Rat an den Sohn 9.255–258). Achill sieht hier das Unheilbringende v.a. im Zorn, den es zu unterdrücken gilt (113); denn nur ihn charakterisiert er ne105 ἐών: = ὤν (R 16.6). 106 πολέµῳ· ἀγορῇ: zum Hiat R 5.6. — ἀγορῇ: Ortsangabe ohne Präposition (R 19.2). — τ(ε): ‘episches τε’ (R 24.11; ↑). 107 ἐκ: ‘aus der Mitte von’. 108 τ(ε): ‘episches τε’ (R 24.11); ebenso 109. — πολύφρονα: erg. τινά od. ἄνδρα. — περ: betont das vorangehende Wort (R 24.10); hier steigernd: ‘auch, sogar’.
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gativ (108–110, 119; zur negativen Bewertung vgl. 1.1f. [1.2n.]; zur Bed. von gr. chólos s. 1.1n., 1.9n., 1.81–82n., 19.16a n.). Die für die Gemeinschaft negativen Folgen des Zerwürfnisses (102f. angedeutet), das in ihm den Zorn entfachte, wird er erst später, bei der öffentlichen Beendigung des Streites, klar benennen (19.56ff., bes. 58 u. 61ff.): HOGAN 1981, 49–52. 54–58; VAN WEES 1992, 135. – Die Auseinandersetzung (gr. éris) als Kampf gegen Feinde oder gegen Rivalen ist Kernmotiv der Heldenepik (zur Konzeption in der Ilias 1.8n., 1.173–187n.; zu pejorativen Epitheta bei éris 3.7n., 16.662n.). – Zur Verwendung des Polaren AusdrucksP ‘Götter und Menschen’ für “die Gesamtheit der tatsächlich in Betracht kommenden Wesen” s. 1.339n.; WEST 2007, 100. 124–126. ὡς: Wunschpartikel zum kupitiven Opt. ἀπόλοιτο (‘wenn doch … verschwände’), im Gegensatz zu relativischem ὡς 111 (SCHW. 2.668; CHANTR. 2.251). — ἐφέηκε: Aor. zu ἐφίηµι (+ Inf.) ‘dazu treiben, zu …’ (ἕηκα ist Nebenform zu ἧκα); hier als gnomischer Aor. im Nebensatz (SCHW. 2.283; CHANTR. 2.185). — πολύφρονα: ‘vielverständig, sehr verständig’ (schol. D: τὸν πάνυ σώφρονα καὶ συνετόν; LfgrE s.v.: ‘of much good sense’), ähnlich noch Od. 14.464 (von der Wirkung des Weines); zum Gedanken vgl. Il. 9.553f. — χαλεπῆναι: bez. feindseliges Verhalten in Wort oder Tat (2.378n., 24.369n.), hier ausgelöst von χόλος (s. 111 ἐχόλωσεν).
109–110 Honig dient sonst zur Charakterisierung der angenehmen Wirkung von Worten (1.249n.) oder von Wein und Speisen (2.34n., 6.258n., 6.264n.). In Achills Bild des herabtropfenden Honigs liegt das Gewicht auf dem süßen, befriedigenden und daher willkommenen Genuß, den der Zorn zunächst bereitet. Zieht man die etymologische Verwandtschaft von gr. chólos (‘Zorn’) und cholḗ (‘Galle’) in Betracht (s. auch 16.203n.), läßt sich hier andeutungsweise das Oxymoron ‘süß– bitter’ erkennen, s. 322 (mit n.) drimýs chólos ‘scharfer Zorn’ (WALSH 2005, 219– 225). Die Süße dauert denn auch nur kurz, und durch den weiteren VergleichP mit Rauch verändert sich das Bild ins Bedrohliche: der Zorn verstärkt sich in der Brust wie Rauch bei anhaltendem Feuer und füllt schließlich alles aus, d.h. nimmt von allem Besitz und dominiert alles (AH; LEAF; MOULTON 1977, 108 Anm. 52; 1979, 285; WALSH a.O. 223f.; READY 2011, 42–48); vgl. die etymologische Verwandtschaft von gr. thymós (V. 113) und altind. dhumáh, lat. fumus ‘Rauch’ (MEIERBRÜGGER 1989, 244 mit Anm. 39); zu semit. Parallelen der Metapher ‘Zorn – Rauch’ s. WEST 1997, 387. Das hier vorliegende zweiteilige Bild unterscheidet sich effektvoll von Formulierungen, in denen eine emotionale Regung die Figur ergreift (1.387n., 2.2n., 16.22n.) oder von außen in die Figur eindringt (19.16a n., 24.5n.); zu VergleichenP in Figuren-Reden s. 2.289n.; DE JONG (1987) 2004, 135f. ἠΰτε: ‘wie’ (2.87n.).
111 jetzt … Agamemnon: Mit dieser Hinführung zum konkreten Fall zeigt Achill einerseits Einsicht in eigene psychische Vorgänge, andererseits rückt er mit der 110 ἀέξεται: ≈ αὐξάνεται.
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Formulierung die aktive Rolle des Verursachers ins Blickfeld und zeigt, daß er sich als schuldlos sieht. ἐχόλωσεν: kausatives Aktiv ‘machte zornig’, ebenso noch 1.78, Od. 8.205, 18.20, Hes. Th. 568, sonst Medio-Pass. (1.78n.; LfgrE s.v.). — ἄναξ ἀνδρῶν Ἀγαµέµνων: flektierbare VE-Formel (Nom./Vok.: 1.172n.); zur Verbindung ἄναξ ἀνδρῶν 1.7n.
112–113 = 19.65–66 (s.d.); 1. VH von 112 (bis Zäsur C 2) = 16.60. — An den Iteratstellen kündigt Achill jeweils das Ende seines Grolls an, zuerst mit ähnlichen Worten gegenüber Patroklos (16.60f.: 16.60–63n.), dann wieder mit denselben Worten wie hier in der folgenden Heeresversammlung (19.65f.: 19.65–66n., 19.66n.). Anders als dort bricht er an der vorl. Stelle damit den kurzen Rückblick auf den Streit mit Agamemnon (111) gleich wieder ab. Er sieht sich durch ein unvergleichlich wichtigeres Ereignis, Patroklos’ Tod, gezwungen, den Groll gegen Agamemnon zu unterdrücken und sich dem zuzuwenden, was für ihn jetzt am dringlichsten ist, der Rache für Patroklos durch Hektors Tötung (114ff.). In der Fixierung auf diese Tat steigert er sich freilich unausweichlich in einen neuen Zorn hinein, der jedoch von anderer emotionaler Qualität ist (Rachezorn: 121b– 126, 316–322, 334–337, 19.16f.): 121–125n., 19.16a n.; WOLF (1795) 1985, 119f. (dazu STR 12); WALSH 2005, 175–182; RINON 2008, 35. ἀλλά: Abbruchsfloskel (16.60n.). — προτετύχθαι: ‘geschehen sein, vorbei sein’ (zu προτεύχω: 19.65n.). — ἀχνύµενοί περ: flektierbare Junktur an verschiedenen Versstellen; oft wie hier im Kontext von Trauer und Enttäuschung angesichts von Unabänderlichem (98f., 102f.), verbunden mit Aggression (114f., 122ff.): 19.8n. — θυµὸν … φίλον … δαµάσαντες: φίλος bed. hier im Hinblick auf 109 ‘lieb(geworden)’, s. auch die Sperrung von Subst. und Attribut (1.20n., 19.66n., dort auch zur Verbindung θυµὸν δαµάσαι ‘die Erregung bezwingen’; zu φίλος s. auch 80n. u. LfgrE s.v. 932f.).
114–126 Nachdem Achill sich bereits damit abgefunden hat, daß ihn die Rache für den Freund das Leben kosten wird (88–93a, 101), führt er mit ‘jetzt aber’ (114, 121b) in drohendem Ton der Mutter die unmittelbare Zukunft vor Augen und relativiert das eigene Sterben mit dem Hinweis auf den Zeus-Sohn Herakles: (A) Tötung Hektors (114–115a), (B) eigener Tod, wann immer die Götter es wollen (115b–116), (C) ParadeigmaP Herakles (117–119), (B’) eigener Tod (120–121a), (A’) Ruhm durch Tötung von Troern (121b–126): REINHARDT 1961, 371f.; zu dieser RingkompositionP EDWARDS zu 114–26; LOHMANN 1970, 142f. Achill nimmt den Tod in Kauf (B, B’) für ein Handeln (A, A’), das er für das einzig Richtige hält, vgl. 126; weitere Beispiele für solches Verhalten in gr. Literatur s. bei EDWARDS 1987, 273.
112 τά: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ἐάσοµεν: kurzvokal. Konj. Aor. (R 16.3). — περ: konzessiv (R 24.10). 113 ἐνί: = ἐν (R 20.1). — στήθεσσι: zur Flexion R 11.3; zum Plural R 18.2.
Kommentar
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114 Die Begegnung mit Hektor wird erst im 22. Gesang stattfinden (22.90ff.): vor dem Auszug in diese Schlacht (19.424ff.) wird Achill auf neue Waffen warten und den Streit mit Agamemnon vor der Heeresversammlung beenden (vgl. Thetis’ Anweisungen 18.134–137, 19.34–36), nach Beginn der Schlacht zuvor auf einige andere Kämpfer treffen, da Apollon die Begegnung der beiden zu verhindern versucht (vgl. 20.75ff., 375ff., 443f., 21.34ff., 538ff.): RetardationP; BREMER 1987a, 33–36.
νῦν δ(έ): 88n. — ὀλετῆρα: hom. hapaxP, nomen agentis zu ὄλλυµι (‘Zerstörer, Vernichter’). — φίλης κεφαλῆς: Periphrastische BenennungP für Patroklos (vgl. 23.94). Daß damit nach 96/98 zusätzlich auch Achill selbst umschrieben sein könnte (vgl. EDWARDS zu 114 u. 1992, 182; SCHUBERT 2000, 73f.) – dann κεφαλή wie in 82 (s.d.) verwendet und φίλος mit Poss.-Bed. ‘eigen’ (dazu 1.20n., 3.31n.) –, ist nicht anzunehmen: die Wendung φίλη κεφαλή ist im fgrE nur noch 8.281 bezeugt, dort als Anrede (ebenso in nachhom. Überlieferung), während ‘mein Haupt’ ≈ ‘ich’ (17.242, 18.82, Od. 22.463 u. vgl. 9.498) sonst stets durch Poss.-Pron. ἐµή verdeutlicht ist (LfgrE s.v. κεφαλή 1396.55ff.; vgl. s.v. φίλος 936.31f. [‘lieb, teuer’]; LSJ s.v. κεφαλή).
115–116 ≈ 22.365–366 (Achills Reaktion auf die Prophezeiung des sterbenden Hektor, er werde durch Paris und Apollon fallen). — Achill schiebt die Frage seines Todes als zweitrangig beiseite und reagiert ganz fatalistisch.
Ἕκτορα. κῆρα δ’ ἐγώ: Durch das EnjambementP des PN stehen in der 1. VH von 115 ‘Hektor’, ‘Tod’ und ‘ich’ wirkungsvoll direkt nebeneinander (EDWARDS; vgl. 24.501a n.). — κῆρα: ‘Tod, Verhängnis’ als vorbestimmtes Lebensende (2.301–302n.; SARISCHOULIS 2008, 100–115). — ἀθάνατοι θεοὶ ἄλλοι: VE-Formel (4× Il., 5× Od., 1× Hes.), steht meist wie hier nach der Erwähnung von Zeus in der 1. VH (Stellen 3.298n.).
117–121a Der Zeus-Sohn Herakles (FM 6), der Heros par excellence, der einstmals Troia eingenommen hatte (5.638–642, 5.648–651, 14.250f.), ist der einzige Sterbliche, mit dem Achilleus in der Ilias verglichen wird (vgl. ParadeigmaP mit Argument-FunktionP): auch er mußte sterben, obwohl er ein Schützling des Zeus war. Während in der Odyssee (11.602–604) darauf angespielt wird, daß Herakles nach dem Tod unter den Göttern weilt (dazu HEUBECK zu Od. 11.601–27; vgl. auch hom.h. 15.7f. u. Hes. Th. 950–955 mit WEST z.St.), ist er hier (wie 11.601/605ff.) als Sterblicher gezeichnet, wie das dem Heroenbild der Ilias entspricht (vgl. zu den Dioskuren 3.237n.); denn auch Göttersöhne können nicht vor dem Tod bewahrt werden (Il. 15.110–118: Ares – Askalaphos; 16.431–461 u. 16.521f.: Zeus – Sarpedon (16.441n.); 21.109f.: Thetis – Achilleus; vgl. Aineias’ Rettung auf Zeit 20.326–336): GALINSKY 1972, 14f.; PRIESS 1977, 152f.; SCHEIN 114 ὄφρα (+ Konj.): final (R 22.5). — κιχείω: Konj. Aor. zu κιχάνω ‘einholen, erwischen’. 115 ὁππότε: zum -ππ- R 9.1. — κεν: = ἄν (R 24.5). 116 τελέσαι: sc. κῆρα. — τελέσαι ἠδ(έ): zum Hiat R 5.6; ἠδέ ‘und’ (R 24.4). — ἀθάνατοι: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).
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Ilias 18
1984, 143; 2002, 92f.; KULLMANN 1985, 16f.; CURRIE 2006, 34f.; zum Motiv der Sterblichkeit von Heroen in der vorderoriental. Lit. s. WEST 1997, 341. 387; zu den verstreuten Anspielungen auf den Herakles-Mythos in der Ilias s. 119n., 19.95–133n., 19.133n.; WEST 2011, 30f. – Das Motiv ‘auch X muß(te) sterben’ verwendet Achill nochmals, im Kampf gegen Lykaon, dem er mit Patroklos’ Schicksal und seinem eigenen die Unausweichlichkeit des Todes vor Augen führt (21.107–113; ähnlich, aber allgemeiner formuliert, Athene 15.139–141; vgl. auch Od. 3.236–238); in nachhom. Literatur ist es ein Motiv der consolatio (EDWARDS zu 117–19; RICHARDSON zu Il. 21.106–7; DAVIES 2006, 585 mit Anm. 18; vgl. schol. b u. T zu 117). An der vorl. Stelle dient es jedoch nicht so sehr als Trost, sondern eher als ein Mittel, allfällige mütterliche Fürsorge abzuwehren (vgl. 126); denn zumindest für ihn liegt der Trost eher im Ruhm, den er erringen will, s. 121b ff. (vgl. GRETHLEIN 2006, 137). 117 οὐδὲ γὰρ οὐδέ: ‘denn auch nicht’; als Einleitung eines mythol. Paradeigmas auch in 6.130 (s.d.). — βίη Ἡρακλῆος: Die formelhafte Umschreibung des Namens mit βίη + Gen. oder Adj. (βίη Ἡρακληείη) ist auch bei anderen Heroen gebräuchlich, möglicherweise eine aus myk. Zeit stammende Titulatur (2.658n. mit Lit.; LATACZ [2001] 2010, 380f.; zum Gen. vgl. auch Πριάµοιο βίη 3.105n.). — φύγε κῆρα: ‘entkam dem Tod’ (s. 119); die Verbindung von κῆρα u. -φυγεῖν noch 5.22, Od. 4.502, 4.512, 15.235, sonst mit Zusatz θανάτοιο (Il. 16.687, 22.202) od. θάνατον καὶ κ. (17.714 u.ö.; Stellen bei CLARKE 1999, 245).
118 2.VH = 2.102, 7.194, 7.200, Hes. Op. 69; ≈ 1.502. — der liebste: Zu dieser Ausdrucksweise für ‘ein Gott begünstigt einen Menschen’ s. 16.94n., 24.61n. ὅς περ …: Rel.-Satz zur Hervorhebung einer Figur (daher auf Ἡρακλῆος bezogen) mit bes. herausragender Eigenschaft, hier nach emphatischem οὐδέ (vgl. 6.100n.), entsprechend nach καί ‘sogar’ 19.95. — ἔσκε: mit -σκ- erweiterter Präs.-Stamm von εἰµί, meist durativ ‘war stets’ (3.180n. mit Lit., 16.225n.; zur Bildungsweise RIX [1976] 1992, 229). — Δ∆ιῒ Κρονίωνι: flektierbare Formel nach der Zäsur B 2 (1.502n.). — ἄνακτι: zu ἄναξ als Titel von Göttern 2.102n.
119 Hera: Von dem Moment an, da Hera (FG 16) von der bevorstehenden Geburt eines Sohnes des Zeus und der sterblichen Alkmene weiß, läßt sie die Beteiligten ihren Zorn spüren: 19.96–133 (s.d.), indem sie Herakles’ Geburt hinauszögert, 14.250–256 und 15.25–30 durch einen Seesturm (14.249–261n.); vgl. auch die 5.392–394 erwähnte Auseinandersetzung. Zu einer anderen Version des Mythos, in der Herakles nicht durch Hera umkommt, s. Sophokles’ Trachinierinnen 1048ff. (Geschichte von Deinaneira und dem ‘Nessos-Hemd’; vgl. DNP s.v. Herakles). 117 Ἡρακλῆος: zur Flexion R 11.3. 118 ὅς περ: ‘der doch’ (zu περ R 24.10). — Κρονίωνι (ϝ)άνακτι: zur Prosodie R 5.4. 119 ἀλλά (ϝ)ε: zur Prosodie R 4.3. — ἑ: = αὐτόν (R 14.1). — ἐδάµασσε: zum -σσ- R 9.1.
Kommentar
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µοῖρ(α): eigtl. ‘Anteil’, übertragen ‘das vom Schicksal Zugeteilte’; ist hier u. 120 in der Bed. ‘Todesschicksal’ verwendet (dazu 6.487–488n.) und erscheint wie κήρ (115/117) oft ergänzt durch einen weiteren Begriff aus dem Wortfeld ‘Tod’ (2.352n., 24.132n.). Während an anderen Stellen von µοῖρα als göttlicher Macht die Rede ist, die neben einer anderen Gottheit agiert (16.849/19.410 [16.844–850n., 19.410n.] bei Patroklos’ bzw. Achills Tod neben Apollon, 19.87 [s.d.] bei Agamemnons Verblendung neben Zeus und der Erinys), ist hier Hera die treibende Kraft (TSAGARAKIS 1977, 126); zur Verwendung der Begriffe µοῖρα und κήρ und zum Problem der Personifikation s. auch FG 29; 24.49n.; ERBSE 1986, 275f.; CLARKE 1999, 241. 244–246. — ἐδάµασσε: Weitere Stellen zur Vorstellung, daß eine Gottheit einen Menschen ‘bezwingt’ u.ä., s. KULLMANN 1956, 59; zur Kongruenz des Prädikats mit dem vorausgehenden Subj. 28n. — ἀργαλέος: ‘schlimm’, u.a. von Affekten, die sich – für andere od. den Betreffenden selbst – nachteilig auswirken, vom Zorn Achills 10.107, von dem des Zeus 15.121f. (LfgrE s.v. 1188.66ff.).
120 VA = 9.325, 19.134 (s.d.); VE = 3.101, Hes. Op. 745. — das gleiche Los: gemeint ist: wie Herakles (LEAF; WILLCOCK; EDWARDS; DIETRICH 1965, 196 mit Anm. 3; anders AH: “das alle treffende” [Schicksal]); denn beide sterben, obwohl ein Elternteil göttlich ist und beide von Zeus geliebt sind (118; Achill: 9.117f., 24.472). εἰ δή … τέτυκται: ‘wenn denn (wie du angekündigt hast)… bereitet ist’; nimmt Bezug auf 96, δή betont dabei die Evidenz (vgl. BAKKER 1997, 75; zu εἰ δή s. auch WAKKER 1994, 351–357).
121–125 Gr. kléos (121) ist eigtl. das, ‘was man über jn. hört, Kunde’ (zur Etymologie vgl. 2.115n., 2.742n.), meist positiv i.S.v. ‘Ruhm’ verwendet, der sich über das Hier und Jetzt hinaus verbreitet (2.325n.); zur Wendung ‘guter Ruf/Ruhm’ in der idg. Dichtung s. WEST 2007, 406. Für Achill steht zwar die Rache für den Freund im Vordergrund, daneben sieht er aber auch die Möglichkeit, durch den Kampf die Untätigkeit zu beenden (125) und gemäß dem ‘heroic code’ Ruhm zu erlangen (vgl. auch die Aussagen Hektors 6.444–446 [s.d.] und Achills selbst 9.412–415, außerdem Patroklos’ Aufforderung 16.31f.); im Folgenden kündigt er indirekt an, möglichst viel Troer zu töten, indem er in drastischer Weise den Ruf beschreibt, den er bei den Hinterbliebenen haben möchte (TAPLIN 1992, 197; PATZER 1996, 216f.; GRETHLEIN 2006, 138 Anm. 309; zum Epen-Motiv des zurückkehrenden Helden s. 19.45b–46n. mit Lit.). Die Verknüpfung seines Ruhms mit der Trauer der Troerinnen (122–124) ergibt sich aus Achills eigener Gemütsverfassung, dem Bedürfnis nach Rache, die auch durch die Trauer der Hinterbliebenen des Feindes gestillt werden soll, und der Anwesenheit der klagenden Frauen um ihn herum (28ff., 67ff., 139ff.); aus der Trauer um die geliebte Person entsteht Aggression und neuer Zorn (Rachezorn) gegen Hektor und sein Volk (112–113n.; EDWARDS zu 121–5; SCHADEWALDT [1936] 1965, 255; SLATEN 1993, 352f.; 120 ἐγών (vor Vokal): = ἐγώ. — τέτυκται: 3. Sg. Perf. Pass. zu τεύχω.
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Ilias 18
PUCCI 1998, 220). – Im Zorn auf den Gegner wird auch sonst in der Ilias – teils in drohendem Ton – das Bild der klagenden Hinterbliebenen heraufbeschworen (5.410–415, 11.393f., 14.499–505, 20.210–212): GRIFFIN 1980, 121–125; DERDERIAN 2001, 41–44. 121 κείσοµ’ … νῦν δὲ … ἀροίµην: die fernere Zukunft (‘werde ich daliegen’) im Gegensatz zum ‘Jetzt’ (‘will ich … mir schaffen’), für das er neue Aktivität ankündigt (AH; zu νῦν δέ 88n.). — κλέος ἐσθλὸν ἀροίµην: VE ≈ 5.3, Od. 13.422, Hes. ‘Sc.’ 107; die Verbindung κλέος ἀρέσθαι erscheint auch Il. 5.273, 17.16, Od. 1.240, 14.370, 24.33, vgl. auch Il. 6.446 (s.d.), die Junktur κλέος ἐσθλόν (Steigerung dazu: κλέος ἄφθιτον) formelhaft an versch. Versstellen (insgesamt 7× Il., 6× Od. 1× ‘Hes.’). Zu den versch. Wendungen für den Erwerb von κλέος s. LfgrE s.v. κλέος; zur häufigeren Wendung κῦδος ἀρέσθαι 3.373n., 16.84n.
122–124 Achill imaginiert eine Reaktion von nicht namentlich genannten Frauen des Gegners auf seine Taten: Totenklage und die Erkenntnis, daß Achill jetzt Unheil über sie bringt (EDWARDS). Seine Ankündigung wird sich v.a. nach der Tötung Hektors erfüllen (22.405–515, 24.160–168, 24.695ff.). 122 2. VH ≈ 339. — Dardanerfrauen: Die Dardaner sind ein Volksstamm aus Troias ‘Mutterstadt’ Dardanië (FM 8 Anm. 34; 2.819n.; LATACZ 2002, 1117 Anm. 59). τινα: mit Kollektiv-Bed. ‘manch eine’, vgl. den Pl. γνοῖεν 125 (AH; vgl. SCHW. 2.214; CHANTR. 2.8). — Τρωϊάδων καὶ Δ∆αρδανίδων: sonst formelhaft als mask. Τρῶες καὶ Δ∆άρδανοι (3.456n.) / καὶ Δ∆αρδανίωνες (7.414, 8.154). — βαθυκόλπων: in der Ilias distinktives EpithetonP der Troerinnen, bed. wohl ‘mit tiefem Gewandbausch’ (24.215n.). 123 1. VH = Od. 4.116; ≈ Il. 18.23, Od. 5.428, 24.316. — Vier-Wort-Vers (vgl. 1.75n.) mit zweisilbigem Flexionsreim; bewirkt erhöhte Aufmerksamkeit der Rezipienten. — ἁπαλάων: ‘zart’, bei Körperteilen oft, wenn sie entstellt werden, hier durch den Tränenstrom (19.285n.). 124 1. VH ≈ Od. 8.88, 11.530. — ἁδινὰ στοναχῆσαι: beschreibt intensive, wiederholt ausgestoßene Klagelaute, sonst ἁ. στενάχω/στοναχίζω (19.314n.; zu den überlieferten Varianten ἁδινά/ἁδινόν WEST 2001, 246; zu στεν-/στον- 2.95n.).
125 Achill hat in der Erzählung der Ilias erst drei Kampftage verpaßt (STR 22 Abb. 2; vgl. 19.45b–46n.). Die Zeitangabe ‘lange’ (gr. dērón) ist aus seinem Mund ein Hinweis auf seine Ungeduld über das Fernbleiben vom Kampf (schol. A, bT; FAESI; vgl. 1.488–492); das betonte Pers.-Pron. egṓ zeugt zudem von seinem 121 κε: = ἄν (R 24.5). — ἀροίµην: Opt. Aor. zu ἄρνυµαι, kupitiv ‘ich will erlangen’. 123 παρειάων ἁπαλάων: zur Flexion R 11.1; ablativischer Gen., abh. von ὀµορξαµένην, Ptz. Aor. Med. zu ὀµόργνυµι (‘wegwischen von’). 124 δάκρυ’ ὀµορξαµένην: zum Hiat R 5.1. — ἁδινά: Adv., ‘wiederholt, andauernd’. — ἐφείην (+ Inf.): ‘dazu bringen, zu …’; Opt. Aor. zu ἐφίηµι (vgl. 121n.). 125 γνοῖεν: Subjekt ‘Troerinnen’ aus τινα Τρωϊάδων in 122 zu ergänzen. — δηρόν: Adv., ‘lange’.
Kommentar
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Selbstbewußtsein und dem Wissen um seine Bedeutung für den Erfolg des Achaierheeres (AH: “mit Selbstgefühl betont”): daß sich mit dem Ende seiner Kampfpause das Kriegsglück wenden wird, werden auch die troischen Frauen in bitterer Erkenntnis zu spüren bekommen. Vgl. die ähnlichen Erzählerkommentare über die Wirkung seines Auftretens auf den Feind 18.247f. (247b–248n.), auf die Achaier 19.45f. (s.d.), auf beide Kampfparteien in der Schlacht 20.42–46. γνοῖεν: Wunschsatz, der eine Folge des vorausgehenden Wunsches sein soll (s. auch γνῷ 1.411f.); vgl. die chiastische Anordnung von … ἐφείην, | γνοῖεν δ’ … (AH; LEAF). — δή: Betonung der Evidenz: “speakers using dḗ assume that their addressees […] share their physical situation (or by an easy extension, the same emotional and intellectual situation)” (BAKKER 1997, 75; vgl. 4n., 74n.). — πολέµοιο: 64n.
126 2. VH = 6.360. — Nachdem Achill bereits zu Beginn auf die Tränen (94) und die Worte seiner Mutter (95f.) widerwillig reagiert hatte (98), wehrt er sich zum Schluß vorauseilend explizit gegen jeden Versuch von ihr, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, das er 88ff. (u. 114ff.) angekündigt hat (AH; EDWARDS; MARTIN 1989, 202; SCHUBERT 2000, 73; anders LOHMANN 1970, 143 Anm. 74: interpoliert aus 6.360). φιλέουσά περ: ‘so gut du es auch meinst’, umschreibt die mütterliche Fürsorge, die hier im Gegensatz zur Heldenethik steht, s. 121–125n. (vgl. 6.360n.). — οὐδέ µε πείσεις: variierbare VE-Formel (6× Il., 1× Od.); ähnlicher Kontext wie 24.218f. (Priamos läßt sich nicht von seinem Vorhaben abbringen): 6.360n., 24.219n.; οὐδέ hier mit Kausalfunktion (vgl. zur Parataxe mittels δέ statt Hypothaxe 1.10n. s.v. ὀλέκοντο δέ).
127 = 19.28; ≈ 24.89. — Zu den beiden Halbversformeln s. 19.28n.; zur Rede-EinleitungsformelP außerdem 1.121n., 24.372n.; zum distinktiven EpithetonP der Thetis (‘silberfüßig’) 1.538n. 128–129 Nach dem erregten Abschluß der Vorrede versucht Thetis, durch ihr grundsätzliches Einverständnis und die mit einer Litotes eingeleitete gnomenartige Aussage zu beschwichtigen (eine Art captatio benevolentiae), indem sie Achills eigentliches Kampfmotiv ausblendet; denn sie hat einen gewichtigen Einwand gegen überstürztes Handeln vorzubringen (130–133) und möchte erreichen, daß Achilleus wenigstens auf neue Waffen wartet (134–137): AHRENS 1937, 31. 58. Ratschläge und Aufforderungen werden oft durch Gnomen bekräftigt (dazu 6.261n.), jedoch selten im Gespräch zwischen Göttern und Menschen, dann v.a. wie hier in Szenen großer Vertrautheit zwischen Gottheit und Mensch oder in Götterbotschaften (LARDINOIS 2000, 658; vgl. 24.130–131a n.).
126 µηδέ: konnektives µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — µηδέ µ’ ἔρυκε (+ Gen.): ‘versuche nicht, mich zurückzuhalten von …’ (de conatu). — περ: konzessiv (R 24.10). 127 θεά: zur Form R 2.2.
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Ilias 18
128 1. VH = Od. 22.486; ≈ Il. 1.286, 8.146, 10.169, 23.626, 24.379, Od. 4.266, 18.170, 20.37, 22.486. — ναὶ δὴ ταῦτά γε, …: VA eines variierbaren Formelverses, mit dem ein Sprecher wie hier zunächst Einverständnis mit dem Vorredner signalisiert, danach aber die eigene Meinung vorbringt (1.286n., 24.379n.; vgl. LEAF): einschränkendes γε bereitet ἀλλά 130 vor. Der Vergleich mit diesem Formelvers ναὶ δὴ ταῦτά γε πάντα, (Anrede), κατὰ µοῖραν ἔειπες (s. außerdem auch Od. 22.486) und dem Gebrauch von ἐτήτυµον im Formelvers καί µοι τοῦτ’ ἀγόρευσον ἐτήτυµον, ὄφρ’ ἐῢ εἰδῶ (Od. 1.174 u.ö.) legt Interpunktion nach ἐτήτυµον und Neueinsatz mit οὐ κακόν ἐστιν nahe: ἐτήτυµον ist adverbiell aufzufassen, i.S.v. ‘ja, dies ist wahr gesagt, mein Kind;’ (schol. A zu 128–9; FAESI; WILLCOCK), od. als prädikativ gebrauchtes Adv. im Nominalsatz (dazu 1.416n., 6.131n.), ‘dies ist wahr’ (EDWARDS); anders LEAF (‘these things are verily not an ill matter’) u. LfgrE s.v. ἐτήτυµος (‘wirklich’): ἐτήτυµον zum folgenden οὐ κακόν ἐστιν; s. auch AH, Anh. 147. — τέκνον: 73n.
129 1. VH bis zur Zäsur C 2 = 17.703. — Thetis nimmt Bezug auf Achills Klage 102–106a, blendet aber Patroklos’ Tod und v.a., wie auch Achill selbst, den Kampf um den Leichnam aus (vgl. Antilochos’ Bericht 20f. und die Kampfbeschreibung 148ff.). Der Erzähler läßt Thetis anstelle der Rache die altruistische Hilfe für bedrängte Gefährten hervorheben (zum Motiv 98–99n., 102–103n.), wohl deshalb, weil sie so verhindert, daß Achill noch erregter und damit für ihre Anweisung 134ff. unzugänglich wird (128–129n.). τειροµένοις: ‘aufgerieben’ (zur idg. Wz. *ter- ‘reiben, bohren’), d.h. physisch und psychisch ‘erschöpft’ (6.85n.). — αἰπὺν ὄλεθρον: zur VE-Formel und zur Verwendung von αἰπύς in übertragener Bed. (‘jäh, schroff, schwer zu bewältigen’) s. 6.57n.
130–137 Diese Verzögerung durch den Verlust der Rüstung ist 17.709–711 (als KeimP) vorbereitet. Der in der Ilias vorliegende Ablauf mit dem Verlust der ersten, dem Vater von den Göttern als Hochzeitsgeschenk überreichten Rüstung (84f.) und der Gabe einer zweiten, für Achill von Götterhand neu geschaffenen, erfüllt – wie in 20–21n. ausgeführt – mehrere erzähltechnische Funktionen (zum Motiv der neu geschmiedeten Waffen im Gilgamesch-Epos s. WEST 1997, 387). Es ist zu Recht vermutet worden, diese Version sei eine Homerische Erfindung (ausführliche Diskussion bei EDWARDS zu 84–5 u. S. 19, 140f.; KAKRIDIS 1961, 288–290. 295f.; CURRIE 2006 28f. [mit älterer Lit.]; s. auch zum WaffentauschMotiv 16.278–283n.): denn (1) existieren damit zwei Rüstungen Achills aus Götterhand, während in dem wohl schon vorhom. Mythos über den Wettkampf zwischen Odysseus und Aias (Od. 11.543–546) eine zweite Ausrüstung keinen Platz hat; (2) zeigen Vasendarstellungen die Waffenübergabe durch Thetis in Achills Heimat Phthie (dazu 19.3n.; WEST 2011, 315 [zu 16.143–4]). Die iliadische Version hat eine Parallele im Mythos des Eos-Sohnes Memnon, wie er in der ‘Aithiopis’ überliefert ist (Proklos, Chrest. § 2 West: Memnon erhält von Hephaistos ge129 ἑτάροισιν: 102n. — ἀµυνέµεν: zur Form R 16.4.
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schmiedete Waffen); ob sie auf diesen Memnon-Mythos zurückgeht oder eher umgekehrt Vorbild für diesen war, ist höchst umstritten (19.3n.; s. auch zu weiteren Parallelen 16.419–683n. a.E. [mit Lit.]; zur Frage nach dem Verhältnis Ilias – ‘Aithiopis’ 17n., 37–72n., 95–96n.). 130–131 1. VH von 131 = 16.664, 23.27. — bronz’nen: gr. chálkeos ‘aus Bronze’; zur Verwendung von Bronzewaffen im hom. Epos s. 2.226n., 6.3n. ἔντεα: ‘Geräte, Waffen’, prosod. Variante zu τεύχεα, s. 137 (6.418n.). — καλὰ … | χάλκεα µαρµαίροντα: Formelhaft sind die Verbindungen ἔντεα καλά ohne weiteres Epitheton (7× Il., 1× Od.) und χάλκεα µαρµαίροντα zu ἔντεα im vorausgehenden Vers (s. Iterata). Die hier vorliegende asyndetische Epitheta-Reihung mit EnjambementP hebt die Besonderheit dieser Rüstung hervor, die nun adäquat ersetzt werden muß; zu diesem ep. Stilelement s. 2.42–43n.; LA ROCHE 1897, 175ff. 181ff. (Stellensammlung); K.-G. 2.341f.; zu µαρµαίροντα (‘funkelnd, glitzernd’; meist von Lichtreflexen auf Metall) s. 3.397n. — ἔχονται: passivisch ‘werden (zurück)gehalten’ (EDWARDS; LfgrE s.v. 846.65ff.; MUTZBAUER 1893, 77; JANKUHN 1969, 77). Im hom. Sprachgebrauch findet sich oft das Prädikat im Pl. neben einem Subj. im Neutr. Pl., v.a. wenn dies – wie hier ἔντεα – mehrere konkrete Objekte umschreibt (CHANTR. 2.17f.). — κορυθαιόλος Ἕκτωρ: 20–21n.
132–133 1. VH von 132 bis zur Zäsur C 2 = 17.473; ab Zäsur C 2 = 5.103, 11.589, Od. 15.213. — selbst: Tatsächlich hatte Hektor während des Kampfes seine Rüstung gegen diejenige des getöteten Patroklos getauscht (17.192–197) und sich den Troern stolz darin gezeigt (17.183–187, 212–232). Aber um Achill nicht weiter zu erregen und ihm das Warten annehmbar zu machen, lenkt Thetis sogleich von Hektors Triumph weg zu seinem bevorstehenden Tod, indem sie als ihre feste Überzeugung äußert, Hektor bleibe nicht mehr viel Zeit, diesen Triumph auszukosten (Tertiäre FokalisationP); dabei verknüpft sie das Anlegen der erbeuteten Rüstung – wie bereits 16.799f. der Erzähler, 17.198–208 Zeus – mit Hektors Tötung (TAPLIN 1992, 187f.; ProlepsenP von Hektors Tod s. 92n.). αὐτὸς ἔχων: formelhafte Verbindung (VA 4× Il., 1× Hes. Th., 2× Il. vor Zäsur C 1); dient hier mit ὤµοισιν zusätzlich der Hervorhebung von Hektor als Träger der Beuterüstung (vor der Folie µετὰ Τρώεσσιν): ‘⟨nun⟩ selbst in Besitz habend’ (vgl. LfgrE s.v. αὐτός 1646.47ff., bes. 71f.; bed. sonst meist ‘für sich behaltend’: 2.233n., 24.280n.). — φηµι: rhetorische Verstärkung einer Behauptung (LfgrE s.v. 892.3ff.: ‘I declare [as my conviction]’). — ἐπαγλαΐεσθαι: Futurbildung zu ἐπ-αγλαΐζοµαι, anstelle der ion.-att. Kontraktionsform der Hauptüberlieferung (RISCH 352 [der die Form mit Analogie erklärt]; WEST 1998, XXXI mit Lit.; vgl. auch SCHW. 1.785). ἀγλαΐζοµαι ist abgeleitet von ἀγλαός (‘glänzend’: 1.23n.), im hom. Epos nur noch 10.331 als Simplex in der gleichen Form über130 τοι: = σοι (R 14.1; vgl. auch R 24.12). — µετὰ Τρώεσσιν: ‘mitten unter den Troern’. 131 τά: demonstr.-anaphorisch (R 17). 132 ὤµοισιν: zur Flexion R 11.2; präpositionsloser dat. loci (R 19.2). — οὐδέ (ϝ)ε: zur Prosodie R 4.3. — ἑ: = αὐτόν (R 14.1). 133 δηρόν: 125n. — ἐγγύθεν: ‘nahe’.
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liefert und als Synonym zu ἀγάλλοµαι (132) verwendet, nachhom. ein Wort der Dichtersprache: Eust. 1135.7; DELG s.v. ἀγλαός; LfgrE s.v. ἀγλαΐζοµαι (‘seine helle Freude haben an’); HAINSWORTH zu Il. 10.331 (‘will pride yourself upon’).
134–144 Mit den Anweisungen an den Sohn (134ff.) und die Schwestern (140ff.) wird die Verzweigung der weiteren Handlung des Gesangs in zwei Stränge vorbereitet (sog. ‘table of contents’ speech, s. DE JONG zu Od. 1.81–95): (1) Thetis’ Gang in die Schmiedewerkstatt des Hephaistos (369–613), nochmals vorbereitet im Szenenabschluß 146–148a; (2) die Fortsetzung des Kampfes mit indirekter Hilfe Achills (148b–244) und deren Folgen in den beiden Heerlagern (245–314a: Versammlung der Troer; 314b–355 Totenklage an Patroklos’ Leiche): KURZ 1966, 110; KRISCHER 1971, 111 u.119. Thetis fordert ihren Sohn auf, zu warten (134f.), und versucht, den Aufschub erträglich zu machen, indem sie ihn durch die exakte Zeitangabe in 136 klar begrenzt. Sie wird sich nach der Fertigstellung der Waffen schnellstens auf den Rückweg machen und mit dem nächsten Sonnenaufgang bei Achill eintreffen (18.614–19.3; vgl. auch schol. A zu 136). 134 ἀλλὰ σύ: VA-Fromel, ἀλλά markiert den Übergang von der Argumentation zur Aufforderung (1.127n., 2.360n.). — µή … καταδύσεο µῶλον ἄρηος: δύνω hier i.S.v. ‘in einen Wirkungsbereich eindringen’; verbunden mit Wörtern für Kampf(getümmel) – sonst µάχην, πόλεµον, ὅµιλον – ‘sich in den Kampf stürzen’ (6.185n.; LfgrE s.v. 359.10ff.). µῶλον ἄρηος (‘Mühe des Kampfes’) paßt hier zur besorgten Stimmung der Mutter; zu dieser VE-Formel und zur Etymologie und Bedeutungsentwicklung von µῶλον (‘Mühe’ → ‘Kampf’) s. 2.401n.; zum metonymischen Gebrauch von Ἄρης/ἄρης (sowohl der Gott als auch sein Wirkungsbereich) s. FG 28; 2.381n., 2.440n. – (κατα)δύσεο ist Imp. zum themat. s-Aorist δύσετο (19.36n.); verneinter Imp. Aor. statt Konj. Aor. ist im fgrE jedoch selten, nur hier und 4.410, Od. 24.248 (µὴ … ἔνθεο), außerdem Il. 16.200 (µὴ … λελαθέσθω). Als Erklärung für diese Formulierung wird einerseits auf Vergleichbares im Vedischen hingewiesen (Negation + Injunktiv: WACKERNAGEL [1920] 1926, 214f.; CHANTR. 2.231f.), andererseits auf den Einfluß von Halbversformeln mit -δύσετο vor der Zäsur C 2 und versch. VE-Formeln (17 von 31 Belegstellen im fgrE: ROTH [1970–1974] 1990, 44; SMITH 1979, 47f.); ausführliche Diskussion bei STEPHENS 1983, 71–78. 135 ≈ 190. — πρίν γ’ … ἐν ὀφθαλµοῖσιν ἴδηαι: Die finite Verbform und der Zusatz ἐν ὀφθαλµοῖσιν betonen die Wichtigkeit der Autopsie (CHANTR. 2.264f.). (ἐν) ὀφθαλµοῖσιν ἴδηαι ist flektierbare VE-Formel (5× Il., 1× Od., 3× hom.h., davon insgesamt 5× ohne ἐν); die urspr. Bed. der Präposition ἐν ist umstritten, entweder zur Angabe dessen, “was in dem Gesichtskreis jemandes ist oder geschieht”, also ‘vor Augen’ (AH), oder die Vorstellung, das Geschehene ist im Auge (vgl. 24.294n.; zu weiteren formelhaften Verbindungen von ὀφθαλµοῖσιν mit Wurzeln für ‘sehen’ s. NUSSBAUM 2002, 184ff.).
134 µέν: ≈ µήν (R 24.6). — µή πω: ‘noch nicht’, näher bestimmt durch πρίν γε (135), also ‘nicht …, bevor …’. — ἄρηος: zur Flexion R 12.4. 135 δεῦρο: ‘hierher’. — ἴδηαι: unkontrahierte (R 6) 2. Sg. Konj. Aor. Med.; zum Medium R 23; prospektiver Konj., bei Homer auch ohne Modalpartikel (R 21.1).
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136 2. VH = Od. 23.362; ≈ Il. 22.135, Od. 12.429. — νέοµαι: Präsens mit futurischem Sinn (LfgrE s.v. 326.26ff. mit Lit.; SCHW. 2.273).
137 ≈ 617; VE = 15.214. — Hephaistos: Der Schmiedegott erhält hier, wie andere Götter auch, den Titel ‘Herr’ (gr. [w]ánax: 2.102n.; vgl. auch 1.7n.; zu Hephaistos s. FG 15; DNP s.v.; ERBSE 1986, 76). τεύχεα καλά: formelhafte Junktur an verschiedenen Versstellen (84n.; vgl. auch 130– 131n.).
138–145 Der Erzähler läßt durch Rede-AbschlußP und -EinleitungP Thetis zwei aufeinanderfolgende Reden an verschiedene Adressaten richten, um die Begegnung zwischen Mutter und Sohn abzuschließen (138, vgl. 70–72) und ringkompositorisch zu den Nereïden zurückzukehren (139–145, vgl. 65–69): 65–147n.; vgl. DE JONG zu Od. 5.21–42 (zum Mittel der ‘two consecutive speeches by one speaker’). Diese erhalten den Auftrag, die Unglücksbotschaft dem Vater zu melden (140– 142a). Zur erzähltechnischen Funktion der beiden Reden 134–144n. 138 1. VH bis zur Zäsur C 2 ≈ 8.432, 21.415, 21.468. — ὣς ἄρα φωνήσασα: 65n. — πάλιν τράπεθ’ υἷος ἑοῖο: πάλιν bed. hier ‘weg’, also ‘wandte sich weg von …, wandte sich ab von …’, ebenso 20.439, ähnlich Od. 7.143 (LfgrE s.v. πάλιν). — υἷος ἑοῖο: prosod. Variante zu παιδὸς ἑοῖο, s. 71n. 139 ἁλίῃσι: adjektivisch (also ‘Meeresschwestern’), vgl. dagegen 86–87n. 140 2. VH = Od. 4.435; ≈ Il. 21.125. — κόλπον: ‘Meeresschoß’ “als umhüllendes Element” (LfgrE; vgl. auch 6.136n.).
141 Meeresalten: Nereus, Vater der Thetis und der Nereïden (36n.), der in einer Höhle im Meer lebt (50 [mit n.], 65f.). δώµατα πατρός: VE-Formel (1× Il., 5× Od., 3× Hes., 4× hom.h.); Sg. und Pl. von δῶµα sind meist ohne Bedeutungsunterschied metri gratia verwendet (ELLENDT [1861] 1979, 62f.; DÜNTZER [1864] 1979, 94; LfgrE s.v.).
142 Ich indes …: Mit der Ankündigung hier und den Wiederholungen im Erzählertext 146/148a wird dem Publikum Thetis’ Gang zum Olymp besonders ins Gedächtnis geprägt; denn dieser Handlungsstrang wird erst wieder 369ff. aufgegriffen (134–144n.). Dieser Gang zum Olymp ist parallel gestaltet zu ihrem Weggang zu Zeus 1.420ff. (35–147n.); denn an anderen Stellen des hom. Epos wird He-
136 ἠῶθεν: ‘mit Tagesanbruch, morgen früh’, zu ἠώς ‘Morgen(röte)’; zur Wortbildung R 15.1. — νέ͜οµαι: zur Synizese R 7. — ἠελίῳ: = ἡλίῳ. 137 Ἡφαίστοιο (ϝ)άνακτος: zur Prosodie R 4.3. 138 υἷος: zur Flexion R 12.3. — ἑοῖο: Poss.-Pron. der 3. Person (R 14.4). 139 µετηύδα: 3. Sg. Impf. zu µετ-αυδάω (+ Dat. Pl.) ‘sprechen inmitten, im Kreis von’. 140 εὐρέα κόλπον: Richtungsangabe ohne Präposition (R 19.2). 141 ὀψόµεναι: final, ‘um zu sehen, um aufzusuchen’. — δώµατα: zum Plural R 18.2. 142 καί (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.4. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). — ἐς: = εἰς (R 20.1).
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phaistos mit der Insel Lemnos in Verbindung gebracht (1.593n.): WEST 2011, 292f. 346f.; zum Olymp als Wohnsitz der Götter s. 1.18n. ἀγορεῦσαι: von WEST als lectio difficilior vorgezogene Lesart Zenodots mit imperativischem Inf. anstelle des überlieferten elidierten Imp. ἀγορεύσατ(ε) (WEST 2001, 247). Im Unterschied zum Imp. (δῦτε 140) enthält der imperativische Inf. eine eher indirekte Anweisung, deren Umsetzung dem Adressaten überlassen bleibt und die an der vorl. Stelle auf konventionelles soziales Verhaltensmuster verweist, entsprechend dem Auftrag an einen Boten (“conventional social procedures”: ALLAN 2010, 215–225, bes. 218ff.; s. auch 16.87n.; weitere Stellen mit Wechsel von Imp. zu imperativischem Inf. SCHW. 2.381; CHANTR. 2.316). — µακρὸν Ὄλυµπον: flektierbare VE-Formel (11× Il., 4× Od., 3× Hes., 3× hom.h.), meist im Akk. (vgl. 1.402n.), 2× im Nom.
143 Während Thetis es ihrem Sohn gegenüber als selbstverständlich hinstellt, daß sie von Hephaistos neue Waffen mitbringen wird (136f.) – wohl, um ja keinen Zweifel am Erfolg ihrer Mission aufkommen zu lassen und zu verhindern, daß er sich nur behelfsmäßig ausgerüstet in den Kampf stürzt –, drückt sie sich den Schwestern gegenüber differenzierter aus: er steht zwar in ihrer Schuld (394ff.), aber sie hat keine Macht über den Gott, sondern wird ihn bitten müssen, vgl. 457ff. (schol. bT zu 143–4). Ἥφαιστον κλυτοτέχνην: Formel zwischen den Zäsuren A 3 u. C 2, mit distinktivem EpithetonP (‘berühmt durch seine Kunstfertigkeit’): 1.571n. — αἴ κ’ ἐθέλησιν: ‘in der Hoffnung, daß er bereit ist’ (WAKKER 1994, 365–368. 374; vgl. 1.408n., 1.420n., 6.94n.); flektierbare VE-Formel (8× Il., 6× Od., 1× Hes. Th., 1× h.Merc.); zum Bedeutungsspektrum von ἐθέλω s. 1.112n.; zur Konj.-Endung -ησι (ohne ι subscr.) G 89; WEST 1998, XXXI.
144 Waffen: Die außergewöhnliche Ästhetik dieser Waffen wird vorweggenommen (s. auch 466f.), ihre beeindruckende Erscheinung auch bei der Übergabe und beim Auszug in den Kampf wiederholt hervorgehoben: 617, 19.10f., 19, 21f., 369–383, 398 (vgl. 19.374–383n.). κλυτὰ τεύχεα παµφανόωντα: κλυτὰ τεύχεα ist häufige Junktur an versch. Versstellen (19.10n.; wie hier nach der Zäsur B 1: 6× Il., 1× Od). Das Epitheton παµφανόωντα, oft bei Wörtern für ‘Rüstung’ (τεύχεα, ἔντεα) und von Männern in Rüstung, dann von anderen Gegenständen (δίφρος, λέβης, ἐνώπια), steht meist am VE (15 Belegstellen von insgesamt 19 im fgrE), die vorl. Verbindung findet sich aber nur hier (vgl. 130–131n.). — παµφανόωντα: redupliziertes φαίνω, die Vorsilbe παµ- wurde aber möglicherweise als Neutr. von πᾶς verstanden (2.458n.).
145–147 Der in der Rede angekündigte Weggang der Göttinnen wird explizit erwähnt (die Nereïden agieren wieder als Kollektiv: vgl. 37–72n.): die Trauerszene um Achill löst sich auf, die Handlung im Lager der Myrmidonen kommt zum
143 αἰ: = εἰ (R 22.1). — κ(ε): = ἄν (R 24.5). — ἐθέλησιν: 3. Sg. Konj. Präs. (R 16.3). 144 υἱεῖ: zur Flexion R 12.3. — δόµεναι: = att. δοῦναι (R 16.4). — παµφανόωντα: zur ep. Zerdehnung R 8.
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Stillstand; dies bereitet einen Szenenwechsel vor (s. 148 mit n.). Die Vv. 146f. u. 148a mit dem Hinweis auf Thetis’ Aufbruch sind Element (1) der Typ. Szene ‘Ankunft’ (dazu 1.496b–502n.), deren weitere Elemente in 369ff. folgen; Thetis’ Reise verläuft als gleichförmige Handlung im Hintergrund, während der Erzähler sich wieder dem Kampf zuwendet (148–242; s.d.): AREND 1933, 32 Anm. 1; 36. 145 ὣς ἔφαθ’, αἳ δ(έ): formelhafter Rede-AbschlußP (3× Il., 6× Od., vgl. auch 19.74n.) mit Rede-Abschlußschema ‘sprach’ + Reaktion des/der Adressaten (1.33n.). — κῦµα θαλάσσης: Formel vor der Zäsur C 2 (3× Il., 1× Od.); s. auch 66–67a n. 146 ἣ …: Zur Versstruktur (anaphor. Pron. am VA und Nomen-Epitheton-Formel am VE) s. BAKKER 1997, 92. 198f. — θεὰ Θέτις ἀργυρόπεζα: 127n. 147 ὄφρα φίλῳ παιδὶ … ἐνείκαι: Der Finalsatz mit opt. obl. ist sekundär fokalisiertP, vgl. Thetis’ Ankündigung 143f. (DE JONG [1987] 2004, 111. 268 Anm. 32; RICHARDSON 1990, 149. 235 Anm. 17 [Stellensammlung]). — κλυτὰ τεύχε(α): Formel nach der Zäsur C 1 (10× Il., 1× Od., 4× ‘Hes.’), vgl. 144n.
148–242 Im Kampf um Patroklos’ Leichnam sind die Achaier in große Bedrängnis geraten. Seine Rettung gelingt erst, als Achilleus, aufgefordert durch die Götterbotin Iris, eingreift und sich den Troern mit Athenes Hilfe als furchterregende Erscheinung zeigt. Der Tag endet mit der Bergung des Leichnams. Der Erzähler lenkt den Blick weg von Thetis zurück zum Geschehen auf dem Schlachtfeld, von dem zuletzt zu Beginn des Gesangs die Rede war (Vv. 1, 6ff., 20f.), indem er sich dem Kampf um die Leiche und ihrer Bergung zuwendet (148b–242) und anschließend von den Ereignissen nach Sonnenuntergang im Lager der Troer und in demjenigen der Griechen berichtet (243–314a/314b–368: DeckszeneP; schol. bT zu 148; SCHADEWALDT [1938] 1966, 77). Der Szenenwechsel zur Schlacht in V. 148 mag etwas abrupt erscheinen (schol. bT zu 148), ist jedoch indirekt vorbereitet durch (a) Achills Drang nach Kampf mit den Troern (114f., 121ff.), (b) Thetis’ Hinweis auf Hektors Triumph (130ff.) und (c) ihre Anweisung, Achill dürfe sich an diesem Tag noch nicht in den Kampf stürzen (134ff.). 148–164 Anknüpfung an das Kampfgeschehen am Ende des 17. Gesanges: Menelaos und Meriones (FM 4) hatten begonnen, unter dem Schutz der beiden Aias (FM 3) den Leichnam vom Schlachtfeld wegzutragen, und waren dabei v.a. von Aineias und Hektor hart bedrängt worden (17.717–754), die viele Griechen in die Flucht schlugen (17.758–761, 18.148b–150). Diese Flucht zu den Schiffen hatte 145–146 ἔφαθ’: = ἔφατο (17n.). — αἵ: anaphorisch-demonstrativ (R 17); ebenso ἥ in 146, dazu θεὰ Θέτις ἀργυρόπεζα als Apposition. — Οὔλυµπόνδε: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1); zum Suffix -δε R 15.3. 147 ἤϊεν: = att. ᾔει ‘ging’. — ὄφρα: final (R 22.5). — ἐνείκαι: Opt. zum Aor. ἤνεικα ≈ att. ἤνεγκον.
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auch Achill beobachtet (6f.). In der vorl. Schilderung jedoch sind Menelaos und Meriones ebenso wie Aineias nicht mehr erwähnt. Diese von manchen Interpreten (AH, Anh. S. 115–117) als ‘Unstimmigkeiten’ gegenüber der Schilderung am Ende des 17. Gesanges taxierten Unterschiede in der Konstellation lassen sich damit erklären, daß die vorausgehenden Szenen (2–147) als DeckszeneP für die nicht im einzelnen beschriebene Flucht der Griechen, den Bergungsversuch und die Verfolgung durch die Troer fungieren (zu dieser hom. Erzählweise s. DE JONG 2007, 30f.); der Erzähler lenkt die Aufmerksamkeit jetzt auf Hektor (149, 154, 155f., 158b–160, 164; vgl. auch 175ff.), durch den sich die Lage unterdessen verschärft hat: die Rettung des Leichnams ist in Frage gestellt (151–164; vgl. schol. bT zu 151–2), denn die Troer haben die Gruppe um den Leichnam ‘wieder’ erreicht (153), und Hektor versucht hartnäckig, ihn wegzuzerren (VAN LEEUWEN; EDWARDS; KURZ 1966, 164; zum Leichnam als Teil der Beute PATZER 1996, 176– 178; zur Anknüpfung an unterbrochene Kampfschilderungen vgl. 16.102–123n.). 148 ≈ 15.405. — πόδες φέρον: Formel vor der Zäsur C 2 (5× Il., 1× Od.); die gleiche Formulierung mit anschließender Überbrückung eines Ortswechsels (Imp. hier u. 147) durch Schilderungen anderer Szenen ist auch 15.405 und 17.700 verwendet (von Patroklos bzw. Antilochos, die Ankunft 16.2ff. bzw. 18.2ff.; vgl. auch den Szenenwechsel Od. 15.555/16.11ff.). — αὐτὰρ Ἀχαιοί: flektierbare VE-Formel, nur Il. (12× Nom., 7× Akk., 2× Dat., 1× Gen.); dient hier zusammen mit τὴν µὲν … der Verknüpfung zweier gleichzeitiger Handlungen, verdeutlicht durch die in 148a nach Art eines SummaryP wiederholten Aussage von 146f. (vgl. 1n.); zum Szenenwechsel nach der Zäsur C 2 s. 1.194n., 24.3n. (zu αὐτάρ …), 16.124n. 149 2. VH = 1.242 (s.d.), 17.428, 17.616. — θεσπεσίῳ: eigtl. ‘göttlich’, in übertragener Verwendung von Lärm ‘von überwältigender Wirkung, gewaltig’ (2.457n.). — ἀλαλητῷ: onomatopoetischer Ausdruck für Kampfgeschrei, hier (u. 21.10) für den Angstschrei der Fliehenden, vgl. 17.759 (2.149n.). Als Epitheton fungiert sonst µεγάλῳ (14.393, Od. 24.463, Hes. Th. 686), die Verbindung mit θεσπεσίῳ nur hier und ‘Hes.’ Sc. 382f. — ὑφ’ Ἕκτορος: eigtl. ‘unter der Einwirkung von …’ (SCHW. 2.528f.; vgl. 3.61n., 6.73n.). — Ἕκτορος ἀνδροφόνοιο: Nomen-Epitheton-Formel am VE (8× Il., 1× ‘Hes.’) und VA (3× Il.), stets im Genetiv; zur Frage nach seiner Verwendung im Unterschied zu metr. äquivalentem Ἕκτορος ἱπποδάµοιο 24.509n.; DE JONG zu Il. 22.161. Hier viell. kontextbezogen verwendet: der Kampf erreicht den Höhepunkt, Hektor gefährdet nach der Tötung die Bergung des Leichnams (163–165): DI BENEDETTO (1994) 1998, 138.
148 τήν: gemeint ist Thetis (V. 146); zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ἄρ(α): ‘(denn) also’ (R 24.1). — Οὔλυµπόνδε: 145–146n. — φέρον: zur augmentlosen Form R 16.1. — αὐτάρ: ‘aber’ (R 24.2.). 149 θεσπεσίῳ ἀλαλητῷ: zum Hiat R 5.6. — ἀλαλητῷ ὑφ’: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. — ἀνδροφόνοιο: zur Flexion R 11.2.
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150 ≈ 15.233, 23.2; 2. VH ≈ 24.346. — Schiffen … Hellespont: d.h. zum Lager der Griechen, das von den an Land gezogenen Schiffen wie von einem Schutzwall umgeben ist (1.12b n.) und seit zwei Tagen zusätzlich von einer Mauer mit Graben geschützt wird (vgl. 7.436ff.); zur Anlage s. Appendix zum 14. Gesang. Der 17. Gesang endet mit dem Bericht, wie die Fliehenden versuchen, den Bereich hinter dem Graben zu erreichen (17.760f.); der Kampf um den Leichnam findet in der Nähe der Schiffe (172) beim Graben (198, 215f., 228f.) statt (vgl. 148–164n.). – Mit ‘Hellespont’ sind im hom. Epos viell. nicht nur die Dardanellen, sondern auch ein Teil der nordöstlichen Ägäis nahe der Südeinfahrt in die Dardanellen gemeint (24.544–545n.). ἵκοντο: Zum Aor. und den damit verbundenen inhaltlichen Problemen s. AH, Anh. 115f.; FAESI; EDWARDS zu 148–50 (“conative”) u. zu 148–64; vgl. auch 148–164n.
151–152 Wie der erfolgreiche Ausgang des Kampfes doch noch möglich wird, bleibt über mehrere Verse offen, hinausgeschoben durch die Beschreibung von Angriff und Abwehr (‘dreimal’ 155ff.) und durch ein Gleichnis (Andeutung einer möglichen Niederlage: 161ff.); erst durch die Wiederaufnahme der Irrealis-Konstruktion 165ff. – aus dem Blickwinkel Hektors positiv formuliert (‘und er hätte ihn fortgezogen’) – wird dies in einer ‘Wenn nicht’-SituationP weiter ausgeführt (AH; FAESI; WILLCOCK; NESSELRATH 1992, 14; vgl. 165–168n.). — Kampffreund: gr. therápōn bezeichnet einen Mann, der einem anderen zwar untergeben, aber persönlich frei ist (‘Kampfgenosse, Gehilfe’: 24.396n.). Im Unterschied zu gr. hétaros/hetáiros (80 [s.d.], 98) rückt der Begriff das Dienstverhältnis in den Vordergrund (24.4n.): Patroklos fungierte als Achills Wagenlenker (16.20n. a.E.). Patroklos wird auch sonst therápōn Achills genannt: im Erzählertext 16.165 (von WEST athetiert), 16.653 (Zeus’ Gedanken), 17.271, 17.388; in direkten Reden 16.244 (Gebet Achills, von WEST athetiert), 17.164 (Glaukos), 23.90 (Patroklos’ Geist zitiert Peleus): LfgrE s.v. θεράπων. Πάτροκλόν περ: hebt den Gegensatz zu 150 hervor: sich selbst konnten die fliehenden Achaier retten, nicht aber den Leichnam (EDWARDS; DENNISTON 483). — ἐϋκνήµιδες Ἀχαιοί: flektierbare VE-Formel (31× Il., 5× Od., 1× Hes., davon 19× Nom., 18× Akk.); zu den Realien (‘Beinschienen’) 613n. — ἐκ βελέων: ἐκ ‘außerhalb von’, d.h. ‘außer Schußweite’ (CHANTR. 2.99). — νέκυν: ‘den Toten’, Apposition zu Πάτροκλον (vgl. 24.35n.). — θεράποντ’ Ἀχιλῆος: die Verbindung nur hier, wohl in Anklang an die VEFormel θεράποντες Ἄρηος (dazu 2.110n.): EDWARDS.
150 νῆας … Ἑλλήσποντον: Richtungsangabe ohne Präposition (R 19.2). — νῆας: zur Flexion R 12.1. — ἵκοντο: zur augmentlosen Form (kurz gemessenes ἵ-) R 16.1. 151–152 οὐδέ κε … | …ἐρύσαντο: Der Irrealis (κε = ἄν: R 24.5) wird 165 nochmals aufgenommen, der inhaltlich dazugehörige NS folgt 166f. εἰ µὴ … | … ἦλθε. — oὐδέ: konnektives οὐδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — βελέων: zur unkontrahierten Form R 6. — Ἀχιλῆος: zur Flexion R 11.3, R 3; zum einfachen -λ- R 9.1.
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153 2. VH ab Zäsur C 1 ≈ 2.466, 9.708, 13.684, 17.400, 17.644, Od. 3.324, 4.20, 14.267, 17.436. — αὖτις γὰρ δή: signalisiert die Anknüpfung an die unterbrochene Schilderung des Kampfes um den Leichnam (BONIFAZI 2012, 270 Anm. 15: “presentational αὖτις … ‘here we are’”); zu δή (‘of course’) CUYPERS 2005, 56. — λαός: das ‘(männliche) Volk unter Waffen’ (1.10n., 24.1n.), hier milit. t.t.: ‘die Fußtruppe’ (vs. ἵπποι).
154 1. VH bis zur Zäsur C 1 = 5.704; ≈ 3.314, 7.47, 11.200, 15.244; 2. VH ab Zäsur C 1 ≈ 4.253, 13.330, 17.281. — Die Füllung eines ganzen Verses mit der Benennung einer Person signalisiert deren Bedeutsamkeit für die weitere Handlung (1.36n.; vgl. hier 155–165, 175b–177); Hektor ist explizit aus der Masse der troischen Angreifer (153) herausgehoben. — Flamme: Dieser Feuervergleich (gr. phlogí éikelos) wird mehrfach für die Charakterisierung Hektors während eines gefährlichen Angriffskampfes verwendet (noch 13.53f., 13.688, 17.88, 20.423), außerdem je 1× für Idomeneus (13.330) und – in etwas anderer Formulierung – für die Troer insgesamt (13.39). Die kämpferische Aura eines Heros wird auch sonst mit Feuer-Vergleichen beschrieben (ganz besonders diejenige Achills: 205– 206n.): FRÄNKEL 1921, 50f.; SCOTT 1974, 67; TSAGARAKIS 1982, 138f.; ROLLINGER 1996, 160ff. (mit altoriental. Parallelen); WEST 2007, 494 (mit idg. Parallelen). 155 dreimal: Typische ZahlP, der dreimalige Versuch ist typ. Motiv in Kampfszenen (6.435n. mit Lit.). Das Motiv ‘dreimal X, dreimal Y’ (155–158), sonst oft fortgesetzt mit ‘beim vierten Mal aber’ (5.436ff., 16.702ff., 16.784ff., 21.176ff., 22.165/208, Od. 21.125ff.: KIRK zu 5.436–9; DE JONG zu Od. 21.125–8), ist hier kombiniert mit einer ‘Wenn nicht’-SituationP (165ff., s.d.). — ergriff … ihn: Den Troern ist es bereits mehrfach gelungen, die Leiche zu packen und daran zu zerren (17.125ff., 277ff., 288ff., 384–397, vgl. auch 17.229ff.); das Zerren am Fuß eines Leichnams ist ein typisches Motiv in hom. Kampfschilderungen, s. 536–537n., 539–540n. τρὶς µέν: formelhafter VA (16× fgrE), meist gefolgt von τρὶς δέ (hier 157) im gleichen od. nächsten Vers (10× Il., 4× Od.): KELLY 2007, 194–197. — φαίδιµος Ἕκτωρ: VEFormel (29× Il.); das generische EpithetonP φαίδιµος hat wohl lediglich ornamentale Bed. (‘strahlend, stattlich’, evtl. auf die Rüstung bezogen: 6.144n., 16.577n.). 156 1. VH ≈ 176. — µεµαώς: Ptz. zu µέµονα (‘streben, den Drang haben’); µέµονα ist oft mit einem Inf. der Bed. ‘kämpfen’ (vgl. 6.120n.) od. ‘töten’ verbunden und bez. im kriege-
153 αὖτις: = αὖθις. — κίχον: ‘holten ein, erreichten’, augmentloser (R 16.1) Aor. zu κιχάνω. — λαός: λᾱϝος, = ion.-att. λεώς (vgl. R 3). — ἵπποι: ‘Gespanne’. 154 φλογὶ (ϝ)είκελος: zur Prosodie R 5.4. — ἀλκήν: Akk. der Beziehung (R 19.1). 155 µιν: = αὐτόν (R 14.1). — µιν … ποδῶν λάβε: ‘ergriff ihn an den Füßen’ (Gen. des berührten Körperteils). — µετόπισθε: ‘von hinten’. 156 ἑλκέµεναι: zur Form R 16.4. — Τρώεσσιν: zur Flexion R 11.3. — ὀµόκλα: augmentlose (R 16.1) 3.Sg. Impf. zu ὀµοκλάω.
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rischen Kontext den “energ. aggress. Drang” (LfgrE s.v. 122.58ff.). — µέγα: ‘laut’, ebenso 160 (vgl. 29n.). — ὀµόκλα: ‘schrie laut zu’; beschreibt einen “Anspornruf” (KRAPP 1964, 84–86) und ist nur hier durch µέγα verstärkt; zur weiteren Verwendung u. zur Etymologie s. 6.54n.
157 ≈ 7.164, 8.262. — die zwei Aias: FM 3; ihr Einsatz bei der Verteidigung des Leichnams ist in der vorausgehenden Kampfbeschreibung mehrfach erwähnt: 17.718f., 732f., 746f., 752f. (148–163n.). — eingehüllt: Zu dieser formelhaften Metapher s. 19.36n. θοῦριν: ‘stürmisch, ungestüm’, Adj. zu θορεῖν ‘springen’ (FRISK; LfgrE); als Epitheton bei ἀλκή sonst meist in der VE-Formel θούριδος ἀλκῆς (16.270n.: 21× Il., 1× Od.). — ἐπιειµένοι ἀλκήν: flektierbare VE-Formel (3× Il., 2× Od.); zu ἐπιειµένος (‘gekleidet in’) mit abstractum 1.149n.; zu ἀλκή (‘Wehr-, Kampfkraft’) 3.45n., 19.36n. 158a ἀπεστυφέλιξαν: ‘(mit Schlägen) wegstoßen von’, sc. den Hektor (LfgrE s.v. στυφελίζω; vgl. 1.581n.).
158b–160 Anschauliche Beschreibung von Hektors Ansturm: Sein Stehenbleiben bedeutet nicht Abbruch des Angriffs, sondern dient der Intensität seines Kampfrufs (LfgrE s.v. ἰάχω 1114.18ff.; KRAPP 1964, 77; KURZ 1966, 82–85, bes. 84. 145). Den wiederholten Kampfrufen Hektors (gr. mégā iáchōn) entsprechen auf der Seite der Gegner die Angstschreie der fliehenden Achaier (149). Die Motive des Kampfschreis und der vom Kämpfer ausgehenden Flamme erscheinen in erweiterter Form wieder bei Achills Auftritt 217ff. (EDWARDS). ἔµπεδον … | ἄλλοτ’ ἐπαΐξασκε …, ἄλλοτε δ’ αὖτε | στάσκε: Wiederholtes ἄλλοτε, das Adv. ἔµπεδον (‘beharrlich, immer wieder’: LfgrE) und die Iterativ-Formen ἐπαΐξασκε u. στάσκε (G 60; SCHW. 1.711) verstärken das Bild des wiederholten Anstürmens. Zur Anapher nach der bukol. Dihärese s. 24.10n. — ἀλκὶ πεποιθώς: VE-Formel (5× Il., 1× Od.) mit Dat. Sg. des Wz.-Nomens ἀλκ- (vgl. ἀλκή 157n.), außer hier immer in Vergleichen von Kämpfern mit Löwe od. Eber; zu πεποιθώς ‘vertrauend auf’ 6.505n. — κατὰ µόθον: ‘durch das Kampfgetümmel’, Formel vor der Zäsur C 2 (3× Il., 1× ‘Hes.’): LfgrE. — µέγα ἰάχων: Das Digamma von ἰάχω längt oft die vorausgehende Endsilbe des Adverbs auf -ᾰ (*-α ϝϝιϝαχ-; Stellen bei CHANTR. 1.139f.; zur vorl. Junktur und Varianten 29n.). — οὐ … πάµπαν: ‘überhaupt nicht’ (παν-παν, s. 1.422n.); zur metr. Nützlichkeit dieser ‘Streckform’ s. 19.334n.
161–164 Mit der Verwendung eines GleichnissesP knüpft der Erzähler an die Kampfbeschreibung am Ende des 17. Gesanges an, in der sich die Gleichnisse häufen: 17.725ff. (Hunde: Angreifer), 737ff. (Feuersbrunst: Kampf), 742ff. (Maultiere: Träger der Leiche), 747ff. (Berg: beide Aias), 755ff. (Vogelschwarm: 157 δύ’ Αἴαντες: zum Hiat R 5.1. — θοῦριν(ν) ἐπιειµένοι: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8). 159–160 ἐπαΐξασκε … | στάσκε: Iterative (-σκ-: R 16.5) zu ἐπαΐσσω (‘stürmte los’) bzw. ἵσταµαι (‘blieb stehen’). — κατὰ (µ)µόθον: zur Prosodie M 4.6. — µέγα (ϝ)ι(ϝ)άχων: zur Prosodie R 4.3.
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fliehende Achaier): SCOTT 1974, 45; 2009, 152f. Hier charakterisiert er durch das Gleichnis den aussichtslosen Versuch der beiden Aias, den Leichnam vor Hektor zu retten (vgl. die Klammerstellung von gr. apó sṓmatos u. apó nekróu 1. VH 161 u. 2. VH 164), und bereitet die ‘Wenn nicht’-SituationP vor (165ff.): Der hungrige Löwe verdeutlicht die Kampfkraft, Energie und Beharrlichkeit Hektors, der sich nicht von seiner Beute vertreiben läßt, die Hirten die Hilflosigkeit der beiden Verteidiger in auswegloser Situation (KRISCHER 1971, 72; SCHNAPP-GOURBEILLON 1981, 40f.; SCOTT 2009, 153; zu Löwen-GleichnissenP und -VergleichenP s. 3.23n., 24.41b–44n.); Hirten werden in Gleichnissen oft in ihrem schwierigen Einsatz zum Schutz der Herde gezeigt, etwa bei ungünstiger Witterung (3.10ff., 4.275ff.) oder wie hier beim gefährlichen Zusammentreffen mit wilden Tieren, bei dem sie nicht selten unterliegen (5.136ff., 15.586f., 15.632f., 16.352ff., 17.61ff., 18.577ff. [Achilleus’ Schild]): 3.11n.; RICHTER 1968, 37; HAUBOLD 2000, 18ff.; zum Motiv der hilflosen Hirten in semit. Lit. s. WEST 1997, 219. 388. 161 Löwen: Zum Vorkommen von Löwen in Griechenland und Kleinasien in archaischer Zeit s. 3.23n. σώµατος: das eben vom Löwen erlegte Tier (‘toter Körper, Kadaver’); im Unterschied dazu wird der tote Patroklos hier mit νέκυς/νεκρός (‘Toter, Leichnam’) bezeichnet (152 [s.d.], 158, 164, 173); zur Bed. von σῶµα bei Homer 3.23n. — αἴθωνα: bed. als Farbbezeichnung bei Tieren ‘rot-braun’ (EDGEWORTH 1983, 35. 39f.; vgl. 19.243–244n.). 162 1. VH = Hes. Th. 26. — πεινάοντα: in der Ilias nur von Löwen (3.25n.). — δίεσθαι: trans. ‘verjagen’; der Inf. (proparoxytoniert: schol. A) wird teilweise in Aoristfunktion verwendet (LIV 107 mit Anm. 3; vgl. CHANTR. 1.293), so auch hier, parallel zu δειδίξασθαι (LfgrE s.v. δί(ηµι), δί(ω)). 163 ≈ 13.201. — Αἴαντε: Der Dual wird in der Ilias i.d.R. für den Telamon-Sohn und den gleichnamigen Sohn des Oïleus verwendet, bezeichnete urspr. aber wohl die beiden Telamon-Söhne Aias und Teukros (2.406n. [mit Lit.]; NAPPI 2002; WEST 2011, 144. 270. — κορυστά: nur als Epitheton der beiden Aias (s. Iteratvers) und in der VE-Formel ἄνδρα κορυστήν (4.457, 8.256, 16.603) verwendete Ableitung zu κόρυς, also eigtl. ‘helmtragend, behelmt’, dann allg. ‘gerüstet’ (LfgrE s.v. κορυστής; vgl. 6.198b–199n. s.v. χαλκοκορυστήν). 164 Ἕκτορα Πριαµίδην: flektierbare VA-Formel, nur in der Ilias (7× Nom., 3× Dat., 5× Akk.). — δειδίξασθαι: δειδίσσοµαι (att. δεδίττοµαι) ist Deverbativum zu δείδω/δέ-
161 τι: Akk. der Beziehung (R 19.1), verstärkt οὐ: ‘nicht in irgendeiner Hinsicht, gar nicht, überhaupt nicht’. 162 µέγα: Adv., ‘sehr’. — πεινάοντα: zur unkontrahierten Form R 6. 163 ῥα: = ἄρα (R 24.1). — τόν: demonstr.-anaphor. (R 17); dazu Ἕκτορα Πριαµίδην (164) als Apposition. — ἐδύναντο δύω Αἴαντε κορυστά: ein Plural in Kombination mit drei Dualen (R 18.1). Zum Hiat δύω Αἴαντε R 5.6. 164 Πριαµίδην: Anfangssilbe metrisch gedehnt (R 10.1).
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δοικα, mit faktitiver Bed. ‘einschüchtern’, hier mit ἀπό ‘abschrecken, verscheuchen von’ (FRISK u. DELG s.v. δείδω).
165–168 Markierung der dramatischen Lage durch eine ‘Wenn nicht’-SituationP, mittels deren der Erzähler (a) die Spannung steigert, (b) einen anderen möglichen Handlungsverlauf andeutet (dessen Folgen in Iris’ Botenrede 175ff. drastisch vorgeführt werden), (c) die Wende im Kampf vorbereitet (zur Verwendung des Erzählmittels 2.155–156n., 6.73–76n.; GRETHLEIN 2006, 281f.).
165 = 3.373. — καί νύ κεν: häufige Einleitung einer ‘Wenn nicht’-Situation, gefolgt von NS mit εἰ µή (166): 2.155–156n.; zu νυ (mit “valeur temporelle”) RUIJGH 1957, 59. — ἄσπετον ἤρετο κῦδος: Zum themat. Aor. von ἄρνυµαι (‘erlangen’), zur formelhaften Verbindung mit κῦδος und zum Adj. ἄσπετος (‘unsagbar’ > abgeschwächt ‘groß’) s. 3.373n.; zu κῦδος (Bez. für das Hochgefühl nach erfolgreicher – meist milit. – Tat und das durch den Erfolg gewonnene Prestige) s. auch 19.204n.; DE JONG zu Il. 22.205–7.
166–202 Verkürzte und stark modifizierte Form der Typischen SzeneP ‘Botengang’, in deren Gestaltung sich durch den unvorbereiteten Auftritt der Götterbotin Iris (FG 38) die dringende Eile spiegelt (zur vollständigen Form 1.320–348a n.); denn erst jetzt wird die Botschaft der Achaier an Achill vervollständigt, daß nämlich seine Hilfe im Kampf um den Leichnam benötigt wird (vgl. 18–21n.). Die Integrierung der Szene in die ‘Wenn nicht’-SituationP bedingt den Wegfall von Element 4 (Situationsschilderung) und – in leichtem Widerspruch zum Prinzip der kontinuierlichen ZeitP – die Umstellung der Elemente 1–3: (3) Ankunft (166– 167a), (2) Aufbruch (167b), (1) Auftragserteilung (167c–168), (5) Botin tritt heran (169), (6) führt den Auftrag aus (170–202). Darüber hinaus ist die Szene in mehreren Punkten bemerkenswert: (a) Iris kommt nicht als Botin des Zeus (168n., 184ff.); (b) sie legitimiert sich zunächst nicht (170–180n.); (c) Achill erkennt sie dennoch sogleich (182n.); (d) der Wortlaut von Heras Auftrag bleibt unklar (167n.); (e) Achill leistet nicht sogleich Folge, sondern stellt Fragen (181–195n.); (f) Iris muß die Botschaft präzisieren (197ff.); insgesamt zeigt die Szene im Unterschied zu anderen Szenen zwischen Gottheit und Mensch eine gewisse formlose Direktheit zwischen den Gesprächspartnern und wirkt daher eher wie ein Gespräch zwischen Vertrauten, ein Zeichen für Achills Götternähe (SCHEIN 1984, 94; ERBSE 1986, 58f.; TURKELTAUB 2007, 70–72; zum Ablauf des Gesprächs s. auch BECK 2012, 12f.); zur epischen Erzählkonvention bei Botenreden s. 2.23–34n., 2.28–32n. 166 Peleus-Sohn: Iris macht sich nur ihm bemerkbar, die Umgebung bleibt – wie oft bei Götterauftritten – unerwähnt; vgl. dazu allg. 1.197–198n., 24.169–170n.; zur Benennung Achills mittels verschiedener Patronymikon-Varianten (im 18. Gesang hier u. 226, 261, 267 Pēléiōn, 170 u. 316 Pēléidēs; 221f. vokalisch anlauten165 κεν: = ἄν (R 24.5.). — εἴρυσσεν: Aor. zu (ϝ)ερύω ‘zerren, schleppen’; zum -σσ- R 9.1. 166 ὠκέα (ϝ)ῖρις: zur Prosodie R 4.3.
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des Aiakídēs nach dem Großvater) s. 1.1n.; LATACZ (1995) 2014, 304 Anm. 87. — Iris: Zur Rolle der Iris – Personifikation des Regenbogens und Götterbotin – s. LfgrE s.v.; ERBSE 1986, 54–65; KELLY 2007, 322–324; zu den EpithetaP der Iris 24.77n. ποδήνεµος ὠκέα Ἶρις: VE-Formel (9× Il., 1× h.Ap.); zu den Varianten der VE-Formel, zu ποδήνεµος (‘mit windschnellen Füßen’) und zur Form ὠκέα (Kürzung des Diphthongs im Binnenhiat) s. 2.786n., 24.77n. (s.v. ἀελλόπος).
167 = 11.715. — sich rüsten: Das gr. Verb thōrḗssesthai bezeichnet nicht nur das Anlegen einer Rüstung (so 189, s. 191), sondern auch die innere Einstimmung auf Kampf, das Sich-Hineinsteigern in Kampfwut (LfgrE s.v. θωρήσσω). Mit dieser knappen Andeutung des Auftrags entsteht der Eindruck, Thetis’ Gebot würde umgangen und Achill aufgefordert, sich in den Kampf mit Hektor zu stürzen (vgl. Achills Reaktion 188); auch in Iris’ Reden wird nur schrittweise deutlich (170f., 198f.), wie Achill die Erbeutung des Leichnams durch die Troer verhindern soll, nämlich allein durch sein Erscheinen am Graben (REINHARDT 1961, 167f.). ἄγγελος ἦλθε: 2n. — θωρήσσεσθαι: Inf. als Aufforderung nach ἄγγελος ἦλθε, das ein verbum dicendi vertritt (SCHW. 2.374; vgl. 24.118n.), vgl. die imperativischen Formulierungen der dir. Rede 170f., 178, 198; ähnliche Wiedergabe in indir. u. dir. Rede 4.301ff., 20.365ff., 23.204f., 23.854ff. (DE JONG [1987] 2004, 117. 270 Anm. 47).
168 2. VH ≈ 1.195. — Zeus … Hera: Iris ist in den hom. Epen meist Botin des Zeus, sie wird nur hier von Hera geschickt (3.121n.; LfgrE s.v. Ἶρις); diese lenkt 1.195ff. in ähnlicher Weise indirekt (dort durch Athene) Achills Handeln in die richtige Bahn (zum Verhältnis Hera – Achill 19.407–417n.). – Zeus hatte den Göttern unter Androhung von Strafe jegliche Einmischung in den Kampf untersagt (8.7ff.) und Hektor durch die Götterbotin den Sieg für diesen Tag bis zum Sonnenuntergang garantiert (11.185–194, 11.200–209; vgl. die Offenlegung seines Planes vor Hera 8.473–476, 15.61–77); auch nach Patroklos’ Tod hatte er die Troer vom Ida-Gebirge herab weiter unterstützt (17.206, 17.593–596), sich allerdings auch die Rettung des Leichnams gewünscht (17.268ff., vgl. auch 17.545f., 17.645–650). Vor diesem Hintergrund läßt der Erzähler Hera zunächst heimlich, dann offen zugunsten der Achaier agieren (vgl. 239f. und Zeus’ Tadel 356ff.). Vielleicht trägt die Heimlichkeit dieses Auftrags, die auch Iris erwähnt (184–186), auch zu Heras Charakterisierung bei: Arglist (vgl. 19.97n.) oder Mißtrauen gegenüber ihrem Gatten (EDWARDS z.St. u. 1987, 273f.; SCHADEWALDT [1938] 1966, 116f.).
168 κρύβδα (+ Gen.): ‘heimlich vor …’. — πρὸ … ἧκε: zur sog. Tmesis R 20.2. — µιν: = αὐτήν (R 14.1). — Ἥρη: zum -η nach -ρ- R 2.
Kommentar
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169 ἀγχοῦ δ’ ἱσταµένη: flektierbare VA-Formel (18× Il., 6× Od., 2× h.Cer.), stets mit einem Verb des Sagens in der 2. VH; oft wie hier in Element 5 der Typischen Szene ‘Botengang’ verwendet (2.172n.). — ἔπεα πτερόεντα προσηύδα: 72n.
170–180 Die Botenrede ist geprägt von der dringenden Eile, die angesichts der Situation geboten ist: Iris beginnt und schließt mit einem emotionalen Appell (170– 171a / 178–180), den sie durch die Schilderung der Lage begründet (171b–177; vgl. bes. 173–176 mit 151–158a, 165). Achills erstes Ziel soll entgegen seinem Impuls (90ff., 114f.) nicht Rache, sondern Schutz des Patroklos sein (171, 178b– 179). Das Fehlen gewisser Angaben (Auftraggeber – vgl. dagegen 2.26n. –, konkretes Vorgehen) macht jedoch Präzisierungen nötig (181–195n.): DE JONG (1987) 2004, 75. 79. 181; zum Fehlen des Auftraggebers vgl. auch 6.269–278n. 170 ≈ 1.146. — Pelide: 166n.; des weiteren wird er ‘erschrecklichster’ genannt (gr. ekpaglótatos eigtl. ‘vor dem man am meisten erschrecken muß’: 1.146n.). Der Grund für diese Anrede zeigt sich in der nachfolgenden Anweisung 199; und diese Wirkung wird Achills Auftritt denn auch haben (218, 222–231). Es kann darin vielleicht auch ein Appell mitgehört werden, nicht länger untätig zu trauern, s. bes. 178 (LEAF; EDWARDS; CERRI; LfgrE s.v. ἔκπαγλος). ὄρσεο: Diese Aufforderung erfolgt unabhängig davon, ob der Angeredete steht, sitzt oder liegt; der Nachdruck liegt auf der Eile der auszuführenden Handlung (LfgrE s.v. ὄρνυµι 799f.54ff.; zur Formenbildung und Orthographie 19.139n.). — Πηλεΐδη: Vgl. 166n. 171 Πατρόκλῳ ἐπάµυνον: ἐπαµύνω ‘zu Hilfe kommen’ ist mit Dat. der Person (s. 99) od. absolut verwendet, mit Gen. (hier v.l.) nur ἀµύνοµαι ‘sich wehren für’ (z.T. mit περί) s. 173 (LEAF); (ἐπ)αµύνω ist eines der häufigen Stichwörter in Kampfparänesen (FINGERLE 1939, 125). — εἵνεκα: zur metr. Dehnung 1.174n. — φύλοπις αἰνή: flektierbare VEFormel (Nom./Akk.; insges. 11× Il., 1× Od., 2× Hes., 1× hom.h.); zu φύλοπις und seinen Epitheta 6.1n.
172 VE = 11.530 VA. — vor den Schiffen: Vgl. 150n. ἕστηκε: ‘ist im Gang’, s. 153ff.; ἵσταµαι ist nur selten mit abstraktem Subj. verwendet (z.B 13.333 νεῖκος): LfgrE s.v. ἵστηµαι 1241.42f. — οἳ δ(έ): demonstrativ-vorausweisend (G 99): gemeint sind Troer und Achaier, die in 173–175 aufgeteilt sind in οἳ µὲν ἀµυνόµενοι … und οἳ δὲ …| … ἐπιθύουσι, mit Τρῶες als Apposition und Wechsel in der Konstruktion.— ὀλέκουσιν: ‘vernichten’; das κ-Präs. zu ὄλλυµι betont den erfolgreichen Vollzug der Handlung (1.10n.).
169 ἱσταµένη (ϝ)έπεα: zur Prosodie R 4.4; zur unkontrahierten Form ἔπεα R 6. 170 ὄρσεο: themat. Imp. Aor. zu ὄρνυµαι ‘sich erheben, sich aufmachen’; zur unkontrahierten Form R 6. 171 Πατρόκλῳ ἐπάµυνον: ‘eile Patroklos zu Hilfe!’; zum Hiat R 5.6.
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173 νέκυος … τεθνηῶτος: Pleonasmus in Anlehnung an die Pl.-Version νεκύων κατατεθνηώτων (VE-Formel: 3× Il., 5× Od.): LfgrE s.v. νέκυς. Zur Form τεθνηῶτος s. G 95, CHANTR. 1.430f. 174 2. VH = 3.305 (s.d.), 8.499, 12.115, 13.724, 23.64; ≈ 23.297, ‘Hes.’ fr. 136.8 M.-W. (ergänzt), h.Ven. 280. — ἠνεµόεσσαν: zur Verwendung und Etymologie dieses Ortsnamen-Epithetons (‘windig’, zu ἄνεµος) 2.606n., 3.305n. 175a ἐπιθύουσι: Kompositum zu ἰθύω (außer hier noch Od. 16.297, h.Merc. 475), bed. ‘vorstoßen, vorpreschen’, mit Inf. ‘darauf aus sein’ (LfgrE).
175b–177 Geschickt lenkt Iris die Aufmerksamkeit auf Hektor, den Achill hauptsächlich im Visier hat (vgl. 90ff., 114f.). Den Leichnam des Feindes zu entstellen ist häufige Praxis in der Ilias und wird in verschiedenen Varianten angedroht oder ausgeführt, das Abschlagen des Kopfes im Kampf auch 11.145–147, 11.259–261, 13.202–205, 14.496–500, 17.39 (24.22n. mit Lit.; EDWARDS zu 176–7; DE JONG zu Il. 22.337–54). Im Zusammenhang mit Patroklos nennt der Erzähler verschiedene Absichten Hektors: 16.836 ihn den Geiern zu überlassen (s.d.), 17.125–127 ihn zu köpfen und den Hunden vorzuwerfen (s. dagegen Glaukos’ Vorschlag 17.159–163); daß Iris ihm hier eine drastischere Absicht unterstellt (Tertiäre FokalisationP: DE JONG [1987] 2004, 169f.), dient zusammen mit 178–180 dazu, Achill aufzustacheln (vgl. Achills Ankündigungen 333ff. u. 22.335f.): SEGAL 1971, 22– 25; ANDERSEN 1990, 31; MORRISON 1992, 84f. u. 141 Anm. 33. 142 Anm. 47; zu altoriental. Parallelen für die Zurschaustellung von Leichen(teilen) s. GRIFFIN 1980, 45f.; WEST 1997, 388. Anders als die Hauptüberlieferung enthielt Zenodots Text (GT 10) am VE von 174 αἰπὺ θέλοντες, V. 175 fehlte und 176f. folgte auf 155 (Erzählertext, mit µεµαώς statt µέµονα) (schol. A zu 174; s. auch EDWARDS zu 155–6 u. RENGAKOS 1993, 62f.), wodurch die Rede der Iris an Eindringlichkeit verlieren würde (s.o.). 175b φαίδιµος Ἕκτωρ: 155n. 176 1. VH ≈ 156. — µέµονεν: 156n. — θυµὸς ἄνωγεν: 89b–90n. 177 VE = 13.202; ≈ 3.371. — πῆξαι ἀνὰ …: ‘aufspießen auf …’: Aor. zu πήγνυµι ‘befestigen’ (LfgrE); ἀνά mit Dat. (Lok.) bez. die Ruhelage, ‘oben an ’ (SCHW. 2.441). — σκολόπεσσι: nur im Pl. verwendete Bez. für die Pfähle, die als Befestigungswehr in Verbindung mit einer Mauer vorkommen, in der Ilias sonst nur von der Befestigung des Schiffslagers (7.441, 8.343 u.ö.), Od. 7.45 von der Stadt der Phaiaken (IAKOVIDES 1977, 218f.); an der vorl. Stelle wird es von einigen Interpreten auf die Stadtbefestigung Troias bezogen (‘Palisadenwand’: AH; LEAF; vgl. LATACZ [2001] 2010, 73f.), von anderen auch ein poet. Plural in Erwägung gezogen (LfgrE s.v. σκόλο(ψ)). — ἁπαλῆς: ‘zart’ i.S.v. 173 νέκυος πέρι: = περὶ νέκυος (R 20.2). — τεθνηῶτος: = τεθνεῶτος (↑). 174 δὲ (ϝ)ερύσσασθαι: zur Prosodie R 4.3; zum -σσ- R 9.1. — προτὶ (ϝ)ίλιον: zur Prosodie R 5.4. — προτί: = πρός (R 20.1). — ἠνεµόεσσαν: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1; ↑). 176 ἑλκέµεναι: 156n. — δέ (ϝ)ε: zur Prosodie R 4.3. — ἑ: = αὐτόν. — ἄνωγεν: präsentisches Perf., ‘befiehlt, heißt’.
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‘leicht verletzbar’ (19.285n.); die Kontaktstellung mit ταµόνθ’ betont die Brutalität des Akts.
178 VA = 6.331, 9.247, Od. 18.13. — Doch auf …: Achill wird 203 der Aufforderung Folge leisten; zum Liegen als Kennzeichen von Achills seelischem Schmerz (s. 27) und seiner Inaktivität (vgl. auch 461) s. 2.688n., 19.4–6a n. (vgl. auch die Paränese bei Kallinos fr. 1 West). — Scheu: Das gr. Substantiv sébas, ein iliad. hapaxP, und die davon abgeleiteten Verben sind Homoionyme zu aidṓs/aidéomai, beides Bezeichnungen für die Rücksicht auf soziale Normen und die Scheu vor Kritik, vgl. 180 gr. lṓbē ‘Schimpf, Schande’ (6.167n., 6.442n.); in Menelaos’ Appell an die Achaier 17.254f. ist die gleiche Warnung mit dem Verb nemesizésthō eingeleitet (‘man soll mißbilligen’; zu dieser Wortfamilie 3.156n., 24.463n.). In der Odyssee (5× Formel der 2. VH) und den hom. Hymnen ist sébas Ausdruck für ehrfürchtiges Staunen bei der Begegnung mit einem Menschen oder einer göttlichen Erscheinung (LfgrE). ἀλλ(ά): Zu ἀλλά beim Imp. vgl. 134n. — ἄνα, µηδ’ ἔτι κεῖσο: rhetorisch Polarer AusdruckP mit imperativisch verwendetem Adv. ἄνα (‘auf!’, dazu SCHW. 2.421, 424) und Imp. von κεῖµαι (zur Form SCHW. 1.668, 679; CHANTR. 1.474f.) mit µηδ’ ἔτι (‘und lieg nicht länger’: SCHW. 2.564): TZAMALI 1997, 133. — σέβας … ἱκέσθω: vgl. 64n.
179 = 17.255; 2.VH ≈ 13.233. — Hunden: Zu diesem makabren Bild vgl. 1.5n.; das Motiv der Furcht, ein Leichnam könnte Beute der Hunde werden, ist vom Beginn der Ilias an präsent, s. dazu 1.4n., 2.393n., 24.22n.; RICHARDSON zu Il. 22.41–2; DE JONG zu Il. 22.337–54; zu diesem Motiv mit Bezug auf Patroklos vgl. die Appelle 17.254f. und 17.556–559, außerdem 175b–177n.; mit Bezug auf die Troer s. Polydamas’ Warnung 271. µέλπηθρα: Deverbativum zu µέλπω (‘singen, tanzen’), mit Suffix zur Bez. des Werkzeugs, des Mittels od. Ortes (RISCH 41, 43); im fgrE nur in der Ilias, von Gefallenen, die den Hunden überlassen werden (s. Iterata). Dahinter steckt viell. die Vorstellung ‘Spielzeug’ mit Bezug auf Ballspiel, indem die Hunde sich um die Leiche balgen (vgl. 17.558 κύνες ἑλκήσουσιν) wie Spieler in einem Kampfspiel um einen Ball kämpfen (LASER 1987, 90; andere Deutung: Vorstellung eines tanzenden Chors von Hunden um die Leichenteile [“‘occasions’ or ‘instruments for choral performance’”]: LfgrE). Jedenfalls ist es eine höchst pathetische Umschreibung für die sonst üblichen Bezeichnungen ἑλώρια/ἕλωρ (1.4, Od. 24.292), κύρµα (Il. 17.272, Od. 15.480) od. ἕλωρ καὶ κύρµα (Od. 3.271, 5.473).
178 µηδ(έ): konnektives µηδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8.). — σε θυµόν: Akk. des Ganzen und des Teils (R 19.1.). — ἱκέσθω: Imp. der 3. Pers. 179 Πάτροκλον … γενέσθαι: AcI abhängig von σέβας (‘Scheu ⟨davor⟩ , daß …’). — Τρῳῇσι: zur Flexion R 11.1.
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180 Durch die Entstellung des Leichnams würde eine würdige Bestattung unmöglich gemacht (19.26n., 24.22n.). λώβη: ‘Schande’, d.h. Verlust der τιµή (1.232n., 19.208n.; zum Wortfeld ‘Schande’ in den Kampfappellen s. STOEVESANDT 2004, 301f. mit Anm. 900). — ᾐσχυµµένος: ‘entstellt’; αἰσχύνω vom Leichnam noch 22.75, 24.418, dafür sonst ἀεικίζω (19.26n., 24.22n.); zur Form CHANTR. 1.422 u. 433. — αἴ κεν … ἔλθῃ: wird verschieden interpretiert: (1) am ehesten bed. es ‘wenn der Leichnam … zurückkommt’, d.h. ‘zurückgebracht wird’, vgl. 17.161/163 (AH; FAESI; WILLCOCK; CERRI; LfgrE s.v. ἐλθεῖν 538.75f. u. vgl. s.v. νέκυς); (2) ‘wenn der Leichnam … weggeht’ (Eust. 1137.2: ἔστι δὲ τὸ ἔλθοι ἀντὶ τοῦ ἀπέλθοι γλυκέως καὶ ἀφελῶς ἐπὶ νεκροῦ ὡσεὶ καὶ ἐµψύχου φρασθέν.); (3) ‘wenn er … zu den Toten kommt’, mit νέκῡς als Akk. Pl. (< *-υνς: CHANTR. 1.221f.; LEAF mit Hinweis auf 15.251 [dort aber νέκυας καὶ δῶµ’ Ἀΐδαο]; VAN LEEUWEN; SCHNAUFER 1970, 149f.; vgl. EDWARDS: “The last interpretation gives the best meaning [so Leaf], the second the natural”; zur Ankunft von gefallenen Kriegern in der Unterwelt s. BREMMER 1983, 83f.). – Syntax und Kontext sprechen für die Deutung (1) und dafür, daß die Form νέκῡς als Nom. Sg. aufzufassen ist (wie Il. 22.386, 23.160, 190), sich also auf Patroklos bezieht, und nicht als Akk. Pl. (zur Morphologie von νέκῡς MARTÍNEZ GARCÍA 1996, 108–129. 245–248; contra BEEKES/CUYPERS 2003, 485–488): (a) νέκῡς als Akk. Pl. ist sonst im fgrE syntaktisch eindeutig als Obj. identifizierbar (bei Prädikat in 3. Pl.: 7.420, Od. 24.417; häufiger ist νέκυας verwendet: 5× Il., 4× Od.); (b) mit der Bez. νέκυς ist seit Patroklos’ Tod bis zur vorl. Stelle immer sein Leichnam gemeint (Il. 17.121, 127 u.ö., bes. dann 724, 735, 746, 18.20, 152, 173 [insgesamt 9× Akk., 3× Gen.]), ebenso mit Sg.-Formen von νεκρός (13× Akk., 3× Gen., 1× Dat.; s. bes. 158, 164); (c) zum Ziel der Rede, nämlich zu verhindern, daß Achill zuwartet, paßt am ehesten die Deutung (1): Iris suggeriert, daß der Leichnam geborgen werden kann, und kombiniert 178b–180 die drohende Verunstaltung des Toten mit Achills Ehrverlust, um diesen zu sofortigem Handeln anzutreiben; denn wenn der Leichnam für alle sichtbar verstümmelt sein wird, wird Achill der Kritik der Achaier und der Schande ausgesetzt sein, vgl. den ähnlichen Appell an Menelaos 17.556ff. (CERRI; SEGAL 1971, 24f.). Wie wichtig Unversehrtheit für die Bestattung ist, zeigt sich auch bei Hektors Leichnam, den Achill bei der Rückgabe sorgfältig zurechtmachen läßt (24.582ff.).
181–195 Normalerweise führt eine FigurP einen Auftrag ohne Widerspruch sogleich aus (1.345n., 2.182–183n.), z.T. auch mit Widerwillen, etwa 1.201ff. (Achill mit Athene), Od. 5.116ff. (Kalypso mit Hermes). Achill ist zwar gewillt, in den Kampf einzugreifen (vgl. Doppelte MotivationP und 1.55n.), aber der Waffenverlust und Thetis’ Verbot halten ihn zurück (188ff. mit einzelnen Wortwiederholungen aus 130ff.). Er verlangt daher nach Legitimation der Botin und wird erst nach Klärung des genauen Vorgehens der Aufforderung Folge leisten (203ff.). 181 ≈ 1.121 (s.d.). — Innerhalb des Gesprächs wechselt der Erzähler die Antwort-Formeln, vgl. auch 183/196 (τὸν δ’ αὖτε προσέειπε), 187 (τὴν δ’ ἀπαµειβόµενος προσέφη): vgl. 180 σοὶ λώβη: sc. ἔσται. — λώβη, αἵ: zum Hiat R 5.6. — αἴ κέν: ≈ ἐάν (R 22.1, 24.5). — τι: Akk. der Beziehung, ‘in irgendeiner Hinsicht, irgendwie’ (R 19.1). — ᾐσχυµµένος: ‘entstellt’, Ptz. Perf. Pass. zu αἰσχύνω.
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FRIEDRICH 2007, 69ff.; zur Verwendung der versch. Formeln 1.121n., 24.372n.; zur VEFormel ποδάρκης δῖος Ἀχιλλεύς (21× Il.), zur Etymologie des Epithetons ποδάρκης und zu Formeln für ‘fußschneller Achilleus’ 1.121n., 24.668n.
182 VA = 15.206 (Poseidon zu Iris). — Zu Achills Kurz-Reden s. EDWARDS zu 20.428–9: “When upset, Akhilleus is often sparing with words”, vgl. 1.216–218, 20.425–427, 20.429, 21.150f., 23.707/753, 24.139f. (Liste der Ein-Vers-Reden von Il. und Od. bei DE JONG zu Od. 7.342). — Göttin Iris: Anders als andere Sterbliche kann Achill, der Halbgott, Götter immer sogleich bei ihrem Auftreten eindeutig identifizieren, ohne daß sie sich vorstellen (vgl. 1.199f. [s.d.], 22.15 nach vorausgehender Täuschung [21.599ff.]): TURKELTAUB 2007, 69–71 mit Anm. 68. τίς ταρ: ‘wer denn nun?’, vgl. 6n. 183 = 196; 1. VH = 94 (s.d.); 2. VH = 166 (s.d.).
184–186 Die 168 (s.d.) durch den ErzählerP gegebene Information wird in umgekehrter Reihenfolge breiter ausgeführt wiederholt, da sie für die FigurP von Bedeutung ist (weitere Bsp. s. 6.386–389n.). Auf der Figuren-Ebene unterstützt die vertrauliche, konspirativ wirkende Bemerkung 185f. den Aufruf zur Tat: Hera hält rasches Eingreifen für so wichtig, daß sie es riskiert, Zeus zu übergehen (vgl. schol. bT zu 185). 184 2. VH = Hes. Th. 328; ≈ Od. 11.580; VE ≈ Od. 15.26. — Δ∆ιὸς κυδρὴ παράκοιτις: Ersatz der sonst an dieser Versposition gebräuchlichen Formeln für Hera (θεὰ λευκώλενος Ἥρη / βοῶπις πότνια Ἥρη: 1.55n., 1.551n.), so daß der Name der Göttin betont am VA steht (FRIEDRICH 2007, 97). — κυδρή: ‘ehrwürdig’, Epitheton von Göttinnen (teils im Superlativ; insgesamt 4× Hera, 2× Leto, 2× Demeter, 2× Athene, je 1× Persephone, Dike, Hekate); zur Etymologie und Bed. vgl. κύδιστος 1.122n. — παράκοιτις: ‘Lagergenossin, Gattin’; zur Wortbildung vgl. 3.138n. (ἄκοιτις). 185 ὑψίζυγος: Epitheton von Zeus, steht immer an der gleichen Versposition und bildet mit Κρονίδης eine Formel vor der Zäsur C 2 (3× Il., 2× Hes.), Il. 4.166, Hes. Op. 18, fr. 343.9 (M.-W.) vor VE αἰθέρι ναίων. Semantisch ist es rätselhaft: Der zweite Bestandteil (ζυγόν eigtl. ‘Joch’) hat entweder wie in anderen Komposita die Bed. ‘Ruderbank’ (so auch Pl. ζυγά Od. 9.99, 13.21), dann auf Zeus’ hohe Position bezogen ‘der auf der obersten Ruderbank sitzt, das Schiff steuert’ od. eher ‘der hoch oben sitzt, thront’ (vgl. Il. 20.155; außerdem WEST 1997, 114, mit Hinweis auf semit. Formulierungen für den obersten Gott, ‘der in der Höhe sitzt’), oder die für das Substantiv allerdings erst nachep. bezeugte Bed. ‘Waagebalken’ (‘der in der Höhe die Waage hält’); Diskussion mit pro u. contra u. Lit. s. LfgrE s.v. — οὐδέ τις ἄλλος: flektierbare VE-Formel (m./f.: 4× Il., 9× Od., 1× h.Cer.); betont hier die Konspirativität. 183 προσέειπε: = προσεῖπε. — ὠκέα (ϝ)ῖρις: 166n. 184 προέηκε: Aor. zu προίηµι ‘aussenden, schicken’ (ἕηκα ist Nebenform zu ἧκα). 185 οὐδ’ οἶδε: zur Elision R 4.6 (vgl. dagegen 192n.); zu οὐδέ nach affirmativem Satz R 24.8. — Κρονίδης: ‘Kronos-Sohn’ = Zeus.
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186 Olympos: Zu den schneebedeckten Gipfeln des Olymp und zum Wohnsitz der Götter s. 1.18n. οἳ Ὄλυµπον … ἀµφινέµονται: Vgl. die kürzere VE-Formel οἳ Ὄλυµπον ἔχουσι(ν) 24.427n. — ἀγάννιφον: ‘stark beschneit’, Epitheton des Olymp (vgl. auch νιφόεις 616, hom.h. 15.7, 5× Hes. Th.); Kompositum aus verstärkendem ἀγα- + *(σ)νίφος (1.420n.; G 16); Zusammenstellung aller Epitheta s. LfgrE s.v. Ὄλυµπος 670.64ff. 187 = 1.215, 24.138; ≈ 9× Il. (dazu 1.84n.); zur 1. VH 24.64n., zur 2. VH 24.138n. 188 πῶς ταρ: vgl. 6n. — µῶλον: ‘Kampf’, oft mit ἄρηος kombiniert (134n.), ohne den Zusatz noch 17.397, Od. 18.233, ‘Hes.’ Sc. 257. — ἐκεῖνοι: sc. die Gegner; weist “auf nicht im Bereich des Sprechenden, also ferner Liegendes” (SCHW. 2.208). 189 µήτηρ … φίλη: Formen von µήτηρ und φίλη (‘meine Mutter’) stehen sonst meist in Kontaktstellung (1.351, 1.572, 1.585, 9.555, 21.276, Od. 2.88, 2.373, 15.127, h.Ven. 115, Hes. Th. 932), in ähnlicher Sperrung nur Od. 21.103; vgl. zur Sperrung auch 1.20n. (παῖδα … φίλην). Mit der auffälligen Wortstellung und der metr. Struktur des Verses – lauter Spondeen außer im 2. Metron, im hom. Epos selten anzutreffen (4× Il., 1× Od.: DEE 2004, 489) – erhält das Verbot und die Autorität hinter dem Verbot bes. Gewicht, s. auch 216. 190 ≈ 135 (s.d.). 191 στεῦτο: athematisches ep. Verb, nur in der 3. Sg., oft mit Inf. Fut. verbunden; bed. ‘macht(e) deutlich, daß’, hier auf die Unterredung mit Thetis bezogen ‘sie versprach, daß’ (LEAF; LfgrE s.v. στεῦται). — Ἡφαίστοιο πάρ’ οἰσέµεν: Die Hauptüberlieferung zeigt eine besondere Struktur mit den metr. Zäsuren A 3, B 2 und C 2, wobei die Zäsur B 2 durch das Wortbild Ἡφαίστοιο πάρ’ rhetorisch überbrückt ist (vgl. M 6 Anm. 10; ähnlich 4.97) – daher die v.l. mit singulärem Kompositum παροίσεµεν (LEAF; WILLCOCK; EDWARDS) –, steht aber im Einklang mit Thetis’ Äußerung in V. 137 (vgl. FAESI). — ἔντεα καλά: formelhafte Junktur an versch. Versstellen (130–131n.).
192–195 Antike Erklärer suchten mit rationalistischen Überlegungen den Grund dafür, daß Achilleus Patroklos’ Rüstung nicht tragen kann, u.a. in seiner Statur (schol. bT, A zu 192; vgl. AH); Achills Äußerung läßt sich aber erzählstrategisch erklären: sie gibt nachträglich die Begründung für eine neue und v.a. von göttlicher Hand geschaffene Rüstung, die derjenigen gleichwertig ist, die Hektor beim Zweikampf tragen wird (EDWARDS).
186 ἀθανάτων: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). 187 πόδας: Akk. der Beziehung (R 19.1). 188 τεύχε’ ἐκεῖνοι: zum Hiat R 5.1; zur unkontrahierten Form R 6. 189 πρίν: Adv., 190 dagegen Konjunktion (‘vorher …, | bevor; eher …, | als’). 190 ὀφθαλµοῖσιν: zur Flexion R 11.2. — ἴδωµαι: prospektiver Konj., bei Homer auch ohne Modalpartikel (R 21.1); zum Medium R 23. 191 Ἡφαίστοιο πάρ(α): = παρ’ Ἡφαίστου (R 11.2, 20.1). — οἰσέµεν: Inf. Fut. zu φέρω; zur Form R 16.4.
Kommentar
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192 ἄλλου δ’ οὔ τεο οἶδα τέο … δύω: Der Vers ist zwar inhaltlich klar, zeigt aber Probleme in Syntax und Überlieferung (WEST 2001, 247f.; zum Gen. τεο G 84): (1) der Gen. ἄλλου … τεο läßt sich durch Kasusattraktion an τέο erklären (attractio inversa: AH; FAESI; EDWARDS; WILLCOCK; anders LEAF: abh. von οἶδα; unentschieden CHANTR. 2.292); (2) das Fragepron. τέο wird unterschiedlich erklärt: (a) es steht anstelle eines eigtl. erwarteten Rel.-Pron. (‘ich weiß keinen anderen, dessen Waffen…’): AH; EDWARDS; MONTEIL 1963, 5f.; nachhom. Belege für diese Verwendung bei K.-G. 2.517f.; SCHW. 2.644; (b) es leitet eine indir. Frage ein, wobei das Indef.-Pron. τεο redundant wäre (‘I do not know who else’s arms …’): WILLCOCK; LfgrE s.v. οἶδα 542.29ff. u. 544.4f.; (c) es leitet eine dir. anstelle einer indir. Frage ein (“I know not – whose arms can I wear?”): LEAF; möglicherweise liegt eine Kontamination von (a) und (b) vor: WEST a.O. 247; zur Nähe von Rel.-Satz und abh. Fragesatz s. SCHW. 2.643; CHANTR. 2.167, 238, 293; MONTEIL 1963, 72f.; (3) die in den Hss. überlieferte Modalpartikel ἄν (s. app. crit.) wird von einigen Herausgebern athetiert, da sie in der deliberativen Frage ungewöhnlich ist (BECHTEL in ROBERT 1901, 345; VAN LEEUWEN; WEST a.O. 248. — κλυτὰ τεύχεα: häufige Junktur, u.a. Formel nach der Zäsur C 1 (10× Il., 1× Od., 4× ‘Hes.’ Sc.: 19.10n.); zu τεύχεα/ἔντεα 130–131n.
193 Aias: Der Telamon-Sohn Aias gilt als der zweitstärkste achaiische Kämpfer nach Achill und als ‘Schutzwehr der Achaier’ (FM 3; 2.557n., 2.768n. mit Lit., 6.5n., 16.102–123n.). Der Schild ist der charakteristische Teil seiner Bewaffnung (11.526f., vgl. auch Soph. Ai. 19, 574ff.), mit dem Aias auch Patroklos’ Leichnam schützt (17.132ff., vgl. auch 17.746ff.). Gemäß der Beschreibung 7.219–224 besteht er aus sieben Schichten von Rindshäuten (gr. heptabóeios) und einer achten Schicht aus Metall und scheint auch sonst außergewöhnlich zu sein, denn Form und Größe werden mehrfach hervorgehoben (7. 219 = 11.485 = 17.128 ‘einem Turm gleich’; vgl. auch 7.245, 7.266, 8.267–272, 13.709–711): LfgrE s.v. σάκος; KIRK zu 7.219–23; JANKO zu 13.159–61. σάκος: mit Bezug auf den ‘turmgleichen’ (s.o.) Schild des Aias stets in der viell. urspr. Bed. ‘Langschild’; das teilweise synonym mit σάκος gebrauchte Wort ἀσπίς wird nie für den Schild des Aias verwendet (TRÜMPY 1950, 30; zu den beiden Begriffen 458n.). — Τελαµωνιάδαο: Patronymikon-Variante im Gen. (VE 7× Il., 1× Od., wovon 7× mit Αἴαντος vor der Zäsur B 1), vgl. die VE-Formel Τελαµώνιος Αἴας (2.528n.; zur PatronymikonBildung RISCH 148).
194 ersten: Zu den Kämpfern in den ersten Reihen s. 3.16n. ἔλποµ(αι): nur hier parenthetisch ‘denk’ ich, nehm’ ich an’ (dafür sonst οἴω/οἴοµαι); hat wohl hier wie oft auch noch die Nuance ‘hoffen’ (LfgrE). — ἐνὶ πρώτοισιν ὁµιλεῖ: Variante der variierbaren Formeln ἐνὶ/µετὰ πρώτοισι + Form von µάχεσθαι (6× Il.);
192 τεο … τέο: = τινός … τίνος (R 14.2.; zur Syntax ↑). — τεο (ϝ)οῖδα: zur Prosodie R 4.3. 193 µὴ Αἴαντος: zum Hiat R 5.7. — Τελαµωνιάδαο: zur Flexion R 11.1. 194 καὶ αὐτὸς ὅ: ‘der auch selbst’, d.h. ‘der seinerseits’ (demonstr.-anaphorisches ὅ: R 17). — ἔλποµ(αι): zur Elision R 5.1. — ἐνί: = ἐν (R 20.1).
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ὁµιλεῖ bez. im milit. Kontext die Feindberührung im Massenkampf (LfgrE; TRÜMPY 1950, 146f.; LATACZ 1977, 229). 195 2. VH = 8.476, 17.120, 17.182; ≈ 24.16 u.ö. (s.d.). — περί: ‘um’ im übertragenen Sinn (vom Kampfpreis u.ä.), ebenso 3.137, 15.416, 17.120f., 17.182, 18.265, 23.659 (K.-G. 1.493; SCHW. 2.502; CHANTR. 2.128). 196 = 183; 1. VH = 94 (s.d.); 2. VH = 166 (s.d.).
197 1. VH = 8.32, 8.463. — wissen: emphatischer Redeanfang, mit dem die Sprecherin den Einwand zwar als berechtigt anerkennt, zugleich aber einen Gegensatz vorbereitet, s. 198f. ‘Aber …’ (vgl. 19.421n.); zum Gesprächston der vorliegenden Szene s. 166–202n. νυ: ‘ja nun’ (19.95n.). — κλυτὰ τεύχε(α): 192n. — ἔχονται: passivisch ‘(zurück)gehalten werden’ (130–131n.), d.h.: daß andere sie haben, s. 188 (vgl. Catchword-TechnikP).
198–199 199 bis 200 Τρῶες ≈ 11.799f., 16.41f.; 2. VH von 199 bis 200 Τρῶες = 14.78f. — Anklang an die Schilderung früherer Ereignisse dieses Tages (STR 21 Abb. 1): Nach der Verwundung der Achaier-Führer hatte Patroklos auf Nestors Rat hin Achill gebeten, in dessen Rüstung in den Kampf ziehen zu dürfen, um die Troer einzuschüchtern und den Achaiern Erleichterung zu verschaffen (16.38–45). Nun soll Achill das gleiche erreichen, indem er sich ohne Rüstung dem Feind zeigt. Die gewünschte Folge wird eintreten, s. 222ff., 246ff. (vgl. Achills Wirkung in den neuen Waffen 20.44ff., 22.131ff.). — Graben: ist zusätzlich zu einer Mauer um das Schiffslager gezogen worden (150n.; 16.369n.). αὔτως: ‘so (wie du bist)’, d.h. ohne Waffen (LfgrE s.v. 1683.6ff.; BONIFAZI 2012, 286 Anm. 55). — φάνηθι: ‘zeige dich’; im hom. Epos nur hier belegte Form des Imp. Pass. auf -ηθι (SCHW. 1.758, 800). — αἴ κε: 143n. — ὑποδδείσαντες: ‘in Furcht geratend’; ὑπό verstärkt den ingressiven Aspekt des Aor. (CHANTR. 2.138; zur Form G 24). — πολέµοιο: 64n.
200–201 = 11.800–801, 16.42–43. — Die an der vorl. Stelle nicht in allen Hss. überlieferten Verse sind aus inhaltlichen Gründen wohl als Konkordanzinterpolation anzusehen (AH; LEAF; APTHORP 1996, 141–144; WEST 2001, 13 mit Anm. 31; contra EDWARDS: wäre eine ungewöhnlich kurze Rede), denn in der vorl. Szene (165ff.) steht nur die Rettung des Leichnams im Vordergrund (165–167, 171, 178f., 194f.; s. auch 231b ff.); ausführliche Diskussion zu den Hss. und Papyri bei 195 δηϊόων: absolut ‘mörderisch wüten, ein Gemetzel anrichten’; zur ep. Zerdehnung R 8. 196 = 183 (s.d.). 197 ἴδµεν: = ἴσµεν. — ὅ: = ὅτι ‘daß’ (vgl. R 22.3). — τοι: = σοι (R 14.1). — ἔχονται: in der hom. Sprache kann das Prädikat auch bei einem Subjekt im Neutr. Pl. im Plural stehen. 199 αἰ: = εἰ (R 22.1). — κε: = ἄν (R 24.5). — ὑποδδείσαντες: < ὑποδ(ϝ)είσαντες, zur Prosodie R 4.5. — ἀπόσχωνται (+ Gen.): ‘ablassen von’. 200 υἷες: zur Flexion R 12.3. 201 τειρόµενοι· ὀλίγη: zum Hiat R 5.6. — τ(ε): ‘episches τε’ (R 24.11).
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APTHORP a.O. 144–148. – Zu Inhaltlichem (Atempause, gnomische Aussage) und Sprachlichem (u.a. ‘Söhne der Achaier’) s. 16.42–43n. 202 = 8.425, 11.210, 24.188; ≈ 5.133, Od. 1.319, 6.41, 15.43, 15.454. — ἣ …: zur Versstruktur 146n. — ἣ µὲν ἄρ’ ὣς εἰποῦσ(α): variierbare VA-Formel (8× Il., 4× Od.). — πόδας ὠκέα Ἶρις: VE-Formel (9× Il., 1× Hes.); vgl. 166n.
203–221 Achills erster Auftritt vor den Troern in der Ilias ist besonders effektvoll gestaltet und gleicht der Epiphanie einer Gottheit, v.a. dem ähnlichen Auftritt Apollons im Kampf zur Unterstützung der Troer 15.307–322. Durch die göttliche Unterstützung im Hinblick auf seine Ausrüstung (203–206) und bei seinem Schlachtruf (217f.) werden die Troer in solchen Schrecken versetzt, daß ihre Furcht auch noch nach dem Ende des Kampfes anhält (222–229, 247f.); der Leichnam kann gerettet werden (231–236): LORD (1967) 1994, 188f.; BREMER 1976, 80f.; SCHEIN 1984, 138; BIERL 2004, 49; CONSTANTINIDOU 2010, 98f.; vgl. auch 203–204n., 205–206n.; zur furchteinflößenden Wirkung von Epiphanien s. RICHARDSON zu h.Cer. 188–90; GRIFFIN 1980, 151–156. Ein solch wirkungsvoller Auftritt vor dem Feind wird auch von Gilgamesch berichtet (WEST 1997, 340; SZLEZÁK 2004, 20; weitere Parallelen in altoriental. und idg. Literatur bei NAGLER 1974, 140 Anm. 15; GRIFFIN a.O. 38f.; CLARKE 2006, 263f.). – Der Erzähler veranschaulicht die Wirkung des Auftritts durch zwei GleichnisseP, die, ähnlich wie bei der Sammlung des Achaierheeres im 2. Gesang (2.455–458/459–466, s. nn.), den optischen und akustischen Eindruck vermitteln sollen (zur Verknüpfung mehrerer Gleichnisse allg. s. 2.144–149n., 2.455–483n.). Besonderes Gewicht liegt auf Feuer und Glanz (206, 211, 214, 225–227), wobei der Erzähler mit dem Feuerstrahl 206 das häufigere Waffenglanz-Motiv variiert (KRISCHER 1971, 38; vgl. 6.513n., 19.374–383n.), angepaßt an die Gestaltung als Epiphanie (205–206n.); er eröffnet damit eine Reihe von Lichtphänomenen, die Achills Auftreten von jetzt an bis zu Hektors Tod begleiten (Stellen 19.16b–17n.), und mit der Schilderung der überwältigenden Wirkung von Glanz und Schlachtruf bereitet er den Moment vor, in welchem Achill in der neuen Rüstung zusammen mit den Achaiern in den Kampf ziehen wird (19.362ff., 19.397ff.): EDWARDS zu 203–6 u. 219–21; GRIFFIN a.O. 37f.; BONNAFÉ 1984, 35–37; SCHEIN 1984, 137f. Zum Motiv der belagerten Stadt, das in beiden Gleichnissen vorkommt, und zur möglichen Assoziation mit Troia s. 207–227n., 219–221n. – Der Ablauf insgesamt hat Ähnlichkeit mit der Typisierten EreignissequenzP ‘Wiedereintritt eines Kriegers in den Kampf’ (FENIK 1968, 22f.): (1) Eintritt des Kämpfers in die Schlacht (215f.: nur am Graben), (2) Gleichnis (207–214, 219–221, (4) starke Reaktion der Gegenseite (218, 222–229); Element 3 (Tötung der Feinde) ist variiert (230f.), da Achill waffenlos auftritt.
202 ἥ: demonstr.-anaphor. (R 17), dazu ὠκέα Ἶρις als Apposition. — εἰποῦσ(α): zur Elision R 5.1. — πόδας: Akk. der Beziehung (R 19.1). — ὠκέα (ϝ)ῖρις: zur Prosodie R 4.3.
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203–204 stand auf: Achills Aufstehen, das bereits im Schiffskatalog 2.694 angekündigt worden ist und im folgenden auch von Hektor (305) und Zeus (357–258a) erwähnt wird, leitet sein Wiedereingreifen in den Kampf und damit den Wendepunkt in der Ilias-Handlung ein: Der Schrei (217) signalisiert wie ein Trompetenstoß (219) als Auftakt das kommende furioso; und nach der folgenden Nacht der Klage um den toten Freund (354f., 19.4–6) läßt er sich beim Anblick der neuen Waffen (19.12ff.) in seiner Kampfeslust kaum mehr bremsen (2.694n.; KURZ 1966, 41f. u. 76f.). — Athene: Athene, die wie Hera die achaiische Seite unterstützt (FG 8), agiert des öfteren zusammen mit Hera (1.195n.) und tritt mehrfach als Beschützerin des Achilleus auf (19.342n.). Ihr Eingreifen kommt hier dennoch überraschend und unvorbereitet (vgl. 185f.): ob sie von Hera eingeweiht oder aus eigener Beobachtung heraus zu Hilfe eilt, läßt der Erzähler offen (möglicherweise, um nicht von den Vorgängen um Achill abzulenken: EDWARDS zu 203–6; ERBSE 1986, 145; zum Eingreifen von Göttern allg. 1.43–52n.). — Aigis: Funktion und Aussehen sind je nach Kontext verschieden, oft erscheint sie als eine Art Schild oder schützender Umhang, umsäumt von Troddeln (2.446b–454n. mit Lit., 2.447– 449n., 2.448n., 24.20n.). Sie wird meist von Zeus getragen (vgl. 1.202n.), bisweilen auch von Athene und Apollon (KEIL 1998, 97 mit Anm. 11); die Gottheit kann damit einer Kriegspartei Mut einflößen (z.B. 2.446ff. Athene den Achaiern) oder Angst einjagen (z.B. 15.229f./320ff. Apoll den Achaiern in Zeus’ Auftrag, 17.593ff. Zeus den Achaiern, so auch Od. 22.297ff. Athene den Freiern). Nur an der vorl. Stelle wird sie einem lebenden Sterblichen umgelegt, einerseits zum Schutz (vgl. noch Il. 24.20: Patroklos’ Leichnam), andererseits mit dem Zweck, seiner Erscheinung etwas Übermenschliches zu geben (CERRI; HEATH 2005, 126). αὐτὰρ Ἀχιλλεύς: VA-Formel (5× Il.), auch VE-Formel (17× Il.); zum Gebrauch dieser Wendung s. 24.3n. — διΐφιλος: generisches EpithetonP (17× Il.), stets zwischen den Zäsuren B 2 und C 2 (1.74n.); zu Bed. (‘zeusgeliebt’) und Formbildung des Vordergliedes διῑ(idg. Dat. auf -ei) s. 24.472n. — ἀµφὶ … | ὤµοις ἰφθίµοισι βάλ(ε): Anklang an Rüstungsszenen, mit integralem EnjambementP und Formelsprengung von ἀµφὶ δ’ ἄρ’ ὤµοισιν βάλετ(ο) (6× Il.), vgl. 2.45n. und bes. 5.738 (Athene rüstet sich zum Kampf); dadurch wird die Formulierung der besonderen Situation angepaßt (Athene rüstet Achill). ἴφθιµος (‘kraftvoll, stark’) ist im fgrE Epitheton bei Lebewesen u. ihren Körperteilen, meist dem Kopf (EDWARDS zu 203–6; vgl. 1.3n.). — αἰγίδα θυσανόεσσαν: VE-Formel (5× Il.); θυσανόεις (‘mit Quasten versehen’) ist distinktives Epitheton P bei αἰγίς (LfgrE).
203 αὐτάρ: ‘aber’ (R 24.2). — ὦρτο: Wurzelaor. zu ὄρνυµαι ‘sich erheben’. 204 ἰφθίµοισι: zur Flexion R 11.2. — βάλ(ε): zur augmentlosen Form R 16.1.
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205–206 Wolke … | aus Gold: Die Eigenschaft ‘golden’ ist charakteristisch für Gegenstände der Götter; so sind u.a. auch die Verzierungen der Aigis oder sie selbst golden (2.448n., 24.21n.; zu Göttern und Gold in idg. Lit. s. WEST 2007, 153f.). Wolken dienen den Göttern sonst dazu, anderen die Sicht zu behindern, auf dem Schlachtfeld zum Schutz oder zur Verwirrung der Kämpfer (vgl. bes. Apolls Auftritt 15.308 u. JANKO zu 15.308–11; weitere Stellen s. LfgrE s.vv. νέφος, νεφέλη), auf dem Olymp zur Verheimlichung gewisser Ereignisse (goldene Wolken: 13.523, 14.343f./350f. [14.343n.], h.Ap. 98). Hier schafft die wie eine Art Nimbus um den Kopf gelegte goldene Wolke eine furchteinflößende Aura des Heros. — Flamme: In ähnlicher Weise unterstützt Athene zu Beginn des 5. Gesangs den in den Kampf ziehenden Diomedes, indem sie Feuer aus Helm, Schild und Rüstung lodern läßt (auch sprachlich analog gestaltet mit umrahmendem Verb ‘ließ brennen’ [gr. dáie] 206/227 bzw. 5.4/7 und einem Gleichnis 207–214 bzw. 5.5f.); bei Achill jedoch, der momentan keine eigenen Waffen besitzt, geht die Flamme von ihm selbst aus: DI BENEDETTO (1994) 1998, 226; zum Verhältnis Achilleus – Diomedes 6.96–101n.; zu idg. Parallelen mit einer Flamme, die vom Körper eines Heros ausgeht, s. WEST 2007, 456. 463; zu Licht und Glanz als Zeichen einer Epiphanie s. RICHARDSON zu h.Cer. 188–90; BIERL 2004, 51 mit Anm. 31; vgl. auch 203–221n. – Bei anderen Heroen wird die Kampfkraft durch FeuerVergleiche od. -Gleichnisse charakterisiert, vgl. etwa 154n., 2.455–458n., 19.374– 383n. ἀµφὶ … νέφος ἔστεφε: Die Wolke weckt die Assoziation mit einer Art Umhüllung des Kopfes als einem übernatürlichen Helm, ἔστεφε diejenige eines Kranzes (LfgrE s.vv. νέφος, στέφω). — δῖα θεάων: VE-Formel zur Umschreibung versch. Göttinnen (19.6b n.). — ἐκ δ’ αὐτοῦ: wohl eher ‘aus ihm’, d.h. seinem Haupt, vgl. 214 u. 225–227 (AH; VAN LEEUWEN; LEAF; EDWARDS; BREMER 1976, 79f.), als ‘aus ihr’, d.h. der Wolke (schol. AT; WILLCOCK). Wie bei der Beschreibung des Diomedes bilden wohl der Körperteil und die Umhüllung für den aus der Distanz Betrachtenden eine Einheit, vgl. 5.4 vs. 5.7. — φλόγα παµφανόωσαν: ebenso noch 21.349; vgl. 144n.
207–227 Zwei GleichnisseP – beide vor dem Hintergrund einer belagerten Stadt – veranschaulichen die Wirkung von Achills Auftritt vor dem Feind (203–221n.): das erste (207–214: Signalfeuer) vermittelt den optischen Eindruck der Flamme und der goldenen Wolke, das zweite (219–221: Kriegstrompete) den akustischen seines Kampfrufs. Die Schilderung der Wahrnehmungen erfolgt in umgekehrter Reihenfolge zur Schilderung der Phänomene (vgl. Prinzip des kontinuierlichen
205 ἀµφὶ … ἔστεφε: ‘sie hüllte um …’. — δέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3. — οἱ κεφαλῇ: σχῆµα καθ’ ὅλον καὶ κατὰ µέρος, hier im Dat. (R 19.1); οἱ = αὐτῷ (R 14.1). — θεάων: zur Flexion R 11.1, vgl. R 6. 206 δαῖε: trans. Impf. ‘ließ fortwährend brennen, lodern’. — παµφανόωσαν: zur epischen Zerdehnung R 8.
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GedankensP): (A) Visuelles, ausgehend von Athene (205–214); (B) Akustisches, von Achill ausgehend, mit Athenes Unterstützung (217–221); (B’) ‘sie hörten’ (222–224); (A’) ‘sie sahen’, mit Hinweis auf Athene (225–227): vgl. LfgrE s.v. ὀπός II. Das Motiv der belagerten Stadt kann hier verschiedene Assoziationen wecken: (a) mit dem von den Troern belagerten Schiffslager, das mit Achills Unterstützung vom Belagerungsdruck befreit werden soll (LYNN-GEORGE 1988, 221f.); (b) mit dem belagerten Troia, dessen Existenz mit Achills Auftritt wieder akut gefährdet ist, vgl. Polydamas’ Rat in der folgenden Troerversammlung 254– 266 (EDWARDS zu 207–214; WHITMAN 1958, 137; MOULTON 1977, 106f. 111; HUBBARD 1981, 60; zu den verschiedenen Gleichnissen mit Feuer, das von einer Stadt ausgeht, und ihrem Bezug zu Troia s. EDWARDS zu 17.736–41; GRETHLEIN 2006, 265–267). Ausgehend von der Situation der Achaier könnte aber auch zwischen dem ersten (optischen) und dem zweiten (akustischen) Gleichnis ein Perspektivenwechsel stattfinden: 207ff. Signal für die Troer: Achill als Hilfe bei der Verteidigung des Schiffslagers (vgl. 207–214n.); 219ff. Signal für die Achaier: Achill als Unterstützung beim Angriff (vgl. 219–221n.; MOULTON a.O. 107 Anm. 51). – Daß das Bild des Gleichnisses – wie in den vorl. beiden – derselben Sphäre entstammt wie der Kontext, ist eher selten der Fall; weitere Beispiele sind 7.208– 210 u. 13.298–303 (in den Kampf ziehende Krieger werden mit Ares und Phobos verglichen), 14.147–152 (Poseidons Kampfschrei ist so laut wie derjenige von neun- oder zehntausend Männern), 16.589–592 (Troer weichen um eine Speerlänge zurück): 14.147–152n. mit Lit. 207–214 Das erste GleichnisP gilt der Flamme über Achills Haupt und entwirft das Bild einer Insel, die im Verteidigungskampf Signalfeuer für die Umgebung brennen läßt, die Tag und Nacht durch Rauchsäulen und Lichtschein sichtbar sind und Helfer aus der Ferne herbeirufen sollen (LEAF zu 207; EDWARDS zu 207; FRÄNKEL 1921, 50. 52 Anm. 1). Dieses Feuer-Gleichnis veranschaulicht die Erzählung über Assoziationen in verschiedenen Punkten (EDWARDS zu 207–14; GRAZ 1965, 197f.; ELLIGER 1975, 101f.): (1) es betont die weite Sichtbarkeit des Phänomens (VE 207/214, VA 208, 212f.); (2) der Rauch und die Signalfeuer sind Ausdruck für die Hoffnung der Belagerten auf Unterstützung; somit unterstreicht das Gleichnis, daß die Achaier mit Achills Erscheinen jetzt – im Gegensatz zu vorher (100ff.) – Hilfe in der Gestalt eines ‘Wehrers des Unheils’ (213) erwarten können (vgl. das Feuer-Gleichnis 19.375–380 [s.d.]); (3) Feuerzeichen bedeuten aber auch Gefahr für die Angreifer, im Gleichnis durch herbeigerufene Verstärkung für die Belagerten, in der konkreten Situation wohl als Manifestation von Achills Zerstörungswut und Kampfkraft (WHITMAN 1958, 137f.; GRAZ a.O. 199. 265; SCOTT 1974, 114); (4) die Zeitangaben ‘den ganzen Tag’ und ‘mit untergehender Sonne’ (209f.) können die Länge dieses ereignisreichen dritten Kampftages 11.1–18.242
Kommentar
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spiegeln (EDWARDS; vgl. FRÄNKEL a.O. 99; zum Verlauf dieses Tages 239– 242n.). 207–212 ὡς δ’ ὅτε … ἵκηται | …, τὴν δήϊοι ἀµφιµάχωνται, | οἳ δὲ … κρίνωνται … | …, ἅµα δ’ ἠελίῳ καταδύντι | … φλεγέθουσιν … | γίνεται: In hom. Gleichnissen, bei denen der ‘Wie-Teil’ wie hier aus mehreren Sätzen (mit Subj.-Wechsel) besteht, findet sich häufig ein Übergang von Hypotaxe (mit Konj.) zu Parataxe (mit Ind.): 2.147– 148n.; EDWARDS, Introd. 38; CHANTR. 2.355f.
207 ≈ 21.522. — Rauch: Der Rauch entstammt den Signalfeuern (211n.), deren Leuchten bei Sonnenuntergang weithin sichtbar wird; am Tag sieht man aus der Ferne v.a. den aufsteigenden Rauch (LEAF; WILLCOCK zu 210–2; CERRI zu 207– 214). ὡς δ’ ὅτε: häufige Gleichnis-Einleitung (VA-Formel: 21× Il., 9× Od.), mit Ind. od. – wie hier – mit Konj. (2.147–148n.; zum Konj. RUIJGH 630–634; CHANTR. 2.253). — αἰθέρ’ ἵκηται: variierbare VE-Formel (19.379n.); αἰθήρ bez. bei Homer den Himmel als den Raum von Wind und Wolken (2.412n.).
208 fernher: vom Standpunkt eines Beobachters her gesehen, der den Rauch übers Meer hin sieht (vgl. 212f.): AH. τηλόθεν: ‘von weither, fernher’ (LfgrE). — δήϊοι: substantiviert ‘Feinde’; zur umstrittenen Grundbed. (‘feindlich, zerstörerisch’ od. ‘brennend, lodernd’) s. 2.415n. — ἀµφιµάχωνται: 20–21n. 209 ≈ 2.385; 1. VH = 1.472, Od. 3.486, 15.184. — οἳ δὲ … κρίνωνται: so WEST u.a. im Anschluß an Heyne, zur Kennzeichnung des Subj.-Wechsels (gemeint sind die Stadtverteidiger), statt des überlieferten Rel.-Satzes οἵ τε (s. app. crit.); ἄστεος ἐκ σφετέρου (210) bed. ‘von ihrer Stadt aus’ (AH; LEAF; CHANTR. 2.355f.; dagegen ohne Subj.-Wechsel: SCHW. 2.463 u. CHANTR. 2.99: ‘fern ihrer Stadt’). Noch deutlicher wird die Satzstruktur durch die von manchen Editoren bevorzugte v.l. κρίνονται (Ind.: Übergang zur Parataxe). — στυγερῷ: ‘schaudererregend, verhaßt’; Epitheton bei Wörtern für Kampf, Tod u.a. (2.385n.; LfgrE); zu versch. negativ konnotierten Epitheta bei Wörtern für Kampf s. 6.1n. — κρίνωνται ἄρηϊ: ‘sich im Kampf auseinandersetzen’; κρίνεσθαι enthält das Moment der Trennung und der qualitativen Unterscheidung; ἄρηϊ kann als dat. loci od. instr. aufgefaßt werden (2.385n.; zum metonymischen Gebrauch von Ἄρης/ἄρης 134n.).
207–209 ὡς δ’ ὅτε … ἵκηται | … | … κρίνωνται: In verallgemeinernden (iterativen) Vergleichs- und Temporalsätzen steht bei Homer häufig der bloße Konj. (vgl. R 21.1). 207 ἄστεος: = ἄστεως. 208 τήν: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5). — δήϊοι ἀµφιµάχωνται: zur sog. Hiatkürzung R 5.5. 209 οἵ: zur demonstr. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — πανηµέριοι: Das gr. Adj. ist im Deutschen adverbiell wiederzugeben: ‘den ganzen Tag lang’. — ἄρηϊ: zur Flexion R 12.4.
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210 2. VH = 1.592, 19.207, Od. 16.366. — ἠελίῳ καταδύντι: flektierbare VE-Formel (ἅµα δ’ + Dat., ἐς + Akk.: insgesamt 6× Il., 10× Od., 1× Hes. Th., 1× h.Merc.).
211 Feuerzeichen (gr. pyrsói): d.h. Signalfeuer zur Übermittlung von Informationen (LfgrE s.v. πυρσ(ός)); vgl. etwa Sinons Feuerzeichen für die Achaier zur Erstürmung Troias (Il. parv. fr. 14 West; Il. Pers., Proklos Chrest. § 2 West) oder die Verbreitung der Nachricht von Troias Untergang (in Aisch. Ag. 281ff.); zur antiken Nachrichtenübermittlung mittels Feuers s. DIELS (1914) 1924, 77ff.; KlP s.v. Nachrichtenwesen; DNP s.v. Telegraphie. τε … δ(έ): anstelle von τε … τε, legt hier den Nachdruck etwas mehr auf den zweiten Teil, vgl. auch 5.359, 9.519, 23.277 (RUIJGH 205 mit Anm. 114; vgl. K.-G. 2.244; DENNISTON 513 mit Anm. 2). — φλεγέθουσιν: ‘(auf)flammen, brennen’ (vgl. auch φλόγα 206), Erweiterung von φλέγω, hier zur Gewinnung einer metr. passenden Form (G 60; LfgrE; zum Suffix -εθ- vgl. auch 2.303–304n.). — ἐπήτριµοι: eigtl. ‘reihenweise’ (zur Etymologie 19.226n.), hier viell. eher ‘dicht an dicht’ (vom zeitl. Nacheinander AH). 212 Vier-Wort-Vers (123n.). — γίνεται: mit ὑψόσε (‘nach oben hin’) zu verbinden, also etwa ‘breitet sich nach oben aus, erhebt sich’ (AH; LfgrE s.v. γίγνοµαι 150.67ff.; zur Form γίνεται WEST 2001, 248). — περικτιόνεσσιν ἰδέσθαι: ‘für die Umwohner zu sehen’, d.h. ‘damit die Umwohner es sehen können’ (zu περικτιόνεσσιν 19.104n.). 213 αἴ κέν πως: ‘in der Hoffnung, daß’; sonst immer in dir. Reden (6× Il.), gibt hier die Hoffnung der im Gleichnis erwähnten Verteidiger wieder (WAKKER 1994, 366 Anm. 3). — ἀρῆς ἀλκτῆρες: 100n. 214 ≈ 19.379. — σέλας: bez. wie αὐγή (211) das Leuchten von Feuer, betont aber viell. etwas mehr den göttlichen Ursprung eines Feuerscheins, vgl. 8.75f., 19.374/379, Od. 18.353– 355, Hes. Th. 867, h.Cer. 189 (GRAZ 1965, 311f. [“nuance religieuse”]; CIANI 1974, 15f.; vgl. DELG s.v. σέλας). — αἰθέρ’ ἵκανεν: 207n.
215 Mauer … Graben: im Raum zwischen Mauer und Graben, vgl. 8.213f., 9.66f., 9.87 (HAINSWORTH zu Il. 9.67; MANNSPERGER 1995, 346f. 349; 1998, 294; vgl. auch 198–199n.). στῆ … ἰών: wieder aufgenommen in 217 ἔνθα στάς, betont Bewegung und damit Aktivität Achills, s. dagegen ἧµαι (104). 210 σφετέρου, ἅµα: zum Hiat R 5.6. σφέτερος ist Poss.-Pron. der 3. Pers. Pl. — ἠελίῳ: = ἡλίῳ. 211 τε: ‘episches τε’ (R 24.11). 212 γίνεται: = γίγνεται. — ἀΐσσουσα: ‘sich schnell bewegend’, zu ἀΐσσω. — περικτιόνεσσιν: zur Flexion R 11.3. — ἰδέσθαι: zum Medium R 23. 213 αἰ: = εἰ (R 22.1). — κεν: = ἄν (R 24.5). — νηυσίν: zur Flexion R 12.1. 214 Ἀχιλλῆος: zur Flexion R 11.3, R 3. — ἵκανεν: zur augmentlosen Form (kurz gemessenes ἵ-) R 16.1. 215–216 ἐπὶ τάφρον: mit στῆ zu verbinden. — τείχεος: zur unkontrahierten Form R 6. — οὐδ(έ): konnektives οὐδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — ἐς: = εἰς (R 20.1). — ἐς … | µίσγετο: ‘mischte sich unter …’.
Kommentar
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216 Mutter: Thetis hatte ihm 134f. die klare Anweisung gegeben, sich nicht unter die Kämpfenden zu mischen, worauf er sich auch Iris gegenüber berief (189f.). πυκινὴν … ἐφετµήν: ἐφετµή (zu ἐφίεµαι) bed. ‘Auftrag, Gebot’; es ist nur hier mit einem Epitheton versehen: πυκινός (eigtl. ‘dicht, kompakt’; zur metaphor. Verwendung bei mentalen Vorgängen 2.55n.) enthält hier entweder die Nuance ‘überlegt, durchdacht’ od. (‘komprimiert’ →) ‘wuchtig’ (LfgrE s.v. 1632.49ff. u. 1633.9). — ὠπίζετ(ο): von ὄπις (‘Blick’) abgeleitetes Verb mit der Bed. ‘im Auge haben, berücksichtigen, beherzigen’; ist fast immer mit Bezug auf Götter verwendet (FRISK, DELG, BEEKES s.v. ὄπις; BURKERT [1981] 2001, 100f.).
217–218 1. VH von 217 ≈ 5.784 (Hera), 11.10 (Eris); 2. VH von 218 ≈ 10.523. — schrie … | … den Ruf erschallen: Achills Schrei wird zwar durch Athene verstärkt, aber im folgenden ist nur von Achill die Rede, wenn der Erzähler die übermenschliche Intensität seiner Stimme hervorhebt und deren Wirkung auf den Feind zeigt (219–223a, 228f., bes. VE 221/222, 228); über Hektors Kampfschreie 159f. ist nichts dergleichen gesagt. – Die lauteste menschliche Stimme in der Ilias gehört Stentor, in dessen Gestalt Hera die Achaier in den Kampf treibt (5.784– 786, s. KIRK z.St.). Auch sonst lassen Götter einen Schlachtruf ertönen, um anzuspornen oder abzuschrecken: 11.10–12 Eris, 14.147ff. Poseidon, 15.321f. Apollon, 20.48–55 Athene und Ares; anders 5.859ff.: Ares’ Aufschrei bei seiner Verwundung (WILLE 2001, 28; vgl. 14.147–152n.). ἤϋσ(ε): bez. wie ἴαχε (vgl. 160, 228) öfters den lauten Kampfschrei eines Kriegers in der Schlacht (LfgrE s.v. (ἀύω), αὔω). — Παλλὰς Ἀθήνη: VE-Formel (1.400n.); zur umstrittenen Deutung von Παλλάς 1.200n. — φθέγξατ(ο): ‘gab einen Laut, machte sich (durch Rufen) bemerkbar’ (LfgrE). Götterrufe sind grundsätzlich lauter als Menschenrufe (KRAPP 1964, 136ff.). — κυδοιµόν: bez. das Durcheinander und die Verwirrung der Massen im Kampf, wenn Panik ausbricht (TRÜMPY 1950, 158f.; KAIMIO 1977, 33: “noisy confusion and tumult”). Dies wird im folgenden mehrfach beschrieben: 223a, 225a, 229–231a (s. nn.)
219–221 Das zweite GleichnisP mit der Kriegstrompete unterstreicht die alles übertönende Lautstärke von Achills Kampfschrei auf dem Schlachtfeld, ähnlich wie die Intensität von Stentors Stimme (5.786) und von Ares’ und Poseidons Gebrüll (5.860f., 14.148–151a) durch einen Vergleich veranschaulicht wird (zur Wortwiederholung in Gleichnis und Kontext [219/221, ebenso 207/214] EDWARDS, Introd. 27f. u. 31; zu Gleichnissen für Lautstärke KAIMIO 1977, 90ff.). Im vorl. Gleichnis von der Trompete, die bei der Belagerung einer Stadt ertönt (219n.), ist sprachlich nicht eindeutig formuliert, von wem dieses Signal ausgeht (zum Sprachlichen 220n.): (a) von den Verteidigern der belagerten Stadt, als Variation der Feuersignale im Gleichnis 207ff. (AH; WILLCOCK; FRÄNKEL 1921, 50; KRAPP 1964, 217 ἀπάτερθε: ‘gesondert, für sich’. 218 ἀτάρ: ‘aber’ (R 24.2), ebenso 223. — Τρώεσσιν ἐν: = ἐν Τρώεσσιν (R 20.2). — ὦρσε: Subj. ist Achilleus.
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338 Anm. 2); (b) von den Belagerern als Angriffssignal, mit einer Verlagerung des Gewichts von Abwehr (Feuer: Signal für Hilfe von außen) auf Angriff (EDWARDS zu 220; CERRI; MOULTON 1977, 107 Anm. 51; vgl. 207–227n.); in beiden Fällen drängt sich die Assoziation der belagerten Stadt mit Troia auf. Eindeutig ist, (1) daß das Bild einen Kampfschrei Achills charakterisiert, der dessen Angriff ersetzen soll und eine entsprechende Wirkung auf die Feinde zeigt: Mensch und Tier interpretieren den Schrei als Gefahrensignal (222–224 [222n.], 228f.); (2) daß auf der Gleichnis- wie auch auf der Erzählebene das akustische Signal eine neue Kampfphase einleitet, vgl. 230ff. und die Debatte der Troer 254ff. (EDWARDS zu 222; WILAMOWITZ 1916, 168f.; KRAPP 1964, 337ff.). 219 1. VH ≈ 221. — Trompete (gr. sálpinx): In den hom. Kampfbeschreibungen werden keine Musikinstrumente im Zusammenhang mit Signalübermittlung erwähnt; die Kommunikation auf dem Schlachtfeld geschieht durch Zurufe (vgl. 2.408n., 16.76–78). Die sálpinx, eine Art Trompete, taucht im fgrE nur in diesem Gleichnis auf, indirekt noch in der Beschreibung des Lärms zu Beginn des Götterkampfs 21.388 mit der metaphorischen Verwendung des Verbs (esálpinxen … ouranós: ‘der Himmel trompetete’; vgl. RICHARDSON z.St.); in nachhom. Literatur jedoch ist die sálpinx mehrfach als Signalinstrument erwähnt (z.B. Aisch. Eum. 567f., Xen. Anab. 4.4.22), auf bildlichen Darstellungen erscheint sie in der schwarzfigurigen Vasenmalerei (DNP s.v. Musikinstrumente; WEST 1992, 118– 121; LANDELS 1999, 78–81; HOLMES 2008; zu früheren Nachweisen von trompetenähnlichen Blasinstrumenten im Mittelmeerraum s. auch SHEAR 2000, 221f. Anm. 10). Das Fehlen von Signalinstrumenten in den Schlachtbeschreibungen der hom. Epen wird von einigen Interpreten mit der Archaisierungstendenz des Erzählers erklärt (schol. A, T, b, D; LEAF; EDWARDS zu 219–21; KRAPP 1964, 57f.; WEGNER 1968, 18f.; WILLE 2001, 46–48). ὡς δ’ ὅτ’: häufige Gleichnis-Einleitung (207n.), hier mit Ellipse des Verbs γίγνεται, s. 221; ähnlich 2.394f. (s.d.; EDWARDS; anders AH, CERRI: indef. ὁτέ). — ἀριζήλη: Determinativkompositum mit der Bed. ‘ganz deutlich’ (RISCH 107, 213, 216); wird im fgrE nur hier (u. 221) von einem Ton gebraucht, zur Charakterisierung der Lautstärke (222, vgl. aber auch Od. 12.453 ἀριζήλως εἰρηµένα ‘deutlich Gesagtes’), sonst von Visuellem; bez. oft ein Phänomen, das göttliche Präsenz erahnen läßt oder Vorahnungen weckt, vgl. 224b (KAIMIO 1977, 34f.). — φωνή, … ἴαχε: Beschreibung des Trompetensignals mittels der Bez. für ‘Stimme’ od. tierische Laute (φωνή nur hier übertr. von einem Instrument: LfgrE s.v.) und ἴαχε ‘schrie’ (vgl. 160, 228); letzteres ist als gnom. Aor. aufzufassen (LEAF; RUIJGH 490 Anm. 5; zur Form 29n.). 220 2. VH = 16.591 (von WEST athetiert). — ἄστυ περιπλοµένων δηίων ὕπο: Die Formulierung hat aus mehreren Gründen Anlaß zur Diskussion gegeben: (1) περιπλοµένων: 219 τ(ε): ‘episches τε’ (R 24.11). — φωνή, ὅτε: zum Hiat R 5.6. 220 δηίων ὕπο: = ὑπὸ δηίων (R 20.2). — θυµοραϊστέ͜ων: zur Synizese R 7.
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Das Ptz. Aor. von περιπέλοµαι ist nur hier im fgrE mit Bezug auf Personen verwendet (+ Akk.: ‘sich herumbewegen um’), sonst intrans. in einer flektierbaren VE-Formel mit ἐνιαυτός (6× fgrE); darüber hinaus ist seine Anbindung an den präpositionalen Ausdruck δηίων ὕπο ungewöhnlich (LfgrE s.v. περιπέλοµαι; LEAF; WILLCOCK; EDWARDS schlägt daher vor, ἄστυ περιπλοµένων als Attribut mit σάλπιγξ zu verbinden [‘the trumpet of those surrounding a city’]); (2) es ist unklar, von wem das Trompetensignal ausgeht (LEAF; vgl. auch 219–221n.): viell. eher von den umzingelnden Feinden (“ἴαχε ὑπό is sounded by the besiegers”; so EDWARDS; CERRI zu 219–221; MOULTON 1977, 107 mit Anm. 51; vgl. auch FAESI) als von den Belagerten (“ὕπο, by reason of death-dealing foemen”; so AH, vgl. AH zu Od. 19.48 [ὑπό “von der begleitenden oder mitwirkenden Ursache”] u. AH, Anh. 5; WILLCOCK; KRAPP 1964, 338 Anm. 2; vgl. auch WILAMOWITZ 1916, 168f. Anm. 3; zu ὑπό in der Bed. ‘unter der Einwirkung von’ SCHW. 2.528f.). – Zu δηΐων s. 208n. — θυµοραϊστ έ͜ων: nur in der Ilias und sonst nur noch in der Formel θάνατος χύτο θυµοραϊστής (13.544, 16.414/580) verwendetes Kompositum aus θυµός ‘Lebenshauch, -kraft’ (vgl. LfgrE s.v. θυµός 1080f.) und dem nomen agentis von ῥαίω ‘zerschmettern, vernichten’ mit jüngerer Bildung auf -της (zur älteren mit konkretisierter Bed. vgl. 476–477n.), also ‘Leben vernichtend’ (LfgrE s.v.; vgl. θυµοφθόρος 6.169n.).
221 1. VH ≈ 219. — Aiakiden: Aiakos, Sohn des Zeus, ist Vater des Peleus und Großvater des Achilleus (FM 2; vgl. auch 166n.). Αἰακίδαο: 16× Il., 2× Od. am VE (3× Il. vor der Zäsur B 2); metr.-prosod. Variante zu Πηλεΐωνος 226 (vgl. 1.1n., 2.860n.; FRIEDRICH 2007, 129).
222–229 Kampfschrei und Feuerstrahl versetzen den Feind in Aufregung und Schrecken und bewirken, daß der Angriff auf die Achaier abrupt endet (vgl. 148b– 150): die Pferde scheuen (223b–224), die Wagenlenker und Kämpfer geraten in Panik (225a, 229), mit fatalen Folgen (230f.). Zur Verbindung von Pferd und Krieger in idg. Literatur s. WEST 2007, 465. 467f. – Mit dem Motiv ‘dreimal x, dreimal y’ (228f., vgl. 155–158) erfolgt die Rückkehr zur Kampfschilderung (vgl. 155n.). 222 erzne Stimme: Das Metall, das sonst v.a. für Waffen gebraucht wird (vgl. 130– 131n.), steht hier in metaphorischer Verwendung für Festigkeit und Härte (vgl. 2.490 mit n.), ähnlich der Charakterisierung ‘mit eherner Stimme’ (Stentor 5.785, der Hund Kerberos Hes. Th. 311). Es kennzeichnet zunächst also – v.a. nach dem Bild der Trompete – die durchdringende Intensität von Achills Schrei, die unentwegt anhält, vgl. 225f. ‘das unermüdliche Feuer’ über seinem Kopf (KRAPP 1964, 22: “machtvolle Intensität”; FORD 1992, 193f.). Darüber hinaus läßt die Metapher auch die Assoziation zu, sein Schrei wirke wie eine Waffe (HEATH 2005, 125: “his voice is not that of a man, but of a weapon”; LfgrE s.v. χάλκε(ι)ος 221 ἀριζήλη φωνὴ γένετ(ο): ἀριζήλη prädikativ, mit γένετο als Kopula (‘erhebt sich, ertönt’). — Αἰακίδαο: zur Flexion R 11.1. 222 οἳ δ(έ): auf die Troer bezogen, anaphorisch (R 17) zu Τρώεσσιν 218. — ἄϊον (ϝ)όπα: zur Prosodie R 4.5. — χάλκεον: hier zweiendig, auf das Fem. ὄπα bezogen.
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u. vgl. auch s.v. σάλπιγξ; zum Schlachtruf idg. Heroen GRIFFIN 1980, 39 mit Anm. 98; WEST 2007, 457). — hörten: signalisiert Sekundäre FokalisationP (DE JONG [1987] 2004, 127): die Troer und ihre Pferde vernehmen nicht nur den Schrei, sondern erfassen auch dessen Bedeutung, vgl. 223f., 229 (LfgrE s.v. ἄϊον). ὄπα: ‘Stimme’; Wurzelnomen mit erschlossenem Nom. *ὄψ od. *ὤψ, vgl. lat. vōx (LfgrE s.v. ὀπός II mit Lit.).
223 1. VH = 5.29, 16.280. — Mit den gleichen Worten (gr. orínthē thymós) wird die Wirkung von Diomedes’ Angriff, den Athene unterstützt, und von Patroklos’ Auftritt in Achills Rüstung beschrieben (s. Iterata). Das gr. Verb orínō bed. ‘in Bewegung setzen, aufwühlen’, z.B. konkret von Wassermassen, dann auch zur Beschreibung eines Affekts, der Handlung vorbereitet: die durch die visuellen und akustischen Signale ausgelöste Panik von Mensch und Tier führt zur kopflosen Flucht (2.142n., 3.395n.; LfgrE s.v. ὀρίνω; zur gr. thymós 4–5n.). Bei der Beschreibung wird oft – wie hier – erwähnt, daß ‘alle’ Betroffenen davon erfaßt sind (2.143n.). ὀρίνθη θυµός: sonst aktivisch formuliert, in formelhaften Wendungen mit θυµὸν ὀριν(3.395n., 24.467n.). — καλλίτριχες ἵπποι: flektierbare VE-Formel (Nom./Akk. Pl.: 11× Il., 3× Od., 1× hom.h., 1× ‘Hes.’); zu den Pferde-Epitheta 2.383n.
224 Die Pferde beenden die Verfolgung der Achaier ohne das Zutun der Wagenlenker. – In den hom. Epen wird nie geritten, sondern auf zweirädrigen Wagen gefahren, die im Kampf v.a. in Flucht- und Verfolgungsphasen eingesetzt werden (2.384n., 24.14n. [jeweils mit Lit.]; BUCHHOLZ 2010, 29–38; RAAFLAUB 2011, 18–20. 24). — sie ahnten: auktoriale Deutung der eben genannten Handlung (da– zu RICHARDSON 1990, 148f. [Stellensammlung 235]). ὄχεα: plurale tantum für ‘Wagen’, eigtl. τὸ ὄχος ‘das Fahrende’, von der gleichen Wurzel wie lat. vehere, dt. be-wegen, Wagen (LfgrE s.v. ὄχεα); weitere Wörter für ‘Streitwagen’ 2.775b n. (ἅρµα), 6.232n. (ἵπποι), 3.262n. (δίφρος). — ὄσσοντο: bed. im Gegensatz zu ἴδον 225 ‘vor dem (geistigen) Auge haben, im Geist vor sich sehen’, von schlimmen Aussichten ‘ahnen’ (hier von der tierischen Sensibilität), was teils wie hier durch den Zusatz θυµῷ (‘im Innern’) verdeutlicht ist (Od. 18.154, Hes. Th. 551, vgl. auch (προτι)ὄσσετο θυµός Od. 10.374, 14.219: LfgrE). 225 ἡνίοχοι: eigtl. ‘Zügelhalter’, Bez. für die Wagenlenker (19.401n.). — ἔκπληγεν: Das Kompositum ἐκ-πλήσσω (‘herausschlagen’) ist nur im übertragenen Sinn verwendet, vom Herausschlagen der φρένες aufgrund einer plötzlichen heftigen Verwirrung, so 13.394 u. 16.403 ἐκ … πλήγη φρένας (16.403–404a n.: ‘es verschlug ihm die Sinne [vor Schreck]’, ebenfalls vom Wagenlenker), an der vorl. Stelle elliptisch (ohne φρένας) ‘sie verloren die
224 ἄψ: ‘zurück’. — τρόπεον: Frequentativum zu τρέπω; zur unkontrahierten Form R 6. — τρόπεον(ν), ὄσσοντο: zur Prosodie M 4.6; vgl. aber auch M 8 (Zäsurstelle). 225 ἔκπληγεν: = ἐξεπλάγησαν (R 16.2). — ἐπεὶ (ϝ)ίδον: zur Prosodie R 4.4; zur augmentlosen Form R 16.1. — ἀκάµατον: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).
Kommentar
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Kontrolle (vor Schreck)’ (nachhom. ἐκπλήττοµαι ‘erschrecken’), impliziert, daß sie nicht mehr adäquat reagieren konnten (LfgrE s.v. πλήσσω 1293.6ff.; zur Form πλήγ- ALLAN 2003, 134). — ἀκάµατον πῦρ: VE-Formel (7× Il., 2× Od.), prosod. Variante zu θεσπιδαὲς πῦρ; ἀκάµατος ist Epitheton von πῦρ und von best. Körperteilen (16.122–123n.). 226 2. VH = 17.214, 19.75. — δεινόν: ist entweder adverbial zu δαιόµενον in 227 zu ziehen (AH; WILLCOCK; EDWARDS: “more effective”; LfgrE; GRAZ 1965, 166) od. (eher) als runover word zu πῦρ in 225 (EDWARDS: “more natural in Homeric style”). — µεγαθύµου Πηλεΐωνος: Ob die Verwendung des Epithetons µεγάθυµος (‘mit großer Leidenschaftlichkeit, hochgemut’) neben 223f. (θυµός/θυµῷ) der Nennung Achills – im Gegensatz zur VE-Formel Πηληϊάδε͜ω Ἀχιλῆος (dazu 1.1n.) – etwas mehr Gewicht verschafft (EDWARDS; vgl. 19.75n.), ist nicht entscheidbar (FOR 39). Zum Patronymikon s. 221n. 227 δαιόµενον· … ἔδαιε … Ἀθήνη: Vgl. 206. Wortwiederholung zur Erläuterung od. Ergänzung der partizipialen Aussage ist ein gängiges ep. Stilmittel (vgl. 19.376n.); dabei folgt öfter wie hier auf intrans. Medio-Pass. eine aktivische Formulierung mit Agens-Angabe (JANKUHN 1969, 109f.). — θεὰ γλαυκῶπις Ἀθήνη: Zur VE-Formel und zum distinktiven Epitheton (wohl ‘mit hellen/glänzenden Augen’) s. 1.206n.
228 dreimal: 155n.
µέγαλ’ ἴαχε: 29n. — δῖος Ἀχιλλεύς: VE-Formel (55× Il.); das generische EpithetonP δῖος ist “Ausdruck höchster Vortrefflichkeit” (1.7n., 1.141n.). 229 2. VH = 6.227; ≈ 3.451, 11.220, 17.14. — ἐκυκήθησαν: κυκάω bez. das Mischen von Flüssigkeiten, übertr. in der Schlacht das Entstehen eines Durcheinanders und von großer Verwirrung unter Mensch und Tier (11.129, 20.489: Pferde sind nicht mehr lenkbar): LfgrE (‘be thrown into confusion’). — κλειτοί τ’ ἐπίκουροι: flektierbare VE-Formel (7× Il., 1× Hes.), dient in Kombination mit Τρῶες als Bez. für die Troer-Partei (6.111n., 6.227n.).
230–231a gingen da zugrund … | … Wagen … und Lanzen: Die Darstellung der allgemeinen Verwirrung und panischen Flucht, die zu tödlichen Unfällen führt, mag, wie seit der Antike von manchen Interpreten bemängelt (vgl. schol. A zu 230–1; LEAF), ungenau oder wirklichkeitsfremd sein, dient aber doch in erster Linie dazu, die Folgen von Achills Auftritt zu zeigen: (1) kein geordneter Rückzug, sondern Panik, bei der Troer ohne direkte Feindberührung unter ihre Wagen geraten oder beim Herunterfallen von den eigenen Waffen durchbohrt werden; (2) tote Feinde, obwohl Achill, seiner Waffen beraubt, nicht direkt eingreifen kann – eine Steigerung gegenüber Patroklos’ Angriff am Graben 16.372–379 (AH; WILLCOCK; EDWARDS zu 228–31; LfgrE s.v. ὄχεα 898.51ff.; ALBRACHT 1886, 23; VAN DER VALK 1964, 58f.; vgl. auch 222n.; zur Beschreibung von Flucht s. auch 16.278–418n.). — zwölf: Typische ZahlP (LORENZ 1984; HAWKE 2008, 47. 59); Zwölfergruppen von namenlosen Kriegern, die getötet oder gefangen genommen werden, finden sich noch 10.488, 10.560, 15.746, 18.336 (dieselben 21.27, 23.22, 23.175, 23.181): WALTZ 1933, 22. 36 [Stellensammlung zur Zahl 12]; LORENZ 227 ἔδαιε: 206n. — θεά: zur Form R 2.2. 230 δυώδεκα: metr. Variante neben δώδεκα und δυοκαίδεκα.
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Ilias 18
a.O. 272; SINGOR 1991, 36; idg. Parallelen WEST 2007, 481). Daß getötete Krieger namenlos bleiben, ist im hom. Epos selten und meist dann der Fall, wenn sie als Gruppe beschrieben sind (weitere Bsp. s. PAGANI 2008, 416 Anm. 252). καὶ τότ(ε): ‘auch da, sogar (schon) da’, d.h. während des Durcheinanders (229 ἐκυκήθησαν), obwohl kein Kampf mehr stattfand, da sich die Achaier um den Leichnam kümmerten (231b ff.): FAESI; LEAF. — φῶτες ἄριστοι: flektierbare VE-Formel (6.188n.). — ἀµφί …: Zeugma mit ὀχέεσσι und ἔγχεσιν: Ortsangabe ‘um ihre Wagen und Lanzen herum’ i.S.v. ‘bei …’, zur Beschreibung des allg. Durcheinanders (etwas anders AH; FAESI; LEAF: das zweite Glied auch konkreter aufgefaßt, i.S.v. durchbohrt von den eigenen Lanzen). Weitere Zeugmata mit Ausdrücken für ‘Gespann’ und ‘Waffen’: 3.327, 5.356 (vgl. Stellenliste bei VAN LEEUWEN zu 4.282). — ὀχέεσσι: Dat. Pl. (G 70) zu ὄχεα (224n.).
231b–238 Der ErzählerP lenkt den Blick weg vom Durcheinander der fliehenden Troer auf die Achaier, wobei er schrittweise den Kreis der FigurenP verengt: von den Achaiern, die den Leichnam aufbahren (231b–233a), über die trauernden Gefährten, d.h. die Myrmidonen (233b–234a), zum weinenden Achilleus (234b– 235a) und dessen Schmerz beim Anblick des Toten (237f.); im Vordergrund stehen dabei die Gefühle der Handlungsfiguren (232 ‘erleichtert’, 234 ‘in Jammer’, 235 ‘und weinte heiße Tränen’, jeweils VA), während der konkrete Vorgang der Bergung mit Aufbahrung und Geleitzug ins Schiffslager nur kurz angedeutet wird (233f.): EDWARDS zu 231–8; DI BENEDETTO (1994) 1998, 234f. Bei der Beschreibung von Achills erster Begegnung mit dem toten Freund wird seine Klage – ähnlich wie beim Eintreffen der Todesnachricht (22–35a n.) – wirkungsvoll hinausgezögert: Achill vergießt Tränen, bleibt aber wortlos; gezeigt werden seine Gedanken, in denen der Schmerz über sein eigenes Handeln angedeutet wird (237f.). Die erste Klagerede im Lager der Achaier (316ff.) ist retardiertP durch die Versammlungsszene im Lager der Troer (243–314a): EDWARDS zu 237–8; DE JONG (1987) 2004, 121f.
231b αὐτὰρ Ἀχαιοί: 148n. 232 ἀσπασίως: ‘in willkommener Weise, erleichtert’ (19.72n.). — ὕπεκ βελέων ἐρύσαντες: ringkompositorischeP Wiederaufnahme von 151f. (s.d.) und positiver Abschluß der zu Beginn aussichtslos erscheinenden Situation. Zur Orthographie von ὕπεκ (Kompositum, Akzent) s. WEST 1998, XVIIIf.
233 1. VH ≈ Od. 24.44; 2. VH = Il. 23.695; ≈ 24.123. — die Gefährten: gemeint sind die Myrmidonen, als deren Anführer Patroklos in diese Schlacht gezogen war (vgl. 16.268ff.). λεχέεσσι: Dat. Pl. (G 70) zu λέχος ‘Liegestatt’, auch ‘Totenbett’ (352), hier ‘Totenbahre’ (vgl. 236): 24.589–590n. 231 σφοῖς: Poss.-Pron. der 3. Person (R 14.4). 233 κάτθεσαν: = κατάθεσαν (mit Apokope, vgl. R 20.1); zur augmentlosen Form R 16.1. — λεχέεσσι: zum Plural R 18.2. — ἀµφέσταν: = ἀµφέστησαν (R 16.2).
Kommentar
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234 1. VH = 23.14; ≈ 13.658, Od. 4.17, 13.27. — Mit dem gr. Verb mýromai (Bez. für gemeinsames Klagen um einen Toten: 19.6a n.) beginnt die allg. Totenklage um Patroklos, die im folgenden während der sog. ‘Prothesis’, der Aufbahrung der Leiche, anhält: 314ff., 354f.; am nächsten Tag 19.4–6, 19.212f., 23.9ff.; am Tag darauf 23.109ff. (19.5–6a n., 19.211–213a n., 24.664–667n. a.E.). ποδώκης … Ἀχιλλεύς: Variation versch. Nomen-Epitheton-Formeln für ‘fußschneller Achilleus’ am VE (ähnlich 20.89): (1) der Formeln im Gen. (ποδώκεος Αἰακίδαο) und Dat./Akk. (ποδώκεϊ/-α Πηλεΐωνι/-α) – Nom. ποδώκης außer hier nur bei Dolon (10.316) und Atalante (3× ‘Hes.’); (2) der Nom.-Formel mit distinktivem Epitheton ποδάρκης (π. δῖος Ἀχιλλεύς 181n.): 1.121n., 2.860n., 24.458n. mit Lit., 24.668n.; vgl. auch 78n. (zu πόδας ὠκὺς Ἀ.)
235 1. VH = 17 (s.d.). — Gefährten … treuen: Die flektierbare VE-Formel (gr. pistón hetáiron, Nom./Akk.: 7× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’) ist sonst in direkten Reden od. Rede-Einleitungen verwendet und hebt die Verläßlichkeit und Loyalität unter Kämpfern hervor (vgl. 16.147). Außer in den Rede-Einleitungen (17.500, Od. 15.539) ist die Formel Periphrastische BenennungP für Gefallene, für den toten Patroklos noch Il. 17.557 u. 18.460. An der vorl. Stelle ist ihre Verwendung als Akk.-Obj. zu gr. éiside (‘erblickte’) ein Hinweis dafür, daß die Vv. 237f. die Gedanken Achills zum Ausdruck bringen, die ihm beim Anblick des Leichnams durch den Kopf gehen (Sekundäre FokalisationP, vgl. 231b–238n., 236n.): ROISMAN 1984, 23–25. 29; LfgrE s.v. πιστός. 236 2. VH = 19.283, 19.292; ≈ 19.211, 22.72. — φέρτρῳ: ‘Bahre’, Ableitung zu φέρω, entspricht λέχος 233; das hom. hapaxP ist nachhom. nur selten belegt (LfgrE; SCHW. 1.532). — δεδαϊγµένον: Das emotional gefärbte Verb δαΐζω (‘zerfetzen’) wird oft in direkten Reden (außer den Iterata z.B. 2.416, 16.840, 19.203, 319, 24.393) oder anderer Sekundärer FokalisationP (wie hier, s. 235n., 19.283) gebraucht (19.203n., 24.393n., 14.20n.). — ὀξέϊ χαλκῷ: Zur VE-Formel und zum metonym. Gebrauch von χαλκός (eigtl. ‘Bronze’) für ‘Waffe’ s. 1.236n., 6.3n., 24.393n.
237 2. VH = 4.297, 5.219, 9.384, 12.119, ≈ 5.794. — mit Pferd und Wagen: Interne AnalepseP: Achill hatte den Freund, der als sein Wagenlenker (vgl. 17.427, 17.439, 23.280) nicht über eigene Pferde und Wagen verfügte, nicht nur in der eigenen Rüstung (16.63ff., 16.130ff.), sondern auch mit seinem Gespann von unsterblichen Pferden (16.145ff.) in den Kampf geschickt; er wird es ihnen später zum Vorwurf machen, daß sie den Freund nicht aus der Schlacht zurückgebracht haben (19.400–403 [s.d.]).
234 µετὰ … σφι … εἵπετ(ο): ‘schloß sich ihnen an’; σφι = αὐτοῖς (R 14.1). 237 τόν: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5). — ῥ’: = ἄρα (R 24.1). — ἤτοι: R 24.4. — ὄχεσφιν: zur Form R 11.4.
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ἔπεµπε: Impf. in Aor.-Funktion (konfektiv; vgl. SCHW. 2.259); das Impf. betont die nachhaltige Wirkung der Handlung, die erst mit Erreichung des Ziels (VA 238) ihren Abschluß findet (LfgrE mit Lit.; SCHW. 2.277).
238 doch nicht …: impliziert den Schmerz Achills; im Gegensatz dazu steht das typ. Motiv der Freude über die Rückkehr eines Kriegers aus der Schlacht (6.480– 481n., 24.705n.). Der Erzähler verwendet eine ähnliche Formulierung, wie er sie sonst im 18. Gesang Achill und Thetis für Achills eigenes Schicksal verwenden läßt (die Mutter bzw. der Vater wird den Sohn nicht wieder in Empfang nehmen: 59f./440f. Thetis, 89f./330f. Achill; vgl. Od. 19.257f. Penelope über Odysseus) und signalisiert so die enge Verbindung der beiden Freunde und ihrer Schicksale (GRETHLEIN 2006, 221 mit Anm. 252; zur Vorstellung vom Sterben als einem Nicht-Heimkehren s. 59b–60a n.). νοστήσαντα: Das im fgrE nur im Fut. u. Aor. bezeugte Verb νοστέω bed. ‘heil davonkommen’, oft speziell ‘heimkehren’ (vgl. die VA-Formel οἴκαδε νοστήσ- 59b–60a n.), und ist teilweise wie hier mit δέχοµαι (‘in Empfang nehmen’) verbunden (5.157f., 17.207f., 18.59f., 89f., 330f., 440f., Od. 19.257f.): LfgrE s.v. (νοστέω) νοστήσω, νοστῆσαι; MARONITIS 2004, 64–69. Am VE steht das Ptz. in der Ilias sonst oft in der VE-Formel µάχης ἒκ νοστήσαντι/-α (24.705n.); an der vorl. Stelle entsteht durch das Enjambement P ἐς πόλεµον eine Art Antithese von VA und VE: ein spannungsvoller Bezug zwischen dem Auszug in den Kampf (vgl. 64n.) und der Rückkehr, wobei jeweils das Agieren Achills im Vordergrund steht.
239–242 Ende der Kampfhandlungen des dritten Kampftages der Ilias, der im 11. Gesang mit Agamemnons Aristie begonnen (11.15ff.) und zu Hektors Triumph geführt hatte, wie es ihm von Zeus für diesen Tag bis zum Sonnenuntergang versprochen worden war (11.186–194/200–209, vgl. auch 17.206–208); die weitere Erzählung bis zum Ende des 18. Gesanges nehmen Geschehnisse ein, die alle nach Sonnenuntergang stattfinden (auf menschlicher Ebene: Heeresversammlung und Nachtmahl 245–314a, Totenklage 314b–355; auf göttlicher Ebene: Gespräch zwischen Zeus und Hera 356–368, Thetis bei Hephaistos und Herstellung der Waffen 369–617; vgl. 134–144n.). Von den vier in der Ilias beschriebenen Kampftagen nimmt dieser – entsprechend der Bedeutsamkeit der Ereignisse – den größten Raum ein, wobei der Erzähler explizit die Gliederung des Tages markiert (11.1f., 11.84–90, 16.777–780 [s.d.: Handlungsumschwung], 18.241): STR 21 mit Abb. 1 u. STR 22 Abb. 2; EDWARDS zu 239–42 u. 314–55; LATACZ 1977, 101–110. 113; REICHEL 1990, 136f.; RENGAKOS 1995, 10ff.; RAAFLAUB 2005, 241–244; vgl. das Prinzip der ausführlichen DarstellungP. Zudem endet die Schilderung dieses Kampftages mit einer besonderen Version des Motivs ‘die Nacht beendet den 238 ἐς: = εἰς (R 20.1). — πόλεµον(ν), οὐδ’: zur Prosodie M 4.6; vgl. aber auch M 8 (Zäsurstelle). — οὐδ(έ): steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8); hier mit adversativer Färbung (‘doch nicht, aber nicht’).
Kommentar
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Kampf’ (dazu 2.387n.): auch das Ende des zweiten Kampftages war in einem für die Achaier günstigen Moment gekommen, gegen den Willen der siegenden Troer (8.485–488, vgl. auch ihre Ratsversammlung 8.489ff.); jetzt agiert Hera zugunsten der Achaier und zum Schaden der Troer (vgl. 367), indem sie Hektors Triumphtag vorzeitig beendet (240n.; OWEN 1946, 183f.; SCHEIN 1984, 138f.; vgl. auch 168n.; zu Heras Eingreifen zugunsten der Achaier vgl. auch 19.407–417n.). Sprachlich ist der Szenenübergang sorgfältig gestaltet, mit Chiasmus in den Vv. 239 (Nomen + Epitheton), 241 (Subj. + Prädikat, µέν – δέ), 242 (Nomen + Epitheton, καί), VA 242 u. VE 243 (Nomen + Epitheton κρατερῆς) und mit Verlangsamung des Erzählflusses durch Synonyme und Epitheta (Hinweis FÜHRER). 239 1. VH ≈ 484, Hes. Th. 956, hom.h. 31.7. — ἠέλιον: bez. in Zeitangaben das Gestirn auf seiner Bahn (vgl. auch 484, 16.777–779), v.a. bei Sonnenuntergang (210n., 241n.): FG 38; LfgrE. Dieser Vorgang ist in den Vv. 239f. auf der göttlichen Ebene angesiedelt, 241f. aus der menschlichen Sicht beschrieben (CLARKE 1999, 273f.); anders als WEST schreiben manche Herausgeber daher Ἠέλιος groß und fassen es als Personifikation auf (so auch ERBSE 1986, 47; zum Problem der sog. Personifikation s. FG 28: “Ineinanderfließen von anthropomorphem und nicht-anthropomorphem Handeln … im Bereich weniger Verse”). — ἀκάµαντα: ‘nicht ermüdend’; nach der Art eines Ptz. Präs. Akt. gebildetes Adj., bestehend aus α privativum und einer Ableitung der Wz. καµ-/καµα (vgl. ἀκάµατος 225 u. κάµατος ‘Ermattung’): RISCH 27. 211; FRISK u. DELG s.v. κάµνω; generisches EpithetonP bei ἠέλιος (s. Iterata, außerdem je 1× bei Spercheios u. bei σῦς: LfgrE), hier viell. kontextbezogen verwendet im Hinblick auf 240, das erzwungene Ende des Tagwerks (EDWARDS zu 239–42; zu idg. Parallelen zum unermüdlichen Lauf der Sonne s. WEST 2007, 211). — βοῶπις πότνια Ἥρη: Nomen-Epitheton-Formel in der 2. VH (14× Il., 3× h.Ap.); zum Hiat in der uralten VE-Formel π. Ἥ. s. 1.551n. Die Wahl zwischen dieser Formel und prosod. identischem θεὰ λευκώλενος Ἥρη erfolgt viell. kontextbezogen: β. steht im Kontext von “opposition and conflict” (BECK 1986, 484. 487; THOMAS 2002, 3–7; FRIEDRICH 2007, 78f.); zum generischen EpithetonP βοῶπις (eigtl. ‘kuhäugig’, interpretiert als ‘großäugig’) 1.551n., 3.144n., 14.159n.).
240 Das Eingreifen in den geregelten Lauf der Sonne ist in der Ilias einmalig, vergleichbar ist nur Od. 23.241ff. (Athene verzögert die Morgenröte zugunsten von Odysseus und Penelope); zum Motiv des veränderten Ablaufs von Tag und Nacht s. ERBSE 1986, 47f.; vgl. auch die Erzählmotive THOMPSON D1546.1 (‘Magic object controls sun’), D2146.1.2. (‘Day magically shortened’) und D2146.2.2. (‘Night magically lengthened’). An anderen Stellen greifen Götter in den Kampf ein, indem sie die Kämpfer vorübergehend in Dunkelheit oder Nebel hüllen (Stellen bei FENIK 1968, 52f.; vgl. auch 3.380b–381n.). – Mit dem Akt des erzwungenen Sonnenuntergangs weckt der Erzähler die Aufmerksamkeit des Publikums 239 ἠέλιον: = ἥλιον; ebenso der Nom. in 241. 240 Ὠκεανοῖο: zur Flexion R 11.2. — ἀέκοντα: < ἀϝέκοντα, = ἄκοντα. — νέεσθαι: zur unkontrahierten Form R 6.
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und unterstreicht den bedeutungsvollen Moment dieses Tagesendes: die Zeit von Hektors Triumph ist vorbei (239–242n.), mit dem folgenden Sonnenaufgang wird Achill bewaffnet sein (136f.), Hektors Leben geht nun dem Ende entgegen (EDWARDS zu 239–42; OWEN 1946, 183; ROBERT 1950, 28; LOUDEN 2006, 138. 302 Anm.45). — Okeanos: Ringstrom um die Erde (1.423n.). νέεσθαι: bed. ‘heimkehren, zurückgehen’, nämlich dorthin, woher die Sonne dann jeweils wieder aufzutauchen pflegt (s. Od. 3.1).
241–243 Scharnierstelle mit Kampf-Ende und Verzweigung der Handlung in den beiden Heerlagern: Achaier 241b–242/314b–355, Troer 243–314a (239–242n.). 241 1. VH ≈ h.Merc. 68. — ἠέλιος … δῖοι Ἀχαιοί: chiastisch angeordneter Vers mit VA-Position von ἠέλιος wie in 239 (s.d.), vgl. dagegen die VA-Formeln für ‘Sonnenuntergang’ δύσετο δ’/τ’ ἠ. (1× Il., 9× Od.), δύῃ τ’ ἠ. (3× Il.) und ἦµος δ’ ἠέλιος κατέδυ (1× Il., 6× Od.: 1.475n.): EDWARDS zu 239–42; zu den versch. Formulierungen für ‘Sonnenuntergang’ in Il. und Od. s. KELLY 2007, 349–351, bzw. DE JONG zu Od. 1.423. – δῖοι Ἀχαιοί ist VE-Formel (5× Il., 2× Od.); zum generischen EpithetonP 229n. 242 ≈ 13.635; 1. VH = Od. 16.268. — Chiastisch angeordneter Vers mit synonymischer Doppelung von Begriffen für ‘Kampf’ (dazu 1.492n.). — φυλόπιδος κρατερῆς: zu φύλοπις (überwiegend negativ konnotiertes Wort für ‘Kampf, Schlacht’) 6.1n.; zu κρατερός als Epitheton bei Ausdrücken aus diesem Wortfeld (‘kraftvoll, wuchtig geführt’) 2.40n. – Die Verbindung von φύλοπις u. πόλεµος mit anderen Epitheta auch 4.15, 4.82, 13.635, Od. 11.314, 24.475, Hes. Op. 161, ‘Hes.’ Sc. 23, fr. 195.23 (M.-W.), h.Cer. 266. — ὁµοιΐοο πτολέµοιο: VE-Formel (6× Il., 2× Od.); das Adj. ὁµοίῐος bed. ‘gemeinschaftlich’ i.S.v. ‘alle involvierend, keinen verschonend’ und ist auch Epitheton bei γῆρας, θάνατος u. νεῖκος (LfgrE; zur Aspiration WEST 1998, XVII). Mit der rekonstruierten alten Gen.-Endung auf -οο anstelle der in allen Hss. überlieferten Kontraktion auf -ου läßt sich die metr. Dehnung von ὁµοίῑου vermeiden (WEST a.O. XXXIIIf.; zum Problem s. aber G 45 Anm. 24 u. G 18; vgl. auch 2.518n., 6.61n., jeweils mit Lit.; zur Entwicklung der Gen.-Endung s. WILLI 2008, bes. 261–266).
243–314a Die Troer beraten nach dem für sie unvorteilhaften Ausgang der Schlacht in einer Heeresversammlung die Strategie für den kommenden Tag. Beeinflußt durch die Göttin Athene mißachten sie dabei den Rat des Polydamas, sich hinter die Stadtmauern zurückzuziehen, und folgen stattdessen dem Plan ihres Heerführers Hektor, ihr Lager im freien Feld außerhalb der Stadt zu belassen. Letzte in der Ilias geschilderte Heeresversammlung der Troer, die sich aus dem Schrecken über Achills Erscheinen spontan ergibt und im Vergleich zu anderen Versammlungen formlos abläuft (245–248n.). Sie ist (a) das Gegenstück zur ebenfalls im freien Feld abgehaltenen, von Hektor einberufenen Versammlung der Troer am Ende des vorigen, für sie erfolgreichen Kampftages, in welcher Hektors Vorschlag, außerhalb der Stadt zu übernachten, einmütig gutgeheißen worden ist 242 πτολέµοιο: zum πτ- R 9.2.
Kommentar
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(8.489–542, vgl. bes. 8.530f. mit 18.277f./303f., 8.542 mit 18.310; vgl. auch die Troerversammlung in der Stadt 7.345–379); (b) die Entsprechung zur Versammlung der Achaier am nächsten Morgen, in welcher diese, durch den Ruf Achills aus ihrer Kampfmüdigkeit aufgerüttelt, ihre Einigkeit und Kampfgemeinschaft unter dem Oberbefehl Achills beschwören werden (19.40–277, vgl. bes. 18.310 u. 19.74f.): schol. bT zu 245–9; AREND 1933, 119f.; KURZ 1966, 48; TSAGARAKIS 1982, 100–102; BANNERT 1987, 19; MACKIE 1996, 24f.; RUZÉ 1997, 38; ELMER 2013, 139f. In der vorl. Versammlung mit Rede (254–283 Polydamas [FM 9]), Gegenrede (285–309 Hektor) und allg. Zustimmung zur zweiten Rede (310) wird mit wörtlichen Wiederholungen der Kernpunkt der Meinungsverschiedenheit hervorgehoben (Catchword-TechnikP), nämlich, wo kampiert und wo am nächsten Tag weitergekämpft werden soll (277f. vs. 303f./306); dabei läßt der Erzähler keinen Zweifel daran, wer den besseren Rat gibt (253, 311–313: Erzählerkommentar mit proleptischemP Charakter [310–313n.]; zur parallelen Struktur der beiden Reden s. 254–309n.). – Die Urteile über Hektors Agieren in der vorl. Szene reichen in der Forschung von Tadel (maßlose Selbstüberschätzung: SCHADEWALDT [1936] 1965, 257–261; EDWARDS) bis zu größtmöglicher Verteidigung (ERBSE [1978] 1979; PRALON 1995); weitere Lit. zur Beurteilung Hektors s. 285–309n. Einerseits läßt die Einbettung der Szene Hektors übergroßes Selbstvertrauen besonders deutlich hervortreten: umrahmt ist sie durch Schilderungen von (a) Achills Trauer um den Freund und seine Entschlossenheit, diesen im Kampf gegen Hektor zu rächen (234–238, 316–355); (b) Thetis’ Bemühen um neue Waffen für Achill (128–147, 369–617); (c) Achills realistischer Selbsteinschätzung (101–111/115–121, 19.56– 64); (d) Achills Öffnung gegenüber Ratschlägen, die seinen Drang zu überstürztem Handeln bremsen (zum eigenen Wohl: 134–137/188–201; zum Wohl der Achaier: 19.155ff./216ff./275; vgl. Hektors Charakterisierung 13.726ff.): EDWARDS zu 243–314, 284–309 u. 314–55; SEGAL 1971, 27f. Durch die Szenen (a) und (b) wird deutlich, daß Hektor sich täuscht, da er die von Achill ausgehende Gefahr unterschätzt (zu Hektors Tendenz zur Selbstüberschätzung s. 16.830–842n. u. 16.837–842n.); außerdem zeigt sich Hektors Verblendung, indem er die zeitliche Begrenzung der göttlichen Unterstützung für ihn (bis zum Tages-Ende: 11.206–209) mißachtet. Seine Irrtümer wird er am Ende erkennen (22.99ff.: DE JONG zu Il. 22.99–110 u. Introd. 15). Andrerseits ist Hektors Beharren auf der verhängnisvollen Offensivstrategie aus seiner Einschätzung der Situation heraus und seinem Selbstverständnis als Schutzherr von Troia durchaus verständlich und im Einklang mit seinem Ehrenkodex: s. dazu bes. 285–309n., außerdem 249–253n. (Verhältnis Hektor – Polydamas).
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243 1. VH = 8.55, 11.56, 20.3; 2. VH = 16.447 (s.d.). — Das troische Heer bleibt – wie am Ende des letzten Kampftages (8.489ff.) – in der Ebene und zieht sich nicht in die Stadt zurück. ἑτέρωθεν: ‘auf der anderen Seite, andererseits’, steht immer vor der Zäsur B 2 (28× Il., 5× Od., 3× Hes., 1× h.Cer.), meist nach vorausgehendem Personen- od. Völkernamen (1.247a n.); signalisiert Perspektivenwechsel, hier unterstrichen durch die chiastische Anordnung der Genetive mit κρατερῆς VA 242 / VE 243 (zu “presentational functions” von αὖτε BONIFAZI 2012, 218–235). — κρατερῆς ὑσµίνης: flektierbare VE-Formel für die ‘kraftvoll, wuchtig geführte Schlacht’ (2.40n.; Gen.: 2× Il., 16.645 im Vers-Innern); ὑσµίνη ist archaisches Wort für ‘Kampf’, oft wie hier gleichbedeutend mit πόλεµος und φύλοψ (242), bez. aufgrund der Etymologie (zur idg. Wurzel *Hi̯ eu̯ dh- ‘in Bewegung geraten’: LIV 225f. Anm. 1) wohl urspr. den Kampf in Aktion, das ‘Kampfgetümmel’ (LfgrE s.v.; DELG s.v.; TRÜMPY 1950, 162–165; LATACZ 1977, 138). 244 2. VH = 8.402, 8.416, 24.14, Od. 3.478. — χωρήσαντες: χωρέω bed. ‘Platz machen, sich zurückziehen’, in der Ilias sonst meist vom Rückzug einer kämpfenden Partei bei Bedrängnis durch die Gegner, hier zwar bedingt durch das Tagesende (239–241), dem allerdings eine Massenpanik vorausgeht (222ff., vgl. 246ff.): LfgrE; KURZ 1966, 146. Im Gegensatz dazu hatte der vorige Kampftag mit der Flucht der Griechen geendet (8.342–347). — ὑφ’ ἅρµασιν: Der lokativische Dat. (an den Iteratstellen mit ζεύγνυµι [24.14n.] bzw. γυιόω) steht hier wohl anstelle des metr. unmöglichen ablativischen Gen. ἁρµάτων, vgl. die sonst üblichen Wendungen für das Ausspannen (λύειν) der Pferde: ὑπὸ ζυγοῦ/ζυγόφιν (8.543, 24.576, Od. 4.39), ὑπ’ ὄχεσφι (Il. 23.7), ἐξ ὀχέων (5.369, 776, 8.50, 13.35), ὑπὲξ ὀχέων (8.504) (EDWARDS; MONRO [1882] 1891, 182; CHANTR. 2.140; vgl. SCHW. 2.525; anders AH, FAESI, LEAF: attributiv zu ἵππους). — ὠκέας ἵππους: flektierbare VE-Formel mit Entsprechungen in anderen idg. Sprachen (3.263n.).
245–248 Der Erzähler kennzeichnet die spontane Beratung, die von niemandem einberufen wurde, mehrfach als ‘Versammlung’ (gr. agorḗ, agéronto 245f., vgl. agoréuein, agorḗsato ‘[öffentlich] reden’ 249, 253, 310: FINGERLE 1939, 299. 302) und begründet Besonderheiten im Ablauf mit der emotionalen Verfassung der Troer, bedingt durch den furchterregenden Auftritt Achills (zur hom. Versammlung 1.54n., 19.40–281n., jeweils mit Lit.). Die geschilderte Beunruhigung und Verwirrung (kein Gedanke an Stärkung, Stehenbleiben statt Niedersitzen, Zittern: EDWARDS zu 246–8; GRIFFIN 1980, 14) spiegelt sich auch im Erzählfluß und Versbau (schnelle gedankliche Wechsel, kurze Sätze, EnjambementsP, im Gegensatz zu 243f.: BAKKER 1997, 153).
243 αὖθ’: = αὖτε, mit Elision (R 5.1) und Hauchassimilation. — κρατερῆς: zum -η- nach -ρR 2; ebenso bei ἀγορήν 245. 244 ὠκέας: zur unkontrahierten Form R 6.
Kommentar
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245 2. VH ≈ 24.2, Od. 19.321. — ἀγορήν: ‘Versammlung’ od. ‘Versammlungsplatz’ (1.54n.; RUZÉ 1997, 26), hier in figura etymologica mit ἀγέροντο die ‘Versammlung’ auf freiem Feld (AH; CERRI; vgl. 2.788n.). — πάρος: m. Inf. (sonst immer Aor.) ‘bevor’ (LfgrE s.v. 992.14ff. (mit Lit.).
246–247a Üblicherweise saßen die Versammlungsteilnehmer (1.54n.); die Abweichung davon – begründet mit Furcht – ist durch den rhetorisch Polaren AusdruckP ‘aufrecht stehend’ vs. sich setzen’ und dessen Stellung am VA hervorgehoben. ὀρθῶν … ἑσταότων: Das Syntagma ‘aufrecht stehen’ ist auch in indo-iran. Sprachen belegt (SCHMITT 1967, 251f.). — οὐδέ τις ἔτλη: VE-Formel (6× Il., 3× Od., 1× hom.h.).
247b–248 ab Zäsur C 2 = 19.45b–46, 20.42b–43. — Der Kampfboykott Achills hatte den Troern eine Phase der Überlegenheit gebracht, deren Ende ihnen sein Auftritt nun ankündigt. Die Zeitangabe ‘lange’ (gr. dērón) für die Dauer von drei Kampftagen (vgl. 125n.) ist durch Sekundäre FokalisationP erklärbar: es sind die Gedanken der aufgeschreckten Troer (EDWARDS zu 246–8; DE JONG [1987] 2004, 112. 233. 268 Anm. 34; vgl. 19.45b–46n. [dort auch zum Epenmotiv des zurückkehrenden Helden]). ἐξεφάνη· … ἀλεγεινῆς: Das Kompositum ἐκ-φαίνοµαι (‘erscheinen, zum Vorschein kommen’) – sonst außer an den Iteratstellen in Gleichnissen von Naturphänomenen (8.557 Sterne, 16.299 Berggipfel; akt. ἐκφαίνω 19.104 [Eileithyia] u. Hes. Th. 689 [Zeus]) – unterstreicht an der vorl. Stelle den überwältigenden, epiphanie-artigen Auftritt Achills (vgl. 203–221n.); zum emphatischen integralen EnjambementP und zu den überwiegend negativ konnotierten Epitheta bei µάχη s. 19.45b–46n. — δηρὸν δέ: paraktaktisch angefügter Zusatz, wohl i.S.v. ‘nachdem er lange …’ (FAESI; CLASSEN [1851–1857] 1867, 23f.; vgl. CHANTR. 2.354: ‘lui qui avait … ’; zur Parataxe mittels δέ statt Hypotaxe 1.10n. s.v. ὀλέκοντο δέ; zur Interpunktion [Semikolon statt Punkt] und zur damit verbundenen Frage nach der Fokalisation von δηρὸν … ἀλεγεινῆς seit Nikanor [GT 15] s. NÜNLIST 2003, 65f.; 2009, 128f.).
249–253 Polydamas (FM 9), der nur an diesem dritten Kampftag der Ilias in Erscheinung tritt, ist bereits als Unteranführer der Troer (11.56f.) und Hektors Ratgeber (12.60–80, 12.210–229, 13.723–747) und Kampfgefährte (14.423ff.) eingeführt worden und entspricht dem Typ des Warners; weitere Warner sind: (a) auf troischer Seite Antenor, Mitglied des Ältestenrates (7.348ff.: FM 9), und der Seher Helenos (FM 8; 6.76n.); (b) auf achaiischer Seite Nestor (z.B. 1.254ff., 9.93ff.: FM 3), Odysseus (z.B. 2.183ff., 2.278ff., 14.95ff., 19.155ff., 19.216ff.: 3.191–
245 ἐς: = εἰς (R 20.1). — ἀγέροντο: (komplexiver) Aor. zu ἀγείροµαι; zur augmentlosen Form R 16.1. — δόρποιο: zur Flexion R 11.2. 246 ὀρθῶν ἑσταότων: ὀρθῶν prädikativ zu ἑσταότων (= ἑστώτων, Perf. zu ἵσταµαι, vgl. R 6). — οὐδ(έ): konnektives οὐδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). 247 ἔχε: = εἶχε (R 16.1). — οὕνεκ(α): Krasis für οὗ ἕνεκα (R 5.3), ‘weil’. 248 δηρόν: Adv., ‘lange’.
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224n.), Achills Berater Phoinix (9.434ff.: FM 5) und der Seher Kalchas (1.68ff.: 1.69–73n.); (c) in der Odyssee Halitherses und Mentor (REINHARDT 1961, 272f.; NICOLAI 1993, 333–335; DE JONG zu Od. 2.157–60). – Polydamas’ taktische Ratschläge werden von Hektor zum Nutzen der Troer befolgt (12.80ff., 13.748ff.), seine Warnungen vor allzu großer Kühnheit gegenüber den Achaiern jedoch wie hier zurückgewiesen (12.230ff., 18.285ff.: Antizipation von SzenenP). Die vorl. Szene mit seinem letzten Auftritt in der Ilias zeigt ihn zum ersten Mal als Versammlungsredner; dafür wird er zwischen zwei formelhaften Rede-EinleitungenP (249n., 253n.) weiter vorgestellt und als Ratgeber legitimiert: er ist Altersgenosse und Antipode Hektors, in der Beratung äußerst befähigt (zur nachträglichen Vorstellung von FigurenP RICHARDSON 1990, 44. 215 Anm. 13). Dies signalisiert die Bedeutsamkeit seiner Rede und dient der Steuerung der Hörererwartung: denn sein Rat ist gerade jetzt – am Ende des Hektor verheißenen Siegestages – für Hektors Zukunft und damit für Troias Schicksal bedeutsam (vgl. 22.99ff.): EDWARDS zu 249–53; HAINSWORTH zu Il. 12.60; DE JONG zu Il. 22.100–3; LfgrE s.v. Πουλυδάµας mit Lit.; SCHADEWALDT [1938] 1966, 104–109; REINHARDT 1961, 272–277; REDFIELD (1975) 1994, 143–153; SCHEIN 1984, 183–185; SCHOFIELD (1986) 2001, 239–242; DE JONG (1987) 2004, 199; TAPLIN 1992, 156–160; REICHEL 1994, 175–182; MACKIE 1996, 33ff.; zum Verhältnis Polydamas – Hektor s. auch 251–252n.; zur parallelen Struktur der Hektor-Polydamas-Szenen s. LOHMANN 1970, 178–182 (“übergreifende Komposition”); DICKSON 1995,133– 141; zu den rhetorischen Qualitäten von Polydamas’ Reden DENTICE 2012, 243– 260; zu den Ratgeber-Szenen mit Polydamas und Helenos BANNERT 1988, 71–81. 249 ≈ 7.347, Od. 22.461; 1. VH bis zur Zäsur C 2 ≈ Od. 1.367, 15.502. — Formelhafte Rede-EinleitungP, meist zu Beginn von Versammlungen (3× Il., 5× Od.), das Subj. mit Epitheton (od. Apposition) um die Mittelzäsur B 1 plaziert (1.571n.). Die direkte Rede folgt hier erst nach dem Formelvers 253 (s.d.); zur erweiterten Rede-EinleitungP 249–253n.; vgl. auch 2.790n., 19.404n. — fing … an: Erster Redner einer Versammlung ist oft derjenige, der sie einberufen hat (vgl. Hektor 8.489/493ff.), oder ein erfahrener Ratgeber (z.B. der Troer Antenor 7.347ff.: FM 9): RUZÉ 1997, 53. Im Feld übernimmt Polydamas diese Rolle; er wird als Sohn des Panthoos vorgestellt (VA 250; vgl. BAKKER 1997, 170f.), der wie Antenor dem troischen Ältestenrat angehört, dessen Mitglieder aus Altersgründen nicht mehr am Kampf teilnehmen (3.146–151a). πεπνυµένος: ‘intelligent, klug’; ist Ptz. zu πέπνυµαι (‘bei Bewußtsein sein’ > ‘verständig, klug sein’: LIV 489), verwendet als generisches EpithetonP von Herolden, Ratgebern und guten jungen Rednern (3.148n., 24.377n.); an der vorl. Stelle gibt es Hinweise, die auf
249 τοῖσι: ‘unter ihnen’ (R 19.2); zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17; zur Flexion R 11.2. — Πουλυδάµας: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).
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kontextbezogene Verwendung schließen lassen: (1) die weitere Charakterisierung 250, 252f.; (2) der Kontrast zur neutralen Rede-Einleitung 12.60, 12.210, 13.725; (3) die Verwendung des metrisch gleichwertigen Epithetons ἐγχεσπάλος in der Kampfsituation 14.449 (EDWARDS).
250 ≈ Od. 24.452. — Die gr. Redewendung ‘nach vorn und nach hinten schauen’ (hórā próssō kai opíssō) beschreibt Polydamas’ besondere Fähigkeit, indem er mit umsichtiger Sorgfalt alle Punkte berücksichtigt, den Überblick bewahrt und aufgrund der Erfahrung aus der geänderten Situation Rückschlüsse auf Künftiges zieht (s. 257–265 u. 268–271, außerdem 12.63–66, 12.71–77, 12.217–225, 13.736–744); zur sprichwörtlichen Redensart 1.343n., 3.109–110n.; EDWARDS; LfgrE s.vv. ὀπίσ(σ)ω, πρόσ(σ)ω; weitere Lit. bei PRALON 1995, 237f. Anm. 8. Der Zusatz ‘allein’ (gr. óios) weist ihn als wichtigsten Analytiker der Troer aus, vergleichbar mit der Position Hektors, der ‘allein’ Troia beschützt (Hinweis DE JONG; zu Hektor s. 6.402–403n., 24.499n.; DE JONG zu Il. 22.506–7). Πανθοΐδης: Ζur Stellung des Patronymikons im progressiven EnjambementP vgl. 2.576– 577a n. (“stellt … Abkunft ostentativ heraus”), 24.687–688n.
251–252 Polydamas’ Rolle als Hektors Ratgeber und seine Bezeichnung als ‘Gefährte’ (gr. hetáiros 251), welche die enge Beziehung der beiden hervorhebt (vgl. 343n.), lassen das Figuren-Paar Polydamas–Hektor als Analogie zum Paar Patroklos–Achilleus erscheinen; bei diesem ist allerdings die im hom. Epos häufig anzutreffende Konstellation ‘älterer Ratgeber – jüngerer Adressat’ gegeben, vgl. 11.786ff. (dazu 1.259n., 3.108–110n., 19.218–219n.), während hier der gleiche Geburtszeitpunkt zusammen mit den unterschiedlichen Begabungen Polydamas gleichsam zum alter ego Hektors macht (REINHARDT 1961, 272–276: “Hektors […] Gegenstimme” [Zitat 276]; REDFIELD [1975] 1994, 143–153; THALMANN 1984, 180f.; SCHOFIELD [1986] 2001, 240; BANNERT 1988, 81 Anm. 24; PRALON 1995, 238f.; CLARK 2010, 137ff.; weitere Lit. 249–253n.; vgl. auch DE JONG zu Il. 22.100–3). Erzählstrategisch dient diese Gleichaltrigkeit auch dazu, Polydamas’ Klugheit als besondere Begabung erscheinen zu lassen (vgl. auch 13.730–734, außerdem 1.247b–252n. [Verbindung von Redekunst und hohem Alter]) und Hektor größere Freiheit zu geben, ob er dem Rat seines Altersgenossen folgen will, vgl. Polydamas’ Kommentar 12.211–214, 13.726–728 (EDWARDS). — Worten … Lanze: die Werkzeuge im Rat bzw. im Kampf (dazu 1.258n. mit Lit.); entspricht der Gegenüberstellung in V. 106 (Achilleus’ Selbsteinschätzung; s.d.). Hektors 250 Πανθοΐδης: ‘Sohn des Panthoos’. — οἶος: ‘allein’. — ὅρα: augmentlose (R 16.1) 3. Sg. Impf. zu ὁράω. — πρόσσω … ὀπίσσω: zum -σσ- R 9.1. — καὶ ὀπίσσω: zur Hiatkürzung R 5.5. 251 ἦεν: = ἦν (R 16.6). — ἰῇ: = µιᾷ; ‘(in) ein und derselben (Nacht)’. 252 ἄρ: = ἄρα (R 24.1). — πολλόν: adverbialer Akk., ‘weitaus’ (zur Flexion R 12.2). — ἐνίκα: hier ‘war überlegen (durch bes. Fähigkeiten)’.
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Vorzüge als Kämpfer sind unbestritten (z.B. 5.602, 7.237ff., 9.351ff., 12.462ff., 14.388ff.: 6.402–403n.; zu Polydamas’ Leistungen als Kämpfer s. STOEVESANDT 2004, 175f.); die Nennung seiner Defizite in der Beratung, die von Polydamas als gottgegeben bezeichnet werden, bleibt unwidersprochen (13.726–735, 748: JANKO zu 13.726–9 u. 15.281–5; Stellen mit Hektor als Adressat von Paränesen und Ratschlägen s. 6.75–80n.). ἦεν: 4n. — ἔγχεϊ: zur metonymischen Verwendung (i.S.v. ‘im Kampf’) s. BAKKER [1991] 2005, 20.
253 Rede-EinleitungsP-Formelvers für einen Ratschlag, v.a. in Versammlungen, oft bei einem Sprecher, der als Experte gilt (9× Il., 6× Od.): FINGERLE 1939, 299; DE JONG zu Od. 2.157–60; KELLY 2007, 72. 375f. ὅ: auf Polydamas bezogen (249f.), anaphorisch zu ὃ γάρ (250) u. ὃ µέν (252). — σφιν ἔϋ φρονέων: ‘gut sinnend, vernünftig’, d.h. ‘das Situationsangemessene im Kopf habend’; σφιν ist auf µετέειπεν zu beziehen (1.73n.; LfgrE s.v. φρονέω 1041.53ff.). — ἀγορήσατο καὶ µετέειπεν: VE-Formel (9× Il., 15× Od.) mit synonymischer Doppelung (dazu 1.160n., 2.39n.): Denominativum ἀγοράοµαι mit der Bed. ‘in der Versammlung das Wort ergreifen’ (1.73n.), µετ-ειπεῖν für Reden an ein Kollektiv (vgl. 19.55n., 19.76n.).
254–309 Die beiden Reden der Versammlung (254–283 u. 285–309) sind nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell eng aufeinander abgestimmt (ParallelkonstruktionP; LOHMANN 1970, 30–32. 119f., 188. 201; EDWARDS zu 253–83 u. 284–309; zu den Motiven in den Reden der Ilias am Ende der Kampftage, bes. bei Hektor 8.497ff., s. KELLY 2007, 352–354 [“night instruction | morning prediction”]): (I) Polydamas (254–283): Teil (1) in RingkompositionP: (A/A’) Aufforderung zum Rückzug (254–256/266); (B) Begründung durch Situationsanalyse (früher – jetzt): (a) bisher war Achills Groll ein Kampfvorteil für die Troer (257–260), (b) von jetzt an wird Achill Troia angreifen (261–265); Teil (2) zwei Handlungsmöglichkeiten (C) vs. (D): (C) Verbleib in der Ebene: (a) in der Nacht (267–268a), (b) morgen (268b–270a), (c) Folge: die Troer werden zurückgetrieben, viele getötet, von Tieren gefressen (270b–271); (D) Rückzug in die Stadt: Einleitung (273), (a) in der Nacht (274–276), (b) morgen (277–278a), (c) Folge: Achill wird zurückgeschlagen, viell. sogar getötet, von Tieren gefressen (278b–283). 253 σφιν: = αὐτοῖς (R 14.1). — ἔϋ: = εὖ.— φρονέων: zur unkontrahierten Form R 6. — µετέειπεν: = µετεῖπεν (vgl. 9n.).
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(II) Hektor (285–309): Teil (1) in RingkompositionP: (A/A’) Ablehnung des Ratschlags zum Rückzug (285f./293–296); (B) Begründung durch Situationsanalyse (früher – jetzt): (a) früher war Troia reich (287–289), (b) jetzt schwinden Troias Mittel dahin (290–292); Teil (2) ein Handlungsappell (C), mit anderer Beurteilung der Situation: (C) Verbleib in der Ebene: Einleitung (297), (a) jetzt, d.h. in der Nacht (298–302), (b) morgen (303f.), (c) Folge: Konfrontation Hektors mit Achill in der Schlacht (305–309). Die von Polydamas geäußerten Vermutungen über den künftigen Kampfverlauf (262b–265, 268–271, 278–283a) werden gegen Ende des 21. und im 22. Gesang eintreffen (REICHEL 1994, 180). 254 2. VH ab Zäsur C 2 = 23.894, Od. 17.400. — ἀµφί: ‘von/nach beiden Seiten’, adverbiell zu φράζεσθε (‘bedenkt, gebt acht!’: vgl. 24.354n.), verstärkt durch µάλα: die Folgen beider Handlungsmöglichkeiten (255f.) sollen genau bedacht werden (267ff. u. 274ff.): AH; LEAF; FRITZ 2005, 95. 101. — φίλοι: Vertrautheit suggerierende Anrede an einen größeren Adressatenkreis (2.56n., 2.299n.); im Vergleich mit den Eröffnungsreden der vorigen Versammlungen (7.348f., 8.497) ist sie hier aufgrund der Dringlichkeit kurz und schmucklos.
255 2. VH ≈ 11.723, Od. 9.151, 9.306, 9.436, 12.7, 16.368. — zur Stadt: Bereits 12.215ff. hatte Polydamas zum Rückzug weg von den Schiffen geraten, ebenfalls aufgrund der Interpretation einer Erscheinung (12.217ff.), ebenfalls vergeblich (12.238ff.): Antizipation von SzenenP; jetzt gilt seine Sorge nicht nur der Sicherheit des Heeres (268–272), sondern v.a. auch der Stadt (261–265), wofür er auch den Verlust des bisher erkämpften Vorteils in Kauf nimmt. – Empfehlungen an Hektor zu vorsichtigem, defensivem Vorgehen finden sich auch sonst: 15.721ff. (die troischen Geronten), 6.433ff. (s.d.) und 22.56f., 84f. (Bitten von Angehörigen); auch auf achaiischer Seite findet sich das Motiv ‘Ratschlag zum Rückzug’, einerseits als Vorschlag, den Krieg aufzugeben und heimzukehren (2.114ff. [sog. Peira: 2.73–75n.], 2.236ff., 9.21ff., 14.74ff.), andererseits als Rat, sich im Kampf vor dem Gegner zurückzuziehen (5.243ff., 7.109ff., 8.139ff., 15.294ff., 17.622f.); zum Motiv STOEVESANDT 2004, 289 Anm. 863; KELLY 2007, 164f.; PAGANI 2008, 366–372; RINON 2008, 98ff. Dies ermöglicht es dem Erzähler, Alternativen möglichen Handlungsverlaufs ins Blickfeld zu rücken (vgl. 1.169–171n.; MORRISON 1992, 60ff.; außerdem 166–202n.). — Morgenröte: Gr. ēṓ dían ist eine for-
255 ἄστυδε: zum Suffix R 15.3. — µίµνειν: formale (Präs.-Reduplikation) u. metr. Variante zu µένειν. — ἠῶ: ‘Morgenröte’ (↑; att. ἕω, vgl. R 3).
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melhafte Junktur (13× fgrE, davon VE-Formel 3× Il., 6× Od.); zu idg. Parallelen SCHMITT 1967, 172–175; WEST 2007, 218f.; vgl. auch 2.48n. ἄστυδε: ἄστυ ist viell. der für den Bewohner der Stadt emotionalere Begriff als πόλις (24.327n.), vgl. in der Rede des Polydamas noch 266, 274 vs. 265, 281, in der Rede Hektors 286 vs. 288. — µὴ … ἠῶ δῖαν: Verse mit einer daktylischen 1. VH und lauter Spondeen in der 2. VH sind im hom. Epos selten (8× Il. [s. Vv. 41, 404], 5× Od.: DEE 2004, 488f.); dieser Rhythmus unterstreicht hier viell. den Inhalt (Kontrastierung von Bewegung u. Verweilen). – ἠῶ ist Kontraktionsform aus *ἠόα (G 45).
256 VA bis zur Zäsur A 4 = 2.473, 2.812, 3.133, 7.66, 20.217. — Eb’ne … Schiffen: in der Nähe des Schlachtfeldes (7n.; Appendix zum 14. Gesang). ἑκάς: ‘fern (von)’, nur hier durch ἀπό verstärkt, sonst außer adverbiell auch als Präp. + Gen. verwendet (SCHW. 2.538; CHANTR. 2.147f.); ἑκὰς δ’ ἀπὸ τείχεος betont die weite Entfernung von der Zuflucht bietenden Mauer Troias.
257 Achills Groll ist vom 1. Gesang an das Leitmotiv der Ilias (gr. mḗnis, mēníō: 1.1–12a n., 1.1n., 1.247a n., 19.75n.). Nur dank Achills Kampfbykott war es den Troern möglich geworden, sich außerhalb der Stadtmauern zu halten (5.788–791; zum Motiv ‘Kampfboykott zürnender Helden’ s. 6.326n.). Sowohl den Achaiern (1.282–284, 9.352–355, 11.798–801, s. auch Heras Schelte 5.787–791) als auch den Troern (16.278–283, 18.261, s. auch Apollons Kampfaufruf 4.509–513) ist die Bedeutung von Achills überlegener Kampfkraft für den Kampfverlauf klar (VAN WEES 1992, 139f.; vgl. auch 6.99n.). Indem Polydamas mit seiner Formulierung das Ende von Achills Kampfboykott suggeriert, versucht er, die Troer auf die Wende im Kampfverlauf und die dadurch drohende Gefahr einzustimmen (vgl. auch 265, 268f.), obwohl er – im Gegensatz zum Rezipienten – nur vermuten, aber nicht sicher wissen kann, daß Achill von nun an wieder am Kampf teilnehmen wird, vgl. Hektors Entgegnung 305 (TAPLIN 1992, 158 Anm. 3; vgl. ParalepseP bzw. ‘transference’: DE JONG zu Od. S. xviii); allerdings ist diese Vermutung nach Patroklos’ Tod sehr plausibel. Daß Polydamas und die Troer insgesamt den Grund für Achills Kampfboykott, seinen Streit mit Agamemnon, kennen, läßt sich etwa mit der Szene des Zweikampfes Aias–Hektor im 7. Gesang erklären, in der Aias in seiner Herausforderungsrede Achills Fernbleiben mit dessen Groll auf Agamemnon begründet (7.229f., s. auch 4.512f., 16.281f.). — dieser Mann: Periphrastische BenennungP für Achilleus. Mit dem deiktischen Pronomen hoútos (‘der da’) weist Polydamas auf den von allen Anwesenden eben erst miterlebten Auftritt Achills hin, der noch nachwirkt, s. 246–248 (AH; FAESI; vgl. BAKKER [1999] 2005, 77ff.). Zudem ist die Bez. hoútos anḗr (‘dieser Mann’) in direkten Reden oft in pejorativem Ton verwendet, u.a. vom Feind, dem man widerwillig Anerken256 νηυσίν: zur Flexion R 12.1. — τείχεος: zur unkontrahierten Form R 6. — εἰµέν: = ἐσµέν (R 16.6). 257 ὄφρα: ‘während, solange’ (R 22.2), dazu korrelativ τόφρα (258).
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nung zollt, meist von “anwesenden od. doch sichtbaren Pers.” (LfgrE s.v. ἀνήρ 857.62ff. u. 858.46ff.; CHANTR. 2.169). Deutlicher äußert sich Polydamas 13.746f. über Achill (“ein Mann, unersättlich des Krieges”; allg. zu Umschreibungen für Achilleus 24.204n.). ὄφρα …: explikatives Satz-Asyndeton (AH; vgl. 20–21n.). — Ἀγαµέµνονι … δίῳ: sonst flektierbare VE-Formel (4× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’: 2.221–222a n.) u. Formel vor der Zäsur B 2 (2× Il., 1× ‘Hes.’), außer hier u. Od. 11.168 (Odysseus) immer im ErzählerPText; zum generischen EpithetonP δῖος 228n.
259–260 Polydamas tritt als diplomatisch geschickter Redner auf, indem er in einer rhetorischen captatio benevolentiae vorgibt, daß er bis jetzt mit Hektor in der optimistischen Einschätzung der Möglichkeit, ihr Kampfziel zu realisieren, übereinstimmte (s. aber 249–253n. zu seinen früheren Appellen zur Vorsicht); dieser hatte an den letzten beiden Schlachttagen wiederholt Zuversicht über einen möglichen Sieg verbreitet (vgl. bes. 8.498–528, 15.497–500, 15.718–720). Seinen Rat zur Vorsicht begründet er im Folgenden explizit mit der jetzt veränderten Situation (261ff.). Seine Äußerung zeigt zudem die Auswirkung von Achills Wunsch (die Achaier mögen bei ihren Schiffen bedrängt werden: 76n.) in der Sicht des Gegners: die Nähe zu den Schiffen beflügelte die Stimmung unter den Troern. χαίρεσκον … ἰαύων, | ἐλπόµενος: Mit χαίρεσκον (χαίρω ‘sich freuen’, als affekthafte Empfindung: LfgrE) ist nur ἐλπόµενος, jedoch nicht das Ptz. ἰαύων (‘übernachten’: 19.71a n.) zu verbinden (dagegen AH: Gegenstand [ἰαύων] und Grund [ἐλπόµενος] der Freude; CHANTR. 2.322: ‘à camper près des nefs avec l’espoir de …’; PRALON 1995, 239), da die Iterativ-Bed. (vgl. G 60) nicht recht dazu paßt: die Troer haben erst eine Nacht draußen verbracht (STR 21, Abb. 1; vgl. LEAF; WILLCOCK). ἔλποµαι (‘erwarten, rechnen mit’) ist in Verbindung mit χαίρω betonter Ausdruck der optimistischen Einstellung (LfgrE s.vv. ἔλποµαι u. χαίρω, bes. 1093.1ff.; LATACZ 1966, 74: “die ganze Zeit über, als ich bei den Schiffen lag, empfand ich immer wieder rechte Lust bei dem Gedanken, wir würden die Schiffe nehmen”). Die Äußerung zeigt die Stimmung, die unter den Troern herrschte, seit das Lager in der letzten Nacht in der Nähe der Schiffe aufgestellt werden konnte: Optimismus und Vorfreude auf den erhofften Sieg und die Beute (260). — θοῇς ἐπὶ νηυσίν: flektierbare, formelhafte Wendung nach der Zäsur B 2; Bez. für das Schiffslager der Achaier (24.1n.; vgl. auch 19.160n.). — ἐλπόµενος … ἀµφιελίσσας: Vier-Wort-Vers, weist mit Nachdruck auf den Grund der Freude (BASSETT 1919, 223f.; vgl. 1.75n.). — ἀµφιελίσσας: immer am VE verwendetes Schiffsepitheton mit der Bed. ‘beidseits gerundet’ (im Bezug auf den Rumpf): 2.165n.; CASSON 1971, 45 mit Anm. 17.
258 δέ: ‘apodotisches δέ’ (R 24.3). — ῥηΐτεροι: Komp. zu ῥηΐδιος (= att. ῥᾴδιος); persönl. Konstruktion (ῥ. πολεµίζειν ἦσαν) mit trans. πολεµίζειν ‘bekämpfen’. 259 χαίρεσκον: iterativ (-σκ-: R 16.5; ↑). — θοῇς: zur Flexion R 11.1. 260 νῆας(ς) αἱρησέµεν: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8); zur Flexion von νηῦς R 12.1. — αἱρησέµεν: Inf. Fut. (R 16.4); als Subj.-Akk. ist ἡµᾶς zu denken.
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261 1. VH = 1.555, Od. 24.353; ≈ Il. 9.244, 10.538, h.Ap. 70. — Für Polydamas ist offenbar sicher, daß seine schon früher einmal geäußerte Befürchtung, daß Achill bei Bedarf wieder am Kampf teilnehmen wird (13.746f.), jetzt eintreten wird (262ff.). ποδώκεα Πηλεΐωνα: zur flektierbaren VE-Formel (12× Il.) und ihren Varianten 234n., 24.458n.
262 1. VH = Od. 15.212; ≈ Il. 15.94. — Achills Eintritt in den Kampf wird die Bewegung in die umgekehrte Richtung treiben, aus der Ebene in Richtung Stadt (265); dem sollten die Troer zuvorkommen (255f., 266). οἷος …, οὐκ ἐθελήσει: Der mit relativischem οἷος eingeleitete NS begründet nicht die Aussage von 261 (Polydamas’ Furcht), sondern den folgenden HS (Achills künftiges Vorgehen im Kampf), ebenso Od. 15.212 (AH; EDWARDS; LfgrE s.v. οἷος 605.22ff.; vorsichtig LEAF; MONTEIL 1963, 192f.; zu οὐκ ἐθελήσει [‘wird nicht geneigt sein’] LfgrE s.v. 417.20ff.). — ἐκείνου: Demonstrativpron. der Figuren-SpracheP; kann wie hier örtliche Distanz signalisieren: ‘von ihm dort’ (3.391n.; SCHW. 2.209f.; CHANTR. 2.169f.; zeitl.: 2.330n.). Im Gegensatz zu 257 (οὗτος, s.d.) drückt der Sprecher hier eine größere Distanz gegenüber Achill aus, in der sich viell. auch eine gewisse Achtung zeigt, ähnlich 11.653f., s. auch 5.790 (Distanziertheit aus Wut: 9.678, 14.368 (s.d.), 20.106): vgl. BONIFAZI 2012, 60f. — ὑπέρβιος: bed. ‘übergewaltig’ (zur Bildungsweise RISCH 187, 189); dient der Charakterisierung von FigurenP als Epitheton bei θυµός (außer hier Od. 15.212 [Nestor]), bei ἦτορ (Hes. Th. 139 [Kyklopen], 898 [Zeus-Sohn]), bei ὕβρις (Od. 1.368, 4.321, 16.410 [Freier]) u. bei ἄχθος (Hes. Op. 692): LfgrE. An der vorl. Stelle ist es eine Umschreibung von Achills Leidenschaftlichkeit (LfgrE s.v. θυµός 1081.51ff.; BÖHME 1929, 70f. Anm. 1: ‘Stolz’; PRALON 1995, 239: ‘énergie vitale’). 263 Τρῶες καὶ Ἀχαιοί: flektierbare VE-Formel (Nom., Gen. u. Akk. Pl.: 9× Il.).
264 in der Mitte alle beide: Mit dieser Ortsangabe zusammen mit dem nachdrücklichen Zusatz ‘beide’ entsteht ein Kontrast zur Bewegung, wie sie von Achill zu erwarten ist, nämlich direkt gegen die Stadt (262f., 265). µένος ἄρηος δατέονται: singuläre Ausdrucksweise, vergleichbar mit Od. 16.269 µένος κρίνηται ἄρηος (s. auch 209). δατέοµαι bed. ‘(untereinander) aufteilen’ (Obj. sind v.a. Kriegsbeute, Erbschaft, Land u. Essen), µένος bed. ‘Drang, aggressive Energie’ (1.103n.), µένος ἄρηος δατέονται also ‘den Kampfdrang untereinander aufteilen’, d.h. ‘die milit. Kräfte messen, sich im Kampfe messen’ (LfgrE s.vv. δατέοµαι, µένος 140.31f., vgl. auch s.v. Ἄρης 1261.15ff. u. 209n.).
265 ≈ Od. 11.403, 24.113. — um die Stadt: die erste in einer Reihe von Äußerungen verschiedener FigurenP, die befürchten, Achill werde demnächst Troia ero261 δείδοικα: = δέδοικα (δείδοικα < *δεδϝοικα: R 4.2). 263 πεδίῳ, ὅθι: zum Hiat R 5.6. — ὅθι: ‘wo’ (vgl. R 15.2). — περ: betont das vorangehende Wort (R 24.10). 264 ἀµφότεροι: ‘beide (Parteien, Heere)’. — ἄρηος: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1); zur Flexion R 12.4.
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bern: 20.29f. Zeus, 21.308–310 der Flußgott Skamander, 21.515–517 Apollon, 22.56ff. Priamos, 24.728f. Andromache (vgl. auch Agenor 21.583f.); s. außerdem 22.378–392 Achills spontaner Impuls nach der Tötung Hektors, den er aber unterdrückt, und 21.544f. im Erzählertext (‘Wenn nicht-Situation’P): SCHADEWALDT (1938) 1966, 156f. Anm. 4; zu den wiederholten ProlepsenP von Troias Eroberung s. 2.12n., 6.447–449n.; DE JONG zu Il. 22.56–76. — die Frauen: Polydamas weist indirekt auf das drohende Schicksal der Frauen – neben Helena werden auch alle anderen Frauen aus der eroberten Stadt Kriegsbeute sein (vgl. 28n.) – und leitet damit zum paränetischen Teil 266ff. über, in welchem er die Troer auf seine Taktik zum Schutz der Stadt und der Frauen einschwören will; zu diesem Motiv vgl. die Kampfparänesen der Troer 5.485f., 15.496–499, 17.223–228 und Hektors Befehle am Ende des vorigen Kampftages 8.520f. (vgl. STOEVESANDT 2004, 292). περί: 195n. — πτόλιος: neben ἄστυ 266, s. dazu 255n. 266 1. VH ≈ Od. 24.358. — ἀλλ’ ἴοµεν: VA-Formel (5× Il., 6× Od.); zur ihrer Erweiterung durch προτὶ ἄστυ und zur Versstruktur (drei vollständige Sätze in einem Vers als seltenes Phänomen in der Ilias) s. HIGBIE 1990, 95f.; zu ἀλλά 134n. — πιθέσθε: zur Satzstruktur vgl. SCHW. 2.633 (“nachdrückliches Asyndeton von Imperativen”); zum Akzent des Imp. (ältere Paroxytonese) schol. T; WACKERNAGEL (1925) 1953, 864–866. — ὧδε: rückverweisend auf 262ff., als Abschluß der Aufforderung ( VAN LEEUWEN; EDWARDS: “That’s the way it will be!” [mit Hinweis auf 272]): mit der Aussage ὧδε γὰρ ἔσται vergegenwärtigt Polydamas abschließend die vorgelegte Situationsanalyse, bevor er sich der ausführlichen Analyse der beiden Handlungsmöglichkeiten zuwendet (anders AH; FAESI; LOHMANN 1970, 31. 120; PRALON 1995, 239 mit Anm. 16: vorwärtsweisend auf 267ff.); zu rückverweisendem/anaphorischem ὅδε, ὧδε s. K.-G. 1.646f.; CHANTR. 2.168.
267–283 Polydamas analysiert die beiden Handlungsmöglichkeiten und ihre Auswirkungen anhand seiner grundsätzlichen Einschätzung von Achills Verhalten (261–265), wobei er sie inhaltlich und durch wörtliche Wiederholungen eng miteinander verknüpft (254–309n.): ‘fußschnellen Peleus-Sohn’ VE 261/267, ‘Nacht’ 267/274, ‘morgen’ und ‘in Waffen’ 269/277, Flucht nach Troia 270–271a / Rückkehr ins Schiffslager 280a, ‘Hunde werden viele fressen 271b / ihn fressen (falls er versucht, in die Stadt einzudringen)’ 283b; außerdem 262b–263a/278b–279a u. 265/279b. – Bei der Schilderung der Handlungsmöglichkeit (C) (Verbleib in der Ebene) finden sich ähnliche Formulierungen (v.a. 269–271) wie 19.71f. in Achills von Zuversicht erfüllter Rede vor der Heeresversammlung des folgenden Tages.
265 πτόλιος: zur Flexion R 11.3; zum πτ- R 9.2. — µαχήσεται: Fut. zu µαχέοµαι (einer Nebenform zu µάχοµαι). — ἠδέ: ‘und’ (R 24.4). 266 ἴοµεν: kurzvokalischer Konj. (R 16.3). — προτὶ (ϝ)άστυ: zur Prosodie R 5.4. — προτί: = πρός (R 20.1).
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267 Für Polydamas hat nur der Sonnenuntergang die Troer vor Schlimmerem bewahrt (zum Motiv ‘die Nacht beendet den Kampf’ s. 2.387n.); daß Achill noch nicht wirklich gefährlich werden konnte, weiß er nicht. Im Gegensatz dazu hatte am Ende des vorausgehenden Kampftages der Einbruch der Nacht die Griechen vor Schlimmerem bewahrt, da er Hektors Sturm auf das Schiffslager verhinderte (8.487–501, s. dort auch Zeus’ Prophezeiung zum Kampfverlauf des nun zu Ende gehenden Tages: 8.473–476; zum Motiv der Nacht im Moment der größten Krise s. BIERL 2012, 143. 169f.). ποδώκεα Πηλεΐωνα: 261n.
268 göttliche: Das gr. Adjektiv ambrósios bedeutet ‘zu den Unsterblichen gehörig, göttlich’ und wird als Epitheton der Nacht meistens verstanden als ‘göttliches Geschenk’ oder ‘Lebenskraft spendend’ (2.57n.). Auf der Figuren-Ebene kann es Ausdruck von Polydamas’ Erleichterung über das Tages-Ende signalisieren (sekundär fokalisiertP), auf der Erzähler-Ebene ein Wiederhall von 239–242 sein (Hinweis DE JONG). ἀµβροσίη: Zur Etymologie (Ableitung von ἄµβροτος) 24.341n., G 15; im Nom. sonst VE-Formel ἀµβροσίη νύξ (3× Od.), zum Formelsystem im Akk. 2.57n. 269–270 σὺν τεύχεσιν: formelhafte Junktur nach der Zäsur B 1 (25× Il., 1× Od.); τεύχεα umfaßt die Rüstungsteile und die Angriffswaffen, σὺν τ. also etwa ‘vollständig gewappnet’ (für den Kampf): 3.29n. — εὖ νυ: die Junktur außer hier am VA (4× Il., 1× Od.), immer mit dem Verb ‘wissen’ verbunden (vgl. 197n.); die Partikel νυ weniger mit zeitlicher Bed., sondern intensivierend in Ausrufen, Aufforderungen od. Fragen (Schw. 2.571; RUIJGH 1957, 59ff., zu εὖ νυ 61; vgl. 19.95n.). — εὖ … αὐτόν | γνώσεται: Zur Bed. ‘(js. physische Stärke) kennenlernen’ s. 3.53n. — τις: mit Kollektiv-Bed. ‘mancher’ (vgl. 122n.). — ἀσπασίως: ‘froh, erleichtert’; in ähnlichem Kontext auch 7.118, 11.327, 19.72 (s.d.); vgl. auch ἀσπάσιοι 21.606f.; ἀσπασίως δ’ ἀφίξεται Ἴλιον steht in einem Spannungsverhältnis mit 259 χαίρεσκον … ἐπὶ νηυσὶν ἰαύων. — Ἴλιον ἱρήν: Zur flektierbaren VE-Formel (21× Il., 2× Od.) und zu ἱερός als generischem EpithetonP von Städten s. 1.38n.; WEST zu Od. 1.2; zu ἱερός bei weiteren Begriffen 24.681n.
271 2. VH ≈ 22.42. — Hunde … Geier: Zum Motiv s. 179n.; Polydamas verwendet es zweimal: hier als Warnung an die Troer vor den großen Verlusten, die Achill ihnen zufügen werde (vgl. schol. A, bT), V. 283 im zuversichtlicher gestimmten Abschluß der Rede, in welchem ein drohender Unterton gegen Achill mitschwingt, vgl. 278ff. (SEGAL 1971, 26–28; GRIFFIN 1980, 115). γῦπες ἔδονται: variierbare VE-Formel (γ. ἔδονται/ἔδοιεν): 4× Il., 1× Od.
267 ἀπέπαυσε: ‘hielt auf, unterbrach’. 268 ἀµβροσίη: zum -η nach -ι- R 2. — ἀµβροσίη· εἰ: zum Hiat R 5.6. — ἄµµε: = ἡµᾶς (R 14.1). — κιχήσεται: Fut. zu κιχάνω ‘antreffen’. — ἐόντας: = ὄντας (R 16.6). 270 ἀφίξεται Ἴλιον: urspr. (ϝ)ίλιον (R 4.6). — ἱρήν: = ἱεράν. 271 κε: = ἄν (R 24.5).
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272 Die – viell. sprichwörtliche – Äußerung steht für den Wunsch, das eben Beschriebene möge nicht eintreten, vgl. 22.454: Andromache wünscht, daß ihre eben geäußerte Befürchtung nicht wahr werde (VAN LEEUWEN u. EDWARDS: ‘absit omen’). Die Wendung ‘fern dem Ohr’ wird verschieden gedeutet; sie bed. aber wohl am ehesten “möge ich nie hören, daß diese meine Befürchtung eintrete” (so AH; ähnlich FAESI; EDWARDS; CERRI; PRALON 1995, 240 Anm. 19; WILLE 2001, 60; DE JONG zu Il. 22.454) und ist weniger ein Wunsch, das Gesagte möge ungehört bleiben, d.h. gleichsam ungesagt sein (so VAN LEEUWEN; LEAF [mit Vorbehalt]; WILLCOCK; FRONTISI-DUCROUX 1986, 36f., mit Hinweis auf 4.363; vgl. auch LfgrE s.v. γίγνοµαι 152.7f.: “sc. mein unbedachtes Wort”). Der Vers wird von einigen als Interpolation verdächtigt: (a) wegen des (nach 268, 270) unnötig erscheinenden runover word Τρώων (s. aber z.B. 2.13/30/67, 5.94, 10.222, 10.232, 11.121, 17.753), (b) wegen der als ungewöhnlich empfundenen Verwendung von ὧδε (‘so, wie ich eben sagte’, d.h. ‘das Gesagte’: AH; FAESI; anders CERRI: rein deiktisch, verbunden mit einer Geste der Distanz weg von den Ohren), wodurch die Formulierung weniger klar ist als in 22.454 (αἲ γὰρ ἀπ’ οὔατος εἴη ἐµοῦ ἔπος): LEAF; BEKKER 1872, 31; EDWARDS 1968, 274f.; WEST 2001, 12 Anm. 28 (“rhetorical expansion”); zu rückverweisendem ὧδε s. aber 266n.
273 Polydamas nimmt seinen Appell von V. 266 (‘folgt mir!’) wieder auf, sucht hier aber die Zustimmung seiner Zuhörer für die von ihm favorisierte Variante zu gewinnen, indem er argumentierend mit Kondizionalsatz formuliert (ei d’ an emóis epéessi pithṓmetha: ‘wenn wir meinen Worten folgen’) und durch das ‘wir’ (ebenso 274, 277–279, im Gegensatz zu 269–271) sich mit ihnen solidarisiert und so die Kampfgemeinschaft beschwört (WACKERNAGEL [1920] 1926, 42f.; TABACHOVITZ 1951, 80f.; SCHW. 2.246; vgl. auch LfgrE s.v. πείθω 1097.29ff.). Im Gegensatz dazu ist Hektors Rede v.a. im zweiten Teil emotionaler und (mit Ausnahme von 297b u. 304) von Befehlen geprägt (297ff.: 297n.). — bekümmert: impliziert die schmerzliche Einsicht aller, daß der Rückzug trotz vorausgehender Kampferfolge notwendig ist; vgl. 7.109–111 die deutlicheren Worte Agamemnons in einem ähnlichen Kontext (AH; LfgrE s.v. κήδω 1401.29f.; MAWET 1979, 366). εἰ δ’ ἂν … πιθώµεθα: prospektiver Konjunktiv (Ausdruck einer bestimmten Erwartung) zur Einleitung der zweiten Variante, gegenüber neutralem Ind. Fut. bei der ersten Variante (268 εἰ … κιχήσεται); der Moduswechsel könnte signalisieren, daß der Sprecher es für durchaus wahrscheinlich hält, daß die Troer seiner Argumentation folgen werden (vgl. 1.135–137n.; CHANTR. 2.281; WAKKER 1994, 209f.). — ἐµοῖς ἐπέεσσι: < *ἐµοῖσι ϝέπεσσι (WEST 1998, XXXIII; vgl. G 69–70). — κήδοµενοί περ: flektierbare VE-Formel (6× Il., 4× Od., 1× h.Ven.).
272 Τρώων: abhängig von πολλούς (271). — αἲ γάρ: = εἰ γάρ (vgl. R 22.1), εἴθε. — οὔατος: = ὠτός (Gen. Sg. von οὖς ‘Ohr’). 273 εἰ δ’ ἄν: = ἐὰν δέ. — ἐπέεσσι: zur Flexion R 11.3 u. ↑. — περ: konzessiv (R 24.10).
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274–276 In Polydamas’ Rede stehen sowohl die Sicherheit des Heeres als auch diejenige der Stadt im Vordergrund. Seine Aufzählung ausgewählter Örtlichkeiten und Bollwerke evoziert v.a. den Schutz, der sich dort bietet (s. die Epitheta bei ‘Tore’ und v.a. ‘Türflügel’ 275), und die Sicherheit der Gemeinschaft, die sich besser in der Deckung der Mauern verteidigen läßt (ganz anders Hektor 288ff.); zu den Türmen an den Stadtmauern s. 3.149n.; zu den Toren s. 2.788n. Polydamas fordert nicht einfach Rückzug und Flucht angesichts von Achills drohendem Wiedereintritt in den Kampf, sondern zeigt eine Verteidigungsstrategie für die Nacht (274) und den nächsten Morgen (277f.): nämlich die Sammlung ‘auf dem Versammlungsplatz’ (gr. agorḗ), damit das Heer am nächsten Morgen sofort gerüstet ist und den Feind mit geballter Kraft abwehren kann (EDWARDS; CERRI; LYNNGEORGE 1988, 222; SCULLY 1990, 49f.; HAMMER 2002, 47). 274 σθένος ἕξοµεν: σθένος ‘Stärke’ wird hier verschieden interpretiert: (a) als ‘Stärke des Heeres, Heeresmacht’, i.S.v. ‘die Truppen’; diese Verwendung könnte von Formulierungen wie πύλας καὶ τεῖχος Ἀχαιῶν | ῥηξόµεθα σθένεϊ µεγάλῳ (12.223f.) und Ἀργεῖοι δέ κε κῦδος ἕλον … | κάρτεϊ καὶ σθένεϊ σφετέρῳ (17.321f.) ausgegangen sein, ist sonst jedoch erst nachhom. bezeugt, vgl. etwa Soph. Ai. 438; ἔχω bed. dann ‘zurückhalten, (an einem Ort) festhalten’: schol. bT zu 274; AH; FAESI; WILLCOCK; LfgrE s.vv. σθένος u. ἔχω 839.77ff.; MADER 1970, 105; vorsichtig EDWARDS zu 274–6; LSJ s.v. σθένος; (b) als physische Stärke: LEAF (“we will keep (husband) our strength (by resting) in the agora”); PRALON 1995, 240 Anm. 20 (“‘nous maintiendrons et préservons notre force’ c’est-à-dire notre capacité à lutter”). Die Deutung (a) paßt zum Folgenden, indem die Heeresmacht als Teil der nachher aufgezählten Verteidigungsmittel erscheint, während (b) sich besser in die Aussage fügt ‘wir (= das Heer) werden unsere Stärke bewahren, die Türme … werden die Stadt bewahren’. 275 2. VH ≈ 21.535, Od. 2.344, 22.128, 23.42. — σανίδες τ’ ἐπὶ τῇς ἀραρυῖαι: σανίς (‘Brett’) bez. im Pl. die in die Tore eingefügten Türflügel, die durch Querbalken und Riegel gesichert waren (12.453–456 [Schiffslager der Achaier], 21.531–538 [Troia]), πύλαι sind hier also die Torpfosten (LfgrE s.vv. ἀραρίσκω 1183.25ff. u. σανίς; HAINSWORTH zu Il. 12.455–6; FERNÁNDEZ-GALIANO zu Od. 21.137; IAKOVIDES 1977, 219; WILLETTS 1977; ROUGIER-BLANC 2005, 150). 276 1. VH ≈ 13.613. — Der Vier-Wort-Vers (123n.) mit spondeischem VE und asyndetischer Epitheta-Reihung mit wachsender Silbenzahl (vgl. dazu 130–131n.) unterstreicht zusammen mit der Häufung von Wörtern auf -αι 275f. die Bedeutung der gewählten Aus-
274 νύκτα µέν: ‘die Nacht hindurch’, die zeitliche Fortsetzung in 277 πρωῒ δ(έ). — εἰν: = ἐν (R 20.1). — ἕξοµεν, ἄστυ: zur Prosodie R 4.6 (keine Berücksichtigung des ϝ), anders 266 (s.d.). 275 ἐπὶ τῇς … ἀραρυῖαι: ‘an diese (sc. die πύλαι) angefügt’; zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17; zur Flexion von τῇς R 11.1. 276 ἐΰξεστοι ἐζευγµέναι: zum Hiat R 5.6. — εἰρύσσονται: Fut. zu ἔρυµαι ‘schützen’; Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1); zum -σσ- R 9.1.
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drücke, die Qualität und Funktionalität der Stadttore beschreiben (EDWARDS zu 274–6). — ἐΰξεστοι: Epitheton bei aus Holz gefertigten Gegenständen, meist nach der Zäsur B 2 (24.271n. [dort auch zur Wortbildung]). — ἐζευγµέναι: ζεύγνυµι ist im frgE sonst nur bei Tieren verwendet, die an einen Wagen angespannt werden, hier in übertragenem Sinn von den zusammengefügten, d.h. geschlossenen Torflügeln (LfgrE s.v.; AH; LEAF).
277–283 Zum Schluß von Teil (2) (254–309n.) unterstreicht Polydamas die von ihm favorisierte Verteidigungs- und Zermürbungstaktik mit paränetischen Motiven: er zeigt die Wehrkraft der Kämpfer auf dem Bollwerk (277b–278a), droht gegen den Feind (278b–279) und verbreitet Zuversicht (280–283): der Feind wird sein Ziel nicht erreichen (283); er skizziert knapp die Kampfbewegungen, die er sich aus seiner Taktik erhofft (278–280: Achills Ansturm von den Schiffen her – abgewehrt an der Mauer – Rückkehr zu den Schiffen). Insgesamt wirkt im Vergleich dazu Hektors Rede grundsätzlich emotionaler (zum Redeschluß 303– 309n.). – Sprachlich finden sich Anklänge an Hektors Rede am Ende des vorausgehenden Kampftages, in der er seinen Angriff auf die Schiffe ankündigt (s. bes. 277/8.530f., 278b–279/8.532f.). 277 = 8.530, 18.303; 2. VH = 11.49, 11.725, 12.77. — πρωΐ: ‘früh, vor der Zeit’ (*prō + Lok.-Endung -i: SCHW. 1.622; 2.505; zum Akzent s. LfgrE). — ὑπηοῖοι: prädikativ verwendetes Adj., Kompositum aus ὑπό + Adj.-Ableitung zu ἠώς: ‘gegen Tagesanbruch’ (RISCH 129; SCHW. 2.532; WEST zu Hes. Op. 548). — σὺν τεύχεσι: 269–270n.; Anklang an 269 (vom Angreifer).
278 2. VH ≈ 1. VH von 306. — Türme: d.h. auf die Plattformen der Türme, die auch als Ausguck dienen (3.149n.). ἄλγιον: von ἄλγος ‘Schmerz’ abgeleiteter Komparativ, im fgrE nur im Sg. neutr. und mit abgeschwächt komparativischer Bed. verwendet (AH: ‘umso schlimmer’; MAWET 1979, 243–247: “tant pis”). — αἴ κ’ ἐθέλησιν: flektierbare VE-Formel (143n.), hier mit drohendem Unterton (‘falls er das Verlangen hat’): LfgrE s.v. ἐθέλω 414.51ff., bes. 68f. 279 1. VH = 10.337.
280 Pferde: Das Publikum weiß, daß Achills Pferde außergewöhnlich sind: die besten unter den Pferden der Achaier (2.769f.), Nachkommen des Windgottes Zephyros und daher windschnell und unsterblich, von den Göttern seinem Vater Peleus geschenkt (16.149ff., 16.866f.), befähigt zu menschlichen Regungen (s. 17.426ff. Trauer um Patroklos); im Kampf um Patroklos’ Leichnam sind sie von Automedon (FM 4) und Alkimedon in die Schlacht geführt worden (17.474ff.): 2.770n., 19.399n., 19.400n. 278 ἂµ πύργους: ‘oben auf die Türme’ (ἄµ = ἀνά: R 20.1). — τῷ: auf Achill bezogen, anaphorisch (R 17) zu αὐτόν (269). — αἴ κ(ε): ≈ ἐάν (R 22.1, 24.5). — ἐθέλησιν: 3. Sg. Konj. Präs. (R 16.3). 279 νηῶν: zur Flexion R 12.1. — ἄµµι: = ἡµῖν (R 14.1). 280 ἄψ: ‘zurück’. — εἶσ’: = εἶσι (R 5.1) ‘wird gehen’. — κ(ε): = ἄν (R 24.5).
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ἄψ πάλιν εἶσ’ ἐπὶ νῆας: emphatisches Satz-Asyndeton, bildet starken Kontrast zu ἐλθὼν ἐκ νηῶν VA 279 (AH; vgl. 20–21n.). — ἐριαύχενας ἵππους: flektierbare VE-Formel (Nom./Akk. Pl.: 5× Il.); das Possessivkompositum ἐ. ist distinktives EpithetonP von Pferden und bed. wohl ‘den Nacken in der Höhe habend, mit hohem Nacken’, bezogen auf die stolze Haltung der Pferde (ἐρι- < *seri ‘oben, in der Höhe’: WILLI 1999, bes. 96f; vgl. auch LfgrE s.v. ἐριαύχην). 281 ἄσῃ: Konj. Aor. des defektiven Verbs ἄµεναι ‘sättigen’, meist im übertr. Sinn verwendet von der Sättigung an einer Tätigkeit (v.a. am Kämpfen oder am Trauern: 19.307n., 19.402n.), hier mit παντοίου δρόµου i.S.v. ‘des Hin-und-her-Laufens überdrüssig machen, durch Hin-und-her-Laufen ermüden’. — ὑπὸ πτόλιν: Ortsangabe mit Akk. der räuml. Erstreckung (FRITZ 2005, 333. 335; vgl. SCHW. 2.530; CHANTR. 2.144); bed. etwa ‘unter den Mauern der Stadt hin, unten an den Mauern der Stadt’, d.h. ‘vor der Stadt’ (vgl. 2.216n.), und ist Gegensatz zu εἴσω 282 (AH). — ἠλασκάζων: Ableitung von ἠλάσκω (‘hierhin u. dorthin schwärmen, umherstreifen’, vgl. 2.470 Fliegen, 13.104 Hirschkühe), das seinerseits von ἀλάοµαι (‘[umher-]irren’) abgeleitet ist (RISCH 272. 298; zu -σκ- G 60); ähnlich wie an der vorl. Stelle mit Ortsangabe noch h.Ap. 142 (νήσους τε καὶ ἀνέρας ἠλάσκαζες [von Apollon]), anders Od. 9.457 (ἐµὸν µένος ἠλασκάζει: pejorativ ‘sich herumdrücken vor’): LfgrE s.v. ἠλάσκω; TRÜMPY 1950, 226. Das Ptz. führt παντοίου δρόµου weiter aus und illustriert vergebliche, nicht zum Ziel führende Angriffe (als Gegensatz zu εἴσω ἐφορµηθῆναι 282), also intensiv/expressiv ‘(vergeblich) umherirrend, umherjagend’ (AH; CHANTR. 1.338: “courir au hasard”; TRÜMPY a.O. ‘umherirren’; etwas anders LEAF [Suffix -άζω pejorativ] u. EDWARDS [ἠ. mit “contempt of some kind”]). 282 οὔ µιν θυµὸς … ἐάσει: θυµός ist sonst als handelndes Subj. oft Antriebskraft eines inneren Impulses (2.276n. mit Lit.), hier jedoch bei ἐάω mit prägnant vorangestellter Negation die Instanz, die hemmt: ‘sein θυµός wird ihn nicht wagen lassen, soweit treiben’, d.h. ‘wird ihn hindern’ (LfgrE s.v. ἐάω 384.16f. u. 385.11ff.; s. auch VAN LEEUWEN; FAESI; BÖHME 1929, 77f., bes. 78 Anm. 3; PELLICCIA 1995, 239 Anm. 238). Die Formulierung ist hier wohl im Hinblick auf 262 als Relativierung der Warnung vor Achills Kampfdrang aufzufassen, i.S.v. ‘so groß sein θ. auch ist, er wird ihn nicht … lassen’ (AH u. EDWARDS).
283 2. VH ≈ 22.89, Od. 2.11, 21.363. — Mittels der Aussage ‘x wird nicht geschehen, vorher wird y sein’ stellt Polydamas seine Defensivstrategie als erfolgversprechend dar; in der Formulierung wird ein Szenario y als rhetorische Figur entworfen, um die Unwahrscheinlichkeit von Szenario x zu betonen (24.550–551n.; KELLY 2007, 191f.). — Hunde: Rückgriff auf 271 (s.d.); zu Hunden als Aasfressern s. 179n.; zu ‘schnell’ als ornamentalem EpithetonP von Hunden s. 3.26n. ἐκπέρσει: Das Präverb ἐκ- drückt Vollständigkeit aus: ‘restlos zerstören, austilgen’ (1.19n.). — ἀργοί: Zur Bed. ‘schnell’ (vgl. 578 πόδας ἀργοί, 24.211 ἀργίποδας) s. 1.50n., 24.211n.; RUSSO zu Od. 17.292; s. auch 19.400n. zum Pferdenamen Ποδάργη.
281 πτόλιν: zum πτ- R 9.2. 282 µιν: = αὐτόν (R 14.1). 283 ἐκπέρσει: sc. πτόλιν (281); Fut. zu ἐκπέρθω. — πρίν: adverbiell ‘zuvor, vorher’.
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284 = 12.230, 17.169; 1. VH (mit leichten Varianten) 17× Il., 9× Od., 1× ‘Hes.’, 1× hom.h.; 2. VH 10× Il. — von unten blickend: immer in Rede-EinleitungenP, signalisiert Empörung des Sprechers (1.148n., 2.245n.; CAIRNS 2003, 42–44); von Hektor hier und 12.230 bei einer Reaktion auf Polydamas’ Rat zur Vorsicht (gegenüber Achill bzw. den Achaiern), der ihn empört (ähnliche Situation 5.251, 14.82 [s.d.]), und 17.169 gegenüber dem Bundesgenossen Glaukos, der ihm Feigheit vorgeworfen hat. ὑπόδρα: Zur Wortbildung (Wurzelkompositum mit schwundstufigem Hinterglied -δρα < *dr̥ k, vgl. δέρκοµαι ‘blicken’) s. 24.559n. — κορυθαιόλος Ἕκτωρ: 20–21n.
285–309 Aufgrund der heftigen Rückweisung des Ratschlags (285f., 295), der kompromißlosen Vorgabe der Entscheidung (296f., 303f.) und des selbstbewußten Auftretens (293f., 306ff.) wird von manchen Interpreten in Hektors Erwiderung v.a. Arroganz und Selbstüberschätzung hervorgehoben (schol. bT zu 285, 293– 294 u. 296; EDWARDS zu 243–314, 284–309 u. 309; SCHADEWALDT [1936] 1965, 257–261; [1938] 1966, 106; [1956] 1970, 28–31; ALDEN 2000, 277–281; ELMER 2013, 139; zur unterschiedlichen Art der Konsensfindung in den Heeresversammlungen der Achaier [bes. im 1. Gesang] und der Troer s. MACKIE 1996, 132f.; HAMMER 2002, 156f.). Seine Haltung läßt sich aber auf die Erfolge der letzten beiden Kampftage (STR 21 Abb. 1; vgl. 239–242n.) und auf die hohen Erwartungen zurückführen, denen er sich als Hauptverantwortlicher für die Verteidigung der Stadt ausgesetzt sieht (STOEVESANDT 2004, 281. 285f.; zu Hektors Ehrenkodex vgl. auch die Auseinandersetzung mit Andromache 6.407–496n., 6.441– 446n., 6.459–463n.). Sein Hauptziel, den Feind nun endlich zu vertreiben (s. auch 8.526–528, 15.494–499) und die schon lange dauernde Belagerung der Stadt angesichts der schwindenden Mittel (288ff.) möglichst schnell aufzuheben, sieht er durch den empfohlenen Rückzug verhindert, vgl. 287 und bereits 15.719ff. (REDFIELD [1975] 1994, 128. 152f.; CARLIER 1984, 170 Anm. 156; SCHMITT 1990, 184f. u. 301 Anm. 603; SCULLY 1990, 117–119; PRALON 1995, 241f.). Sein persönlicher Fehler besteht darin, (a) Zeus’ Siegesverheißung, der ihm garantierte Kampferfolg dauere bis zum Erreichen der Schiffe und bis zum Sonnenuntergang, nicht vollständig erfaßt zu haben (11.206–209 vs. 18.293f.; vgl. auch 22.301– 303): EDWARDS zu 293–5; REINHARDT 1961, 179f., 274f.; TAPLIN 1992, 159f.; PRALON a.O. 241; STOEVESANDT a.O. 219f., 341f.; DE JONG zu Il. 22., Introd. 15; CAIRNS 2012, 33–49; (b) entgegen dem Rat auf die Fortsetzung des Offensivkampfes zu dringen (303ff.) und für den Zweikampf mit Achill auf die – angesichts des Kräfteverhältnisses unwahrscheinliche – Möglichkeit eines Sieges zu setzen (308f.; ebenso 16.859–861; vgl. dagegen Achills Erinnerung an eine direkte Begegnung 9.354f.), ohne eine weitere Taktik zur Sicherung und Stärkung des 284 ὑπόδρα (ϝ)ιδών: zur Prosodie R 4.3.
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Heeres angesichts der drohenden Gefahr zu entwickeln (vgl. 22.101–107): 308b n.; EDWARDS zu 308; CARLIER a.O. 199 mit Anm. 307; SCHOFIELD (1986) 2001, 242; DE ROMILLY 1997, 98; RUZÉ 1997, 86; STOEVESANDT a.O. 220. – Zur Struktur der Rede s. 254–309n. 285 = 12.231; ≈ 7.357 (Paris auf Antenors Rat); 1.VH ≈ 13.751; VE = Od. 8.236; ≈ Il. 12.173. — nicht mehr: Die Äußerung impliziert, daß Polydamas’ Rat eigtl. durchaus willkommen ist, daß er aber jetzt eine Grenze überschritten hat und es keine Übereinstimmung mehr zwischen ihnen gibt (vgl. AH u. KIRK zu 7.357; außerdem WILSON 1987, 196ff. [zu gr. oukéti]). Hektors Rückweisung von Polydamas’ Rat ist in 12.211–214/231ff. – in einer weitaus weniger gefährlichen Situation – vorweggenommen (Antizipation von SzenenP). Πουλυδάµα: zur Vokativform WEST 1998, XXXIVf. — ταῦτ(α): auf vorausgehende Äußerungen bezogen in Figurenreden meist pejorativ (DE JONG [1987] 2004, 287 Anm. 25).
286–292 Hektor, der doch als der Beschützer der Stadt gilt (285–309n.), übergeht hier den Sicherheitsaspekt, den der Vorredner mit dem Bild der Stadt verbunden hat (274–276), und betont statt dessen den Zustand des Belagert-Seins (286f.) und die negativen Auswirkungen durch die Kontrastierung von ‘früher’ und ‘jetzt’ (schol. bT zu 286–7): Der einst legendäre Reichtum der Stadt (288) ist durch Bezahlung und Unterhalt fremder Hilfstruppen (vgl. 17.220–226, 18.300f.) aufgebraucht worden; bei einer noch länger andauernden Defensivstrategie wird man diese kaum mehr als Verbündete halten können (vgl. etwa 5.472ff. u. 17.144ff. die Kritik der Lykier Sarpedon und Glaukos [FM 10]): EDWARDS zu 290–2; REDFIELD (1975) 1994, 152f.; LYNN-GEORGE 1988, 222; VAN WEES 1992, 39f. u. 380 Anm. 11; zu den Hilfstruppen 2.130–133n., 2.803, 2.816–877n. (mit Übersicht). 286–287 VA von 286 = 12.235, 14.96. — satt: Im Kontext von Krieg ist sonst häufig das Motiv ‘satt vom Kampf’ verwendet (mit den gr. Verben koréssasthai u. ásasthai: 281n.; LATACZ 1966, 181ff.): entweder i.S.v. Sich-Sättigen an Kampf und Blut (bes. ‘unersättlich im Kämpfen’) oder – ähnlich wie 281 – als Zeichen des Erlahmens der Kämpfer i.S.v. ‘des Kampfes überdrüssig sein’. An der vorl. Stelle ist das Motiv der Sättigung in Anlehnung an 281 (Überdruß am Lauf um die Stadt) auf das Zusammengedrängt-Sein bezogen, wenn die Verteidiger ausschließlich von den Plattformen der Türme herab kämpfen. — Türme: 274–276n., 278n. ἀλήµεναι … | … ἐελµένοι: Das Mediopass. εἴλοµαι (‘sich zusammendrängen’) wird öfters zur Beschreibung von Troias Belagerungszustand verwendet (24.662–663n.; vom Schiffslager der Achaier 76, 294); der Vorgang erscheint immer als Folge von Rückzug aus 285 µέν: ≈ µήν (R 24.6). — φίλα: prädikativ, mit οὐκέτ(ι) zu verbinden: ≈ ‘nicht mehr akzeptabel für mich’. 286 κέλεαι: zur unkontrahierten Form R 6. — κατὰ (ϝ)άστυ (ϝ)αλήµεναι: zur Prosodie R 4.3. — ἀλήµεναι: Inf. Aor. zu εἴλοµαι ‘sich zusammendrängen’ (zur Form R 16.4). — αὖτις: = αὖθις; mit ἰέναι ‘zurückgehen’. — ἰόντας: sc. ἡµᾶς.
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der Schlacht aufgrund der Übermacht des Feindes. Mit Polydamas’ Rat zum Rückzug (254f.) würde man diesen Zustand wieder selbst herbeiführen (ἀλήµεναι … αὖτις ἰόντας). — ἦ οὔ πω κεκόρησθε: ἦ ‘wirklich?, etwa?’, leitet oft eine rhetorische Frage ein (19.56n.). κορέσασθαι (‘sich sättigen’) ist nur hier und Od. 8.98, 14.456, 23.350, Hes. Op. 593 im Perf. verwendet (LfgrE: ‘habt ihr noch nicht genug?’) und nur hier mit Ptz. Perf. verbunden, sonst mit Ptz. Präs. Die beiden Verbformen im Perf. betonen den vorherrschenden Zustand: Überdruß und Eingeengt-Sein.
288–292 Die Nennung des früheren, sagenhaften Reichtums Troias dient in der Ilias wiederholt als Kontrast zur Gegenwart der Kriegszeit, s. 9.401ff., 22.156, 24.543ff. (2.797n., 24.543n.; AH zu 288 u. 290; DE JONG zu Il. 22.156). Bemerkenswert ist, daß an der vorl. Stelle diese Kontrastierung von ‘einst – jetzt’ ausschließlich unter dem Aspekt der ökonomischen Folgen vorgenommen wird (ähnlich von Achill 9.402f.) und daß als Argument für den offensiveren Kampf von Hektor der Verlust von Reichtum und materiellem Besitz herangezogen wird, s. die gr. Begriffe ‘reich an …, reich an … ’ (2.VH 289), ‘verschwunden’, ‘Kostbarkeiten’ (290), ‘viele Güter’ (gr. im Hyperbaton VA 291/292), ‘verkauft’ (292). 288 2. VH ≈ 18.342, 18.490, 20.217, h.Ap. 42. — Πριάµοιο πόλιν: flektierbare Formel vor der Zäsur C 1 (5× Il., 3× Od.); die Periphrastische BenennungP für Troia mit dem tendentiell weniger emotionalen Begriff πόλις (gegenüber ἄστυ: vgl. 255n.) ist hier viell. wegen der Perspektive der Außenstehenden gewählt (s. aber auch 1.19n.). — µέροπες ἄνθρωποι: sonst VE-Formel im Gen. Pl. (7× Il., 2× Od., 6×. Hes., 2× hom.h.); die Kürze im longum ist daher auf Formelflexion zurückzuführen (M 14). Etymologie und Bed. des EpithetonsP µέροπες sind ungeklärt (1.250n.; RUSSO zu Od. 20.49).
289 2. VH ≈ 10.315 (Dolon). — Vier-Wort-Vers (123n.); zu Gold und ‘Erz’ (gr. chalkós, eigtl. Bronze) als Zeichen von Reichtum s. 2.226n., 6.3n., 6.48n.; LfgrE s.v. χαλκός, bes. 1123.30ff. πολύχρυσον πολύχαλκον: Reichtum wird öfter durch Komposita-Verbindungen mit emphatischer Doppelung von πολυ- hervorgehoben: vgl. πολυκτήµων πολυλήϊος (Il. 5.613) u. πολύρρηνες πολυβοῦται (9.154/296, ‘Hes.’ fr. 240.3 M.-W.) für Personen, πολυσηµάντωρ πολυδέγµων (h.Cer. 31) für die Macht des Hades, vgl. außerdem πολύµητις … πολυµήχανον (h.Merc. 319): FEHLING 1969, 247; zu idg. Parallelen DURANTE 1976, 152; WEST 2007, 110; zu weiteren emphatischen Doppelungen von Kompositionsgliedern 3.40n. An der vorl. Stelle s. außerdem die Klangwiederholungen von πρι- und πολ- in 288f. – πολύχρυσον ist sonst Epitheton der Stadt Mykene (7.180, 11.46, Od. 3.305: HAINSWORTH zu Il. 11.46) und der Göttin Aphrodite (VE-Formel 8× Hes., 2× h.Ven.), πολύχαλκον der Stadt Sidon (Od. 15.425) und von οὐρανός (Il. 5.504, Od. 3.2). 287 κεκόρησθε (ϝ)ε(ϝ)ελµένοι: zur Prosodie R 4.3. — ἐελµένοι: Ptz. Perf. zu εἴλοµαι. — ἔνδοθι: = ἔνδον (zum Suffix R 15.2), + Gen. ‘innerhalb von’. 288 πρίν: adverbiell ‘vorher, früher’. — µέν: bereitet δὲ δή in 290/291 vor. — µέροπες ἄνθρωποι: zur Prosodie ↑. 289 µυθέσκοντο: iterativ (-σκ-: R 16.5); hier mit prädikativen Adjektiven ‘nennen’.
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290 ἐξαπόλωλε: emphatisches Doppelkompositum mit Präverb ἐκ- wie 283 (s.d.; SCHW. 2.462); mit Gen.: ‘sind ganz ausgetilgt aus, sind verschwunden aus’. — κειµήλια: ‘Kostbarkeiten’, zu κεῖµαι ‘aufbewahrt liegen’ (6.47n.).
291 ≈ 3.401 (s.d.); 2. VH = h.Ap. 179. — Phrygien … Maionien: Phryger und Maioner sind in der Ilias enge Partner der Troer und stellen Verbündetenkontingente (24.544–545n.); Phrygien erstreckt sich im nordwestl. Kleinasien, im Osten bis zum Fluß Sangarios, Maionien entspricht etwa Lydien (2.862n., 2.864n., 2.866n.; DNP s.vv. Phryges u. Maionia). – Zum möglichen historischen Hintergrund dieser Umverteilung des Reichtums von Troia nach Phrygien und Maionien/Lydien in hom. Zeit s. SHEAR 2000, 97; JABLONKA/ROSE 2004, 624–627; BRYCE 2006, 141f. ἐρατεινήν: generisches EpithetonP (19.347n.), u.a. bei verschiedenen geographischen Bezeichnungen (2.532n.).
292 2. VH ≈ Od. 1.62. — Zeus: Grundsätzlich werden menschl. Mißerfolge oder Leiden, deren Ursachen nicht bekannt sind, oft auf Zeus zurückgeführt (vgl. Jörgensens PrinzipP), und wie hier Hektor machen auch Achaier ihn mitunter für ihre Verluste im Krieg verantwortlich (19.273b–274n., vgl. auch 24.525ff. [s.d.] u. 24.543ff. [24.534–548n.]). Hektor spricht zwar von Zeus’ Zorn, nennt aber keinen Grund dafür (TSAGARAKIS 1977, 18f.). Er scheint den Götterzorn aus der Tatsache abzuleiten, daß der Krieg sich lange hinzieht und für Troia mit großen Verlusten verbunden ist, was zu einer kritischen Situation geführt hat; dabei faßt er v.a. die Zeit vor dem Streit zwischen Achill und Agamemnon ins Auge, dessen Folgen den Troern ja Vorteil und Erleichterung gebracht hatten (vgl. Polydamas 257– 260); denn er selbst hatte jüngst Zeus’ Unterstützung im Kampf genossen, ein Umstand, den er glaubt weiter ausnutzen zu können (293ff.). περνάµεν(α): Zur Grundbed. des Verbs πέρνηµι (‘exportieren’) s. 24.752n. — µέγας … Ζεύς: µέγας ist Epitheton versch. Götter (‘mächtig’), die Junktur ist im Gen. formelhaft (Δ∆ιὸς µεγάλου/-οιο: 24.90a n.), hier wohl prägnant verwendet, vgl. außerdem Hes. Th. 479 Ζῆνα µέγαν. — ὠδύσατο: ist fast ausnahmslos in bezug auf Zorn von Göttern gegen Sterbliche verwendet (LfgrE s.v. ὀδύσ(σ)ασθαι).
293 ≈ 2.205. — Die Berufung auf Zeus’ gegenwärtige Unterstützung dient Hektor dazu, (1) wie in seinen Kampfparänesen (8.175f., 11.288f., 13.153f., 15.488–493, 15.719–725) die Kampfmoral seiner Leute zu heben und die von ihm propagierte Offensivstrategie zu stärken (zum Topos des göttlichen Beistands in Kampfparänesen s. STOEVESANDT 2004, 278–281; Stellensammlung zu Zeus’ Unterstützung der troischen Partei s. REICHEL 1994, 158–174); (2) Polydamas’ Rat als widersin291 Φρυγίην καὶ Μῃονίην: Richtungsangabe ohne Präposition (R 19.2), mit ἵκει 292 zu verbinden. 293 ὅτε περ: ‘da doch’ (zu περ R 24.10). — ἀγκυλοµήτε͜ω: zur Flexion R 11.1; zur Synizese R 7.
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nig erscheinen zu lassen (ähnlich 12.235f.): statt der erwarteten Fortsetzung im HS (etwa: ‘rätst du zum Rückzug’) folgt in 295 eine heftige Zurechtweisung, in der seine Empörung durchbricht (AH; EDWARDS). Gerade darin zeigt sich aber die Dramatische IronieP: Zeus’ Unterstützung ist ihm nur für den einen, nun zu Ende gehenden Tag gewährt worden (285–309n.). Κρόνου πάϊς ἀγκυλοµήτε͜ω: VE-Formel (7× Il., 1× Od.; außerdem flektierbare VE-Formel Κρόνος ἀγκυλοµήτης: 1× Il., 5× Hes., 2× h.Ven.); zur Etymologie und Bed. des Epithetons ἀγκυλοµήτης (‘krummsinnig’) s. 2.205n.; zu weiteren Formeln für ‘Zeus’ nach der Zäsur B 2 s. 24.88n., 16.88n.
294 2. VH ≈ 1.409. — Interne AnalepseP: Hektor nimmt Bezug auf seine Erfolge des eben zu Ende gegangenen Kampftages (STR 21 Abb. 1). Daß die Achaier zwischen Schiffslager und Meer zusammengedrängt werden, entspricht Achills ursprünglichem Wunsch, s. 1.409f. (s.d.; vgl. auch 76n.). κῦδος ἀρέσθ(αι): ist sonst (außer hier und 16.88) VE-Formel (6× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’), hier am VA mit nachfolgender Ortsangabe, in chiastischer Anordnung zur 2. VH; zur Junktur 165n.; vgl. κῦδος ἔδωκεν 19.204n. — θαλάσσῃ τ’ ἔλσαι: Dat. des Ziels (SCHW. 2.139 [‘zum Meer hin drängen’]; CHANTR. 2.68), vgl. 1.409 κατὰ πρύµνας τε καὶ ἀµφ’ ἅλα ἔλσαι.
295 Hektor bezeichnet Polydamas als nḗpios: das Wort dient der Charakterisierung dessen, der die wahren Sachverhalte nicht erkennt und die Lage nicht objektiv einzuschätzen vermag (‘Tor!’); als Anrede im Sg. noch 16.833 (Hektor zu Patroklos), 21.99 (Achill zu Lykaon), 22.333 (Achill zu Hektor), Hes. Op. 286/397/633 (Hesiod zu Perses) verwendet, sonst oft im Erzählerkommentar (2.38n.; KELLY 2007, 205–208; s. auch 16.46–47n.). Der ErzählerP qualifiziert diese Äußerung der FigurP indirekt durch seine Kommentare 249f., 253 und v.a. 311f. (s.d.). — Volke: Der gr. Begriff dḗmos, Bezeichnung für die Einwohner einer Gemeinde, wird öfter wie hier auf die Teilnehmer einer öffentlichen Versammlung bezogen (ebenso 500, Od. 2.239, 8.157, 15.468): 2.198n.; LfgrE s.v. δῆµος 276.27ff. µηκέτι … φαῖν(ε): φαίνω hier in der Bed. ‘äußern’, vgl. 3.212 (s.d.), 14.127 (LfgrE s.v. 808.7ff.); der neg. Imp. Präs. (statt Konj. Aor.) signalisiert, daß die Handlung nicht fortgeführt werden soll, also ‘äußere nicht mehr ⟨länger⟩’ (vgl. 6.68–69n.), dazu ταῦτα νοήµατα ‘diese Gedanken’ als nomen rei actae (sc. den Rückzugsplan), s. auch 285 mit n. 296 VE = 17.449. — οὐ γάρ …, οὐ γὰρ ἐάσω: zur Anapher nach der bukol. Dihärese 24.10–12n.; οὐ … ἐάσω ‘ich werde es nicht dulden’ (LfgrE s.v. 384.49); zur Funktion des Fut. CHRISTENSEN 2010, 562f. — οὐ … ἐπιπείσεται: Zurückweisung des Appells πιθέσθε µοι in 266: beide Wendungen stehen jeweils im Schlußvers von Teil (1) der beiden Reden (EDWARDS; vgl. 254–309n.); das positiv formulierte Gegenstück folgt 297.
294 νηυσί: zur Flexion R 12.1. — τ’ ἔλσαι: urspr. (ϝ)έλσαι (Inf. Aor. zu εἰλέω ‘zusammendrängen’), Digamma nicht mehr berücksichtigt (R 4.6). 295 ἐνί: = ἐν (R 20.1).
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297 = 2.139, 9.26, 9.704, 12.75, 14.74, 14.370, 15.294, Od. 13.179; ≈ Od. 12.213, h.Ap. 486. — Formelvers für die Einleitung einer Aufforderung in Versammlungsreden und Beratungsszenen (Imperative 298f., 301) nach abgeschlossener Analyse der Lage; der Appell ‘laßt uns alle folgen’ ist meist erfolgreich (2.139n.). Vgl. dagegen Polydamas’ zurückhaltendere Formulierung 273 (s.d.) und die Fut.-Formen 274ff. 298–299 ≈ 7.370–371; 2. VH von 298 = 7.380, 11.730. — δόρπον: ‘Abendessen’ (19.208n.). — κατὰ στρατόν: variierbare Formel vor der Zäsur C 2 (1.10n.). — ἐν τελέεσσιν: τέλος mit konkreter Bed. ‘Abteilung, Aufgebot’ (vgl. außer Iterata auch 10.56, 10.470); zur Wz. von τλῆναι (idg. *telh2- ‘aufheben, auf sich nehmen’: DELG s.v. τέλος; LIV 622f.), mit der urspr. Bed. ‘Dienst, den man auf sich nimmt’ (vgl. die myk. Bez. /telestas/ für eine mit bes. Dienst versehene Person: DMyc s.v. te-re-ta); als milit. t.t. viell. enstanden aus der “Vorstellung des ‘Hochbringens, Aufstellens’ von Männern” (vgl. etwa ‘Aushebung’, ‘raising troops’): LfgrE; etwas anders LEUKART 1994, 192 Anm. 164a (“entstanden aus der Verwendung von τέλος als ‘Dienstleistung … durch Stellen von wehrfähigen Männern’”). — φυλακῆς µνήσασθε: φυλακή (‘Wache’) ist im hom. Epos nur als milit. t.t. verwendet, meist als nomen actionis; µιµνήσκοµαι hat die Bed. ‘seine Gedanken richten auf, sich besinnen auf’ (LfgrE s.vv.). Die Wendung ist mit Formulierungen in Kampfaufrufen vergleichbar (µ. χάρµης, ἀλκῆς: 19.147–148n.). — ἐγρήγορθε: 2. Pl. Imp. Perf. Akt. zu intr. ἐγείροµαι (‘bleibt wach!’), zur idg. Wz. h1ger- LIV 245f.; einen neuen Erklärungsversuch der Form (*ἐγρήγορσ-τε > ἐγρήγορθε [rst > rht > ρθ]) gibt HACKSTEIN 2002, 246–248. — ἕκαστος: zu ἕ. als distributiver Apposition 2.775bn.; K.-G. 1.286.
300–302 Instruktionen zur Vorbereitung des Nachtmahls im freien Feld gibt Hektor auch in der Versammlung am Ende des vorigen Kampftages (8.505–507). Hier jedoch sind seine Gedanken immer noch erfüllt von der ökonomischen Situation der Stadt, die einen Befreiungsschlag erforderlich macht (287–292). Daher thematisiert er das Verschwinden der Güter nochmals und versucht, durch demagogische Formulierungen und suggestive Anspielungen diejenigen, die Polydamas zustimmen, zu diskreditieren und die Sympathie der Menge zu gewinnen. Aufgrund der vagen Formulierungen und unbestimmten Vorwürfe lassen sich verschiedene Warnungen und Unterstellungen heraushören (vgl. LEAF: “300–02 are very obscure in thought and expression”): (1) die Aufforderung zur Solidarität mit dem ganzen Kollektiv als leisen Tadel an unsolidarischem Verhalten (301n.); (2) die Ausführungen insgesamt (a) als Warnung, die Strategie des Sich-Verbarrikadierens in der Stadt führe zwangsläufig zum Verlust des noch verbliebenen Besitzes, zuletzt an die Achaier (vgl. 302), und damit als impliziten Vorwurf, Poly-
297 ἄγεθ’: = ἄγετε, urspr. Imp. zu ἄγω, in Verbindung mit Imp. od. Konj. zur Aufforderungspartikel erstarrt: ‘auf!, los!’. — ἐγὼ (ϝ)είπω: zur Prosodie R 4.4. 299 ἐγρήγορθε (ϝ)έκαστος: zur Prosodie R 4.3.
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damas’ Rat führe letztlich zur Eroberung und Plünderung der Stadt (AH; CERRI); (b) als – natürlich absurde – Unterstellung, gewisse Leute wünschten sich dies, da sie ihr Reichtum belästige und sie ihn loswerden möchten (CAUER [1895] 1923, 689 Anm. 17); anders schol. bT zu 300–1; FAESI; WILLCOCK; EDWARDS: Vorwurf an Polydamas und Gleichgesinnte, Vorschlag und Zustimmung zum Rückzug erfolge nur aus Angst um den eigenen Besitz. 300 ὑπερφιάλως ἀνιάζει: ‘sich übermäßig belästigt fühlt’; ὑπερφίαλος bed. viell. urspr. ‘über den Kessel(rand) hinausgehend’, d.h. nicht innerhalb der angemessenen Grenzen verbleibend (zu φιάλη ‘Kessel’: 3.106n.; od. möglicherweise wie ὑπερ-φυής u. lat. super-bus zu idg. Wz. *bhū- ‘wachsen’: BEEKES s.v.); betont zusammen mit ἀνιάζει (‘s. gestört, belästigt fühlen’: LfgrE s.v.) die Spitze gegen allfällige Parteigänger von Polydamas (AH).
301 Das gr. Kompositum kata-dēmo-borḗsai bed. eigtl. ‘das Volk aufzehren’ (s.u.), ist hier aber in ironischer Weise umgedeutet, indem der sonst übliche Vorwurf des Schmarotzertums an die Könige, die das Volk auffressen (dazu 1.231n.; vgl. auch 24.262n.) umgekehrt wird: das Gut der Reichen soll diesmal vom Volk verzehrt werden, anstatt daß das Volk aufgezehrt wird (EDWARDS zu 300–2; zum Sprachlichen s.u.). Dieses Spiel mit der Metapher ist durch einen Vier-Wort-Vers (1.75n.) hervorgehoben. λαοῖσι: ‘(die) Leute’, in der Ilias in milit. Kontext meist ‘die Männer unter Waffen, Kämpfer’ (1.10n., 24.1n.). — καταδηµοβορῆσαι: hapax legomenonP, formal gebildet nach dem verbalen Rektionskompositum δηµο-βόρος ‘das Volk verzehrend’ (1.231n.), semantisch aber muß δῆµος Subj. sein, und die V. 300 genannten Besitztümer Obj., also entweder ‘damit das Volk sie aufzehrt’ od. ‘damit sie vom Volk aufgezehrt werden’ (die Grundlage der pass. Bildungsweise, *δηµό-βορος ‘vom/im Volk verzehrt’, ist allerdings erst nachhom. belegt: RISCH 198). Das Verbum hat in seiner semantischen Umdeutung etwas Drastisch-Ironisches; κατά betont die Vollständigkeit und verstärkt diesen Effekt (LfgrE; zu δῆµος 2.198n.).
303–309 Schlußteil mit Paränese: Mit wörtlichen Anklängen an 277f. wendet sich Hektor gegen Polydamas’ Hinhaltetaktik und stärkt erfolgreich (s. 310) die Kampfbereitschaft und Zuversicht der zu Beginn verängstigten Troer, indem er (1) wie am Vorabend die Kampfgemeinschaft beschwört (303f. = 8.530f.), (2) Polydamas’ Einschätzung der Lage indirekt angreift (305n.), (3) Drohungen gegen den Feind ausstößt (306a), (4) wie am Vorabend seine eigene Bereitschaft hervorhebt, sich dem Stärksten der Feinde in der Schlacht entgegenzustellen (306b–308:
300 κτεάτεσσιν: att. ≈ κτήµασιν; dat. causae. 301 δότω: 3. Sg. Imp. Aor. von δίδωµι. 302 τῶν: demonstrativ-anaphorisch (R 17), auf λαοῖσι (301) bezogen; gen. part. abhängig von τινα. — ἐπαυρέµεν: Inf. Aor. zu ἐπαυρίσκω ‘Nutzen haben, genießen’ (zur Form R 16.4), dazu τινα als Subj.-Akk.; das Obj. ist aus 300 (κτεάτεσσιν) zu ergänzen. — περ: betont das vorangehende Wort (R 24.10).
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Achilleus; vgl. 8.530–534: Diomedes): schol. bT zu 307–8; AH u. LEAF zu 303; PRALON 1995, 242f.; zum Vergleich der beiden Hektor-Reden im 8. u. 18. Gesang s. DI BENEDETTO (1994) 1998, 205–208; KELLY 2007, 360f. 303 = 277 (s.d.). 304 = 8.531. — νηυσὶν ἔπι γλαφυρῇσιν: flektierbare VA-Formel (28× Il., 1× Od.: 16.18n.); zum Schiffsepitheton γλαφυρός 2.454n. — ἐγείροµεν ὀξὺν ἄρηα: Zur VEFormel, zur Metapher (Wecken des Kampfes) und zum metonymischen Gebrauch von Ἄρης/ἄρης s. 134n., 2.381n.
305 Rückgriff auf 261ff. Mit seiner Formulierung erweckt Hektor den Anschein, Polydamas’ Interpretation von Achills Auftritt (vgl. 257n.) sei nicht zwingend (EDWARDS). Möglicherweise ist diese Skepsis nur vorgegeben, um die Panik der Troer einzudämmen und ihren Kampfeswillen zu bewahren; denn er selbst scheint durchaus damit zu rechnen, in der nächsten Schlacht Achill zu begegnen (306ff.). Zur erzählerischen Gestaltung von Achills Aufstehen s. 203–221n.; zum Epenmotiv des wieder auftretenden Helden s. 19.45b–46n. εἰ δ’ ἐτεόν: formelhafte Junktur (am VA 4× Il., 7× Od.: 14.125n.); ἐτεόν hier – wie meist – adverbiell verwendet (‘wirklich, tatsächlich’: 2.300n.; LfgrE; LUTHER 1935, 54; LEVET 1976, 176; SNELL 1978, 96f.). — παρὰ ναῦφιν: variierbare Formel vor der Zäsur B 2 (ἀπὸ/παρὰ ν.: 5× Il., 1× Od.), mit ablativischem Gen. auf –φι(ν) (‘von den Schiffen her’): 2.794n.; THOMPSON 1998, 224; zum Suffix 16.139–140n. (mit Lit.). — ἀνέστη: ‘er erhob sich (aus seiner Passivität)’, Anklang an 2.694 τάχα δ’ ἀνστήσεσθαι ἔµελλεν (Erzählerkommentar; s.d.), wieder aufgenommen in 358 ἀνστήσασ’ Ἀχιλῆα (Zeus zu Hera): LfgrE s.v. ἵστηµι 1242.58ff.; zum Vorgang s. 215/217 mit 215n. — δῖος Ἀχιλλεύς: 228n.
306–308a wörtliche Anlehnung an die Vorrede (1. VH 306 u. VA 308 ≈ 278; vgl. Catchword-TechnikP). Während sonst in der Ilias der Ratschlag, sich aus taktischen Gründen vor dem Feind zurückzuziehen, nicht ungewöhnlich und nicht unbedingt ehrenrührig ist (vgl. 255n.), läßt Hektor hier den Eindruck entstehen, Rückzug sei Flucht vor dem Feind, indem er mit der Gegenüberstellung ‘fliehen’ vs. ‘Widerstand leisten’ pointiert seine persönliche Absicht darlegt; zur sprachlichen Gestaltung s. das betonte Pers.-Pron. egṓ ge am VE von 306, die Prädikate am VA von 307/308 und den rhetorisch Polaren AusdruckP ‘nicht fliehen – gerade entgegen stehen’ (allg. Lit. dazu: 3.59n. a.E.); zu seinem ‘heroic code’ vgl. auch 6.441–446 (s.d.), 22.106ff. (vgl. DE JONG zu Il. 22.106–8). – Nach Achills Äußerungen seiner Entschlossenheit (88ff., 114ff.: 88–93n.) muß das Publikum jetzt die Erwartung hegen, daß der nächste Tag zur direkten Begegnung der beiden im Kampf führen wird (s. aber 114n.). Bei dieser wird Hektor dann allerdings den Rückzug erwägen (22.99ff.) und schließlich die Flucht ergreifen (22.136ff.). 304 νηυσὶν ἔπι: = ἐπὶ νηυσίν (R 20.2). — γλαφυρῇσιν: zur Flexion R 11.1. — ἐγείροµεν: kurzvokalischer Konj. (R 16.3). — ἄρηα: zur Flexion R 12.4. 305 ναῦφιν: zur Form R 11.4.
Kommentar
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306 1. VH ≈ 2. VH von 278 (s.d.) — αἴ κ’ ἐθέλησι: analog zu 278 verwendet (s.d.), daher ist als Fortsetzung ἄµµι µάχεσθαι zu denken (schol. bT; FAESI; EDWARDS). 307 ≈ 11.590. — δυσηχέος: negativ konnotiertes Adj. mit unklarer Bed. (zu ἠχέω [also ‘schrecklich tönend’] od. ἄχος?), bei Homer nur bei πόλεµος (πολέµοιο δ. Formel vor der Zäsur C 2: 7× Il.) und θάνατος (3× Il.): 16.442n.; zu den (meist pejorativen) EpithetaP bei Wörtern für ‘Kampf, Krieg’ s. 6.1n. a.E., 6.330n. — ἄντην: ‘ins Antlitz, direkt’ (19.15n.), mit ἵσταµαι ‘entgegentreten’.
308b ≈ 13.486. — er … oder ich: Dramatische IronieP (vgl. auch Hektor angesichts Achills 22.130, 253, 256f.): es ist bereits mehrfach angekündigt worden, daß Hektor von der Hand Achills sterben wird (92n.). Hektor bezeugt hier zur Ermutigung seiner Zuhörer seine Entschlossenheit zum Zweikampf, wobei er allerdings die Möglichkeit seines Sieges zurückhaltender formuliert als am Vorabend mit Bezug auf den Kampf gegen Diomedes (8.532–534): DI BENEDETTO (1994) 1998, 206f. – Zum Motiv ‘entweder überwindet A mich/uns oder ich/wir überwinden A’ und ähnlichen Formulierungen in direkten Reden s. DE JONG zu Il. 22.108–10; MACKIE 1996, 63. 108f.; idg. Parallelen s. WEST 2007, 476f.
ἤ κε φέρησι … ἦ κε φεροίµην: indirekte Doppelfrage mit Ellipse eines Ausdrucks des Wissenwollens, vgl. etwa 8.532f. (‘⟨und wir werden sehen,⟩ ob er … oder ob ich’), und mit Moduswechsel (ähnlich 16.648–651, 22.244–246, Od. 4.692, 12.156f.), außerdem mit WortspielP (vgl. dazu Il. 11.410, 22.253): EDWARDS; DE JONG zu Il. 22.244–6; vgl. K.-G. 2.534 Anm. 16. Die Bedeutungsnuance des Moduswechsels und auch der Tonfall der Äußerung sind umstritten (vgl. auch 24.586n. mit Lit.): (1) prospektiver Konj. neben potentialem Opt. (Erwartung vs. Möglichkeit), der Tonfall interpretiert als (a) maßvoll-zuversichtlich (CHANTR. 2.211 u. vgl. 2.295; DUCKWORTH 1933, 71; PRALON 1995, 243 Anm. 34) oder (b) prahlerisch-trotzig (LEAF); (2) prospektiver Konj. neben kupitivem Opt. (Erwartung vs. Wunsch: AH z.St. u. Anh. 153f.; LfgrE s.v. φέρω 850.25ff.), mit κε als Kennzeichen der zwar eher gewünschten, aber ferner liegenden Variante (EDWARDS; vgl. κε beim kupitiven Opt. 6.281–282a n.); (3) kein Bed.-Unterschied zwischen den Modi (vgl. 22.243ff., wo Athene Hektor Mut machen will: Achills Sieg [Konj. κεν … φέρηται] darf dort nicht als wahrscheinlicher erscheinen als seine Niederlage [Opt. κεν … δαµείη]); dann wäre die vorl. Stelle vergleichbar mit 13.486 u. 22.253, wo jeweils beide Verben im potentialem Opt. stehen; vgl. auch die v.l. φέροιτο (TABACHOWITZ 1951, 51f.); für diese Auffassung sprechen auch die Gnomen in 309. – Zur Konj.-Endung -ησι (ohne ι subscr.) s. WEST 1998, XXXI. — µέγα κράτος: Formel nach der Zäsur B 2 (6× Il., 1× h.Cer.); κράτος bed. in Bezug auf die konkrete Situation des Kampfes ‘Übermacht, Überlegenheit’, die Verbindung µ. κ. φέρω/φέροµαι ‘den Sieg davontragen’ (LfgrE s.v. κράτος 1527.64ff., bes. 1528.11ff.).
306 vgl. 278n. — τῷ: anaphorisch (R 17). — ἔσσεται: = ἔσται (R 16.6). — µιν: = αὐτόν (R 14.1.). 307 δυσηχέος: zur unkontrahierten Form R 6. 308 κε: = ἄν (R 24.5). — φέρησι: 3. Sg. Konj. (R 16.3).
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Ilias 18
309 Abschließende Gnomen zur Unterstreichung der Paränese 303ff. und zur (Selbst-)Ermutigung: der Gott des Kampfes ist unparteiisch, das Kampfglück kann wechseln (ähnlich Paris 6.339 [s.d.]; vgl. auch 3.439f., Od. 11.537), auch ein Sieg über Achill ist also möglich (AH; AHRENS 1937, 31); zu idg. Parallelen in bezug auf Syntax und Inhalt s. WATKINS [1976] 1994, 256f.; 1995, 326–329; WEST 2007, 111; zu Gnomen am Reden-Ende 1.218n., als Bekräftigung von Ratschlägen und Aufforderungen 6.261n. — Enyalios: ist urspr. der Gott des Zweikampfes; der Name ist bereits auf Linear B-Tafeln bezeugt, später wird er auch als Beiname des Ares gedeutet (2.651n., FG 6; LATACZ [2001] 2010, 381f.). Die Formulierung ist sprichwörtlich geworden, vgl. Archilochos fr. 110 West und Aristoteles Rhet. 1395a16 (als Appell für den Kampf gegen einen überlegenen Feind), außerdem lat. communis Mars belli bei Livius (EDWARDS; HÖLSCHER 1939, 41 Anm. 1). Explikatives Satz-Asyndeton (RUIJGH 765, 767; vgl. 1.105n., 19.90n.). — ξυνός: ‘gemeinsam’, im fgrE noch bei γαῖα (15.193), κακόν (16.262), δαῖτες u. θόωκοι (‘Hes.’ fr. 1.6 M.W.), d.h. bei Dingen u. Umständen, an denen alle in gleicher Weise teilhaben können (vgl. außerdem Il. 12.422 ἐπιξύνῳ ἐν ἀρούρῃ u. 1.124, 23.809 ξυνήϊα); im vorl. Kontext vom Gott des Kampfes etwa i.S.v. ‘unparteiisch’ verwendet (LfgrE; EDWARDS). — κτενέοντα κατέκτα: κτενέοντα ist Ptz. Fut. zu κτείνω (vgl. 6.409n., G 62; WEST 1998, XXXII), also ‘denjenigen, der sich anschickt zu töten’ (CHANTR. 2.201; WACKERNAGEL [1920] 1926, 205; allg. zum Gebrauch des Ptz. Fut. im fgrE 19.120n.; CLASSEN [1851–1857] 1867, 78– 80). Weitere Beispiele für das Spiel mit Klang (hier mit den Konsonanten k u. t) und Wörtern (hier mit reziproker Handlung) s. EDWARDS, Introd. 57–59; Parallelen bes. zum WortspielP mit Verb und Objekt s. FEHLING 1969, 231.
310–313 Abschließender ErzählerP-Kommentar (dazu allg. 2.38n., 6.234–236n.; EDWARDS, Introd. 4f.), 311 über die Versammlungsteilnehmer (Anklang an Hektors Schelte gegen Polydamas in den Vv. 295 u. 12.234) und 312b/313b über die beiden Redner (Anklang an Polydamas’ Einschätzung 12.212); hier mit proleptischem Charakter (vorbereitet in den Vv. 249–253 [s.d.]): interne ProlepseP, erfüllt in den Gesängen 20–21 (s. auch 22.99ff.). Weitere Stellen mit naivem Verhalten aufseiten der Troer s. 2.872n. 310 = 8.542. — κελάδησαν: Denominativum zu κέλαδος (‘Lärm’) mit der Bed. ‘lärmen, jubeln’; als Beschreibung von Beifallsbekundungen nur bei Versammlungen der Troianer verwendet (hier u. 8.542), sonst von den Achaiern als Wettkampf-Zuschauern (23.869) und von Naturphänomenen (κελάδων von Flüssen 576, 21.16, Wind Od. 2.421): LfgrE s.v. κελάδων, κελαδῆσαι; TICHY 1983, 196f.; ELMER 2013, 33f. Es betont den Lärm beim überschwenglichen Jubeln, während die sonst im Kontext ‘Versammlung’ gebräuchlichen Formulierungen mit (µέγα ἐπ)ιάχω bzw. (ἐπ)αινέω (312) das zustimmende Rufen beschreiben (KRAPP 1964, 99–103; MACKIE 1996, 93f.; Stellensammlung ‘Zustimmung’ s. BARCK 1976, 309 καί: ‘auch’, auf κτενέοντα bezogen. — τε: ‘episches τε’ (R 24.11). — κατέκτα: Wurzelaor. (3. Sg.) zu κατακτείνω; gnomischer Aor. 310 ἀγόρευ’, ἐπί: zum Hiat R 5.1. — ἐπὶ … κελάδησαν: zur sog. Tmesis R 20.2.
Kommentar
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145; ELMER a.O. 30–38). Dieser lärmende Jubel in der Versammlung könnte ein weiterer Hinweis auf das eher disziplinlose und unüberlegte Agieren der Troer sein (vgl. 3.8–9n. mit Lit.); s. auch Od. 24.463–469.
311 Zu gr. nḗpioi s. 295n.; als ErzählerP-Kommentar weist diese Charakterisierung meist darauf hin, daß die Betreffenden durch ihre Fehleinschätzung zugrunde gehen werden, nicht im Sinne einer tadelnden Wertung, sondern als Hinweis auf die Tragik im Schicksal der Figur(en)P (16.46–47n. mit Lit.; EDWARDS; RICHARDSON 1990, 161f.). Daß eine Gottheit jm. die Sinne (gr. phrénes) nimmt od. beschädigt, ist eine gebräuchliche Formulierung zur Begründung von Fehlverhalten, das auf (vorübergehend) getrübtem Urteilsvermögen beruht (6.234n., 19.137n.); hier dient sie dem ErzählerP dazu, plausibel zu machen, daß jetzt ausnahmslos alle (s. 313) enthusiastisch Hektors Offensivstrategie zustimmen, obwohl sie zu Beginn der Versammlung völlig verängstigt gewesen waren (245–248, s.d.), und somit die Handlung in die gewünschte Richtung zu lenken (schol. bT zu 312–3 a; ELMER 2013, 141–145). — Athene: agiert in diesem Krieg allg. zugunsten der achaiischen Seite (203–204n.; LfgrE s.v. Ἀθηναίη 214.3ff.). Παλλὰς Ἀθήνη: 217–218n. 312 ἐπῄνησαν: geläufiger Ausdruck für Konsens-Äußerung in einer Versammlung (‘zustimmen, applaudieren’), nur hier mit Dat.-Obj. (LfgrE s.v. αἰνέω), zeigt die Fokussierung der Troer auf die Person Hektors (ELMER 2013, 23. 140f.). — κακὰ µητιόωντι: VE ≈ 15.27, Od. 1.234. µητιάοµαι ist Deverbativum zu µῆτις (RISCH 321), der Bez. für praktische Klugheit und planendes, strategisches Denken (2.169n.; zur ep. Zerdehnung G 48; zum Diathesenwechsel G 100); κακὰ µ. bildet mit 313 (ἐσθλὴν φράζετο βουλήν) die Antithese ‘einen schlechten vs. einen guten Vorschlag machen’ (eigtl. ‘Schlechtes überlegen’ vs. ‘einen guten Rat/Plan ausdenken’) und ist ein weiterer Hinweis des Erzählers P auf das tragische Agieren der Figuren, s. 311n. (LfgrE s.v. µητιάοµαι; DE JONG [1987] 2004, 138; BERTOLÍN CEBRIÁN 1996, 201).
314a bis zur Zäsur C 2 = 7.380 (von WEST athetiert); ≈ 11.730; 1. VH = h.Cer. 511. — Der knappe Hinweis auf die Ausführung von Hektors Auftrag impliziert das Ende der Versammlung (zur Auflösung hom. Versammlungen 1.305n.). Entgegen der epischen Erzählkonvention, nach der die Ausführung eines Auftrags nahezu wörtlich wiederholt wird (6.86–101n.), beschränkt sich der ErzählerP hier auf den ersten Auftrag (298) und läßt die anderen beiden (299) und den Zusatz 300–302 (Provokation des Vorredners: s.d.; DE JONG [1987] 2004, 210) weg. Dadurch und durch den schnellen Szenenwechsel in 314b unterstreicht er den Kontrast der Stimmung in den beiden Heerlagern: bei den Troern herrscht euphorischer Jubel
311 ἐκ … εἵλετο: davon abhängig σφεων (= αὐτῶν: R 14.1); zur sog. Tmesis R 20.2. — σφε͜ων: zur Synizese R 7. 312 µητιόωντι: zur ep. Zerdehnung R 8.
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Ilias 18
bei der Vorbereitung des Nachtmahls, bei den Achaiern Trauer und Totenklage um Patroklos (OWEN 1946, 185; RICHARDSON 1990, 116. 226). 314b–355 Achilleus und die Myrmidonen richten Patroklos’ Leichnam für die Aufbahrung (Prothesis) her und halten die ganze Nacht hindurch Totenklage. 314b Szenenwechsel zum Lager der Achaier, welche die ganze Nacht mit der Totenklage um Patroklos verbringen (Wiederaufnahme von 231ff.: 231b–238n.); die Troer erscheinen erst wieder beim Auszug in die Schlacht 20.3ff. (239–242n.; EDWARDS zu 314–55; DI BENEDETTO [1994] 1997, 235 mit Anm. 16). αὐτὰρ Ἀχαιοί: 148n.
315 ≈ 355; 2. VH ≈ Od. 9.467. — Mit der nun folgenden Szene beginnt die Totenklage an der aufgebahrten Leiche des Patroklos, in der Achill eine erste Klagerede hält. Die Szene ist eingerahmt von Versen mit wörtlichen Wiederholungen (315/354f.); die darin geschilderte Handlung wird nach den Götterszenen 356– 19.3 wieder aufgenommen und fortgesetzt (RingkompositionP; VAN OTTERLO 1948, 68; TSAGALIS 2004, 148; KELLY 2007, 356; zur Variation im Versbau EDWARDS 1968, 277; zum Vier-Wort-Vers 1.75n.): (a) die lange anhaltende Totenklage (‘die ganze Nacht’) am nächsten Morgen bei Thetis’ Ankunft 19.4–6a (19.5–6a n.), ebenso in der folgenden Nacht 23.217–232; (b) das Mit-Klagen der Anwesenden als Antwort auf die individuelle Klagerede (315b/355b Anklang an Formelvers, s.u.) am nächsten Tag vor dem Auszug in die Schlacht 19.301/338 nach den Klagereden von Briseïs (19.286–300) und Achill (19.314–337), ähnlich am Abend (23.17–23). ἀνεστενάχοντο γοῶντες: Anklang an die formelhafte Bezeichnung der Responsion nach vorausgehender Klagerede ἐπὶ δὲ στενάχοντο + Subj. (19.301n., 24.720b–722n., 24.722n., jeweils mit Lit.). ἀναστενάχω/ἀναστοναχίζω bed. eigtl. ‘aufstöhnen’, vgl. 10.9f. (KRAPP 1964, 31; vgl. 19.314n.), mit Obj. hier und 23.211 ‘klagen um jn.’ (vgl. 19.301n.), wobei das Präfix viell. auch die Intensität hervorhebt (TSAGALIS 2004, 66f.: ‘to groan aloud over somebody’); γοάω bez. die rituelle Totenklage (24.160n.). Der Vorgang des Klagens wird öfters mittels Synonymen ausgedrückt, vgl. ὀδυρόµενος στεναχίζω Od. 1.243, 9.13, 11.214, 16.195 und die emphatischen synonymen Doppelungen 6.373, 24.48 mit nn. (KAIMIO 1977, 82).
316 = 23.17; 2. VH = 22.430, 24.747 (s.d.); ≈ 18.51 (s.d.), 24.723, 24.761. — Formelvers zur Einleitung von Totenklagen (24.723n., s. auch 51n.): Die variierbare VE-Formel gr. (ex-)ḗrche góoio (7× Il.) ist außer hier und 23.17 immer Einleitung 314 αὐτάρ: ‘aber’ (R 24.2). 315 παννύχιοι: prädikatives Adj., ‘die ganze Nacht hindurch’. — ἀναστενάχοντο: zum Medium R 23. 316 τοῖσι: ‘unter ihnen’ (R 19.2); zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17; zur Flexion R 11.2. — ἁδινοῦ ἐξῆρχε: zum Hiat R 5.6. — γόοιο: zur Flexion R 11.2.
Kommentar
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zur Klagerede einer Frau, die zu einer Gruppe von Frauen spricht: Thetis (51), Totenklagen um Hektor durch Hekabe (22.430, 24.747), Andromache (24.723) und Helena (24.761). Hier hingegen eröffnet Achill als der dem Toten am nächsten Stehende die Totenklage, und er wird dabei im folgenden, anders als 28–31 (s.d.), immer von einer Männergruppe umgeben sein, s. 354f., außerdem 19.4–6a, 19.303f./338, 23.9–18, 108f., 153f. (ALEXIOU [1974] 2002, 13f.; DERDERIAN 2001, 35f. u. 56; GAGLIARDI 2007, 103f. Anm. 43; vgl. auch 19.303n.). Die direkte Rede, Achills erste ‘öffentliche’, d.h. von einer Gruppe von Klagenden begleitete Klagerede, folgt jedoch erst nach einer weiteren Rede-EinleitungP (323) mit der Benennung dieser Gruppe (erweiterte Rede-EinleitungP: 249n.); zuvor wird Achills Gemütsverfassung durch die Schilderung seines Trauerverhaltens (Stöhnen 318a, 323a: KAIMIO 1977, 98f.; Gestik: 317) und durch ein Gleichnis (318b– 322 [s.d.]) in Erinnerung gerufen (TSAGALIS 2004, 60f.; BECK 2005, 261–263). – Zur ähnlichen Gestaltung im Gilgamesch-Epos (Gilgamesch trauert um den Freund Enkidu) s. DI BENEDETTO (1994) 1998, 313–315; WEST 1997, 341–343.
Πηλεΐδης: Periphrastische BenennungP mittels Patronymikon (166n.). — ἁδινοῦ: ‘wiederholt, anhaltend’ (vgl. 124n.).
317 = 23.18. — Das Berühren des Toten durch Angehörige gehört zu den hom. Trauergesten, v.a. das Umarmen (19.4f. u. 19.284f. Achill bzw. Briseïs bei Patroklos) und das Berühren oder Festhalten des Kopfes als Ausdruck der Zuwendung (23.136 Achill bei Patroklos; 24.712 u. 24.724 Andromache bzw. Hekabe bei Hektor; vgl. auch 71 [s.d.]): 19.284–285n., 24.711–712n., jeweils mit Lit.; zu bildlichen Darstellungen HUBER 2001, 204f. Die Geste der vorl. Stelle bereitet zusammen mit der Charakterisierung von Achills Händen als ‘männertötend’ die folgende Rede vor, deren Hauptthemen das Einlösen von Versprechen und das Ausüben von Rache sind (324–327, 334–337: 324–342n.), vgl. noch nach Hektors Tötung 23.18–23 bei der Einlösung des Versprechens und 24.478f. in der HikesieSzene zwischen Priamos und Achill (s.d.): HAMPE 1952, 20f.; TSAGALIS 2008, 243; etwas anders CAMEROTTO 2009, 110f. (‘männermordend’ als Hinweis auf Achills bevorstehende Aristie); zur vergleichbaren Geste des Gilgamesch s. WEST 1997, 342.
ἀνδροφόνους: aus der idg. Dichtersprache stammendes generisches EpithetonP, im fgrE meist in Gen.-Formel von Hektor (13×: 1.242n., 6.498n., 24.509n.); außerdem 3× von Achills Händen, 2× von Ares, je 1× von Lykurg (6.134n.), von Herakles’ Lanze und von einem Gift (LfgrE). 318a ≈ 21.417. — πυκνὰ … στενάχων: Variante der Formel βαρὺ στενάχων 323, mit πυκ(ι)νά zur Bezeichnung der zeitlich ‘dichten’, d.h. anhaltend wiederholten Klagelaute;
317 ἐπ’ … θέµενος: zur sog. Tmesis R 20.2. — στήθεσσιν: zur Flexion R 11.3; zum Plural R 18.2.
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ebenso 21.417, ähnlich 10.9 (πυκίν’ … ἀνεστονάχιζ(ε)), vergleichbar mit ἁδινά στ. 124 (s.d.; LfgrE s.v. πυκινός 1630.64ff.; KRAPP 1964, 30f.; KAIMIO 1977, 52).
318b–322 Während Löwengleichnisse meist die Energie, die Aggressivität und den Mut des Tieres bzw. eines Kriegers veranschaulichen (3.23n., 24.41b–44n., jeweils mit Lit.), sind diese Eigenschaften im vorl. GleichnisP mit Schmerz und Trauer, aber auch Zorn verbunden, mit Gefühlen, die durch einen Verlust ausgelöst worden sind (SEGAL 1971, 50: “it condenses the combination of violence and tenderness into a single vivid image”). Das Bild des Löwen, dem seine Jungen geraubt wurden, die er im Gebüsch versteckt zurückgelassen hatte, ist umrahmt von Ausdrücken für Achills Klagen (318a, 323); es illustriert sowohl seine jetzige Situation und Stimmung als auch sein Beschützer-Verhältnis zu seinem Freund (s. 326f., außerdem 23.222–225 [Achill trauert um Patroklos wie ein Vater um seinen Sohn]): (a) er mußte den Freund allein in den Kampf ziehen lassen, konnte ihn nicht beschützen und hat ihn so verloren (320b bzw. 324–327, 333; außerdem 98f., 102ff.); (b) er empfindet Schmerz und Zorn, verbunden mit Drang nach Vergeltung (320n.): Schmerz 320 (gr. áchnutai) bzw. 316/318a/323, außerdem 22; Zorn (gr. chólos bzw. cholōthéis) 322b bzw. 333–337; (c) er wird den Täter auf dem Schlachtfeld suchen und verfolgen (321–322a bzw. 334f.; vgl. 20.75ff., 20.423ff., 22.188ff.): schol. bT zu 318–22; EDWARDS; FRÄNKEL 1921, 93; MOULTON 1977, 105f.; SCHNAPP-GOURBEILLON 1981, 87f.; DE JONG (1987) 2004, 127. 272 Anm. 81; LONSDALE 1990, 93f.; CLARKE 1995, 155f.; MILLS 2000, 8– 10; STOEVESANDT 2004, 259–261; zur proleptischen Funktion von Gleichnissen DUCKWORTH 1933, 14f.; SCHADEWALDT (1938) 1966, 156 Anm. 2; EDWARDS, Introd. 31f.; zu Gleichnissen mit Eltern-Kind-Motiv im Zusammenhang mit Achilleus s. 16.7–11n.; DE JONG zu Il. 22, Introd. 24). – Auch der trauernde Gilgamesch wird u.a. mit einem Löwen verglichen, der seiner Jungen beraubt worden ist, wobei die innere Aufgewühltheit in der äußeren Unruhe des Tieres dargestellt ist (WEST 1997, 342f., mit Hinweis auf ähnliche Tier-Vergleiche im Alten Testament); zur Diskussion um mögliche oriental. Vorbilder für das vorl. hom. Gleichnis s. 319n.; EDWARDS (direkter Einfluß nicht zwingend, “a parallel creation is very probable”); ALDEN 2005, 340–342; CURRIE 2012, 550f. 568ff.; vgl. auch NTHS 54–57. 318b = 17.109; ≈ 15.275. — Löwe: Seit der Antike wird darüber diskutiert, ob wirklich ein männlicher Löwe mit Mähne (das gr. Adjektiv ēygéneios bed. ‘mit schönem Gesichtshaar’) oder – entgegen dem grammatikalischen Geschlecht in 318–320 – nicht eher eine Löwin gemeint ist, da sich das Muttertier um den Wurf kümmere und zudem ‘Löwe’ und ‘Löwin’ im fgrE lexikalisch noch nicht unter-
318b ὡς: ‘wie’. — τε: ‘episches τε’ (R 24.11), ebenso 319 (θ’), 320, 321. — τε (λ)λίς: zur Prosodie M 4.6. — ἠϋγένειος: = ἐϋ-, Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).
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schieden werden (vgl. 21.483f. Artemis als Löwe). Im vorl. Gleichnis ist aber wohl, wie in anderen Tiergleichnissen, in denen Elterntiere ihre Jungen schützen und verteidigen (9.323f., 12.167–170, 16.259–265, 17.133–136 [Aias verteidigt Patroklos’ Leichnam wie ein Löwe seine Jungen]), nicht das Geschlecht des Tieres wichtig, sondern die Tier-Gattung; der ErzählerP markiert das weibliche Elterntier nur im Zusammenhang mit der Brutpflege (5.554f., 17.4f. [Menelaos umkreist den toten Patroklos wie eine erstgebärende Kuh ihr Kalb]) oder mit mangelnder physischer Möglichkeit zum Schutz der Jungen (11.113–119, 16.353– 354): schol. A zu 318 und zu 17.134–6; LfgrE s.v. λέων; EDWARDS zu 17.133–6; FRÄNKEL 1921, 92f.; zur schwankenden Überlieferung des Geschlechts im Löwengleichnis des Gilgamesch-Epos WEST 1997, 342 mit Anm. 17; ALDEN 2005, 340 Anm. 42; allg. zu weibl. Tieren in hom. Gleichnissen LONSDALE 1990, 28–30. – In der vorderoriental. und archaischen Kunst ist ausgeprägte Gesichtsbehaarung und Mähne ein geläufiges Charakteristikum von Löwen (EDWARDS, Introd. 36 Anm. 43; DNP s.v. Löwe). ὥς τε: häufige Einleitung von Vergleichen und Gleichnissen (2.289n. mit Lit.). — λίς: ep. Wort für λέων, im fgrE Nom./Akk. Sg., immer vor der Zäsur C 2 (5× Il., 1× ‘Hes.’), das grammatikalische Geschlecht immer mask. (vgl. Iterata u. ‘Hes.’ Sc. 172): LfgrE s.v. λέων; LSJ s.v. λίς. — ἠϋγένειος: generisches EpithetonP von Löwen (Iterata, Od. 4.456) und von Pan (h.Pan 39); Kompositum mit ἐϋ-/ἠϋ-, der 2. Bestandteil zu γένειον (‘Kinn, Wange’) u. γενειάδες (‘Kinnbart’), also ‘mit schönem Gesichtshaar’ (vgl. ἠϋκόµος von Frauen 1.36n.); bezieht sich beim Löwen auf die Gesichts- od. Schnurrhaare (LfgrE; JANKO zu 15.271–6; vorsichtig EDWARDS zu 17.106–9) oder auf die Mähne (CERRI; WEST zu Od. 4.456), s. schol. A u. T.
319 Daß ein Jäger Löwenjunge mitnimmt, kommt in den hom. Jagdgleichnissen sonst nirgends vor. Für die Erwähnung dieses Vorfalls – wohl als Zufallsfund eines Jägers zu denken (VAN LEEUWEN; LfgrE s.v. σκύµνος; ALDEN 2005, 339 Anm. 37) – wird daher z.T. der Einfluß vorderorientalischer Vorbilder oder Praktiken angenommen (Gilgamesch-Epos; Einfangen von Löwenjungen zur Aufzucht für königliche Schaukämpfe), die dem Publikum bis zu einem gewissen Grad bekannt gewesen seien (ALDEN a.O. 342); allerdings waren Löwen in myk. und wohl bis in archaische Zeit auch in Griechenland und Kleinasien präsent (3.23n. mit Lit.). Der ErzählerP hat den Zufallsfund des Jägers wohl mit Bedacht gewählt: der damit implizierte Vergleich Hektors mit dem Jäger paßt insofern, als auch Hektor bei der Tötung des Patroklos (16.806–821) eine “günstige Gelegenheit” ausnutzen konnte (STOEVESANDT 2004, 261). Weniger sicher ist, ob das Motiv der Damwildjagd in einem Gleichnis im 22. Gesang in bezug auf die vorl. Stelle zu sehen ist 319 ῥα: = ἄρα (R 24.1). — ὑπὸ … ἁρπάσῃ: verallgemeinernder Konj. ohne Modalpartikel (R 21.1); zur sog. Tmesis R 20.2. — σκύµνους: ‘die (Tier-)Jungen’. — ἁρπάσῃ ἀνήρ: zur Hiatkürzung R 5.5. — ἀνήρ: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).
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(so LONSDALE 1990, 93f.): beim Zusammentreffen von Achilleus und Hektor auf dem Schlachtfeld wird Hektor u.a. mit einem Hirschkalb verglichen (22.189–193), das von einem Jagdhund (Achill) aufgespürt wird. ᾧ ῥά θ’ … ἁρπάσῃ: Einfache VergleicheP (hier 318) werden oft durch Apposition od. Relativsatz zu GleichnissenP erweitert (2.145n.; EDWARDS, Introd. 26); zum Übergang von Hypotaxe mit Konj. zu Parataxe mit Ind. (320f.) s. 207–212n. — ἐλαφηβόλος … ἀνήρ: ἐλαφηβόλος ist wie σκύµνος ein hom. hapax legomenonP; von einem Damwildjäger nur hier, sonst Bez. von Artemis (hom.h. 27.2, ‘Hes.’ fr. 23(a).21 M.-W.): LfgrE u. LSJ s.v. ἐλαφηβόλος; zur Berufs- und Funktionsbezeichnung mittels Gattungsbegriff (ἀνήρ, γυνή) und Apposition s. 2.474n.; zu den ep. Bez. für ‘Jäger’ (z.B. Junkturen mit ἀνήρ + θηρητήρ 12.170, 21.574, θηρήτωρ 9.544, θηρευτής 12.41, ‘Hes.’ Sc. 303, 388) s. BUCHHOLZ u.a. 1973, 6f. — ὑπὸ … ἁρπάσῃ: bed. ‘entwenden’; neben der Ortsangabe ὕλης ἐκ πυκινῆς 320 hat ὑπό hier eine Bewegungskomponente (LfgrE s.v. 1343.63f. u. 1344.3ff.; vgl. 16.353n. [ὕπεκ]) u. viell. zusätzlich die Konnotation der Heimlichkeit (AH; zu dieser Nuance von ὑπο- vgl. 513n. [ὑπεθωρήσσοντο]; SCHW. 2.524; LfgrE s.v. ὑποκλοπέοµαι; FERNÁNDEZ-GALIANO zu Od. 22.38).
320 1. VH ≈ Od. 6.128. — bekümmert: Die Wortfamilie áchnymai/áchos bez. einen seelischen Schmerz, verbunden mit Ohnmachtsgefühl, Wut und Aggression (321f./334ff.). Dieser Gemütszustand ist nur in diesem Gleichnis auf ein Tier übertragen, sonst grundbestimmend für das Leben der Menschen und ganz besonders für dasjenige Achills (so Thetis V. 62: vgl. 22, 112): 22n., 62n.; Ähnliches gilt für den ‘Zorn’, gr. chólos (322b/337b, außerdem 90ff., 108ff., 114ff., vgl. 19.15b–16, 19.367f.: 107–108n.). Dies verstärkt die Intensität des Bildes: “The lion and Achilles are merging” (HEATH 2005, 140); zur sog. imagery interaction in Gleichnissen s. 2.87n., 24.42–43n. (jew. mit Lit.); LONSDALE 1990, 132–135; PELLICCIA 1995, 90 Anm. 150. 321 ἄγκε(α): ‘Bergschluchten’, im hom. Epos nur in Gleichnissen erwähnt (z.B. 22.190), meist als Aufenthaltsort wilder Tiere (LfgrE). — ἐπῆλθε: In Gleichnissen finden sich oft Aoristformen neben Präsensformen (hier 320, 322; weiter Bspe. CHANTR. 2.186; s. auch 16.299–300n. [zum gnomischen Aor.]). — µετ’ … ἴχνι(α): ist entweder mit ἐρευνῶν zu verbinden (‘suchend nach’: EDWARDS; SCHW. 2.486; CHANTR. 2.119; FRITZ 2005, 213) od. mit ἐπῆλθε (‘den Spuren nach, hinter den Spuren her’), verdeutlicht durch das Ptz. ἐρευνῶν (AH; LfgrE s.v. ἐρευνάω: “abs. or sc. ἴχνια”, vgl. Od. 19.436). 322 2. VH ≈ 17.67. — εἴ ποθεν ἐξεύροι: ‘ob … irgendwo’ (nämlich von den Spuren ausgehend); der abhängige Fragesatz mit Opt. wie bei Verben des Versuchens, Überlegens u.ä., von einem Wunsch des Löwen ausgehend (SCHW. 2.687; LEAF). — µάλα: empha-
320 ὅ: demonstr.-anaphor. (R 17). — ὕστερος: prädikativ, ‘später’ sc. als der Raub durch den Jäger. 321 ἄγκε’ ἐπῆλθε … ἴχνι’ ἐρευνῶν: zu den Hiaten R 5.1. — ἄγκε(α): zur unkontrahierten Form R 6. — µετ(ά): ‘nach’ i.S.v. ‘in Richtung, hinter … her’. — ἀνέρος: = ἀνδρός; Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).
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tisch am Satzanfang (LfgrE s.v. 22.27ff.). — δριµύς: bed. ‘scharf, durchdringend’, die Etym. ist unsicher (FRISK, DELG s.v.); wird im fgrE im Zusammenhang mit überwältigenden Emotionen verwendet (Od. 24.319 µένος, sich körperlich auswirkend: HEUBECK zu Od. 24.318–9; ‘Hes.’ Sc. 457 ἄχος), außerdem in einem Vergleich, in dem der Schmerz einer Verwundung mit Wehen verglichen werden, die wie ein Geschoß in den Körper fahren (Il. 11.269–271: βέλος ὀξὺ … | δριµύ … | … πικρὰς ὠδῖνας), dann von µάχη (‘heftig’: 15.696, 3× Hes.), nachhom. auch von Dingen, die unangenehm auf Geschmackssinn od. Augen einwirken (‘bitter, scharf, beißend’), als Gegenteil von γλυκύς (LfgrE u. LSJ s.v.). Zu δριµὺς χόλος vgl. Achills Beschreibung des χόλος, der zunächst wie süßer Honig wirkt (109–110n.). — χόλος αἱρεῖ: Ähnliche Formulierungen s. 3.446 [s.d.] ἵµερος αἱρεῖ, 17.67 δέος αἱρεῖ. 323 1. VH = 9.16; 2. VH ≈ Od. 8.201, 16.354, 18.35. — βαρὺ στενάχων: 70n.
324–342 Achills Rede – die einzige direkte Rede dieser Szene – ist hinsichtlich Struktur und Inhalt außergewöhnlich im Vergleich mit anderen Totenklagen der Ilias, die üblicherweise dreigeteilt sind und eine ringkompositorischeP Struktur haben (19.286–339n., 24.725–745n., 24.749–750n.; speziell zu deren Motiven s. DERDERIAN 2001, 36f.). Die vorl. Rede besteht aus zwei Teilen (324–332 / 333– 342) – markiert durch Ausruf (324) und Anrede (333) –, denen die enge Verknüpfung von Patroklos’ Tod mit Achills eigenem gemeinsam ist (v.a. 329–333): (1) Erinnerung an Vergangenes (Patroklos in der 3. Pers. 326f.) und Klage über den vom Schicksal vorherbestimmten Tod beider vor Troia (‘uns beiden’ 329): (a) erhoffte Heimkehr 324–327, (b) Gnome 328, (c) Tod im fremden Land 329–332; (2) Hinwendung zum Toten, Ankündigung von Vergeltung und Ehrung des Toten (Patroklos in der 2. Pers.; zur Gestaltung 333–342n.): (a) Anrede an den Toten und Festhalten der Situation 333; (b) Versprechen, sich an Hektor und den Troern zu rächen 334–337; (c) Ankündigung der ununterbrochenen Totenklage an der Leiche durch die Beutefrauen 338–342 (LOHMANN 1970, 66f. Anm. 112. 103 Anm. 18; TSAGALIS 2004, 143–148; BECK 2005, 262f.; zur starken Gewichtung der Rache in dieser Klagerede s. WAGNER-HASEL 2000, 89f.; DERDERIAN 2001, 34 Anm. 76. 41. 55f.). 324–327 Externe kompletive AnalepseP: Die Abschiedsszene im Hause des Peleus vor dem Feldzug nach Troia ist bereits zweimal geschildert worden: von Odysseus 9.252–259 (Ermahnungen von Achills Vater) und ausführlich von Nestor 11.765– 791 (Ratschläge beider Väter), gemäß dessen Schilderung Patroklos’ Vater Menoitios die Vorzüge der beiden Freunde hervorgehoben hat (11.786–789: Klugheit vs. Körperkraft); zu Achills Auszug nach Troia s. auch 58n. Achill erwähnt hier nur das ‘an jenem Tag’ gegebene Versprechen, das er nicht einhalten konnte, eine Anspielung, die wohl nicht für die Umstehenden, sondern in erster Linie für Achill 323 ὥς: = οὕτως. — µετεφώνεε: zur unkontrahierten Form R 6. — Μυρµιδόνεσσιν: zur Flexion R 11.3.
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selbst gedacht ist. Insgesamt beginnt die Rede eher als eine Art Selbstgespräch (‘O weh! Wahrlich ein nichtig Wort warf ich …’ 324), während am Anfang der anderen iliad. Klagereden der Tote angesprochen wird, s. 19.287, 315, 22.431, 477, 24.725, 748, 762 (zur Frage nach den verschiedenen Adressaten von Totenklagen s. PELLICCIA 1995, 154f. Anm. 87). Mit dieser erstmaligen Erwähnung des Versprechens (Prinzip des ‘ad hoc-Erzählens’P) zeigt der ErzählerP, wie sehr sich Achilleus für den Freund verantwortlich fühlte, und indem er Achill den Inhalt des Versprechens genau wiedergeben läßt, wird die Verzweiflung des Sprechers über das Unglück erahnbar (HEBEL 1970, 120f.); zu Äußerungen von unerfüllt gebliebenen Wünschen in Totenklagen s. ALEXIOU (1974) 2002, 178; TSAGALIS 2004, 42–44; zu den über die Ilias verteilten Hinweisen auf die Abschieds-Szene s. LATACZ (1995) 2014, 309f. Anm. 107; allg. zu Erinnerungen an Abschiedsszenen von Kriegern s. 6.207–210n.
324 ὦ πόποι: Wort der Figuren-SpracheP, Ausdruck der (meist unangenehmen) Überraschung und des Unwillens (1.254n.; KELLY 2007, 220–223), hier über die Nutzlosigkeit des einst gegebenen Versprechens. — ἅλιον ἔπος ἔκβαλον: die bildhafte Ausdrucksweise wohl in Anklang an das Geschoß, das sein Ziel (nicht) verfehlt: (οὐχ) ἅ. βέλος 6× Il., immer mit einer Form von βαλεῖν (‘treffen’) im Kontext (NÜNLIST 1998, 148f. mit Hinweis auf Pind. Ol. 9.11f.); von Worten sonst οὐδ’/οὐχ’ ἅλιον ἔπος 24.92/224 von einem Götterauftrag, der nicht unerfüllt bleibt, außerdem ἅ. µῦθον ὑπέστηµεν (5.715) von einem Versprechen, ἅ. πέλει ὅρκιον von einem Eid (4.158): LfgrE s.v. ἅλιος 2; vgl. auch 1.201n. zu ἔπεα πτερόεντα (“sicher dahinfliegend und daher treffsicher”). Die Etym. von ἅ. ist unsicher: viell. eine Ableitung zu ἅλς (analog ἠέριος, αἰθέριος), zur Kennzeichnung des Geschosses, das (urspr. beim Fischfang?) daneben geht und ins Wasser fällt (SCHW. 1.461; DELG s.v. ἅλιος; SNELL [1964] 1966, 65). In ἔκβαλον zeigt sich das Impulsive der damaligen Äußerung, vgl. Od. 4.503 (AH). — ἤµατι κείνῳ: VE-Formel (5× Il., 2× Hes.), außer hier immer im Erzähler-Text (in Figuren-Rede sonst ἤµατι τῷ, ὅτε: 85n.); bezieht sich meist (außer 2.37, 21.517) auf eine zeitlich zurückliegende Handlung; Achill betont die unwiederbringliche Vergangenheit (DE JONG [1987] 2004, 235f.).
325 Menoitios, dem Herrn: Die gr. Bezeichnung hḗrōs erscheint als generisches EpithetonP oder Periphrastische BenennungP verschiedener Haupt- und Nebenfiguren und kennzeichnet sie als “Angehörige einer großen Vergangenheit” (6.34– 35n.; zu Menoitios 12n.). — im Hause: Die gr. Wendung en megároisin ist oft mit emotionaler Konnotation i.S.v. ‘zu Hause’ verwendet (24.209a n.).
324 ἦ: ‘wirklich, in der Tat’ (R 24.4). — ῥ(α): zur Hiatvermeidung (R 24.1). — ἅλιον (ϝ)έπος: zur Prosodie R 4.5. — ἤµατι: zu ἦµαρ ‘Tag’. — κείνῳ: = ἐκείνῳ. 325 θαρσύνων: konativ (‘Mut zuzusprechen versuchend’). — µεγάροισιν: zur Flexion R 11.2; zum Pl. R 18.2.
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326 Der in der östlichen Lokris gelegene Ort Opus (in der Ilias Opoeis genannt) ist der ursprüngliche Heimatort des Patroklos (2.531n.). Dieser war aber, nachdem er als Knabe einen Spielkameraden im Zorn erschlagen hatte, von seinem Vater Menoitios zu Achills Vater Peleus nach Phthia gebracht worden, von diesem zuammen mit Achilleus dort aufgezogen worden (23.84–90) und war von dort mit ihm in den Krieg gezogen (11.769–790: Abschied von den Vätern in Phthia; s. Dazu LATACZ [1995] 2014 309 Anm. 107): FM 2; zum Motiv ‘Exil nach Totschlag’ 24.480–484n. Daher ist die Äußerung ‘ihm nach Opus’ auffällig (bes. nach 11.769–771). Allerdings muß eine Rückkehr nach Opus nicht für immer verwehrt sein: der Totschlag (23.87f.) könnte durch Zahlung von Wergeld gesühnt werden, vgl. 9.632–636, 18.497–501 (LEAF; vgl. NÜNLIST 2009a, 628f.). Aber vielleicht läßt sich die Formulierung auch damit erklären, daß der ErzählerP 326f. zur Erhöhung des Pathos zwei Erzähl-Motive aufgegriffen und kombiniert hat, in denen ‘Heimat’ zentral ist: (1) im Versprechen, ihn dem Vater heimzubringen, die Verbindung von ‘fern der Heimat sterben’ mit der Vorstellung, daß jemand nicht mehr zum Vater heimkehren wird (59b–60a n., 24.86n.); (2) in der Schilderung von Patroklos als Zerstörer Troias das Motiv ‘glückliche Heimkehr nach der Zerstörung Troias’ (vgl. 327 und den Formelvers 2.113 [s.d.]); dabei stellt er neben die Assoziationskette Achilleus–Peleus–Phthia (s. etwa 59f., 101, 330f.) die entsprechende mit Patroklos–Menoitios–Opus. φῆν δέ: Zitat-Formel am VA zur Einleitung indir. Rede (FÜHRER 1967, 86f., mit Stellensammlung). — περικλυτόν: generisches EpithetonP bei versch. FigurenP, im Zusammenhang mit Patroklos nur hier (zu κλυτός 19.10n.); ist wohl prädikativ zu ἀπάξειν aufzufassen, als Folge der Erfolgshandlungen in 327 (schol. bT; AH; EDWARDS zu 324–7); weitere Wendungen für die Vorstellung ‘weit verbreiteter Ruhm’ 6.111n.
327 2. VH ≈ Od. 5.40, 13.138. — Beuteteil: Die Beute, ein auch für Achilleus nicht unwichtiges Motiv für die Teilnahme an Kriegszügen, besteht v.a. aus Vieh (1.154–157n.), Dreifüßen und Kesseln, Gold und Erz – sowie Frauen, die dann als Sklavinnen dienen müssen (28n.), vgl. z.B. 9.135–140 (LfgrE s.v. ληΐς; NOWAG 1983, 26f.). Zu Patroklos’ Anteil an der Beute s. 24.595 Achills Versprechen. Ἴλιον ἐκπέρσαντα: flektierbare VA-Formel (8× Il.: 2.113n., 2.133n.). — λαχόντα … αἶσαν: d.h. nachdem er den jedem Krieger zustehenden Anteil (αἶσα) aus der gemeinsamen Beute bekommen hat, die gleichmäßig verteilt wird, im Gegensatz zum γέρας für die Anführer, vgl. 9.367, Od. 14.232f. (LfgrE s.v. λαγχάνω; zum Prozedere der Beuteverteilung 1.118–129n.).
328–332 Mit einer Gnome (328) faßt Achill seine Erfahrung zusammen: Zeus richtet sich nicht nach den Plänen der Menschen. Für das Publikum hatte der ErzählerP 326 φῆν: augmentlose (R 16.1) 1. Sg. Impf. zu φηµί. — δέ (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). — ἀπάξειν: ‘zurückbringen’ (von Troia weg). 327 ἐκπέρσαντα: Ptz. Aor. zu ἐκπέρθω ‘vollständig zerstören’.
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bereits bei Patroklos’ Auszug in den Kampf 16.252 mit Zeus’ Reaktion auf Achills Gebet und 16.688 mit einer ähnlichen Gnome die begrenzte Erfüllbarkeit der menschlichen Wünsche und Absichten gegenüber dem Willen des Zeus signalisiert (ähnlicher Gedanke auf Hektor bezogen 10.104f.; vgl. auch Od. 22.51): AHRENS 1937, 31; HEBEL 1970, 121; RUTHERFORD 1982, 156; LARDINOIS 2000, 645. Achill selbst hat über sein eigenes Schicksal schon länger Bescheid gewußt (1.352n., 9.410ff.: kurzes Leben), er ist aber bis zum Eintreffen der Todesnachricht davon überzeugt gewesen, daß er vor Patroklos sterben werde (vgl. 333) und daß dieser wohlbehalten wieder heimkehren werde (19.328ff.): vgl. 8–11n., 19.328–333n. Nun ist es für ihn evident, daß er aufgrund des vorgegebenen Schicksals sein Versprechen nicht einhalten konnte, vgl. die betonte Stellung von ‘beide’ (gr. ámphō) und ‘hier’ (gr. autoú) am VA von 329/330. 328 ἄνδρεσσι: verallgemeinernde Aussage mit Verwendung von ἄνδρες, da der Ausgangspunkt Kampf und Kriegsglück ist (LfgrE s.v. ἀνήρ 834.38ff.).
329 röten: eine der Umschreibungen mit dem Begriff ‘Erde’ (gr. gáia) für ‘sterben’ (ähnlich noch 11.394 vom unbestattet daliegenden Gefallenen); sie ermöglicht es, den gemeinsamen Todesschauplatz (‘gleiche Erde’) zu formulieren; vgl. außerdem ‘in die Erde beißen’ (2.418n.), ‘die Erde mit der Hand greifen’ (11.425 u.ö.), ‘unter die Erde gehen’ (332n., 333n.). πέπρωται: gehört zu πορεῖν (idg. Wz. *perh3- ‘verschaffen, zuweisen’: LIV 474f.); das Perf. wird in bezug auf Menschen im Zusammenhang mit dem vom Schicksal vorbestimmten Tod verwendet, vgl. ὁπποτέρῳ θανάτοιο τέλος πεπρωµένον ἐστίν (3.309) u. θανάτου δέ οἱ αἶσα πέπρωται (Cypr. fr. 9 West), jeweils mit Subjekt u. Dativobjekt, an der vorl. Stelle in unpersönl. Konstruktion mit AcI (‘es ist bestimmt, daß wir beide…’), dagegen persönl. konstruiert ἄνδρα … πεπρωµένον αἴσῃ (16.441 [s.d.] = 22.179): LfgrE s.v. πορεῖν; DIETRICH 1965, 265; SARISCHOULIS 2008, 38.
330–332 Häufig verwendetes Motiv des Sterbens als Nicht-Mehr-Heimkehren in die Heimat oder zum Vater (326n.), zur Erhöhung des Pathos variiert durch die zusätzliche Erwähnung der Mutter (ebenso 19.422), umrahmt durch die Ortsangabe ‘hier’ (gr. autoú 330/332) und den Hinweis auf das mit dem Freund gemeinsame Schicksal (329 ‘gleiche Erde’ / 333 ‘nach dir unter die Erde’): TSAGALIS 2004, 78. 80. 330 1. VH = 2.237, 19.330, Od. 18.226. — Τροίῃ: gemeint ist die Landschaft ‘Troas’ (vgl. 2.141n.).
328 ἄνδρεσσι: = ἀνδράσι (vgl. R 11.3). 329 ἄµφω … πέπρωται … ἐρεῦσαι: unpers. πέπρωται (‘es ist bestimmt’) mit AcI ἄµφω (‘wir beide’) … ἐρεῦσαι (zu ἐρεύθω ‘röten’, sc. ‘mit unserem Blut’). 330 αὐτοῦ: Adv., ‘an Ort und Stelle, hier’ (ebenso in V. 332). — ἐνί: = ἐν (R 20.1). — Τροίῃ: zum -ῃ nach -ι- R 2. — Τροίῃ, ἐπεί: zum Hiat R 5.6.
Kommentar
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331 2. VH = 7.125, 9.438, 11.772. — zu Haus: 325n.
ἱππηλάτα: EpithetonP bei Helden der älteren Generation, meist formelhaft mit γέρων verbunden (19.311n.). Zum Nom. auf -ᾰ und zur Bed. (‘Wagenritter’) s. 2.336n. s.v. ἱππότα.
332 1. VH = 16.34; VE ab Zäsur C 2 = 16.629, Od. 13.427, 15.31; ≈ 11.549 — Erde: Die Wendungen ‘die Erde hält jn. fest’ sind Umschreibungen für ‘jd. ist tot’ (vgl. 2.699 u. Iterata), vgl. seine Seele geht ‘unter die Erde’ (333n.) in den Hades (LfgrE s.v. γαῖα 110.60ff.; CERRI; SACKS 1987, 73ff.; CLARKE 1999, 180f.). 333–342 Im zweiten Teil von Achills Klagerede rückt der tote Freund in den Vordergrund (vgl. die häufig verwendeten Formen von ‘du’, ‘dich’ und ‘dein’ in den Vv. 333–335, 337–339 und ‘wir’ 341f., gegenüber dem ersten Rede-Teil mit ‘ich’, ‘mich’ in den Vv. 324, 326, 330 und ‘wir beide’ 329), ebenso Rache und Vergeltung, die für Achill zwingend notwendig sind, da der Freund vor ihm getötet wurde. Er nennt daher die aus seiner Sicht wichtigen kommenden Ereignisse, die alle eintreten werden (eine Art ‘table of contents’ speech, s. dazu DE JONG zu Od. 1.81–95), gegenüber der ErzählungP in chronologisch sich rückwärts bewegender Reihenfolge (vgl. Epische RegressionP): (a) Achills eigenen Tod (333b: externe ProlepseP); (b) Patroklos’ Bestattung (334a: 23. Gesang, bes. 23.110b–257a); (c) die Tötung Hektors, die Spoliierung und Verunstaltung des Leichnams (334b– 335: 22.–24. Gesang); (d) die Erbeutung von zwölf troischen Kriegern, die anläßlich der Bestattung getötet werden (336f.: 21.26–32, 23.175f./180f.); (e) die Totenklage an der aufgebahrten Leiche durch die erbeuteten Frauen (339–342: 19.282–302). Die zur Ausführung notwendigen Vorbereitungen wird ihm Thetis nahelegen (Versöhnung mit Agamemnon und dem Heer, Vorbereitungen zur Schlacht: 19.34–36n.). 333 Patroklos!: Die Anrede an den Toten steht sonst am Beginn von Klagereden (324–327n.; zur ähnlichen Struktur von Gilgameschs Klagerede s. WEST 1997, 343). — Erde: Variante der Wendungen ‘in den Hades / ins Haus des Hades gehen’, vgl. Od. 20.81, h.Cer. 431 (6.19n. mit Lit.; vgl. auch 3.322n.); s. außerdem 332n. νῦν δ’: Rückkehr in die Realität (vgl. 88n.).
334 nicht eher …: Die Wendung ‘nicht eher … als’ gehört mehrheitlich der Figuren-SpracheP an, verwendet in Ankündigungen, Drohungen u.ä., die meist erfüllt werden, die hier Erwähnten im Verlaufe der nächsten beiden Tage (vgl. 333–342n. u. STR 21 Abb. 1), wobei Achill den Freund explizit auf die Erfüllung des Versprechens hinweisen wird (23.20–23, 23.180–183): KELLY 2007, 339–341; zum 331 ἱππηλάτα: Nom. Sg. (↑). 333 σέ(ο): = σοῦ (R 14.1); gen. comparativus, abhängig von ὕστερος (‘später als du’). 334 πρὶν …, πρίν: Das erste πρίν ist Adv., das zweite Konjunktion mit Inf. ἐνεῖκαι (zu ἔνεικα ≈ att. ἤνεγκον): ‘vorher …, bevor’. — πρὶν(ν) Ἕκτορος: zur Prosodie M 4.6.
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Ilias 18
Motiv der hinausgeschobenen Bestattung s. 19.23b–27n.; zu den Gepflogenheiten der Bestattung im hom. Epos s. 24.37b n. (gebotene Eile), 24.38n. (Brandbestattung). οὔ …, πρὶν Ἕκτορος … ἐνεῖκαι: πρίν wird bei Homer auch nach neg. Hauptsatz meist mit Inf. konstruiert (SCHW. 2.654f.; CHANTR. 2.315; vgl. 1.97–100n.). — κτερίω: Fut. von κτερίζω (‘feierlich bestatten’), der sprachlich jüngeren Variante von κτερεΐζω (24.38n.; CLARKE 1999, 184; zum Akzent WEST 1998, XXXI). — Ἕκτορος: Die ungewöhnliche Stellung des Genetivs mit Enjambement im folgenden Vers (τεύχεα καὶ κεφαλήν) bewirkt Emphase, vgl. 16.840f. (EDWARDS 1968, 278; dazu ROSÉN 1984, 93: nicht possessiver Genetiv, sondern Genetiv mit Ablativfunktion: ‘von Hektor hierher bringe | Waffen und Kopf’).
335 Bewaffnung: Gemeint sind Achills eigene Waffen, die Hektor dem toten Patroklos geraubt hat und seither im Kampf trägt, vgl. 131f., 22.322f. (vgl. 20–21n., 82b–85n.). Daß hier der Hinweis darauf fehlt (ebenso 22.331, 22.368f.), ist bisweilen als Ungenauigkeit des Dichters moniert worden (schol. bT zu 334–5; AH; LEAF; EDWARDS), ist aber verständlich, da der Sachverhalt in diesem sehr emotionalen Moment nebensächlich ist: wichtig sind Spoliierung und Mißhandlung des toten Hektor, damit der tote Freund gerächt und geehrt werden kann (vgl. in einer Drohrede 17.39: Rache durch ‘Haupt und Waffen’ des Gegners als Beute; außerdem 13.202f.). Ungewiß bleibt, inwiefern das Fehlen eines Hinweises auf den Waffentausch sowie die verschiedenen Versionen von Hektors Vorgehen nach Patroklos’ Tötung (läßt die geraubte Rüstung nach Troia bringen: 17.130f.; zieht sie zum Mißfallen von Zeus anstelle der eigenen Rüstung an: 17.186–197 und 17.198–208; bietet die Hälfte davon als Preis für denjenigen, der Patroklos’ Leichnam erkämpft: 17.231f.) Reste aus verschiedenen Entstehungsphasen der Ilias sind (so WEST 2011, 331 [zu 17.122] und 332f. [zu 17.186–228]: Hektors Waffentausch sei sekundär, daher z.T. ignoriert). — Haupte: Das in den beiden vorausgehenden Szenen erwähnte Motiv der Mißhandlung des toten Feindes wird weiter ausgeführt: auf FigurenP-Ebene in Analogie zu Hektors Absicht gegenüber Patroklos (18.175ff., s. auch 17.126: 175b–177n.), also Vergeltung nach dem Talionsprinzip; auf ErzählerP-Ebene als Reminiszenz an die vorausgegangene Versammlung der Troer, in welcher Polydamas das Los der Gefallenen beschrieben (271/283) und Hektor seine Bereitschaft zum Zweikampf mit Achill angekündigt hat (306b–308; s. auch die Andeutung über die Fehleinschätzung Hektors 310– 313). Der ErzählerP läßt Achill zwar Hektors Leichnam mißhandeln (22.395–404, 23.24–26, 24.14–21), jedoch nicht verstümmeln, so daß dieser für eine würdige Bestattung unversehrt dem Priamos übergeben werden kann (24.582–595): EDWARDS; SEGAL 1971, 28. 65; ProlepsenP von Hektors Tod s. 92n.
335 σεῖο: Gen. Sg. des Pers.-Pron. (= σοῦ: R 14.1). — φονῆος: zur Flexion R 11.3.
Kommentar
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µεγαθύµου σεῖο φονῆος: µεγάθυµος (‘mit großer Leidenschaftlichkeit, hochgemut’) ist generisches EpithetonP versch. Helden und Völker (1.123n., 19.75n.), u.a. auch bei Hektor (15.440) und Patroklos (Tötungsszene 16.818), jedoch meist bei Eigennamen und nur selten bei Appellativa. Der Gen. µεγαθύµου steht im fgrE immer zwischen den Zäsuren B 1 u. C 2, häufig mit folgendem Patronymikon od. PN (LfgrE s.v. µεγάθυµος; HOEKSTRA 1965, 24); hier ist er eher auf φονῆος, d.h. Hektor zu beziehen (VAN LEEUWEN; WILLCOCK; LfgrE s.v. µεγάθυµος) – eine Reverenz an den Gegner, die auch den Wert der Rache erhöht, – und nicht auf σεῖο, d.h. Patroklos – als Teil des Totenlobs in Klagereden (LEAF; von EDWARDS vorgezogen). Zur Hauptüberlieferung σεῖο (gen. obi. des Pers.-Pron. statt Poss.Pron. σοῖο) s. 24.486n.; LEAF.
336–337 = 23.22f. — Achills Versprechen, bei der Bestattung zwölf Troer zu töten, zeigt, in welch außerordentlichem Gemütszustand von Trauer, Wut und Verlangen nach exzessiver Rache am Feind er sich befindet (vgl. auch 23.175ff.). Bemerkenswert an seinem Vorhaben ist, daß die Tötung nicht im Kampf auf dem Schlachtfeld stattfinden soll, wie es in anderen Fällen von Rache für einen getöteten Freund oder Angehörigen beschrieben wird (Tötung des Täters od. beliebiger Gegner: 16.398n.; zu Achill s. 19.214 [s.d.], 21.97–135, Hektors Tötung im 22. Gesang, bes. 22.260–272), sondern erst bei Patroklos’ Bestattung ‘vor dem Scheiterhaufen’. Das persönliche Ritual soll eine sichtbare Demonstration seiner Rache für die Tötung seines Freundes und eine Ehrung für diesen sein und ihm in seinem unermeßlichen Schmerz und Zorn Erleichterung verschaffen (337 ‘zürnend um dich’, 21.28 ‘Kompensation’ [gr. poiné: 3.290n.]): RICHARDSON zu Il. 23.166–76; GARLAND (1982) 1984, 12–14; HUGHES 1991, 49–56. 70 (‘ritual revenge’); KITTS 2008, 229–237 (mit Hervorhebung von ritual-bedingten Elementen in der Beschreibung im 23. Gesang). Die Tötung von Menschen bei einem Bestattungsritual ist im hom. Epos singulär, sie wird aber vom ErzählerP nicht explizit gewertet (23.176 ‘schlimme Dinge’ verweist nur auf die [Ab-]Sicht des Täters bzw. der Opfer: DE JONG [1987] 2004, 138); dieser Akt Achills dient ihm wohl ähnlich wie die Behandlung von Hektors Leichnam (dazu 24.22n.) dazu, Achill in seiner maßlosen Gier nach Rache zu zeigen, und ist als kontrastierende Folie für sein MitLeiden mit Priamos im 24. Gesang zu sehen. Mit dem vorl. Ritual in gewisser Hinsicht vergleichbar ist die – in der nachhom. Literatur erwähnte – Tötung der Priamos-Tochter Polyxena bei der Bestattung Achills (s. u.a. Il. Pers., Prokl. Chrest. § 4 West; Eur. Hec.); zu Menschenopfern im gr. Mythos s. DNP s.v. Menschenopfer; HUGHES a.O. 60–65. 71–92; HERMARY/LEGUILLOUX 2004, 129–131. Ungewiß bleibt, inwieweit der ErzählerP hier Kenntnisse von realen Menschenopfern im Zusammenhang mit Bestattungsritualen verarbeitet hat; zur Diskussion um 336 πυρῆς: zum -η- nach -ρ- R 2. 337 σέθεν: = σοῦ (R 14.1, vgl. R 15.1). — σέθεν κταµένοιο: gen. causae, abhängig von χολωθείς. — κταµένοιο: Ptz. Aor. Med. (mit pass. Bed.) zu κτείνω; zur Flexion R 11.2.
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mögliche Spuren von Menschenopfern bei Begräbnissen in Griechenland und zum Vergleich der Schilderung im 23. Gesang mit Begräbnissen bei Lefkandi auf der Insel Euboea s. RICHARDSON zu Il. 23.166–76; ANDRONIKOS 1968, 27–29. 82–84; BLOME 1991, 46–50; HUGHES a.O. 65–70; BURKERT 1994, 97f.; ANTONACCIO 1995; HERMARY/LEGUILLOUX a.O. 131f.; KITTS a.O. 219–225; zu bildlichen Darstellungen der iliad. Tötungsszene s. STEUERNAGEL 1998, 19–28; zu einer möglichen Parallele in den Annalen des Assurbanipal (7. Jh. v.Chr.) s. BURKERT a.O. 98 Anm. 7; ROLLINGER 1996, 182–184. — zwölfen: 230–231a n.; ist auch Typische ZahlP von Opfertieren und kann Vollständigkeit signalisieren: vgl. 6.93n.; GRAZIOSI/HAUBOLD zu 6.93–4. — Scheiterhaufen: Zur im hom. Epos üblichen Brandbestattung s. 24.38n., 24.777–804n. — zürnend: vgl. 112–113n.; zu diesem typ. Element im Kontext von Rache für den Tod eines Nahestehenden s. WALSH 2005, 175–186. ἀποδειροτοµήσω: Das Kompositum (ἀπο-)δειροτοµέω (nur hier u. Hes. Th. 280 [Medusa] mit Präfix ἀπο-) mit der Bed. ‘(ab)schlachten’ geht auf δείρη (‘Kehle’) und τάµνω (‘abschneiden’) zurück (zur Bildungsweise RISCH 181, 218, 309; SCHW. 1.644) und ist in der Ilias immer mit Achill als Subj. verwendet. Außerhalb des Kontextes Kampf (21.89, 555, Od. 22.349, Hes. Th. 280) beschreibt es die Tötung von Opfertieren (‘schächten’: Il. 23.174, Od. 11.35, h.Merc. 405), nur hier von einer Gruppe von Menschen: LfgrE s.v. δειροτοµέω. — Τρώων ἀγλαὰ τέκνα: entspricht in der Tötungsszene 23.175/181 Τρώων … υἱέας ἐσθλούς. Die Verbindung Τρώων τέκνα ist sonst nur noch in den formelhaften Versen 6.95/276/310, 17.223 verwendet (Τρώων … νήπια τέκνα), die Junktur ἀγλαὰ τέκνα an versch. Verspositionen, u.a. vor der Zäsur B 2 (2× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’) u. als VE-Formel (7× fgrE: 2.871n.), außer hier immer zur Angabe der genealogischen Herkunft von FigurenP. Die Wendung Τρώων ἀγλαὰ τέκνα ist einerseits ein Hinweis auf das jugendliche Alter der zwölf Todgeweihten (s. 21.27 κούρους) – vgl. die Opfertiere, die ‘makellos’ sein müssen (1.66n.), – andererseits auch die Definition ihrer Herkunft (s. von den Frauen 339), vgl. auch die flektierbare VE-Formel υἷες Ἀχαιῶν (1.162n., 24.495n.) und Od. 11.547 (παῖδες δὲ Τρώων), 24.38 (Τρώων καὶ Ἀχαιῶν υἷες): LfgrE s.v τέκνον; zum Epitheton ἀγλαός ‘glänzend, strahlend’ vgl. die flektierbaren VE-Formeln ἀγλαὸς/φαίδιµος υἱός (dazu 6.144n.; CIANI 1974, 105). 338 κορωνίσι: Schiffs-Epitheton mit den Bed. ‘gekrümmt’ und ‘hochragend’; zur Etymologie und Vers-Position 1.170n.; παρὰ νηυσὶ κ. ist Formel zwischen den Zäsuren A 4 u. C 2 (8× Il.; außerdem ohne κ. 31× Il., 2× Od.). — κείσεαι: ‘daliegen’ vom Toten (vgl. 20–21n.), ebenso wie hier vom aufgebahrten, noch unbestatteten Patroklos 19.9, 32, 212, 319, 22.386, 23.210 (LfgrE s.v. κεῖµαι); zum Ablauf der Ereignisse bis zur Bestattung im 23. Gesang s. 333–342n. — αὔτως: ‘so (wie du bist)’, d.h. unbestattet (LfgrE s.v. 1683.6ff.; BONIFAZI 2012, 286 Anm. 55).
338 τόφρα: ‘unterdessen’. — νηυσί: zur Flexion R 12.1. — κείσεαι: zur unkontrahierten Form R 6.
Kommentar
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339–342 Frauen des Gegners sollen nicht nur wegen getöteter Angehörigen weinen (121–125n.), sondern Tag und Nacht für einen getöteten Feind bis zu dessen Bestattung die Totenklage anstimmen (vgl. 19.302n.); zur Totenklage durch die erbeuteten Frauen und zu den Beutezügen Achills im Hinterland Troias s. 28n. 339 2. VH ≈ 122 (s.d.). — ἀµφὶ … σε: lokal ‘um dich (herum)’, vgl. Od. 10.486 (AH; SCHW. 2.439; CHANTR. 2.88). 340 ≈ 24.745, Od. 11.183 = 13.338 = 16.39. — νύκτας τε καὶ ἤµατα: Zum Polaren AusdruckP (Vorstellung des ununterbrochenen Vorgangs) und zur flektierbaren Formel nach der Zäsur A 4 s. 24.745n. — δάκρυ χέουσαι: 94n.
341 2. VH = ‘Hes.’ fr. 280.1 M.-W.; ab der Zäsur C 2 = Il. 5.297, 7.140. — emotionaler Abschluß der Rede: Mit der Erinnerung an die gemeinsamen mühevollen, aber erfolgreichen Beutezüge (gr. autói kamómestha und Dual pérthonte 342) drückt Achill die tiefe Verbundenheit mit dem verstorbenen Freund aus (zu den Erinnerungen des trauernden Achilleus s. 19.314n., 24.6–8n.). καµόµεσθα: κάµνω im Medium (hier u. Od. 9.130) bed. ‘sich etw. mit Mühe beschaffen, bereiten’ (LfgrE). 342 2. VH = 490, 20.217. — πιείρας: idg. Motionsfemininum zu πίων (19.179–180n.); u.a. Epitheton von Gegenden und von landwirtschaftlich genutztem Land (‘fruchtbar’), hier von Städten mit Umland (‘reich’): LfgrE s.v. πίων. — πόλις: zu πόλῑς als Akk. Pl. (< *-ινς) CHANTR. 1.217f.; WEST 1998, XXXIV. — µερόπων ἀνθρώπων: 288n.
343–355 Beginn des Bestattungsrituals (s. dazu 24.580–595n. mit Lit.; ALEXIOU [1974] 2002, 5f.) mit Waschung, Salbung, Einhüllung und Aufbahrung (‘Prothesis’) des Leichnams, begleitet von der Totenklage, die bis zur Bestattung fortgeführt wird (354f., 19.4–39, 19.282–339, 23.4ff., unterbrochen durch die Heeresversammlung [19.40–281] und die folgende Schlacht [19.356ff.]); weitere Beschreibungen solcher Vorgänge s. 16.667–673/679–683 (Sarpedon), 24.587–590 (Hektor), Od. 24.44f., 67f. (Achilleus). In der vorl. Szene ist die Herrichtung des Leichnams in enger Anlehnung an die Typische SzeneP ‘Bad’ gestaltet (Aufforderung 343–345; Vorbereitung der Waschung 346–349; Ausführung mit Waschen, Einölen, Bekleiden 350–353), wobei die ausführliche Beschreibung der Zubereitung von heißem Badewasser (vgl. die dreifache Nennung des Dreifußes 344, 346, 348) die eifrige Sorgfalt und die Zuneigung für den Umsorgten markiert (vgl. 22.442ff. Andromache für Hektor, Od. 8.433ff. Arete für Odysseus, 10.358ff. Kirke für Odysseus): DE JONG zu Od. 8.433–69; AREND 1933, 124f. mit Anm. 1; EDWARDS 1986, 86–88; GRETHLEIN 2007, 28f.; zu den Realia der Badeszenen im hom. Epos s. LASER 1983, 138–148. 340 ἤµατα: zu τὸ ἦµαρ ‘Tag’. — δάκρυ: kollektiver Sg. 341 τάς: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5). — καµόµεσθα: zur Form R 16.2. — βίηφι: zur Form 11.4. — δουρί: zur Flexion R 12.5. 342 πέρθοντε: Nom. Dual des Ptz. Präs. von πέρθω ‘zerstören’.
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Ilias 18
343 Gefährten: Der gr. Begriff hétaroi/hetáiroi bez. sowohl allg. die ‘(Kriegs)kameraden’ als auch speziell die engen Vertrauten oder Freunde eines Anführers (19.305n., 24.4n.), die “oft gleich viel wie Brüder oder andere nahe Verwandte” gelten (24.793n.) und in der Männergesellschaft des Heerlagers auch verschiedene häusliche Arbeiten verrichten (19.316n.; WICKERT-MICKNAT 1982, 52f.). Anders als in den Badeszenen (vgl. 346n.) und bei der Herrichtung von Hektors Leichnam im Lager der Myrmidonen (24.587f.) übernehmen hier also keine Frauen, sondern die ‘Kameraden’ Achills und des Gefallenen die Aufgabe, den Körper zu reinigen und einzukleiden – möglicherweise ebenso bei Achills Bestattung Od. 24.43–45 (WICKERT-MICKNAT a.O. 57f.). Eine ganz besondere Behandlung erfährt der tote Zeus-Sohn Sarpedon, der von Apollon gewaschen, gesalbt und für die Bestattung eingekleidet wird (Il. 16.666–683). ὣς εἰπών: flektierbare VA-Formel (Nom. mask./fem., Akk.), meist im Nom. (insgesamt 74× Il., 42× Od., 3× Hes., 11× hom.h.). — δῖος Ἀχιλλεύς: 228n.
344–345 ≈ 23.40f.; 344 ≈ 22.443, 23.40, Od. 8.434; VE = 5× Il., 7× Od., 1× ‘Hes.’, 2× h.hom.; 2. VH von 345 = Il. 7.425, 14.7; ≈ 13.640. — Dreifuß: Kochkessel, der auf drei Beinen über dem Feuer aufgestellt wurde, meist aus Bronze (19.243– 244n.; DNP s.v. Tripus; LfgrE s.v. τρίπος). Die Aufforderung zur Herrichtung des Leichnams ist nur summarisch in indirekter Rede wiedergegeben, wobei ein Punkt herausgehoben ist (στῆσαι τρίποδα); denn nicht der Wortlaut der Aufforderung, sondern deren Durchführung ist wichtig (DE JONG [1987] 2004, 116f.; zur Kürze von indirekten Reden vgl. auch 19.128–130n.). Der Nebensatz ὄφρα … | … λούσειαν kann hier sowohl als Fortsetzung der indir. Rede als auch als Erzähler P-Kommentar zur Aufforderung aufgefaßt werden (DE JONG a.O. 114 mit 269 Anm. 39; BECK 2012, 64f. [“free indirect speech”]); denn Finalsätze mit obliquem Optativ können auch unausgesprochene Gedanken einer FigurP enthalten (Sekundäre FokalisationP), mit denen dem Rezipienten die Absicht ihrer Handlung aufgezeigt wird (24.583b–585n.). Die Verbindung ὄφρα τάχιστα erscheint oft in dir. Rede (10× von insgesamt 19× fgrE, meist nach einer Aufforderung), mit indir. Rede ähnlich wie hier noch 23.196–198, Od. 3.174f., vgl. auch Il. 9.620f. (s. auch LfgrE s.v. τάχιστα 341.9ff.). — ἀµφὶ πυρί: ‘um das Feuer’, so daß das Feuer zwischen den Beinen des Dreifußes brennt (EDWARDS; GRAZ 1965, 255 Anm. 1; vgl. SCHW. 2.438). — Πάτροκλον … βρότον: doppelter Akk., der Person u. der Sache, abhängig von ἀπο-λούσειαν (‘abwaschen’), vgl. 16.667f. (SCHW. 2.83; CHANTR. 2.43; LfgrE s.v. λοέσσαι). Die Etymologie von βρότος ist unsicher (zu ai. mūrtá- ‘geronnen’?: DELG, Frisk u. BEEKES s.v.); es bed. ‘(Blut-)Kruste’, im fgrE immer im Kontext der Waschung als Bez. für geronnenes Blut verwendet, in der Ilias immer mit explikativem αἱµατόεντα (noch
343 ἐτάροισιν: = ἑταίροις (zur Flexion R 11.2). — ἐκέκλετο (+ Dat.): reduplizierter Aor. zu κέλοµαι ‘zurufen, antreiben’. 344 τρίποδα (µ)µέγαν: zur Prosodie M 4.6. — ὄφρα: final (R 22.5). 345 λούσειαν ἄπο: = ἀπο-λούσειαν (R 20.2).
Kommentar
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14.7, 23.41): LfgrE s.v. βρότ(ος); s. auch die formelhafte Verbindung ἔναρα βροτόεντα (9× fgrE).
346–348 ≈ Od. 8.435–437 (Badeszene). 346 λοετροχόον: eigtl. ‘Badewasser gießend’, im Myk. belegt als Bez. für die Bademägde (mit Metathese /lewotro-/ > λο(ϝ)ετρο-: MYK; DMyc s.v. re-wo-to-ro-ko-wo; RISCH 42 mit Anm. 38a; zu dieser Arbeit als Frauendomäne vgl. 22.442–444, Od. 3.464, 4.49, 8.433ff., 10.358ff. u.ö.: 24.582–583a n.; LASER 1983, 142–144), im fgrE noch Od. 20.297 von der dafür zuständigen Person, hier und Od. 8.435 Epitheton des Dreifußes, also etwa ‘Badewasserkessel’ (LfgrE s.v. λοετροχόος). — πυρὶ κηλέ͜ῳ: VE-Formel (4× Il., 2× Od., 1× Hes. Th.); κηλέῳ (im fgrE nur im Dat. Sg. als Epitheton zu πυρί bezeugt) ist Adjektivbildung zu καίω, also ‘brennend’ (< *κηϝ-αλέος: FRISK s.v.; RISCH 104 [modernisiert aus *κηαλέωι?]). 348 ἄµφεπε: ‘sich mit jm./etw. befassen, sich um jn./etw. kümmern’, meist für Personen verwendet, mit ‘Feuer’ als Subj. noch 16.124, Od. 8.437 (LfgrE s.v. ἕπω). 349 = Od. 10.360. — αὐτὰρ ἐπεὶ δή: häufige Junktur als Nebensatz-Einleitung (16.187n.). — ἤνοπι χαλκῷ: χαλκός (‘Kupfer, Bronze’) steht hier metonymisch für ‘Kessel’, sonst meist für ‘Waffe’ (LfgrE s.v.; vgl. auch 1.236n., 6.3n.). Das Kompositum ἦν-οψ ist im frgE nur in dieser Verbindung im Dat. Sg. belegt, außer für den Kochkessel noch 16.408 für den Angelhaken (s.d.). Als Bed. wird allg. ‘glänzend’ angenommen, vgl. etwa die VE-Formeln αἴθοπι χ. (522n.) und νώροπι χ. (16.130n.) für Rüstung und Waffenteile; die Etymologie des Vordergliedes ist jedoch unklar, lediglich Digamma-Anlaut ist aus den drei Belegstellen erschließbar (*ϝην-: FRISK u. DELG s.v.; CHANTR. 1.152; vgl. G 20 u. 21).
350 ≈ Od. 3.466; 2. VH ≈ Il. 10.577, 14.171, Od. 19.505. — Öl: Zur Verwendung von Olivenöl zur Körperpflege bei Lebenden und Verstorbenen s. 2.44n., 24.587n., 14.172n. καὶ τότε δή: VA-Formel (10× Il., 27× Od., 4× Hes., 1× h.Ap.); steht teils am Satzanfang, teils wie hier nach vorausgehendem Temporalsatz (das καί ist dann apodotisch; vgl. BAKKER 1997, 79). — λίπ’ ἐλαίῳ: VE-Formel (3× Il., 5× Od., 1× Hes. Op.). Das Adv. λίπα (‘ausgiebig’, eigtl. ‘fett’; zur Etymologie DELG s.v.) erscheint immer in Verbindung mit einem Aor. von ἀλείφω od. von χρίω, stets im Kontext der Waschung (14.171n.).
346 οἵ: demonstr.-anaphor. (R 17). — λοετροχόον: zur unkontrahierten Form R 6. — κηλέ͜ῳ: zur Synizese R 7. 347 ἐν … ἔχεαν: 3. Pl. Aor. zu ἐν-χέω; zur sog. Tmesis R 20.2. — ὑπό: adverbiell (‘darunter’). 348 γάστρην: ‘Bauch (eines Kessels)’. 349 αὐτάρ: ‘aber, doch’ (progressiv: R 24.2). — ζέσσεν: Aor zu ζέω ‘sieden, brodeln’ (zum -σσ- R 9.1). — ἐνί: = ἐν (R 20.1). — ἐνὶ (ϝ)ήνοπι: zur Prosodie R 4.3. 350 καί: apodotisch (vgl. R 24.3). — λοῦσαν: Das Obj. ist aus 345 (Πάτροκλον) zu ergänzen; ebenso bei den folgenden trans. Verben. — λίπ(α): zur Elision R 5.1.
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351 Für das Herrichten des Leichnams wird offenbar eine ganz besondere Salbe aus tierischem oder pflanzlichem Fett verwendet, mit der die Wunden sorgsam vor Verwesungserscheinungen bewahrt werden sollen, damit die Bestattung bis zum Einlösen des Versprechens aufgeschoben werden kann, vgl. Achills Sorge um die Folgen von Fliegenmaden in den Wunden des Toten 19.23ff. (ANDRONIKOS 1968, 4f. 25; LASER 1983, 160–162; zu gr. aléiphatos s. MYK). Neun ist eine Typische ZahlP, die im hom. Epos besonders oft für Zeiträume verwendet ist (vgl. 1.53n.; BLOM 1936, 255–258; GERMAIN 1954, 13f. [Stellensammlung 99f.]) und hier die Qualität und Wirksamkeit der Salbe unterstreichen soll. ὠτειλάς: bez. meist tödliche Wunden od. solche an Leichen (19.25n.). — ἐννε͜ώροιο: iliad. hapaxP (‘neunjährig’), dient in der Odyssee zur Beschreibung von Tieren (10.19, 10.390), den Zwillingen Otos u. Ephialtes (11.311) und der Regierung des Minos auf Kreta (19.178f.; s. RUSSO zu Od. 19.179); zur Bildung des Kompositums aus dem Zahlwort ἐννέα und ὥρη (‘Jahreszeit’) s. SCHW. 1.590f.; RISCH 189; WEST 2001, 248.
352–353 Vergleichbar ist die Behandlung von Hektors Leichnam nach der Waschung und Salbung: er wird mit einem Leichenhemd bekleidet, auf eine Decke gelegt und mit einer weiteren Decke zugedeckt (gr. pháros), s. 24.580f., 24.587f. (24.588n.). Patroklos’ Leichnam wird besonders sorgfältig von Kopf bis Fuß in ein weiches Tuch gehüllt und ebenfalls mit einer Decke zugedeckt, deren Farbe ‘weiß’ die sorgsame Reinigung und Behandlung des Leichnams unterstreicht (vgl. LfgrE s.v. λευκός). So bleibt er aufgebahrt für die Totenklage (354f.) bis zur Bestattung (sog. ‘Prothesis’: 19.5–6a n., 24.589–590n.). 352 ≈ 23.254 (Behälter mit Patroklos’ Knochen). — λεχέεσσι: 233n.; bez. hier das zeremonielle Totenbett zur Aufbahrung des Leichnams. — δέ: Zu δέ an dritter Stelle nach der Wortverbindung Präp. + Subst. s. 24.273–274n. (a.E.). — ἑανῷ λιτί: Die Verbindung bez. ein weiches, einfaches Tuch, das sich gut um den ganzen Körper legen läßt (CERRI): (1) ἑᾱνός ist ein Epitheton bei Wörtern für Bekleidung (5.734, 8.385 bei πέπλος; 18.613 bei κασσίτερος, Material an den Beinschienen), das von ἑᾰνός zu trennen ist, einer Bez. für Frauenbekleidung (dazu 3.385n., 14.178n.); Etymologie und Bed. sind unbekannt, die Interpretationen reichen von ‘weich’, ‘anschmiegsam’ bis zu ‘glänzend’: LfgrE s.v. ἑᾱνός. (2) λίς ist hier substantivisch verwendet, als Bez. für ein einfaches, glattes, unverziertes Tuch (vgl. ntr. Pl. λῖτα: Tücher zum Zudecken eines Wagens [8.441], eines Tisches [Od. 1.130], von Stühlen [10.353: unten λῖτα, darüber πορφύρεα, dazu 24.645n.]), volksetymologisch zu λίνον ‘Linnen’ gestellt und als ‘Leintuch’ interpretiert; urspr. ist es ein Adj. mit der Grundbed. ‘glatt’ (Od. 12.79 von Felsen, ebenso das davon abgeleitete Fem. λισσή 3.293, 10.4; vgl. DMic s.vv. ri-ta u. pa-wo: ri-ta pa-we-a /līta pharweha/), etymologisch verwandt mit λεῖος (FRISK, DELG, BEEKES s.v. λίς; BECHTEL 1914, 217f.).
351 ἐν … πλῆσαν ἀλείφατος: ‘sie füllten an mit Salbe’ (zur sog. Tmesis R 20.2); ἀλείφατος Gen. Sg. zu ἄλειφαρ. — ἐννε͜ώροιο: zur Synizese R 7. 352 λεχέεσσι: zur Flexion R 11.3; zum Plural R 18.2.
Kommentar
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353 1. VH = 23.169. — ἐς … ἐκ: ‘von … bis’; zur Ausdrucksweise vgl. 22.397, Od. 7.87, umgekehrt ἐκ … ἐς Il. 16.640 (mit Sperrung), 20.137 (SCHW. 2.459; CHANTR. 2.103). — φάρεϊ: als Bestandteil der Männerbekleidung ein mantelartiger Umhang (2.43n.), im Bestattungsritual die Leichendecke (vgl. 24.580, 588 für Hektor, Od. 2.97 u.ö. für Laërtes): LfgrE; BUCHHOLZ 2012, 89f.
354–355 1. VH von 354 = 7.476; 2. VH von 354 ≈ 69; 355 ≈ 315. — abschließende Zusammenfassung der nächtlichen Totenklage, mit Wiederholung der Zeitangabe ‘die ganze Nacht’ (gr. pannýchioi, hier u. 315 [s.d.]). Der nun folgende Blickwechsel weg von der Menschengruppe hin zum Götterpaar ist durch die jeweils unmittelbar nebeneinander gestellten Namen hervorgehoben (355f. gr. Myrmidónes Pátroklon … | Zéus d’ Hḗrēn). παννύχιοι µέν … | Ζεὺς δ(έ): Vgl. 1.n. — πόδας ταχὺν … Ἀχιλῆα: zur Formel 2n., 69n.
356–368 Zeus und Hera unterhalten sich über die Einflußnahme Heras zugunsten der Achaier. Die abrupt einsetzende kurze Szene zwischen dem Ehepaar Zeus und Hera spielt sich – wie die Handlungen in den beiden Heerlagern und der Gang der Thetis zu Hephaistos – nach Sonnenuntergang ab (239–242n.). Mit ihr verlagert sich die ErzählungP bis zum Ende des Gesanges von der menschlichen Ebene auf diejenige der Götter, wobei einzelne vorausgehende Ereignisse abgeschlossen werden: (a) mit dem Rückgriff auf Heras eigenmächtiges Eingreifen zur Aktivierung Achills (357–358a n.) weist der ErzählerP nochmals auf das Ende von Achills Passivität hin und leitet zu den Vorbereitungen für dessen Wiedereintritt in den Kampf über, nämlich zur Herstellung der neuen Waffen; (b) das Gespräch zeigt nachträglich, daß Zeus über Heras heimliche Aktion Bescheid wußte und sie gewähren ließ; denn auch er wünschte sich die Rettung von Patroklos’ Leichnam (17.268–273, 545f., 648–650), und der Untergang Troias steht auch für ihn fest (15.64–71): Zeus’ Hilfe für Hektor und die Troer ist vorbei; (c) Zeus’ spöttisch-provozierende Bemerkung über Heras Parteinahme für die Achaier (358b–359) und ihre gereizte, rechthaberische Erwiderung (362–367), mit der sie ihre Aktionen gegen die Troer verteidigt, stehen für den letzten Schlagabtausch im Streit zwischen den beiden Ehegatten (vgl. 368n.), bei dem Zeus’ Versprechen an Thetis, die Achaier für eine gewisse Zeit im Kampf zu schwächen und die Troer zu stärken, immer wieder Anlaß für Auseinandersetzungen war (1.518–523, 1.539–567 [mit 1.541–543n.], 8.461–483, 15.13–78; vgl. auch 4.24–64a, bes. 31–36, 57–61; s. dagegen Zeus’ 353 ἐς: = εἰς (R 20.1). — καθύπερθε: ‘darüber’, sc. κάλυψαν (s. 352), d.h., sie umhüllten ihn mit einem zweiten Tuch. 354 παννύχιοι: 315n. — πόδας: Akk. der Beziehung (R 19.1). — Ἀχιλῆα: zur Flexion R 11.3; zum einfachen -λ- R 9.1.
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Worte in der Götterversammlung am nächsten Morgen 20.22–25): EDWARDS; OWEN 1946, 180f. u. 186; ERBSE 1986, 58f. u. 202; SCHÄFER 1990, 108f. Die Szene hat bereits in der Antike Anlaß zur Diskussion gegeben: gemäß schol. bT zu 356 zweifelte Zenodoros ihre Echtheit aus inhaltlichen Gründen an (dazu NICKAU 1977, 152; NÜNLIST 2009, 62. 160. 279–281; zu weiteren Diskussionen s. AH, Anh. 126 u. 155; BLÖSSNER 1991, 58–61 (Verhältnis von 361–367 zu Od. 20.45–48); s. aber oben zur Funktion und inhaltlichen Einbettung.
356 ≈ 16.432; 2. VH = hom.h. 12.3; ≈ h.Ven. 40. — Rede-EinleitungP mit Andeutung des Szenenwechsels durch die Nennung von beiden Gesprächspartnern in der 1. VH – die komprimierte Form der Rede-Einleitung aus dem Dialog des Paares im 16. Gesang (16.431f.); die Apposition in der 2. VH bereitet Heras Begründung 364–366 vor (s.d.; EDWARDS z.St. u. 1970, 15f.). Eine Ortsangabe für dieses Gespräch des Götterpaares fehlt, denn Ortswechsel von Gottheiten bleiben oft unerwähnt und werden stillschweigend vorausgesetzt (LeerstelleP), ebenso wie hier auch bei der Unterredung der beiden, die Sarpedons Tod vorausging (16.431– 461): Während 15.78f. Heras Gang zum Olymp erwähnt wird, erscheint sie 16.431ff. zusammen mit Zeus, der seit 11.181ff. auf dem Ida-Gebirge das Schlachtfeld beobachtet (16.431–432n.); jetzt, nach dem Ende der Schlacht, ist wohl an den Olymp zu denken. προσέειπε: 9n. — ἄλοχον: Possessivkompositum mit der Bed. ‘die dasselbe Lager hat, Gattin’ (< *ἅ-λοχ- mit α copulativum): 19.298n.
357–358a interne repetitive AnalepseP: Zeus kommentiert die Ereignisse vor Sonnenuntergang (165ff.), als Hera ohne sein Einverständnis veranlaßt hatte, daß Achill aktiv wurde (203: 203–204n.), obwohl seine Ehre noch nicht wiederhergestellt war (vgl. die Bitte der Thetis 1.509f. und Zeus’ Plan 15.72–87). ἔπρηξας … | ἀνστήσασ(α): πρήσσω sonst meist mit (Gen.- od. Akk.-)Objekt, mit Ptz. noch Od. 14.197 (οὔ τι διαπρήξαιµι λέγων, etwas anders Il. 9.326 ἤµατα … διέπρησσον πολεµίζων): LfgrE s.v. πρήσσω; an der vorl. Stelle ist die Verwendung des Partizips mit Verben vergleichbar, die eine Anstrengung bezeichnen (CHANTR. 2.328: “tu es arrivée à tes fins en faisant lever …, tu as réussi à faire lever”). Zu ἀνστήσασ(α) s. 305n. — καὶ ἔπειτα: ist auf den vorangestellten Aor. ἔπρηξας bezogen (ebenso Od. 8.519f. τολµήσαντα | νικῆσαι κ. ἔ.), der in emphatischer Weise am Satzanfang steht: die schon öfters aufgefallene Absicht Heras, ihr eigenes Ziel zu erreichen: ‘hast du auch da (wieder einmal) erreicht, (was du wolltest)’ (AH; LEAF; EDWARDS). — βοῶπι πότνια Ἥρη: Nomen-EpithetaFormel, meist im Nom. (239n.), als Anrede nur noch 8.471 u. 15.49. Die Endsilbe von
356 προσέειπε: = προσεῖπε (vgl. 9n.). 357 ἔπρηξας: 2. Sg. Aor. zu πρήσσω (att. πράττω). — καὶ ἔπειτα: zur Hiatkürzung R 5.5. 358 ἀνστήσασ’: = ἀναστήσασα (R 20.1; zur Elision R 5.1). — Ἀχιλῆα πόδας ταχύν: vgl. 354n. — ἦ: emphatisch (R 24.4). — ῥα: = ἄρα (R 24.1). — σεῖο: = σοῦ (R 14.1), dazu ἐξ αὐτῆς, ‘aus dir selbst’.
Kommentar
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βοῶπι im longum kann als Folge der Formelflexion (M 14) erklärt werden, indem anstelle der Nom.-Form, die ausnahmsweise auch für den Vokativ stehen kann, die Vok.-Form gesetzt ist (vgl. SCHW. 2.63 [Attribut im Vok. od. Nom. möglich] u. app. crit.; etwas anders WACKERNAGEL [1878] 1979, 1534f. [Nom.-Form nachhom. durch die Vok.-Form ersetzt]; zu metr.-prosod. Besonderheiten bei Vokativ-Formen vgl. 2.8n., 19.400n., 24.88n.); zur Diskussion um die urspr. Länge der Endsilbe von βο-ωπῑ (vgl. die v.l. βοώπις) s. 1.551n.; WACKERNAGEL (1914) 1953, 1171; CHANTR. 1.208. — Ἀχιλῆα πόδας ταχύν: Formel zwischen den Zäsuren A 4 und C 2 (13.348, 17.709); zu den Achilleus-Formeln mit πόδας ταχύς (hier u. 354) s. 2n., 69n.
358b–359 spöttisch-überspitzte und leicht provozierende Begründung für Heras fürsorgliches Verhalten den Achaiern gegenüber (dazu s. 239–242n. a.E.; 1.55n., 2.155–181n., 19.407–417n., 14.153–353n.); Zeus seinerseits ist als Vater des Dardanos und Urgroßvater des Troia-Gründers Tros (20.215–240) tatsächlich der Stammvater der gegnerischen Partei (EDWARDS). Zu Mutter-Kind-Vergleichen für fürsorgliches Verhalten einer Göttin s. 4.130f. u. 23.782f. (Athene gegenüber Menelaos bzw. Odysseus: FRÄNKEL 1921, 12. 91f.); vgl. auch 19.342f. (Zeus ironisch über Athene und ihren Schutzbefohlenen Achilleus). — Achaier: 6n. ἦ ῥά νυ: ‘wirklich also’, emphatisch (6.215n.) und hier mit ironischem Unterton die ungewöhnliche Erklärung einleitend, die durch das Enjambement hervorgehoben ist (EDWARDS). 360 = 1.551 (s.d.), 4.50, 16.439, 20.309; 1. VH = 127 (s.d.). — βοῶπις πότνια Ἥρη: 239n.
361 = 1.552, 4.25, 8.462, 14.330, 16.440; 2. VH = 8.209 (Poseidon zu Hera). — Der Formelvers ist immer in Reden Heras verwendet, die ihren Gemahl kritisiert (14.330n., 16.440n.). αἰνότατε Κρονίδη: Ausdruck der Empörung; αἰνός ist insgesamt meist in Götteranreden verwendet (16.440n.). — µῦθον ἔειπες: variierbare VE-Formel (1.552n.); zu ἔειπες 9n.
362–367 Schluß a minore ad maius, s. bes. 362f. und 364 (AH; vgl. 2.292–294n.); ähnlich argumentiert Athene Od. 20.45–47. Hera pocht auf ihr Recht, ihren Groll auf die Troer – wohl wegen der respektlosen Behandlung durch das Urteil des Paris (s. FG 16; 2.155–181n., 24.27–30n.) – auszuleben, wie das die Menschen ja auch zu tun pflegen (SCHADEWALDT [1938] 1966, 147; VAN WEES 1992, 112). 362 2. VH ab der Zäsur C 2 ≈ 19.22. — καὶ µέν: leitet die generalisierende Äußerung ein (καί zu τις … βροτός: ‘sogar ein Sterblicher’) und bereitet den Gegensatz πῶς δὴ ἐγώ γ’, … θεάων … ἀρίστη 364 vor (DENNISTON 390; RUIJGH 749). — δή: Durch die Verwen-
359 κάρη κοµόωντες: 6n. 360 τόν: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. 361 Κρονίδη: ‘Kronos-Sohn’ = Zeus. — ποῖον: prädikativ, ‘als was für eines …’. — ἔειπες: = εἶπες (9n.) 362 µέν: ≈ µήν (R 24.6). — τελέσσαι: zum -σσ- R 9.1.
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dung der Partikel hier u. 364 suggeriert die Sprecherin, die von ihr geäußerten Ansichten seien evident und würden vom Adressaten sicherlich geteilt (4n., 6.98n.). — πού … µέλλει: µέλλει + Inf. in der Bed. ‘es ist sehr wahrscheinlich, daß’, oft wie hier in Verbindung mit που zur Unterstreichung des subjektiven Charakters (‘ich denke doch’): 2.116n., 24.488n.; BASSET 1979, 82f. 110f.; BAKKER (1997) 2005, 99. — βροτὸς ἀνδρί: syntaktische Aufspaltung der flektierbaren Formel nach der Zäsur C 1 (9× fgrE: 19.22n.; Ähnliches vgl. 2n.). βροτός (‘Sterblicher’) bez. den im Vergleich zu einem Gott (vgl. 364) unterlegenen, in seinen Möglichkeiten beschränkten Menschen, dessen Mängel im folgenden Relativsatz 363 zusätzlich genannt sind (θνητός: Sterblichkeit; οὐ τόσα µήδεα: beschränkte Handlungsstrategien); ἀνήρ ist hier Gattungsbegriff mit Tendenz zur Bed. ‘Mensch’ (LfgrE s.vv. ἀνήρ 844.4ff., bes. 26ff., u. βροτός; WACKERNAGEL [1924] 1928, 286). — ἀνδρὶ τελέσσαι: bed. ‘einem Menschen gegenüber realisieren, in die Tat umsetzen’, eine neutrale Formulierung, die erst 367 durch κοτεσσαµένη κακὰ ῥάψαι konkretisiert wird (FAESI; WILLCOCK); zum Gedanken und zur Formulierung vgl. 1.81f. (s.d.). 363 = Od. 20.46. — ὅς περ …: Der Rel.-Satz mit περ verstärkt den Schluß a minore ad maius durch die Nennung charakterisierender Eigenschaften des βροτός: ‘sogar ein Mensch, der doch …’ (der Gegensatz folgt 364: ‘der Göttinnen beste’): RUIJGH 446; vgl. BAKKER 1988, 79f.; ähnlich 19.95 (s.d.) — οὐ τόσα µήδεα: Der Vergleich ist nicht explizit zu Ende geführt, aber aus dem Kontext eindeutig (364ff.): ‘nicht so viele Pläne, sc. wie ich’; zum Vergleich οὐ τόσ(σ)ον/τόσ(σ)α – ὅσ(σ)ον/ὅσ(σ)α s. KELLY 2007, 329–331. — µήδεα οἶδεν: variierbare VE-Formel (µήδεα εἰδώς/οἶδ-/ἴδµεν, µήδε’ ἰδυι-: 4× Il., 4× Od., 11× Hes., 2× hom.h.) zur Bez. der strategischen Klugheit außergewöhnlicher Menschen (3.202n.) und v.a. von Zeus (24.88n.; LfgrE s.v. µήδεα).
364 Die gr. Formulierung theáōn … arístē entspricht der Prädikation des Zeus als áristos (‘der beste’) und hebt ihre Position in der Götterwelt hervor (vgl. 19.95n.): ihre herausragende Stellung sowohl durch Geburt (4.59: älteste Tochter des Kronos; vgl. FG 26) als auch durch die Ehe mit dem Herrscher der Götter (KIRK zu 4.58–61; LfgrE s.v. γενεή 127.14f.). ἔµµεν: zur Verwendung der äol. Inf.-Form G 87; WACHTER 2007, 319. 365–366 = 4.60–61 (von WEST athetiert); 2. VH von 366 ≈ 12.242, 14.94, Od. 7.23, Hes. Th. 506. — ἀµφότερον: Satz-Apposition zu γενεῇ τε καὶ οὕνεκα …, ‘beides’, d.h. ‘was wegen beidem gilt’ (3.179n.; SCHW. 2.617). — τε καί: verbindet inhaltlich eng zusammengehörige Satzglieder (Gründe für Heras soziale Stellung) in unterschiedlicher syntaktischer Konstruktion (19.336n.). — παράκοιτις: 184n.
363 µήδεα (ϝ)οῖδεν: zur Prosodie R 4.3; zur unkontrahierten Form R 6. 364 πῶς δὴ ἐγώ γ(ε): fortgesetzt durch οὐκ ὄφελον 367. — θεάων: zur Form R 2.2; vgl. R 6. — ἔµµεν: = εἶναι (R 16.4). 365 γενεῇ: dat. causae, ‘aufgrund meine Geburt, Herkunft’; zum -ῃ nach -ε- R 2. — οὕνεκα: Krasis für οὗ ἕνεκα (R 5.3), ‘weil’. 366 ἀθανάτοισιν: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1); zur Flexion R 11.2.
Kommentar
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367 Das gr. Verb rháptein bed. eigtl. ‘zusammennähen’, eine geläufige Metapher für das Zusammenfügen von einzelnen Teilen (einzelnen Elementen eines Planes) zu einem sinnvollen Ganzen (auch mit den Objekten ‘Mord’ [Od. 16.379] und ‘Tod’ [16.421f.]; vgl. auch Od. 3.118, 16.423 und das Subst. kakorraphíē Il. 15.16, Od. 2.236, 12.26); nachhom. erscheint es in der Bez. des Sängers als Rhapsoden (kunstvolles Zusammensetzen des Liedvortrags): LfgrE s.vv. ἀρτύνω 1366.63ff. u. ῥάπτω; MÜLLER 1974, 241–243; NAGY 1996, 61f. 66–69; CLARKE 1999, 251f. mit Anm. 49.; zu vergleichbaren Metaphern aus dem textilen Bereich (‘jm. eine List spinnen/weben’ od. ‘jm. das Schicksal zuspinnen’) s. 6.187n. u. 3.212n. bzw. 24.209b–210n.; zu Heras Groll s. 362–367n. ὄφελον: bez. Unerfüllbares/Unterfülltes in der Vergangenheit (‘ich hätte sollen’): 18–19n. — κοτεσσαµένη: κοτέω bez. die anhaltende Abneigung als innere Haltung (vgl. κότος ‘Ingrimm’: 1.81–82n., 2.222b–223n.; WALSH 2005, 53f.).
368 = 5.274, 5.431, 7.464, 8.212, 13.81, 16.101, 21.514 sowie 16× Od. — Die Rede-AbschlußformelP impliziert einen Hinweis auf einen längeren Dialog mit Reden ähnlichen Inhalts (SummaryP); sie bereitet zugleich einen Szenenwechsel zu einer gleichzeitig ablaufenden Handlung vor, hier zum Rückgriff auf 146–148 (DE JONG [1987] 2004, 206. 287 Anm. 28; RICHARDSON 1990, 31f.; KELLY 2007, 226–228; s. auch 1n., 239–242n., 16.101n.). 369–467 Thetis erreicht den Olymp, trifft Hephaistos bei der Arbeit an und wird zunächst von dessen Gattin, dann von ihm selbst freundlich empfangen. Ihrer Bitte um neue Waffen für ihren Sohn kommt der Schmiedegott sogleich nach. Die Szene mit Thetis’ Empfang im Haus des Hephaistos besteht aus Gesprächen zwischen Gast und Gastgebern sowie ausführlichen Beschreibungen der Arbeit des Schmiedegottes und verschiedener seiner Werke aus unterschiedlichen Metallen (vgl. Prinzip der ausführlichen DarstellungP); dabei wird in mehreren Schritten die Schilderung der Herstellung von Achills neuen Waffen vorbereitet: (1) durch Vorstellen der Örtlichkeit (369–371), des Schmiedegottes und seiner Arbeitsweise (372–380, 410–413), seiner Frau, seines Schicksals und seiner Verbundenheit mit Thetis (382–409); (2) durch wiederholte Hinweise auf seine außergewöhnliche Kunstfertigkeit (370, 373–380, 389f., 393b, 400f., 417–420, 462b); (3) durch die Rekapitulation des Geschehens auf der menschlichen Ebene im Gespräch zwischen ihm und Thetis (424–467). Die Szene enthält zudem Reminiszenzen an den 1. Gesang: (a) Thetis als Bittstellerin für ihren Sohn auf dem Olymp (1.497ff.); (b) Erfüllen ihrer Bitte aufgrund des do ut des-Prinzips (394ff., vgl. 1.396ff. [s.d.]);
367 Τρώεσσι: zur Flexion R 11.3. — κοτεσσαµένη: ingressiv ‘Groll/Ingrimm gefaßt habend’; zum -σσ- R 9.1. zum Medium R 23. 368 ἀγόρευον: zur augmentlosen Form R 16.1.
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(c) Hephaistos’ unbeholfenes Auftreten und sein hilfreiches Handeln (1.571–600 [s.d.]): MARG (1957) 1971, 24f. 39–41; REINHARDT 1961, 391–394. 369–427 Mit der Ankunft der Thetis wird die in V. 148 unterbrochene Typ. SzeneP ‘Ankunft’ zunächst fortgesetzt (Element 1 s. Vv. 146f.: 134–144n., 145–147n., 239–242n.; zu weiteren Beispielen von Szenen, welche die Zeitspanne zwischen Aufbruch und Ankunft unterbrechen, s. 1–22a n., 6.119–236n.): (2) die Figur kommt an (369–371); wie öfters erweitert durch eine Ortsbeschreibung (dazu 6.242–253n., 24.440–485n.); (3) sie findet die gesuchte Figur; Situationsschilderung: beschäftigt mit Arbeit (372–380); (4) sie tritt heran (381; s.d.); Element 5 (sie redet [428ff.]) ist retardiertP durch den Übergang in die Typ. SzeneP ‘Besuch’ (dazu 24.477–478n.; vgl. AREND 1933, 34–37; zur Kombination der Typ. Szenen ‘Ankunft’ und ‘Besuch’ s. weitere Beispiele bei DE JONG zu Od. 1.96–324); dabei tritt eine neue Figur auf, die Gattin des Gesuchten: (2) diese erblickt die Ankommende und (3) eilt zu ihr hin (382f.), (4) ergreift sie an der Hand und heißt sie willkommen (384–388a; ebenso Hephaistos 423–427), (5) sie führt sie ins Haus (388b) und (6) bietet ihr einen Sitzplatz an (389f.); (9) die Anwesenden beginnen ein Gespräch (424ff.); die Bewirtung (Elemente 7 u. 8) wird nur angekündigt (387, 408), aber nicht beschrieben; statt dessen wird die Begegnung zwischen Thetis und Hephaistos durch ein Gespräch des Ehepaares vorbereitet, nach welchem der Schmiedegott seine Arbeit beiseite legt (391–427n.): AREND 1933, 36f.; EDWARDS 1975, 62f.; dazu kritisch TSAGARAKIS 1982, 52–54. Durch den Auftritt von Hephaistos’ Gattin Charis entsteht eine Szene von häuslicher Harmonie, die einen starken Kontrast zum vorausgehenden Streitgespräch des Paares Zeus–Hera und zur Totenklage im Heerlager der Achaier sowie einen Moment der Pause und des Innehaltens vor den folgenden Szenen schafft (Waffen-Herstellung und Vorbereitungen auf die Kämpfe des nächsten Tages): EDWARDS zu 369–467; CERRI S. 25f.; OWEN 1946, 186–189; REINHARDT 1961, 394–398; HEIDEN 2008, 225f. 369–381 Der Schmiedegott Hephaistos, der Sohn von Zeus und Hera (FG 15), hat einerseits ein körperliches Gebrechen (370–371n.), ist aber andrerseits mit besonderen Fähigkeiten (373–377n.) und kundigem Sachverstand (380, ebenso 482) ausgestattet (ähnlich tritt dies bei seinem ersten Auftritt in der Ilias in Erscheinung [1.599f. vs. 1.571, 1.607f.]). Behinderung der Gliedmaßen ist zwar ein empfindlicher Makel in einer Welt, in der körperliche Unversehrtheit wichtig ist und v.a. Schnelligkeit und Beweglichkeit als kriegerische Tugenden gelten (vgl. 2.217n. zu Thersites). In der Odyssee wird jedoch im Lied des Sängers Demodokos über Ares und Aphrodite thematisiert, daß der langsame, hinkende Hephaistos mittels seiner téchnē über den schnellen Ares siegt (Od. 8.329–333); vgl. das Erzählmotiv ‘outward appearance versus inner quality’ bei menschl. FigurenP (dazu DE JONG zu Od. 18.1–158; BERNSDORFF 1992, 25–40. 73–85; vgl. auch 2.211–224n., 2.216n., 2.217n. zum ausschließlich negativ gezeichneten menschlichen Außenseiter Ther-
Kommentar
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sites). Unter den durch körperliche Makellosigkeit ausgezeichneten olympischen Göttern nimmt Hephaistos als Gott mit verkrüppelten Füßen (371) und daher humpelndem Gang (397a, 411, 417) und mit einer wenig ansehnlichen Gestalt (s. auch 411, 415) eine Außenseiterrolle ein (z.B. 1.597–600 [1.586–594n. mit Lit.], 20.32–37); seine “körperliche Deformation ist erzählerische Chiffre für eine soziale Randstellung” des Gottes, der aber durch seine Kunstfertigkeit ein unentbehrlicher, geschätzter Handwerker ist und als furchteinflößender Herrn über das Feuer gilt (GRAF 1990, 69–71 [Zitat 71]; s. auch DNP s.vv. Hephaistos u. Behinderung; DELCOURT [1957] 1982, 110ff.; DETIENNE/VERNANT [1974] 1978, 257–260; BURKERT [1977] 1985, 168; ERBSE 1986, 76–80). Hephaistos’ Hinken wird auf versch. Arten erklärt (vgl. 395–397a n.): (a) als Geburtsgebrechen (396f.), (b) als Folge des 1.590ff. geschilderten Sturzes vom Olymp (EDWARDS zu 394–409; RINON 2008, 129); (c) ein Gebrechen als typisches Merkmal eines Schmiedes (LfgrE s.v. Ἥφαιστος 950.65ff.; ERBSE 1986, 79 Anm. 25); denn die Figur des göttlichen Schmiedes ist allg. Bestandteil idg. Mythen, in denen er z.T. ebenfalls unter einem körperlichen Handicap leidet (MALTEN 1912, 336f.; BOWRA 1952, 150–153; WEST 2007, 154–157, bes. 156 mit Anm. 123); die hom. Szenen mit Hephaistos haben aber v.a. einige Motive mit Schilderungen des ugaritischen Schmiedegottes Kothar gemeinsam (WEST 1997, 57. 384. 388f.). 369 Zu Hephaistos’ Wohnsitz auf dem Olymp vgl. 142n.; zum VE 127n. ἵκανε: Impf. mit Aor.-Funktion (1.431n.).
370–371 In dieser Ortsbeschreibung (s. 369–427n., Element 2) mit asyndetischer Epitheta-Reihung (zu diesem ep. Stilelement 130–131n.) und Vier-Wort-Vers (zu seiner epexegetischen Funktion BASSETT 1919, 224f.) wird Hephaistos gleich zu Beginn der Szene als Schöpfer von Werken besonderer Qualität präsentiert (weitere von ihm gefertigte Behausungen für Götter: 1.606–608, 14.166f., 20.10–12); zur Wertschätzung handwerklicher Fähigkeiten im hom. Epos s. 6.313–317n.; vgl. auch HE s.v. handicraft. — unvergänglichen: Gegenstände, die Göttern gehören oder von ihnen geschaffen wurden, v.a. solche aus Hephaistos’ Werkstatt, sind in der Vorstellung des Erzählers stets von unverwüstlicher Qualität (s. zum gr. Adj. áphthitos 2.46n. [Agamemnons Szepter], außerdem 2.447n. [Aigis], 14.238n. [Heras Sessel]). — ehernen: Metall als Baumaterial des Hauses ist Zeichen für kunstvolle Ausstattung, Reichtum und Pracht (Gold, Silber), Solidität und Beständigkeit (Erz) eines göttlichen Wohnsitzes, so auch beim Palast des Poseidon (13.21f.), bei den ehernen Schwellen oder Fußböden der Götterpaläste (1.426n., 369 δόµον: Richtungsangabe ohne Präposition (R 19.2). 370 µεταπρεπέ’ ἀθανάτοισιν: zum Hiat R 5.1; zur unkontrahierten Form µεταπρεπέ(α) R 6; zu ἀθανάτοισιν 366n. 371 ῥ’: = ἄρα (R 24.1). — ποιήσατο: zur augmentlosen Form R 16.1.
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14.173n. [jeweils zu χαλκοβατὲς δῶ]) und vielleicht bei den schimmernden (d.h. mit Metallblechen beschlagenen?) Türen von Gemächern der Götter (14.169n.); s. außerdem den beeindruckend-phantastischen Palast des Alkinoos, des Königs der Phaiaken (Od. 7.86–94, 13.4), den Vergleich von Menelaos’ Palast mit demjenigen des Zeus (4.72–75) und die eherne Mauer um die Insel des Windgottes Aiolos (10.1–4): HAINSWORTH zu Od. 7.81–132; LfgrE s.v. χάλκε(ι)ος 1110.35ff.; WEILER 2001, 75f. (dort auch zu möglichen Reminiszenzen in antiken Bemerkungen zu Tempelarchitektur); ROUGIER-BLANC 2005, 38f. 144; D’ACUNTO 2010, 150–152. Wie das gr. Adjektiv asteróeis (s.u.) ist auch ‘ehern’ vereinzelt Epitheton bei ‘Himmel’, dann u.a. zur Kennzeichnung von “Unzerstörbarkeit und Dauer” (LfgrE s.v. οὐρανός 869.15ff.). — Krummfuß: Auf Vasenbildern des 6. Jh. ist Hephaistos auf einem Maultier reitend dargestellt, wobei seine Füße nach hinten verdreht sind, also mit Klumpfüßen, die der Grund für sein Hinken sind (397, 411, 417): LIMC s.v. Hephaistos 628, 652f.; BROMMER 1978, 11. 16. 145f. mit Taf. 10f. ἀστερόεντα: Das gr. Adj. ist im fgrE mit Ausnahme der vorl. Stelle und 16.134 (Achills Brustpanzer) immer Epitheton von ‘Himmel’ (6.108n.). Wie beim Panzer mit Metallteilen dürfte das Adj. auch hier beim Haus des Hephaistos mit Bauteilen aus Erz am ehesten in der Bed. ‘funkelnd (wie der bestirnte Himmel)’ verwendet sein (schol. b u. T; vgl. 16.134n.; zum Vergleich ‘glänzend wie ein Stern’ s. 6.295n., 6.401n., 19.381b n.), viell. bezogen auf die Lichtreflexe des Feuers in Hephaistos’ Werkstatt auf Metallverkleidungen der Wände (LfgrE s.v. ἀστερόεις; anders AH, LEAF: ‘bestirnt’, zur Beschreibung einer konkreten Verzierung mit Sternen od. sternenförmigen Ornamenten; unentschieden EDWARDS). — µεταπρεπέ’ ἀθανάτοισιν: ‘herausragend unter …’, ähnlich 6.477 (παῖδ’ … ἀριπρεπέα Τρώεσσιν), an der vorl. Stelle zu δόµον mit verkürzter Ausdrucksweise ἀθανάτοισιν ≈ ἀθανάτων δόµοις (comparatio compendiaria); zum bloßen Lokativ bei pluralischen Personenbegriffen s. SCHW. 2.155; CHANTR. 2.80. — Κυλλοποδίων: ‘mit verdrehten Füßen, Klumpfüßler’, nur in der Ilias verwendeter Übername für Hephaistos (noch 20.270, 21.331; häufiger ist Ἀµφιγυήεις, s. 383); ein Kompositum mit Hinterglied ποδ- und Suffix -ῑ́ων zur Bildung eines Anthroponyms (RISCH 56f.), das Vorderglied wohl zur gleichen Wurzel wie πέλοµαι (*ku̯ elh1- ‘eine Drehung machen’): MEIER-BRÜGGER 1990; ältere Erklärungen s. DELG s.v. κυλλός; zum Possessiv-Kompositum (auch ἀργυρόπεζα) RISCH 184.
372 fand …: Die Situationsschilderung im Element (3) der Typ. SzeneP ‘Ankunft’ (369–427n.) ist wie üblich in Sekundärer FokalisationP aus der Sicht der Ankommenden beschrieben (3–5n.) und dient hier der Vorbereitung auf das Kommende: gezeigt sind (a) Hephaistos vertieft in seine typische und für Thetis’ Auftrag wichtige Tätigkeit, illustriert durch die sichtbaren körperlichen Auswirkungen (372a Schwitzen, vgl. auch 414f.), das In-Bewegung-Sein (372b) und die auf die Fertig-
372 τόν: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ἱδρώοντα, (ϝ)ελισσόµενον: zur Prosodie R 4.3. — ἑλισσόµενον: ‘sich hierhin und dorthin wendend’.
Kommentar
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stellung ausgerichtete Geschäftigkeit (373a, vgl. 378f.); (b) ein Entstehungsprozeß seiner Produkte (373b–379): AH, Anh. 136f. ἱδρώοντα: ἱδρώω ist Denominativum von ἱδρώς (CHANTR. 1.365f.; RISCH 330); Schwitzen wird sonst v.a. bei Kämpfern und Wettkampfteilnehmern beschrieben, bei Göttern nur hier und 4.27 (Hera hebt übertreibend hervor, wie sehr sie sich angestrengt habe; s. KIRK zu 4.26–8; LfgrE), während ihr Leben und Tun sonst als ‘leicht’ bezeichnet werden (3.381n., 6.138n., 24.526n.). — φύσας: Nominalbildung auf -σᾰ mit unklarer Etym. (lautmalerisch?: FRISK u. DELG u. BEEKES s.v. φῦσα); im 18. Gesang der Ilias nur im Pl. verwendete Bez. für den aus zwei Ledersäcken bestehenden Blasebalg (372, 409, 412, 468, 470, vgl. auch Hdt. 1.68), eigtl. wohl ‘Luftstrahl, Wind’ (vgl. h.Merc. 114 vom Feuerstrahl): LfgrE u. LSJ s.v. φῦσα; FORBES 1967, 13. 15.
373–377 Die besonderen Fähigkeiten des göttlichen Schmiedes werden exemplarisch in einer Klimax vorgeführt und gewürdigt (VE 377): Leistungsfähigkeit (373), künstlerisch-technisches Können (375), magische Fähigkeit (376). 373 zwanzig: Typische ZahlP für eine große Menge, welche hier die übermenschliche Arbeitsleistung des Schmiedegottes hervorhebt (WALTZ 1933, 10. 37 [Stellensammlung]; REINHARDT 1961, 488f.; zu den Angaben von größeren Mengen bei Homer s. HAWKE 2008, 43–46. 59f.); zum Dreifuß 344–345n. τρίποδας … ἐείκοσι πάντας: πᾶς im Pl. in Verbindung mit Numeralia bed. ‘ganze, volle’, hier also ‘ganze zwanzig Dreifüße’ (LfgrE s.v. 1017.35ff.); zum prothetischen Vokal von ἐείκοσι G 25; SCHW. 1.412 u. 591; CHANTR. 1.182.
374 Halle: Der gr. Begriff mégaron ist u.a. die Bez. für den Gemeinschaftsraum des Hauses, in dem gekocht und gegessen wurde (3.125n., 24.209a n.). ἐϋσταθέος µεγάροιο: VE-Formel (1× Il., 6× Od.); ἐϋσταθής (‘gut hingestellt, gut gebaut’) wird sonst im fgrE nur in der Odyssee als Epitheton von µέγαρον und θάλαµος verwendet; zur Bildungsweise (abgeleitet vom Aor. Pass. ἐστάθην?) SCHW. 2.513; RISCH 82; DELG s.v. στάθµη.
375 goldene Räder: Hephaistos’ Dreifüße sind aufgrund dieser speziellen Ausstattung im hom. Epos einzigartig (zur Eigenschaft ‘golden’ s. 205–206n.): der einzige vergleichbare Gebrauchsgegenstand auf Rädern ist ein silberner Korb, den Helena als Geschenk aus der ägyptischen Stadt Thebe erhalten hat und der ihr als Behälter für Garn und Spindel dient (Od. 4.130–132). Zu archäol. Zeugnissen von geometrischen Dreifüßen mit Rädern s. WEST zu Od. 4.131–2; BROMMER 1942, 368; WILLEMSEN 1957, 2; MAASS 1978, 18 mit Anm. 43; CANCIANI 1984, 37f.; D’ACUNTO 2010, 153f. 373 ἐείκοσι: = εἴκοσι (↑). — ἔτευχεν: durativ, ‘war dabei, zu verfertigen’. 374 ἑστάµεναι: = ἑστάναι (vgl. R 16.4); finaler Inf. — περὶ τοῖχον: ‘ringsum an der Wand’. — ἐϋσταθέος: zur unkontrahierten Form R 6. — µεγάροιο: zur Flexion R 11.2. 375 σφ(ι): = αὐτοῖς (R 14.1). — ὑπὸ … πυθµένι θῆκεν: ‘er brachte … unten am Fußteil an’. — κύκλα (ϝ)εκάστῳ: zur Prosodie R 4.3.
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κύκλα: Pluralbildung zu κύκλος zur Bez. einer kompletten Radgarnitur i.S.v. ‘ein Satz Räder’ (kollektiver od. ‘komprehensiver’ Pl., noch 5.722 an einem Streitwagen), neben κύκλοι ‘Kreise’ 11.33 (EICHNER 1985, 141f.). — ἑκάστῳ: distributive Apposition zu σφι, d.h. inhaltlich auf die Dreifüße (373 τρίποδας) bezogen (AH; ähnlich WILLCOCK; vgl. 2.775b n., 19.339n.). — πυθµένι: bez. den untersten Teil od. Bereich eines Gegenstandes, Baumes od. des Meeres (‘Fuß, Grund’; vgl. dt. Boden, lat. fundus: FRISK, DELG u. LfgrE s.v.), hier den untersten Teil der Beine als Basis eines Dreifußes (WILLCOCK). Zur Formulierung ὑπὸ κύκλα … πυθµένι θῆκεν vgl. Od. 4.131 τάλαρόν θ’ ὑπόκυκλον (‘einen Korb mit Rädern drunter’).
376 2. VH ≈ 7.298. — Die Dreifüße haben nicht nur Räder für den einfacheren Transport (375), sondern sie bewegen sich sogar von selbst. Mit dem gr. Begriff autómatos (‘selbst [irgendwohin] strebend, sich bewegend’) werden außer Personen nur noch die automatisch sich öffnenden Tore des Himmels beschrieben (5.749 = 8.393). Aber auch bei anderen Objekten aus der Werkstatt des Hephaistos sind Anzeichen von dessen geradezu magischen Fähigkeiten erkennbar: bei seinen von selbst agierenden goldenen Dienerinnen (417ff.), seinen selbsttätigen Blasebälgen (469f.), bei der Aigis des Zeus (15.308–310: 203–204n.), dem unüberwindbaren Riegel am Gemach der Hera (14.166–168: 14.168n.), den goldenen und silbernen Wachhunden des Alkinoos (Od. 7.91–94), der Falle für Ares und Aphrodite (8.272ff., bes. 8.296–298): 417–420n.; LfgrE s.v. Ἥφαιστος 949.68ff.; DELCOURT (1957) 1982, 51–56; KOKOLAKIS 1980, 103–107; FARAONE 1987, 257–261; zum Phänomen der Automaten vgl. die Erzählmotive ‘magic selfmoving vehicle’, ‘automatic objects’ und ‘magic automata’ bei THOMPSON D1523, D1600, D1620, außerdem A141f. (s. auch Aristoteles Politika 1.4 [1253b 35–37] zu Automaten wie diesen Dreifüßen, die Sklavenarbeit unnötig machten); zu magischen Fähigkeiten von weiteren mythischen Figuren mit Kenntnissen in Metallurgie s. LEAF zu 418; WATHELET 2000, 174f.; BIERL 2012, 127f. mit Anm. 69; DNP s.vv. Telchines u. Daktyloi Idaioi. — Sammelplatz: Gemeint ist hier der Palast des Zeus, in dem die Götter sich zum gemeinsamen Mahl versammeln, wie es etwa im 1. Gesang beschrieben ist (1.493–495/533ff., bes. 596–604; vgl. auch 4.1, 15.84f.).
ὄφρα οἱ … δυσαίατ(ο): wie νεοίατο 377 ein opt. obl. im Sekundär fokalisiertenP Finalsatz (147n.); zu δύνω + Akk. ‘in einen Wirkungsbereich eindringen’ vgl. 6.185n. — αὐτόµατοι: Kompos. mit verbalem Hinterglied -µα-τος, das zur gleichen Wz. wie µέµονα gehört (zum Verbaladj. RISCH 19. 210f.), also ‘selbst (wohin) strebend, von selbst’ (FRISK u. DELG s.v.). — θεῖον … ἀγῶνα: ‘Versammlungsort der Götter’; zur Bed. von ἀγών
376–377 ὄφρα (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3; ebenso θαῦµα (ϝ)ιδέσθαι. — ὄφρα: final (R 22.5). — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1; hier dat. commodi). — οἱ αὐτόµατοι: zur Hiatkürzung R 5.5. — δυσαίατ’ … | … νεοίατο: = δύσαιντο, νέοιντο: 3. Pl. Opt. Med. (R 16.2). — ἀγῶνα: Richtungsangabe ohne Präposition (R 19.2). — ἠδ(έ): ‘und’ (R 24.4). — αὖτις: = αὖθις. — ἰδέσθαι: zum Medium R 23.
Kommentar
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(‘Versammlung, Sammelplatz’) 19.42n.; JANKO zu 15.426–8. – Die gemäß schol. AT zu 376 in einigen Hss. überlieferte Version θεῖον κατὰ δῶµα νέοιντο, bei der viell. 377 fehlte (s. app. crit.), ist aus morphologischen Gründen (unhomerisches -οιντο) abwegig (LEAF; EDWARDS; VAN DER VALK 1964, 614f.; APTHORP 1980, 117 Anm. 125: “the scholium probably is seriously corrupt”). 377 θαῦµα ἰδέσθαι: VE-Formel, in der Ilias immer von einem göttlichen Gegenstand, dem das Wunderbare anhaftet (83n.); dies ist an der vorl. Stelle nicht nur auf das Aussehen, sondern auch auf das Funktionieren bezogen (BECHERT 1964, 143f.; HUNZINGER 1994, 19f.). Die Formel gibt üblicherweise die Sicht eines sterblichen Betrachters wieder, hier also diejenige des Erzählers (ebenso 5.725, vgl. auch 549) und zugleich in der sekundär fokalisierten Typ. SzeneP ‘Ankunft’ (372n.) auch diejenige der Thetis (DE JONG [1987] 2004, 49 u. 259 Anm. 22). 378 τόσσον µὲν … δ(έ): τόσσον ist adverbiell verwendet; die Formulierung mit der Bed. ‘soweit zwar …, nur ’ weist auf die Abweichung von einem konstatierten Zustand (ebenso 22.322/324, 23.454f., ähnlich auch 4.130/132: AH; LEAF), hier der Fertigstellung (ἔχον τέλος: ‘hatten Vollendung’, d.h. ‘waren vollendet’), vgl. die Impf.-Formen ἔτευχεν (373), ἤρτυε, κόπτε (379) u. ὄφρ’ … ἐπονεῖτο (380) für die noch andauernde Arbeit (LfgrE s.vv. τέλος 389.30, τόσ(σ)ος 587.26ff.; GUNDERT 1983, 141f.). — οὔατα: eigtl. ‘Ohren’ (vgl. 272), hier wie 11.633 Bez. für ringförmige Henkel von Gefäßen, vgl. außerdem τρίποδ’ ὠτώεντα 23.264, 23.513, Hes. Op. 657; s. auch MYK s.v. οὖς (myk. Adj.-Bildungen zur Angabe der Henkelzahl).
379 VE ab der Zäsur C 2 = Od. 8.274. — Zu Beispielen von Henkel-Schmuck an geometrischen Dreifüßen (aus Olympia) s. MAASS 1978, 15–20. 39–47. 67f. δαιδάλεα: ‘kunstvoll verziert’; im 18. u. 19. Gesang werden Hephaistos’ Arbeiten mehrfach mit Ausdrücken der Wortfamilie δαιδαλ- beschrieben (390 ein Sessel, 400 Schmuckstücke für Göttinnen), v.a. die neuen Waffen für Achilleus (der Schild 479, 482, 19.380, der Helm 612 und die neue Rüstung insgesamt 19.13, 19.19); zur Wortfamilie 19.13n. mit Lit. — προσέκειτο: die Form nur hier im fgrE, ist als Plpf. Pass. zu προστίθηµι aufzufassen (‘waren angesetzt, angebracht’, vgl. 375 ὑπὸ … θῆκεν): AH. — τά ῥ’ ἤρτυε, κόπτε δὲ δεσµούς: Blick auf die aktuelle Arbeit, das Befestigen der fertig geschmiedeten Henkel an den zwanzig Dreifüßen: ἀρτύ(ν)ω mit Sach-Obj. bed. ‘zurüsten, ordnend bereitstellen’ (schol. bT: ἡτοίµαζε; LfgrE s.v. ἀρτύνω 1366.21ff. ‘er hatte bereitgelegt’, mit Hinweis auf SCHW. 2.298f. [“sachlich Vorvergangenheit”]), κόπτω hier ‘durch Hämmern formen, schmieden’, ebenso Od. 8.274 (LfgrE s.v. κόπτω). Dieser letzte Arbeitsschritt ist repräsentativ für den ganzen Herstellungsprozeß (s. 373). — δεσµούς: ‘Bande, Halterungen’ zur Befestigung der Henkelringe: Nieten (schol. bT: τοὺς ἥλους; LfgrE s.v. δεσµός u. EDWARDS: ‘rivets’; D’ACUNTO 2010, 154), viell. auch weitere Teile wie Bügel und Laschen,
378 οἵ: demonstr.-anaphorisch (R 17), auf τρίποδας 373 bezogen. — ἤτοι: R 24.4. — τόσσον: zum -σσ- R 9.1. — ἔχον: zur augmentlosen Form R 16.1. — οὔατα: = ὦτα (Pl. von οὖς), hier ‘Henkel’ (↑). 379 ῥ’: = ἄρα (R 24.1).
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mit denen der Henkelring an der Kesselwand befestigt wird (vgl. das Bsp. eines gehämmerten geom. Dreifußes bei MAASS 1978, 64. 67 u. weitere Bsp. Taf. 1–6, 19–25, 35–39, 43). 380 2. VH = 1.608, 18.482, 20.12, Od. 7.92, ‘Hes.’ fr. 141.5 M.-W., Nost. fr. 6.2 West (mit Ausnahme der letzten Stelle immer von Hephaistos). — πραπίδεσσιν: mit φρένες vergleichbare Bez. der geistig-seelischen Instanz (eigtl. ‘Zwerchfell’, ‘Lunge’ od. ‘Brust[korb]’: 24.514n.); dient in der Formel ἰδυίῃσι π. im hom. Epos dazu, bei Hephaistos’ Schmiede-Arbeit seinen ‘kundigen Verstand’ hervorzuheben (vgl. auch h.Merc. 49 πραπίδεσσιν ἑῇσι von Hermes bei der Erfindung der Lyra), hier neben seinem körperlichen Einsatz Vv. 372f. (369–381n.; SULLIVAN 1987, 185f.; vgl. LfgrE s.v. οἶδα 551.1ff.; ähnlich, aber etwas anders gewichtend FRONTISI-DUCROUX 2002, 475–480: “coeur visionnaire”, als Ausdruck seiner kreativen Imaginationsfähigkeit). 381 1. VH = 18.16; 2. VH = 18.127 (s.d.). — Der Vers fehlt in mehreren Hss. und einzelnen Papyri und gilt einigen Interpreten als interpoliert (s. app. crit.; APTHORP 1980, 137–140. 154f., mit älterer Lit.; WEST 2001, 12 Anm. 28 [‘rhetorical expansions’]). Zwar gibt es Punkte, die für die Beibehaltung des Verses sprechen: (a) die Parallelität in der Gestaltung der vorl. Ankunfts-Szene und derjenigen zu Beginn des 18. Gesanges (1/368 Überleitungsvers, 2/369 Ankunft, 3–15/372–380 Auffinden mit Situationsschilderung, 16–17a/381 Herantreten: 1–22a n.); (b) die Verknüpfung von Thetis’ Bewegung durch die Vv. 369 (ἵκανε … Θέτις ἀργυρόπεζα) und 381 (ἦλθε … Θέτις ἀργυρόπεζα) nach der Situationsschilderung der Vv. 372–379. Dagegen ist einzuwenden, daß (a) kein zwingendes Argument für Echtheit ist, denn in Typ. Szenen können einzelne Elemente auch fehlen; außerdem ist die Passage – trotz (b) – auch ohne V. 381 sowohl sprachlich als auch inhaltlich problemlos, ein nachträgliches Einfügen des Verses ist aber einfacher zu erklären (Konkordanz-Interpolation) als nachträgliches Athetieren (APTHORP a.O. 138f. u. 154f.): (a) temporales ὄφρα ist zwar sehr oft, aber nicht immer mit τόφρα kombiniert (s. z.B. 61f., 5.788f., 9.352f.: LEAF), die Verbindung 380/382 ὄφρ(α) …, | τὴν δέ ist also sprachlich nicht ausgeschlossen (apodotisches δέ R 24.3); (b) der in seine Arbeit vertiefte Hephaistos (380) bemerkt Thetis nicht, sie spricht ihn auch nicht an (er wird erst 391ff. informiert), sondern seine Gattin empfängt die Ankommende (382ff.). Contra EDWARDS z.St. und 1975, 62f.: V. 381 markiere den Wechsel von einer Typ. Szene zur anderen und sei Ersatz für Element (1) der Typ. SzeneP ‘Besuch’ (24.477–478n.: der angekommene Besucher wartet an der Tür), vgl. 369– 427n.
382 Charis: Mit der überraschenden Einführung einer neuen FigurP geht die Erzählung unvermerkt in die Schilderung einer häuslichen Szene über: die unerwartete Besucherin wird von der Hausherrin begrüßt und ins Haus geführt, während der in die Arbeit vertiefte Hausherr den Gast erst später (414–427) empfangen wird (Ele380 ὄφρ(α): ‘während’ (R 22.2). — ἐπονεῖτο (ϝ)ιδυίῃσι: zur Prosodie R 4.3. — ἰδυίῃσι: Ptz. fem. von οἶδα; zum -ῃ- nach -ι- R 2; zur Flexion R 11.1. — πραπίδεσσιν: zur Flexion R 11.3. 381 vgl. 16n. — θεά: zur Form R 2.2. 382 τήν: demonstr.-anaphorisch (R 17), auf Thetis (V. 381 od. 369) bezogen. — δὲ (ϝ)ίδε: zur Prosodie R 4.3. — προµολοῦσα: Ptz. Aor. fem. zu προβλώσκω ‘hervorkommen’.
Kommentar
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ment 2–5 der Typ. SzeneP ‘Besuch’: 369–427n.; EDWARDS zu 369–467; REECE 1993, 17f.). Charis ist sonst als Name im fgrE nur im Plural (Chárites) als Kollektivbez. einer Gruppe von Göttinnen verwendet, die oft in Verbindung zu Aphrodite gesetzt sind (5.338, Od. 8.364–366, 18.193f., h.Ven. 61–63, Cypr. fr. 5 West) und die für die Ehe wichtige Attraktivität verkörpern; bei Hesiod (Th. 945f.) trägt Hephaistos’ Frau den Namen Aglaia und gilt als die jüngste der Chariten (FG 33; 14.267–268n. mit Lit.; LfgrE s.v. Χάρις, Χάριτες; vgl. auch FG 30; WEST zu Hes. Th. 64). In einer anderen, aus der Odyssee bekannten Mythenversion, im Lied des Sängers Demodokos (Od. 8.266ff.), ist Aphrodite die – allerdings treulose – Gattin des Hephaistos (zu dieser Version s. DE JONG zu Od. 8.266–366; WEST [2001] 2011, 323f.; 2011a, 292f. [zu 14.231–82]); diese wäre jedoch als Helferin der Troer-Partei in der vorl. Szene eher unpassend. Der hier vom ErzählerP verwendete Name Charis weckt Assoziationen, die in diese Besuchs-Szene passen: Das gr. Substantiv cháris bedeutet ‘Freude bereitende Wirkung od. Leistung’, daher ‘Anmut, Schönheit, Liebenswürdigkeit, Gunst’, und kann sowohl eine von einer Person ausgehende Wirkung als auch eine erbrachte (Gegen-)Leistung bezeichnen (LfgrE s.v. χάρις; LATACZ 1966, 85–98); Charis steht demnach (a) für Schönheit und Attraktivität (VA 383), passend zum Schmiedegott, der zwar körperlich nicht makellos ist (415, 417, 421f.; s. 370–371n. zu seinem Gebrechen), aber prächtige und wirkungsvolle Kunstwerke schafft; (b) für die Liebenswürdigkeit, mit der die Hausherrin der Besucherin begegnet; (c) für die im Haus des Hephaistos vorherrschende freudige Bereitschaft, hilfreich zu sein und eine erhaltene Wohltat vorbehaltlos durch eine Gegenleistung zu erwidern (vgl. 394–409, 426, 463–467): EDWARDS; CERRI; MARG (1957) 1971, 40; PRIESS 1977, 75; ROCCHI 1979, 6f.; HOHENDAHL-ZOETELIEF 1980, 122f.; ERBSE 1986, 38–40; zum Verhältnis Hephaistos–Aphrodite/Charis s. auch BURKERT (1960) 2001, 107f. u. WEST 2011, 293 (zu 14.231–82): Charis als Substitut für Aphrodite; anders PÖTSCHER 2001, 20–23: Hephaistos–Charis als die ältere Mythenversion. — Kopftuch: Charis trägt als Kopfschmuck ein vom Scheitel über Schultern und Rücken herabfallendes Schleiertuch, wie es üblicherweise von ehrbaren Frauen in der Öffentlichkeit getragen wurde, das aber auch zur Attraktivität der Erscheinung beitrug (3.141n., 14.184n.); sein oft erwähnter Glanz rührt von der Behandlung des Stoffes mit Öl (zu dieser Behandlung von Textilien 6.295n., 14.185n.). προµολοῦσα: metr. bequemer Ersatz für προελθοῦσα (LfgrE s.v. βλώσκω); zum Präverb προ- (‘vorwärts-, hervor-, heran-’) SCHW. 2.505. — λιπαροκρήδεµνος: iliad. hapaxP, Epitheton von Göttinnen (nur noch h.Cer. 25, 438, 459, Cypr. fr. 6.4 West; außerdem im Zusatzvers Il. 16.867a), im Gegensatz zu metr. gleichwertigem καλλικρήδεµνος als Epitheton von menschl. Ehefrauen (Od. 4.623) und der Gen.-Version λιπαροπλοκάµοιο vom Kopf (LfgrE; vgl. 19.126–127n.). κρήδεµνο-, der zweite Bestandteil des Possessivkompositums (vgl. dazu die VE-Formel λιπαρὰ κρήδεµνα 5× Od.), ist eine Zusammen-
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setzung aus κάρη-/κρη- und einer Ableitung zu δέω, also eigtl. ‘Kopfbinde’, im hom. Epos Bez. für das Schleiertuch der Frauen (14.184n.). 383 2. VH = 1.607, 18.393, 18.462, 18.587, 18.590, Od. 8.300, 8.349, 8.357, Hes. Th. 571, 579, ‘Hes.’ fr. 209.3 M.-W. — ὤπυιε: bed. ‘jn. als Ehefrau haben’ und impliziert den formellen Status der Frau (LfgrE; 14.267–268n.). — περικλυτὸς Ἀµφιγυήεις: VE-Formel (s. Iterata, außerdem ἀγακλυτὸς Ἀ. Hes. Th. 945 u. κλυτὸς Ἀ. 614 u. 2× Hes.). Ἀµφιγυήεις ist distinktives EpithetonP des Hephaistos, im fgrE außer 14.239 immer nach (ἀγα/περι-) κλυτός (dazu 326n.), wohl metr. Erweiterung zu ἀµφίγυος ‘beidseitig gebogen’ (14.26n.). Die urspr. Bed. war viell. ‘der mit dem beidseitig Gebogenen’ bezogen auf ein Werkzeug, dann umgedeutet bzw. mißverstanden als ‘krummbeinig’ (1.607n.; vgl. 370–371n. zu konsonantisch anlautendem, metr. gleichwertigem Κυλλοποδίων); als urspr. Bed. wird auch ‘beidhändig (geschickt)’ in Erwägung gezogen (AH zu Od. 8.300; VERDENIUS zu Hes. Op. 70; WEST 2011, 99 [zu 1.607], mit Hinweis auf den ugarit. Schmiedegott Kothar), vgl. ἐγγυαλ-ίζω ‘geben (in die Hand?)’ (LfgrE s.v. ἐγγυαλίζω; DELG s.v. *γύη).
384 = 6.253, 6.406, 14.232, 18.423, 19.7, Od. 2.302, 8.291, 11.247, 15.530; ≈ Od. 10.280; 2. VH (Rede-EinleitungP) weitere 11× Il., 21× Od., 2× h.Ven. Formelvers mit Begrüßungsgeste und Einleitung von herzlichen und eindringlichen Reden (19.7n.; HENTZE 1902, 329f. 347). ἐν … οἱ φῦ χειρί: ‘ergriff sie fest bei der Hand’; οἱ … χειρί doppelter Dativ (σχῆµα καθ’ ὅλον καὶ µέρος) mit χειρί als lokativischem Dat. des Ziels, also wörtl. ‘wuchs ihr ein in die Hand’ (19.7n.). — ἔκ τ’ ὀνόµαζεν: ‘und redete sie mit Name an’ (s. 385); durch den formelhaften Gebrauch der Wendung ist ihre urspr. Bed. (‘js. Namen [heraus-]nennen’) an vielen Stellen nicht mehr gegeben (1.361n.; LfgrE s.v. ὀνοµάζω 715.19ff.).
385–386 = 424–425 (Begrüßung durch Hephaistos); ≈ Od. 5.87–88; 2. VH von 386 ≈ Il. 16.796, 24.642. — Warum: Thetis lebt mit ihren Schwestern bei ihrem Vater im Meer und scheint nicht oft unter den Göttern auf dem Olymp zu sein (35f., 140ff., 24.74ff.). Die Antwort wird sie erst Hephaistos geben (424ff.), der wie Charis verwundert ist über ihren Besuch. Mit der erstaunten Frage beider Gastgeber hebt der Erzähler das Außergewöhnliche der Situation hervor (Hinweis DE JONG). — du ehrwürd’ge und liebe: respektvolle Anrede eines Gastes (s. Iterata und vgl. 14.210, Od. 19.191, 19.254); die Verbindung von Wörtern der Wortfamilien von aidṓs (‘Achtung’; vgl. 394n.) und philótēs (‘Freundschaft’) steht im fgrE oft im Zusammenhang mit Gast und Gastgeber (24.111n.).
383 τήν: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5). 384 ἐν … φῦ (zu ἐµφύοµαι), ἐκ … ὀνόµαζεν: sog. Tmesis (R 20.2). — ἄρα (ϝ)οι … χειρὶ (ϝ)έπος: zur Prosodie R 4.3. — οἱ: = αὐτῇ (R 14.1). — ἔφατ(ο): Impf. von φηµί; zum Med. R 23. 385 τανύπεπλε, ἱκάνεις: zum Hiat R 5.6. — δῶ: Richtungsangabe ohne Präposition (R 19.2). 386 µέν: ≈ µήν (R 24.6). — τι: Akk. der Beziehung (R 19.1), verstärkt οὐ: ‘nicht in irgendeiner Hinsicht, gar nicht, überhaupt nicht’.
Kommentar
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τίπτε: = τί ποτε ‘was denn, warum denn’; kann Vorwurf od. Befremden signalisieren, ist hier in der Begrüßung aber nur Ausdruck der leichten Verwunderung über den ungewöhnlichen Besuch, ebenso 424, Od. 5.87, ähnlich Il. 23.94, Od. 4.810 (LfgrE). — Θέτι τανύπεπλε: Die kurze Endsilbe des Vokativs Θέτι im longum ist entweder durch Adaption einer – nicht belegten – Nom.-Formel *Θέτις τανύπεπλος zu erklären (WEST 2011, 350f.; vgl. M 14; 357–358a n., 2.8n., 19.400n.) oder als metr. Lizenz anzusehen, zumal der Vokativ wie 24.88 an Zäsurstelle steht (vgl. 24.88n. mit Lit.; M 8); zur Stellung vor der Zäsur A 4 s. auch 405 (Θέτις τε) u. 407 (Θέτῑ). – τανύπεπλος (‘langgewandet’) ist Epitheton von göttlichen und menschlichen Frauen, ein Possessivkompositum zu *τανύς ‘langgestreckt, dünn’ (3.228n.). — ἡµέτερον δῶ: VE-Formel (3× Il., 3× Od.), Variante zu den VE-Formeln χαλκοβατὲς δῶ (4× Il., 2× Od.) und ὑψερεφὲς δῶ (3× Od.); dazu u. zur Etymologie von δῶ (zu δόµος, δῶµα) s. 1.426n. — αἰδοίη τε φίλη τε: variierbare Junktur (am VA s. Iterata, außerdem in der Versmitte 2× Il., 1× Od. u. am VE 2× Od., 1× hom.h. 29); αἰδοῖος hier ‘wem αἰδώς erwiesen wird, ehrwürdig’ (LfgrE s.v. 268.25ff., bes. 69ff.), φίλος als Bez. einer sozial nahestehenden Person, bes. auch vom Verhältnis Gastgeber– Gast (LfgrE s.v. 944.48ff. u. 945.4ff.; vgl. 3.207n. [φιλέω], 3.354n. [φιλότης]). — πάρος: ‘vorher, früher’, wird auch mit Verb im Präs. in der Bed. ‘sonst, normalerweise’ verwendet, also ‘normalerweise tust du das nicht (regelmäßig)’: LfgrE s.v. 987.6ff. u. 989.22ff.; zum “‘habitual’ present” s. RIJKSBARON 1988, 238 (etwas anders WACKERNAGEL [1920] 1926, 47. 158: πάρος als Hinweis auf vergangene Handlung, die mit einer eigtl. zeitlosen Präs.Form ausgedrückt ist: “früher/bisher hast du das nicht regelmäßig gemacht”). — θαµίζεις: Ableitung zu θαµά (‘in dichter Folge, oft’), Bez. für Handlungen, die sich regelmäßig wiederholen (LfgrE).
387 = Od. 5.91; 2. VH = 9.517. — Gastfreundliches: Charis erwartet nicht eine sofortige Antwort auf ihre Frage, sondern bietet zuerst ein Mahl an (vgl. Hephaistos 408f.); denn die Bewirtung eines Gastes mit Speis und Trank ist fester Bestandteil der Gastfreundschaft und erfolgt in der Regel gleich bei der Ankunft (z.B. 6.172ff., 11.777ff.): 6.173–177n.; vgl. 369–427n. (Elemente 7 und 8 der Typ. SzeneP ‘Besuch’); EDWARDS zu 387; CERRI zu 408. προτέρω: ‘weiter, vorwärts’, d.h. hier: ‘herein (ins Haus)’, ähnlich bei der Ankunft von Gästen 9.191/199, Od. 4.36 (s. auch πρόσω ἄγε 388): LfgrE s.v. προτέρω; REECE 1993, 20f. — ξείνια: ξείνιον/ξεινήϊον ist Bez. für alles, was zur Gastfreundschaft und zur Aufnahme eines Gastes im Haus gehört (Bewirtung, Nachtlager, Gastgeschenk); ξ. παρατίθηµι bez. das Vorsetzen von Speis und Trank (ebenso 11.779, 18.408, Od. 5.91, 9.517, 15.188, vgl. auch 4.33): SCHEID-TISSINIER 1994, 138–142; LfgrE; vgl. auch 3.207n. — θείω: Zur Form vgl. ἀποθείοµαι 409n. 388 ὣς ἄρα φωνήσασα: 65n. — δῖα θεάων: 205–206n.
387 ἕπεο: Imp. zu ἕποµαι (vgl. R 6). — τοι: = σοι (R 14.1). — προτέρω, ἵνα: zum Hiat R 5.6; ebenso πρόσω ἄγε V. 388. — πὰρ … θείω: πάρ = παρά (R 20.1), zur sog. Tmesis R 20.2; θείω: Konj. Aor. zu τίθηµι. — ξείνια: = ξένια (ξειν- < *ξενϝ: R 4.2). 388 ἄγε: zur augmentlosen Form R 16.1. — θεάων: zur Flexion R 11.1.
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389 1. VH ≈ 5.36; 2. VH = Od. 7.162, 10.314, 10.366, h.Ven. 165. — Thetis wird als Gast gebührend behandelt: Das schon myk. bezeugte Substantiv thrónos (DMic s.vv. to-no u. to-ro-no-wo-ko) ist die Bez. für das vornehmste Sitzmöbel in der hom. Gesellschaft: einerseits den für den Hausherrn oder für männliche Gäste als Ehrenplatz reservierten Stuhl im mégaron, andrerseits den Sitz der Götter und Göttinnen (24.515–516n.; 14.238n. [mit Lit.]; LfgrE s.v. θρόνος; LASER 1968, 41; REECE 1993, 21f.; OTTO 2012, 27f.). Das Epitheton ‘mit Silbernägeln versehen’ (von ‘Stuhl’ und ‘Schwert’: 2.45n.) weist auf die Verzierung durch silberne Nägel oder Nieten (LASER 1968, 38f.; vgl. auch LfgrE s.vv. ἄργυρος u. ἀργύρεος; zu archäol. Zeugnissen von derartig verzierten Sesseln [v.a. aus Zypern] s. LORIMER 1950, 273f.; STUBBINGS 1962, 533; KARAGEORGHIS 1968, 100f.; 1976, 176; OTTO 2012, 24ff.; s. auch ELES 2002, 77–82. 241–245 mit Abb. 115 u. Taf. II–XIII [Bronze-Verzierungen auf einem Thron des 8. Jh. in Italien]). θρόνου ἀργυροήλου: flektierbare VE-Formel (1× Il., 5× Od., 1× h.Ven.).
390 = Od. 10.315, 10.367; ≈ 1.131; 2. VH = 4.136; ≈ Il. 14.240, Od. 19.57. — Schemel: Oft gehört zu einem bequemen Sitzmöbel ein Fußschemel (gr. thrḗnys, myk. ta-ra-nu, s. DMic), der das Sitzen erleichtern u./od. die Füße während des Mahles vom verschmutzten Boden fernhalten soll; dazu und zu archäol. Zeugnissen und bildlichen Darstellungen s. 14.239–240n.; OTTO 2012, 42. καλοῦ δαιδαλέου: flektierbare VA-Formel (19.380a n.); der θρόνος – sicher ein Werk des Hephaistos – ist durch das progressive EnjambementP und die Epitheta-Reihung als bes. kunstvolles Sitzmöbel gekennzeichnet (zu diesem ep. Stilelement 130–131n.; zu δαιδάλεος 379n.; zu den Epitheta bei θρόνος s. LfgrE s.v. θρόνος). — ποσίν: ‘für die Füße’ (LfgrE s.v. 1521.40).
391–427 Der übliche Ablauf der Typ. SzeneP ‘Besuch’ ist erweitert durch ein Gespräch zwischen den Ehegatten (391–409), das dazu dient, Informationen über die Besucherin zu geben (für Hephaistos: Anwesenheit von Thetis; fürs Publikum: Verhältnis Hephaistos–Thetis). Danach lenkt der ErzählerP den Blick zunächst auf Hephaistos, wie er seine Arbeit sorgsam beendet (410–413), sich für einen gebührenden Empfang der Thetis zurechtmacht (414ff.) und sich von der Werkstatt ins Haus begibt (416f., 421f.), um den Gast ebenfalls zu begrüßen (423–427), im folgenden Gespräch dann auf Thetis’ Gemütsverfassung und ihren Auftritt als Bittstellerin (424–426, 428–461). Hephaistos’ Verbundenheit mit Thetis und sein Verhältnis zur Arbeit und zu seinen Werkzeugen erhalten großes Gewicht und wecken im Publikum die Erwartung, daß die Bitte um neue Waffen auf offene Ohren stoßen wird (394–409n.; AREND 1933, 36f.).
389 καθεῖσεν: ‘ließ sich setzen, Platz nehmen’ (trans. Aor. Akt. zu καθίζω/καθέζω). 390 δαιδαλέου, ὑπό: zum Hiat R 5.6. — ὑπό: adverbiell (‘darunter’). — ἦεν: = ἦν (R 16.6).
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391 Ἥφαιστον κλυτοτέχνην: 143n. — εἶπέ τε µῦθον: VE-Formel (3× Il., 2× Od., 5× hom.h.), weniger häufige Form einer kurzen Rede-Einleitung (s. dagegen etwa φώνησέν τε 24.193n.). 392 Ein-Vers-Rede (182n.), der Dringlichkeit der Aufforderung angemessen (schol. bT). — πρόµολ’ ὧδε: wird auf zwei Arten verstanden (zu προµολεῖν ‘herbeikommen’ 382n.): (a) ‘komm ohne weiteres her!’ (aus der Werkstatt), ausgehend von der modalen Bed. von ὧδε, wie an den meisten hom. Stellen: ‘so’ i.S.v. ‘ohne weiteres’, mit einer zeitl. Komponente ‘sofort, sogleich’, (schol. A [µηδὲν ὑπερθέµενος] u. bT; LSJ s.v. I 2: “come forth, just as thou art”; AH [“von einem einladenden gestus begleitet”]; LEHRS [1833] 1882, 71– 73. 370–374; CERRI; vgl. 2.439n.); (b) ‘komm hierher!’: ὧδε mit lokaler Funktion, wie v.a. dann in att. Tragödie und Kommödie gebräuchlich (LEAF u. EDWARDS, mit Hinweis auf die Verwendung des Verses durch Platon, als er seine Jugendgedichte verbrennen wollte, s. Diog. Laert. 3.5 [Ἥφαιστε, πρόµολ’ ὧδε· Πλάτων νύ τι σεῖο χατίζει]; BEKKER 1872, 38). Eher für (a) spricht, daß die Aufforderung eine gewisse Dringlichkeit enthält (sogleich, ohne noch vorher die Dreifüße zu vollenden, vgl. 378f.) und daß Hephaistos’ Antwort sich auch auf einen zeitl. Rahmen bezieht (408f. σὺ µὲν νῦν … | ὄφρ’ ἂν ἐγώ [“bewirte sie, bis ich alles aufgeräumt habe!”]). — νύ: hier mit “valeur causale” (RUIJGH 1957, 60; vgl. dagegen 165n.). — τι σεῖο χατίζει: ‘braucht dich in einer Sache, ist bei etwas auf deine Hilfe angewiesen’; zu χατίζω (+ Gen. ‘brauchen, angewiesen sein auf’) s. LfgrE s.v.; KLOSS 1994, 130–138; vgl. auch 6.463n. [χήτει]. 393 = 18.462; ≈ Od. 8.357; 2. VH = Il. 1.607, 18.383 (s.d.), 18.587, 18.590, Od. 8.300, 8.349, Hes. Th. 571, 579, ‘Hes.’ fr. 209.3 M.-W. 383. — τὴν δ’ ἠµείβετ’ ἔπειτα: VA-Formel (19.28n.).
394–409 Hephaistos reagiert in zwei unterschiedlich langen Redeteilen zuerst auf die Information über Thetis’ Ankunft (392b: 394–407), dann auf Charis’ Aufforderung (392a: 408f.): vgl. Prinzip des kontinuierlichen GedankensP. Teil (1) besteht aus einer RingkompositionP, in deren Außenringen Hephaistos’ Rettung durch Thetis thematisiert ist und in deren Zentrum seine Schmiede-Arbeit steht (vgl. EDWARDS): (A) Ankunft der hochgeachteten, mächtigen Göttin (394); (B) ihre rettende Hilfe, als die Mutter Hera ihn verstieß (395–397a); (C) Eurynome und Thetis verhinderten Leid (397b–398); (D) Eurynome, Tochter des Okeanos (399); (E) neun Jahre lang schmiedete Hephaistos kunstvolle Schmuckstücke für die beiden (400–402a); (D’) der Okeanos-Strom schützte das Versteck (402b– 403a); (C’) Thetis und Eurynome waren als einzige eingeweiht (403b–405a); (B’) sie retteten ihn (405b); (A’) Ankunft der Göttin, der er noch eine Gegenleistung schuldet (406f.). Die Sekundär fokalisierteP Erzählung einer Episode aus Hephaistos’ Leben hat Schlüssel-FunktionP: sie zeigt Hephaistos’ Verbundenheit mit 391 κέκλετο: reduplizierter Aor. zu κέλοµαι, koinzident mit εἶπέ τε µῦθον (‘sie rief herbei, indem sie …’). 392 πρόµολ(ε): Imp. Aor. ‘komm her!’ (sc. aus der Werkstatt), vgl. 382n. — σεῖο: = σοῦ (R 14.1).
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Thetis, in deren Schuld er sich fühlt, und gibt den Grund für seine Bereitschaft, ihr zu helfen (426), bevor er den Inhalt der Bitte kennt; durch sie ist für das Publikum bereits jetzt klar, daß Thetis’ Bittgang erfolgreich sein wird und Achill ohne weiteres neue Waffen erhalten wird (HOHENDAHL-ZOETELIEF 1980, 122–124; ERBSE 1986, 79f.; WEST 2011, 351). – Die vorl. Geschichte von Hephaistos’ Sturz und Rettung enthält Motive, die auch in anderen Göttergeschichten in der Ilias und insbesondere im nachhom. überlieferten Mythos vom Einzug des Dionysos auf den Olymp auftauchen (zu Stil-Elementen des narrativen Teils 395–405n.): (a) Thetis als Helferin anderer Götter: 1.393ff. u. 1.503ff. Zeus, 6.135ff. Dionysos (SLATKIN [1991] 2011, 52–71); (b) der gewaltsam herbeigeführte Sturz vom Olymp: u.a. 1.590ff. Hephaistos (weitere Bspe. 395–397a n.); (c) Zuflucht in einem Versteck im Okeanos: 6.135f. Dionysos (WILLCOCK [1964] 2001, 443f.); zum Inhalt des fragmentarisch überlieferten Hymnos für Dionysos s. WEST (2001) 2011; 2003a, 26–31 (Text mit engl. Übers.); zur Verbindung von Hephaistos und Dionysos im Mythos s. auch 400n. Es ist daher unklar, ob der Iliasdichter (a) für die ganze Geschichte auf traditionelles Erzählgut über Hephaistos zurückgriff oder (b) geläufige Motive für die vorl. Stelle adaptierte und so eine Version vom Sturz des Hephaistos schuf, in der Thetis eine wichtige Rolle spielen konnte (für (a): KULLMANN 1956, 12; MASCIADRI 2008, 282–293; RINON 2008, 133f. u. 190 Anm. 31; WEST 2011, 292f.; zu Thetis als “cosmic power” s. SLATKIN a.O. 54–56. 70f.; für (b) WILLCOCK a.O. 445; 1977, 44 Anm. 16; BRASWELL 1971, 20f.; ERBSE 1986, 80; zu solchen ad hoc-Erfindungen s. auch 1.262–270n., 1.396–406n., 6.218– 221n., 19.95–133n., 24.599–620n., Punkt (2) mit Lit.). Außerdem weist die vorl. Version Ähnlichkeit mit dem Erzählmuster von Mythen über Kindesaussetzung auf (DELCOURT [1957] 1982, 41–43; BINDER 1964, 128f.; HUYS 1995, 40f. 62. 167): (a) Grund für die Aussetzung; (b) Umstände der Aussetzung (ausführende Person, Ort); (c) Rettung (durch Gottheit od. Mensch), Aufnahme und Heranwachsen des Findlings, der außerordentliche Fähigkeiten zeigt; (d) Rückkehr und Rehabilitation (vgl. 400n.); allg. zum Erzählmuster und zu den literar. Ausformungen s. BINDER a.O. 125–250; HUYS a.O. 27–46. 377–394; vgl. auch DNP s.v. Aussetzungsmythen. 394 Die Bezeichnung der Thetis als deinḗ te kai aidóiē ist eine Variation der Adjektiv-Verbindung aidóiē te phílē te in Charis’ Anrede (385–386n.): gr. deinós bed. ‘mächtig, gewaltig’ (LfgrE s.v. δεινός 236.67; zur Verwendung mit Bezug auf Gottheiten 6.379–380n.), gr. aidóios ‘scheuerweckend, ehrwürdig’ (im Kontext des Verpflichtet-Seins auch 14.210, Od. 19.254, vgl. auch Il. 24.111 [mit n.]; zur Wortfamilie von aidṓs s. 1.23n., 1.149n., 6.442n., 24.44n.); zur Verbindung dieser Adjektive bei Homer s. CAIRNS 1993, 87–95. Hephaistos spricht von Thetis mit 394 ἦ ῥα: ‘wirklich’ (R 24.4, ↑).
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höchster Ehrfurcht und Hochachtung als einer Gottheit, die potentiell gefährlich sein kann – so hat sie sich anderen, nicht weniger mächtigen Göttern widersetzt (1.398ff.) – und deren Anspruch auf Ehrerbietung er anerkennt. ἦ ῥά νυ: emphatischer Redebeginn (6.215n.). 395–405 Der narrative Teil der Passage weist zwei Stil-Elemente gesprochener Sprache auf, die auf einen mündlichen Hintergrund weisen (vgl. 6.394–399n.; MINCHIN 1995; ALLAN 2009, 142f.): a) RingkompositionP 395/405 (ἥ µ’ ἐσάωσ’ … / … αἵ µ’ ἐσάωσαν), 398/405 (Εὐρυνόµη τε Θέτις θ’ / Θέτις τε καὶ Εὐρυνόµη), 399/402 ἁψορρόου Ὠκεανοῖο / ῥόος Ὠκεανοῖο); (b) 398f. Epanalepse des Namens Eurynome nach der Erwähnung der Thetis (mit progressivem EnjambementP), erleichtert das Hinzufügen von neuer Information (Εὐρυνόµη … | Εὐρυνόµη, θυγάτηρ …), hier die Genealogie (dazu 398n.); zur Struktur von 399 vgl. etwa Od. 6.17=6.213, 7.58, ‘Hes.’ Sc. 3.
395–397a Hephaistos’ eigene Mutter, Hera, entledigte sich offenbar des verkrüppelten Kindes (370–371n.), indem sie es aus ihrem Blickfeld verbannte (396f.: ‘die ja wünschte, mich zu verstecken’), d.h. vom Olymp warf oder werfen ließ (395: ‘weit gefall’n war’). Mit der vorl. Version des Sturzes vom Olymp wird Hephaistos’ Hinken als Geburtsgebrechen erklärt, ebenso Od. 8.310–312, h.Ap. 317– 320 und im Dionysos-Hymnos hom.h. 1 fr. C 10f. West (370–371n.; LfgrE s.v. ἠπεδανός); zum Aussetzen von behinderten Kindern im Griechenland der Antike s. DNP s.v. Kindesaussetzung; SCHMIDT 1983/84, 133–145. 151. Eine weitere Version seines Sturzes vom Olymp mit anderem Hintergrund deutet Hephaistos im 1. Gesang der Ilias an (1.590–594: s.d. u. 1.591n.): Zeus schleuderte ihn in einer Strafaktion vom Olymp, worauf er auf der Insel Lemnos Zuflucht fand. In der Ilias wird wiederholt erzählt, daß Zeus einen Gott vom Olymp schleudert, entweder um zu bestrafen oder um seine physische Überlegenheit zu demonstrieren (vgl. 8.13, 14.256–258, 15.21–24, 19.126–131 [19.130n., 19.131n.]): MARG (1957) 1971, 41f. Anm. 58; PRIESS 1977, 66–68; ERBSE 1986, 78f.). Für die Geschichte von Hephaistos’ Sturz vom Olymp verwendet der ErzählerP also je nach Bedarf zwei verschiedene Versionen: hier die Kindesaussetzung durch Hera und Rettung durch die Meeresgöttinnen zur Charakterisierung der Thetis (394–409n., 396n.); im 1. Gesang Zeus’ Strafaktion zur Illustration von dessen Machtposition (1.586–594n.). 395 ἥ µ’ ἐσάωσ(ε): bildet zusammen mit αἵ µ’ ἐσάωσαν 405 VE den Rahmen der Episode, die Hephaistos mit Thetis verbindet; mit einem Gott als Objekt sonst im fgrE nur noch 14.259 (Nyx rettete ihren Sohn Hypnos): LfgrE s.v. σαόω.
396 hundsäugigen: Das Adj. ‘hundsäugig’ ist neben ‘Hund/Hündin’ ein gängiges Schimpfwort im hom. Epos und ist oft in Bezug auf schamloses Verhalten verwendet (1.159n., 6.344n.). Hier im Kontext der Mutter-Kind-Beziehung wird dadurch Heras krasse Lieblosigkeit als Mutter unterstrichen und im Gegensatz dazu 395 ἐσάωσ(ε): = ἔσωσε (R 6).
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die in jeder Hinsicht hilfreiche Fürsorglichkeit der (Ersatz-)Mutter Thetis hervorgehoben (RINON 2008, 130–132). ἰότητι: bez. im fgrE meist den Willen von Göttern (19.9b n.). — κυνώπιδος: κυνῶπις ist Fem. zu κυνώπης (‘hundsäugig, hündisch blickend’), noch 3.180, Od. 4.145 (Helena), 8.319 (Aphrodite), 11.424 (Kytaimestra): 1.159n. — ἥ µ’ ἐθέλησεν: Der Rel.-Satz nimmt inhaltlich Bezug auf ἰότητι (PORZIG 1942, 71. 86) und erklärt die Verwendung des Schimpfwortes κυνῶπις; der Aor. ist ingressiv (LfgrE s.v. 414.31ff.; AH: ‘den Entschluß gefaßt hatte’).
397b ≈ 9.321, 13.670, 16.55, Od. 13.263, 15.487; vgl. Od. 1.4, 13.90. — Die ‘Wenn nicht’-SituationP (dazu 165–168n.) dient hier als rhetorisches Mittel, den Wert von Thetis’ Tat zu vergrößern (DE JONG [1987] 2004, 78).
τότ’ ἄν: Diese Einleitung der ‘Wenn nicht’-SituationP betont, im Gegensatz zu sonst üblichem ἔνθα κεν od. καί νύ κεν, die zeitl. Distanz (2.155–156n.; LOUDEN 1993, 183 Anm. 6). — πάθον ἄλγεα: ἄλγεα bez. umfassend den physischen und seelischen Schmerz und die ihn hervorrufenden allg. Umstände durch das Ausgestoßen-Sein weit weg von der Göttergemeinschaft (vgl. 6.450–454n.), der Sg. ἄλγος in V. 395 den konkreten Schmerz aufgrund des Sturzes (MAWET 1979, 184); zu den formelhaften Wendungen für ‘Schmerz leiden’ s. LfgrE s.v. πάσχω; MAWET a.O. 176ff.; PUCCI [1982] 1998, 13f.).
398 2. VH ≈ 6.136 (der von Lykurg verfolgte Dionysos findet Zuflucht bei Thetis im Meer; s.d.). — Eurynomē: ist im hom. Epos nur hier erwähnt; in Hesiods ‘Theogonie’ wird sie im Katalog der Okeaniden (Th. 358) und als eine der Gattinnen des Zeus und Mutter der Chariten (Th. 907ff.) aufgeführt (DNP s.vv. Eurynome, Okeaniden; WEST zu Hes. Th. 881–1020; zur gleichen Rolle von Thetis und Eurynome im Dionysos-Mythos s. die Version des Epikers Eumelos, fr. 27 West = schol. D zu Il. 6.131). Ihr Name enthält den gleichen zweiten Bestandteil wie derjenige der Nereïde Amphi-nómē (44n.), bed. also etwa ‘mit weitem Weideland’ (V. KAMPTZ 74; RISCH 201). In V. 399 läßt der ErzählerP Hephaistos auf ihre Herkunft hinweisen (Vier-Wort-Vers [dazu 1.75n.] mit Füllung des ganzen Verses durch die Benennung der einen Person [dazu 1.36n.]); es scheint, daß sie für ihn eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Von manchen Interpreten wird dies mit der familiären Verbundenheit erklärt: gemäß Hes. Th. 907f. [Eurynome als Mutter der Chariten] u. Th. 945f. [eine der Chariten als Gattin der Hephaistos]) ist sie Hephaistos’ Schwiegermutter (schol. T zu 398–9; EDWARDS zu 397–9; s. auch zu Charis 382n.). ὑπεδέξατο κόλπῳ: VE-Formel mit κόλπος als Bez. für den weiblichen Busen und den ihn umhüllenden Gewandbausch, der dem Kind Geborgenheit gibt, wobei in bezug auf die Meergottheiten Eurynome und Thetis viell. auch die Bed. ‘Meerbusen, Meeres-Schoß’ hineinspielt (6.136n.; vgl. 140n.); zur Kongruenz des Prädikats mit dem nächstliegenden Subj. s. 28n.
397 ἐόντα: = ὄντα (R 16.6).
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399 2. VH = Od. 20.65, Hes. Th. 776. — in sich selbst zurückfließt: Das gr. Adjektiv apsórroos ist distinktives EpithetonP von Ōkeanós (s. Iterata) und wird seit der Antike meist als ‘(an den Ausgangspunkt) zurückfließend’ verstanden (zu den versch. antiken Erklärungen als ‘zurückfließend’, ‘schnellfließend’ od. ‘rückwärts fließend’ [von den Gezeiten] s. SCHMIDT 1976, 134f.). Dies bezieht sich auf die Vorstellung des Okeanos als Ringstrom, der um die kreisrund gedachte Erdscheibe fließt und sich wieder in sich selbst ergießt (vgl. den Rand des Schildes 607f., außerdem Hes. Th. 790f., ‘Hes.’ Sc. 314f.): LfgrE s.v. Ὠκεανός (mit Lit.); LESKY 1947, 59. 66; weiteres zu dieser Vorstellung 14.200n. mit Lit.; WEST zu Hes. Th. 133. ἀψορρόου Ὠκεανοῖο: Variante der VE-Formel βαθυρρόου Ὠκεανοῖο (7.422, 14.311, Od. 11.13, 19.434, außerdem h.Merc. 185). Die Bildungsweise des Kompositums ἀψόρροος ist unsicher (Diskussion u. Lit. s. KELLY 2007a): das Vorderglied ἄψ bed. ‘zurück’, näml. zum Ausgangspunkt (vgl. LfgrE s.v. ἄψ 1782.4ff.); das Hinterglied -ρροος ist von ῥέω abgeleitet (wie bei βαθύ-ρροος u.a.), dann mit Kompositionsvokal -o- erweitert (SCHW. 1.632) in Anlehnung an das Adj. ἄψ-ορρος (‘zurückkehrend’: DELG s.v. ἄψ; FRISK s.v. ἄψορρος; FORSSMAN 1980, 185ff. [zu ἔρρω]); zur einer evtl. Beziehung zu babylon. Apsu (Wasser) s. WEST 1997, 148 (“a reinterpretation”) u. skeptisch KELLY 2007a, 282 mit Anm. 13; 2008, 283 Anm. 79.
400 neun Jahre: Typische ZahlP (351n.): Fristen von neun Jahren markieren oft gleichförmig ablaufende Handlung, nach deren Ablauf Entscheidendes passiert (2.326–329n.). Im vorl. Fall ist dies Hephaistos’ Rückkehr auf den Olymp in die Gemeinschaft der Götter, die in der Ilias vorausgesetzt ist, aber nicht berichtet wird (zum Motiv [neun Jahre Ausschluß aus der Göttergemeinschaft, Rückkehr im zehnten Jahr] vgl. Hes. Th. 801–804). Auch hier bleibt sie unerwähnt, da sie für Hephaistos’ Verhältnis zu Thetis nicht relevant ist. Gemäß nachhom. Quellen schickte er Hera – vorgeblich als Geschenk – einen Thron, der sie fesselte; da niemand sie befreien konnte und er selbst sich weigerte, dies zu tun, wurde er von Dionysos mit Hilfe von Wein gefügig gemacht und zur Befreiung der Hera auf den Olymp geführt (394–409n.; zu den versch. nachhom. Quellen s. BURKERT [1960] 2001, 108 Anm. 9; ERBSE 1986, 80–85; WEST [2001] 2011, 316f.; zu Bildzeugnissen von Hephaistos’ Rückkehr 370–371n.). χάλκευον: Ableitung zu χαλκεύς (nur hier im fgrE), bed. – trans. u. unabhängig vom bearbeiteten Metall verwendet – ‘schmieden’ (LfgrE; zu χαλκός ‘Bronze’ 2.226n., 6.3n.). Die Stellung von χάλκευον bewirkt eine in metr. Hinsicht ungewöhnliche 2. VH: Wortende mit Spondeus u. Positionslänge vor der Zäsur C 2 (entgegen dem ‘Wernickeschen Gesetz’: M 10.3; EDWARDS). — δαίδαλα: die in 401 genannten kunstvoll hergestellten Schmuckobjekte (vgl. 379n).
400 τῇσι πάρ’: = παρὰ τῇσι (R 20.2); zur Flexion R 11.1; zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — εἰνάετες: Adv., ‘neun Jahre lang’ (ion. εἰνα- < *ἐνϝα-: R 4.2).
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401 = h.Ven. 163. — Häufung von Fachausdrücken für Frauenschmuck (s. h.Ven. 162f.), über deren Bed. – mit Ausnahme des letzten – bereits unter den antiken Erklärern Uneinigkeit herrschte (schol. A, bT, D) und die sich auch durch spätere Belegstellen nicht eindeutig einem best. Schmucktyp zuweisen lassen (vier iliad. hapax legomenaP, s.u.); die Begriffe umfassen wohl verschiedene Formen von Schmuckelementen und unterstreichen die Exklusivität dieser kleinen Kunstwerke (gr. dáidala 400) aus der frühen (od. gar ersten?) Zeit von Hephaistos’ Goldschmiede-Arbeit (vgl. LORIMER 1950, 512 Anm. 3; KEIL 1998, 20. 47; zu archäol. Zeugnissen von Schmuck aus geom. u. arch. Zeit s. HIGGINS [1961] 1980, 94ff.; DEPPERT-LIPPITZ 1985, 54ff.). – (a) Gr. pórpai bez. zur Befestigung der Kleidung dienende Nadeln oder Fibeln, die entweder vorn auf der Brust oder auf der Seite unterhalb der Schulter beim Schlüsselbein befestigt wurden; zu ihrer Verwendungsweise und zu den archäol. Zeugnissen von Gewandnadeln und Fibeln s. 14.180n. – (b) Die gr. Begriffe hélikes u. kálykes bezeichnen spiralförmige bzw. blüten-, knospen- od. rosettenförmige Schmuckstücke (s.u.). Unter den Objekten, die Hephaistos für die Göttinnen geschmiedet hat, würde man neben den Gewandnadeln und Halsketten am ehesten auch Ohrschmuck, Armschmuck (Reifen für Ober- od. Unterarm), Haarschmuck und Fingerringe erwarten (vgl. die Ausstattung für Penelope Od. 18.293ff.). Für die Iteratstelle im Hymnus für Aphrodite (h.Ven. 162f.: Schmuck- und Kleidungsstücke, die Anchises der Göttin Aphrodite abnimmt) werden die beiden Begriffe gemäß der Schmuckausstattung der Göttin auf bildlichen Darstellungen meist als spiralförmige Armreife (hélikes) und Ohrgehänge in Knospen- od. Blütenform od. mit Rosetten (kálykes) gedeutet, teils auch als rosettenförmige Glieder von Halsketten (FAULKNER zu h.Ven. 87); Ohrgehänge mit pflanzlichen Elementen sind auch sonst im fgrE als Frauenschmuck erwähnt (Il. 14.182f., Od. 18.297f., hom.h. 6.8f.). Zu archäol. Zeugnissen von Ohrschmuck s. 14.182n. u. 14.183n.; DNP s.v. Ohrschmuck; zu Armreifen s. BIELEFELD 1968, 58f.; DESPINI 1996, 43f.; zu Funden von spiralförmigen Schmuckstücken s. auch HIGGINS (1961) 1980, 97. 102. 105. – (c) Für den Halsschmuck gibt es im fgrE zwei Begriffe: der hier verwendete Begriff hórmos bez. eine längere Halskette (vgl. h.Ap. 103f., hom.h. 6.10f.), bei der Schmuckperlen od. Anhänger versch. Materials auf (Edel-)Metalldraht aufgereiht sind; als Material ist außer hier immer Gold genannt, teils zudem Bernstein (Od. 15.460, 18.296), als Eigenschaften Buntheit (h.Ven. 88f.) und Glanz (h.Ven. 88f. wie der Mond, Od. 18.295f. wie die Sonne); im Gegensatz dazu bez. ísthmion ein den Hals eng umschließendes Schmuckstück (Od. 18.300): LfgrE s.v. ὅρµος I; BIELEFELD 1968, 5f. 66.; BLANCK 1974, 1–7. 55ff.; DESPINI 1996, 36ff.
πόρπας: hom. hapaxP, viell. wie περόνη zu πείρω ‘durchstechen’ (FRISK u. DELG s.v. πείρω; contra BEEKES s.v. πόρπη); ist eine der hom. Bez. für Gewandnadeln, die genaue Zuweisung zu einem Typus (Nadel od. Fibel) und die Abgrenzung zu περόνη und ἐνετή
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(dazu 14.180n.) ist jedoch nicht klar (schol. D; LfgrE s.v. πόρπη [‘Spange’]; BIELEFELD 1968, 6–8; FAULKNER zu h.Ven. 163 [‘pin’]). — γναµπτάς: Verbaladj. ‘krumm, gebogen’, von handwerklich hergestellten Gegenständen außer den ἕλικαι auch Od. 4.369 = 12.332 (Angelhaken), 18.294 (Teil einer Fibel): LfgrE; vgl. auch 24.359n. — ἕλικας κάλυκάς τε: Die Begriffe lassen nur auf die Form der Schmuckobjekte schließen (LEAF; BIELEFELD 1968, 6. 66f.; FAULKNER zu h.Ven. 87): ἕλιξ gehört zur gleichen Wz. wie εἰλέω (vgl. das Denominativum ἑλίσσω ‘drehen’) u. bed. wohl ‘Spirale’ (FRISK u. DELG u. BEEKES s.v. ἕλιξ ; vgl. auch 1.98n. [ἑλικώπιδα]); es ist im fgrE nur hier u. h.Ven. 87, 163 als Bez. für Frauenschmuck verwendet (mit Epitheton (ἐπι)γναµπτάς), ‘Hes.’ Sc. 295 für Weinranken, in späteren Belegen für verschiedene Objekte in Spiralenform (LfgrE s.v. ἕλι(ξ) I; LSJ s.v. ἕλιξ (B)). – κάλυξ (hom. hapaxP mit unbekannter Etym.) ist als Bez. für Schmuck immer in lautmalerischer Kombination mit ἕλικας verwendet, sonst in Zusammenhang mit Blumen (h.Cer. 427, Cypr. fr. 5.5f. West), in späteren Belegen auch als Bez. für die Samenkapsel versch. Pflanzen, und bed. wohl ‘Knospe, Blüte’ (LfgrE u. LSJ s.v. κάλυξ; RENEHAN 1982, 83; vgl. auch RICHARDSON zu h.Cer. 8 [καλυκώπιδι]). — ὅρµους: wohl Ableitung zu εἴρω ‘(auf)reihen’ (zur Wz. *ser-, lat. sero), vgl. die syntakt. Verbindung von ὅρµος und Perf. ἔερτο bzw. ἐερµένος Od. 15.460, 18.296, h.Ap. 103f. (LfgrE s.vv. ὅρµος I, εἴρω II).
402 Höhle: Höhlen dienen sonst in der Ilias nur Meeresgöttern als Behausungen, so der Thetis, die für die Zeit der Ilias-Handlung in einer Höhle unter dem Meer vor der kleinasiatischen Küste haust (24.83n.), und ihrem Vater Nereus (36, 50, 24.83), in der Odyssee Kalypso, Polyphem und der Skylla, Hes. Th. 297 der Echidna, ferner Poseidon als unterseeischer Pferdestall (Il. 13.32ff.): LfgrE s.v. σπέος; zum Meer als Lebensraum von Göttern ELLIGER 1975, 69f. — Okeanos: Während er in V. 399 (s.d.) Teil der Genealogie ist, fungiert Okeanos hier als geographischer Raum der Handlung auf der Götterebene; das Bild des Flusses ist verdeutlicht durch die figura etymologica ‘der Strom strömte’ (gr. rhóos rhéen) 402f. und durch die Verbindung von optischen und akustischen Phänomenen (403 rauschendes und schäumendes Wasser). Zu diesem Nebeneinander vgl. FG 28: “Ineinanderfließen von anthropomorphem und nicht-anthropomorphem Handeln”. ἐν σπῆϊ γλαφυρῷ: zur Formel (3× VA, 3× im Vers-Innern) 24.83n. — δὲ ῥόος: scheinbare Kürze im longum vor der Zäsur C 1 (vgl. M 8), erklärbar durch urspr. vorhandenes, prosod. noch wirksames /s/ im Anlaut von ῥόος (Verbalsubst. zu ῥέω < *sreṷ-; vgl. die Komposita mit -ρροος 399n.): G 16; M 13.2. — ῥόος Ὠκεανοῖο: flektierbare VE-Formel (Nom./Akk.: 2× Il., 2× Od., 1× Hes. Op.); vgl. die Variante Ὠκεανοῖο ῥοάων 3.5n. 403 1. VH ≈ 5.599, 21.325. — µορµύρων: onomatopoetisches Verb (vgl. lat. murmurare) zur Wiedergabe des Geräusches von Wasser in Bewegung, immer in Verbindung mit ἀφρῷ von schäumend dahinrauschenden Flüssen (s. Iterata, außerdem Od. 12.238 ἀναµορµύ-
402–403 σπῆϊ: Dat. zu τὸ σπέος ‘Höhle’. — περὶ … | … ῥέεν: augmentloses (R 16.1), unkontrahiertes (R 6) Impf. zu περι-ῥέω; zur sog. Tmesis R 20.2. — δὲ ῥόος: zur Prosodie ↑. — οὐδέ: konnektives οὐδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8).
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ρεσκε): KRAPP 1964, 176 (“Mischung von optischem und akustischem Sinneseindruck”); TICHY 1983, 277–279; vgl. auch LfgrE s.v. ἀφρός. — ἄσπετος: bed. ‘unsagbar (groß)’ (LfgrE); hier ῥέεν ἄσπετος vom Strömen des Okeanos ‘strömte gewaltig’, wurde wegen der Nachahmung in h.Ven. 237 (τοῦ δ’ ἤτοι φωνὴ ῥέει ἄσπετος über den unsterblichen Tithonos) später viell. auch verstanden als ‘strömte endlos, unablässig’ (LfgrE s.v. 1423.45ff. u. 1424f.69ff.; FAULKNER zu h.Ven. 237). — οὐδέ τις ἄλλος: flektierbare VE-Formel (m./f.: 4× Il., 9× Od., 1× h.Cer.).
404 ≈ Od. 7.247, h.Cer. 45, Od. 9.521 = ‘Hes.’ fr. 204.117 M.-W. = h.Merc. 144 = h.Ven. 35 ≈ Od. 5.32; 2. VH = h.Ven. 149. — weder der Götter einer noch … Menschen: Der formelhafte Polare AusdruckP (hier mit Nachdruck auf dem ersten Begriff: KEMMER 1903, 80f.; vgl. 1.548n.; zu idg. Parallelen WEST 2007, 100) und die folgende affirmative Aussage (405), welche die vorausgehende variierend aufnimmt, betonen das Geheimnisvolle dieses Exils und die Ausnahmestellung der beiden Göttinnen (LfgrE s.v. ἄνθρωπος 883.58ff.). εἴδεεν: zur Form WEST 1998, XXXIII. — θνητῶν ἀνθρώπων: flektierbare VE-Formel, zuweilen erweitert zu καταθνητ- ἀνθρώπ- (7× Il., 11× Od., 23× Hes., 20× hom.h.), vgl. 1.339n. 405 ἀλλά: bed. nach οὐδέ τις ἄλλος u.ä. ‘kein anderer außer’ (24.699n.). — ἴσαν: 3. Pl. Plpf. (≈ Impf.) zu οἶδα (< *ϝίδ-σαν), nur hier und Od. 4.772 = 13.170 = 23.152 (SCHW. 1.776f.).
406–407 Abschluß der RingkompositionP mit Rückkehr zu 394 (A/A’: 394–409n.) und Fazit aus der Geschichte: Hephaistos anerkennt seine ausstehende Schuld gegenüber Thetis. 406 2. VH ab Zäsur C 2 ≈ 9.197, 11.409, 23.308. — τώ: ‘so’, Adv. mit alter Instrumentalendung -ω (19.61n.). — χρε͜ώ: immer in Synizese verwendetes, indeklinables Nomen der ep. Sprache mit der Bed. ‘Not, Bedürfnis’; ist ähnlich wie χρή verwendet (vgl. etwa VE νῦν σε µάλα χρή 13.463, 16.492 [s.d.], 22.268): LfgrE s.vv. χρεώ u. χρή; TICHY 1981, 195–201. 407 Θέτι: zum Dat. auf -ῑ (< *Θέτι-ι ) s. G 45 u. 74, zur Heteroklisie G 53; vgl. auch 24.18n. — καλλιπλοκάµῳ: ‘mit schönen Haarflechten’, generisches EpithetonP, meist von Göttinnen, von sterblichen Frauen nur 592 (Ariadne) u. ‘Hes.’ fr. 129.18 (Stheneboia): LfgrE; zum Wortfeld 6.379–380n. — ζωάγρια: gebildet aus ζωὸν ἀγρεῖν mit -ιο-Suffix, urspr. wohl ‘Beute aus dem Fangen eines lebenden Menschen’ (vgl. ζωγρέω ‘lebend gefangennehmen’ 6.46n.), hier (und Od. 8.462 ζωάγρι’ ὀφέλλεις) etwa ‘Entgelt für Lebensrettung, Rettungslohn’ (schol. D: τὰ ζωῆς χαριστήρια; zur nachhom. Verwendung [Dank für Lebensrettung] s. LSJ s.v.); vergleichbare Komposita sind ἀνδράγρια (14.509n.: ‘Beute 404 εἴδεεν: augmentlose (R 16.1) 3. Sg. Plpf. (≈ Impf.) zu οἶδα. 405 Εὐρυνόµη (ϝ)ίσαν: zur Prosodie 4.4; zur Form ἴσαν ↑. — ἐσάωσαν: vgl. 395n. 406 ἥ: demonstr.-anaphor. (R 17), auf Θέτις 405 bezogen. — ἡµέτερον δόµον: Richtungsangabe ohne Präposition (R 19.2). — χρε͜ώ: sc. ἐστι (+ AcI µε … τίνειν), ‘es besteht das Bedürfnis, daß …’; zur Synizese R 7. 407 πάντα: prädikativ, ‘ganz, vollständig’.
Kommentar
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aus dem Einfangen und Töten eines Menschen’), βοάγρια (12.22, Od. 16.296) und µοιχάγρια (Od. 8.332): BECHTEL 1914, 43; FRISK u. DELG s.v. ζωάγρια.
408 Gastfreundlichkeiten: 387n. ἀλλὰ σὺ µέν: ἀλλά bei Imperativ markiert am Ende von Reden den Übergang von der Argumentation zu einer Handlungsanweisung (1.127n., 2.72n.); die VA-Formel ἀλλὰ σὺ µέν (14× Il., 3× Od.) ist hier fortgesetzt mit NS ὄφρ’ ἂν ἐγώ, sonst oft mit parataktischer Fortsetzung mit δέ/αὐτάρ (z.B. 1.127, 1.522f., 6.279f., 17.479f., 22.222, Od. 19.44): DENNISTON 379; der Sprecher lenkt den Adressaten stärker auf die Fortführung der erstgenannten Handlung (vgl. BAKKER 1997, 83–85). — ξεινήϊα: 387n. 409 φύσας: 372n. — ἀποθείοµαι: ist wie καταθείοµαι (22.111) Neubildung für urspr. *-θήοµαι (ebenso θείοµεν für *θήοµεν [3× Il., 2× Od.] neben θέωµεν [Od. 24.485] mit quantitativer Metathese): G 40 mit Anm. 21 u. G 89; SCHW. 1.741; CHANTR. 1.459. — ὅπλα τε πάντα: VE = 412: Betonung der Sorgfalt, mit welcher der Schmiedegott alle seine Werkzeuge behandelt. ὅπλα bed. im fgrE meist wie hier ‘Werkzeuge, Geräte’, v.a. als Bez. für Gerätschaften von Schiffen (s. bes. Od. 10.404, 10.424, 12.410), dann auch des Schmieds (außer hier noch Od. 3.433), seltener für Waffen (LfgrE; vgl. 19.21n.).
410 Sprach’s, und: formelhafter Rede-AbschlußP, bei dem der Sprecher das Wort sogleich in die Tat umsetzt, s. 412f. (19.238–240n., 24.228n.). — erhob … sich: entspricht zusammen mit den Vv. 416b u. 421b–422 dem Element (3) der Typ. SzeneP ‘Besuch’ (Hausbewohner steht auf u./od. eilt zum Besucher): 369–427n.; vgl. 24.477–478n.; LfgrE s.v. ἵστηµι 1241.69f. ἀκµοθέτοιο: Bez. für den Untersatz des Ambosses (‘Amboßstock’), vgl. 476, Od. 8.274 (FORBES 1967, 14f.), ein Kompositum ἀκµο-θε-το- zu ἄκµων und τίθηµι (RISCH 211, 217f.; FRISK s.v. ἄκµων; LfgrE s.v. ἀκµοθέτοιο). — πέλωρ: Das Subst. bed. ‘Ungeheuer, Ungetüm’, ist Bez. für ein Wesen mit optisch auffälliger Gestalt, die unheimlich wirkt, wie etwa Gorgo (5.741, Od. 11.634), Polyphem (9.257, 9.428), Skylla (12.87), Typhoeus (Hes. Th. 845, 856), oder für riesige od. furchteinflößende Tiere (z.B. Il. 12.202 [vgl. 2.321n.], Od. 10.219); vgl. auch adjektivisches πελώριος für Hades (Il. 5.395), Ares (7.208) und den riesigen Aias (3.229n.). πέλωρ bezieht sich hier wohl auf die gewaltige und auffällige, für einen Gott ungewöhnliche Erscheinung des Hephaistos mit dünnen Beinen (411n.), kräftigem, behaartem Oberkörper (415n.) und schwerfälligem Gang (411, 417, 421): AH; FAESI zu 411; EDWARDS; PIZZANI 2000, 532ff.; LfgrE; vgl. auch 3.166n.; es läßt viell. auch das Unheimliche anklingen, das den zu seiner vollen Größe aufstehenden Schmiedegott umgibt. — αἴητον: hapax legomenonP mit unbekannter Etymologie, dessen Bed. seit der Antike umstritten ist (LfgrE s.v. ἄητος, αἴητος; SABBADINI 1967); es wird u.a. als Ableitung zu ἄηµι erklärt (also ‘keuchend’): AH z.St. u. Anh. S. 157f. (mit Hinweis auf 1.600 [s.d.] u. zu 21.395); LfgrE; vorsichtig SABBADINI a.O. 82ff.; vgl. LEAF zu 21.395; WILLCOCK (“the
408 οἱ: = αὐτῇ (R 14.1). — ξεινήϊα: vgl. 387n. 409 ὄφρα: ‘bis’ (R 22.2). — ἀποθείοµαι: kurzvokalischer Konj. Aor. (R 16.3) zu ἀποτίθεµαι ‘weglegen, wegräumen’. 410 ἦ: 3. Sg. Impf. zu ἠµί ‘sagen’.
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heavily breathing, monstrous figure”); EDWARDS. Νach anderen wird es mit dem ebenfalls unbekannten Adj. ἄητος (21.395) gleichgesetzt, das aber eher zu ἄµεναι, ἆσαι paßt (also ‘unersättlich, unermüdlich’): FRISK s.vv. ἄητος u. αἴητος; SCHW. 1.502 Anm. 6 (≈ ἄατος); zum Verhältnis zu myk. a-ja-me-no PALMER 1963, 339 (‘craftsman’?); DMic s.v. Anm. 7; unentschieden DELG; BEEKES s.v. ἄητος (alle Vorschläge seien lautlich unmöglich).
411 = 20.37 (Hephaistos zieht in die Schlacht); ≈ 417. — hüftlahmend: 369–381n., 395–397a n. ῥώοντο: Wort der ep. Sprache (im fgrE nur 3. Pl. Impf. u. Aor.) mit unsicherer Etym.: entweder zur idg. Wz. *serh3- ‘losgehen auf’ (LIV 535) od. Deverbativum zu ῥέω (wie πλώω zu πλέω: LfgrE [‘Wellenbewegungen machen’]; vgl. FRISK; RISCH 330; skeptisch DELG). Es bez. eine “schnelle, eifrige Bewegung” (KURZ 1966, 139) und ist sonst meist mit Personen als Subj. verwendet, zur Beschreibung einer Gruppe von Menschen, die sich eifrig und im Einklang miteinander bewegen (Dienerinnen bei der Arbeit: 417, Od. 20.107; Truppen Il. 11.50 u. Heerführer 16.166; Tanzende: 24.616 [s.d.], Od. 24.69, Hes. Th. 8, h.Ven. 261, h.Merc. 505; die Gorgonen ‘Hes.’ Sc. 230); ähnlich wie hier von Körperteilen einer Person, die sich eifrig bewegt, noch Od. 23.3 (γούνατα der Eurykleia), außerdem von Haaren (χαῖται) Il. 1.529 (s.d.), 23.367. — ἁραιαί: bed. ‘dünn, schmal’, d.h. wohl mit wenig Muskeln, kraftlos (schol. D), weshalb er sich beim Gehen von seinen Dienerinnen stützen läßt (417, 421); von Körperteilen noch 5.425 (Aphrodites Hand), 16.161 (Zungen von Wölfen; s.d.); die Etymologie ist unbekannt (LfgrE; WHITE 2002, 328f.), wegen des Hiats (auch 5.425) wird teils anlautendes ϝ- vermutet (CHANTR. 1.151; BEEKES s.v.; zum spiritus asper WEST 1998, XVII). 412 φύσας: 372n. — ὅπλα τε πάντα: 409n.
413 Silberkasten: Das gr. Subst. lárnax (‘Truhe, Kiste’) bez. hier die Werkzeugkiste des Hephaistos, 24.795 die Urne Hektors (s.d.); zu archäolog. Zeugnissen für solche Truhenbehälter s. LASER 1968, 70–82; BRÜMMER 1985, 12–14. 23–94; zu Silber als Material für Gegenstände der Götterwelt vgl. 1.37n. 414–420 Zum parataktischen Erzählstil mittels δέ s. 1.10n.; BAKKER 1997, 62–71.
414–416 Stark verkürzte Form der Typ. SzeneP ‘Ankleiden’ mit den Elementen (1) Untergewand und (4) Stab (anstelle einer Waffe) in V. 416 (vgl. 2.42–47n.), verbunden mit einer vorausgehenden Körperreinigung (zu dieser Kombination s. 14.170–186n.). Hephaistos hat viell. mit freiem Oberkörper gearbeitet (415), vgl. Darstellungen auf att. Vasen mit arbeitendem Hephaistos in kurzem Chiton oder mit einem Tuch um die Taille (LIMC s.v. Hephaistos 650f.; BROMMER 1978, 20 Abb. 9). 411 χωλεύων: ist sinngemäß auf Hephaistos (s. 391–393) statt auf πέλωρ bezogen, ebenso 417 (constructio ad sensum). — ὑπό: Adv., ‘unten’. 412 ῥ’: = ἄρα (R 24.1). — ἀπάνευθε: zusammengesetzte Präposition (Basis: ἄνευ) mit Gen., ‘von … weg’. 413 ἐς: = εἰς (R 20.1). — ἀργυρέην: zum -η- nach -ε- R 2. — τοῖς: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5); bezogen auf ὅπλα (412).
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414 Schwamm: Die Reinigung mit einem Schwamm (gr. spóngos ist iliad. hapaxP) dient hier anstelle eines Bades der schnellen Entfernung von Schweiß und wohl auch Ruß (vgl. 372; s. das bloße Abwischen von Staub 23.739); in der Odyssee werden Schwämme zum Reinigen von Tischen und Stühlen verwendet (Od. 1.111f., 20.151f., 22.438f., 22.452f.): STUBBINGS 1962, 527; LASER 1983, 148. ἀµφὶ πρόσωπα … ἀποµόργνυ: ἀµφί adverbiell, πρόσωπα Obj. zu ἀποµόργνυ, parallel zu ἄµφω χεῖρ’ … | αὐχένα τε … καὶ στήθεα, vgl. Od. 19.200 (WILLCOCK; CHANTR. 2.86; LfgrE s.v. ὀµόργνυµι; FRITZ 2005, 97), also ‘das Gesicht ringsum’ (anders AH; FAESI; LfgrE s.v. ἀµφί 665.15ff.: ἀµφί Präp. ‘auf beiden Seiten des Gesichts’, d.h. die Wangen). 415 1. VH = Od. 8.136. — λαχνήεντα: eigtl. ‘zottig, struppig’, sonst im fgrE Epitheton der Kentauren (2.743n.: “Konnotation des Wilden und Unzivilisierten”), der ‘borstigen’ Schweinehaut (9.548) u. eines – wohl aus Schilf hergestellten – Daches (24.451 [s.d.]); zur Etymologie (Ableitung zu λάχνη ‘Flaum’ [2.219 Bez. für das spärliche Haar des Thersites, Od. 11.320 für den ersten Bartwuchs junger Männer, Il. 10.134 für den Wollstoff eines Mantels]) s. FRISK u. DELG s.v. λάχνη. Eine behaarte Brust haben auch Achilleus u.a., ein Zeichen ihrer Stärke (1.189n. [στήθεσσιν λασίοισι]; vgl. auch 2.851n.), die Formulierung hier soll aber wohl eher die für die Götterwelt ungewöhnliche Erscheinung des Hephaistos unterstreichen (vgl. 369–381n., 410n.).
416 Stab: Der Stab (gr. skḗptron) dient Hephaistos als Stütze beim Gehen, wobei er hier noch zusätzliche Gehhilfe bekommt (417ff.): LfgrE s.v. σκῆπτρον; BUCHHOLZ 2012, 257f.; zu den sonstigen verschiedenen Funktionen und Bedeutungen von skḗptra s. 1.14–15n., 1.234n., 2.101–108n.; BUCHHOLZ a.O. 260ff. δῦ δὲ …, ἕλε δὲ …, βῆ δέ: Das Trikolon illustriert, wie sehr sich Hephaistos beeilt, χωλεύων VA 417, wie das Vorwärtskommen gebremst wird (Hinweis FÜHRER). — δῦ δὲ χιτῶν(α): sehr knappe Formulierung gegenüber denjenigen in 2.42f., 5.736, 8.387, 10.21, 10.131, 23.739; zu χιτών 25n.
417–420 Die goldenen, roboterähnlichen Dienerinnen, sicher Produkte aus der Werkstatt des Schmiedegottes, sind Beweis seiner außergewöhnlichen Kunstfertigkeit, eine Vorbereitung auf die zu erwartende Schmiede-Arbeit: sie gleichen lebenden Wesen (418) und sind fähig, sich selbständig zu bewegen (417, 421), zu denken und zu sprechen (419f.) – eine der eher seltenen Stellen im hom. Epos mit phantastischen od. märchenhaften Erzählmotiven (zu weiteren magischen Objekten aus Hephaistos’ Werkstatt s. 376n; zu märchenhaften Erzählmotiven bei Homer s. 6.152–211n., Punkt (2); 19.404–418n.). Mit den künstlichen Dienerinnen am ehesten vergleichbar sind: (1) in der Odyssee Gegenstände im Reich der Phaiaken: (a) die goldenen und silbernen Wachhunde und die goldenen Fackelträger im
414 πρόσωπα: zum Plural R 18.2 (ebenso στήθεα 415). — ἄµφω χεῖρ(ε): Dual (R 18.1). — ἀποµόργνυ: augmentloses (R 16.1) Impf. zu ἀπ-οµόργνυµι, ‘wischte ab’. 415 δῦ: augmentloser (R 16.1) Wz.-Aor. zu δύοµαι. 416 θύραζε: ‘zur Tür hinaus’; zur Form R 15.3 (-ζε < *-σδε).
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Palast des Alkinoos, ebenfalls Werke des Hephaistos (Od. 7.91–94, 100–102), die allerdings nicht in Bewegung gezeigt sind und daher auch als Statuen aufgefaßt werden (DE JONG zu Od. 7.81–135 a.E. u. zu 7.91–4; FARAONE 1987); (b) die Schiffe der Phaiaken, die Verstand (gr. phrénes) besitzen und ohne fremde Hilfe ans Ziel gelangen, ein Geschenk des Poseidon (Od. 8.556–563, vgl. Il. 18.419; dazu JAHN 1987, 42 Anm. 46); (2) die bei Hesiod überlieferte Figur der von Hephaistos geschaffenen und von Göttern mit verschiedenen Fähigkeiten ausgestatteten Pandora (Hes. Th. 571–590 u. Op. 60–82, vgl. Il. 18.420): EDWARDS; zum Vergleich mit archäol. Zeugnissen von Statuen und Statuetten aus dem 9./8. Jh. v. Chr. s. CRIELAARD 1995, 214–217. 417 ≈ 411 (s.d.). — ἀµφίπολοι: bereits im Myk. belegte Bez. für Dienerinnen, eigtl. ‘die sich (um jn.) herum bewegen’, im fgrE sonst meist persönliche, bes. vertraute Dienerinnen einer vornehmen Dame (3.143n.), auch von der Betreuerin des greisen Laërtes Od. 1.189– 193, 24.365–367. — ὑπὸ … ῥώοντο ἄνακτι: Anklang an 411 (s.d.): die künstlichen Dienerinnen bewegen sich unter Hephaistos im Einklang miteinander und mit seinen Beinen, d.h. als seine Stützen, vgl. 421 ὕπαιθα ἄνακτος ἐποίπνυον (NAGLER 1974, 90f.).
418 Vier-Wort-Vers (1.75n.) mit Beschreibung der äußeren Erscheinung der Dienerinnen: Gold ist charakteristisch für Gegenstände von Göttern (205–206n.); die Ähnlichkeit mit der lebendigen Natur weist auf die bes. künstlerische Qualität der statuen-ähnlichen Objekte, vgl. etwa die Beschreibungen von Abbildungen 548f. (auf dem Schild), Hes. Th. 584 (auf Pandoras Stirnband; s. WEST z.St.), ‘Hes.’ Sc. 194, 198, 244: LfgrE s.v. ζωός; HIMMELMANN 1969, 23–25; FRONTISI-DUCROUX [1975] 2000, 73–77. νεήνισιν: die Fem.-Form νεῆνις (‘junge Frau’) neben mask. νεηνίης (3× Od.) im fgrE nur hier und Od. 7.20: LfgrE. — εἰοικυῖαι: singuläre Form des Ptz. Perf. Fem. statt εἰκυῖα (vgl. 3.386, 4.78 u.ö.), analog zu ἐοικώς gebildet, der Anlaut εἰ- viell. aufgrund metr. Dehnung (CHANTR. 2.424; WYATT 1969, 114f.). χρύσειαι: Zur Form des gr. Stoffadjektivs (χρύσ-ειος/-εος) s. 24.21n.
419–420 ≈ Hes. Op. 61–62. — Denkkraft … Sprache | … Stärke: signalisiert, daß diese künstlichen Gebilde keine Statuen und auch keine bloßen mechanischen Automaten sind wie die Dreifüße (vgl. 376 mit n.): gr. nóos (‘Verstand’) weist v.a. auf geistige Fähigkeit vergleichbar derjenigen von Menschen (LfgrE s.v. νόος, bes. 428.9ff.; PELLICCIA 1995, 104f., mit Hinweis auf Od. 10.239f. [die in Schweine verwandelten Gefährten des Odysseus] u. 10.494f. [die Seele des Sehers 417 ὑπὸ … ἄνακτι: ‘unter dem Herrn’, d.h. ihn stützend. — ῥώοντο (ϝ)άνακτι: zur Prosodie R 4.3. 418 ζωῇσι: Dat. Pl. Fem. (R 11.1) zum Adj. ζωός ‘lebendig’. 419 τῇς: = ταῖς (R 11.1, R 17). — ἐν µὲν … ἐστὶ …, ἐν δέ: zur sog. Tmesis R 20.2. 420 ἀθανάτων: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). — θεῶν ἄπο: = ἀπὸ θεῶν (R 20.2). — ἄπο (ϝ)έργα (ϝ)ίσασιν: zur Prosodie R 4.3.
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Teiresias im Hades]), gr. audḗ ist Bez. für die menschliche Stimme und für die Sprechfähigkeit (19.407n., 19.418n.); sie besitzen also “eine Fähigkeit zu geistigen Aktivitäten” (JAHN 1987, 65; SULLIVAN 1989, 160; 1995, 21) und mit gr. sthénos auch Körperkraft, Lebenskraft (ebenso Hes. Op. 62: LfgrE s.v. σθένος). — Göttern: Auffallend ist, daß nicht Hephaistos selbst, sondern die Götter insgesamt seinen Geschöpfen bes. Fähigkeiten verliehen haben, was auf Einfluß von traditionellem Erzählgut aus dem Pandora-Mythos hinweisen könnte, s. Hes. Op. 60–82 (EDWARDS zu 420–2; etwas anders WEST zu Hes. Op. 61–2; [1995] 2011, 194f.; BLÖSSNER 1991, 62f.: Vv. 419f. in Nachahmung von Hes. Op. 60–64 entstanden; contra VERDENIUS zu Hes. Op. 60 u. 62); zum Motiv ‘Gaben der Götter’ s. bes. Od. 20.70–72, Hes. Op. 72–80 und allg. 3.54–55n.; WEST zu Hes. Op. 63. τῇς ἐν µὲν …, ἐν δέ: explikatives Satz-Asyndeton (20–21n.) zur weiteren Ausführung von ζωῇσι … εἰοικυῖαι (418), mit Betonung der ‘inneren’ Eigenschaften der künstlichen Dienerinnen durch Anapher von ἐν (vgl. 483n.) und die Formel µετὰ φρεσίν. — ἐστὶ … | … ἴσασιν: Präs. wohl zur Beschreibung der zeitlos dauernden Existenz dieser göttlichen Geschöpfe, vgl. die unsterblichen und alterslosen Hunde Od. 7.94 (NÜNLIST 2009, 191 Anm. 19). — µετὰ φρεσίν: Formel zwischen den Zäsuren B 2 und C 2 (mit od. ohne -ν: 11× Il., 8× Od., 6× Hes., 6× h.hom.; vgl. die prosod. Variante mit ἐνί 88n.): JAHN 1987, 267; zu φρένες als Sitz seelisch-geistiger Regungen s. 1.24n., 19.169–170n.; LfgrE s.v. φρένες 1022.29ff. νόος ist sonst lokalisiert ἐν(ὶ) στήθεσσι(ν) (3.63, 4.309, 9.554 u.ö.) u. ἐν θυµῷ Od. 14.490 (LfgrE s.v. νόος 423.60ff.). — θεῶν ἄπο ἔργα ἴσασιν: formelhafte Wendung nach der Zäsur B 2, mit der Angabe ‘Götter als Urheber einer Fertigkeit od. Eigenschaft’: vgl. θ. ἄ. µήδεα εἰδώς (Od. 6.12, ‘Hes.’ fr. 136.12 M.-W.) und θ. ἄ. κάλλος ἔχουσα/ἔχοντα (Od. 8.475, h.Ven. 77, ‘Hes.’ fr. 171.4 M.-W., vgl. auch Od. 6.18, ‘Hes.’ fr. 215.1): LfgrE s.v. ἀπό 1084.11ff.; ἔργα ἴσασιν entspricht zudem inhaltlich der flektierbaren VE-Formel ἔργ’ εἰδυῖα (< *ἔργα ἰδυῖα) zur Beschreibung von Frauen, die sich in bes. Fertigkeiten auskennen (19.245n.). 421 ὕπαιθα ἄνακτος ἐποίπνυον: nimmt 417 wieder auf (s.d.; AH): ποιπνύω, redupliziertes Intensivum zu πνέ(ϝ)ω, bed. eigtl. ‘keuchen, schnaufen’ (1.600n., 24.475–476n.), hier etwa i.S.v. ‘sich sputen, geschäftig sein’ (LfgrE; TICHY 1983, 334–337); ὕπαιθα bed. hier ‘unter … hervor’, d.h. ihn von den Seiten her unter den Armen stützend, ist sonst verwendet bei einer (Flucht-)Bewegung ‘von unten her weg’ (21.493, 22.141: LfgrE; EDWARDS zu 420–2). — ἔρρων: ἔρρω bed. ‘(weg)gehen’, viell. eine Ableitung zur idg. Wz. *ṷert- ‘sich umdrehen’ (vgl. lat. vertor: LIV 691f.; FORSSMAN 1980, 188–198). Im fgrE ist das Verb sonst Wort der Figuren-SpracheP, oft im Imp. mit aggressivem Unterton (24.239– 240n.), das Ptz. jedoch in gleicher Bed. wie ἰών verwendet (zur vorl. Stelle vgl. Od. 3.469, 17.70, 21.243); sonst erscheint es oft in Reden, die von leichtem Unwillen über die mit der Fortbewegung verbundenen Mühsale geprägt sind (Il. 8.239 u. 9.364 die Fahrt nach Troia,
421 ὕπαιθα (ϝ)άνακτος: zur Prosodie R 4.3. — ὃ ἔρρων: zum Hiat R 5.7; ὅ ist demonstr.anaphorisches Pron. (R 17), auf Hephaistos bezogen (410–417a).
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Od. 4.367 Umherirren auf einsamer Insel): LfgrE; daher FORSSMAN a.O. 190: hier Konnotation ‘sich mühsam fortbewegen’; vgl. auch schol. D u. schol. T (ἐπαχθῶς διὰ τὴν χώλωσιν βαδίζων).
422 2. VH ≈ 11.645, Od. 7.169. — Thetis: Sie war von Charis ins Haus geführt und zum Sitzen aufgefordert worden, vgl. 387–390. — der glänzte: wohl wegen der Verzierung mit Metallbeschlägen, vgl. 389 (s.d.; LfgrE s.v. φαεινός). 423–425 = 384–386 (s.dd.). — Rückkehr zur Typ. SzeneP ‘Besuch’ durch die Wiederholung von Element 4 (369–427n.). 426–427 = 14.195f., Od. 5.89f. — Die in Götterszenen verwendete Formulierung dient dazu, mit der höflichen Erkundigung nach dem konkreten Anliegen und dem Signalisieren des guten Willens ein Gespräch in Gang zu bringen (MARTIN 1989, 190). 426 αὔδα … φρονέεις: Zu dieser höflichen Aufforderung zum Reden und zu φρονεῖν (‘im Sinn haben’) mit der Konnotation ‘wollen’ s. 14.195–196n. — θυµὸς ἄνωγεν: 89b–90n. 427 Obwohl sich das Fehlen des Verses in einzelnen Hss. und drei von vier Papyri als Abschreibfehler durch das zweifache τελέσαι erklären ließe, ist der Vers wohl aus 14.195f. interpoliert (sog. Konkordanzinterpolation), wo er besser in den Kontext paßt; denn durch die Bedingung wird die Erfüllung des Anliegens nur unter Vorbehalt in Aussicht gestellt, die Zusage also abgeschwächt – in Aphrodites Situation 14.190ff. durchaus passend, hier dagegen in leichtem Widerspruch zu Hephaistos’ vorbehaltloser Dankbarkeit Vv. 406f. (EDWARDS zu 424–7; APTHORP 1980, 140f.; WEST 2001, 13 Anm. 31. 248). – Zu εἰ (‘wenn nur’), zum Bezug von γε (zu τελέσαι?) und zu τετελεσµένον (‘erfüllbar, machbar’) s. 14.195–196n.; zur VE-Formel s. auch 4n.
428 = 1.413; 1. VH = 18.127 (s.d.); 2. VH = 18.94 (s.d.). 429–461 Thetis’ Rede besteht aus zwei Teilen, (1) einer Rekapitulation der Ereignisse bis hierher, unter Einbezug von Episoden, die der Handlung der Ilias vorausgehen (429–456), (2) der Bitte um eine neue Rüstung für den Sohn (457–461); vgl. die ähnliche Struktur der Rede Achills 1.365–412 (s.d., 1.366–396n., 1.370– 392n.). Anders als in sonstigen Bittreden – bestehend aus: Anrede (hier VA 429), performativem Verbum (hier 457), Legitimierung der Bitte und der Bitte selbst (1.17–21n., 24.486–506n.) – und anders als nach 394ff. zu erwarten, legitimiert Thetis ihre Bitte hier nicht mit einem Hinweis auf ihre Verdienste dem Adressaten gegenüber (dieser ist vorweggenommen in Hephaistos’ Rede an Charis 395–405; ähnlich im 1. Gesang in Achills Rede 1.394–406, wird aber von Thetis vor Zeus angedeutet 1.503f.: 1.502–511n., 1.503n.); sondern sie begründet die Bitte mit der 422 ἔνθα … περ: περ betont ἔνθα, ‘⟨dorthin,⟩ wo ja Thetis ⟨saß⟩’ (R 24.10). 423–425: s. 384–386n. 426 ἄνωγεν: präsentisches Perf., ‘befiehlt, heißt’. 427 τετελεσµένον: ≈ τελεστός ‘erfüllbar’. 428 κατὰ … χέουσα: zur sog. Tmesis R 20.2. — δάκρυ: kollektiver Sg.
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Schilderung des Leids, das ihr selbst und ihrem Sohn widerfahren ist, appelliert also nicht an Hephaistos’ Dankbarkeit, sondern an sein Mitleid (HEBEL 1970, 76– 80; DE JONG [1987] 2004, 216–218; MINCHIN 2007, 204f.; zum Motiv ‘Erinnerung an [früheres] Leid’ in Bittreden s. FINGERLE 1939, 199f.; CROTTY 1994, 70–75; vgl. auch 24.486–506n.). Dieser narrative Teil (1) läßt sich gliedern in: (A) die Geschichte um (a) Thetis’ Ehe mit Peleus, (b) die Geburt und Jugend ihres Sohnes bis zu dessen Auszug nach Troia (429–441: externe AnalepseP), die ganz aus ihrer eigenen Perspektive erzählt ist (vgl. die Häufung von Verbformen u. Pers.-Pronomina der 1. Pers.) und deren Ton geprägt ist durch einen emotionalen Einstieg (dazu 429–431n.), durch wörtliche Wiederholungen aus ihrer Klagerede vor den Schwestern (55–62) und Anklänge an Achills Klage gegenüber Thetis (bes. 84– 87); dieser Teil dient der captatio benevolentiae (vgl. 431n.); (B) die chronologisch angeordnete Zusammenfassung derjenigen Ereignisse der Ilias, die ihrem Sohn Leid gebracht und zu ihrem Besuch geführt haben (444–456 [s.d.]: interne AnalepseP aus den Gesängen 1–18), als Begründung, warum er Hilfe bekommen sollte, eingeleitet durch das Eingeständnis ihrer eigenen Machtlosigkeit (442f.). Teil (2) besteht aus der Einleitung (457), der Bitte selbst (458–460a: neue Waffen), der sachlichen Begründung (460b–461a: Verlust der alten Waffen durch Patroklos’ Tod) und einem emotionalen Abschluß (461b [s.d.]). 429–431 Der emotionale Beginn der Rede hat Entsprechungen in dir. Reden der Odyssee mit längeren narrativen Passagen, in denen der Sprecher zuerst u.a. die unermeßlich große Menge an erlittenem Ungemach hervorhebt (sog. ‘emotional preamble’: DE JONG zu Od. 3.103–17), vgl. bes. Od. 7.241–243, 9.3–15, 19.165– 171. 429 1. VH ≈ 13.446; 2. VH ≈ 1.566, 5.877, 8.451. — ἦ ἄρα δή: ‘denn etwa?’, zu ἦ 19.56n. (leitet rhetorische Frage ein). 430 1. VH ≈ Od. 8.368; 2. VH ≈ Il. 5.156, Od. 11.369, Hes. Op. 49, 95. — ἐνὶ φρεσὶν ᾗσιν: dient dazu, die innere Komponente des Leidens zu betonen (vgl. 52–53n.) und die Schilderung der inneren Regung zu verstärken (vgl. JAHN 1987, 241ff.). — κήδεα: ‘Leid, Kummer’ (8n., 52–53n.), hier bes. im Hinblick auf Thetis’ Leiden an der Vergänglichkeit ihres sterblichen Sohnes, der aus der erzwungenen Ehe mit einem Sterblichen hervorging (432–435, 440, 442f.).
431 1. VH ≈ Od. 4.723; 2. VH = Il. 2.375, 24.241; ≈ Od. 4.722. — Durch die Betonung ihrer Opferrolle schafft Thetis Gemeinsamkeit zwischen sich als Bittstellerin und dem Adressaten: Denn wie Hephaistos der Macht der Hera ausgeliefert war 429 ἦ ἄρα: R 24.4; zum Hiat R 5.6. — τις, ὅσαι θεαί: ≈ τις θεῶν, ὅσαι. 430–432 τοσσάδ(ε) …, | ὅσσ(α) … | … δάµασσεν: zum -σσ- R 9.1. — ἐµοὶ ἐκ πασέ͜ων … | ἐκ … µ’ ἀλλάων: ‘mir/mich vor allen/den anderen’; zur Flexion von πασέ͜ων u. ἀλλάων R 11.1, zur Synizese R 7. 430 ἐνί: = ἐν (R 20.1). — ᾗσιν: Poss.-Pron. der 3. Person (R 14.4).
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und Hilfe brauchte (395–398), so untersteht sie der Macht des Zeus, s. auch 432 ‘hat mich … gezwungen’, 436 ‘mich hat … lassen’ (vgl. HEBEL 1970, 76f.; THALMANN 1984, 107; RINON 2008 135). ἄλγε(α): 397b n.; korrespondiert mit κήδεα (430) und ἄλλα (435).
432–434a In der Schilderung ihrer Eheschließung hebt Thetis mit Nachdruck ihren starken Widerwillen gegen die Ehe mit dem Sterblichen und Zeus’ Rolle des unerbittlichen Ehestifters hervor (vgl. auch Achills Formulierung 85–87 [85n.], anders Heras Version 24.59–63 mit n. [fürsorgliche Ehestifterin]). Ein Grund für Zeus’ Agieren gegen Thetis’ Interessen wird nicht genannt; in der nachhom. Überlieferung erscheinen zwei Versionen: (a) Thetis habe sich, um Hera zu gefallen, einer Verbindung mit Zeus selbst entzogen und so dessen Zorn geweckt (Cypr. fr. 2 West, ‘Hes.’ fr. 210 M.-W.); daß Thetis an der vorl. Stelle Heras Anteil unterschlägt und Zeus in den Vordergrund stellt, ließe sich mit Hephaistos’ Erfahrungen und dem Ziel der Rede erklären (s. 431n.); (b) Zeus habe auf eine Verbindung mit Thetis verzichtet, da prophezeit worden war, ihr Sohn werde stärker sein als der Vater, und sie daher mit einem Sterblichen vermählt (Pind. Isthm. 8.26– 48). Ob dem Erzähler beide Versionen oder nur eine – nämlich die wohl ältere Version (a) – bekannt war, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen; zur Diskussion s. 1.396–406n., 1.541–543n.; EDWARDS zu 429–35; MARCH 1987, 8–11. 23; WEST 2013, 69f.; mit anderer Ausrichtung (näml. Version (b) älter): LESKY (1956) 1966, 401–404; SLATKIN (1991) 2011, 52ff. (bes. 53f. 62–64. 79–81). 432 Meerfrau’n: die Nereïden, vgl. 37ff. (FG 20). — Mann: Der 433 an gleicher Versstelle wiederholte Begriff ‘Mann’ (gr. anḗr) unterstreicht neben dem Patronymikon am VA von 433 die Tatsache, daß Peleus ein Sterblicher und Sohn eines Sterblichen ist (AH; LfgrE s.v. ἀνήρ 840.41ff.; vgl. 85n., 86–87n.). ἁλιάων: vgl. 86–87n. — µ(ε) … ἀνδρὶ δάµασσεν: kausatives δάµνηµι + Dat. (wie 22.176, 22.270f.); zur Verwendung im sexuellen Kontext vgl. Od. 3.269, Hes. Th. 453, 1000, 1006 (LfgrE s.v. δάµνηµι 214.15ff., 215.16ff.; s. auch 102–103n., 3.301n.).
433 den Aiakiden Peleus: Das Patronymikon Aiakídēs ist sonst meist für Achilleus, den Enkel des Aiakos, verwendet (221n.), wie hier für Peleus als ‘Sohn des Aiakos’ noch 16.15 u. 21.189. Gegenüber der Reihenfolge Eigenname–Patronymikon (s. etwa 93 [Patroklos, des Menoitios Sohn’], 154 u. 164 [‘Hektor, des Priamos Sohn’], 193 [‘Aias, des Telamon Sohn’]) gilt die Voranstellung des Patronymikons als poetischer (16.15n.). εὐνήν: bed. eigtl. ‘Bett, Lager’ (s. 85), hier mit sexueller Konnotation ‘Beilager’, im Sinne eines nomen actionis (LfgrE 787.49ff.; vgl. 3.445n., 19.176n.).
432 µέν: ≈ µήν (R 24.6). 433 Πηλῆϊ: zur Flexion R 11.3. — ἀνέρος: = ἀνδρός; Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).
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434a In anderen Versionen versucht Thetis, sich der Verbindung mit Peleus durch Verwandlung in wilde Tiere und in Feuer zu entziehen, und wird von ihm im Ringkampf bezwungen (Pind. Nem. 3.35f., 4.62–65, ‘Apollod.’ Bibl. 3.13.5: WEST 2013, 70f.; zu Darstellungen in der Vasenmalerei s. LIMC s.v. Thetis); die hier formulierte starke Abneigung gegen die Verbindung könnte eine Anspielung auf dieses sonst in den hom. Epen nicht erwähnte Motiv sein (EDWARDS zu 429–35; GRIFFIN 1977, 41; MARCH 1987, 11–23; contra LESKY [1956] 1966, 405f.; KULLMANN 1960, 230). Der Erzähler vermeidet hier jedenfalls eine explizite Verbindung von Achills Mutter mit dem Kampf in Tiergestalt und legt das Gewicht auf anderes: Thetis stellt sich als wehrloses Opfer dar (vgl. 431n.) und zeigt, wie sehr sie daran leidet, mit einem Sterblichen vermählt worden zu sein und einen sterblichen Sohn geboren zu haben (433–443, s. Hephaistos’ Antwort 464f.; s. außerdem die Reden von Thetis 54ff. und Achill 85ff.): schol. A; HEATH 1992, 389; vgl. auch SLATKIN (1991) 2011, 69–71. πολλὰ µάλ’ οὐκ ἐθέλουσα: Steigerung gegenüber der flektierbaren VA-Formel πολλ’ ἀεκαζοµένη (4× fgrE) und den Wendungen πολλ’ ἀέκων (2× Il.) u. µάλ’ οὐκ ἔθελεν (h.Ven. 25), vgl. auch οὐκ ἐθέλουσα/ἐθέλων in ähnlichem Kontext Il. 6.165, Od. 5.155. – πολλὰ µάλ(α) ist VA-Formel (8× Il., 5× Od., 1× hom.h., 1× Hes.).
434b–435a Das Altern erscheint oft neben der Sterblichkeit als zweiter Teil der conditio humana in Formulierungen, mittels deren der Gegensatz zur Existenz der Götter hervorgehoben wird, die ‘un-sterblich’ und ‘nicht-alternd’ sind (z.B. 8.539, 12.323, 17.444, Od. 5.136, 5.218, 7.257, 23.336, Hes. Th. 949, h.Cer. 242, 260, h.Ap. 193: LfgrE s.vv. ἀγήραος, γῆρας; PREISSHOFEN 1977, 6; WEST 2007, 128; GARCIA 2013, 161f.). Die Nennung von Peleus’ Lebenssituation kann zwar Assoziationen mit dem erst im Aphrodite-Hymnos überlieferten Mythos von Tithonos (dem zwar unsterblichen, aber alternden Gatten der Eos [FG 38]) wecken (vorsichtig EDWARDS zu 429–35; CERRI; zu Tithonos s. FAULKNER zu h.Ven. 218–38; vgl. außerdem 3.151–152n.); ob dies wirklich beabsichtigt ist, bleibt fraglich. — Alter: Achill äußert sich deutlich über die traurigen Lebensumstände des einsamen, greisen Peleus (s. 19.334–337 mit nn.). — zu Hause: 325n.; Thetis ihrerseits hält sich zur Zeit der Ilias-Handlung in einer Höhle im Meer auf, s. 35ff. (50n.). γήραϊ λυγρῷ: VE-Formel (4× Il.); zu den Epitheta bei γῆρας s. LfgrE s.v. — ἀρηµένος: iliad. hapaxP, in der Odyssee mit den Dativen δύῃ ‘Elend, Not’ (Od. 18.53, 18.81) und ὕπνῳ καὶ καµάτῳ (6.2) verbunden, außerdem mit γήραι ὕπο λιπαρῷ (11.136 = 23.283); es bed. etwa ‘beeinträchtigt, geschwächt’ (vgl. schol. bT zu 434–5: βεβλαµµένος). Die Etymologie ist unsicher: ᾱ̓ρηµένος Ptz. Perf. Pass. eines defektiven Verbums, wird oft
434 πολλά: Adv.; ‘vielfach, sehr’, zusammen mit µάλα ‘ganz und gar’. — ἐθέλουσα. ὅ: zum Hiat R 5.6. 435 ἐνί: = ἐν (R 20.1). — ἐνὶ (µ)µεγάροις: zur Prosodie M 4.6; zum Pl. R 18.2.
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mit ἀρή (‘Schaden, Verderben’: 24.489n.) in Verbindung gebracht (BECHTEL 1914, 60f.; FRISK u. BEEKES s.v. ἀρή; CHANTR. 1.422, 436; LfgrE; RISCH 342). 435b ἄλλα: bezieht sich auf ἄλγε(α) 431; ist entweder als Nominalsatz (sc. ἐστι) od. als Ζεὺς ἄ. ἔδωκεν zu verstehen (LEAF; FAESI u. WILLCOCK: Zeus auch 436 Subj.). 436–440 ἐπεί µοι δῶκε … | (3 Vv.) | … ὑποδέξοµαι: Erklärung der ἄλλα ἄλγεα; zur Satzstruktur vgl. 55–60n.
436 2. VH = 7.199, Od. 3.28. — Sohn: Periphrastische BenennungP: Thetis nennt Achilleus – anders als Peleus (433), Agamemnon (445), Patroklos (451), Apollon (454) und Hektor (456) – nicht beim Namen, da er für sie in erster Linie der ihre sorgenvollen Gedanken beherrschende ‘Sohn’ ist (s. auch 458 und 56–62n.); bei anderen wiederum ist der Name für sie nicht relevant (444n., 448b–449n.): DE JONG (1987) 2004, 217. τραφέµεν: zum intrans. Gebrauch des starken Aor. (ἔ)τραφον (‘aufwachsen’) 1.251n.; LfgrE s.v. τρέφω.
437–443 = 56–62 (s.d.; Lit. s. auch 50–67a n.). 441 Der in einzelnen Papyri u. einer Hs. fehlende Vers (s. app. crit.; schol. A) wird von einigen als Konkordanz-Interpolation (aus 56–62) angesehen: das Bild wirke hier nach Thetis’ explizit ablehnender Äußerung über ihre Ehe eher unpassend, und bei wörtlichen Wiederholungen von Passagen läßt der Erzähler oft Verse weg, die als weniger passend od. unnötig empfunden werden (s. z.B. 444f. vs. 16.56–59, 6.269–278n., 14.301–311n.): APTHORP 1980, 142–145; WEST 2001, 13. 154f.; s. auch GT 17 u. 25; contra EDWARDS: eher von einem “literal-minded scholar-editor” weggelassen; zum Motiv (Sterben im Krieg als Nicht-mehr-Heimkehren zum Vater) s. 59b–60a n.
443 Thetis’ Hilflosigkeit, wenn es um ihren Sohn geht, steht hier in starkem Kontrast zu ihrer Rolle als mächtiger und helfender Göttin in Hephaistos’ Rede (bes. 394–398, 405): zu den Intentionen der beiden Reden s. 394–409n. u. 429–461n. 444–456 Teil (B) von Thetis’ Legitimierung der Bitte enthält in knapper Form Ereignisse der Ilias-Handlung bis hierher, v.a. aus den Gesängen 1, 8, 9 und 16 (zum Aufbau der gesamten Rede s. 429–461n.): (a) Wegnahme der Briseïs durch Agamemnon und Achills Kummer (444–446a); (b) Überlegenheit der Troer und Bedrängnis der Achaier (446b–448a); (c) Βittgesandtschaft mit Angebot von Geschenken an Achill (448b–449); (d) Achills Verweigerung, die Aussendung von Patroklos (in Achills Waffen) und den Myrmidonen (450–452); (e) Kampf am Skäischen Tor (453); (f) Patroklos’ Tod durch Apollon und Ruhm für Hektor (454–456). Eine solche Rekapitulation mehrerer Ereignisse durch eine FigurP ist in der Ilias selten zu finden, s. v.a. 1.365–392 (1.365–412n.), in der Odyssee dagegen häufiger (7.241–297, 17.108–149, 23.310–341, 24.121–190): REICHEL 1990, 436 δῶκε: sc. Ζεύς; mit AcI υἱὸν γενέσθαί τε τραφέµεν τε; zur Form τραφέµεν (att. ≈ τραφῆναι) R 16.4. 437–443: s. 56–62n.
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134f.; 1994, 82f. An der vorl. Stelle reflektiert sie als Sekundäre ErzählungP die Menis-Handlung bei deren Abschluß (s. 112–113n., 19.40–281n.; sog. ‘récit spéculaire’ bzw. ‘mirror-story’: EDWARDS; CERRI; zum Begriff s. DE JONG [1985] 2001, 478–480), vergleichbar mit Odysseus’ Bericht über seine Heimfahrt Od. 23.310–341 (dazu DE JONG z.St.), und dient auf der FigurenP-Ebene der sachlichen und emotionalen Unterstützung der Bitte (Argument-FunktionP). Die Tatsache, daß einzelne, für die Menis-Handlung wichtige Punkte fehlen (der Grund für Agamemnons feindseligen Akt; ihr eigener, von Achill gewünschter Bittgang zu Zeus; Patroklos’ Bitte für die bedrohten Achaier), läßt sich mit dieser Intention der Rede begründen: Es geht Thetis nicht darum, die Handlung detailliert nachzuerzählen, sondern den Adressaten durch Informationen zum Hintergrund ihres Bittgangs emotional zu bewegen (Erregen von Mitleid) und zur Hilfe zu motivieren (429– 461n.); daher sind Achills Leiden (446a n.) und seine Sicht der Dinge in den Vordergrund gerückt, was der ErzählerP auch durch wörtliche Anklänge an Äußerungen Achills andeutet (vgl. 444–446 mit 9.344, 9.367f., 16.52–59; 450 mit 1.341): SCHADEWALDT (1938) 1966, 130 Anm. 1; HEBEL 1970, 77–79; DE JONG (1987) 2004, 216–218; DI BENEDETTO (1994) 1998, 57–59. 78f.; vgl. auch 1.370–392n. (Fokalisation durch Achilleus). Zu Unrecht wurde die Passage seit Aristarch von einigen Interpreten als Interpolation verdächtigt (schol. A zu 444–56; AH, Anh. 137–139), weil sie eine unnötige, lange, rein repetitive interne AnalepseP sei und inhaltliche Unstimmigkeiten im Vergleich mit der Ilias zeige (bes. 448–453, s. aber nn.); denn dies alles läßt sich mit der oben genannten Intention der Rede erklären (schol. bT; CAUER [1895] 1923, 357–359, bes. 358; SCHADEWALDT [1938] 1966, 113 Anm. 1; EDWARDS; SCODEL 1999, 62f.; zu den Scholien LÜHRS 1992, 120–123; NÜNLIST 2009, 46f.). 444 ≈ 16.56. — Mädchen: Gemeint ist Briseïs (1.184n., FM 2); zur unpersönlichen Formulierung 436n.; vgl. auch 19.58n. — Ehrgeschenk: Beuteanteil für die Anführer, als Zeichen der Anerkennung für bes. Leistung verliehen; ist für diese als Statussymbol von großer Bedeutung (1.118–129n., 1.162–168n.). κούρην: asyndetischer Anschluß mit erklärenden Ausführungen zu ἄχνυται (vgl. 1.105n., 19.90n. [a.E.]). — ἔξελον: bez. “das Auswählen eines besonders ehrenvollen Teils […] der Kriegsbeute […] für eine Respektsperson” (1.369n.); s. dagegen ἕλετο 445n. — υἷες Ἀχαιῶν: 76n. 445 = 16.58; 2. VH = 9.368. — ἂψ ἐκ χειρῶν ἕλετο: ἐκ χειρῶν bildlich für die gewaltsame Wegnahme der Briseïs (ebenso 9.344, 16.58), dazu verstärkend ἄψ mit urspr. Bed. ‘weg’ (16.54n., 16.58–59n.); zeigt neben medialem ἕλετο (‘nahm sich’) Agamemnons 444 κούρην: zur Form R 2, R 4.2. — ἄρα (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3; ἄρα ‘bekanntlich, ja’ (R 24.1). — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). — ἔξελον: zu ἐξ-αιρέω ‘auswählen’; zur augmentlosen Form R 16.1 (ebenso ἕλετο 445). — υἷες: zur Flexion R 12.3. 445 τήν: demonstr.-anaphorisch (R 17), nimmt κούρην wieder auf (ebenso τῆς 446).
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rücksichtsloses und egoistisches Vorgehen (zur Bed. des Mediums ALLAN 2003, 112–114 mit Anm. 198). — κρείων Ἀγαµέµνων: VE-Formel (40× Il., 1× Od., 1× Il. Pers.): 1.102n.
446a 1. VH (bis ἀχέων ) ≈ 2.694 (s.d.). — Achills Reaktion auf die Wegnahme der Briseïs wird nur im Hinblick auf seinen seelischen Schmerz über den Verlust beschrieben (zur gr. Formulierung phrénas éphthien vgl. die Metapher ‘das Herz verzehren’ 6.201–202n., 19.58n.; zu gr. achéōn s.u. und 62n.); sein Rückzug aus dem Kampf ist nicht explizit erwähnt, wohl aber dessen Folgen für die Achaier (Vv. 446b–448a). Die Verwendung von Vokabular aus diesem Kontext (vgl. 1.491f. [s.u.] und achéōn 2.694: 1.488–492n., 2.694n.) zeigt viell., daß der Erzähler den Groll gegen Agamemnon beim Rezipienten in Erinnerung ruft (vgl. 1.488, 2.688f.), während er die Sprecherin das Leiden am Verlust hervorheben läßt – ganz im Dienste des Erregens von Mitleid. ἀχέων: Denominativum zu ἄχος neben der metr. Variante ἀχεύων 461 (24.128n.); ἄχος ist Bez. für seelischen Schmerz, auf den unmittelbar Wut und Aggression folgen, vgl. Achills Worte über seine Reaktion auf die Wegnahme des γέρας 9.646f. (Aggression) und 16.52/55 (Schmerz): 22n., 62n.; s. auch 1.103n., 1.188n., 2.169–171n. — φρένας ἔφθιεν: Vgl. ebenfalls über Achill φθινύθεσκε φίλον κῆρ 1.491 (s.d.; zur semantischen Austauschbarkeit von φρένες mit anderen Lexemen des Wortfelds Seele–Geist s. 1.24n.; JAHN 1987, 205f.; zu weiteren vergleichbaren Formulierungen s. JAHN ebd. 12). – ἔφθιεν (nur hier im fgrE) ist themat. Aor. zu φθίνω, hier wohl mit Impf.-Bed. (LEAF; CHANTR. 1.393; ANZIFEROWA 1983, 21ff.; LfgrE s.v. φθίνω).
446b–447 Aber die Achaier, | die drängten … zusammen: 76n. αὐτὰρ Ἀχαιούς: 148n.
448b–449 448b = 9.574 (Meleagros-Mythos); 2. VH von 449 ≈ 9.121, ‘Hes.’ fr. 22.6 M.-W. — die Alten: Mit dem gr. Begriff gérontes werden die Angehörigen der Führungsschicht bezeichnet, unabhängig vom Lebensalter der einzelnen Mitglieder (1.26n., 2.53n., vgl. auch 6.87n.): Teilnehmer der Bittgesandtschaft im 9. Gesang waren Odysseus und Aias (FM 3), begleitet von Phoinix, Achills Erzieher und Berater (FM 5), beauftragt von Agamemnon aufgrund eines Beschlusses im ‘Rat der Alten’ 9.89–181 (vgl. dazu 1.144n., 2.53n.). — Gaben: bezieht sich auf die detaillierte Aufzählung der von Agamemnon versprochenen Geschenke 9.260– 299.
446 ἤτοι: R 24.4. — ὅ: demonstr.-anaphorisch (R 17) auf Achill bezogen, ebenso τόν 448. — τῆς: gen. causae zu ἀχέων. 447 ἐείλεον: Impf. zu εἰλέω, ‘zusammendrängen, einschließen’. — οὐδέ: konnektives οὐδέ steht bei Homer auch nach affirmativen Sätzen (R 24.8). — θύραζε: ‘hinaus’ (vgl. 416n.), d.h. aus dem Schiffslager. 448 εἴων: 3. Pl. Impf. zu ἐάω; erg. Ἀχαίους aus 446. — δὲ (λ)λίσσοντο: zur Prosodie M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle: M 8).
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λίσσοντο: in der Ilias von eindringlichen, inständigen Bitten (1.15n.). — περικλυτά: vgl. 326n. — ὀνόµαζον: mit Gegenständen als Obj. stets von der Aufzählung von Geschenken (9.515, vgl. ὀνοµήνω 9.121, u. Od. 24.339), dann etwa ‘einzeln benennen’ (LfgrE).
450–452 In dieser komprimierten Version kann der Eindruck entstehen, Achill habe die Absage an die Gesandtschaft sogleich durch die Aussendung des Patroklos kompensiert. Diese Darstellung ist eine Folge von Thetis’ Rede-Intention; denn die Kampfgeschehnisse des 11.–15. Gesangs der Ilias, in denen sich die Auswirkungen von Achills Kampfboykott zeigten und die zu Patroklos’ Bittgang zu Achill führten (11.790ff., 15.390ff.), sind für ihr Anliegen nicht relevant und auch nicht förderlich: sie fokussiert sogleich auf den nächsten für Achill bedeutsamen Akt, seine Bereitschaft, den Achaiern trotz allem Unterstützung zu gewähren (CERRI; HEBEL 1970, 78; DI BENEDETTO [1994] 1998, 58f. mit Anm. 6). Zum Grund für Achills Verweigerung (keine persönliche Entschuldigung von Agamemnon) s. 16.72b–73n.; zu seiner Meinungsänderung s. 16.83–96n. 450 ἔνθ(α): konnektiv, leitet zusammen mit ἔπειτα zum nächsten Punkt des Berichts über (LfgrE s.v. 589.51ff.). — αὐτὸς µέν: ist mit ἀµῦναι zu verbinden (AH) und bildet einen Gegensatz zu αὐτὰρ ὃ Πάτροκλον … ἕσσεν, | πέµπε δέ µιν 451f. (LfgrE s.v. αὐτός 1658.66ff.), vgl. 16.239f. αὐτὸς µὲν γὰρ ἐγὼ µενέω … | ἀλλ’ ἕταρον πέµπω. — λοιγὸν ἀµῦναι: flektierbare VE-Formel (14× Il.: 1.67n.); zu Achills Weigerung, dies zu tun, s. bes. 1.341, 16.32, 16.80f.
451 Der Austausch der Rüstung erfolgte 16.130–144 auf Patroklos’ Bitte (16.40–42 vorgebracht, 16.64–69 gewährt), urspr. ein Vorschlag Nestors (11.798): 16.36– 45n.; zum Waffentausch-Motiv 16.278–283n. 452 2. VH ≈ 9.483, 16.38 (s.d.). — πέµπε: 237n. — πόλεµόνδε: Akk. und enklit. Partikel -δε (1.54n s.v. ἀγορήνδε; G 66). — λαόν: in der Ilias meist ‘Volk unter Waffen, Kriegsvolk’ (153n.). — ὄπασσεν: eigtl. ‘folgen machen’ (etymologisch mit ἕποµαι verwandt: 19.238–240n.), in der Bed. ‘mitschicken, mitgeben’ oft wie hier durch ἅµα verstärkt (LfgrE).
453–456 Die Zusammenfassung des Kampfgeschehens des vorigen Tages stimmt im großen ganzen mit den Ereignissen des 16. Gesangs überein (vgl. 16.684– 867n.), wobei die in Thetis’ Kurzversion nicht exakt wiedergegebenen Punkte v.a. der Heroisierung des Toten dienen, nämlich die zeitliche u. örtliche Dimension (453n.), die Akzentuierung von Apollons Rolle und das Weglassen der ersten Ver-
450 ἠναίνετο: Impf. zu ἀναίνοµαι, also durativ (‘weigerte sich’). 451 ὅ: demonstr.-anaphor. (R 17). — περὶ … ἕσσεν: Aor. zu περι-έννυµι (‘jn. bekleiden’) mit Akk. der Pers. u. der Sache, also ‘ließ P. … anziehen’; zur sog. Tmesis R 20.2; zum -σσR 9.1. — τὰ (ϝ)ὰ τεύχεα (ϝ)έσσεν: zur Prosodie R 5.4; ἅ ist Poss.-Pron. der 3. Person (R 14.4), gemeint sind Achills eigene Waffen. 452 µιν: = αὐτόν (R 14.1). — πόλεµόνδε: zum Suffix -δε R 15.3.
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wundung des Patroklos durch den Troer Euphorbos (454n.), s. dagegen Patroklos’ eigene Darstellung 16.844–850 (s.d.; DE JONG [1987] 2004, 217; DI BENEDETTO [1994] 1998, 59f.; REICHEL 1994, 150; allg. zur unterschiedlichen Wiedergabe von Ereignissen durch versch. FigurenP s. DE JONG a.O. 159f.). Dadurch treten die Gemeinsamkeiten mit Achills Schicksal deutlicher hervor, nämlich der Tod am Skäischen Tor durch Apollon und einen Sterblichen (Hektor bzw. Paris: 22.359f., s. auch 21.277f.: 19.409–410n.); zur Diskussion um eine mögliche Übertragung des Motivs aus traditionellem Erzählgut über Achill auf die FigurP des Patroklos (Neoanalyse) s. 1.307n., 16.684–867n. a.E.; BURGESS 2001, 74f. (mit älterer Lit.). 453 2. VH ≈ 3.149, 22.360. — Die summarische Erwähnung (vgl. SummaryP) ist ganz auf die Aristie des Patroklos ausgerichtet (16.257ff.): dieser hatte im Laufe des Tages den Kampf weg vom Schiffslager der Achaier hin vor die Mauern Troias geführt und – entgegen Achills Auftrag – versucht, die Stadt zu erstürmen (16.684ff.). Beim Skäischen Tor, das zum Schlachtfeld und zur Skamander-Ebene führt (zur Lage 3.145n. und Appendix zum 14. Gesang) und Schauplatz der wichtigsten Szenen der Ilias ist (3.145ff., 6.237ff., 22.5ff.), ereilte den Patroklos dann sein Schicksal in der Gestalt Apollons und Hektors (16.700f., 16.712). µάρναντο: 1n. — περί: lokal (SCHW. 2.501; CHANTR. 2.129; vgl. dagegen 265 übertr. ‘kämpfen um’).
454 ‘Wenn nicht’-SituationP als Mittel der Pathos-Steigerung durch den starken Kontrast zu VA 456 (HEBEL 1970, 78f.; vgl. 165–168n.); seine Verwendung erinnert an die Kampfschilderung im Erzählertext, nach der Patroklos ohne Apollons Eingreifen die Stadtmauer erstürmt hätte (16.698–701 mit n.; LOUDEN 1993, 194f.). — Apollon: Achilleus hatte den Freund ausdrücklich vor den Göttern und v.a. vor Apollon gewarnt (16.93ff.); dieser tötete zwar Patroklos nicht eigenhändig, spielte aber eine entscheidende Rolle dabei, indem er (a) Patroklos an der Erstürmung Troias hinderte (16.698–711), (b) Hektor gegen Patroklos hetzte (16.712–730), (c) Patroklos kampfunfähig machte (16.786–806a), so daß er ein leichtes Opfer des Troers Euphorbos (16.806b–817) und v.a. Hektors werden konnte (16.818–828): 16.784–867n., 16.793–804n., 16.844–850n.; STOEVESANDT 2004, 214–219; zur verkürzten Version und Hervorhebung von Apollons Rolle vgl. auch die Rede des Pferdes Xanthos an Achilleus 19.413f. (19.411–414n., 19.413n.); allg. zu Apollons Rolle in der Ilias s. 16.94n. mit Lit. καί νύ κεν … ἔπραθον, εἰ µὴ Ἀπόλλων: verkürzte Version von 16.698–701 (ἔνθά κεν … ἕλον … | … | εἰ µὴ Ἀπόλλων); zu καί νύ κεν 165n.
453 ἦµαρ: = ἡµέραν. — πύλῃσιν: plurale tantum, hier wie öfter zur Bez. eines einzelnen Tores (Pl. mit Bezug auf die beiden Torflügel, vgl. lat. fores). 454 κεν: = ἄν (R 24.5). — αὐτῆµαρ: ‘noch am gleichen Tag’. — ἔπραθον: themat. Aor. zu πέρθω ‘erobern, zerstören’.
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455 Thetis’ Umschreibung (gr. pollá kaká rhéxanta) ist nicht als Kritik an Patroklos zu verstehen, sondern lobend gemeint, i.S.v. ‘nachdem er ⟨dem Feind⟩ großen Schaden zugefügt hatte’ (vgl. LfgrE s.v. κακός 1285.71ff.), s. die konkrete Formulierung an der entsprechenden Stelle im Erzähler-Text (16.827): ‘der viele getötet hat’. Zur patronymischen Umschreibung von Patroklos s. 12n. 456 = 19.414 (s.d.); 2. VH ≈ 12.255, 12.437, 15.327, 16.730. — untern Ersten: 194n. — Hektor: Vgl. die Tötung (16.828ff.) und Spoliierung (17.107–131) durch Hektor. κῦδος ἔδωκεν: flektierbare VE-Formel (7× Il.); zu κῦδος 165n.
457 = Od. 3.92, 4.322. — Knien: Das Berühren der Knie ist eine übliche Geste von Bittflehenden (1.500n., 1.513n., 6.45n., 24.478n.) und ein Element der Typisierten EreignissequenzP ‘Hikesie’ (Herantreten des Bittstellers – Hikesie-Geste – Rede des Bittstellers – Reaktion des Adressaten: 1.500–531n., 24.477–571n.). Die Formulierung ist hier aber als bildliche Ausdrucksweise aufzufassen, ohne daß eine konkrete Berührung erfolgt (Lit. s.u.); denn in der ganzen Beschreibung von Thetis’ Besuch findet sich kein Hinweis darauf, daß sie wie eine Bittstellerin auftritt, und beim Vergleich der vorl. Szene etwa mit Thetis’ Bittgang zu Zeus im 1. Gesang (1.500ff.) zeigen sich etliche Unterschiede, s. bes. 1.500–513 (1.502–511n., 1.503n.): Thetis wird nicht als Bittstellerin angesehen, sondern als Gast empfangen und bewirtet (387ff., 408), der Adressat der Bitte tritt zur Bittstellerin und setzt sich neben sie (422f.), er erinnert sich von selbst an ihre früheren Verdienste (395ff.) und zeigt schon vor der Bittrede seine Bereitschaft, ihren Wunsch zu erfüllen (406f., 426); s. auch die Rede-Einleitungen 428 vs. 1.502 und die Struktur der Rede 429–461n.; zur Gestaltung der Szene insgesamt s. 369–427n. τὰ σὰ γούναθ’ ἱκάνοµαι: bildliche Ausdrucksweise in Anspielung auf die Bitt-Geste anstelle des performativen Verbs ‘bitten’, vgl. die Verwendung von γουνάζοµαι u. γουνοῦµαι in der abgeschwächten Bed. ‘inständig bitten’ (LfgrE s.vv.; dagegen Il. 22.338 λίσσοµ’ ὑπὲρ … γούνων); zur Formulierung s. außer den Iterata auch (σά τε) γούναθ’ ἱκάνω Od. 5.449, 7.147, 13.231; sonst in den hom. Epen öfter konkret γούνων/γούνατα λαβεῖν od. ἅπτεσθαι (1.500n.; LfgrE s.vv. γόνυ 174.54ff. u. ἱκάνω 1175.41ff.; NAIDEN 2006, 68. 321f.; anders LÉTOUBLON 2011, 299: bezieht sich auf die konkret ausgeführte Geste und ersetzt deren Beschreibung). — αἴ κ’ ἐθέλῃσθα: 143n.; zu ἐθέλῃσθα G 89.
458–460 Thetis nennt nur die Defensivwaffen Schild, Helm, Beinschienen und Panzer, und nur diese werden bei der folgenden Schmiede-Arbeit beschrieben (478ff., 455 κακὰ (ϝ)ρέξαντα: zur Prosodie R 4.5. 456 ἔκταν(ε): themat. Aor. zu (ἀπο)κτείνω. — ἐνί: = ἐν (R 20.1). — προµάχοισι: zur Flexion R 11.2. 457 τούνεκα: ‘darum’. — γούναθ’: = γούνατα; Richtungsangabe ohne Präposition (R 19.2); zur Flexion R 12.5. — ἱκάνοµαι: zum Med. R 23. — αἰ: = εἰ (R 22.1). — κ(ε): = ἄν (R 24.5). — ἐθέλῃσθα: 2. Sg. Konj. (zur Endung R 16.2).
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609–613). Als Angriffswaffe besitzt Achill noch die vom Vater ererbte Lanze, ein Geschenk der Götter (16.140ff., 19.387ff.: 19.387–391n., 16.130–144n.), das Schwert jedoch, das Patroklos mitgenommen hatte (16.135), müßte ebenfalls ersetzt werden. Über die Frage, warum es im 18. Gesang unerwähnt bleibt, obwohl Achill sich für den Kampf damit rüsten wird (19.372f.), ist seit der Antike spekuliert worden; u.a. wurden folgende Erklärungen gegeben: (a) Nereus habe seinem Enkel über Thetis ein von Hephaistos geschmiedetes Schwert weitergegeben (schol. T zu 460); (b) Patroklos habe nicht Achills Schwert mitgenommen (Eust. 1153.4ff.); (c) Hephaistos schmiede nie Angriffswaffen (DELCOURT [1957] 1982, 50f.); (d) dies sei eine Folge der Tatsache, daß das Schwert für gr. Helden weniger wichtig war als etwa für germanische und daß v.a. für Achill die Lanze größere Bedeutung hat (EDWARDS zu 609–13; zur Lanze vgl. 19.372n., 19.387n.; zur bes. Waffe einzelner Helden in idg. Mythen s. WEST 2007, 460–462); (e) reiner Zufall (CERRI zu 458–460). Jedenfalls steht für die besorgte Mutter der Schutz des Sohnes im Vordergund (s. auch ihre eindringliche Warnung 134ff.), Hephaistos wiederum erwähnt deren begrenzte Schutzwirkung (464–467 [s.d.]). Grundsätzlich zum Motiv der neuen Waffengarnitur für Achill s. 130–137n. 458 frühsterblichen: Wie in ihrer Bittrede vor Zeus (1.505) verweist Thetis auf den neben der Sterblichkeit dominierenden Punkt der Existenz ihres Sohnes, seinen frühen Tod; zur Formulierung 95–96n. †υἱεῖ ἐµῷ ὠκυµόρῳ†: metrisch problematisch; es werden zwei Lösungen erwogen: (a) die Hauptüberlieferung ist mit Synalöphe (G 32) ἐµῷ͜ ὠκυµόρῳ zu sprechen, wobei das Iota subscriptum außer acht gelassen werden muß (vgl. schol. A u. bT), was in hom. Epen ungewöhnlich ist (s. etwa M 13.4); (b) statt υἱεῖ ἐµῷ (wie 144) ist die Dat.-Form υἷι zu setzen (s. vv.ll. im app. crit.) und mit der sonst eher selten bezeugten Elision des -ι υἷ’ ἐµῷ zu lesen (vgl. 3.349n.): LEAF; WEST 2001, 248f.; GUILLEUX 2001, 76f.; allg. zu Formulierungen für ‘Achilleus’ im Dat. Sg., welche die 1. VH füllen, s. SHIVE 1987, 86. — ἀσπίδα: ist nur hier als Bez. für Achills neuen Schild verwendet, im folgenden dagegen ausschließlich σάκος (478, 481, 608f., 19.373, 19.379, 20.259–261, 20.268 u.ö.: LfgrE s.v. σάκος 66.41ff.; CERRI). Beide Begriffe sind als allg. Schildbezeichnungen bei Homer oft austauschbar, scheinen jedoch nicht völlig synonym zu sein (“σάκος ist poetischer und heroischer”: LfgrE s.v. ἀσπίς 1427.38f.; SCHMIDT 2006, 441; vgl. 3.335n.); dazu und zu Versuchen, die Bezeichnungen ursprünglichen Schildtypen (Lang- bzw. Rundschild) zuzuweisen, s. 3.347n.; TRÜMPY 1950, 20–36; LfgrE s.v. ἀσπίς 1427.26ff. — τρυφάλειαν: eine der Bez. für ‘Helm’, als metr. Variante neben κόρυς (611) verwendet; zur Etymologie (eigtl. ‘mit vier φάλοι [Metallplatten?] versehen’) s. 3.372n., 19.380b–381a n.; zu den Helmtypen s. 611–612n.
459 ≈ 3.331, 11.17, 16.131, 19.369 (Rüstungsszenen). — Zur Beschaffenheit von Beinschienen und Knöchelschützern s. 613n., 3.331n.
458 υἱεῖ: zur Flexion R 12.3; zur Prosodie ↑. — δόµεν: = δοῦναι, zur Endung R 16.4.
Kommentar
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460 Panzer: Zu den zwei Typen von Brustpanzern in der Ilias s. 610n., 3.332n. — verlor: Hektor hatte die Waffen dem Toten abgenommen und nach Troia bringen lassen (17.125–131). — sein zuverlässiger Gefährte: 235n. ὅ: grammatikalisch an θώρηχ’ angepaßt, bezieht sich inhaltlich jedoch auf alle genannten Rüstungsteile, vgl. die v.l. ἅ u. schol. bT (AH; LEAF). Viell. ist die Formulierung im Hinblick auf die Tötungsszene gewählt, in der Apollon Patroklos’ Brustpanzer löst (16.804, 16.815), so daß dieser sogleich schwer verwundet wird (16.806f., 16.820f.): FAESI.
461 Thetis schließt mit demjenigen Thema, das ihren Bericht über den Sohn prägt (gr. achéuōn: s. áchnytai 442f., achnéōn 446 [zum Begriff 62n.]), und weist auf seinen Zustand des seelischen Leidens hin: das Bild knüpft an die Szene Vv. 70– 138 an, wo Thetis ihn in Trauer daliegend angetroffen hatte (vgl. auch Iris’ Aufforderung an Achill in 178), und wird 19.4 bei Thetis’ Rückkehr wieder aufgenommen (EDWARDS zu 457–61; KURZ 1966, 41; DE JONG [1987] 2004, 217; vgl. auch 178n., 19.4–6a n.). Der Vers wird von West als Interpolation verdächtigt: WEST 2001, 12 mit Anm. 28 (“rhetorical expansions”) u. 244 Anm. 4 (“a curiously inorganic one appended at the end of Thetis’ appeal”); er paßt jedoch zum Tenor und Ziel der Rede (Mitleid mit ihrem Sohn: s.o. und 429–461n.). — Τρωσὶ δαµείς: ähnlich von Patroklos 17.2; zum Dat. vgl. 102–103n. — θυµὸν ἀχεύων: VE = 5.869, 23.566, Od. 21.318, Hes. Op. 399; zu ἀχεύων MAWET 1979, 345–347 (“état d’âme durable”); vgl. auch 446a n.; zur Verbindung mit θυµός 29n. 462 = 393 (s.d.). 463 = Od. 13.362, 16.436, 24.357; ≈ Il. 19.29; 1. VH bis zur Zäsur C 2 ≈ Od. 4.825, h.Ven. 193. — Zum neg. Imp. Präs. und zur Formel µετὰ φρεσὶ σῇσι (nach der Zäsur C 2) s. 19.29n., außerdem 419–420n.
464–467 Mit der Formulierung eines vergleichenden Wunsches kann der Sprecher die Gewißheit eines eintretenden Ereignissen (y) bekräftigen, indem er diesem einen unerfüllbaren Wunsch (x) gegenüberstellt (‘wäre/geschähe doch x so wie y’), vgl. die ähnlichen Formulierungen 8.538–541 = 13.825–828, 22.346–348, Od. 9.523–925, 15.156–159, (EDWARDS zu 463–7; DE JONG zu Il. 22.346–8; COMBELLACK 1981, bes. 117; NAGY 1990, 296; KELLY 2007, 366f. [‘impossible wishes’]; VAN ERP 2012). Hephaistos geht damit elegant auf die beiden Hauptthemen von Thetis’ Rede ein, ihren Kummer wegen des bald bevorstehenden Todes ihres Sohnes und ihre Bitte um neue Waffen: als Bekräftigung seiner Ermutigung (463) stellt er die Erfüllung ihrer Bitte als sicher eintretendes Ereignis y dar (neue Waf-
460 θώρηχ’: = θώρηκα (= θώρακα: R 2). — ὅ: in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5); der Rel.-Satz ist Obj. zu ἀπώλεσε. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). 461 δαµείς: Ptz. Aor. Pass. zu δάµνηµι. — ὅ: demonstr.-anaphorisch (R 17), sc. Ἀχιλλεύς. — θυµόν: Akk. der Beziehung (R 19.1). 463 τοι: = σοι (R 14.1). — µελόντων: 3. Pl. Imp.; in der hom. Sprache kann das Verb auch bei einem Subjekt im Neutr. Pl. im Plural stehen.
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fen) und setzt parallel dazu seinen – freilich unerfüllbaren – Wunsch x (Achill vor dem Tod zu bewahren), mit dem er sein tiefstes Mitgefühl Thetis gegenüber zum Ausdruck bringt (VAN ERP a.O. 542; vgl. schol. bT zu 464–5; NICKAU 1977, 238 Anm. 22; zur ‘Erfüllungswahrscheinlichkeit’ von ProlepsenP in Reden von Göttern s. 1.212–213n.). Ähnlich wie im Kontext der späteren Rüstungsszene, in der Achill strahlend wie der Sonnengott in den neuen Waffen in den Kampf zieht und zugleich sein Tod angekündigt wird (19.397ff.), ist auch hier durch die Verknüpfung des unabwendbaren Todes mit den vom Schmiedegott geschaffenen Waffen die der Situation inhärente Tragik angedeutet; herausragend ist nicht in erster Linie der Schutz, den die göttlichen Waffen bieten werden (s. allerdings zum Schild 20.259ff., 21.164f., 22.289ff., u. zu den Beinschienen 21.590ff.), sondern ihre ästhetische Wirkung (EDWARDS Introd. 139; MARG [1957] 1971, 46f.; SCHEIN 1984, 140; AUBRIOT 2001, 23f.; RINON 2008, 136f.; vgl. 19.404–418n. a.E.; zu Ankündigungen von Achills Tod s. 95–96n.). – Das Motiv der Undurchdringlichkeit von göttlichen Schutzwaffen ist zwar bisweilen in der Ilias angedeutet (16.793ff. [16.793–804n.], 20.264ff., 22.322ff.), die in nachhom. Literatur bezeugte Unverwundbarkeit Achills (und seine verwundbare Ferse) ist jedoch nirgends erwähnt, vielmehr wird er 23.568–570 für verwundbar gehalten (EDWARDS zu 20.264–7; DE JONG zu Il. 22.322; KAKRIDIS 1961, 291–293; GRIFFIN 1977, 40; BURGESS 2009, 9–15; WEST 2013, 150f.). – Hephaistos ist bisher nicht als Sympathisant einer Kriegspartei aufgetreten (s. seine Zurückhaltung 1.574f. [s.d.]); er hat lediglich einen Sohn seines Priesters in Troia vom Schlachtfeld gerettet (5.9–24; zu den typ. Motiven dieser Szene s. KIRK zu 5.9–26 u. 5.23–4). Am nun folgenden Kampftag wird er aber auf achaiischer Seite mitkämpfen (20.36, 20.73f.) und v.a. auf Heras Bitte Achilleus gegen den Flußgott Skamander mit Feuer zu Hilfe kommen (21.328ff.): FM 15; HIRSCHBERGER 2008, 18. 464–465 θανάτοιο … | νόσφιν ἀποκρύψαι: θανάτοιο νόσφιν bed. ‘fern vom Tod’, mit νόσφιν als Postposition (AH; vgl. 2.346b–347n.), die ganze Wendung dann ‘fern vom Tod verbergen, vor dem Tod verbergen’ (LfgrE s.v. νόσφι(ν)): eine singuläre Formulierung für das Erretten vor dem Tod, für das sonst im hom. Epos öfter Wendungen mit ἐκ θανάτοιο ἐκλύω/-οµαι, σώζω u.ä. verwendet sind (16.442n.; CLARKE 1999, 245f.); sie ist hier wohl im Hinblick auf die Defensivwaffen gewählt, vgl. etwa 8.272 (σάκεϊ κρύπτασκε), 13.405 (κρύφθη … ὑπ’ ἀσπίδι), 14.372f. (κορύθεσσιν | κρύψαντες): LfgrE s.v. κρύπτω. — θανάτοιο δυσηχέος: ebenso 16.442 (s.d.), 22.180; zum Epitheton vgl. 307n. — ὅτε … ἱκάνοι: entweder Modusassimilation an den Opt. im Wunschsatz (LEAF: “the event, though certain, is included by the speaker in the same category of pure imagination as the wish”; EDWARDS zu 463–7; SCHW. 2.649; WAKKER 1994, 186) oder potentialer Opt. (der
464 αἲ γάρ: = εἰ γάρ (vgl. R 22.1), εἴθε. — µιν: = αὐτόν (R 14.1); ebenso 465. — ὧδε: ‘so (gewiß)’, bereitet ὡς 466 vor. 465 ἀποκρύψαι, ὅτε: zum Hiat R 5.6.
Kommentar
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Zeitpunkt ist ungewiß) nach Kupitiv im HS (SCHW. 2.330; ähnlich CHANTR. 2.260). — µόρος: ‘(zugeteiltes) Schicksal’, oft i.S.v. ‘Tod’, vgl. 458 (19.421n.; SARISCHOULIS 2008, 77f.).
466–467 2. VH von 466 ≈ 9.135, 9.277; 1. VH von 467 = Od. 9.352. — Die Ankündigung von schönen, bewundernswerten Waffen wird im ErzählerP-Text mehrfach wiederaufgenommen: bei der Beschreibung der Entstehung der Waffen (479, 482, 549, 612), bei welcher der ErzählerP selbst 549 der erste Bewunderer von Hephaistos’ Kunstwerk sein wird (DE JONG [1987] 2004, 49), und danach bei der Beschreibung ihrer Wirkung auf die Betrachtenden (19.12–19, 19.21f., 19.369ff. [Griechen] und 20.44ff., 22.25ff., 22.134ff. [Troer]: 19.12–19n.). τεύχεα καλά: Formel vor der Zäsur B 2 (84n.). — παρέσσεται: ‘werden vorhanden sein, zur Verfügung stehen’, Ausdruck für das Versprechen von Gaben wie 1.213 (Athene), 9.135/277 (Agamemnon): RENGAKOS 1993, 63f. (mit Hinweis auf Nachahmung bei Apoll. Rhod.). — τις … | ἀνθρώπων πολέων: τις kollektiv (vgl. 122n.): ‘manch einer der Menschen, der zahlreichen’ (vgl. LEAF). — αὖτε: ‘dann später’ (LfgrE s.v. 1584.20ff.; vgl. auch BONIFAZI 2012, 220f.). — ὅς κεν ἴδηται: ebenso 14.416, 17.93, 17.100; θαυµάσσεται, ὅς κεν ἴδηται ist Steigerung der VE-Formel θαῦµα ἰδέσθαι (83n.).
468–617 Die Fertigung von Achills Rüstung. I. Die Herstellung der Rüstung (‘Hoplopoiie’: 468–613): A. Vorbereitungen für die Herstellung (468–477) B. Der Schild (478–608): 1. Die Erschaffung des Schildes: a. Vorbemerkungen zur Darstellung b. Der Aufbau der Textpassage 2. Das Produkt: a. Die Gestalt des Produkts (Archäologisches) b. Das Bildprogramm und seine Bezüge zum Gesamtwerk 3. Die sprachliche Darstellung 4. Die Funktion der Schild-Passage im Gesamtwerk und ihre poetologische Bedeutung 5. Vers-Kommentierung C. Die weiteren Teile der Rüstung: Panzer, Helm, Beinschienen (609–613) II. Die Entgegennahme der Rüstung durch Thetis (614–617)
466 ὡς: ‘wie’. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1). — παρέσσεται: zur Form R 16.6. — οἷα: bezogen auf τεύχεα καλά: ‘so schöne Waffen, daß sie …’. 467 πολέων: zur Flexion R 12.2. — θαυµάσσεται, ἴδηται: zum Med. R 23. — κεν: = ἄν (R 24.5).
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In dieser letzten Szene des 18. Gesangs, ‘Fertigung von Achills Rüstung’, nimmt die Ausschmückung des Schildes den größten Raum ein: Der Erzähler benennt zunächst die für die Schmiede-Arbeit verwendeten Metalle (474f. [s.d.]; beim Schildschmuck s. bes. 517, 549, 562f., 565, 574, 577) und Werkzeuge (476f.). Danach schildert er die Herstellung des Schildkörpers (478–482) sowie die kontinuierlich fortschreitende Arbeit des Schmiedekünstlers Hephaistos an der bildlichen Verzierung des Schildes (483–608: Abschn. B.1.b.). Auf das speziell Technische des Schmiedehandwerks legt er jedoch ebenso wenig Gewicht (476–477n.) wie auf die konkrete Realisierbarkeit und Nutzbarkeit dieses Metall-Schildes im Kampf. Zur Position des Bildschmucks auf dem Schildkörper gibt er – mit Ausnahme des Okeanos am Schildrand (607f.) – ebenfalls keine präzisen Hinweise. Vor diesem Hintergrund erscheint die vieldiskutierte Frage nach dem konkreten Aussehen des Schildes en détail als wenig ergiebig. Die Ursache dafür liegt in der vom Erzähler angezielten Funktion der Schildbeschreibung innerhalb des Werkganzen: Der Erzähler hat offenkundig nicht den Ehrgeiz, ein handwerkliches Meisterstück möglichst detailgetreu mit Worten zu veranschaulichen, sondern er will – durchaus in Anlehnung an inspirierende Vorbilder in Artefakten seiner Zeit – für seinen außergewöhnlichen Helden Achilleus einen außergewöhnlichen Schild fertigen lassen, der mit seinem Bildwerk die Möglichkeiten eines realen Schildes übersteigt (Abschn. B.2.a.). Zu diesem Zweck läßt er den göttlichen Kunstschmied gleich einem Dichter Bilder mit Figuren und Szenen auf dem Schild gestalten, in denen sich Motive und Handlungsstränge des rahmenden Wortkunstwerks ‘Ilias’ spiegeln (‘récit spéculaire’, ‘mise en abyme’: s. Argument-FunktionP a.E.). Eben diesem Zweck, bildende Kunst und Poesie interagieren zu lassen, dient der Kunstgriff, an die Stelle einer statischen Beschreibung des (fertigen) Kunstwerks durch ständige Wiederholung von Verben der Herstellung (u.a. gr. póiei/póiēse ‘er machte’, das gleichermaßen für Hand-Werk wie Wort-Werk gebraucht wird, vgl. ‘Poesie’ [478n.]) sprachlich den Nachvollzug der Werkentstehung zu setzen. Der Interpretation stellt sich damit in erster Linie die Aufgabe, die Funktion der Ekphrasis ‘Schildfertigungsbeschreibung’ herauszuarbeiten, zunächst im Hinblick auf den Schildträger (Abschn. B.1.a. u. B.2.b.), dann aber, darüber hinausgehend, v.a. im Hinblick auf die poetologische Bedeutung dieser Schildschaffungsszene (Abschn. B.3. und B.4.). A. 468–477 Vorbereitungen für die sog. Hoplo-poiie (‘Waffen-Fertigung’ 478– 613): Hephaistos richtet in der Schmiedewerkstatt die Feuerstelle her und legt das Material und sein Werkzeug bereit (versch. Metalle sowie Amboß, Hammer, Zange).
Kommentar
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468 ≈ 4.292, 4.364, Od. 17.254. — Die formelhafte Wendung signalisiert Bewegungseinsatz und Schauplatzwechsel (KURZ 1966, 103f.; vgl. auch 1.428n.). — ließ die zurück dort: Thetis wird von Charis im Haus bewirtet (422n.). ὣς εἰπών: 343n. — φύσας: 372n.
469 zum Feuer hin: Hephaistos hatte die Blasebälge von der Feuerstelle entfernt (412). — wies sie an, zu werken: Hephaistos’ Blasebälge sind selbsttätige Automaten, die ihm auf seinen Befehl hin zuarbeiten und die Luftzufuhr nach Wunsch dosieren (472f.), vergleichbar mit seinen Dreifüßen, die sich selbständig bewegen (375–377): LEAF; PELLICCIA 1995, 51 Anm. 81; zu Hephaistos’ Wunder-Gebilden und zum Motiv der hilfreichen Objekte vgl. 376n., 417–420n. 470 zwanzig: 373n. φῦσαι … ἐφύσων: φυσάω ist Ableitung zu φῦσα (also figura etymologica am VA u. VE; vgl. FEHLING 1969, 158; TZAMALI 1996, 482, mit gr. u. aind. Beispielen) und wird für das geräuschvolle Feuer-Anblasen (s. noch 23.218) und für das Schnauben von Tieren (16.506) verwendet. – Insgesamt zeigt der Vers onomatopoetische Gestaltung mit den aspirierten Lauten φ-, χ-, -φ- und den Endsilben -σαι, -σιν, -σι, -σων (BECKER 1995, 90). — χοάνοισιν: hom. hapaxP, Ableitung zu χέω, daher oft gedeutet als ‘Schmelztiegel, -ofen’ od. als Bez. für die Vertiefung, in die geschmolzenes Metall gegossen wurde (schol. T u. D; LSJ s.v. χοανεύω; RISCH 98f.; MADER 1970, 237 Anm. 3; WEST zu Hes. Th. 863 ἐν ἐϋτρήτοις [‘gut durchbohrt’] χοάνοισι: Schmelztiegel od. -ofen mit Löchern für die Luftzufuhr; vgl. auch zum Adj. αὐτο-χόωνος [23.826] LfgrE s.v.; RICHARDSON zu Il. 23.826 [‘self-moulded’ od. ‘self-cast’]; FORBES 1967, 31 [‘festgegossen’]); hier kann es aber auch eine Bez. für Düsen od. Rohre sein, durch die dem Feuer die Luft der Blasebälge zugeführt wird, vgl. att. χοάνη, χώνη ‘Düse, Trichter’ (EDWARDS). — ἐείκοσι πᾶσαι: 373n. 471 Vier-Wort-Vers (1.75n.). — παντοίην εὔπρηστον ἀϋτµήν: beschreibt den (in Stärke und Blasrichtung) vielfältigen Luftstrom, der das Feuer nach Wunsch lodern läßt (472f.): Das hapax legomenonP εὔπρηστον bed. wohl ‘gut geblasen’ (schol. D: εὐφύσητον; BUTTMANN [1818] 1825, 105; GRAZ 1965, 225; vgl. LfgrE s.vv. παντοῖος u. πρηστήρ); es ist Verbaladj. zu πρήθω, das u.a. ‘blasen’ bedeuten kann (1.481), außerdem auch ‘anschwellen lassen’ u. ‘anzünden’ (2.415n.; LfgrE s.v. πρήθω; vgl. auch πρηστήρ Hes. Th. 846 im Kontext von Wind- und Feuersturm). — ἀϋτµήν: Bez. für eine Luftbewegung, hier vergleichbar mit dem ‘Wehen’ des Windes (Od. 3.289, 11.400), sonst meist für den Atem (Il. 9.609, 10.89, 23.765) od. den Gluthauch des Feuers (21.366f., Od. 9.389 u.ö.), außerdem für den
468 τήν: auf Thetis bezogen, anaphorisch zu τὴν δ(έ) 462, das seinerseits auf 428 zurückweist; zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — λίπεν … βῆ: zu den augmentlosen Formen R 16.1. — αὐτοῦ: Adv., ‘an Ort und Stelle, dort’. 469 ἐς: = εἰς (R 20.1). — τε (ϝ)εργάζεσθαι: zur Prosodie R 4.3. 470 χοάνοισιν: zur Flexion R 11.2. — ἐείκοσι: 373n. — πᾶσαι ἐφύσων: zur Hiatkürzung R 5.5. 471 παντοίην: zum -η- nach -ι- R 2. — ἐξανιεῖσαι: Ptz. Präs. Fem. zu ἐξ-αν-ίηµι ‘nach oben aussenden, ausstoßen’.
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sich im Luftraum ausbreitenden Wohlgeruch von Heras Öl (Il. 14.174): LfgrE s.v.; GRAZ 1965, 308f. 472 ἄλλοτε µὲν …, ἄλλοτε δ’ αὖτε: ‘bald …, dann wieder’ (zum Versbau s. 159 [158b–160n.], 24.10 [s.d.], Od. 4.102, 11.303, 16.209); als Subj. zu παρέµµεναι (‘da sein, zur Verfügung stehen’) ist entweder ἀϋτµή zu denken (AH; FAESI) oder eher die Blasebälge (LfgrE s.v. εἰµί 456.69f.). Die brachylogische Formulierung mit ἄλλοτε δ’ αὖτε ist zwar etwas unscharf, läßt aber mit der Fortsetzung in 473 an versch. Abstufungen in der Luftzufuhr denken (s. παντοίην), wohl je nach zu verarbeitendem Metall und Arbeitsstand des Hephaistos, also entweder ‘dem Geschäftigen bald so, bald so zur Verfügung zu stehen, je nachdem, wie H. es wollte’ (vgl. AH zu 473; EDWARDS zu 468–73) oder ‘bald dem Geschäftigen zur Verfügung zu stehen, bald wiederum ⟨nicht⟩’ (LA ROCHE; BEKKER 1872, 36f.; LEAF; WILLCOCK). 473 ὅππως … ἐθέλοι … ἄνοιτο: ‘je nachdem, wie’, mit iterativischem Opt. (AH). ἄνοιτο ist Opt. Präs. zu themat. ἄν(ϝ)οµαι (neben ἄνυµαι), aber mit kurzvokalischem ᾰ̓ν(langvokalisches Präs. dagegen 10.251, Od. 2.58, 17.537), also ohne Nachwirkung des ϝ (CHANTR. 1.161; SOLMSEN 1901, 92f.; zur v.l. mit Opt. ἄνυτο/ἀνῦτο für ἀνυῖτο [bevorzugt von LEAF; SCHW. 1.696 Anm. 10] vgl. 24.665n. zur Diskussion über den Zeitpunkt der Kontraktion υι > ῡ). Das Med. bed. ‘dem Ende entgegen gehen, zu Ende kommen’, mit Subj. ἔργον (‘und wie das Werk dem Ende entgegen ging’, d.h. je nach Arbeitsphase), ähnlich noch Od. 5.243 (θοῶς δὲ οἱ ἤνυτο ἔργον), von der Zeit Il. 10.251 (νὺξ ἄνεται): LEAF; LfgrE s.v. ἄνυµαι.
474–475 Aufzählung der verwendeten Rohstoffe: Das gr. Subst. chalkós ist der im hom. Epos üblicherweise verwendete Begriff für Bronze, die Legierung für Waffen (2.226n., 6.3n.; LfgrE s.v. χαλκός mit Lit.), v.a. auch in Verbindung mit dem Adjektiv ‘unabnutzbar, unverwüstlich’ (gr. ateirḗs, s.u.; BECKER 1995, 93). An der vorl. Stelle muß es aber Bezeichnung für einen Rohstoff sein, neben den Metallen Zinn, Gold und Silber also für Kupfer, das zusammen mit Zinn (gr. kassíteros) für die Herstellung von Bronze gebraucht wird; viell. gilt dies auch für 9.365, wo chalkós als ‘rötlich’ (gr. erythrós) beschrieben wird (LfgrE s.v. χαλκός 1122.4ff.; FORBES 1967, 21f.; MÜLLER 1974, 118; s. auch GRAY 1954, 1 Anm. 4). Gemäß der folgenden Schilderung dienen die eher weichen Metalle Gold, Silber und Zinn der Dekoration des Schildes sowie einzelner Teile von Achills Rüstung, wodurch verschiedene Farbeffekte erzielt werden (vgl. auch Agamemnons Waffen 11.24–40): (a) Gold als Wettkampfpreis (507), für Figuren (516f., 577), den Acker beim Pflügen (548f.), den Weinberg (562) und die Dolche der Tänzer (597f.), außerdem an Achills Helmbusch (611f.); (b) Silber für die Tragriemen der Dolche (598) und für die Pfähle des Weinbergs (563), außerdem am Tragriemen des 472 παρέµµεναι: = παρεῖναι (R 16.4); finaler Inf., zur Konstruktion ↑. 473 ὅππως: zum -ππ- R 9.1. — καὶ (ϝ)έργον: zur Prosodie R 4.4. 474 ἀτειρέα: zur unkontrahierten Form R 6. 475 αὐτάρ: ‘aber’ (R 24.2).
Kommentar
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Schildes (480); (c) Zinn für die Einfriedung des Weinbergs (564f.) und neben Gold für das Fell der Rinder (574), außerdem an Achills Beinschienen (613): LfgrE s.vv. κασσίτερος u. χρυσός; GRAY a.O. 1. 3–5. 12; FITTSCHEN 1973, 5f.; (d) zudem könnten dunkle Farbeffekte erzielt werden, indem Kupfer, Zinn, Gold und Silber zu schwarzpatinierter Bronze, dem sog. Corinthium aes, verarbeitet werden (GIUMLIA-MAIR/CRADDOCK 1993, 20f.; vgl. 564n.). Allg. zu den genannten Metallen in den hom. Epen und zu ihrer Verarbeitung in der Antike s. GRAY 1954; FORBES a.O. 15–29; MÜLLER a.O. 116ff.; zu Silberverzierungen an Beinschienen und Schwertern 3.331n., 3.334n.; zu Gold und Silber an Waffen von Göttern 1.37n., 2.448n., 24.21n.; allg. zu Edelmetallen an Waffen BUCHHOLZ 2012, 202–206. χαλκὸν … ἀτειρέα: Sprengung einer sonst als Bez. für Waffen verwendeten flektierbaren Formel (Akk. im Versinnern: 2× Il., Nom. am VE: 3× Il.): 19.233a n.; zum Phänomen FOR2); zu ἀτειρής (‘unzerreibbar, unabnutzbar, unverwüstlich’) 3.60n. — κασσίτερον: Zu den verschiedenen Theorien über die Herkunft des Wortes s. FREEMAN 1999. — χρυσὸν τιµῆντα: Zur kontrahierten Form des Adj. τιµή(ϝ)εις (‘wertvoll’) neben unkontrahiertem χρ. … τιµήεντος/τιµήεντα (Od. 8.393, 11.327) s. G 43f.; CHANTR. 1.32; SCHW. 1.527 mit Anm. 2; WACHTER 2012, 72f. 78. — αὐτὰρ ἔπειτα: Formel am VA, VE und nach der Zäsur A 3: typische parataktische Satzverbindung (24.273–274n.).
476–477 476 ≈ Od. 8.274. — Aufzählung von Schmiedewerkzeug, wobei die unterschiedliche Bearbeitung der verschiedenen Metalle keine Rolle spielt: Der Erzähler skizziert Hephaistos’ Vorgehen durch Nennung von Material und Werkzeugen eher im Hinblick auf das Bildhaft-Atmosphärische einer Schmiede-Szene als auf die technischen Details (vgl. schol. bT zu 476–7 u. schol. A zu 483; CERRI zu 468–477; STUBBINGS 1962a, 536; BECKER 1995, 94f.), viell. beeinflußt vom Gedanken an zeitgenössische Eisenverarbeitung (vgl. 6.3n.); denn der ‘schwere Hammer’ paßt eher für das Hämmern von glühendem Eisen, während Gold, Silber, Kupfer und Bronze für Treibarbeit in kaltem Zustand mit einem leichten Hammer bearbeitet wurden (GRAY 1954, 12f.; FORBES 1967, 14f. 35; FITTSCHEN 1973, 6; CANCIANI 1984, 99f.; DNP s.v. Metallurgie; s. auch WEST zu Od. 3.432–3 [Werkzeug eines Goldschmieds]). θῆκεν … ἀκµοθέτῳ … ἄκµονα: zur Wiederholung des Wortstammes vgl. 470n.; ἄκµων, ein in mehreren idg. Sprachen belegtes Wort für ‘Stein’ (FRISK; DELG; BEEKES s.v. mit Lit.), bez. im Griechischen den Amboß (urspr. einen dafür zugerichteten Stein: FORBES 1967, 14f.); zu ἀκµό-θετον 410n. — γέντο: bed. ‘er ergriff’, ebenso noch 8.43 = 13.25, 13.241; isolierte athemat. Form mit Aor.-Funktion, gehört wohl zur gleichen Wz. wie γέµω ‘voll sein’ (CHANTR. 1.297; 384; LfgrE s.v. γέντο I; FRISK, DELG, BEEKES s.v. γέντο; LIV
476 θῆκεν: augmentlose (R 16.1) 3. Sg. Aor. zu τίθηµι. — γέντο: R 16.1 u. ↑. 477 κρατερόν(ν), ἑτέρηφι: zur Prosodie ↑ (hier zudem an Zäsurstelle: M 8); zu ἑτέρηφι erg. χειρί (↑); zur Endung -φι R 11.4. — πυράγρην: zum -η- nach -ρ- R 2.
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186). — χειρί | … , ἑτέρηφι δέ: Antithese, die im ersten Glied formal nicht bezeichnet ist (LfgrE s.v. ἕτερος 757.54ff.; s. auch 24.528n.). Während im gr. Epos sonst meist zuerst die linke Hand (Nebenhandlung) vor der rechten (weiterführende Haupthandlung) genannt wird, ist es hier wohl umgekehrt (Hammer in der rechten, Zange in der linken Hand), s. auch Od. 19.480f. χείρ’ … λάβε δεξιτερῆφι, | τῇ δ’ ἑτέρῃ (WEST zu Hes. Th. 179; LfgrE s.v. σκαιός). — ῥαιστῆρα κρατερόν: ῥαιστήρ (nur hier im fgrE) ist nomen agentis zu ῥαίω ‘zerschmettern’, als Bez. für den Schmiedehammer (vgl. 220n.); es ist also urspr. mask., die Hauptüberlief. κρατερήν wohl aus metr. Gründen (zu κρατερόν(ν), ἑτέρηφι s. *sm̥ tero- mit G 16). Dagegen bez. σφῦρα Od. 3.434 den Hammer eines Goldschmiedes (LfgrE s.v. ῥαιστήρ; CANCIANI 1984, 99–101). — πυράγρην: verbales Rektionskompositum, der zweite Bestandteil ist von ἀγρέω (‘ergreifen’) abgeleitet (LfgrE s.v.; FRISK s.v. ἄγρα; RISCH 207).
B. 478–608 Beginn der eigentlichen ‘Hoplopoiie’: Hephaistos schmiedet den Schild des Achilleus. B.1.a. Vorbemerkungen zur Darstellung Bei der Beschreibung von Gegenständen verwendet der ErzählerP gewöhnlich anstelle der rein deskriptiven Beschreibung des fertigen Zustandes die dynamische des Herstellungsprozesses (1.234–239n., 24.266–274n.); während solche Beschreibungen vorwiegend in externen AnalepsenP erscheinen (2.101–108n.), ist bei Achills Schild der Herstellungsprozeß Teil der Haupthandlung selbst (s. Einleitung zu 468– 617). Zusammen mit den Vv. 474–477 (Vorbereitung von Material und Werkzeug) wird das Bild des arbeitenden Schmiedegottes bis fast zum Ende des Gesanges (V. 614) aufrechterhalten, indem auch in der detaillierten Schilderung der Bilder auf dem Schild durch kurze eingestreute Hinweise immer wieder der Herstellungsprozeß in Erinnerung gerufen (Abschn. B.1.b.) und so der Eindruck einer reinen Gegenstandsbeschreibung vermieden wird (so schon LESSING 1766, Kap. 18f.; WILLENBROCK [1944] 1969, 58f.). Aufgrund dieser Gestaltung wurde der ganze 18. Gesang in der Antike als hoplo-poiía (‘Waffen-Herstellung’) bezeichnet (Eust. 1127.16). Innerhalb der Ilias ist die Beschreibung der Herstellung von Achills Waffen das Gegenstück zur Beschreibung von Agamemnons Waffen vor dessen Aristie (11.15ff., bes. 19–28 Brustpanzer, 32–40 Schild), mit der die Schilderung dieses dritten, verhängnisvollen Kampftages begonnen hat (vgl. STR 21, Abb. 1; zur Plazierung der ‘Hoplopoiie’ s. auch 478n.). – Die Passage über den Schild des Achilleus ist die längste Gegenstandsbeschreibung der hom. Epen. Sie dient dem ErzählerP zur Qualifizierung des Schildträgers und zur Erhöhung der Erwartungshaltung vor dessen Aristie (je umfangreicher die Beschreibung, desto bedeutsamer die nachfolgende Handlung, in welcher der Gegenstand zum Einsatz kommt): WILLENBROCK a.O. 61ff.; MÜLLER 1968, 157f.; AUBRIOT 1999, 9–12; MINCHIN 1999, 63f.; 2001, 128– 131; PURVES 2010, 47; vgl. Prinzip der ausführlichen DarstellungP u. RetardationP ; 2.101–108n., 2.447–449n., 24.266–274n. Sie bietet dem ErzählerP aber auch die Ge-
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legenheit zur Präsentation seiner Virtuosität und seines poetischen Schaffens (DE JONG 2011; Abschn. B.2.b.–B.4.). Die Literatur zum Schild des Achilleus ist äußerst umfangreich: grundlegend sind MARG [1957] 1971, 38f.; EDWARDS; BECKER 1995; ausführliche Bibliographien s. FITTSCHEN 1977, 25–27; ARPAIA 2010 (für die Jahre 1945–2008, thematisch gegliedert); s. auch NTHS 61; neuere Lit.: FRANCIS 2009, 2012; WEBB 2009; DE JONG 2011; SCHEID-TISSINIER 2011; CARRUESCO (im Druck); weitere Lit. zu besonders intensiv diskutierten Szenen s. 498–501n., 506–508n., 509–540n., 556b–557n., 558–560n., 570n., 590–606n., 590n., 592n., 604b–605a n. B.1.b. Der Aufbau der Textpassage Die Gliederung der Passage ist markiert durch die wiederkehrenden Formulierungen ‘darauf schuf/machte/setzte er XY’ (483, 490, 541, 550, 561, 573, 587, 590, 607; zu den verschiedenen gr. Verben 478n.); dadurch bewirkt der ErzählerP eine Rhythmisierung des Textes (RitornellkompositionP: EDWARDS S. 206; GÄRTNER 1976, 51– 53; WIRBELAUER 1996, 144f. u. 147–155; MOOG 2001, 11. 16), ruft immer wieder den Akt des Erschaffens in Erinnerung und erfaßt mit der Formulierung jeweils in einem Vers den Künstler, das Kunstwerk und das Abgebildete (BECKER 1995, 42f. 102. 107: “ars et artifex, opus, and res ipsae”; NÜNLIST 1998, 84f.). Teil (1): der Schildkörper (478–482: ‘er machte’ [gr. póiei] 478/482); Teil (2): der Bildschmuck auf der Schildfläche (483–608): (I) 483–489 kosmische Phänomene: Erde, Himmel, Meer, Himmelskörper (483 ‘darauf schuf er …’ [gr. en men … éteux’]); (II) 490–606 Szenen auf der Erde, gegliedert durch Einleitungsverse mit Angabe der Szenerie: (A) 490–540 zwei Städte (490 ‘darauf machte er …’ [gr. en de … póiēse]): (A1) in der einen (‘Stadt im Frieden’) Hochzeitsfest (491–496) und Streitschlichtung auf der agorḗ (497–508); (A2) die andere (‘Stadt im Krieg’) im Belagerungszustand (509–540: Situationsschilderung [509–512], Hinterhalt mit Viehraub [513–529], Schlacht [530–540]); (B) 541–572 Arbeiten in der Landwirtschaft (3× ‘darauf setzte er’ [gr. en d’ etíthei]): (B1) 541–549 Pflügen auf einem Brachfeld; (B2) 550–560 Mähen eines Getreidefeldes; (B3) 561–572 Weinlese im Weinberg; (C) 573–589 Viehherden (2× ‘darauf machte er …’ [gr. en de … póiēse]): (C1) 573–586 Rinderherde mit Löwenangriff; (C2) 587–589 Schafweide; (D) 590–606 Reigentanz (‘darauf gestaltete er …’ [gr. en de … póikille]); (III) 607–608 Okeanos am äußeren Schildrand (‘darauf setzte er’ [en d’ etíthei]).
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In bezug auf die inhaltliche Komposition des Textes läßt sich das Prinzip der RingkompositionP sowohl in der Abgrenzung der gesamten Passage vom Kontext (478/609) als auch innerhalb der Passage in der Anordnung einzelner wiederkehrender Motive erkennen: in (I) und (III) kosmische Phänomene (483–489n., 607– 608n.); in (A 1) und (D), der ersten und letzten irdischen Szene, Tanz und Zuschauer (590–606n.); in (A 2) und (C 1) Viehherden und Kampf (REDFIELD [1975] 1994, 188, mit starker Betonung des Wechsels von nature u. culture; TAPLIN [1980] 2001, 348–356). Darüber hinaus gibt es verschiedene, jedoch nicht immer restlos überzeugende Versuche, feinere Strukturen der inhaltlichen Komposition aufzudecken: vielfache RingkompositionenP (GÄRTNER 1976, 52f.; STANLEY 1993, 9–13; MOOG 2001, 11 mit Anm. 42; HEIDEN 2008, 216–222 [dazu Kreisbewegung in den Bildern]); Zweier- u. Dreiergruppen von Szenen (WIRBELAUER 1996, 154f. mit Anm. 45); Prinzip des Diptychons in den Bildern, d.h. “deux possibilités d’une seule unité” (CAVALLERO 2003, 190f.); Gliederung nach “spatial frames” (TSAGALIS 2012, 425–429. 440). B.2.a. Die Gestalt des Produkts: Archäologisches (s. auch 479b–480n., 481n.) In den hom. Epen werden zwei Schildtypen beschrieben: (a) der größere, den Körper bis zu den Knöcheln deckende Langschild (6.117–118n. [s.v. σφυρὰ τύπτε καὶ αὐχένα]), der schon in frühmykenischer Zeit archäologisch belegt ist; (b) der kleinere, handlichere, seit dem 13. Jh. bezeugte Rundschild (3.347n.), der auch noch in geometrischer Zeit gebräuchlich und dem Erzähler wohl vertraut war (2.388–389n.; zu den archäol. Zeugnissen von Schilden s. BORCHHARDT 1977, 1–56; SHEAR 2000, 30–42; FRANZ 2002, 48–51; BUCHHOLZ 2010, 209–213; s. auch CERRI S. 39–42; weitere Lit. bei EDWARDS S. 200f.). In den Waffenbeschreibungen wird jedoch nicht immer klar zwischen Rund- und Langschild differenziert (entweder aufgrund der Vermischung von Elementen unterschiedlicher Zeit und Herkunft in der ep. Tradition oder aufgrund poetischer Phantasie, mit welcher der Erzähler Schilde je nach Situation beschreibt: 6.117–118n. [s.v. ἀσπίδος ὀµφαλοέσσης]; RAAFLAUB 2011, bes. 10–14; zu den beiden gr. Schild-Bezeichnungen 458n.). Zwar werden auch zur Form von Achills Schild keine expliziten Hinweise gegeben (auch bleibt der Schildbuckel der Rundschilde [19.360n.] hier unerwähnt), aber die Tatsache, daß der Ringstrom Okeanos das Ganze umrahmt, suggeriert die Vorstellung einer runden Form analog der runden Erdscheibe, ebenso viell. der Vergleich des Schildes mit dem Mond 19.374 (s.d.) und die Präsenz von runden Formen und Kreisbewegungen in einigen Bildern (FITTSCHEN 1973, 7 mit Anm. 31; SIMON 1995, 127f. 130; MOOG 2001, 15f.; anders SHEAR 2000, 31. 33: der größte Griechenheld brauche einen großen, repräsentativen Schild, der nicht kleiner sein dürfe als Aias’ Langschild). Mögliche Anregungen für Dekoration einer runden Fläche finden sich auf realen Objekten wie etwa auf orientalisch beeinflußten kretischen Bronzeschilden und auf phönizischen Silber- und Bronzeschalen der geometrischen Zeit, die aus Zypern
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stammen (konzentrische, mit figürlichen Darstellungen angefüllte Ringe, u.a. Angriff auf eine Stadt, ländliche Szenen, Tiere, Reigen); solche Objekte könnten dem Erzähler als Vorbild gedient haben, vgl. die lobende Erwähnung eines phönizischen Silberkraters 23.741–749 (RICHARDSON z.St.), außerdem Od. 4.615–619 = 15.115– 119 (EDWARDS S. 203–205; HELBIG [1884] 1887, 409–415; FITTSCHEN 1973, 7–10 mit Abb. 1–4; D’ACUNTO 2010, 162–166; WEST 2011, 18; zu den kret. Bronzeschilden KUNZE 1931; zu den phön. Metallschalen MARKOE 1985; weitere Lit. bei D’ACUNTO a.O. 193–198). Es wird daher angenommen, daß der ErzählerP im Hinblick auf die Anlage des Bildschmucks eher von der kyprisch-phönizischen Kunst seiner eigenen Zeit angeregt worden sei als von mykenischen Vorbildern, im Hinblick auf die Motive auch von der geometrischen Vasenkunst (zur Diskussion u. älteren Lit. SCHADEWALDT [1938] 1965, 357–361; FITTSCHEN 1973, 5–17; CRIELAARD 1995, 217–224; D’ACUNTO 2010, 155ff., bes. 192f.; vgl. auch HAINSWORTH zu Il. 11.20 [Agamemnons Panzer aus Zypern]; WEST 1997, 99–101 [zu phönizischen Vorbildern in der Kunst]; SNODGRASS 1998, 40–44. 64f. 161f. u. CARRUESCO [im Druck] [zu geometrischen Vasenbildern, s. dazu auch 593–602n., 594n.]; anders SHEAR 2000, 30–33; 2004, 59f. 145 Anm. 476 [die Schild-Dekoration sei von myk. Kunst beeinflußt]). Über die Technik der Bild-Herstellung wird in der ganzen Text-Passage nichts gesagt (s. auch 476–477n.), so daß unklar bleibt, ob die Bilder nach Vorbild von mykenischen ‘Metallgemälden’ als Einlegearbeiten verschiedener Metalle (sog. Tauschierung) zu denken sind oder nicht (pro: SIMON 1995, 129f.; contra: FITTSCHEN 1973, 6). Grundsätzlich ist nicht davon auszugehen, daß der ErzählerP einen ‘realen’, in der Wirklichkeit nachbildbaren Schild beschreiben wollte, und es ist zu bezweifeln, ob er überhaupt eine Vorstellung von der Anordnung der Szenen auf dem Schild vermitteln wollte (dazu auch 497–508n. a.E., 509–540n.; zu Hinweisen auf räumliche Gestaltung in den einzelnen Bildern s. ELLIGER 1975, 32–43). Vielmehr läßt er ein phantastisches Wunderwerk erstehen, das mit gewissen Realitätsbezügen ausgestattet ist, einen vom Schmiedegott persönlich in jeder Hinsicht außergewöhnlich gestalteten Schild, bestimmt für den größten Griechenhelden (vgl. den turmgleichen Schild des großen Aias 7.219ff.); wichtiger ist dessen Gesamtwirkung und die Wirkung jeder einzelnen Szene und ihre inhaltliche Bedeutung, v.a. auch im Hinblick auf die Ilias-Handlung, s.u. Abschn. B.2.b. (MARG [1957] 1971, 30; GÄRTNER 1976, 48f. u. 55; TAPLIN [1980] 2001, 345; AUBRIOT 1999, 11f.; OTTO 2009, 179–184; PURVES 2010, 50–52). Trotzdem existieren viele Vorschläge und Rekonstruktionsversuche zur Verteilung der Bilder auf konzentrische Ringe (vgl. die archäol. Funde), wobei mit der sprachlichen Struktur des Textes (Abschn. B.1.b.) und den in 481 (s.d.) erwähnten ‘fünf Schichten’ argumentiert wird: Meistens wird davon ausgegangen, daß (a) der ErzählerP die Beschreibung im Zentrum beginnt (483f.), da an deren Ende (607f.) der äußerste Schild-Rand mit dem Okeanos besetzt ist (GÄRTNER 1976, 47f. 55); daß (b) im innersten Kreis oder Ring um den Schildbuckel Erde,
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Himmel, Meer und Gestirne, darum herum ein Ring mit den beiden Städten abgebildet zu denken ist. Aber über die Gesamtzahl der Ringe und die Verteilung der drei Szenen mit Landarbeit, der beiden Szenen mit Viehherden und der Darstellung des Reigentanzes auf weitere zwei od. drei Ringe gibt es unterschiedliche Vorstellungen (s. z.B. VAN LEEUWEN zu 483–608; WILLCOCK zu 478–608 u. Abb. S. 270; EDWARDS S. 207 u. zu 483; FITTSCHEN 1973, 3f. 9f. u. Taf. III; REDFIELD [1975] 1994, 187f.; HUBBARD 1992, 27–35; GIULIANI 2003, 39f.; HEIDEN 2008, 216–218; zu antiken Darstellungen von Schildszenen auf den Tabulae Iliacae s. SQUIRE 2011, 303–370).
B.2.b. Das Bildprogramm und seine Bezüge zum Gesamtwerk Der Vergleich des Bildschmuckes dieses Schildes mit demjenigen anderer Schilde zeigt dessen Einmaligkeit und weckt die Frage nach der Bedeutung der Bilder im Hinblick auf den Schildträger (TAPLIN [1980] 2001, 342–345): Andere Schilde sind üblicherweise mit furchteinflößenden Figuren wie Gorgo und Personifikationen von ‘Furcht’ und ‘Schrecken’ verziert (11.32–40 Agamemnons Schild, 5.738–742 die von Athene getragene Aigis des Zeus) und zeigen somit die übliche apotropäische Funktion des Schildschmuckes (vgl. auch die Gestaltung von Achills Schild bei Euripides El. 442–486), die auch beim pseudo-hesiodeischen Herakles-Schild dominiert (dazu SCHADEWALDT [1938] 1965, 362f.; REINHARDT 1961, 408f.). Der Bildschmuck auf Achills Schild hingegen zeigt neben den Repräsentanten der kosmischen Weltordnung wie Himmel, Okeanos und Gestirne mit ihrem ewigen Lauf auch verschiedene Motive des Alltagslebens, die z.T. mehrfach in Variationen dargestellt sind (Feste, Musik und Tanz: 491b–496n., 494n., 570n., 590–606n., 605b–606n.; Landleben: 541–572n., 573–589n.; Streit, Kampf und Tod: 497–508n., 509–540n., 513n., 579–586n.). Darin sind auf dem Schild beide Geschlechter und alle Altersgruppen vom Kind bis zum Greis vertreten; gerade die mehrfach dargestellten Tanzszenen zeigen einen Anlaß, an dem der große Teil einer Gemeinschaft teilhaben kann, sei es beim Tanzen oder beim Zuschauen (492–496, 567–572, 593–604). Vielfach ist das gemeinsame Planen und Agieren aller zum Wohl einer Gemeinschaft, das Einander-Zuarbeiten, das Sich-harmonisch-Bewegen oder die Konsenssuche thematisiert, z.T. auch in Kontrast zu Streit, Raub und Krieg gesetzt (s. bes. 490– 540n., 550–556a n., 558–560n., 590–606n.; vgl. EDWARDS S. 208f.). Von vielen Interpreten ist zu Recht hervorgehoben worden, daß die Bilder nicht ein vollständiges Abbild der Welt darstellen sollen – es ist doch auch einiges beiseite gelassen (SCHADEWALDT a.O. 376; REINHARDT a.O. 401f.) –, sondern daß sie in einen Bezug zur Ilias zu setzen sind. Zur Deutung der Bilder gibt es jedoch verschiedene Vorstellungen: (1) die Erschaffung des Schildes und seiner Bilder werden als Allegorie der Kosmogonie verstanden (in der Antike vorherrschende Interpretation: HARDIE 1985, 15ff.); (2) sie zeigen eine Gegenwelt zur Ilias (MARG [1957] 1971, 35ff. [mit Gewicht auf der Freude über diese Welt]; REINHARDT a.O. 401–411 [funktionierende Aristokratie vs. Kriegswelt der Heroen]); (3) sie stehen in einem Spannungsverhält-
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nis zum Schildträger Achilleus, der, indem er Rache nehmen will (80ff.), in den neuen Waffen (19.397ff.) bewußt dem Ende seines Lebens entgegengehen wird (EDWARDS S. 208f.; SCHEIN 1984, 142; BYRE 1992, 40ff.; DUBEL 1995, 254ff.; s. auch 556b–557n. zum basiléus im Bild der Getreideernte); viell. ist aber auch die Versöhnungsbereitschaft vorweggenommen, die Achill im 23. (bes. 23.490ff., 23.540ff., 23.887ff.) und 24. Gesang zeigen wird (498–501n.); (4) sie spiegeln gewisse Teile der Ilias-Handlung, indem aus ihr (4a) zentrale Themen und (4b) Motive aus Gleichnissen aufgenommen sind (ANDERSEN 1976, bes. 7; TAPLIN [1980] 2001, 356–364 [mit Betonung von friedlichen Kontrastbildern]; AUBRIOT 1999, 14ff.; ALDEN 2000, 53ff.; HEIDEN 2008, 77f., 222–229; vgl. zu Helenas Webarbeit 3.126n.). Für das Verständnis einzelner Bilder und des Besonderen dieser Gegenstandsbeschreibung sind die Punkte (3) und (4) am ergiebigsten; denn diese Ekphrasis ist eine Art mise en abyme (récit spéculaire) im Sinne von “a text-within-text that functions as microcosm or mirror of the text itself” (die Definition bei MARTIN 2000, 63; zum Begriff s. auch Argument-FunktionP mit Anm. 8); insgesamt bietet die Szene eine Reflexion über den künstlerischen Schaffensprozeß, wie sich dies auch in Szenen mit Darstellungen von Sängern in der Ilias (9.186–189) und v.a. in der Odyssee (bes. 8.266ff.) sehen läßt (vgl. NTHS 60–62). Zu (4a): Themen der Ilias-Handlung zeigen v.a. die Bilder der beiden Städte (II A: 490–540n. a.E.), z.T. mit deutlichem Bezug zu Achills Situation: Streit und Möglichkeit der Streitschlichtung in der Öffentlichkeit, Disput um die Annahme von Kompensationsleistungen (498–501n., 506–508n., 510n. [s.v. δίχα … ἥνδανε βουλή], 511n.), belagerte Stadt, die Belagerten agieren außerhalb der Stadtmauern, Schlacht und Kampf um Gefallene (509–540n., 514–515n., 520–529n., 536–537n., 539–540n.), Hinterhalt (513n.); außerdem viell. das Hochzeitsfest als Kontrast zur Verbindung von Paris und Helena (ANDERSEN 1976, 11) oder von Achilleus und Briseïs (Hinweis BIERL) oder auch in Anspielung auf die Hochzeit von Peleus und Thetis, mit der alles begann (HUBBARD 1992, 29). Auffällig ist, daß bei den Bildern der Städte, aber auch bei denjenigen mit Arbeiten in der Landwirtschaft und mit Tanz und Musik, das Funktionieren von Gemeinschaft und z.T. die Freude daran ersichtlich wird, s. bes. 556f., 567f., 603f. (EDWARDS S. 208f.; weitergehend ULF 1990, 172f.: “Appell des Dichters, die Gemeinsamkeit vor die individuellen Absichten und Interessen zu stellen” [Zitat 173]). Zu (4b): Motive aus GleichnissenP der Ilias erscheinen v.a. in den Bildern zur Landwirtschaft und zu den Viehherden: Pflügen (541–549n., 547n.), Mähen (550– 556a n.), Hilflosigkeit von Hirten (526n.), ihre Versuche, das Vieh gegen Raubtiere zu verteidigen (579–586n., 579n. [Löwen], 583n.), Hunde als Helfer der Hirten (578n., 585–586n.). Zudem läßt sich in den typisierten, nicht individualisierten Bildern des Schildes insgesamt eine spezielle Form von Gleichnissen sehen, indem durch sie auf ähnliche Weise die Handlung retardiertP und der Blick des Publikums
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weg von der heroischen Welt der Vergangenheit in die vertrautere Alltagswelt gelenkt wird (MARG [1957] 1971, 34; REDFIELD [1975] 1994, 186–189; EDWARDS 1987, 278; LONSDALE 1990a, 8–11; GIULIANI 2003, 44f.; SCOTT 2009, 1–10; weitergehend PRIMAVESI 2002, 205–207: ‘Gerichtsszene’ [497–508] und ‘Stadt im Krieg’ [509–540] als eine Art “Gleichnisse für entscheidende Situationen” der IliasHandlung [Zitat 205]). B.3. Die sprachliche Darstellung Die Schild-Passage zeichnet sich sprachlich durch zahlreiche hapax legomenaP und eine wenig formelhafte Sprache aus (WIRBELAUER 1996, 144–146 [Stellenlisten Anm. 9 u. 10]). Passend zu einer Gegenstandsbeschreibung unterscheidet sie sich zudem in der Verteilung der Verbalaspekte stark von erzählenden Passagen, indem der Anteil an Formen im Imperfekt (Durativ) und Perfekt (Zustand) viel größer ist (86.3%) als derjenige an Aorist-Formen (PRIMAVESI 2002, 195–199); diese Dominanz zeigt einerseits den “situativen, nicht narrativen Charakter des Textes” (PRIMAVESI a.O. 195) und paßt andrerseits sowohl zu den szenischen Beschreibungen als auch zu den auf dem Schild festgehaltenen und somit unvollendeten Handlungen (BECKER 1995, 109: “the imperfect could represent the necessary incompleteness of a depicted action frozen in a metallic representation”). Dennoch wirkt die Schildbeschreibung nicht rein statisch-deskriptiv, denn sie ist in zweifacher Form dynamisch-narrativ gestaltet, einerseits durch Einbezug des Entstehungsprozesses (Abschn. B.1.b.), andererseits durch Gestaltung lebendig wirkender Szenen; dadurch entspricht sie einer Ekphrasis gemäß dem Verständnis der antiken Literaturtheorie, nämlich einem beschreibenden Text, “der das Mitgeteilte anschaulich vor Augen führt” (GRAF 1995, 144; WEBB 2009, 8f. 28f. 70). Der ErzählerP erreicht dies, indem er (a) Bewegungen (in allen Szenen außer 587–589 [s.d.]), Laute (493, 495, 502, 506, 530, 569–572, 575f., 580, 586, 606 [s.dd.]) und haptische Eigenschaften von ‘realen’ Materialien (504 geglättete Steine, 595f. Leinenkleider) beschreibt, (b) Elemente des Erzählens einbaut, nämlich Sekundäre FokalisationP (501, 510–512, 524, 526, 547; indirekte Rede 499f.), VergleichP (591f., 600f. [s.dd.]) und TempoAngaben zum Fortschreiten der Zeit (525–534 [s.d.], vgl. auch 573–586n.), und (c) immer wieder erklärende Interpretationen zu beschriebenen Situationen oder Handlungen einfließen läßt (497–508n., 509–540n., 525–534n., 547n.; EDWARDS S. 207f.; FRIEDRICH 1975, 50f.; BECKER 1995, 96–150 [mit detalliertem Kommentar]; OTTO 2009, 186f.; FRANCIS 2009, 8–13; 2012, 128–133; DE JONG 2011, 5–7); so schafft er bisweilen geradezu eine ErzählungP und erreicht insgesamt höchste ‘Anschaulichkeit’ (‘vividness’, gr. enárgeia, lat. evidentia), d.h. “die Kraft des Textes, visuelle Bilder zu schaffen, den Hörer […] zum Zuschauer zu machen” (GRAF a.O. 145; WEBB 2009, 8; außerdem HEFFERNAN 1993, 21f.; BECKER 1995, 113); zur Diskussion über Ekphrasis und ‘Anschaulichkeit’ in der Antike s. DNP s.v. Ekphrasis; GRAF 1995; FRANCIS 2009, 3; 2012, 114f. 118–126; OTTO 2009, 45–134 (zu Homer
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174–189); WEBB 2009, 70–74. 87ff. (ant. Quellen 197ff.); SCHMITT 2011. Mit Ausnahme der Götter Ares und Athene (516–519) und der Sternbilder (486–489) wird aber keine der abgebildeten Figuren namentlich individualisiert; sie bleiben bei ihrem Tun generische Typen, vergleichbar mit Handlungsfiguren in GleichnissenP (BECKER 1995, 118 Anm. 217: “The shield does not bring kleos […] as epic song can do”); desgleichen ist der Handlungsverlauf in verallgemeinernder Weise beschrieben, der Ausgang des Geschehens bleibt meist offen (GIULIANI 2003, 42–44). Bei vielen Szenen ist die Interpretation in gewissen Punkten bis heute umstritten (497–508n., 510n., 541–572n., 558–560n., 560n., 570n., 573–589n., 589n., 590n., 592n., 593–602n., 594n.; s. außerdem 604b–605a n.). Manches davon läßt sich aufgrund der zeitlichen Distanz nicht mehr restlos erklären (bes. 498–501n., 501n., 506–508n.), anderes ist viell. vom ErzählerP absichtlich ambivalent gelassen, so daß Raum für Interpretation entsteht (s. auch 485n., 505n., 533n., 556b–557n., 565n.) – ähnlich wie Bilder mehrdeutig sein können und die Möglichkeit zur Reflexion bieten. B.4. Die Funktion der Schild-Passage im Gesamtwerk und ihre poetologische Bedeutung Innerhalb der Ilias hat diese umfangreiche Ekphrasis einerseits die Funktion, den Schildträger herauszuheben und seine Aristie vorzubereiten (Abschn. B.1.a.), andererseits, zentrale Fragen der Ilias wie Streit und Harmonie zu reflektieren (Abschn. B.2.b.). Darüber hinaus zeigt sich bei diesem Entstehungsprozeß eines Kunstwerks, wie der göttliche Kunstschmied und der ErzählerP beim Erschaffen der Bilder geradezu verschmelzen. In der Diskussion über diese beiden Künstler sind bei den Interpreten folgende Tendenzen in der Gewichtung erkennbar (DE JONG 2011, bes. 1. 4f. 9f. [weitere Lit. 11f. Anm. 4–7]): (1) im Vordergrund steht Hephaistos als übermenschlicher Schöpfer (a) eines Wunderwerks mit wirklich beweglichen Figuren, ähnlich den Dreifüßen und den goldenen Dienerinnen (375–377, 417–420), oder (b) zumindest eines Bildwerks, das beim Betrachter diesen Eindruck hervorrufen kann (FORD 1992, 168–171 [mit Hinweis auf 19.21f.]); (2) der ErzählerP vermischt hier öfters Beschreibung und Erzählung und tut dies (a) aus überbordender Fabulierlust oder aber (b) mit subtiler Absicht, indem dadurch und durch das Vermischen des eigenen kreativen Aktes mit demjenigen des Gottes der Effekt entsteht, daß beide gleichzeitig ein Kunstwerk schaffen, der eine den Schild, der andere die Ekphrasis. Berücksichtigt man die Wirkung des Schildes und der Ekphrasis auf einen möglichen Betrachter bzw. Rezipienten (dazu FOWLER 1991, 28–31), spricht am meisten für (2b) (DE JONG a.O.; vgl. auch FRONTISI-DUCROUX 2002, 470ff.): Als Bewunderer des Schildes fungiert nur der ErzählerP selbst (549, vgl. auch seine Bemerkungen zur künstlerischen Qualität des Dargestellten 491, 518, 548, 588, 597), von den FigurenP läßt er keine explizit auf den Bildschmuck des Schildes reagieren, weder Thetis (615ff.) noch Achill (19.16–19 [mit nn.]: zuerst Zorn und Aggressivität, dann
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Freude beim Anblick der gesamten Rüstung; dazu anders STANLEY 1993, 25: konkrete Reaktion auf Bilder]; s. auch 19.10f./21f.: Schönheit der Waffen insgesamt), ebensowenig die Myrmidonen, Griechen oder Troer; der Schild wirkt nur durch seinen Glanz (19.373–380; s. dazu 19.12–19n., 19.374–383n., 19.375–380a n.; anders SCULLY 2003, bes. 43ff.). Hingegen verschafft der ErzählerP dem Bildschmuck beim Rezipienten eine nachhaltige Wirkung, indem er nach der Beschreibung des Schildes die ‘Hoplopoiie’ mit wenigen Versen abschließt (609–617n.); er zeigt also mit Hephaistos einen Künstler bei seinem Schaffensprozeß, an dem er selbst Anteil nimmt und teilhat (DE JONG a.O. 5. 9–11); so kann in der ‘Hoplopoiie’ und insbesondere in der Beschreibung der Schildherstellung eine Art indirekter Selbstdarstellung des Dichters als Künstler gesehen werden (DE JONG a.O. 11; vgl. auch EDWARDS S. 209; MARG [1957] 1971, 38f.; BECKER 1995, 149f.; s. dazu auch 604b–605a n.; NTHS 60–62; zum Begriff der metalepsis s. auch DE JONG 2009; EISEN/VON MÖLLENP DORFF 2013; ältere Lit. s. Argument-Funktion Anm. 8. B.5. Vers-Kommentierung 478–482 Kurze zusammenfassende Beschreibung der Herstellung des Schildes, dessen Ausschmückung im Folgenden detailliert beschrieben wird (vgl. 6.156–159n., 3.328–329n.), herausgehoben durch die ringkompositorischeP Wiederholung des Verbs ‘er machte’ (gr. póiei 478/482) und des gr. Wortstammes daidal- (‘kunstvoll’ 479/482), der die künstlerische Qualität des Schildes (gr. sákos 478/481) ankündigt (EDWARDS; BECKER 1995, 96–98; PERCEAU 2002, 181). In den Vv. 468– 482 und in der vorausgehenden Szene zwischen Hephaistos und Thetis zusammengenommen sind die wesentlichen Elemente einer Gegenstandsbeschreibung enthalten: Größe (478b), Qualität (479a, 482), Form (479b–480), Material und Beschaffenheit (474f., 481a), der Hersteller und die Geschichte der Herstellung (369–478): MINCHIN 1999, 62f.; 2001, 106–112. 128f.; vgl. auch 19.387–391n. (Achills Lanze). Die im folgenden unerwartet einsetzende und außergewöhnlich lang gestaltete Detail-Beschreibung (483–608) wurde daher von Zenodot (GT 10) – zu Unrecht – athetiert (schol. A zu 483); s. dagegen MARG (1957) 1971; REINHARDT 1961, 398–400; APTHORP 1980, 187f. Anm. 119; NÜNLIST 2009, 207; zur Funktion dieser Ekphrasis 478–608n. Abschn. B.4. 478 2. VH = 3.335 (s.d.), 16.136, 18.609, 19.373 (s.d.), ‘Hes.’ Sc. 319. – Die formelhafte 2. VH markiert im 18. Gesang Beginn und Abschluß der Herstellung des Schildes, sonst ist sie Teil von Rüstungsszenen (s. Iterata). Diese enthalten z.T. Exkurse über einzelne Waffen und ihre Herkunft (z.B. 11.19ff., 19.387ff.: vgl. 19.364b–391n., 19.369–371n., 19.387–391n.), während bei Achills Waffen die Herkunftsgeschichte aus der Rüstungsszene herausgenommen (vgl. den Rückverweis auf die Herstellung 19.368 u. 19.383) und in besonderer Weise gestaltet ist 478 ποίει: zur augmentlosen Form R 16.1.
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(REINHARDT 1961, 40f. 410f.; PATZER 1972, 40; LÉTOUBLON 1999, 215–219; PERCEAU 2002, 118). ποίει: Hephaistos’ Tätigkeit ist mit versch. Verben beschrieben, ohne Unterscheidung des technischen Arbeitsprozesses; vielmehr dienen die versch. Verben der Strukturierung der Textpassage (478–608n. Abschn. B.1.b.): (1) Impf. ποίει als summarische Beschreibung des gesamten Herstellungsprozesses (478, 482, s. auch 608 σάκεος πύκα ποιητοῖο), wobei das Impf. den Rahmen für die folgenden Ausführungen umschreibt (vgl. RIJKSBARON [1984] 2002, 11); (2a) Aor. ποίησε für Detailschmuck (490, 573, 587); (2b) δαιδάλλων (479), ἐτίθει (541, 550, 561, 607) u. ποίκιλλε (590) für Detailschmuck; (2c) Aor. τεῦξε für Detailschmuck (483: die Bereiche des Kosmos), außerdem als abschließende Feststellung über die Herstellung des Schildes (609) und der übrigen Waffen (610f., 613); Plpf. Pass. τέτυκτο/τετεύχατο für Detailschmuck (549/574); (3) κάµε für den Abschluß der gesamten Schmiede-Arbeit (614, s.d.): ECKSTEIN 1974, 5–9; weitere Lit. s. LfgrE s.vv. ποιέω, τεύχω; zu den Tempora s. DE JONG 2011, 6f.; zur poetologischen Verwendung von handwerklichen Begriffen wie ποιέω (nachhom. bezeugt) und τεύχω (Od. 24.197 τεύξουσι … ἀοιδήν) s. BECKER 1995, 96 Anm. 169; NÜNLIST 1998, 85f. — πρώτιστα: adv. ‘zuallererst’ (immer vor Zäsur B 2: 4× Il., 6× Od., 4× Hes., 4× hom.h.); zur Steigerungsform G 80; RISCH 95; LfgrE s.v. πρῶτος mit Lit. — σάκος: Vgl. 458n. (s.v. ἀσπίδα).
479b–480 1. VH von 480 ≈ 3.126 (s.d.); 2. VH von 480 ≈ 598. — Die Beschreibung läßt einiges unklar (zu versch. Interpretationen s. EDWARDS; HELBIG [1884] 1887, 385f.; LfgrE s.v. ἄντυξ [mit älterer Lit.]: “Die Vermischung von Realität u. Phantasie beim Schild […] erlaubt keine weiteren Rückschlüsse auf die technische Ausführung”): gr. ántyx ist Bez. für den äußersten ‘Rand’ des Schildes (6.117– 118n.; außerdem für den oberen ‘Rand’ des Wagenstuhles: 16.406n.); er wird mit drei Adjektiven beschrieben, von denen zwei auf Metall als Material weisen (gr. phaeinḗ ‘schimmernd’ u. marmaréē ‘glitzernd’, s.u.; zur asyndetischen EpithetaReihung s. 130–131n.); das dritte Adj., tríplax, bed. ‘dreifach’ und beschreibt wohl eher drei Material-Schichten und damit die Dicke des Randes, analog díplax ‘in zwei Schichten’ (von Textilien: 3.126n.), d.h. die Verstärkung der Stelle, an der – bei ‘realen’ Schilden – die Fellschichten befestigt sind (WILLCOCK; LfgrE s.v. τρίπλαξ; FRANZ 2002, 49f.; vgl. 481n.), und weniger drei dekorative Bänder am äußersten Rand des Schildes (EDWARDS z.St. u. zu 607–8, mit Hinweis auf einen kret. Bronzeschild [S. 204 bzw. FITTSCHEN 1973, 8]; SHEAR 2000, 31); denn diese erste Deutung paßt besser in diesen einleitenden Abschnitt über den Schildkörper und seine Grundstruktur (478–608n. Abschn. B.1.b.), die Dekoration folgt 483ff. —Tragband, silbern: Zur Entlastung des Schild-Arms wurde der Schild an einem ledernen Riemen (gr. telamṓn) getragen, ebenso das Schwert; die beiden Tragriemen wurden über die linke bzw. rechte Schulter geführt, wobei sie sich
479 περί: Adv., ‘ringsum’. 480 µαρµαρέην: zum -η- nach -ε- R 2.
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vorn auf der Brust kreuzten (14.404–406n.; vgl. 2.45n., 2.388–389n.); ‘silbern’ bezieht sich wohl auf die Verzierung mit Silberbeschlägen, ähnlich wie beim Tragband Agamemnons (11.38–40) oder ‘golden’ bei dem des Herakles (Od. 11.610–614): BORCHHARDT 1977, 4; FOLTINY 1980, 239f.; SHEAR 2000, 37; FRANZ 2002, 48f. 50 mit Anm. 190; BUCHHOLZ 2012, 192ff. πάντοσε: ‘in alle Richtungen’; wird von manchen als Hinweis auf eine runde Form des Schildes aufgefaßt (LA ROCHE, mit Hinweis auf die VE-Formel ἀσπίδα πάντοσ’ ἐΐσην [dazu 3.347n.]; AH; vgl. 478–608n. Abschn. B.2.a.). — δαιδάλλων: führt ποίει (478) näher aus (vgl. 482) und bereitet die Beschreibung der vielfältigen Ausschmückung vor, ähnlich bei Odysseus’ Bett Od. 23.200 (HEUBECK z.St.; ECKSTEIN 1974, 8f.; zur Wortfamilie δαιδαλ- in Bezug auf Achills Waffen s. 379n.). — φαεινήν: generisches EpithetonP, meist von Gegenständen aus Metall (LfgrE). — µαρµαρέην: ‘funkelnd, glitzernd’; von Metall (vgl. 617 µαρµαίροντα), der Meeresoberfläche und Gewebe (3.126n.; vgl. auch 3.397n.). — ἐκ: Adv., ‘davon aus(gehend)’, d.h. ‘daran’, vgl. 598 (AH; SCHW. 2.422).
481 fünf … Schichten: Die in den hom. Epen beschriebenen Schilde bestehen meist aus mehreren Lederschichten, teils verstärkt durch eine Bronzeschicht oder einen Bronzerand (7.219–223, 7.245–248, 12.294–297, 13.803f. u.ö.); diese Schichten sind als konzentrisch übereinander gelegte Kreise gedacht, die gegen den Schildrand hin an Durchmesser abnehmen, so daß der Schild dort dünner wird, wobei der äußerste Schildrand durch Metall verstärkt ist, vgl. 20.275f. (LfgrE s.v. πτύξ; EDWARDS S. 201f.; zu archäolog. Belegen HELBIG [1884] 1887, 318f.; BORCHHARDT 1977, 2–4; FRANZ 2002, 49f.). Die vorl. Stelle kann den Eindruck erwecken, der Erzähler habe bei den fünf Schichten (gr. ptýches) dieses außergewöhnlichen Schildes (vgl. 466f., 19.375–380) in ep. Übertreibung an Metallschichten analog den Lederschichten gedacht (vgl. die dichterische Überhöhung bei Aias’ Turmschild aus sieben Lederschichten u. einer Metallschicht 7.219ff.); er läßt es allerdings offen, welche Rolle die eingangs aufgezählten Metalle hier spielen (EDWARDS S. 201f.; CERRI S. 30; FITTSCHEN 1973, 6f.; D’ACUNTO 2010, 160–162). Im Verlaufe der folgenden Kampfbeschreibungen werden die fünf Schichten spezifiziert (20.270–272: zwei aus Bronze, zwei aus Zinn, eine aus Gold; diese Vv. gelten einigen jedoch als interpoliert: WEST 2001, 12 Anm. 28). ἐν αὐτῷ: wird anaphorisch wieder aufgenommen durch VA ἐν µέν (483 [s.d.]) und ἐν δέ (490, 541, 550, 561, 573, 587, 590, 607), ein wiederholter Verweis auf die Oberfläche des Schildes und damit auf das “opus ipsum” (BECKER 1995, 102; PERCEAU 2002, 112f.). 482 2.VH = 380 (s.d.). — δαίδαλα: 379n.
481 αὐτοῦ … σάκεος: ‘des Schildes selbst’; zur unkontrahierten Form σάκεος R 6. — ἔσαν: = ἦσαν (R 16.6). 482 πολλὰ (ϝ)ιδυίῃσι: zur Prosodie R 4.3. — ἰδυίῃσι: Ptz. fem. von οἶδα; zur Flexion R 11.1. — πραπίδεσσιν: zur Flexion R 11.3.
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483–489 Der ErzählerP beginnt mit einem KatalogP der zeitlich unbegrenzt bestehenden Grundfesten der Welt: die für die Menschen sichtbaren örtlichen Bereiche Erde, Himmel und Meer, dazu viell. mit Sonne, Mond und v.a. den Sternbildern sichtbare Zeichen der fortschreitenden Zeit, vgl. die Verwendung der hier aufgezählten Gestirne und Sternbilder in der Beschreibung einer Decke mit dem Bild des Abendhimmels in Euripides’ Ion 1149–1158, bes. 1155f. (485–489n.; EDWARDS; SCHADEWALDT [1938] 1965, 364; TAPLIN [1980] 2001, 348; anders LYNN-GEORGE 1988, 176f.: kein Hinweis auf Ablauf von Zeit; zur Interpretation von Erde, Himmel, Meer und Sonne als den vier Elementen s. CERRI; HUBBARD 1992, 29). Insgesamt wird in dem Abschnitt, der mit der Nennung des Ringstromes Okeanos endet (489), ein Bild der universalen Welt entworfen, eine poetische Ausführung der Weltordnung in ihrer kosmischen Dimension, die den Rahmen für die folgenden Einzelszenen auf dem Schild bildet (s. auch den Schildrand mit Okeanos 607). Inwiefern damit konkrete bildliche Darstellungen im Zentrum des Schildes beschrieben sind, bleibt offen (478–608n. Abschn. B.2.a.). 483 ≈ Od. 12.404, 14.302, Hes. Th. 427; 2. VH ≈ Hes. Th. 847. — Erde … Himmel … Meer: die drei “großen Bereiche der sichtbaren Welt” (SCHADEWALDT [1938] 1965, 364), vgl. auch 15.189–193 die Aufteilung der Welt unter die Götter und Hes. Th. 413f. Hekates Anteil an Erde, Meer und Himmel (s. außerdem die Iterata u. Od. 5.293f. = 9.68f. = 12.314f.); häufiger sind zweigliedrige Ausdrucksreihen (Erde – Meer od. Himmel – Erde): LfgrE s.vv. θάλασσα, οὐρανός; SCHMIDT 1981, 3–15; mögliche Vorbilder in oriental. Lit.: SCHMIDT a.O. 19–23; zu babyl. Vorbildern für die Reihenfolge Erde – Himmel – Meer WENSKUS 1990, 36. Da unklar ist, wie diese Trias bildlich dargestellt zu denken ist, zumal keine zeitgenössischen archäol. Zeugnisse dazu vorhanden sind (GÄRTNER 1976, 55; SCHMIDT a.O. 23f.: mittels Symbolen), wurde der Vers auch als zusammenfassende Einleitung zu den bildlichen Darstellungen interpretiert, deren konkrete Beschreibung in den Vv. 484–608 folge (EDWARDS; CERRI; FITTSCHEN 1973, 10). Sprachlich problematisch ist dann aber die 484 übergangslos fortgeführte Aufzählung von Objekten, die Hephaistos ‘schuf’, und die Tatsache, daß gr. thálassa das von Festland umgebene ‘Meer’ bezeichnet und nicht mit dem Ringstrom Okeanos (489, 607) gleichgesetzt werden kann (LESKY 1947, 58f.; TAPLIN [1980] 2001, 348 Anm. 13; SCHMIDT a.O. 24 Anm. 88; SIMON 1995, 128). ἐν … ἐν … ἐν: dreifache Anapher zur Hervorhebung der Begriffe, wie 535 (s.d.), 5.740 (Beschreibung der Aigis), 14.216 (Aphrodites Band): FEHLING 1969, 196; zu idg. Parallelen WEST 2007, 108f.; vgl. auch 24.10–12n.
483 ἐν: adverbiell, ‘darauf’.
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484 1. VH ≈ 239 (s.d.), Hes. Th. 956, hom.h. 31.7. — Durch die Attribute ‘nimmermüde’ und ‘voll’ wird an der vorl. Stelle auf die regelmäßige, in rhythmischen Zeitabständen immer wieder sichtbar werdende Leuchtkraft von Sonne und Mond verwiesen, als Ausdruck der kosmischen Ordnung: ‘nimmermüde’ ist die Sonne v.a. im Hinblick auf ihren täglich wiederkehrenden Lauf (vgl. 239n. s.v. ἀκάµαντα; zu idg. Parallelen WEST 2007, 211), hier viell. auch – neben dem Mond – im Hinblick auf ihre nie erlahmende Leuchtkraft (CERRI, mit Hinweis auf die VEFormel ‘unermüdliches Feuer’ [dazu 225n.]; zu Formulierungen für den Glanz des Mondes s. KOPP 1939, 184–186). 485–489 Die Auswahl der Sternbilder Pleiaden, Hyaden, Orion und Arktos kann zunächst mit ihrem optischen Eindruck erklärt werden, da sie repräsentative Sternbilder in gewissen Bereichen des nördlichen Sternenhimmels darstellen: Pleiaden und Hyaden in der Ekliptik, d.h. dem Bereich, in dem sich die Sonne im Lauf des Jahres zu bewegen scheint, Orion etwas südlicher, Arktos im Bereich des Polarkreises (WENSKUS 1990, 35–37; zum möglichen Einfluß der babylon. Astronomie auf diese Aufzählung ebd. 22–24; HUNGER/PINGREE 1999, 67f.). Sie können zusätzlich auch aufgrund ihrer Kalenderfunktion im Hinblick auf die Schiffahrt und v.a. auf das landwirtschaftliche Jahr gewählt sein; denn gemäß Hesiod galt die Sichtbarkeit von Pleiaden und Hyaden im Ablauf des Jahres als Hinweis auf Termine für Mähen und Ernten bzw. Pflügen und Aussaat (Näheres dazu s. 486n.; vgl. Pflügen und Mähen auf dem Schild 541–560). Ihre Wahl wurde daher als Hinweis auf die Zeitspanne von Mai bis November (PHILLIPS 1980) oder auf diese beiden Eckdaten im Landwirtschaftsjahr gedeutet (HANNAH 1994; HE s.v. Seasons); vgl. DICKS 1970, 34; zur zeitlichen Verschiebung der Position von Sternbildern seit der Antike auf Grund der sich bewegenden Erdachse s. HAINSWORTH zu Od. 5.272–7; KIDD zu Arat. Phain. 39; DICKS a.O. 15f. 485 2. VH = Hes. Th. 382. — τείρεα: wohl Variante zu τέρας, ‘göttliche Zeichen’ (mit metr. Dehnung?: EDWARDS; LfgrE s.v. τέρας mit Lit.); bez. v.a. Wunderzeichen in versch. Formen (vgl. 6.183n.), auch Erscheinungen am Himmel als göttl. Zeichen für die Menschen (4.75–77 Sternschnuppe, 17.547–550 Regenbogen), hier Sternbilder, die für die Menschen eine bestimmte Bedeutung haben (EDWARDS). — τά τ’ οὐρανὸς ἐστεφάνωται: τά ist Akk. des Inhalts, ‘mit denen der Himmel sich geschmückt hat’ (SCHW. 2.80; RAMELLI 1996, 247; zum Medium ALLAN 2003, 88ff.). στεφανόω ist im fgrE fast nur mediopassivisch belegt (8× VE ἐστεφάνωται/-το, 1× στεφάνωσαν), und zwar meist als Beschreibung einer Masse (Wolke, Meer, Zuschauermenge), die ein Objekt umgibt (15.153, Od. 10.195, h.Ven. 120; vgl. auch ‘Hes.’ Sc. 204), oder von Bildschmuck, der kreisförmig ange-
484 ἠέλιον: = ἥλιον. — πλήθουσαν: zu πλήθω ‘voll sein’. 485 τὰ τείρεα πάντα, τά: erstes τά demonstrativ (vgl. R 17), auf den Rel.-Satz vorausweisend, zweites τά in der Funktion eines Rel.-Pron. (R 14.5). — πάντα: prädikativ, ‘allesamt’. — τ(ε): ‘episches τε’ R 24.11.
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ordnet ist (Il. 5.739), wobei diese Anordnung zusätzlich durch ἀµφί od. περί verdeutlicht ist; dieser Zusatz fehlt sowohl bei Agamemnons Schild, in dessen Zentrum der Kopf der Gorgo abgebildet ist (11.36f. τῇ δ’ ἐπὶ µὲν Γοργὼ … ἐστεφάνωτο | … περὶ δὲ Δ∆εῖµός τε Φόβος τε; dazu RAMELLI 1996, 246f.), als auch bei der Beschreibung des Himmels hier u. Hes. Th. 382. Es ist daher umstritten, ob an der vorl. Stelle die Assoziation ‘(wie) mit einem Kranz’ enthalten ist (so AH; LEAF; WILLCOCK; CERRI; LfgrE s.v. οὐρανός 870.47ff.; WORTHEN 1988; unentschieden LfgrE s.v. στεφανόω; contra RAMELLI 1996) und inwiefern dies auf eine Anordnung in der bildlichen Darstellung hinweist (s. etwa EDWARDS: “[stars] which the sky […] has hung up as a wreath ⟨around the earth; or around his head⟩”; LfgrE s.v. οὐρανός 870.47ff.: “mit denen der Himmel wie mit einem Kranz geschmückt ist / sich … geschmückt hat”). Während bei den anderen Beschreibungen, bei denen es um die Anordnung von Bildschmuck auf einem Gegenstand geht, auf die Oberfläche dieses Gegenstandes hingewiesen wird (Il. 5.738f.: [αἰγίδα] … ἣν πέρι; 11.32/36: [ἀσπίδα] τῇ δ’ ἐπί), ist hier der Himmel selbst derartig ausgeschmückt: “the world represented and the visual image are conflated in the language of description” (BECKER 1995, 104).
486 ≈ Hes. Op. 615. — Pleiaden: Sternhaufen im Sternbild ‘Stier’; sie wurden im Mythos als sieben Töchter des Atlas identifiziert (vgl. Hes. Op. 383), die vom Jäger Orion verfolgt und von Zeus an den Himmel versetzt worden waren (schol. D = Cycl. fr. 2 Davies [S. 74]; vgl. WEST 2013, 209–211), wo sie noch als Sternbild vor Orion in den Okeanos fliehen (vgl. Hes. Op. 619f. mit WEST z.St.). Die Pleiaden dienten zusammen mit anderen Sternbildern als Orientierungshilfe bei der Seefahrt (Od. 5.271–275: Odysseus’ nächtliche Fahrt auf dem Floß), außerdem als Zeitmarken in der Landwirtschaft und der Seefahrt: Ihr Erscheinen, d.h. der erste sichtbare Frühaufgang in der Morgendämmerung kurz vor Sonnenaufgang, der sog. heliakische Aufgang (in der Antike Mitte Mai, nachdem sie seit Anfang April unsichtbar waren: WENSKUS 1990, 25), signalisierte den Beginn des Mähens (Hes. Op. 383f.), ihr Untergang, d.h. der Frühuntergang in der Morgendämmerung, der sog. kosmische Untergang (Anfang November), den Beginn des Pflügens für die neue Aussaat (Hes. Op. 384, 614–617) und das Einsetzen der stürmischen Jahreszeit, in der die Schiffe zum Überwintern an Land blieben (Hes. Op. 618–623): WEST zu Hes. Op. 383–4 u. zu 619; HAINSWORTH zu Od. 5.272–7; KIDD zu Arat. Phain. 254–267 u. zu 265; KlP u. DNP s.v. Pleiaden; DICKS 1970, 36. — Hyaden: Der Sternhaufen, der zwischen Pleiaden und Orion liegt, bildet den Kopf des Sternbildes ‘Stier’ (KIDD zu Arat. Phain. 167–178). Die Hyaden sind im fgrE außer hier nur Hes. Op. 615f. zusammen mit den Pleiaden erwähnt, dort explizit als Signal für den Beginn des Pflügens und der stürmischen Regenzeit (s.o.); ihr Name wird entweder als Ableitung von gr. hýein (‘regnen’), also ‘Regensterne’, oder von gr. hȳs (‘Schwein’) gedeutet (FRISK s.v. Ὑάδες; KIDD zu Arat. Phain. 173; WEST 2007, 353 Anm. 46). Interpretiert wurden die Hyaden u.a.
486 θ’: = τε.
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als Muttersau mit ihren Ferkeln (vgl. lat. Suculae), als Töchter des Atlas und Schwestern der Pleiaden (Zahl schwankend zwischen zwei und sieben; fünf Namen bei ‘Hes.’ fr. 291 M.-W.), als Ammen des Dionysos, die von Zeus verstirnt wurden, und als Schwestern des Hyas, die um den toten Bruder trauern (schol. D; KlP u. DNP s.v. Hyaden). — Orions Kraft: Im fgrE ist Orion (1) der Name eines Sternbildes in der Nähe des ‘Hundssterns’ Sirius (= ‘der Hund des Orion’: 22.29 mit DE JONG z.St.) und in der Nähe der Pleiaden, das mit diesen zusammen in bezug auf Seefahrt (Od. 5.274, Hes. Op. 619) und Landwirtschaft (Hes. Op. 598, 615) genannt wird (s.o.) und dessen erstes Erscheinen (der sog. heliakische Aufgang ca. 20. Juni) das Signal für das Worfeln und Dreschen des Getreides bedeutete (Hes. Op. 597–611): WEST zu Hes. Op. 598 u. 615; KIDD zu Arat. Phain. 322–325; (2) ein mythischer Jäger von riesiger Gestalt (Od. 11.572– 575, vgl. 11.309f.), der von Artemis getötet wurde (5.121–124) und gemäß nachhom. Lit. verstirnt wurde (KlP u. DNP s.v. Orion). Die Formulierung ‘die Kraft des Orion’, eine periphrastische BenennungP wie z.B. ‘die Gewalt des Herakles’ (s.u.), spielt wohl auf die myth. Figur des Jägers an, ebenso die Bemerkung über das Sternbild Arktos 488 (s.d.; BUCHHOLZ 1871, 37; KOPP 1939, 195). Πληϊάδας: ep.-ion. Form, att. Πλειάδες, mit volksetym. Interpretation auch als Πελειάδες ‘Tauben’ überliefert (‘Hes.’ fr. 288–290 M.-W.); wird z.T. mit πλέ(ϝ)ω in Verbindung gebracht, die Etymologie ist aber unbekannt, ebenso der Grund für das Nebeneinander von Πλει- und Πληϊ- (FRISK u. DELG s.v. Πλειάδες; LfgrE s.vv. Πληϊάδες u. πέλεια; KIDD zu Arat. Phain. 254–267; WYATT 1969, 189). — σθένος Ὠρίωνος: VE ebenso Hes. Op. 598, 615 u. mit Erweiterung 619. Die Umschreibung ist vergleichbar mit der Verbindung ‘Genetiv eines Eigennamens + βίη’ (117n.) od. µένος (16.189n.), s. µέγα σθένος Ἰδοµενῆος (13.248, ‘Hes.’ fr. 204.56 M.-W.), Ἠετίωνος (Il. 23.827), Ὠκεανοῖο (607, 21.195): LfgrE s.v. σθένος; zur Etym. von Ὠρίων (kontrahierte Form zu in späterer Dichtung belegtem Ὠαρίων; das ι ist metr. gelängt) s. LfgrE s.v.
487–489 = Od. 5.273–275. — Das Sternbild ‘Bärin’ (gr. Árktos) ist im fgrE nur noch in der Odyssee, als Orientierungshilfe bei Odysseus’ Floßfahrt, erwähnt. Es wurde mit der Geschichte der Kallisto in Verbindung gebracht, der Tochter des Lykaon von Arkadien, einer Jagdgefährtin der Artemis, die nach dem Mythos von Zeus verführt, von Artemis in eine Bärin verwandelt und schließlich von Zeus verstirnt wurde (‘Hes.’ fr. 163 M.-W.; zu weiteren Quellen u. den versch. Mythenversionen s. DNP s.v. Kallisto). Es handelt sich wohl um das ganzjährig am Nordhimmel sichtbare Sternbild ‘Großer Bär’ in der Nähe des Polarsterns, dessen sieben hellste Sterne auch ‘Großer Wagen’ genannt werden (lat. Septentriones, astronom. Standardname Ursa Maior), s. 487 mit n.; das Sternbild ‘Kleiner Bär’ ist nach antiker Quelle erst von Thales von Milet benannt worden (schol. D zu 487; LfgrE s.v. ἄρκτος; HAINSWORTH zu Od. 5.272–7; BUCHHOLZ 1871, 38f.; FINKELBERG 2004, 231–233); zur Problematik der Identifizierung s. aber 488–489n.
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Die Tatsache, daß die Vv. mit Od. 5.273–275 identisch sind, führte zu Diskussionen darüber, welche Stelle älter und damit Vorbild sei (z.B. USENER 1990, 119–122 [Ilias]; BLÖSSNER 1991, 63–66 [Odyssee], mit älterer Lit. a.O. 66 Anm. 255). Die Ausführungen über die Besonderheiten des Sternbildes könnten aber auch auf eine ältere ep. Tradition zurückgehen, die in eine jeweils zum Kontext – Landwirtschaft oder Navigation – passende Aufzählung von Sternbildern übernommen wurde (HAINSWORTH zu Od. 5.272–7; DANEK 1998, 128f.; vgl. 485–489n.).
487 sie mit Beinamen auch … nennen: Formelhafte Wendung, mit der der Erzähler eine Zweitbenennung unter Berufung auf ‘anonymous spokesmen’ vorlegt, wobei er den Bezug zur Gegenwart des Publikums herstellt, vgl. auch die Präsensformen ‘dreht’, ‘belauert’ und ‘teilhat’ 488f. (24.316n.; DE JONG zu Od. 5.273). Ἄρκτον … Ἄµαξαν: ἄρκτος ist verwandt mit der auch in anderen idg. Sprachen bezeugten Bez. für ‘Bär’, die zudem im Aind. ebenfalls als Name des Sternbildes verwendet wurde (mask. Pl. ṛ́kṣāḥ), wohl ererbt (WEST 2007, 351f.); im Gr. erscheint z.T. die Nebenform ἄρκος, jedoch nicht für das Sternbild (SCHERER 1953, 131–134; BEEKES s.v. ἄρκτος; s. auch ChronEG 5 s.v.). Die Bez. des Sternbildes als ‘Wagen’ ist vermutlich aus dem Babylon. übernommen: GIŠ.MAR.GĺD.DA, akkad. eriq(q)u (‘Wagen, Lastfuhrwerk’) ist der ‘Große Wagen’ (SCHERER a.O. 139; WENSKUS 1990, 21; HUNGER/PINGREE 1999, 68; WEST a.O.; vgl. CAD s.v. eriqqu, bes. S. 297); für den Sternbild-Namen Ἄρκτος/Ἄρκος ist daher auch volksetym. Adaption von eriq(q)u als Erklärung erwogen worden (SZEMERÉNYI 1962, 191f.; HAINSWORTH zu Od. 5.273; KIDD zu Arat. Phain. 27); jedoch ist ‘Bär’ für das Sternbild im Vorderen Orient nicht bezeugt. Zum spiritus lenis von ἄµαξα WEST 1998, XVII. — ἐπίκλησιν καλέουσιν: variierbare VE-Formel (noch 22.29, 22.506, Od. 5.273, Hes. Th. 207, mit Formelsprengung Il. 7.138f.); ἐπίκλησις ist im fgrE nur im adverbiellen Akk. verwendet, meist in der Bed. ‘mit Bei- od. Zweitnamen’ (LfgrE s.v.; CHANTR. 2.48).
488–489 Beobachtbare Besonderheiten des Sternbildes Arktos im Hinblick auf andere Sternbilder: (1) ‘Orion belauert’ weist auf die Lage der beiden Sternbilder am Nordhimmel hin, indem der Kopf des ‘Großen Bären’ auf Orion ausgerichtet ist, sowie auf ihren mythischen Hintergrund, indem der Jäger Orion auch in Beschreibungen der Unterwelt mit Tieren auftritt, vgl. Od. 11.572f. (EDWARDS zu 487–9; BUCHHOLZ 1871, 37f.; mit weitergehender Interpretation NAGY [1979] 1999, 202; 1990, 253); die relative Position von Sternbildern wird sonst mehrfach als ‘Flucht’ und ‘Verfolgung’ umschrieben (WEST zu Hes. Op. 620; KIDD zu Arat. Phain. 322–325); (2) es dreht sich an Ort und Stelle – das Sternbild wurde später auch Helíkē ‘die sich Drehende’ genannt (SCHERER 1953, 133; KIDD zu Arat. Phain. 37) – und (3) taucht als einzige nicht in den Okeanos, d.h.: das in der Nähe des Polarsterns befindliche Sternbild verschwindet nie am Horizont, sondern bleibt – im Gegensatz zu den anderen genannten – ganzjährig sichtbar. Homers Kenntnisse 487 καλέουσιν: ‘(die Leute) nennen, man nennt’ (↑); zur unkontrahierten Form R 6. 488 τ(ε): 2× ‘episches τε’ (R 24.11). — αὐτοῦ: Adv., ‘an Ort und Stelle, am selben Ort’. 489 οἴη:‘allein, als einzige’. — Ὠκεανοῖο: zur Flexion R 11.2.
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von Sternbildern wurden seit der Antike kritisch kommentiert, da (2) und (3) auch auf andere Sternbilder, insbesondere den ‘Kleinen Bären’ zutreffen und daher die Formulierung ‘allein nicht teilhat’ als problematisch empfunden wurde (‘als einzige’ [gr. óiē] in bezug auf ‘alle’ [gr. pánta] 485 wäre sachlich unkorrekt); daher wurde wiederholt diskutiert, inwiefern seine Beschreibung zum Sternbild ‘Großer Bär’ oder ‘Kleiner Bär’ paßt, oder ob er gar mehrere oder alle zirkumpolaren Sternbilder unter dem Namen Arktos erfaßt (CERRI; BUCHHOLZ 1871, 38f.; KOPP 1939, 200; SCHMIDT 1976, 147–151; FINKELBERG 2004, bes. 233f. 237–239. 242). Die Aussage ‘allein’ paßt jedoch problemlos im Hinblick auf die namentlich genannten Sternbilder (schol. bT zu 489 [mit ERBSE z.St.]; HAINSWORTH zu Od. 5.275; DICKS 1970, 31; RADT 2006, 52f. [zu 23–36]). — Bädern im Okeanos: Das Erscheinen und Verschwinden von Gestirnen am Horizont wird als Eintauchen in bzw. Sich-Erheben aus dem Okeanos beschrieben, der als Ringstrom die Erdscheibe umfließt (399n.; HAINSWORTH zu Od. 5.275); so erstrahlen ‘der Stern der Erntezeit’ (Sirius) bzw. die Mondgöttin Selene nach dem Bad im Okeanos (Il. 5.6, hom.h. 32.7f.), von der Sonne vgl. Il. 7.422f., 8.485, Od. 3.1 (LfgrE s.v. Ὠκεανός; zu idg. Parallelen WEST 2007, 212). ἥ τ’ … καί τ’ … | … δ(έ): καί und δέ haben koordinierende Funktion (wie τε 487), τε hier (488) generalisierende (RUIJGH 672, 765; vgl. 16.9n.). — δοκεύει: bed. ‘jn. belauern, abpassen’ (für den günstigen Moment einer Aktion), s. etwa 8.340 in einem Jagdgleichnis vom Hund, der das Beutetier verfolgt, hier in Umkehrung von Jäger und Tier etwa ‘nicht aus den Augen lassen’; außerdem vom Kämpfer, der den Gegner bei seiner Aktion belauert, um im günstigen Moment zum Gegenschlag auszuholen (13.545, 16.313, ähnl. ‘Hes.’ Sc. 333, 425), beim Wagenrennen (Il. 23.325: Wettkämpfer fixiert Vordermann), vom Lauern des Kronos bzw. des Höllenhundes auf mögliche Opfer (Hes. Th. 466, 772): LfgrE. — ἄµµορος: Zum Possessivkompositum ‘ohne Anteil an’ s. 6.408n. — λοετρῶν: Zum Lautbestand vgl. 346n.
490–540 Hephaistos entwirft Bilder zweier Städte: Diese zeigen einerseits soziale Interaktionen unter den Bewohnern, die für das Weiterbestehen und Funktionieren der Gemeinschaft notwendig sind, nämlich Verknüpfung von Familien durch Hochzeitsfeste und Unterbindung von Streit und Gewalt im Innern durch öffentliche Schlichtung, d.h. Vorgänge, die in die Gemeinschaft einer pólis eingebettet und institutionell verankert sind (EDWARDS zu 490–508: “The blessings of ordered communal life”), andrerseits den gemeinsamen Widerstand aller Bewohner einer belagerten Stadt und ihre Aktionen gegen Angreifer (sog. ‘Stadt im Frieden’ [491b–508] und ‘Stadt im Krieg’ [509–540]; zur Benennung vgl. schol. bT zu 490). Dargestellt sind sie als Vorgänge, an denen die gesamte Gemeinschaft der jeweiligen pólis in irgendeiner Form teilhat, wobei teils die Frauen (492, 495b– 496), teils die Männer (497ff., 502ff., 519b ff.) mehr Gewicht erhalten. Zum Bild der pólis in den hom. Epen und zum Bezug zur Lebenswirklichkeit des Publikums s. RAAFLAUB 1993, 49–59; 2005, 259–261; HÖLKESKAMP 2002, 327–333; HAU-
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2005, 27–33; s. auch LfgrE s.v. πόλις 1349.38–1351.49. Die Handlung bleibt jeweils in der Schwebe: die Bräute sind noch auf dem Weg vom Elternhaus ins Haus des Bräutigams, die Lösung des Streitfalles und der Ausgang der Schlacht zwischen Belagerten und Belagerern bleiben offen. Dies paßt (a) zur Beschreibung eines Kunstwerkes, (b) zur unparteiischen Schilderung der Szenen als allgemeingültige, nicht einer spezifischen Gruppe von Menschen zuzuordnende Vorkommnisse, vergleichbar den Gleichnissen, (c) zum momentanen Stand der Ilias-Handlung (LYNN-GEORGE 1988, 132–136; BECKER 1995, 123f.; BUCHAN 2012, 84f.; zu unvollendeten Handlungen in der Bildkunst SIMON 1995, 126f.; zur geradezu distanzierten Beschreibung der ‘Stadt im Krieg’ GIULIANI 2003, 43f.).
BOLD
490 1. VH ≈ 573, 587; 2. VH = 342, 20.217. — πόλις: Akk. Pl. (342n.) — µερόπων ἀνθρώπων: 288n.
491a schöne: Emphase der Ästhetik durch progressives EnjambementP des gr. Adjektivs kālós (dazu 19.11n.), sowohl auf die Städte als solche als auch auf das bildnerische Kunstwerk beziehbar (BECKER 1995, 107f.). ἐν τῇ µέν: fortgeführt in V. 509 τὴν δ’ ἑτέρην πόλιν.
491b–496 Bei der Beschreibung der Hochzeitsfeste sind Bewegung (492–493a Prozession, 494a Tanz), Lichteffekte (492b), Klang (493b Gesang, 495a Musik) und die Wirkung auf Zuschauer (495b–496) hervorgehoben, so daß das Bild eines lebendigen Hochzeitsfestes im Kopf des Rezipienten entsteht (ähnlich ‘Hes.’ Sc. 272–285a): BECKER 1995, 108–110. Genannt werden diejenigen Vorgänge, bei denen Begleitung durch Musik und Tanz zentral sind: die Hochzeitszüge, bei denen die Bräute mit Fackelzügen unter Hochzeitsgesängen aus ihrem Zuhause durch die Stadt ins Haus des Bräutigams geführt werden (die sog. Nymphagōgíai), und die Festmähler, die meist im Haus des Brautvaters stattfanden (Il. 24.63, Od. 4.17–19, 23.133–136): WEGNER 1968, 33. Das Bild mit den gemeinschaftstiftenden Anlässen zeigt den Moment, in dem die Verbindung der Brautleute und damit zweier Familien als öffentliches Schauspiel inszeniert wird, vgl. 495f. (WICKERTMICKNAT 1982, 96), und das gemeinsame Feiern (vgl. Od. 4.3–19, bes. 15ff.: Hochzeitsfest für Menelaos’ Tochter und Sohn). Zum Bankett bei Hochzeiten und als Gemeinschaftsanlaß der pólis s. SCHMITT PANTEL u.a. 2004, 233. 239ff.; allg. zu gr. Hochzeitsbräuchen und zum Ablauf eines gámos s. SMITH 2011, 88. 90–93; zu Beschreibungen dieser Bräuche in den hom. Epen s. WICKERT-MICKNAT 1982, 89–99; WEST zu Od. 1.275–8: hom. Hochzeitsbräuche als ‘Amalgam’ von Praktiken versch. Perioden und Orte (vgl. 6.117–118n.). – Die Pluralformen ‘Hochzeitsfeiern … Festgelage … Bräute’ (gr. gámoi, eilapínai, nýmphas) suggerieren ein Bild mit mehreren Festen, was als zusammenfassende Darstellung der Hochzeiten interpretiert werden könnte, die im Laufe eines dafür bevorzugten Zeitraumes 490 ἐν: 483n.
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(vgl. den att. Monatsnamen Gamēliṓn) in einer Gemeinde stattfinden (CERRI; WICKERT-MICKNAT 1982, 9), oder als sprachliches Signal dafür, daß eine bildlich dargestellte Hochzeit stellvertretend für die Gattung zu denken ist (AH; LEAF; vgl. MARG [1957] 1971, 32: “Vielzahl gibt archaisch das Typische”). 491b γάµοι … εἰλαπίναι: Die geschilderten Feierlichkeiten bestehen aus den Elementen ‘Vermählungszeremonie’ (γάµος, sonst auch in einem engeren Sinn für das Hochzeitsmahl verwendet: LfgrE s.v.; WICKERT-MICKNAT 1982, 95f. mit Anm. 535 u. 538) und ‘Hochzeitsmahl’ (εἰλαπίνη, Bez. für ein Festmahl aus unterschiedlichem Anlaß “als feste soz. Institution”: LfgrE s.v.), vgl. die Gegenüberstellung von γάµος und εἰλαπίνη Od. 1.226, 11.415; zum Plural s. 491b–496n.; CHANTR. 2.32. 492 ≈ Od. 19.48; 2. VH = 23.290; VE ≈ Il. 13.341. — νύµφας: Die Etymologie ist unbekannt, die Bed. reicht von ‘Braut’ (so hier, in Gegenüberstellung mit dem Gattungsbegriff γυναῖκες 495) über ‘Jungvermählte’ bis zu ‘junge Frau’ (LfgrE; WICKERT-MICKNAT 1982, 114f.). — θαλάµων: ist Bez. für einen privaten Rückzugsraum im Haus (‘Kammer’), u.a. für das Frauengemach (14.166n.), auch das Schlafzimmer (v.a. von Eheleuten; wie hier von erwachsenen Kindern im Haus der Eltern z.B. auch 9.473, 9.475, Od. 1.425, 2.5, 7.7): 6.316n., 3.142n.; LfgrE. — ὕπο: hier zur Angabe der Begleitumstände (‘unter Begleitung von’): SCHW. 2.529; CHANTR. 2.143; FRITZ 2005, 348f.
493 2. VH = ‘Hes.’ Sc. 274. — der Hymenaios: Das gr. Wort hyménaios ist Bez. für den Hochzeitsgesang mit dem rituellen Ruf hymḗn ō hyménaie, der die Braut auf ihrem Weg in das Haus des Bräutigams begleitet, in nachhom. Lit. das von einem Chor junger Frauen vorgetragene Brautlied (seit Pindar ist Hyménaios als dessen Personifikation als Hochzeitsgott belegt); viell. ist dieser Gesang im Moment der Ablösung eines Mitglieds von der Familie – ähnlich wie die Totenklage – als Wechselgesang zu denken (DNP s.v. Hymenaios; WEGNER 1968, 33f.; CALAME 1977, 159–162; WEST 1992, 21f.; TSAGALIS 2004, 82–85; PAPADOPOULOU 2011, 415–417). Als weitere mit einem Ritus verbundene Gesänge werden in den hom. Epen noch der ‘Paian’ (Lied für Apollon: 1.473n.; Siegeslied: DE JONG zu Il. 22.391–4), der ‘Threnos’ (Klagelied: 24.720b–722n.) und der ‘Linos’ (570n.) erwähnt, außerdem Mädchenchöre im Zusammenhang mit dem Artemiskult (16.183n.): WEGNER 1968, 32–35; DALBY 1998, bes. 196–205. ἠγίν ε͜ο ν: Intensiv-Bildung zu ἄγω (‘geleiten’), hier zur Beschreibung der Prozession zum Geleit der Braut, sonst oft zur Bez. wiederholter Handlung verwendet, vgl. etwa 24.784, Od. 10.104, 14.105 (s. dagegen die Iteratstelle ‘Hes.’ Sc. 274 ἤγοντ’ ἀνδρὶ γυναῖκα): LfgrE s.v. ἀγινέω; zum Medium ἄγεσθαι in der Bed. ‘heiraten’ LfgrE s.v. ἄγω 121.30ff. 491b τῇ: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ῥα: = ἄρα (R 24.1). — ἔσαν: 481n. 492 δαΐδων ὕπο: = ὑπὸ δαΐδων (R 20.2). — λαµποµενάων: zur Flexion R 11.1. 493 ἠγῑ́νε͜ον(ν) ἀνά: zur Prosodie M 4.6; zur unkontrahierten Form R 6; zur Synizese R 7. — ἀνὰ (ϝ)άστυ: ‘durch die Stadt hindurch’; zur Prosodie R 4.3. — ὀρώρει: 3. Sg. Plpf. zu ὄρνυµαι ‘sich erheben, entstehen’ (zur augmentlosen Form R 16.1).
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— ἄστυ: Vgl. 255n. — πολὺς δ’ ὑµέναιος ὀρώρει: Variation der Formel πολὺς δ’ ὀρυµαγδὸς ὀρώρει (4× Il., 1× Od., 1× ‘Hes.’: 2.810n.). πολύς (‘viel[fältig]’: LfgrE s.v. 1413.7ff.) bez. die Intensität der Gesänge aufgrund der zahlreichen Sänger (KAIMIO 1977, 32) und der zahlreich wiederholten Jubelrufe (GRANDOLINI 1996, 60). ὑµέναιος – im fgrE nur hier und an der Iteratstelle bezeugt, dann wieder bei lyr. und trag. Dichtern (LSJ s.v.) – ist Ableitung zu ὑµήν, dem Ausdruck des rituellen Hochzeitsrufs, dessen Etymologie umstritten ist (DELG, ChronEG 5 u. BEEKES s.v. ὑµήν).
494 junge Männer … Tanz: Junge Tänzer treten auch beim Hochzeitsfest im Haus des Menelaos auf (Od. 4.17–19; s. auch 23.133f.); sie finden sich zudem in weiteren Szenen auf Achilleus’ Schild: bei der Weinernte im Weinberg (Il. 567–572) und in der Schlußszene auf dem Tanzplatz (593f., 599–606; dazu 593–602n.); ausführlich beschrieben sind die Tanzdarbietungen bei den Wettkampfspielen, die der Phaiakenkönig Alkinoos nach der Bewirtung veranstalten läßt (Od. 8.256–265, 8.370–380; dazu BIERL 2012a, 122f.). Zu literar. Quellen und bildlichen Darstellungen von Tanz s. TÖLLE 1964, 54–86, bes. 80ff.; WEGNER 1968, 40–68 (bes. 40f. u. 60–65 zu tanzenden Männergruppen); SHAPIRO u.a. 2004, 301–303. 312– 314; HE s.v. ‘Dance’; weitere Lit. zu ‘Tanz’ s. LfgrE s.v. χορός. κοῦροι δ’ ὀρχηστῆρες: Der zweite Begriff präzisiert den ersten, vgl. die Kombination von Gattungs- und Funktionsbezeichnung 17.726 κούρων θηρητήρων, 24.347 κούρῳ αἰσυιητῆρι (allg. zum Phänomen 2.474n.); zu κοῦροι als Tänzern s. Od. 8.262–264. ὀρχηστήρ (häufiger ὀρχηστής) ist nomen agentis zu ὀρχέοµαι ‘tanzen, sich tänzerisch bewegen’, die Etymologie ist unsicher (zu Hypothesen BEEKES s.v. ὀρχέοµαι; zum Suffix -τήρ RISCH 28–30; CHANTRAINE 1933, 322f.; zur Verwendung der Wortgruppe ὀρχε- LfgrE s.vv. ὀρχέοµαι u. ὀρχηστής; WEGNER 1968, 40–42). — ἐδίνεον: Ableitung zu δίνη ‘Wirbel, Strudel’; ist sowohl trans. (19.268n.) als auch intrans. verwendet, hier entweder in der Bed. ‘sich (um die eigene Achse) drehen, herumwirbeln’, vgl. 605f. (= Od. 4.18f.) von zwei Akrobaten (LfgrE s.v. δινέω; WEGNER 1968, 43), oder von der Bewegung in einem Kreis (TÖLLE 1964, 59; KURZ 1966, 136f.); s. dazu NAEREBOUT 1997, 282 Anm. 653: “dinrefers to circular movement around a fixed point describing a circuit of any size, down to turning on the spot”.
495a Das aus zwei Röhren bestehende Blasinstrument (gr. Plural aulói) ist im fgrE nur noch 10.13 (neben Panflöten: Musik im Lager der Troer) und h.Merc. 452 erwähnt; zu Herkunft und Form WEGNER 1968, 19–22; WEST 1992, 81–107; DNP s.v. Musikinstrumente. – Die phórminx steht in der Ilias in Zusammenhang mit Apollon (1.603, 24.63 [Hochzeit von Peleus und Thetis]) und Achill (9.186/194); sie dient dem Sänger zur Begleitung (s. 569f., 9.189, Od. 1.155f. u. 22.332ff. Phemios, 8.67ff. u. 261ff. Demodokos) und ertönt beim Tanz (Il. 18.569ff., Od. 4.18ff., 8.248ff., 23.133ff.); zu den verschiedenen Typen der Saiteninstrumente (u.a. phórminx, kítharis) s. 1.603n.; LfgrE s.v. φόρµιγξ (jeweils mit Lit.); SCHUOL 2006, 143–146; HAGEL 2008. 494 τοῖσιν: anaphorisch auf κοῦροι bezogen (R 17); zur Flexion R 11.2.
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βοὴν ἔχον: Periphrase für ‘tönten’, vgl. καναχὴν ἔχειν 16.105 u. 16.794 (Metall des Helms), h.Ap. 185 (φόρµιγξ): 16.104–105n.; bez. den anhaltenden Ton (LSJ s.v. ἔχω; KRAPP 1964, 203; anders BUCHAN 2012, 84: bez. den in der bildlichen Darstellung ‘eingefrorenen’ Ton). βοή ist nur hier im fgrE von einem Musikinstrument verwendet, sonst vom Rufen u. Schreien von Menschen (LfgrE s.v.).
495b–496 die Frauen | standen und bewunderten: Der ErzählerP hebt des öfteren etwas Beeindruckendes hervor, indem er Zuschauer nennt (z.B. 497, 603f.) bzw. sie sogar wie hier emotionalisiert (Bewunderung), ähnlich wie – gemäß Hephaistos’ Ankündigung – der Betrachter über das entstehende Kunstwerk staunen wird, s. 466f. (mit n.; AREND 1933, 147). Die Frauen der Stadt als bewundernde Zuschauerinnen weisen auf die zum Charakter des Festes gehörigen Präsentationen von Lied, Instrumentalbegleitung und Tanz als Gesamtschauspiel hin (WICKERT-MICKNAT 1982, 30f.; PRIER 1989, 86f.; BECKER 1995, 109f.; GRANDOLINI 1996, 60; anders LEAF S. 608 u. SMITH 2011, 93: es seien spez. die Mütter der Bräutigame gemeint, die die Bräute an der Tür erwarten). αἱ δὲ γυναῖκες: ebenso 559, Od. 11.225, 20.161; zum Auftritt neuer Figuren nach der Zäsur C 2 s. 1.194n. — προθύροισιν: πρόθυρον bez. den Tür- od. Torbereich (24.323n.), hier den Eingangsbereich mit Blick auf den öffentlichen Bereich der Straße (ROUGIERBLANC 2005, 123f.).
497–508 Bei der Beschreibung der sog. ‘Gerichtsszene’ nennt der ErzählerP die dargestellten Figuren (497f., 503f.) und Objekte (505, 507) und erklärt die Situation, indem er den Anlaß (497b–499a), die – zu denkenden – Äußerungen der Figuren (499b–500 [indir. Reden], 502 [das lautstarke Engagement des Publikums], 506b [Rechtssprüche]) und ihre – aus der Situation ableitbaren – Handlungsabsichten (501, 506, 508) schildert, so daß dem Rezipienten eine höchst lebhafte Szenerie vor Augen tritt (DE JONG [1987] 2004, 118; LYNN-GEORGE 1988, 182–184; PELLICCIA 1992, 91f.; BECKER 1995, 111–113; PALMISCIANO 2010, 53f.; vgl. 478– 608n. Abschn. B.3., zur enárgeia der Ekphrasis). Die Funktion gewisser Figuren und der Ablauf des Verfahrens, das dem zeitgenössischen Publikum sicher vertraut war, werden nur angedeutet, was zu unterschiedlichen Interpretationen geführt hat. Evident ist: Die Leute sind auf dem Markt versammelt, wo ein Streit zwischen zwei Männern über die Kompensationsleistung für die Tötung eines Mannes im Gange ist; der eine äußert sich zum Volk über das Bezahlen, der andere über das Entgegennehmen der Kompensation (497–500); die Leute unterstützen lautstark die eine oder andere Seite, Herolde sorgen für Ordnung (502f.). An der Beilegung des Streites sind in irgendeiner Form ein hístōr und eine Gruppe von (in einem Kreis sitzenden) gérontes beteiligt. Diese äußern der Reihe nach einen Spruch, wobei sie in einem Wettkampf stehen, da ein Preis ausgesetzt ist (503b–508); der Ausgang des Rechtsstreites bleibt in der Schwebe. In bezug auf die Rechtssache und den Ablauf des Verfahrens ist aber vieles umstritten: (1) Was ist der Streitpunkt (498–501n.)? (2) Was ist die Funktion (a) des hístōr (501n.), (b)
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der gérontes (502–503n.), (c) des Volkes? D.h. insbesondere: Wer entscheidet den Wettkampf und damit den Streitfall (506–508n.)? (3) Wer stiftet die zwei Talente Gold als Preisgeld (506–508n.)? Zusammenfassung der rechtshistorischen Fragen: THÜR 2007, 183–186. – Bemerkenswert ist, daß hier Vergeltung nach einer Tötung nicht als reine Privatsache abgehandelt wird (so etwa Od. 13.258ff., 15.272ff.), sondern als Disput in der Öffentlichkeit (s. 497a, 500a) mit der Bereitschaft der Kontrahenten, den Streit schlichten zu lassen (501), und daß es dafür ein geordnetes Verfahren gibt (503–505), bei dem verschiedene Vorschläge zur Streit-Lösung vorgebracht und in einem Wettbewerb gegeneinander abgewogen werden (506, 508): TAPLIN (1980) 2001, 349 (“the stable justice of a civilized city”); HÖLKESKAMP 1997, 10f.; 2002, 315–318; GAGARIN 2008, 15f.; SCODEL 2008, 86–92; zum Vergleich mit dem Ablauf sonstiger Volks- und Heeresversammlungen (dazu 1.54n.) s. VAN WEES 1992, 34ff. – Obwohl die geschilderte ‘Gerichtsszene’ kaum als eine reale bildliche Darstellung vorstellbar ist (HEFFERNAN 1993, 13; BECKER a.O. 113; s. auch 478–608n. Abschn. B.2.a.), wurde vorgeschlagen, darin Bilder in friesartiger Abfolge oder in ‘episodischer’ Form zu sehen (STANSBURY-O’DONNELL 1995, 322–324; vgl. FITTSCHEN 1973, 12f., zu den Vv. 510ff.): Bild (1) Streit (497–503a), Bild (2) Verhandlung vor den gérontes (503b–508): LEAF S. 607f.; EDWARDS zu 501; etwas anders WIRBELAUER 1996, 158. 162–167: zwei unabhängige Bilder mit zwei verschiedenen Arten von Streitschlichtung, nämlich mittels hístōr (497–503a) und durch die Gruppe der gérontes (503b–508). 497 Platz: Die agorḗ, eigtl. ‘Versammlungsplatz’ (1.54n.), ist auch Ort der öffentlichen Rechtssprechung mit Publikum (16.387n.), s. 11.806f., 16.387 (Gleichnis), Od. 12.439f. (Vergleich), Hes. Op. 28ff., Th. 84ff. λαοί: λαός ist ein bereits im Myk. belegter Begriff für ‘Volk’. “Der Pl. λαοί bez. die Vielzahl von zusammengehörigen Menschen (dt. ‘[die] Leute’ …), der Sg. λαός hebt mehr die kollektive Einheit hervor (zivil: ‘Volk’ …)”: 24.1n.; in der Ilias bez. es themabedingt oft ‘das (männliche) Volk unter Waffen’, im Pl. ‘Kämpfer’, s. im folgenden 509, 519, 523 (1.10n.), an der vorl. Stelle das versammelte (männliche) Volk, und zwar (a) im Pl. als Subj. (λαοί hier u. 502), d.h. die aus einer Vielzahl von Männern bestehenden zwei Parteien und (b) im Sg. als Obj. (λαόν 503), d.h. als undifferenzierter Gesamtkörper der (lärmenden) Menge; (c) δῆµος (500n.) bez. das (administrative u. juristische) Kollektiv der Stadtbevölkerung, an die sich eine Streitpartei wendet (CASEWITZ 1992, 198). — νεῖκος: ‘Streit, verbale Auseinandersetzung’, hier wie Od. 12.440, Hes. Th. 87 u. Op. 29ff. als eine rechtliche Auseinandersetzung (LfgrE). νεῖκος, hier mit ὠρώρει im integralen EnjambementP, ist sonst in variierbarer VE-Formel mit ὄρωρε kombiniert (9× Il., 3× Od.: 3.87n.)
498–501 Nach einer Tötung steht den Verwandten des Getöteten Blutrache zu (z.B. Od. 3.196–198); der Täter kann sich der Rache durch Exil entziehen (z.B. 15.272– 497 εἰν: = ἐν (R 20.1). — ἀγορῇ ἔσαν: zum Hiat R 5.6; zu ἔσαν 481n.
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276; s. zu Patroklos 326n.) oder sich durch Bezahlung von Wergeld sein Leben erkaufen (Il. 9.632–636): 24.480–484n. Im dargestellten Streitfall um Vergeltung für eine Tötung sind zunächst die zwei Kontrahenten erwähnt, nämlich (A) der Täter od. sein Vertreter und (B) ein Vertreter der Familie des Getöteten, außerdem ein hístōr. Aufgrund sprachlicher Zweideutigkeiten (bes. 499f.) gibt es zwei grundlegend verschiedene Interpretationen über die Streitsache (Lit. zur Diskussion: AH, Anh. S. 162; EDWARDS zu 497–508 u. 498–500; HOMMEL 1969, 11f. Anm. 1–5; WESTBROOK 1992, 54f. Anm. 3–4; JANIK 2000, 9–14; außerdem 499n., 500n.): (1) als Streit darüber, ob der Beschuldigte die Kompensation für die Tötung bereits bezahlt hat oder nicht (quaestio facti), d.h. (A) behauptet, alles bezahlt zu haben, (B) streitet ab, etwas erhalten zu haben; das Schiedsgericht orientiert sich an der Beweislage (schol. bT zu 497–8 u. zu 499–500, schol. D zu 497; AH z.St. u. Anh. S. 162; WILLCOCK; CERRI zu 499b–500; WOLFF 1946, 36f.; 1961, 32f.; HOMMEL 1969; PRIMMER 1970, 11–13; THÜR 1996; 2007, 187–190; TAUSEND 2001; CANTARELLA 2005; PELLOSO 2012, 112–115 mit Anm. 24. 127f. Anm. 62; etwas anders JANIK a.O. 15: für die Wiedergutmachung ist eine Summe festgelegt aber noch nicht bezahlt worden, viell. weil die geschädigte Familie nun plötzlich mehr verlangt, als der Täter zahlen will; (2) als Auseinandersetzung darüber, ob die geschädigte Familie eine materielle Kompensation akzeptieren muß oder ablehnen und somit auf konkreter Rache, d.h. Tötung des Täters, bestehen darf (quaestio iuris), d.h. (A) besteht darauf, alles durch Bezahlung einer Kompensation abzugelten, (B) lehnt die Annahme von Wergeld ab, d.h. besteht auf Ausübung der Rache; das Schiedsgericht soll zwischen den beiden vermitteln oder gar entscheiden, welche Sühnung (Wergeld oder Rache) dem Tötungsfall angemessen ist (LEAF S. 610–612; EDWARDS zu 498–500 [nach WESTBROOK 1992]; LfgrE s.v. ποινή; PFLÜGER 1942; BENVENISTE 1969, 240–242; ANDERSEN 1976, 12–14; WESTBROOK 1992 [mit weitergehender Interpretation: Entscheidung über die Höhe der Kompensation aufgrund der Beurteilung des Tötungsdelikts als vorsätzlich oder nicht]; VAN WEES 1992, 370 Anm. 143; SCHEID-TISSINIER 1994a, 201ff.; 2011, 59–61; WIRBELAUER 1996, 157f.; NAGY [1997] 2003, 72–82; PRIMAVESI 2002, 199f.; vorsichtig WILSON 2002, 159–161). Zur Funktion der in einen Wettbewerb tretenden gérontes s. 506–508n. Sprachlich sind beide Deutungen möglich (HOMMEL a.O. 15f.; s. 499n., 500n.), sachlich lassen sich gegen beide Einwände vorbringen: gegen (1), daß eine öffentliche Anhörung unter leidenschaftlicher Parteinahme der Anwesenden über die Frage, ob (alles) bezahlt wurde oder nicht, wenig plausibel scheint, da eine solche Zahlung sicher vor Zeugen erfolgt wäre, die hier aber nicht aufgeboten werden, außer man deutet dies aus 500a heraus (LEAF; KÖSTLER [1946] 1950, 67f.; SCHEID-TISSINIER 2011, 60f.; ELMER 2013, 183); gegen (2), daß es keinen Anspruch auf eine materielle Abgeltung und somit keinen Grund für einen öffentlichen Disput mit Spruch eines Schieds-
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gerichts geben kann, wenn die Familie des Getöteten die Blutrache will (CERRI; HOMMEL a.O. 16; CARLIER 1984, 175 Anm. 179; CANTARELLA 2005, 342f.). Zieht man eine mögliche Verbindung zur Ilias-Handlung in Betracht, spricht einiges für die Deutung (2); denn mit dieser entsteht ein engerer Bezug zu den Konfliktsituationen und zur Versöhnungsbereitschaft von Kontrahenten der IliasHandlung: (a) im Hinblick auf die Ablehnung von materieller Kompensation im 1. und 9. Gesang zeigt sich, daß ein solches Angebot zur Wiederherstellung der Ehre – entgegen Aias’ suggerierender Äußerung 9.632f. – nicht automatisch akzeptiert werden muß, sondern abgelehnt werden kann (s. auch 7.381–404), außer wenn es religiöse Gegengründe gibt (wie beim Priester Chryses); (b) im Hinblick auf Achills momentane Situation, seinen noch ungelösten Streit mit Agamemnon und seine Gier nach Rache an Hektor, läßt sich eine Vorbereitung auf die Möglichkeit einer Einigung sehen (Achill wird im folgenden 19. Gesang den Streit beenden) und auf die Bereitschaft zur Versöhnung mit dem Vater des getöteten Feindes (Achill wird im 24. Gesang Priamos’ Lösegeld für Hektors Leichnam akzeptieren): EDWARDS; ANDERSEN a.O. 14–16; MACDOWELL 1978, 20; VAN WEES a.O. 370 Anm. 143; LOWENSTAM 1993, 100–103; NAGY a.O. 82–87; ALDEN 2000, 55–60 (bes. 56 Anm. 23); PRIMAVESI a.O. 200f.; SCODEL 2008, 88. 92; ELMER a.O. 129f. 183–187). 498 ἐνείκεον: epexegetische Wiederholung des Wortstammes νεικ- (497) als Bez. der verbalen Auseinandersetzung (dazu 2.221–222a n., 19.86a n.), deren Inhalt in den Vv. 499b u. 500b mittels paralleler Struktur (Parison) dargelegt ist (FEHLING 1969, 165. 323). — ποινῆς: Bez. für ‘Kompensation’, sowohl in materieller als auch in konkreter Form (3.290n.: ‘Buße’ od. ‘Rache’; WILSON 2002, 61ff.; SCODEL 2008, 75–93). 499 ηὔχετο πάντ’ ἀποδοῦναι: εὔχοµαι bed. einerseits ‘eine offizielle Angabe über sich machen’ (1.91n., 6.211n.), wird andrerseits auch als Bez. des Schwuraktes verwendet (3.296n.; daher THÜR 2007, 189–191: “war bereit zu schwören”), und ist nur hier in den hom. Epen in rechtlichem Kontext verwendet, also etwa ‘geltend machen’ (MUELLNER 1976, 53–66. 98f. 100–106). Da der Inf. Aor. nicht zwingend zeitliche Bed. hat (3.28n. s.v. τείσασθαι; CHANTR. 2.307ff.; vgl. auch RIJKSBARON [1984] 2002, 109) und somit sowohl auf vergangene als auch auf zukünftige Handlung bezogen sein kann, läßt sich die Aussage grundsätzlich auf zwei Arten wiedergeben (CORLU 1966, 331–336; zur inhaltl. Diskussion 498–501n.): ‘er machte geltend, gegeben zu haben’ (REYNEN 1983, 122–124; PELLOSO 2012, 127 Anm. 62) oder ‘er machte geltend zu geben’, d.h. ‘geben zu wollen’ (PFLÜGER 1942, 141–144; CORLU a.O. 334–336; PERPILLOU 1972, 178f.; MUELLNER a.O., 102–106 [beide mit Hinweis auf die vergleichbare Verwendung von εὔχοµαι auf myk. Täfelchen aus Pylos: PY Ep 704, Eb 297, s. DMyc s.v. e-u-ke-to-qe]; AUBRIOT-SÉVIN 1992, 203–207;
498 ὠρώρει: ‘war ausgebrochen, herrschte’ (493n.). — εἵνεκα: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). 499 ἀποφθιµένου. ὅ: zum Hiat R 5.5.
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WESTBROOK 1992, 73f.: “is claiming the right to pay the ransom (ποινή) in full (πάντα)”; vorsichtig CHANTR. 2.310 u. 2.335 Anm. 1). 500 δήµῳ: bez. sowohl das Gebiet einer Gemeinschaft als auch dessen Bewohner (‘Wohnbevölkerung’), s. z.B. 3.50 (s.d.; 1.10n., 2.198n.) und ist schon im Myk. als Begriff für lokale Administrations-Einheiten sowie für juristische Kollektive belegt (DMic. s.v. da-mo); an der vorl. Stelle und 295 (s.d.) bez. es die Teilnehmer einer Versammlung, um deren Zustimmung gerungen wird, betont also die Öffentlichkeit des Vorgangs (HÖLKESKAMP 2002, 317; vgl. 497n.). — πιφαύσκων: Redupliziertes σκ-Präs., zur gleichen Wz. wie φάος gehörig (< φαϝ-), hat kausat. Bed. ‘zum Leuchten bringen, erhellen’; ist oft verbunden mit Ausdrücken des Redens, dann mit der Bed. ‘deutlich machen, darlegen’, s. bes. 10.202, 21.99, Od. 11.442f., 12.165 (LfgrE s.v.; DELG s.v. φάε; MUELLNER 1976, 104f.). — ἀναίνετο µηδὲν ἑλέσθαι: Bei der Interpretation dieser Wendung sind drei Dinge umstritten: (1) ἀναίνοµαι bed. im fgrE (a) meist ‘sich weigern’ (mit Inf. noch 450, 23.204) od. ‘jn./etw. ablehnen, von sich weisen’, (b) vereinzelt auch ‘etw. abstreiten’ (9.116 absolut, Od. 14.149f. mit AcI: ἀναίνεαι οὐδ’ ἔτι φῇσθα | κεῖνον ἐλεύσεσθαι): LfgrE s.v. ἀναίνοµαι; (2) die Negation µηδέν (statt οὐδέν) wird (a) entweder als Hinweis auf eine Willensäußerung interpretiert (LEAF), (b) oder mit Verweis auf Eid-Formulierungen erklärt (WILLCOCK; vgl. 19.261n.); (3) der Inf. Aor. kann wie in 499 (s.d.) sowohl (a) eine künftige als auch (b) eine vergangene Handlung bezeichnen. Daraus ergeben sich zwei Auffassungen der Wendung, die den beiden in 498–501n. genannten Interpretationen der Szene als ganzer entsprechen, nämlich (a) ‘er weigerte sich, etwas anzunehmen’ (so LfgrE s.v. αἱρέω 359.27ff. [mit Hinweis auf Il. 9.679]; CHANTR. 2.235f. Anm. 1; CORLU 1966, 332f.; MUELLNER a.O. 105f.; ELMER 2013, 184f.: ἀναίνοµαι als “the negation of socially constructive speech”), oder (b) ‘er stritt ab, etwas angenommen zu haben’; zur pleonastischen Negation nach negativem Begriff (dt. ‘etwas’) s. CHANTR. 2.335; SCHW. 2.598. Sprachlich scheint die Deutung (a) – und damit die Interpretation (2) in 498–501n. – etwas plausibler zu sein. – ἑλέσθαι ist eine singuläre Ausdrucksweise für das Annehmen von ποινή (u. ἄποινα), sonst ist das Verb δέχοµαι verwendet (Stellen s. MUELLNER a.O. 102 Anm. 11; zum Vokabular s. auch WILSON 2002, 22–25).
501 1. VH ≈ Od. 3.344. — Schiedsmann: Das gr. Substantiv hístōr ist das nomen agentis (*wid-tōr) zu gr. óida/ísmen (‘wissen’) und bed. eigtl. ‘einer, der (gesehen hat und daher) weiß; ein Wissender, Experte’ (DELG s.v. οἶδα; FRISK u. BEEKES s.v. ἵστωρ; anders FLOYD 1990). An der vorl. Stelle ist es nicht in der Bed. ‘Zeuge’ verwendet (so schol. bT; SCHUBERT 2000, 56; CANTARELLA 2005, 343; zu dieser erst nachhom. bezeugten Verwendung von hístōr s. LEUMANN 1950, 277f.; SCHEID-TISSINIER 1994a, 189ff.), sondern für einen als ‘Schiedsrichter’ auftretenden ‘Experten’ (LfgrE; BENVENISTE 1969, 174f.), viell. einen, der über Konfliktbeilegung Bescheid weiß (EDWARDS: “‘one who sees and knows ⟨what is right⟩’,
500 µηδέν: ‘etwas’ (↑). 501 ἱέσθην: 3. Dual Impf. von ἵεµαι ‘begehren’. — ἐπὶ (ϝ)ίστορι: zum Hiat R 5.4. — ἐπί: ‘bei’.
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or perhaps […] ‘one familiar with the facts’”; SCHADEWALDT [1938] 1965, 483 Anm. 2; WIRBELAUER 1996, 159–161). An der einzigen weiteren Belegstelle in der Ilias (23.486) wird Agamemnon zum hístōr berufen, als beim Wagenrennen zwei darüber in Streit geraten (und eine Art Wette eingehen wollen), wer vorn liege und siegen werde; er soll als Autoritätsfigur und ‘Experte, Schiedsrichter’ erklären, wer Sieger sei; weitere Belege im fgrE sind Hes. Op. 792 (hístora phṓta ‘einen kundigen Mann’) und hom.h. 32.2 (hístores ōdḗs als Bez. der Musen). Auch an der vorl. Stelle suchen zwei Streitende eine Lösung mittels eines hístōr; seine konkrete Funktion und sein Verhältnis zur Gruppe der gérontes (‘Alten’) 503ff. sind jedoch nicht genannt und daher umstritten: entweder ist er einer aus ihrer Mitte oder eine Autoritätsperson, die sich von ihnen beraten läßt (EDWARDS; HOMMEL 1969, 17–25; s. auch 506–508n.); hístōr wird daher gedeutet als Bez. für (a) dasjenige Mitglied der Gruppe der gérontes, dessen Spruch im Laufe des Wettbewerbs (506–508) von der Menge u./od. von den Streitparteien als der beste angesehen wird (PFLÜGER 1942, 148; WOLFF 1946, 37–40; MACDOWELL 1978, 20f.; WESTBROOK 1992, 75 Anm. 69; SCHEID-TISSINIER 1994a, 206f.; NAGY [1997] 2003, 85f.; RUZÉ 1997, 92), (b) für den Vorsitzenden des Gremiums, der die Sprüche der gérontes anhört und als ‘Schiedsrichter’ den besten aufgrund der Plädoyers der beiden Streitenden bestimmt (AH; SCHADEWALDT [1938] 1965, 482f. Anm. 2; HOMMEL a.O. 17–32, bes. 26ff.; CARLIER 1984, 176; CERRI), oder (c) für den am Urteilsspruch nicht beteiligten Gerichtsleiter (KÖSTLER [1946] 1950, 70– 72) od. Garant und Hüter des Verfahrens (THÜR 1996, 68ff. [mit Hinweis auf Eid]). Einen anderen Ansatz in der Interpretation propagiert WIRBELAUER 1996, 161f. u. 166–168: die Vv. 501–508 zeigen zwei voneinander zu trennende, unterschiedlich ablaufende Verfahren von Streitschlichtung, einerseits durch einen ‘Experten’ (hístōr), andrerseits durch ein beratendes Gremium von ‘Alten’ (gérontes). — Entscheid: Die urspr. Bed. von gr. peírar ist unklar, im fgrE bed. es (1) ‘Grenze’ (immer Pl., v.a. die Grenzen der Erde), metaphorisch ‘Ziel, Ende’, (2) ‘Strick, Seil(-Ende)’, metaphorisch ‘Schicksal’ (LfgrE; vgl. 6.143n.). An der vorl. Stelle ist von der Bed. (1) auszugehen, darüber hinaus werden unterschiedliche Nuancen für gr. peírar helésthai angenommen: (a) ‘die Entscheidung erhalten’, d.h. das Ziel erreichen und den Streit zu Ende bringen (LfgrE s.v. πεῖραρ; AH; KÖSTLER [1946] 1950, 70); (b) das abschließende Urteil und damit die gültige Entscheidung über die Kompensationsleistung bekommen, d.h. peírar “both in the sense of a terminus and of a ‘determination’” (BERGREN 1975, 43–45 [Zitat S. 45]); (c) ‘eine Beschränkung (‘limit’) festgelegt bekommen’, d.h. die Obergrenze der Kompensation, sei sie in Form von Blutrache oder von Wergeld (EDWARDS zu 498–500 u. 501; WESTBROOK 1992, 75f.; ELMER 2013, 186). 502–503 Ähnlich wie in Versammlungsszenen (vgl. die Heeresversammlungen 1.22f. und 2.97) schaffen die Herolde Ordnung und Raum, damit die Beratung
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stattfinden kann; zum Ordnungsauftrag der ‘Herolde’ in einer Versammlung s. 1.54n., 2.50–52n., vgl. auch 19.79–84n. a.E.; zur Verwendungsweise von gr. erētýein (im Präsensstamm konativ) ‘Einhalt gebieten’ s. 2.75n. Die Bezeichnung für die Mitglieder des Beratungsgremiums, gr. gérontes, ist t.t. für die Angehörigen der Führungsschicht als Mitglieder des Rats, die z.T. auch basilḗes genannt werden (2.53f./86): 1.144n., 2.53n.; SCHULZ 2011, 9ff.; vgl. auch 448b–449n. λαοὶ … | … λαόν: 497n. — ἐπήπυον: ἠπύω bed. eigtl. ‘tönen’, trans. ‘jn. rufen’ (Od. 9.399, 10.83: LfgrE s.v.), mit ἐπ- (in der Bed. ‘entgegen’: SCHW. 2.466) ‘jm. (beifällig) zurufen’, ähnlich wie ἐπ-ευφήµησαν 1.22 (s.d.). — ἀµφὶς ἀρωγοί: ‘beidseitig als Helfer’, d.h. die einen die eine, die anderen die andere Partei unterstützend (AH). ἀµφίς ist metr. bequeme Nebenform zu ἀµφί (SCHW. 1.405). — οἱ δὲ γέροντες: Vgl. 495b–496n.
504 Daß die gérontes auf besonders präparierten (‘geglätteten’) und im Kreis (gr. kýklos) angeordneten Steinsitzen sitzen, kann wohl als Zeichen für die besondere Bedeutung dieses Ältestenrates und für seine Institutionalisierung gedeutet werden (GSCHNITZER 1983, 155f.; SCHULZ 2011, 41f.); zur archäol. Diskussion über den kýklos s. VENERI 1984, bes. 354ff.; LONGO 2010; zur Anlage einer agorḗ mit steinernen Sitzreihen (ebenso Od. 8.6) s. 1.54n., 2.99n.; HÖLKESKAMP 2002, 320. — heil’gen: Das Attribut ‘heilig’ (gr. hierós) kennzeichnet die unter dem Schutz von Zeus und Themis stehende Sphäre der Rechtsordnung und Rechtssprechung (1.238–239n.) und den Ort ihrer Ausübung, vgl. 5.499–501 die Bez. des Dreschplatzes als ‘heilige Tenne’ (LEAF; EDWARDS; LfgrE s.v. ἱερός 1141.52ff.; zur Kennzeichnung eines Amtes als ‘heilig’ s. 24.681n. εἵατ(ο): zur Schreibweise εἵ- (statt ἥ-) 2.137n. — ξεστοῖσι: ‘geglättet, poliert’; Epitheton von Gegenständen aus Holz od. Stein, von steinernen Sitzflächen noch Od. 3.406, 8.6 (LfgrE).
505 In öffentlichen Versammlungen halten die Sprecher einen Stab (gr. skḗptron) in den Händen (1.54n., 2.278b–279n.) – wobei z.T. explizit erwähnt wird, daß ein Herold ihn als Zeichen der Wort-Erteilung überreicht (vgl. 23.567f., Od. 2.37f.) –, v.a. auch diejenigen, die Recht sprechen (11.568–571). Fraglich ist, ob ein einziger ‘öffentlicher’ Stab der Reihe nach jedem Sprecher gereicht wird (dann Pl. hier in Analogie zum Gen. Pl. kērýkōn: LEAF; CARLIER 1984, 191 Anm. 255; WIRBELAUER 1996, 165; BUCHHOLZ 2012, 261), oder ob jeder Würdenträger aufgrund seines Status einen Stab als Zeichen seiner Autorität trägt, vgl. Agamemnons persönliches skḗptron Il. 2.101ff. (LfgrE s.v. σκῆπτρον 147.23ff., bes. 40ff.: hier die von den Herolden der pólis verwalteten und den gérontes für diesen Anlaß überreichten Stäbe; MACDOWELL 1978, 20; SCHULZ 2011, 72f.; weitere Lit.: 1.234n.; LfgrE s.v. σκῆπτρον 146.23ff.; vgl. auch WEST zu Od. 2.37). Nicht auszu504 εἵατ(ο): = ἧντο, 3. Pl. Plpf. (≈ Impf.) zu ἧµαι (zur Endung R 16.2). — ἱερῷ ἐνί: zum hiatüberbrückenden unsilbischen ι (hierōj ení) M 12.2. — ἐνί: = ἐν (R 20.1). 505 ἔχον: zur augmentlosen Form R 16.1.
Kommentar
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schließen ist, daß die Formulierung “den Bedingungen der Bildlichkeit unterworfen ist” (WIRBELAUER a.O. 165 Anm. 83): alle gérontes sind gleichzeitig mit einem Stab in der Hand zu sehen, sind aber nacheinander agierend zu denken. — lautrufenden: Die Etymologie des Adjektivs ist nicht ganz klar (s.u.), es bezieht sich aber sicher auf die Stimmgewalt der Herolde, eine Grundvoraussetzung für ihr Amt (vgl. ihr distinktives EpithetonP ligýphthongos ‘stimmgewaltig’: 2.50n.).
ἠεροφώνων: hapax legomenonP, dessen Vorderglied umstritten ist: entweder ἠερο- zu ἀήρ ‘Nebel, Luft’ (vgl. z.B. ἠερο-φοῖτις 19.87n.), dann etwa ‘deren Stimme durch den Nebel / die Luft tönt’ (d.h. laut ist), oder Verschreibung für ἱερο-φώνων (s. v.l. im app. crit.), vergleichbar mit ved. vā́ cam iṣirā́ m (‘kräftige Stimme’), dann ‘mit starker, kräftiger Stimme’ (SCHULZE 1892, 211f.; WEST 2001, 249f.; WACHTER 2008, 121 [ἠερο- ist evtl. frühes itazistisches Mißverständnis für ἱερο-]; unentschieden DELG s.v.; KAIMIO 1977, 77f.).
506–508 Die Deutung des Verfahrens hängt von der Frage des Streitinhalts in den Vv. 499f. ab (vgl. 498–501n.); daher wird im Rechtsspruch der ‘gérontes’ ein Urteilsvorschlag (Art der Kompensation) od. eine Urteilsbegründung (für das Beweisurteil) oder gar eine Eidesformel für die Streit-Parteien gesehen. Bemerkenswert am Vorgang ist: (1) daß ein Wettkampf stattfindet und der Beste nicht nur soziales Prestige, sondern ein Preisgeld gewinnt – viell. von den beiden Streitparteien als Gebühr für die Klage gestiftet (so AH; LEAF S. 612f.; EDWARDS; WOLFF 1946, 43; PELLOSO 2012, 115 Anm. 24); sprachliche und motivische Parallelen (Streitschlichtung, Wettkampf) finden sich im 23. Gesang, v.a. im Kontext des Wagenrennens (vgl. 506/508 mit 23.574/579f. u. 507 mit 23.269/273/614, außerdem 501 mit 23.486); zu diesem agonalen Element in der vorl. ‘Gerichtsszene’ s. HOMMEL 1969, 22f.; WIRBELAUER 1996, 166 Anm. 87; vgl. auch LENTINI 2006, 169ff.; (2) daß der Streit nicht durch einen einzelnen basiléus geschlichtet werden soll, der an anderen Stellen als der von Zeus eingesetzte Hüter der Rechtssprechung agiert (s. z.B. 9.98f., 16.542, Od. 19.109ff., Hes. Th. 81ff., Op. 38ff.: 1.238–239n.), sondern daß eine Gruppe Gleichgestellter Vorschläge zur Streitschlichtung macht (HÖLKESKAMP 2002, 315f.: die ‘gérontes’ als “mediators and arbitrators”). Unklar ist, wer letztlich die Protagonisten bewertet und den Preis zuteilt und inwieweit die Kundgebungen des sich parteiisch einmischenden Volkes (502f.), das offenbar auf irgendeine Weise miteinbezogen wird (500a), die Beurteilung des vorgetragenen Falles beeinflussen: (a) entweder bestimmt der ‘Experte’ (gr. hístōr, s. 501n.) den besten Spruch (CARLIER 1984, 172ff.; 2006, 106f.; VAN WEES 1992, 34. 327f. Anm. 34: der basiléus fungiert als hístōr) oder (b) das Volk (EDWARDS; WOLFF 1946, 40–42, mit Hinweis auf das germ. Thing; ULF 1990, 170f.; GAGARIN 2008, 16–18; ELMER 2013, 185. 269f. Anm. 24f.), oder aber ausschlaggebend ist (c) der Konsens zwischen den beiden Streitparteien u./od. allen ‘Ältesten’, mitbestimmt durch die im Volk vorherrschende Stimmung (HOMMEL 1969, 27ff.; SCHEID-TISSINIER 1994a, 205; JANIK 2000, 15–17).
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506 Der Ablauf (aufstehen mit Stab in der Hand – vortreten – sprechen) entspricht den Konventionen einer hom. Versammlung (2.278b–279n.). τοῖσιν … ἤϊσσον: ἀΐσσω bez. eine schnelle Bewegung, wie 3.216 ἀναΐσσω das Aufspringen von Sprechern in einer beratenden Versammlung (s.d.), und kennzeichnet hier entweder Erregung od. – wohl eher – das Tempo bei der Abfolge der Sprecher (KURZ 1966, 73 Anm. 3); Subj. ist γέροντες (503), τοῖσιν verweist als dat. comitativus auf die σκῆπτρα (FAESI; AH; WILLCOCK; CHANTR. 2.75; LfgrE s.v. σκῆπτρον 147.37ff.; anders LEAF u. EDWARDS: Subj. sind die Streitenden [“to these elders then they dashed”], mit Subj.-Wechsel in der 2. VH). — ἀµοιβηδίς: ‘wechselweise’, weist auf Handlung, die von mehreren Figuren der Reihe nach ausgeführt wird (Od. 18.310, h.Cer. 326): LfgrE. — ἐδίκαζον: bed. im hom. Epos ‘Entscheidungen treffen’ (1.542 [s.d.] u. 8.431 von Zeus), wird auch im Zusammenhang mit Schlichten von Streit verwendet (außer hier noch 23.574/579: über Fairness beim Sieg im Wagenrennen; Od. 11.547: um die Waffen des toten Achilleus); an der vorl. Stelle ist es Bez. für einen Sprechakt (s. 508 δίκην … εἴποι): ‘einen Vorschlag zur Entscheidungsfindung machen’ (LfgrE; EDWARDS; vgl. auch PRIMMER 1970, 10f.; GAGARIN 2008, 16f.; SCHEID-TISSINIER 2011, 63; PELLOSO 2012, 128f. Anm. 63; anders THÜR 1996, 64ff.; 2007, 187ff.: Eidformeln formulieren).
507 2. VH = 23.269, 23.614; ≈ 9.122, 9.264. — zwei Talente Goldes: Die gleiche Summe ist 23.269/614 als 4. Preis im Wagenrennen ausgesetzt, außerdem Od. 4.526 als bes. Lohn für einen Wächter; Gold findet sich zudem neben anderen Gütern in Listen von Geschenken od. Lösegeldzahlungen (7 Talente Gold: Od. 9.202, 24.274; 10 Talente Gold: Il. 9.122, 9.264, 19.247, 24.232, Od. 4.129). Das Gewicht eines hom. Talents läßt sich nicht genau bestimmen (wohl geringer als die historisch belegten von 25 kg und mehr), s. 19.247n., 24.232n.; LfgrE s.v. τάλαντον. ἐν µέσσοισι: ‘in ihrer Mitte’; zur Konstruktion LfgrE s.v. µέσ(σ)ος 163.15ff.
508 am geradsten: Die Formulierung erinnert an das verbreitete Bild der ‘geraden’ (bzw. ‘krummen’) Rechtssprüche (gr. díkai, thémistes), vgl. insbesondere Hes. Th. 85f., Op. 9, 35f., 225f., ‘Hes.’ fr. 286 M.-W., h.Cer. 152, außerdem Il. 16.387, Hes. Op. 219 u.ö.; zu Vermutungen über seine Herkunft (Linie von Grenzsteinen? Richtschnur?), zu den versch. gr. Wendungen und zur Etymologie von gr. díkē (‘Recht[sspruch], Urteil’) s. 16.387n.; LfgrE (mit Lit.) u. DELG s.v. δίκη; BENVENISTE 1969, 109f.; JANIK 2000, 9–11. 20–22; PELLOSO 2012, 108f. mit Anm. 11 u. 12; weitere Lit. s. SULLIVAN 1995, 174 Anm. 1; zu den Verwendungsweisen von díkē s. auch 19.179–180n., 16.388n. ὃς … ἰθύντατα εἴποι: hat Ähnlichkeit mit der Hexameter-Aufschrift auf der DipylonOinochoë (datiert ca. 740 v.Chr.), die als Preis ausgesetzt wurde, ein Zeichen der agonistischen Kultur auch im Tanz (s. auch Od. 8.250–253, 258–260); der Text (CEG 432): hὸς 508 τῷ: demonstrativ, vorausweisend-präsentierend (R 17). — δόµεν: final-konsekutiver Inf., zur Form R 16.4. — µετὰ τοῖσι: ‘unter ihnen’, d.h. den γέροντες. — ἰθύντατα (ϝ)είποι: zum Hiat R 4.3.
Kommentar
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νῦν ὀρχε̄στο͂ν πάντο̄ν ἀταλο̄́τατα παίζει | etc. (G 2; HEUBECK 1979, 116–118; POWELL 1988, 69–74, bes. 69 Anm. 14; 1991, 158–163; EDWARDS; Übers. LATACZ 2008, 68: ‘Welcher nun von den Tänzern hier allen am flüssigsten tanzet’). An der vorl. Stelle ist der opt. obl. Zeichen Sekundärer FokalisationP durch v.a. jenen Teil der Zuhörerschaft, der den Preis verleihen soll (DE JONG [1987] 2004, 111 u. 268 Anm. 31; vgl. NÜNLIST 2002, 452).
509–540 In den Ausführungen über die sog. ‘Stadt im Krieg’ findet sich – ähnlich wie bei der ‘Gerichtsszene’ in der ‘Stadt im Frieden’ (497–508n.) – eine Kombination (a) von Beschreibung dessen, was bildlich dargestellt zu denken ist (mit Angaben zur Position der Figuren: 509, 515f., 521, 523, 525, 533), (b) von Erklärungen zur Situation, dazwischen immer wieder narrative Passagen (BECKER 1995, 116–124, bes. 121 zu den Vv. 530–534: “The images are fully dramatized, turned into stories”; PRIMAVESI 2002, 201–205, unter Berücksichtigung der Häufung von Aorist-Formen in den Vv. 525–527/530–534 [s.d.]; zur Gliederung nach narratologischen Gesichtspunkten s. 513n.); (a) durativ-beschreibend (gr. Impf.) formuliert ist: (A) eine Stadt wird belagert (509–510a), auf den Stadtmauern stehen Frauen, Kinder und Greise (514f.), die Krieger verlassen die Stadt (516–519); (B) die Städter lauern am Fluß (521–523); (C) Überfall auf Herden und ihre beiden Hirten (525–526a, 528f.); (D) Kampf zwischen Städtern und Belagerern (533– 540); (b) erklärend, begründend und überleitend sind die Vv. 510b–513 (Situation), 520/524/526b (Gedanken der Figuren), 527, 530–532 (Überleitung zu neuer Handlung). Diese Gliederung der Passage ist “nicht als Anleitung zur Rekonstruktion von Bildern […], sondern ausschließlich als Repräsentation virtueller Bilder im Text” zu verstehen (PRIMAVESI a.O. 204; s. auch 478–608n. Abschn. B.2.a.). Dabei werden verschiedene Vorgänge in einem Krieg sichtbar gemacht, die auch in der Ilias immer wieder präsent sind: Belagerung einer Stadt (mit Uneinigkeit im Heer der Belagerer: 510n. [s.v. δίχα … ἥνδανε βουλή]), Ausbruch und Angriff der Belagerten (während Frauen, Greise und Kinder in der Stadt ausharren), Heeresversammlung, Hinterhalt, Massenkampf in offener Feldschlacht, Kampf um die Gefallenen auf dem Schlachtfeld (511n., 514–515n., 539–540n.; ALDEN 2000, 65– 67); ferner Raub- und Beutezug gegen eine befestigte Siedlung sowie Viehraub, ein in der idg. Heldendichtung weit verbreitetes Motiv, in der Ilias vertreten durch Achills Beutezüge in der Umgebung Troias zur Ernährung des Heeres (1.163ff., 6.414ff., 9.328ff., 20.91ff.; außerdem etwa 1.154ff., 9.547ff., 11.671ff., Od. 21.15ff.): 1.154–157n. (mit Lit.), 1.366n., 6.424n.; LONSDALE 1990, 119–121; PRITCHETT 1991, 320–322; WEST 2007, 451–454. Zur vorl. Gestaltung s. auch SCHADEWALDT (1938) 1965, 365f.: der Erzähler verfolge “nicht so sehr den einheitlichen Verlauf eines bestimmten kriegerischen Unternehmens. Er greift Grundphasen heraus, entwickelt in gleitendem Phasenablauf alle Gesichter des Krieges in damaliger Zeit” (vgl. dagegen die Darstellung von Belagerung und Schlacht auf dem pseudo-hesiodischen Schild des Herakles ‘Hes.’ Sc. 237–269).
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509 zwei Heerhaufen: Dies besagt nicht, daß zwei verschiedene Heere gleichzeitig die Stadt belagern, sondern gibt die bildliche Darstellung einer Belagerung wieder, wie sie von phönizischen Schalen her bekannt ist: auf beiden Seiten einer Stadt sind Angreifer zu sehen (EDWARDS; SCHADEWALDT [1938] 1965, 483 Anm. 1; s. auch schol. A; zu den Darstellungen belagerter Städte in der mykenischen und orientalischen Kunst s. FITTSCHEN 1973, 12 mit 10f. Abb. 3f. u. Taf. VIIIa/b; SIMON 1995, 130f.; WIRBELAUER 1996, 149 mit Anm. 21; WEST 1997, 389f.; BUCHHOLZ 2010, 21–26). τὴν δ’ ἑτέρην πόλιν ἀµφί: ‘um die andere Stadt’ (vgl. 491a n.), eigtl. ‘zu beiden Seiten …’; zum Akzent von ἀµφί in Anastrophe SCHW. 2.436f. Anm. 1. — λαῶν: 497n.
510 1. VH ≈ 17.214, 20.46, Hes. Th. 186, ‘Hes.’ Sc. 60; VH = Od. 3.150; ≈ 8.506; VE = 14.337. — strahlend: Die flektierbare VA-Formel téuchesi lampómenoi ist in der Ilias sonst 2× mit Bezug auf Achills Waffen gebraucht (17.214 von Hektor in Achills erster Rüstung, 20.46 von Achill selbst; Variante in 19.398 [s.d.]). Das Waffenglanz-Motiv – auf dem Schild noch 522 – bereitet sonst in der Ilias oft auf große Leistungen der Waffenträger vor (19.374–383n., 16.70b–72a n.); hier paßt es sowohl zum Dargestellten als auch zum Material des Schildes (BECKER 1995, 116). δίχα … ἥνδανε βουλή: wird verschieden interpretiert, wobei sprachliche Kriterien eher die Deutung (a) stützen: (a) analog zu Od. 3.150 u. 8.506 (τρίχα … ἥνδανε βουλή) und zu Formulierungen mit δίχα + θυµός (Il. 20.32, 21.386, ‘Hes.’ fr. 204.95 M.-W.) als Ausdruck für zwei versch. Präferenzen und somit für eine Meinungsverschiedenheit unter den Belagerern: kämpfen, erobern und alles nehmen vs. wenigstens die Hälfte des Besitzes erpressen; damit ließe sich ein Bezug zum dominierenden Motiv der Ilias-Handlung, ‘Streit im Heer der Belagerer’, herstellen (schol. bT; LfgrE s.v. δίχα; LEAF S. 608; CERRI; MARG [1957] 1971, 32 Anm. 42; ANDERSEN 1976, 9; TAPLIN [1980] 2001, 350; ALDEN 2000, 63– 65; PRIMAVESI 2002, 205f.; ELMER 2013, 42–44. 244 Anm. 44, mit Gegenüberstellung von ἁνδάνειν [individuelle Präferenz] vs. ἐπαινεῖν [Konsens der Gemeinschaft]; zur Etymologie von ἁνδάνω 1.24n.); (b) als Ausdruck dafür, daß man ein in zwei Richtungen gehendes Ultimatum an die Belagerten beschlossen hat, worauf diese nicht eingehen wollen, s. 513a: Freikauf oder andernfalls Zerstörung der Stadt, s. dazu 511n. (LA ROCHE; FAESI; AH; EDWARDS; SCHADEWALDT [1938] 1965, 483 Anm. 1).
511 2. VH ≈ 22.120. — Im Laufe der Ilias-Handlung werden mehrere Möglichkeiten vorgeführt, wie die Belagerung einer Stadt enden kann: mit dem bedingungslosen Rückzug der Belagerer (s. die Diskussionen der Achaier über Heimkehr im 2.
509 εἵατ(ο): 504n. 510 σφισιν: = αὐτοῖς (R 14.1), sc. den Belagerern. 511 ἠὲ … ἠ(έ): ‘entweder … oder’. — διαπραθέειν: Inf. des themat. Aor. zu δια-πέρθω (‘zerstören’); zur Form R 16.4, R 8. — ἠ’ ἄνδιχα: zur Elision R 5.1. — δάσασθαι: Aor. zu δατέοµαι ‘verteilen’.
Kommentar
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u. 9. Gesang [bes. 2.110ff., 9.393ff.]), mit der Zerstörung der Stadt (s. z.B. die Anspielungen auf Achills Beutezüge in Troias Umgebung) oder mit Freikauf durch Abgabe von Gütern; dies findet sich in Agamemnons Forderung im Vertrag zwischen Achaiern und Troern 3.284–291 (Bußzahlung oder Kampf bis zum Schluß; von den Troern später nur noch teilweise akzeptiert: 7.363f., 7.389ff.; von den Achaiern daher ganz zurückgewiesen: 7.400ff.) und in Hektors Überlegungen über ein letztes Angebot an Achill 22.111–121 (Bußzahlung statt Kampf; s. auch RICHARDSON zu Il. 22.114–18; DE JONG zu Il. 22.114–21). ἄνδιχα: Distributiv-Kompositum ἀνά + δίχα (RISCH 367): ‘in zwei gleiche Teile, halb und halb’ (sc. für die Belagerer und für die Stadtbewohner). 512 = 22.121 (dort wohl interpoliert, s. DE JONG z.St.). — κτῆσιν ὅσην … ἐντὸς ἔεργεν: ‘alle Habe, die …’, führt πάντα (511) weiter aus (LA ROCHE; DE JONG zu Il. 22.121; LfgrE s.v. ὅσ(σ)ος 839f.36ff.; vgl. 2.845n.). – ἐντὸς ἔεργεν ist flektierbare VE-Formel (6× Il., 1× Od., 2× Hes.). — ἐπήρατον: ‘begehrt, begehrenswert’, signalisiert die Wirkung auf den Betrachter (BECKER 1995, 117), viell. auch aus der Sicht der Belagerer (LfgrE).
513 Mit der gr. Wendung lóchōi hypethōrḗssonto setzt die Beschreibung eines ‘Hinterhalts’ ein (gr. lóchos, verbal lochḗsai 520; zum Begriff 24.779n.), der im Gegensatz zur offenen Feldschlacht steht (gr. emáchonto máchēn 533). Der lóchos (aus der Sicht der Überfallenen 526 als dólos ‘List’ bezeichnet) ist im hom. Epos einerseits öfter negativ konnotiert, wird andrerseits aber auch als Kriegstaktik unter Aufbietung der besten Kämpfer genannt, s. 1.227f., 13.277 (1.226–227n., 6.178–195n.; LfgrE s.v. λοχάω; EDWARDS 1985, 18–41; DUÉ/EBBOTT 2010, 33– 49. 69–87). Zu den Elementen einer Typisierten EreignissequenzP ‘Hinterhalt’ gehören (DUÉ/EBBOTT a.O. 70): (1) Auswahl der Teilnehmer (die Nennung der zurückbleibenden Verteidiger [514f. Frauen, Kinder, Greise] suggeriert alle waffenfähigen Männer [519 gr. laói], angeführt von zwei Göttern [516]); (2) Planung und Wappnung (513b); (3) Auswahl des Ortes (520f.); (4) Verstecken und Abwarten (522–524); (5) Überraschungsangriff (525–529); (6) Rückkehr; diese fehlt, da die Szene in den offenen Kampf mit den herbeigeeilten Belagerern übergeht, dessen Ausgang offen bleibt (530–540). οὔ πω πείθοντο: ‘gaben noch nicht nach’ (LfgrE s.v. πείθω 1097.23ff.), d.h. dachten noch nicht an Zugeständnisse (LEAF). — ὑπεθωρήσσοντο: ‘rüsteten sich heimlich’, das Kompositum nur hier; zum Präverb ὑπο- als Ausdruck für Heimlichkeit vgl. v.a. ὑποκλοπέοµαι (LfgrE s.v.), weitere Bspe. bei SCHW. 2.524; s. auch 319n. (ὑπὸ … ἁρπάσῃ). θωρήσσοµαι bez. nicht nur den äußeren Vorgang des Anlegens der Rüstung, sondern auch das Sich-Einstimmen auf den Kampf wie auch das eigtl. In-den-Kampf-Ziehen (LfgrE).
512 πτολίεθρον: ep. Wort, Erweiterung zu πόλις/πτόλις (zum πτ- R 9.2). — ἔ(ϝ)εργεν: Impf. zu ἐέργω/εἴργω, ‘umschloß’, d.h. ‘barg, enthielt’. 513 οἳ δ(έ): sc. die belagerten Stadtbewohner. — λόχῳ: dat. finalis ‘zum, für einen Hinterhalt’.
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514–515 Der Schutz der belagerten Stadt durch Greise und Kinder erinnert an Hektors Anweisungen 8.518ff. (als die troischen Krieger draußen im Feld übernachteten), die Frauen und alten Männer auf den Mauern erinnern an die Teichoskopie im 3. Gesang (3.146ff., 3.384: Helena mit den Ältesten und den Frauen Troias auf dem Skäischen Tor) und weisen voraus auf den 22. Gesang, wo Hektor vor den Augen seiner Angehörigen fällt (22.25ff., 22.405ff., 22.460ff.: die greisen Eltern und Andromache auf der Mauer); das Schicksal von Frauen, Kindern und Alten im Falle der Eroberung wird mehrfach thematisiert (z.B. 6.450ff., 22.62ff., 24.730ff.): EDWARDS; zur Formelsprache 514n. 514 Ab Zäsur A 4 ≈ 4.238, 5.688, 6.366, 24.730. — ἄλοχοι … καὶ νήπια τέκνα: um das Epitheton φίλαι erweiterte flektierbare Formel (5× Il.: 2.136n.), die meist im Zusammenhang mit der Abwesenheit des Mannes/Vaters und der Gefährdung von Frauen und Kindern verwendet ist (24.729b–730n.). ἄλοχοί τε φίλαι ist flektierbare Formel nach der Zäsur A 4 (8× Il., 1× Od.; davon 6× gefolgt von einer weiteren Verwandtschaftsbez.: 6.366n.), νήπια τέκνα ist VE-Formel (11× Il., 3× Od.: 2.311n., dort auch zu νήπιος ‘klein, kindlich, unerfahren’; außerdem BRIAND 2011, 198ff.).
515 die das Alter hemmte: d.h. die Gruppe derjenigen Männer, die aufgrund altersbedingter Eigenschaften nicht mehr aktive Kämpfer sind, vgl. über Nestor 4.313–316 (LfgrE s.v. γῆρας). ἐφεσταότες: Das Ptz. ist zunächst eigtl. auf Fem. ἄλοχοι und Neutr. τέκνα bezogen, das Mask. umfaßt aber die Gesamtgruppe, die auch aus Knaben und Greisen besteht (anders 2.136f., s.d.): MONRO (1882) 1891, 157; CHANTR. 2.21.
516–519 Ares und Athene sind die einzigen Götter, die auf dem Schild abgebildet sind (vgl. 535–538n.). Ihr Auftreten ist zweifach hervorgehoben (517–519): (a) auf der Bild-Ebene optisch, indem der ErzählerP die Figuren ganz aus Gold (517n.) und in Übergröße (518n.) und somit deutlich unterscheidbar von den anderen Figuren sein läßt; (b) sprachlich, indem er ihre Beschreibung mittels gr. DualFormen von derjenigen der anderen Figuren absetzt, eingeleitet durch gr. ámphō ‘beide’ (CHANTR. 2.26; AUBRIOT 2001, 23), außerdem durch versch. WortspieleP wie anaphorischen Anklang von gr. ámphō und amphís (VA 517/519), ein Polyptoton des Adjektivs ‘golden’ und eine figura etymologica (517 mit n.). 516 ≈ 5.592; 1. VH ≈ 14.134, 14.384, h.Ap. 514; VA = Il. 13.795, 23.114, Od. 10.103. — Ares mitsamt Pallas Athene: Während sie in der Ilias-Handlung jede(r) die eine der beiden Kriegsparteien unterstützen und im Kampf direkte Gegner sind (5.826ff., 20.69), sind sie hier in einem Unternehmen vereint und 514 ῥ’: = ἄρα (R 24.1). 515 ῥύατ(ο): 3. Pl. Impf. zu ῥῦµαι/ἔρυµαι ‘bewachen, hüten’; zur Endung R 16.2. — ἐφεσταότες: = ἐφεστῶτες, Ptz. Perf. zu ἐφ-ίσταµαι (vgl. R 6). — µετά: adverbiell, ‘darunter, unter ihnen’. — ἀνέρες: = ἄνδρες; Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1). — ἔχε: ‘im Griff hatte’; zur augmentlosen Form R 16.1.
Kommentar
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führen gemeinsam die Männer an (wie 5.591f. Ares zusammen mit der Kriegsgöttin Enyo [FG 12] die Troer in den Kampf führt), denn sie gelten beide gleichermaßen als “Verwalter des Kampfes”, s. etwa 4.439, 5.428–430, 13.127f., 17.398f., 20.358f. (ERBSE 1986, 162): zu Ares gehört ausschließlich die blutige und zerstörerische Komponente des Krieges (FG 6; HE s.v. Ares; WATHELET 1992, 118f. u. 126–128; vgl. seine Epitheta: LfgrE s.v. Ἄρης); Athene gilt auch als ‘Stadtbeschützerin’ (gr. Epitheton erysíptolis), wobei in der Ilias-Handlung diese Funktion kaum in Erscheinung tritt (6.86–101n.; FG 8), dafür ihr taktisches Vorgehen in verschiedenen Situationen des Konflikts, s. z.B. 4.73–140, 15.121–141 (ERBSE 1986, 129. 143f. 153f.; WATHELET 1995, 167–169. 172). – In der Ilias führen auch andere Götter eine Kriegspartei in den Kampf: Poseidon die Achaier (14.384), Apollon die Troer (15.260f., 15.307, 15.355ff.); zu diesem Motiv 14.384n. (dort auch zu Parallelen in der altoriental. Lit.). οἳ δ’ ἴσαν: sc. die waffenfähigen Stadtbewohner, die den Hinterhalt legen, ebenso 520 οἳ δ’ … ἵκανον, 522 τοί γ’ ἵζοντ(ο) und 523 τοῖσι δ’ … . Zu Kürzestsätzen im Erzähler-TextP s. HIGBIE 1990, 97–99. — ἦρχε δ’ ἄρά σφιν: Der Sg. des Prädikats zeigt viell., daß die beiden Götter als Einheit verstanden sind, ebenso 5.592 (ἦρχε … Ἄρης καὶ πότνι’ Ἐνυώ), 7.386 (ἠνώγει Πρίαµός τε καὶ ἄλλοι Τρῶες): LEAF; zum Akzent (ebenso 520) WEST 1998, XVIII. — Παλλὰς Ἀθήνη: 217–218n.
517 in Gold: Gold ist allg. ein charakteristisches Attribut von Göttern (205–206n.), s. auch die goldene Rüstung von Zeus bzw. Poseidon 8.43 = 13.25 (allg. zu Kleidern als Hinweis auf Status/Identität s. TZAMALI 1996, 295; FOLEY 1999, 259f.); sonst wird nur Aphrodite als ‘golden’ bezeichnet (3.64n.). Die Beschreibung ‘golden’ ruft hier auch das Material der Schildproduktion in Erinnerung, s. 475 (BECKER 1995, 118). χρυσείω … χρύσεια: zur Form 418n. — εἵµατα ἕσθην: häufig belegte figura etymologica zur Wz. (ϝ)εσ- (vgl. lat. ves-tis, dt. Weste), u.a. als flektierbare VE-Formel (5× Il., 12× Od., 1× h.Ven.): LfgrE s.v. εἷµα; zum medialen Perf.-Stamm (urspr. ein altes WurzelPräs.?) CHANTR. 1.297; NUSSBAUM 1998, 141.
518 1. VH ≈ Od. 9.426, 13.289, 14.7, 15.418, 16.158, 18.68. — Göttern: verweist darauf, daß die abgebildeten Figuren eindeutig als Götter erkennbar sind (BECKER 1995, 119); denn Schönheit und v.a. übermenschliche Größe sind charakteristisch für Götter-Erscheinungen, s. etwa die Epiphanien von Aphrodite h.Ven. 173f. und von Demeter h.Cer. 188f., 275 (zu weiteren Stellen in nachhom Lit. s. RICHARDSON zu h.Cer. 188–211 u. zu 275ff.; FAULKNER zu h.Ven. 173–5; zu Größenunter517–519 χρυσείω … ἕσθην, | καλὼ … µεγάλω … θεώ … | … ἀριζήλω: Duale; ἕσθην ist Dual des Plpf. von ἕννυµαι, ‘waren eingehüllt in, hatten an’. 517 δὲ (ϝ)είµατα (ϝ)έσθην: zu den Hiaten R 4.3. 518 τε: ‘episches τε’ (R 24.11). — περ: betont das vorangehende Wort (R 24.10), ‘wie eben Götter’, d.h. ‘da sie ja Götter sind’.
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schieden zur Hervorhebung von Göttern in der darstellenden Kunst s. FITTSCHEN 1973, 13). σὺν τεύχεσιν: 269–270n. — ὥς τε θεώ περ: mit kausaler Nuance, d.h. καλὼ καὶ µεγάλω begründend (3.381n.; AH; RUIJGH 575f.; zu ὥς τε 318b n.). 519 ἀµφίς: 502–503n.; bed. hier entweder ‘beidseitig’, d.h. svw. ‘beiderseits, beide’ (vorsichtig EDWARDS; SCHW. 2.439) od. ‘ringsum’ (AH; LfgrE; unentschieden CHANTR. 2.89). — ἀριζήλω: 219n. — λαοί: 497n. — ὑπ’ ὀλίζονες ἦσαν: adverbielles ὑπό ‘darunter’, d.h. ‘unter ihnen’; wohl konkret räuml. im Hinblick auf den Größenunterschied, ähnlich wie 11.681 ὑπῆσαν von Fohlen bei ihren Müttern, also ‘waren darunter kleiner ⟨dargestellt⟩’ (AH; LEAF; LfgrE s.v. ὀλίγος; CHANTR. 2.85 u. 2.139; LEUMANN 1950, 72; RENGAKOS 1993, 120; FRITZ 2005, 351). – Der Komparativ ὀλίζων (< *ὀλίγjων) ist erst wieder nachhom. belegt (v.a. bei alexandrinischen Dichtern u. in att. Inschr.): DELG, BEEKES u. LSJ s.v. ὀλίγος.
520–529 Die Belagerten wollen sich durch den Viehraub neue Nahrung verschaffen (vgl. Hektors Argumentation mit der Verknappung der Mittel in der belagerten Stadt 287ff.), und/oder den Nahrungsnachschub der Belagerer unterbinden. Zur Nutzung von Rindern (Fleischproduktion, Leder) und Schafen (Wolle, Milch und Fleisch) in der hom. Gesellschaft und zur Rinderhaltung als Gradmesser für Reichtum s. 2.403n. u. 2.449n.; RICHTER 1968, 15. 44–55; Stellen-Liste zu Rinderraub im fgrE s. LfgrE s.v. βοῦς 90.21ff.; s. auch 509–540n.; zu bildlichen Darstellungen von Viehraub s. FITTSCHEN 1973, 12f. 520 ≈ 23.138; 1. VH bis ὅθι: = 10.526; ≈ 4.210, 5.780, Od. 15.101; bis ἵκανον: ≈ Il. 6.297, 7.186. — οἳ δ(έ): 516n. — εἶκε: entweder sekundäres Impf. zur Wz. von ἔοικα, also ‘wo es ihnen passend schien’ (AH; LEAF; EDWARDS zu 520–2; CERRI; EBELING s.v. εἴκω; SCHW. 2.144), od. Impf. zu εἴκω (‘weichen’) in unpersönlicher Konstr., ‘wo sich ihnen Platz, d.h. die Möglichkeit bot’, wie Sappho fr. 31.8 Voigt (WILLCOCK; LfgrE s.v. εἴκω; BEKKER 1863, 137; SHIPP [1953] 1972, 299; TZAMALI 1996, 178; vorsichtig SCHW. 1.745 Anm. 2; unentschieden CHANTR. 1.310 Anm. 1; LfgrE s.v. ἔοικα 622.68ff.; zur älteren Lit. AH, Anh. S. 164).
521 1. VH ≈ 2.861. — Tränke: d.h. ein Ort, der den Angreifern für ihr Unternehmen besonders gute Chancen bietet, da die Hirten beim Tränken der Tiere abgelenkt sind (ELLIGER 1975, 37). ἐν ποταµῷ: ‘am Fluß’; VA-Formel (24.351n.). — ὅθι τ(ε): Hinweis auf über die Szene hinaus allg. Gültiges (RUIJGH 472). — ἀρδµός: noch Od. 13.247; Bez. für eine natürliche Vieh-Tränke, Ableitung zum Verb ἄρδω ‘tränken, bewässern’, vgl. h.Ap. 263 ἀρδόµενοι, Il. 21.346 νεοαρδής ‘frisch bewässert’ (DELG s.v. ἄρδω). — βοτοῖσιν: Das hom. hapaxP βοτά, nachhom. ein Wort der Dichtersprache v.a. für Schafe (Gegensatz zu θηρία), ist hier Kollektivbez. für Weidevieh (524, 528f.: Schafe u. Rinder); es gehört zur Wz. von βόσκω 520 ὅθι: ‘⟨dahin,⟩ wo’ (ebenso 521). — σφισιν: = αὐτοῖς (R 14.1). 521 ποταµῷ, ὅθι: zum Hiat R. 5.6. — τ(ε): ‘episches τε’ (R 24.11). — ἔην: = ἦν (R 16.6). — πάντεσσι βοτοῖσιν: zur Flexion R 11.3 und R 11.2.
Kommentar
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‘nähren, weiden’ (DELG s.v. βόσκω; vgl. 2.287n. u. 3.89n. zu den Epitheta ἱππόβοτος ‘rossenährend’ bzw. πουλυβότειρα ‘viele ernährend’). – πάντεσσι βοτοῖσιν klingt an VE-Formeln mit Epitheton + βροτοῖσιν an (z.B. δειλοῖσι βρ. 24.525n., πάντεσσι/πᾶσι βρ. Od. 13.397/15.255): EDWARDS. 522 ἔνθ’ ἄρα τοί γ(ε): nimmt οἳ δ’ ὅτε δή 520 wieder auf, ebenso τοῖσι 523 (516n.). — εἰλυµένοι αἴθοπι χαλκῷ: Variation der VE-Formel κεκορυθµένος/-οι αἴθοπι χαλκῷ (9× Il., 1× Od.). εἰλυµένοι ist Ptz. Perf. Med.-Pass. zu ε(ἰ)λύω, also ‘eingewickelt, umhüllt’ (vgl. lat. volvo: CHANTR. 1.131), χαλκός bez. die Rüstung (349n.), vgl. etwa 14.383 ἕσσαντο περὶ χροῒ νώροπα χαλκόν; die Bed. von αἶθοψ ist umstritten (‘glutfarben’?, ‘glänzend, funkelnd’?: 24.641n.).
523 2. VH ≈ 24.799. — zwei Späher: Sie sollen die Ankunft der Herden melden (524), damit der Angriff blitzschnell und überraschend erfolgen kann (526–529), vgl. den Einsatz von Spähern Od. 16.365–370. Das Überraschungsmoment beim Viehraub wird an anderer Stelle (11.671–683a) durch einen nächtlichen Überfall erreicht; zu Variationen des Motivs ‘Überfall zwecks Viehraub’ s. DUÉ/EBBOTT 2010, 82–84. τοῖσι δ’ ἔπειτ’ …: ἔπειτα kann im hom. Epos außer der zeitlichen Abfolge auch eine logische Folge verdeutlichen: ‘dabei, da (also)’ (19.112–113n., 16.667–668n.). — λαῶν: 497n.; entweder abhängig von ἀπάνευθε, ‘abseits von, abgesondert von den Kriegern’ (AH; FAESI), oder Attribut zu σκοποί (WILLCOCK; LfgrE s.vv. ἀπάνευθε u. σκοπός); unentschieden LEAF; LA ROCHE. 524 δέγµενοι: durativ ‘abwartend’, anstelle von nicht hexametertauglichem δεχόµενος (2.137n.). — ἕλικας βοῦς: VE-Formel (3× Il., 4× Od., 2× Hes., 1× h.Merc.; außerdem 5× fgrE nach der Zäsur B 1), oft erweitert um das Epitheton εἰλίποδας (‘schleppfüßig’: dazu 6.424n.). ἕλιξ ist distinktives EpithetonP von Rindern, wahrscheinlich neben subst. ἕλικες (eine Bez. für Schmuckstücke: 401n.) zur Wz. von εἰλέω/ ἑλίσσω gehörig, viell. die Kurzform eines Kompositums *ἑλικό-κραιρος analog zu ὀρθό-κραιρος 573n. (DELG u. BEEKES s.v. ἕλιξ; BECHTEL 1914, 121; ähnlich RISCH 162); die Bed. wäre dann ‘krummhörnig’, vgl. h.Merc. 191f. βοῦς … | … κεράεσσιν ἑλικτάς (HAINSWORTH zu Il. 9.466–9 u. 12.293; WEST zu Od. 1.92; LfgrE s.v. ἕλιξ II; RICHTER 1968, 47f.). 525–534 Die Verse dürften als Kombination von Bildbeschreibung mit erklärenden Passagen narrativen Inhalts zu verstehen sein, welche die nicht auf dem Schild dargestellten Zwischenschritte der Handlung verdeutlichen (PRIMAVESI 2002, 197f. 202–204); für diese Deutung sprechen die Häufung von (in der Schildbeschreibung sonst vergleichsweise seltenen) Prädikaten und Partizipien im Aorist (προγένοντο, προνόησαν, ἐπέδραµον, ἐπύθοντο, µετ522 τοί: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 14.3). 523 τοῖσι: dat. commodi; demonstr.-anaphorisch (R 17). — ἀπάνευθε: ‘abseits, getrennt’. — εἵατο: 504n. 524 δέγµενοι ⟨εἰς τότε⟩, ὁππότε … ἰδοίατο: ‘den Zeitpunkt abwartend, zu dem sie … sehen würden’; ἰδοίατο ist opt. obl., 3. Pl. Aor. Med. (zur Endung R 16.2, zum Medium R 23). — ὁππότε: zum -ππ- R 9.1. — µῆλα (ϝ)ιδοίατο: zur Prosodie R 4.3. — καὶ (ϝ)έλικας: zur Prosodie R 4.4.
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εκίαθον, ἵκοντο und προϊδόντες, βάντες, στησάµενοι) sowie die wiederholten Hinweise auf die rasche Abfolge der Ereignisse (τάχα, ὦκα δ’ ἔπειτα, ὡς οὖν … αὐτίκ’, αἶψα): vgl. 478–608n. Abschn. B.3., 509–540n., 530n., 531–532n. 525 2. VH = Od. 17.214. — οἳ δέ: bezieht sich zunächst auf µῆλα (Ntr.) u. βοῦς (im Pl. meist Fem.) (schol. bT; AH; LEAF; 527 aber τά [s.d.]), erfaßt jedoch viell. auch bereits die im gleichen Vers genannten Hirten, die hinter der Herde hergehen (CERRI; vgl. 515n.; anders LfgrE s.v. ἕποµαι 656.22ff.: auf σκοποί zu beziehen [d.h. sie kamen, um zu melden], ἅµα ‘immediately’). — προγένοντο: γίγνοµαι steht in der Bed. ‘kommen’ immer im Aor. (LfgrE s.v. γίγνοµαι 151.71ff.), zum Präfix προ- vgl. ‘Hes.’ Sc. 345, h.Bacch. 6f. und v.a. Il. 4.382 πρὸ ὁδοῦ ἐγένοντο (mit KIRK z.St. u. CHANTR. 2.130), also etwa ‘(des Weges) vorankommen, herankommen’; vgl. auch ähnlich formuliertes τάχα … ἄγχι γένοντο 8.117, 23.447.
526 Hirtenflöten (gr. sýrinx): Die aus mehreren Holz- oder Schilfrohren bestehende sýrinx (sog. Panflöte) gilt als Erfindung des Hermes; in nachhom. Literatur ist sie v.a. das Instrument des Hermes-Sohnes Pan (LfgrE s.v. σῦριγξ mit Lit.; DNP s.v. Pan; WEST 1992, 109–112). Hermes – u.a. der Beschützer der Hirten und Herden (vgl. 14.490f., Hes. Th. 444, h.Merc. 491–498, 567ff.: 14.491n.; ALLEN/HALLIDAY/SIKES zu h.Merc. 568; VERGADOS zu h.Merc. 491–492) – hatte sie für sich gebaut (h.Merc. 511f.), nachdem er sein erstes Instrument, die Lyra, dem Apollon als Wiedergutmachung für seinen Rinderdiebstahl überlassen hatte (h.Merc. 490): FG 17; LfgrE s.v. Ἑρµείας 710.3ff.; VERGADOS zu h.Merc. 511– 512. – Das bukolisch anmutende Bild mit den flötespielenden, ahnungslosen Hirten bildet einen starken Kontrast zum blitzschnellen Überraschungsangriff und zu ihrem gewaltsamen Tod (527, 529); zum Motiv der hilflosen Hirten in Gleichnissen s. 161–164n. τερπόµενοι σύριγξι: τέρποµαι mit instr. Dat. ‘sich mit Syringen vergnügend’, d.h. als konkrete Tätigkeit i.S.v. ‘Syrinx spielend’ zu verstehen (nicht als Ausdruck einer inneren Stimmung), ähnlich 9.186, h.Merc. 506, (LATACZ 1966, 192. 196. 207; vgl. auch zu δίσκοισιν τέρποντο 2.774n.). 527 οἳ µέν: die Stadtbewohner, die den Überfall ausführen, dagegen οἳ δ’ 530 die Belagerer; zum schnellen Wechsel der mit οἵ bez. Subjekte in den Vv. 520–534 (516n., 525n.) s. AUBRIOT 1999, 18f. (Vermischung der Lager als erster Eindruck). — τὰ προϊδόντες: ‘diese von weitem erblickend’ (LfgrE s.v. ἰδεῖν), mit Ntr. Pl. für Tiere als Beute-Sache, ähnlich 11.244f. (CHANTR. 2.21). — ἐπέδραµον, ὦκα: Zu versch. Formulierungen zur Kennzeichnung der Schnelligkeit bei einem Überfall aus dem Hinterhalt s. DUÉ/EBBOTT 2010, 75f. 528 τάµνοντ’ ἀµφί: ‘von zwei Seiten her, ringsum für sich absondern’, ähnlich vom Viehraub περιταµνόµενος Od. 11.402 ≈ 24.112 und ἀπετάµνετο h.Merc. 74 (LfgrE s.vv. ἀµφί 663.54 u. τάµνω 302.61ff.; zum Med. vgl. LSJ s.v. ἀποτέµνω: “with a view of ap526 τι: Akk. der Beziehung (R 19.1), verstärkt οὐ: ‘nicht in irgendeiner Hinsicht, gar nicht, überhaupt nicht’.
Kommentar
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propriating”). — βοῶν ἀγέλας: formelhafte Junktur vor den Zäsuren C 1 (noch 11.678, 15.323, Od. 12.299; umgekehrt u. gesperrt Il. 11.696, 18.573, h.Merc. 288) und B 1 (Od. 12.129). — πώεα καλά: VE-Formel, außer hier Od. 11.402, 12.129, 24.112, jeweils erweitert zu οἰῶν π. κ. (s. 529). πῶυ (‘Herde’), etymologisch verwandt mit ποιµήν, ist fast immer mit Gen. οἰῶν od. µήλων verbunden (LfgrE s.v. πῶυ). 529 VE = h.Merc. 286. — ἀργεννέ͜ων ὀΐων: die formelhafte Junktur sonst am VE (οἰῶν ἀργεννάων 588; ἀργεννῇς ὀΐεσσιν 6.424, Od. 17.472) oder im Hyperbaton (Il. 3.198); zur Schreibung ὀΐων bzw. οἰῶν G 43; WEST 1998, XXIV; zum Farbadj. ἀργεννός (‘hell, weißlich schimmernd’; mit derselben Wz. wie ἄργυρος, lat. argentum ‘Silber’) und zu den Fellfarben von Schafen (in der Ilias i.d.R. weiß) s. 3.141n., 24.621n. — µηλοβοτῆρας: ‘Hirte’; diese Form des nomen agentis findet sich nur hier und h.Merc. 286, in späterer Lit. steht µηλοβότης; zum Suffix -τήρ RISCH 28–30; CHANTRAINE 1933, 322f.
530 Die aber: Gemeint sind die Belagerer, die von der Expedition der Belagerten bisher nichts bemerkt hatten. Vielleicht bezieht sich die 531a erwähnte Situation auf die in den Vv. 510–512 beschriebene Beratung über das Vorgehen (s.d.; AH zu 531 [“ein Kriegsrat”]; LEAF; EDWARDS zu 530–2); es bleibt aber unklar, ob es sich um eine Versammlung aller an der Belagerung Beteiligten oder um eine Beratung der Anführer handelt (LeerstelleP). οἳ δ’ ὡς οὖν ἐπύθοντο: ὡς οὖν ist meist mit einem Verb der Wahrnehmung verbunden (hier ἐπύθοντο) und verknüpft oft (v.a. bei Subjektswechsel) die vorausgehende Handlung mit einem neuen Handlungsverlauf (REYNEN 1958, 70ff., z.St. 74f.; DE JONG [1987] 2004, 105f. u. 266 Anm. 12. 267 Anm. 17). – πυθέσθαι als Bez. von unmittelbarer akustischer Wahrnehmung kann wie hier ein Akk.-Obj. bei sich haben (ebenso 15.379 κτύπον, Od. 10.147 ἐνοπήν), sonst öfters ein Gen.-Obj. (LfgrE s.v. πεύθοµαι, πυνθάνοµαι 1205.11ff., sowie 1204.16ff.). — πολὺν κέλαδον: ebenso 9.547; bez. den lauten, von zahlreichen Verursachern (Mensch und Tier) ausgehenden ‘Lärm, Tumult’, vom Kampflärm sonst πολὺς ὀρυµαγδός (KAIMIO 1977, 32. 80; vgl. 493n.).
531–532 sitzend: Gemäß den Gepflogenheiten in hom. Versammlungen saßen die Versammlungsteilnehmer, während die Redner stehend und z.T. in die Mitte vortretend redeten (506n., 19.77n.); zum Ablauf einer Versammlung und zum Versammlungsplatz (auch eines belagernden Heeres, z.B. der Achaier 7.382, 11.807f.) s. 1.54n. — Wagen: 224n. εἰράων: nur hier und Hes. Th. 804 (ebenfalls VA: †εἰρέας ἀθανάτων); die Etymologie des Wortes ist unsicher, es wird seit der Antike mit ion.-ep. εἴρω/εἴροµαι in Verbindung gebracht und als ‘Ort des Redens, Versammlungsplatz’ gedeutet, d.h. gleichgesetzt mit ἀγορή, ἐκκλησίη (schol. A u. D; FRISK u. DELG u. BEEKES s.v. *εἴρη; RISCH 11). Die Deutung von εἰράων προπάροιθε als ‘vor den Orten des Redens’ ist aber schwierig, da es in hom. Versammlungen keine Rednertribünen gab (LEAF); viell. ist damit allgemeiner die
529 ἀργεννέ͜ων: zur Synizese R 7; zur Flexion R 11.1. — κτεῖνον δ’ ἔπι: ‘töteten dazu’ (vgl. R 20.2). 532 ἵκοντο: hier absolut gebraucht: ‘sie kamen an’.
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Position der Figuren in einer bildlichen Darstellung umschrieben: die Versammlungsteilnehmer aufgereiht vor dem Hintergrund eines Versammlungsplatzes (FAESI: “im Vordergrunde”; AH: ‘davor hin, entlang’, der Pl. “von einzelnen Abteilungen der ἀγορά” [mit Hinweis auf Od. 8.16]) oder vor Sitzreihen (Hinweis LATACZ: viell. zu εἴρω von der Wz. *ser-, lat. serere?). — αὐτίκ’ … | … αἶψα: αὐτίκα markiert in der Apodosis nach Temporalsatz den Einsatz einer neuen, spontanen Handlung, die hier mit αἶψα δ’ ἵκοντο zum Abschluß kommt (LfgrE s.v. αὐτίκα 1606, 47ff.; ERREN 1970, 35ff.; BONIFAZI 2012, 273– 275). — ἐφ’ ἵππων | βάντες ἀερσιπόδων: ἀερσίπους ist generisches EpithetonP von Pferden (noch 2× Il. am VA) und bed. ‘die Füße hebend’, d.h. ‘schnell’ (3.327n.). Plural und Dual von ἵππος bez. bei Homer öfter das Pferdegespann mitsamt dem Wagen (6.232n.), so auch hier und an weiteren Stellen mit ἵππων + ἐπιβαίνω (5.46, 5.328, 16.343, ‘Hes.’ Sc. 286; vgl. ἐπιβαίνω + ὀχέων 5.221 u.ö., δίφρου 8.44 u.ö.); in diesem Kontext kann z.T. auch ein Epitheton ‘schnell’ stehen, viell. in einer Art Brachylogie für ‘auf den von schnellfüßigen Pferden gezogenen Wagen steigen’ (7.17 ἵππων ἐπιάλµενον ὠκειάων, 8.128f. ἵππων | ὠκυπόδων ἐπέβησε, Od. 18.263 ἵππων τ’ ὠκυπόδων ἐπιβήτορας, h.hom. 33.18 ταχέων ἐπιβήτορες ἵππων): LfgrE s.vv. βαίνω 18.5ff. u. ἵππος 1216.43ff.; FRITZ 2005, 160. — µετεκίαθον: ‘setzten nach’; Kompositum des defektiven Verbs ἔκιον mit Erweiterung -αθ- (viell. mit Aor.-Funktion: 16.685n.; 14.36n.). 533–539 ἐµάχοντο µάχην … | βάλλον … | [4 Vv.] | ὡµίλεον … ἠδ’ ἐµάχοντο: Rahmung durch allg. Formulierung für ‘kämpfen’, dazwischen Ausdrücke für die Beschreibung eines Massenkampfes, die auch sonst in den Kampfbeschreibungen des hom. Epos vorkommen: Fernkampf mit Wurfgeschossen (βάλλω: 16.24n.) und Nahkampf in der Schlachtreihe (ὁµιλέω: 194n.; s. auch LfgrE s.v. ὁµιλαδόν); zur Beschreibung von Massenkampf, Einzelkampf und versch. Kampfphasen in der Ilias s. 3.15–37n., 6.1–72n.; RAAFLAUB 2011, 14–16. 533 ≈ Od. 9.54. — στησάµενοι … µάχην: µάχην ist inneres Obj. zu µάχοντο wie µάχην ἐµάχοντο (12.175, 15.414, 15.673); στησάµενοι wird syntaktisch unterschiedlich aufgefaßt: (a) intrans. und absolut, ‘sich aufstellen’ (LA ROCHE; PORZIG 1942, 94), mit natürlicher Abfolge des Bewegungsablaufs Heraneilen (αἶψα δ’ ἵκοντο) – Sich-aufstellen (στησάµενοι δ(έ)) – Kämpfen (ἐµάχοντο µ.); (b) transitiv, da Aor. Med. von ἵσταµαι i.d.R. trans. verwendet ist (s. aber περιστήσαντο 2.410n.): (b1) mit µάχην als Objekt (ἀπὸ κοινοῦ zu beiden Verben), ‘die Schlachtordnung aufstellen, einrichten’ (AH zu Od. 9.54; LEAF; WILLCOCK; EDWARDS; CHANTR. 2.176 Anm. 1; LfgrE s.v. ἵστηµι 1246.70f.); (b2) als Objekt sei ἵππους zu erg., ‘die Gespanne aufstellen’ (VAN LEEUWEN; CERRI), ist im fgrE aber aktivisch formuliert (ἵ. στῆσε/-σαν). — ποταµοῖο παρ’ ὄχθας: Junktur am VE (παρ’/ἐπ’: 4.487, Od. 6.97, ‘Hes.’ fr. 13.1, 343.12 M.-W.; ohne ποταµοῖο: 5× Il., 1× Od.) und 1× am VA (Il. 11.499 ὄχθας πὰρ ποταµοῖο).
534 = Od. 9.55. — erzbeschlagnen: Das Adjektiv chalkḗrēs bezieht sich auf die Lanzenspitze (‘mit Bronze[spitze] versehen’: 6.3n.), viell. zudem auf den Speerschuh am Schaft-Ende (vgl. LfgrE s.v. σαυρωτήρ).
534 βάλλον: ‘bewarfen’, durativ-iteratives Impf. — ἐγχείῃσιν: zur Flexion R 11.1.
Kommentar
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Die metrische Struktur des Verses – lauter Spondeen außer im 4. Metron – ist im hom. Epos selten anzutreffen (9× Il., 7× Od.: DEE 2004, 483) und hier nach zwei rein daktylischen Versen auffällig: der Rhythmus betont viell. die Schwere des Kampfes nach eiligem Aufmarsch. — χαλκήρεσιν ἐγχείῃσιν: ebenso 20.258, Od. 9.55, 11.40 (VE mit ἐγχείῃσιν/ἐγχειάων insgesamt 7× Il., 2× Od.); zum metrischen System der Nomen-EpithetaFormeln für ‘Lanze/Speer’ s. 6.3n.; BAKKER (1991) 2005; LfgrE s.v. χαλκήρης; s. auch 16.318n.
535–538 535 ≈ ‘Hes.’ Sc. 156 (ἐθύνεον); 536–538 = ‘Hes.’ Sc. 157–159. — WEST und andere Interpreten folgen Düntzer und athetieren die Verse wohl zu Recht als Interpolation aus dem pseudo-hesiodeischen Scutum (app. crit.; WILLCOCK; EDWARDS; WEST 2001, 12 Anm. 28 [unter den “rhetorical expansions”]; 2011, 353); folgende Gründe werden vorgebracht (zur Diskussion im einzelnen s. SOLMSEN 1965; LYNN-GEORGE 1978; BLÖSSNER 1991, 72f.): (a) Schreckensgestalten sind zwar auch sonst in der Ilias in apotropäischer Funktion auf Schilden anzutreffen (so Gorgo u.a. 5.740–742, 11.36f.), und auch Achills Schild wird die Betrachter erschrecken, diese Wirkung wird aber v.a. seinem besonderen Glanz zugeschrieben (19.12–19n., 19.374–383n.); die vorl. drastische Ausmalung ist v.a. typisch für den pseudo-hesiodeischen Schild des Herakles, Ähnliches fehlt auf dem Schild des Achilleus (SCHADEWALDT [1938] 1965, 361f.; SOLMSEN 1965, 2f.; TAPLIN [1980] 2001, 351: “This primitive conception of battle is not typical of the Iliad”); (b) die Art und Weise, wie die Personifikationen hier im Kampf agieren, ist ohne Parallele in der Ilias, nicht aber in ‘Hes.’ Sc. (s. dort 246ff.) (535n., 536–537n.; LYNN-GEORGE 1978, 399ff.; contra ERBSE 1986, 28; AUBRIOT 1999, 19–21; CLARKE 1999, 234 Anm. 6; ALDEN 2000, 61f. Anm. 33. 67; PALMISCIANO 2010, 55f.); (c) in den Vv. 539f. entstehen interpretatorische Eingentümlichkeiten (539– 540n.). 535 Eris … Kydoimos … Ker: Personifikationen von versch. Phasen einer gewalttätigen Auseinandersetzung, nämlich ‘Streit, Angriff’ (vgl. 3.7n.), ‘Kampfgetümmel’ und ‘Tod’: (1) Eris, die Göttin des Streites und Schwester des Ares, ist auch auf der Aigis dargestellt (5.740) und erscheint auch sonst in der Ilias in anthropomorpher Gestalt; sie tritt in erster Linie als Kampf-Erregerin auf (vgl. Hes. Th. 228: Eris als Mutter von Kampf und Tötung) und agiert dabei z.T. zusammen mit anderen Göttern (s. bes. 4.440–443 [neben Ares und Athene, Deimos und Phobos 4.439f.], 5.517f., 11.3–12, 20.48): FG 30f. u. 38; (2) das gr. Substantiv kydoimós bezeichnet im fgrE das Durcheinander und die Verwirrung und Panik der Massen im Kampf (217–218n.); (3) kēr bed. ‘Tod, Verhängnis’, ist hier also eine Art Todes-Dämonin – Hes. Th. 211 nennt Ker neben Móros und Thánatos unter den Nachkommen der ‘Nacht’; sonst findet sich in der Ilias meist der Pl. kḗres als Bez. für “todbringende oder Tote mitnehmende Wesen […] ohne definierte Gestalt” (2.301–302n. mit Lit., 2.384n.; FG 29; LfgrE s.v. κήρ 1406.59ff.; DIETRICH 1965, 243–248; s. auch WEST zu Hes. Th. 217; zur etwas anders gestalteten Personifizie-
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rung von móira s. 119n.). Kydoimos und Ker agieren im fgrE nur hier und ‘Hes.’ Sc. 156ff. personenhaft und wohl in konkreter Gestalt; im Gegensatz dazu sind die auf der Aigis (Il. 5.739f.) bzw. auf Agamemnons Schild (11.37) dargestellten Abstrakta déimos, phóbos, alkḗ und iokḗ (‘Furcht’, ‘Schrecken’, ‘Abwehr’ und ‘Angriff’) nicht in eine Handlung eingebunden (FG 31). ἐν δ’ … ἐν δὲ … ὁµίλεον, ἐν δ(έ): Die Formulierung ἐν δέ + Verb dient bei Gegenstandsbeschreibungen der Ilias zur Aufzählung von Abbildungen auf einem Gegenstand (‘darauf’, d.h. auf dem Gegenstand: 481n., 483n.), ebenso ‘Hes.’ Sc. 154f. (ἐν δὲ Προΐωξίς τε … τέτυκτο, | ἐν δ’ …), wobei in der hom. Schildbeschreibung jeweils die Tätigkeit des Hephaistos erwähnt wird (478–608n. Abschn. B.1.b.). An der vorl. Stelle läßt die Formulierung daher zunächst an die Deutung ‘darauf machte er …’ denken, während in der Fortsetzung in untypischer Weise die Kampfhandlung folgt (also ‘darauf ⟨war abgebildet, wie⟩ … kämpften’; durch diese Formulierung verschmilzt beim Rezipienten die Handlung des Herstellungsprozesses mit derjenigen der beschriebenen Szene (SOLMSEN 1965, 3f.; LYNNGEORGE 1978, 401f.; BECKER 1995, 122; anders AH u. LfgrE s.v. ὁµιλέω: ἐν δὲ … ὁµίλεον i.S.v. ἐν τοῖσι ὁµίλεον ‘darunter, d.h. unter diesen [sc. den Kämpfern beider Seiten] kämpften …’). – ὁµίλεον (statt ‘Hes.’ Sc. 156: ἐθύνεον ‘sie stürmten’) bez. den Massennahkampf (533–539n.); es ist hier wie 539 absolut verwendet, im fgrE auch mit Dat. oder den Präpositionen µετά, ἐν u. περί (LfgrE s.v. ὁµιλέω). — ὀλοή: ‘Verderben bringend’ (zu ὄλλυµι), meist in dir. Rede (Figuren-SpracheP), oft auf zerstörerische Kräfte bezogen, bei κήρ noch 13.665, öfter bei µοῖρα (9× fgrE): 24.39n.; LfgrE.
536–537 Die Grundaussage ‘ausnahmslos alle Beteiligten sind in der Macht der Ker’ entfaltet sich kunstvoll in einer dreifachen Anapher (dazu 24.10–12n.): gr. 3× állon (‘einen …, einen anderen …, | einen anderen’) umfaßt alle Kategorien von Kämpfern, sowohl lebende – verwundete und unverwundete – wie auch tote. — schleppte: Die Formulierung ‘schleppte an den Füßen’ weckt Assoziationen mit Szenen, in denen Kämpfer an den Füßen von gefallenen Gegnern zerren, um den Leichnam und v.a. die Rüstung zu erbeuten, s. 540 (z.B. 4.463ff., 11.257f., 13.383f., 14.477, 16.762f., 17.288f., 18.155f., 22.396ff.: 155n., 539–540n.). An anderen Stellen der hom. Epen ‘tragen’ (gr. phérein) oder ‘führen’ (gr. ágein) mehrere Keren die Toten mit sich (2.302, 2.834, 8.528, 9.410f., 11.332, Od. 14.207). Ungewöhnlich an der vorl. Stelle ist, daß die Todes-Dämonin sich auch lebender, nicht verwundeter Kämpfer bemächtigt, ein Bild dafür, daß sie zum Sterben bestimmt sind; vgl. die drastische Schilderung ‘Hes.’ Sc. 252–257 (LYNNGEORGE 1978, 400 mit Anm. 15). νεούτατον … ἄουτον: Wiederholung eines Kompositum-Teils in antithetischer Gegenüberstellung von affirmativem und negiertem Begriff ist sonst v.a. in Gnomen gebräuchlich (s. Odyssee-Stellen bei FEHLING 1969, 251–253). νε-ούτατος (‘frisch verwundet’, nur noch 13.539, ‘Hes.’ Sc. 253) und ἄ-ουτος (‘unverwundet’; sonst ἀν-ούτατος Il. 4.540 und ἀνου537 τεθνηῶτα: = τεθνεῶτα (aus metr. Gründen ohne Kürzung des Binnenhiats: R 3). — κατὰ (µ)µόθον: zur Prosodie M 4.6.
Kommentar
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τητεί 22.371 [‘ohne zu verwunden’]) sind Ableitungen zu οὐτά(ζ)ω (‘treffen, verwunden’ [im Nahkampf], mit athem. Wurzelaor. οὖτα: 6.64n.); die Wortbildung ἄουτος ist ungewöhnlich: ἄ- anstelle von ἄν- (Digamma-Anlaut bei οὐτα- im fgrE sonst nicht nachweisbar: CHANTR. 1.125) und Wortstamm -ουτ- anstelle von -ουτατ- (DELG s.v. οὐτάω). — τεθνηῶτα: zur Form G 95; CHANTR. 1.430f. — κατὰ µόθον: 158b–160n. — εἷλκε ποδοῖϊν: ≈ 14.477 (s.d. zur formelhaften Junktur), mit Gen. des berührten Körperteils, wie ποδῶν 155f., ποδός 11.258, 13.383, 17.289; zur Gen./Dat. Dual-Endung -οιϊν s. 14.228n.
538 tiefrot: Blut wird im fgrE meist als schwarz beschrieben, selten als rot (LfgrE s.v. αἷµα 306.30ff.; NEAL 2006, 296). Die Farbbezeichnung daphoineós (‘rot, braunrot’), oft von schreckenerregenden Tieren gebraucht (Schlange, Löwe, Schakal: LfgrE s.v.), verstärkt die grausige Erscheinung der Ker (vgl. HANDSCHUR 1970, 122–124), die ‘Hes.’ Sc. 249–252 mit dem Motiv der Blutgier noch gesteigert wird. In der Ilias ist es sonst der Gott Ares, der mit Bluttat und Blutgier auf dem Schlachtfeld in Verbindung gebracht wird, vgl. sein Epitheton miaiphónos ‘mordbefleckt’ (5.31, 5.455, 5.844, 21.402) und den Formelvers 5.289, 20.78, 22.267, außerdem 7.329f. ἀµφ’ ὤµοισι: Formel nach der Zäsur A 3 (8× Il., 7× Od., 3× ‘Hes.’ Sc., 3× h.Merc.). — δαφοινεόν: seltenere, aus metr. Gründen erweiterte Form von δαφοινός (CHANTR. 1.96), eine Ableitung zu φοιν- (s. Adj. φοινός, φοινήεις), dessen Etymologie zwar unklar ist, das aber seit der Antike mit φόνος in Verbindung gebracht wurde (16.159n.); wahrscheinlicher ist jedoch die Verwandtschaft mit φοῖνιξ ‘rot’. Das Präfix δα- (für δια- , äol. ζα-) wird als semantische Verstärkung gedeutet: ‘durch und durch, sehr’ (CHANTR. 1.169; DELG s.vv. φοινός, 1 φοῖνιξ; FRISK s.v. δα-).
539–540 Diese beiden Vv. lassen sich nahtlos an 533f. anschließen: die Schilderung des offenen Kampfes wird fortgesetzt und mit der Aussage ‘wie lebende Menschen’ wird in Erinnerung gerufen, daß es sich um eine Bildbeschreibung handelt (HEFFERNAN 1993, 19; BECKER 1995, 122f.). In der hom. Schildbeschreibung sind solche Hinweise zwar selten, s. aber noch 518, 548f., 591, vgl. außerdem 418n. zu den goldenen Dienerinnen des Hephaistos (zu solchen Hinweisen in nachhom. Lit. s. RUSSO 1965, 25. 122 [zu 189]; BECKER 1995, 122 Anm. 226). Folgen die beiden Vv. auf die Passage 535–538, muß aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen wohl ein Subjektswechsel zwischen 535 und 539f. (‘sie verkehrten miteinander, kämpften’, gr. homī́leon/hōmī́leon) angenommen werden, denn es ist weniger wahrscheinlich, daß Eris, Kydoimos und Ker sich ‘wie lebende Menschen’ um die Leichen streiten, sondern vielmehr die Kämpfer selbst, s.u. (EDWARDS zu 535–8; LYNN-GEORGE 1978, 402–404 [gegen SOLMSEN 1965, 5f., der 539f. zur Interpolation zählt]). Außerdem entstünde in diesen Schlußversen des Bildes nach 536f. 539 ὡµίλε͜ον: zur Synizese R 7. — ὥς τε ζωοὶ βροτοί: ‘wie lebende Menschen’, ist auf beide Prädikate zu beziehen; zum ‘epischen τε’ R 24.11. — ἠδ(έ): ‘und’ (R 24.4). 540 κατατεθνηῶτας: = κατατεθνεῶτας (537n.).
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eine Antiklimax (Hinweis FÜHRER). — zogen … hinweg: Der Kampf um die Gefallenen zur Entwendung bzw. Rettung des Leichnams ist ein typisches Motiv in Kampfbeschreibungen der Ilias (z.B. 4.491ff., 5.573, 11.257f., 16.762f., 16.781f., 17.713; weitere Stellen 536–537n.), v.a. in den beiden vorangehenden Gesängen nach der Tötung von Sarpedon, dem Bundesgenossen der Troer (16.563–683, bes. 16.633ff.), von Kebriones (16.751ff.) und ganz besonders von Patroklos (17.1– 18.238): 155n., 16.496n., 16.762–763n., 16.781–782n.; LfgrE s.vv. ἕλκω 554.52ff. u. ἐρύω 724.17ff. Das Bild mit den namenlosen Kämpfern spiegelt also die Kampfbeschreibungen der Ilias und ruft v.a. die Kämpfe um Patroklos’ Leichnam in Erinnerung (vgl. MARG [1957] 1971, 33; ANDERSEN 1976, 11; ALDEN 2000, 67). ὡµίλ ε͜ο ν … | … ἀλλήλων ἔρυον: wie 534 auf die beiden Heere bezogen: sie beschießen einander (βάλλον δ’ ἀλλήλους), werden handgemein und ziehen sich gegenseitig die Toten weg (533–539n.; LYNN-GEORGE 1978, 402f. mit Anm. 29). — ὥς τε: 318b n. — ζωοὶ βροτοί: die Junktur noch Od. 23.185/187, h.Ap. 364, jeweils in der Antithese Gott – Mensch (die bei der Verwendung des Begriffs βροτός [+ ἀνήρ] sonst auch im Vordergrund steht: 85n., 362n.). Hier ist βροτός dagegen einfach der Gattungsbegriff ‘Mensch’, während die Emphase auf ζωός liegt: die abgebildeten Kämpfer repräsentieren lebendige Menschen, vgl. 418 (LfgrE s.vv. βροτός 102.75f. u. ζωός; HEFFERNAN 1993, 19). — κατατεθνηῶτας: Epitheton zu νεκρός/νέκυς, außer 16.526, 16.565 immer am VE (173n.); betont die Endgültigkeit des Todes; die vorl. Sperrung ist mit 6.71 vergleichbar (s.d.).
541–572 Auf die ‘Stadt im Krieg’ folgt wieder eine Passage des Lebens im Frieden. Die drei beschriebenen Arten landwirtschaftlicher Arbeit, Pflügen, Erntearbeit und Weinlese, wurden von vielen Interpreten mit best. Jahreszeiten in Verbindung gebracht: Mähen als Bild des Sommers, da gemäß Hes. Op. 383f. der heliakische Aufgang der Pleiaden Mitte Mai den Beginn des Mähens anzeigt (486n.); Weinlese als Bild des Herbstes, da sie gemäß Hes. Op. 609–614 mit dem heliakischen Aufgang des Arkturus Anfang September beginnt (AH u. CERRI zu 541–572; LEAF S. 609; TAPLIN [1980] 2001, 351–353; WEST zu Hes. Op. 381–617; WEST 2011, 353). Das Bild des Pflügens ist jedoch nicht eindeutig einer Jahreszeit zuweisbar, da dies nach der Ernte bis zur nächsten Aussaat mehrfach geschah (541n.): nach Hesiod soll es beim kosmischen Untergang von Pleiaden, Hyaden und Orion ab Anfang November (Op. 384 u. 615–617: 486n.; WEST zu Hes. Op. 381–617) und im Frühling und Sommer erfolgen (Op. 462f.), weshalb es als Bild des Novembers (WEST 2011, 353) oder des Frühlings gedeutet wird (LEAF S. 609; CERRI zu 541–572; TAPLIN [1980] 2001, 351; FITTSCHEN 1973, 14: “Frühjahr bzw. Winter”). Die drei Bilder sind aber wohl nicht so sehr Bilder von Jahreszeiten als vielmehr von – naturgemäß saisonalen – Arbeiten im landwirtschaftlichen Jahr (WIRBELAUER 1996, 150f.), die repräsentativ sind für die Produktion der Hauptnahrungsmittel ‘Brot und Wein’, d.h. Vorbereiten des Bodens, Einbringen des Ertrags und Traubenernte als Bilder für Getreide- und Weinanbau (im Gegen-
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satz zur Viehwirtschaft, die 573–589 thematisiert wird); zu ‘Brot und Wein’ als allg. Umschreibung für Nahrung s. 19.161n.; vgl. die Verköstigung der dargestellten Arbeiter 545f., 560, ferner Odysseus’ Bericht über die Lebensweise der Kyklopen Od. 9.107–111, 9.131–135 und Athenes Beschreibung von Ithaka 13.244–246 (LENTINI 2006, 151 mit Anm. 1; zur Bedeutung von Getreide und Weinbau s. RICHTER 1968, 107–109. 127; DNP s.vv. Ernährung, Getreide, Wein; vgl. auch 14.122–124a n.). Zur Interpretation aller landwirtschaftlichen Szenen (inkl. derjenigen mit Viehherden) vor dem Hintergrund idg. Darstellungen von Reichtum s. ALLEN 2007 (mit älterer Lit.). 541–549 Darstellung eines Feldes, auf dem gerade gepflügt wird: 541–542a/548– 549a die Beschaffenheit des Bodens, mit abschließendem Kommentar 549b; 542b–547 die Tätigkeit der Pflügenden (EDWARDS; BECKER 1995, 124–130). In der Beschreibung des Pflügens ist der Erzählfluß gegenüber den vorausgehenden Bildern verändert: dort schnelle Handlungswechsel und inhaltliche Hektik bei Überfall und Schlacht, hier ruhige, immer wieder gleichförmig ablaufende Handlung, sprachlich unterstützt durch iterativ-frequentative Verbalformen (543, 546), einen iterativen Temporalsatz (‘immer wenn’ 544), wiederholte Ausdrücke für ‘wenden’ (543, 544, 546) und die Junktur ‘hierhin und dorthin’, d.h. ‘hin und her’ (543): 543n., 544–546n. – Pflügen wird bei Homer sonst nur in GleichnissenP thematisiert; dort steht jeweils die physische Anstrengung im Vordergrund, für die es Kraft und Ausdauer braucht (13.703–708 [bes. 705], Od. 18.364–375), so daß der Pflüger am Abend erschöpft Stärkung herbeisehnt (13.31–34), ein Umstand, der hier nur durch den regelmäßig gereichten Trank impliziert wird (vgl. FRÄNKEL 1921, 46; REINHARDT 1961, 402; NOACK-HILGERS 2001, 175). 541 VE = Od. 2.328, 23.311. — Brachfeld: Das abgeerntete (Getreide-)Feld blieb mindestens ein Jahr lang Brache (d.h. nach der Ernte ab Mai/Juni bis zur Neuaussaat ab November des nächsten Jahres, in sog. Zweifelderwirtschaft), wurde aber bis zur neuen Aussaat mehrfach umgepflügt (LEAF; EDWARDS; LfgrE s.v. νειός; WEST zu Hes. Op. 462–3 u. Th. 971; RICHTER 1968, 101; NOACK-HILGERS 2001, 163. 165. 183ff.; vgl. auch DNP s.v. Landwirtschaft). ἐν δ’ ἐτίθει: = 550, 561, 607 (außerdem 3× Il.); Variante zur Beschreibung von Hephaistos’ Vorgehen mit der Formel ἐν δ(ὲ) ⏑ – (Objekt) – – ⏑ (ποίησε/ποίκιλλε) in den Vv. 573, 587, 590, ähnlich 490 (478n.); vgl. auch 14.179 τίθει δ’ ἔνι δαίδαλα πολλά (mit Bezug auf ein von Athene gefertigtes Gewand, s.d.). Das Impf. ἐτίθει (neben Aor. ἔτευξε, ποίησε) steht wohl wie ποίκιλλε 590 aus metr. Gründen (DE JONG 2011, 12 Anm. 22; vgl. 1.437n., 24.266–274n.; anders PERCEAU 2002, 114: durativ-deskriptiv zwecks Wechsels im Zeitrhythmus; vgl. dazu PRIMAVESI 2002, 196 Anm. 45; HOEKSTRA zu Od. 14.13). — νειόν: Bez. für den abgeernteten Acker, meist wie hier im Zusammenhang mit Pflügen verwendet, vgl. 10.353, 13.703, Od. 5.127, 8.124, 13.32, Hes. Op. 462–464, Th. 971 (LfgrE 541 ἐν: adverbiell, ‘darauf’. — µαλακήν: ‘weich’, d.h. gut pflügbar.
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s.v. νειός: ‘Brachfeld’; RICHTER 1968, 94. 100); (etymologisch wohl mit νειόθεν/νειόθι ‘[von] unten’ und νείατος ‘unterster’ verwandt: FRISK, DELG, BEEKES s.v.). — πίειραν: 342n. — ἄρουραν: allg. Bez. für Ackerland (zur gleichen Wz. wie ἀρόω [ἀροτῆρες 542], lat. arare): LfgrE; RICHTER 1968, 93.
542 viele Pflüger: Die vielen Pflüger auf dem Feld betätigen sich viell. in den unterschiedlichen Arbeitsphasen gemäß 544–547 (BECKER 1995, 125); zum gleichzeitigen Pflügen durch mehrere Pflüger auf einem großen Feld s. RICHTER 1968, 102f.; NOACK-HILGERS 2001, 199. 202f.; zum Aussehen des antiken Pfluges s. SCHIERING 1968, 147–152; WEST zu Hes. Op. 427. τρίπολον: noch νειῷ ἔνι τριπόλῳ Od. 5.127, Hes. Th. 971; τρί-πολος bed. wohl ‘dreimal umgepflügt’ (EDWARDS; LfgrE s.v.; RICHTER 1968, 101; NOACK-HILGERS 2001, 176–182; anders HAINSWORTH zu Od. 5.127: ‘dreifach gefurcht’, mit rituellem Bezug); der zweite Bestandteil gehört wie πολέω (Hes. Op. 462: beim Pflügen auf dem Feld, s. WEST z.St.) zu *ku̯ elh1-, der Wz. von πέλω/πέλοµαι ‘sich herumbewegen’ (FRISK, DELG, BEEKES s.v. πέλοµαι; vgl. 370–371n.; LIV 386). – Zur Emphase durch Häufung von Epitheta mit progressivem EnjambementP s. 130–131n. 543 ζεύγεα … ἐλάστρεον: hom. hapax legomenaP (‘sie trieben die Gespanne’); ἐλαστρέω ist Frequentativum zu ἐλαύνω (LfgrE; die Bildungsweise ist nicht ganz klar: SCHW. 1.706; RISCH 310). — δινεύοντες: ‘sich drehend’ (vgl. 494n.), stets intrans. verwendet, bez. hier das Wenden am Feldrand, vgl. 544–547 (LfgrE). — ἔνθα καὶ ἔνθα: ‘hin und her’; formelhafte Junktur, meist wie hier am VE (10× Il., 11× Od., 1× Hes., 1× h.Merc.) od. vor der Zäsur B 2 (16× fgrE). 544–546 ὁπότε … ἱκοίατο …, | … | δόσκεν … στρέψασκον: Der Aor. des iterativen Opt. und die Aor.-Stämme mit Iterativ-Suffix signalisieren jeweils den Abschluß des mehrfach wiederholt ablaufenden Vorgangs (SCHW. 2.278; zu den i.d.R. augmentlosen σκ-Formen s. G 60, 24.12a n. mit Lit.): Erreichen des Feldrandes, Stärkung, Wenden des Pfluges. 544 VE = 13.707. — στρέψαντες: das Aktiv hier “quasi-intrans.” verwendet, als Obj. sind die Gespanne (543) zu denken (LfgrE s.v. στρέφω 238.56ff.; vgl. CHANTR. 2.172); die beiden Partizipien δινεύοντες und στρέψαντες 543f. verstärken die Vorstellung des Hin-undher als eine Art Kreisbewegung (vgl. nachhom. βουστροφηδόν von der Schreibrichtung); zum Vorgang LfgrE s.v. στρέφω 239.28ff.: “the τέλσον is the starting point on one side of the field, στρέψαι denotes the turning on the opposite side, see 546”; ähnlich WILLCOCK zu 544: “στρέψαντες i.e. having gone down and back”. — τέλσον: nur hier, 547 und 13.707 (Gleichnis des Pflügens) belegter t.t. zur Bez. des Feldrandes, an dem die Furche endet und der Pflüger umkehrt (LfgrE s.v.: ‘Wendeort’); die Etymologie ist unsicher (FRISK s.v.): entweder wie τρί-πολος (542n.) und περι-τέλλοµαι (‘sich herumbewegen’) zur idg. Wz. *ku̯ elh1- ‘eine Drehung machen’ (SCHW. 1.285, 1.516; EDWARDS; JANKO zu 13.703–7; vor-
543 ζεύγεα … ἐλάστρεον: zu den unkontrahierten Formen R 6; zur augmentlosen Form ἐλάστρεον R 16.1. — καὶ ἔνθα: zur Hiatkürzung R 5.5. 544 οἵ: zur demonstr.-anaphor. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — ἱκοίατο: 3. Pl. Opt. Aor. zu ἱκάνω, zur Endung R 16.2. — ἀρούρης: zum -η- nach -ρ- R 2.
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sichtig DELG s.v.; zur Wz. LIV 386–388) oder zu einer idg. Wz. *ku̯ els- ‘Furchen ziehen’ (BEEKES s.v.; ältere Lit. bei FRISK; zur Wz. LIV 388f.).
545 ≈ Od. 3.51; 2. VH = 3.46; ≈ h.Cer. 206. — Wein – gewöhnlich mit Wasser vermischt – wird auch sonst zur Stärkung angeboten (6.261n., 19.161n.; RICHTER 1968, 127), jedoch auch mit Vorbehalt betrachtet (6.264–268n.); zur Gefäßform des dépas s. 24.101n. ἐν χερσί: ist sonst oft in formelhafter Wendung mit Formen von τίθηµι verbunden zur Bez. der Übergabe eines Gegenstandes (24.101n.), an gleicher Versstelle wie hier ἐν χερσὶ τίθει (5× Il., 4× Od., vgl. außerdem 23.152 ἐν χερσὶ … | θῆκεν), an der vorl. Stelle mit dem zum Kontext passenden Iterativ δόσκεν (von τίθηµι ist nur τίθεσκεν ‘Hes.’ fr. 67a, b M.-W. belegt). Zum Dat. der erreichten Ruhelage (mit und ohne ἐν) SCHW. 2.155f.; CHANTR. 2.79f. — µελιηδέος οἴνου: flektierbare Formel am VE (Gen.: 1× Il., 1× Od., 1× h.Cer.; Akk.: 1× Il., 4× Od., 1× hom.h.) und nach der Zäsur B 1 (2× Akk.); zum Epitheton (eigtl. ‘honigsüß’, dann ‘wohlschmeckend, erquickend’) s. 6.258n. Die Vernachlässigung des ϝ bei οἴνου ist auf Formelflexion zurückzuführen (CHANTR. 1.123; RUIJGH [1985] 1996, 231f.; WEST 2001, 250; vgl. M 14, FOR 23). 546 ὄγµους: Verbal-Nomen zu ἄγω (FRISK, DELG u. BEEKES s.v.), t.t. der Landwirtschaft, bez. hier (u. h.Cer. 455) die durch das Pflügen geschaffene Bahn auf dem Acker (Furche od. aufgeworfene Erde?), außerdem die Zeile des daliegenden Schnittes Getreide, das in einem Durchgang gemäht worden ist (der ‘Schwaden’: Il. 11.68, 18.552, 557): LfgrE; RICHTER 1968, 103 Anm. 743. 120 mit Anm. 903.
547 Die Intention der Pflüger, das Ende des Feldes möglichst bald zu erreichen (denn dort wartet ein Stärkungstrunk), ist ein narratives Element in der Beschreibung, viell. in Anlehnung an Gleichnisse, in denen anstrengende körperliche Arbeit und das Verlangen der Arbeiter nach Stärkung thematisiert ist, z.B. 11.86–89 (Holzfäller), Od. 13.31–34 (Pflüger); s. auch 541–549n. a.E. νειοῖο βαθείης: βαθύς kann vertikale od. horizontale Tiefe bezeichnen, hier vom Brachfeld als Unterlage, in die der Pflug tief eindringt, vgl. 10.353 u. µαλακήν 541 (LfgrE: ‘tief aufgepflügt’; vgl. auch 2.147–148n. zu βάθυ λήïον; zu νειός 541n.).
548–549 2. VH von 549 ≈ h.Merc. 196; VE ≈ h.Cer. 240. — Rückkehr zur Beschaffenheit des Bodens (541–549n.), mit fließendem Übergang vom Aussehen eines 545 τοῖσι: zur Flexion R 11.2. — δ(έ): apodotisches δέ (R 24.3). 546 δόσκεν … στρέψασκον: iterativ (-σκ-: R 16.5). — τοί: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 14.3), bezieht sich wie οἵ in 544 auf die ἀροτῆρες, hier nach ihrer Stärkung. — ἀν’ ὄγµους: ‘entlang den Bahnen’, d.h. sie kehren entlang den gezogenen Bahnen zurück. 547 νειοῖο: zur Flexion R 11.2. — βαθείης: zum -η- nach -ι- R 2. 548 µελαίνετ’ ὄπισθεν: = µελαίνετο ὄπισθεν, ‘schwärzte sich dahinter’ (sc. hinter den Pflügern), d.h. die vom Pflug umgebrochene Erde ist dunkler. — ἀρηροµένῃ: Ptz. Perf. Pass. zu ἀρόω ‘pflügen’. — δὲ (ϝ)ε(ϝ)ῴκει: zur Prosodie R 4.3. 549 περ: konzessiv (R 24.10). — ἐοῦσα: = οὖσα (R 16.6). — θαῦµα: prädikativ. — τέτυκτο: Plpf. Pass. von τεύχω, ‘war verfertigt, geschaffen’.
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realen Feldes zum Kunstwerk auf dem Schild: Farbunterschiede auf dem Erdboden (real hinter dem Pflüger u. ‘hinten’ auf dem Bild), Ähnlichkeit mit gepflügtem Feld (illusionistische Wirkung), Hinweis auf das Material Metall, Wirkung des Geschaffenen auf den Betrachter (EDWARDS; BECKER 1995, 126–130, bes. 130; PURVES 2010, 134). — wurde … schwarz: Dieser optische Eindruck läßt sich mit Lichteffekten auf der Relief-Oberfläche des gefurchten Bodens erklären; von einigen wird dies als Hinweis auf die Verbindung des Goldes mit anderen Metall-Legierungen interpretiert und mit dem Material Kýanos (dazu 564n.) in Verbindung gebracht (AH; EDWARDS; vgl. auch 474–475n.). ἣ δὲ … | … τὸ δή: Der Genus-Wechsel signalisiert den Übergang vom dargestellten Objekt (ἡ νειός, ἄρουρα) zum Kunstwerk (BECKER 1995, 128). — χρυσείη: zur Form 418n. — περὶ θαῦµα τέτυκτο: περί adverbiell, ‘überaus, sehr’ (SCHW. 2.423f.; CHANTR. 2.125; zum Akzent [Variante πέρι] SCHW. a.O. Anm. 4; WEST 1998, XIX), vgl. 17.279 ≈ Od. 11.550 und v.a. 8.281. – θαῦµα τέτυκτο ist Variation der VE-Formel θαῦµα ἰδέσθαι (83n., 377n.; PRIER 1989, 158f.; vgl. θαυµάσσεται, ὅς κεν ἴδηται: 466–467n.), durch die die vollendete Arbeit im Hinblick auf den Herstellungsprozess kommentiert wird (DE JONG 2011, 7; vgl. τεῦξε 478n.).
550–556a Darstellung eines Feldes, auf dem verschiedene Arbeitsgänge bei der Getreideernte ausgeführt werden (vgl. Hes. Op. 479–482): Erntehelfer mähen mit Sicheln, ‘Garbenbinder’ binden die Garben mit speziellen Stricken (aus Stroh od. Binsen) zusammen, Knaben lesen die am Boden liegenden Halme zusammen (CERRI; WEST zu Hes. Op. 480; RICHTER 1968, 119–121). – Mähen erscheint sonst in der Ilias als Metapher im Zusammenhang mit dem Schlachtentod: 11.67– 71 im GleichnisP für das Niedermähen des Gegners und 19.220–227 in Odysseus’ Warnung davor, das Griechenheer ohne vorherige Stärkung in die Schlacht zu schicken (19.221–224n.; AUBRIOT 1999, 23–25; s. auch 552n. zu wörtlichen Anklängen). In der Odyssee ist Mähen zusammen mit anderen Arbeiten auf dem Feld als Lohnarbeit genannt (Od. 18.357ff., bes. 366–380: Odysseus bietet Wettstreit im Mähnen, Pflügen oder im Kämpfen in der Schlacht). 550 Königsgut (gr. témenos basilḗion): Der gr. Begriff témenos bez. ein abgegrenztes Stück Land, das entweder für eine Gottheit als heiliger Bezirk festgelegt worden ist (z.B. 8.48, 23.148), oder einem Herrscher (hier basiléus: 556b–557n.) entweder als Erbschaft zugefallen oder aufgrund besonderer Leistungen zugeteilt worden ist (bereits im Mykenischen ist es als Bez. für Landbesitz eines Herrschers und eines Würdenträgers bezeugt: DMic s.v. te-me-no); in der Ilias wird dies Heroen wie Meleagros (9.578), Bellerophon, Glaukos und Sarpedon (6.194, 12.313), Aineias (20.184) und Iphition (20.391), in der Odyssee Alkinoos (6.293) und Odysseus (17.299) zuteil. Zum Begriff témenos und seiner Etymologie s. 6.194n.; LfgrE s.v. τέµενος mit Lit.; GUIZZI 2010. Der Landbesitz kann wie hier 550 ἐν: 541n.
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aus Ackerland bestehen, dazu können auch Baum- und Weingärten und Viehweiden gehören (14.122–124a n.). Daher wird von einigen Interpreten erwogen, das Weingut und die Weiden der folgenden Bilder ebenfalls zum ‘Königsgut’ zu zählen (EDWARDS; GUIZZI a.O. 89). ἐν δ’ ἐτίθει: 541n. — βασιλήϊον: so die meisten Herausgeber, einigen Hss. und Papyri folgend, passend zu 556, mit Besitzerangabe wie 20.391 τέµενος πατρώϊον od. mit Gen. (Od. 6.293, 17.299) und wie entsprechende Wendungen im Mykenischen (LfgE s.v. τέµενος 391.37ff.); daneben ist auch βαθὺ λήϊον (‘tiefes Kornfeld’) überliefert (diese Wendung noch 2.147 [s.d.], 11.560, ‘Hes.’ Sc. 288): app. crit.; LEAF; MORESCHINI 1972, 245f.; dagegen argumentiert VAN DER VALK 1964, 134f., für die Lesart βαθὺ λήϊον. — ἔριθοι: bez. hier männliche Erntehelfer (s. auch 559f.), (συν-)έριθος bez. sonst eine weibliche Hilfskraft in versch. Bereichen; ähnlich wie bei den θῆτες handelt es sich wohl um freie Lohnarbeiter(-innen), vgl. Hes. Op. 602f. (LSJ u. LfgrE s.v.; RICHTER 1968, 19; NDOYE 2010, 172; vgl. schol. bT zu 560).
551 2. VH = ‘Hes.’ Sc. 292; ≈ Il. 23.114, Od. 3.463, Hes. Th. 675. — Sicheln: Zur Form von Sicheln und Sichelmessern für Getreide- und Heuernte s. SCHIERING 1968, 155–158. ἤµων: absolut gebrauchtes ἀµάω auch 24.451, Hes. Op. 39; der gemäß schol. T zu 483– 606 überlieferte Zusatzvers 551a (s. app. crit.), durch den ἤµων ein Obj. erhält, scheint v.a. wegen des Bezugs zu Athen eingefügt worden zu sein (vgl. GT 5; EDWARDS; BOLLING 1925, 182). 552–554 Rein daktylische Hexameter sind zwar das am häufigsten anzutreffende Versschema in Ilias und Odyssee (DEE 2004, 1–95), aber viell. wecken die vorl. drei Vv. mit ihrem gleichmäßigen Rhythmus und der Wiederholung gewisser Wörter und Laute (δράγµατα δ’ ἄλλα … | ἄλλα δ’ ἀµαλλοδετῆρες ἐν ἐλλεδανοῖσι δέοντο | … ἀµαλλοδετῆρες) die Assoziation mit dem gleichmäßigen Arbeitsrhythmus beim Mähen. 552 δράγµατα: abgeleitet vom Verb δράσσοµαι ‘(mit der Hand) festhalten’ (vgl. 13.393, 16.486), also eigtl. ‘Handvoll’, bez. die Menge Halme, die mit der einen Hand umfaßt werden können, um sie mit der Sichel abzumähen (vgl. Hes. Op. 480 ἀµήσεις … περὶ χειρὸς ἐέργων und Il. 11.69 τὰ δὲ δράγµατα ταρφέα πίπτει) oder dann für den Abtransport zusammenzubinden (553; vgl. das Denominativum δραγµεύω in 555): LfgrE; RICHTER 1968, 119; FRISK, DELG, BEEKES s.v. δράσσοµαι. — µετ’ ὄγµον: 546n.; ‘dem Schwaden nach’ (AH; EDWARDS; WILLCOCK). — ἐπήτριµα πίπτον ἔραζε: ἐπήτριµος bed. ‘reihenweise’, 211 von Signalfeuern, 19.226f. ἐπήτριµοι … | πίπτουσιν von fallenden Kämpfern in Anlehnung an fallende Halme (Mähen als Metapher für das Töten auf dem Schlachtfeld: 19.226n.). πίπτον ἔραζε ist flektierbare VE-Formel (12.156, 17.633 u. Od. 22.280 von Geschossen). Zum Akzent von πίπτον s. WEST 1998, XXI. 553 ἀµαλλοδετῆρες: ‘Garbenbinder’, nur selten bezeugtes nomen agentis aus ἄµαλλα (‘Garbe’) und δέω (RICHTER 1968, 120 Anm. 905; zum Suffix 529n.). — ἐλλεδανοῖσι: nur in der Verbindung ἐν ἐλλεδανοῖσι + δέω/δέοµαι überlieferte Bez. für die Bänder zum
551 ἤµων: 3. Pl. Impf. von ἀµάω ‘mähen’.
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Garbenbinden (noch h.Cer. 456, ‘Hes.’ Sc. 291), viell. eine Ableitung mit äol. Lautbestand zu εἰλέω ‘drehen’ (FRISK u. DELG s.v. ἐλλεδανοί; zum Suffix RISCH 106).
554 drei: ist Typische ZahlP (vgl. 1.53n.), vgl. die verbreiteten Motive mit Dreizahl 155n., 24.454–456n. (Liste von Dreier-Gruppen s. BLOM 1936, 17–20). Sie dient hier viell. zur Darstellung einer typisierten Wirklichkeit.
555 δραγµεύοντες: hapax legomenonP, bez. das Zusammenlesen der Halme zu Büscheln (552n.). — ἀγκαλίδεσσι: noch 22.503; ἀγκαλίς bed. ‘(gekrümmter) Arm’, eine metrisch bequeme Ableitung auf -ίδ- zu nachhom. gebräuchlichem ἀγκάλη, dessen prosodische Struktur (– ⏑ –) nicht in den Hexameter paßt (MEIER 1975, 53). 556a ἀσπερχὲς πάρεχον: ‘reichten (sc. die aufgelesenen Halme) unablässig (sc. den Garbenbindern) zu’; zu ἀσπερχές (eigtl. ‘mit Eifer, heftig’) 16.61–62n.
556b–557 Der in stiller Freude dastehende ‘König’, gr. basiléus, ist wohl eine Kontrastfigur zum basiléus als Kriegsherr in der Ilias-Handlung, viell. auch besonders zu Achilleus (s. die Periphrastische BenennungP für Achilleus 1.331, 16.211), dessen Leben von Mühsal und Leid geprägt ist (s. Thetis über ihren Sohn 442f.: 62n.), der ein solch friedliches Leben auf seinem Besitztum – allerdings nur kurz – für sich selbst erwogen hatte (9.399f.; s. dann Od. 11.489ff. Achills Sehnsucht danach, als er in der Unterwelt ist): GÄRTNER 1976, 61f.; TAPLIN (1980) 2001, 352. — König: Der Besitzer des témenos, der die Ernte überwacht, trägt hier den gr. Titel basiléus, der im hom. Epos für jeden “Lokal- bzw. Regional-Oberen” und für Mitglieder von Führungsgremien verwendet ist (1.9n. mit Lit.; ferner WEILER 2001, 53ff.; SHEAR 2004, 69ff.; CARLIER 2006; HORN 2014, 36–41). Anders als im Gleichnis 11.68 (‘Feld eines reichen Mannes’) ist der Besitzer des Grundstücks (eines témenos) hier also eine Autoritätsperson mit politischer Funktion; sie ist durch das skḗptron als solche erkennbar gemacht (s.u. und 505n.; EDWARDS; LfgrE s.v. βασιλεύς 45.54ff.; CARLIER 1984, 143 Anm. 22; 2006, 102 Anm. 8; GUIZZI 2010, 83–85). In der hom. Gesellschaft sind alle sozialen Schichten, auch Könige und ihre Angehörigen, in die landwirtschaftliche Tätigkeit involviert (vgl. 24.29n.). — schweigend | … Szepter: Das Schweigen des Königs, der ein skḗptron in der Hand hält – einerseits eine Herrscher-Insignie (2.101–108n.; LfgrE s.v. σκῆπτρον 144.53ff.), andrerseits auch das Zeichen des Redners in der Versammlung (505n.) –, d.h. das explizite Fehlen von Rede (etwa in Form von Anweisungen), verdeutlicht: nichts stört den eingeübten Arbeitsablauf, der ‘König’ steht in stiller Zufriedenheit mitten unter den Arbeitern (PINAULT 1994, 513f.; BECKER 1995, 132). Dies bildet einen bemerkenswerten Gegensatz zu den anderen Schild-
554 ἐφέστασαν: ‘standen dabei’, 3. Pl. Plpf. von ἐφ-ίσταµαι. — αὐτάρ: ‘aber’ (R 24.1). 555 ἀγκαλίδεσσι: zur Flexion R 11.3. 556 πάρεχον: zur augmentlosen Form R 16.1. 557 κῆρ: Akk. der Beziehung (R 19.1).
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Szenen im Lebensbereich der Menschen (478–608n. Abschn. B.1.b.), in denen wiederholt laute Geräusche wie Musik und Gesang (493, 495, 569–572), Geschrei (502, 530) oder Tiergebrüll (575, 580) erwähnt sind (WILLE 2001, 85f.). βασιλεὺς … | σκῆπτρον ἔχων: prägnantere Variante zur VA-Formel σκηπτοῦχος βασιλεύς (1.279n.); vgl. auch ἔστη σκῆπτρον ἔχων in der Versammlung 2.101, 2.279. — γηθόσυνος κῆρ: VE = 4.272, 4.326. Das Adj. drückt wie das Verb γηθέω “ein intensives Gefühl der frohen Genugtuung und Zufriedenheit” aus (LATACZ 1966, 154. 233); zu κῆρ s. 19.57n. (zur VE-Formel ἀχνυµένος κ.). — σιωπῇ: ‘unter Schweigen, still’, “mit dem situativen Aspekt der Stille” (LfgrE s.v. σιωπῇ; vgl. dagegen ebd. s.vv. σιγάω u. σιγῇ: häufiger “mit dem situativen Aspekt des Vorenthaltens von Information”).
558–560 Vorbereitungen für ein Mahl, indem eine Gruppe Männer damit beschäftigt ist, Fleisch zuzubereiten (558–559a), eine Gruppe Frauen eine Getreidespeise (559b–560); dies entspricht der üblichen Arbeitsteilung zwischen Männern (Fleisch) und Frauen (Brot) etwa beim Servieren (Od. 1.139ff., 4.55f./65f., 15.138ff.) oder bei den Vorbereitungen zu einem Opfermahl (3.421–463): WICKERT-MICKNAT 1982, 52f.; RUNDIN 1996, 190; vgl. auch 24.625–626n.; HE s.v. ‘Food’; zu den einzelnen Arbeitsschritten bei der Fleischzubereitung BRUNS 1970, 46–49. Bei einem großen Festmahl ist immer auch eine Opfergabe an die Götter vorgesehen (vgl. die Typ. Szenen ‘Opfer’ [1.447–468n., 2.410–431n.] und ‘Mahl’ [24.621–628n.]; HE s.v. ‘Feasting’; HITCH 2009, 43), und einzelne Formulierungen wecken denn auch Assoziationen mit rituellen Handlungen (WATKINS 1978, bes. 10; s. dazu nn. zu den einzelnen Vv.). In der vorl. Beschreibung liegt das Gewicht aber v.a. auf dem Aspekt ‘ein reichliches Mahl’ (s. die Adjektive ‘groß’ und ‘viel’ 559f.), viell. als Hinweis auf den Reichtum (vgl. 559n.) und die Großzügigkeit des ‘Königs’ (vgl. Il. 9.69ff., Od. 17.416ff.: STEIN-HÖLKESKAMP 1989, 39; RUNDIN a.O. 181ff.; vgl. auch SCHEID-TISSINIER 1994, 253–255). Aus der Beschreibung der Handlungen geht nichts Genaues über das eigentliche Essen hervor (BECKER 1995, 132: “The words merely describe the action that is suggested by the image, without turning it into a story”). Umstritten ist daher, in welchem Bezug die Zubereitung des Fleisches und diejenige des Getreides zueinander stehen (560n.) und ob die verschiedenen Speisen unterschiedlichen Personengruppen zugedacht sind: Ausgehend vom Bild des Königs inmitten der Arbeiter (556f.) ist wohl eher anzunehmen, daß (a) ein gemeinsames Festmahl mit Fleischverzehr aller an der Ernte Beteiligter vorbereitet wird, und weniger, daß (b) das geschlachtete Rind ausschließlich für den König bestimmt ist und die Arbeiter nur die 560 explizit ihnen zugedachte Getreidespeise vorgesetzt bekommen; für (a): LEAF; EDWARDS zu 560; BRUNS a.O. 57; TAPLIN (1980) 2001, 352 Anm. 23; für (b): WILLCOCK; KIRK 1976, 12 (in der Schildbeschreibung werde – wie in den Gleichnissen – das einfache, alltägliche Leben als Gegenbild zur heroischen Welt der Ilias dargestellt, jedoch in der vorl. Szene “the heroic attitude momentarily re-
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asserts itself”); RUNDIN a.O. 190ff.; zu den beiden gr. Begriffen für ‘Mahl’ s. 558n. u. 560n. 558 VE = Od. 2.322. — Herolde: Die im Dienste eines Königs stehenden Herolde (gr. kḗrykes) sind sozusagen “the ‘personal assistants’ of the heroic world” (HAINSWORTH zu Il. 9.174–7), mit unterschiedlichen Aufgaben in versch. Bereichen, u.a. im Zusammenhang mit einem Mahl (9.174, Od. 1.109, 1.146, 7.163 u.ö.) oder der Schlachtung von Opfertieren (z.B. Il. 3.118ff., 19.169ff.); allg. zur Funktion von Herolden 1.321n., 1.334n. — Eiche: also im Schatten, vgl. etwa 5.693, h.Cer. 100 (TAPLIN [1981] 2001, 352), ein bukolisch wirkendes Detail; gr. drys kann für ‘Baum’ schlechthin stehen oder konkret die Eiche bezeichnen (vgl. die schon mykenisch bezeugte Bez. dry-tómos ‘Holzfäller’ [Il. 11.86, 16.633, 23.315: MYK] und die sprichwörtliche Redensart ‘Eiche und Stein’ [22.126, Od. 19.163, Hes. Th. 35 mit WEST z.St.]); im zweiten Fall ist sie viell. durch ihre imposante Größe auf der Darstellung als solche erkennbar zu denken, vgl. ihre distinktiven EpithetaP hypsíkomos ‘mit hohem Blattwerk’ (2× Il., 4× Od., 2× Hes.) und hypsikárēnos ‘mit hoher Krone’ (1× Il., 1× h.Ven.): LfgrE s.v. δρῦς; LAW u. DNP s.v. Eiche. — Festmahl: gr. dais (eigtl. ‘Anteil’ am gemeinsamen Mahl) ist Bez. für ein festliches Gemeinschaftsmahl (1.5n.) und signalisiert oft gemeinschaft-stiftende Bewirtung zur Festigung des Status des Gastgebers (2.404–409n., 24.802n. [jeweils mit Lit.]; LfgrE s.v. δαίς; SCHEID-TISSINIER 1994, 268–274; RUNDIN 1996, 186–205). πένοντο: ‘machten sich zu schaffen’, oft von der Mahl-Zubereitung (1.318a n.; LfgrE s.v. πένοµαι).
559 1. VH ≈ Od. 2.56, 17.535. — Rind: Rinder sind in den hom. Epen ein Zeichen für Reichtum ihres Besitzers (2.449n.), sie sind wertvoll und werden nur zu besonderen Anlässen als Opfertiere dargebracht (1.66n., 2.402n., 24.125n.) oder anläßlich eines besonderen Mahls geschlachtet, etwa am Ende eines Kampftages (7.466ff., 8.505ff./545ff., 23.30ff. [Totenmahl für Patroklos], Od. 9.45f.) oder zur Bewirtung besonderer Gäste (Il. 6.174, 7.314ff., Od. 3.421ff. u.ö.): LfgrE s.v. βοῦς 88.46ff.; DNP s.vv. Rind, Fleischkonsum; RICHTER 1968, 44–53). – Zur Hervorhebung der Qualität von Nutztieren s. 24.125n. ἱερεύσαντες … ἄµφεπον: verkürzte Version der Abfolge ‘(1) schlachten, (2) häuten, (3) zubereiten’, s. bes. 7.314/316 (24.622n.): ἱερεύω bed. sowohl ‘opfern’ als auch ‘schlachten’, denn ein festliches Mahl mit Fleisch-Verzehr ist immer mit einer Opferhandlung verbunden (6.173–174n., 24.125n.; LfgrE s.v. 1137.34ff.; vgl. 558–560n.); ἀµφ-έπω (‘sich befassen mit’: 348n.) ist auch 11.776, 23.167, 24.622, Od. 8.61, 19.421 im Zusammenhang mit der Fleisch-Zubereitung verwendet. — αἱ δὲ γυναῖκες: 495b–496n.
560 Das hier für die Getreidespeise verwendetet gr. Wort álphita bez. Mehl oder Schrot aus Gerste oder auch anderen Getreidesorten (s.u. s.v. ἄλφιτα), das als Grundlage für die Herstellung von Grütze oder Fladen verwendet wird und als
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Grundnahrungsmittel gilt (Od. 2.290, 19.197, 20.108, 20.119): WEST zu Od. 2.290; RICHTER 1968, 108. 114f.; zu den versch. in der Antike angebauten Getreidesorten und ihrer Verwertung s. DNP s.v. Getreide; DALBY 2003, 45–47. 162f. Daneben ist es auch Zugabe zu anderen Speisen (Od. 10.234 [Kirkes Zaubertrank], 14.77) oder Zutat in Getränken (Il. 11.631–641, Od. 10.518–520 = 11.26– 28) oder wird als Opfergabe verbrannt (Od. 14.429, h.Ap. 491, 509). Die vorl. Formulierung läßt sich verschieden interpretieren (BRUNS 1970, 56f.): entweder streuen die Frauen gemahlenes od. geschrotetes Getreide in eine nicht beschriebene Flüssigkeit, um es zu einer Grütze od. zu Brei zu verarbeiten (schol. T u. D; AH; STENGEL 1910, 66f.; RICHTER a.O. 114f.; RUNDIN 1996, 190), ähnlich wie Il. 11.640, Od. 10.520 = 11.28 (wo es sich allerdings um eine Art Mischgetränk handelt), oder sie streuen es über das Fleisch, wie Eumaios Od. 14.77, 14.429 (LEAF; FAESI; VAN LEEUWEN; EDWARDS; BRUNS a.O. 57; TAPLIN [1980] 2001, 352 Anm. 23) – allerdings sind Frauen im hom. Epos sonst nie an der Fleischzubereitung beteiligt (558–560n.). Jedenfalls schließt sich mit der Verwendung eines Produkts aus der Getreideernte der Kreis zur vorher beschriebenen Mähszene. — Essen: Gr. déipnon bez. eine Mahlzeit, die tagsüber eingenommen wird, etwa als Stärkung zwischen der Arbeit (11.86, Od. 9.311, 15.500), vor dem Auszug in den Kampf (Il. 2.381, 8.53, 19.171, 19.275, 19.346) oder vor einer Reise (Od. 15.77), vgl. insbesondere Od. 15.495–507 (wo déipnon die Verpflegung der Seeleute zwischen der Arbeit, dais das abschließend von Telemachos ausgerichtete Mahl als Teil der Entlohnung bezeichnet): 2.381n.; BRUNS 1970, 57f.; RUNDIN 1996, 185. δεῖπνον ἐρίθοισιν: prädikativ, ‘als Mahl für die Erntehelfer’ (SCHW. 2.153); zu ἐρίθοισιν 550n. — λεύκ’ ἄλφιτα πολλὰ πάλυνον: Variation der flektierbaren VE-Formel (ἐπὶ δ’) ἄλφιτα λευκὰ πάλυνε/-ον (11.640, Od. 10.520, 11.28, 14.77, vgl. auch ἐπί τ’ ἄλφιτα λευκὰ θύοντες 2× h.Ap.); mit der Umkehrung von Subst. und Attribut (statt πολλ’ ἄλφιτα λευκὰ πάλυνον) wird der Zusatz πολλά, d.h. die große Menge, hervorgehoben. — ἄλφιτα: Bez. für gemahlenes Getreide, wie ἀλείατα (s. Od. 20.108); der Unterschied zwischen ἄλφιτα u. ἀλείατα wird verschieden beurteilt: entweder grobes Mehl (Schrot) vs. feines Mehl (LfgrE s.v. ἄλφιτα) oder ‘Gerstenmehl’ vs. ‘Weizenmehl’ (RUSSO zu Od. 20.108; RICHTER 1968, 114, mit Hinweis auf das Epitheton λευκός bei ἄλφιτα [8× fgrE von insgesamt 18 Stellen], wie κρῖ λευκόν ‘Gerste’ [8× fgrE]; contra WEST zu Od. 2.290: Einengung von ἄλφιτα auf ‘Gerstenschrot’ sei “almost certainly post-homeric”). Die Bez. für die Gerstenkörner, die in rituellem Kontext verwendet werden, ist οὐλαί, οὐλοχύται (1.458n.). Zur Etymologie von ἄλφιτα s. BEEKES u. ChronEG 9 s.v. ἄλφι. — πάλυνον: ‘(be)streuen’, im fgrE meist von ἄλφιτα (s.o. zur VE-Formel ἄλφιτα λευκὰ π. u. Od. 14.429 ἀλφίτου ἀκτῇ), außerdem Il. 10.7 (Gleichnis) von Schnee auf Feldern; es ist wohl eine Ableitung zu πάλη ‘Mehl, Staub’ (LfgrE s.v.; Frisk s.v.; DELG s.v. 2 πάλη).
561–572 Darstellung eines Weinbergs; zu dessen Anlage mit Stützpfählen, Graben und Einfriedung s. RICHTER 1968, 107. 130f.; zum Weinanbau ebd. 127–133; DNP s.v. Wein. Auf eine statische Beschreibung der Anlage (561–565) folgt auf
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den Überleitungsvers 566 – der die Vorstellung einer Weinernte weckt – die Schilderung einer lebendigen Szene voll Bewegung, mit Musik, Gesang und Tanz, die die Erntearbeit begleiten (567–572): BECKER 1995, 133–137; s. auch zu weiteren Tanzszenen 494n. (zum Hochzeitsfest 493ff.). In diesem dritten Bild der Landwirtschaft ist die Idealisierung der Arbeit am stärksten ausgeprägt: durch die Verbindung mit Musik wird das Tragen der Erntekörbe leicht und beschwingt. In der Beschreibung werden verschiedene Sinne angesprochen, indem der Erzähler optische und akustische Eindrücke wiedergibt: (a) Farb- und Material-Angaben evozieren einen Hell-/Dunkel-Effekt (562–565; vgl. 548f.); (b) die versch. Klangfarben der Leier und der menschlichen Stimmen werden als ‘hell’ bzw. ‘lieblich’ und ‘zart’ bzw. als laute Rufe beschrieben (567–572n.); (c) die Beschreibung des Tanzrhythmus wird durch lautmalerische Elemente unterstrichen (571–572n.). Das Gewicht liegt auf der Ästhetik, herausgehoben sind die sinnlich wahrnehmbaren Qualitäten ‘schön’ (optisch u. akustisch: 562, 570), ‘honigsüß’ (568), ‘zart’ (571). Im Gegensatz dazu liegt bei der Beschreibung des Obstgartens und Weinbergs des Alkinoos in der Odyssee das Gewicht auf dem Reichtum des Ertrags (Od. 7.112–132). 561–562 Zu Epitheta-Reihung und Enjambement s. 130–131n.; zu ‘schön’ (gr. kālós) am VA s. 491a n. ἐν δ’ ἐτίθει: 541n. — σταφυλῇσι … | … βότρυες: bez. die Traube am Rebstock bzw. die Traubenbeere; βότρυες ist hom. hapaxP (s. aber βοτρυδόν 2.89), zu σταφυλή vgl. Od. 7.121, 24.343 und die Komposita πολυστάφυλος (‘traubenreich’: 2.507n.) u. ἐριστάφυλος (‘mit großen Trauben’): RICHTER 1968, 129 mit Anm. 993. 131 Anm. 1005. — ἀλωήν: 57n. — χρυσείην: zur Form 418n. — ἀνά: adverbiell, hier ‘überall darauf’ sc. auf dem Weinberg aus Gold (d.h. an allen Weinstöcken des Weinbergs, vgl. Od. 24.343): SCHW. 2.422; CHANTR. 2.90. 563 ἑστήκει δὲ κάµαξι … ἀργυρέῃσιν: Als grammatikalisches Subj. ist ἀλωή zu denken: der goldene Weinberg ‘stand da mit silbernen (Stütz-)Pfählen’ (sc. für die Rebstöcke); das Aufrecht-Stehen ist von den Pfählen (u. Rebstöcken) auf den ganzen Weinberg übertragen (LEAF; LfgrE s.v. ἵστηµι 1240.58ff.; RICHTER 1968, 131). — διαµπερές: ‘von einem Ende zum anderen, durch und durch’ (19.272n.), d.h. durch den ganzen Weinberg.
564 Graben: Bei dem ‘Graben’ handelt es sich um einen Bewässerungsgraben, der um die Pflanzungen angelegt ist und in dem Quellwasser zugeführt wird (vgl. 21.257f., Od. 7.129f.). Seine dunkle Färbung auf dem Golduntergrund ist sprachlich unterschieden vom Schwarz der Trauben (gr. mélanes 561, s. auch meláinet’ 548 vom gepflügten Feld): Das bereits myk. belegte gr. Adjektiv kyáneos (DMic 561 ἐν: 541n. — σταφυλῇσι: zur Flexion R 11.1. — βρίθουσαν: Ptz. von βρίθω (+ Dat.) ‘schwer beladen sein (mit)’. 564 κυανέην: zum -η- nach -ε- R 2. — ἀµφὶ … περὶ … ἔλασσεν: zur sog. Tmesis R 20.2; zum -σσ- R 9.1.
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s.v. ku-wa-ni-jo-qe) ist eine Ableitung zum Substantiv kýanos (DMic s.v. ku-wano: ‘Lapislazuli’ od. ‘Emaille’?; zum Suffix der Stoffadjektive 24.21n.), das etymologisch mit heth. kuwanna (Bez. für einen Edelstein od. Kupfer?) in Zusammenhang gebracht wird, außerdem mit weiteren Begriffen aus idg. Sprachen, die Stoffe zur Gewinnung blauer Farbe bezeichnen (etwa Azurit, Smalte); die eigtl. Bed. ist unklar (DELG, ChronEG 3 u. 6 s.v. κύανος). In der Ilias ist kýanos, verbunden mit dem Farbadjektiv mélas (‘schwarz’), bei der Beschreibung von Dekor auf Agamemnons Waffen verwendet (11.24/35) und in der Odyssee neben versch. Metallen als Baumaterial des Alkinoos-Palastes erwähnt (Od. 7.87). Dieser hom. kýanos wird als schwarz wirkende Legierung ‘Niello’ aus Silber, Kupfer, Blei und Schwefel oder als Imitation von Lapislazuli in Form von Intarsien aus Emaille od. Glasfluß (auch Blaufluß) interpretiert (EDWARDS S. 203; HAINSWORTH zu Il. 11.24; LfgrE s.v. κύανος mit Lit.; FITTSCHEN 1973, 5f.; IRWIN 1974, 79–84; SHEAR 2004, 59; etwas anders GIUMLIA-MAIR/CRADDOCK 1993, 19ff.: Corinthium aes; s. dazu 474–475n.). Das Adj. kyáneos bez. viell. an der vorl. Stelle wie die Adj. ‘golden’ und ‘silbern’ (562f.) sowohl die Farbe als auch das Material, ebenso wie bei den Figuren auf Agamemnons Brustpanzer und auf seinem Schild (Schlangen 11.26/39) und auf Herakles’ Schild (Schlangen bzw. Kēren ‘Hes.’ Sc. 167, 249); im fgrE ist es sonst auch als Farbbezeichnung ‘dunkel, schwarzblau’ (vgl. Il. 4.277/282, 24.93f.) v.a. für Haare, Kleidung und (oft bedrohlich wirkende: 16.66n.) Wolken verwendet (vgl. 1.528n.): IRWIN a.O. 84–108; DÜRBECK 1977, 141–144. ἀµφὶ … περί: adverbiell; entweder ‘zu beiden Seiten’ (der Rebstöcke) und ‘ringsum’ (um den Weinberg) (AH; vgl. FRITZ 2005, 73) oder Variation aus metr. Gründen (CHANTR. 2.129) und ohne Bedeutungsunterschied (FEHLING 1969, 195). — κάπετον … ἕρκος: κάπετος bed. ‘Graben’ (vgl. 24.797n.), zur Wz. von σκάπτω gehörig (FRISK, DELG s.v. σκάπτω); ἕρκος bez. die schützende ‘Einfriedung’ (1.283b–284n.), die den ganzen Weinberg umgibt, als Abgrenzung des Gartens von der Natur (RICHTER 1968, 105–107. 130f.). — ἔλασσεν: ἐλαύνω ist einerseits t.t. für Schmiede-Arbeit, s. 12.295f. (LfgrE s.v. 518.38ff.), andrerseits in der Landwirtschaft für das Ziehen von Linien wie Furchen, Gräben oder auch Zäune durch Einrammen von Pfählen (LfgrE s.v. 518.64ff.).
565 aus Zinn: Das in frischpoliertem Zustand hellglänzende Metall ist auch sonst neben anderen Metallen für Farbeffekte eingesetzt: ‘weiße’ Schildbuckel aus Zinn neben ‘schwarzem’ kýanos auf Agamemnons Schild (11.34f.), Zinn neben Gold auf Achills Schild (574: Fellzeichnungen), Gold- u. Zinnverzierungen auf Agamemnons Brustpanzer (11.25) und als Beschläge eines Wagens (23.503), ‘glänzendes’ Zinn an einem wertvollen Bronze-Panzer (23.561); zum Material Zinn s. auch 474–475n. u. 613n. (zu Achills Beinschienen).
565 µία … οἴη ἀταρπιτός:‘ein einziger Trampelpfad’. — ἦεν: = ἦν (R 16.6).
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κασσιτέρου: Zum Nebeneinander von Stoffadjektiven u. Gen. des Stoffes (so auch bei Agamemnons Schild 11.24ff.) s. SCHW. 2.128f. — ἀταρπιτὸς … ἐπ’ αὐτήν: ἀταρπιτός ist eine Nebenform zu ἀταρπός (‘Fußweg, Trampelpfad’), wohl analog zu ἀµαξιτός (von ἄµαξα) gebildet, viell. zu τραπέω ‘keltern, treten’ gehörig (DELG, BEEKES s.v. ἀταρπός); es bez. 17.743 einen Gebirgspfad für Holztransport, Od. 14.1 u. 17.234 den Pfad zum abgelegenen Gehöft des Eumaios und steht h.Ap. 227 neben κέλευθος (LfgrE s.v. ἀταρπός; BECKER 1937, 35); ἐπ’ αὐτήν bezieht sich inhaltlich auf ἀλωή, läßt sich aber verschieden deuten: entweder ‘über diesen hin, durch ihn hindurch’, also ein ‘Trampelpfad’ innerhalb des Weinbergs (AH; FAESI; LfgrE s.v. ἀταρπός; ähnlich FRITZ 2005, 136f.), od. ‘auf ihn zu’ wie bei Verben der Bewegung, also ein Zugangsweg (LA ROCHE; CHANTR. 2.110; BECKER 1995, 135; vgl. schol. A zur Lesart ἐς αὐτήν). 566 νίσοντο: bed. eigtl. ‘zurückkehren’ (zu νέοµαι), hier ‘hin und her gehen’ (LfgrE); es ist wohl eher ein redupl. Präs.-Stamm (νῑσ- < *ni-ns-) als ein Desiderativum (*ni-ns-se-): LIV 454f.; BEEKES s.v. νέοµαι; GIANNAKIS 1997, 207–209; zur Schreibweise νισ- vs. νισσWEST 1998, XXXIII. — φορῆες: ‘Träger’, hom. hapaxP (zur Bildung RISCH 157; PERPILLOU 1973, 85. 349f.). In diesem die Anlage des Weinbergs interpretierenden Vers bez. es allg. die Erntearbeiter (s. den iterativen Temporalsatz ὅτε τρυγόῳεν, dazu BECKER 1995, 135: “The description has generalized the depicted action into a habitual activity of the characters depicted”). Sie sind viell. in der im folgenden beschriebenen Szene als παρθενικαὶ δὲ καὶ ἠΐθεοι dargestellt (567; vgl. auch die Abfolge φορῆες … φέρον 568); oder diese jungen Leute sind nur Erntehelfer neben den Winzern, ähnlich wie ἀµαλλοδοτῆρες vs. παῖδες 554/555 (AH; unentschieden LfgrE s.v. φορεύς; etwas anders CERRI: φορῆες [“portatori”] sind παρθενικαὶ u. ἠΐθεοι, aber Subj. zu τρυγόῳεν ist unbestimmt, d.h. allg. die “vendemmiatori”). — τρυγόῳεν: zu τρυγάω ‘abernten’ (noch Od. 7.124 Trauben, ‘Hes.’ Sc. 292 Rebstöcke), im iterativen Opt. (SCHW. 2.649; CHANTR. 2.260; zur ep. Zerdehnung G 48).
567–572 Anstelle einer Beschreibung der eigtl. Ernte-Arbeit folgt eine Tanzsszene, dominiert von Bezeichnungen für Musik, Klangfarben (der tragend-helle Ton der Leier, die feine Knabenstimme, laute Rufe) und für die Verbindung von Tönen und Bewegung, wodurch der ErzählerP höchste enárgeia erreicht (dazu 478–608n. Abschn. B.3.): 571–572n.; KAIMIO 1977, 81. 101; zu Eigenschaften von Singstimmen WEST 1992, 42–45. Damit verbindet der ErzählerP in 570f. eine ästhetische Qualifizierung des Präsentierten über das Optische hinaus im imaginierten akustischen Bereich (BECKER 1995, 136f.; s. auch 571–572n. s.v. λεπταλέῃ). 567 VE ≈ h.Cer. 24. — παρθενικαὶ … ἠΐθεοι: Halbvers-Variante neben kürzerem ἠ. καὶ παρθένοι (593: Tänzer) u. παρθένος ἠΐθεός τε (22.127f.: Liebespaar), vgl. auch die Altersangaben Od. 11.38f.; umfaßt Jugendliche beiderlei Geschlechts im heiratsfähigen Alter (WICKERT-MICKNAT 1982, 104f. 114). — ἀταλὰ φρονέοντες: Bed. und Etymologie des
566 τῇ: in der Funktion eines Rel.-Pron., präpositionsloser dat. loci (R 14.5, R 19.2): ‘auf dem’. 567 ἠΐθεοι ἀταλά: zum Hiat R 5.6.
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Adjektivs ἀταλός sind unsicher: entweder ‘kindlich’ od. ‘zart’ (noch 20.222 πώλοισιν, Od. 11.39 παρθενικαί), wobei im Kontext z.T. der Aspekt der Verspieltheit hinzukommt (LfgrE s.v. ἀταλός; MOUSSY 1972, 159f.; zur unklaren Etymologie DELG u. BEEKES s.v.). Die Wendung ἀταλά φρονέων (noch Hes. Th. 989 von einem Kind), ebenso wie ἀταλάφρονα (Il. 6.400 von Astyanax), bed. etwa ‘fröhlich, munter, unbeschwert’ (6.400n.; LfgrE s.v. φρονέω 1042.51ff.; etwas anders h.Cer. 24 von Hekate, s. RICHARDSON z.St.: ‘with youthful spirit’). Sie unterstreicht die Ausgelassenheit, das Spielerisch-Leichte im Tanz der Jugendlichen, vgl. auch ἀταλο̄́τατα παίζει im Hexameter auf der Dipylon-Oinochoë, bestimmt für den besten Tänzer (508n.; dazu HEUBECK 1979, 117f.; HENRICHS 1996, 32–35). 568 1. VH = Od. 9.247; 2. VH ≈ Od. 9.94; VE = Il. 9.186. — µελιηδέα καρπόν: zur Traubenlese passende Variante der Formel µελιηδέα οἶνον (545n.); καρπός vom Wein selbst: 3.246 (s.d.), hom.h. 741.
569 Das Motiv des Sängers, der umringt von Tänzern ein Lied zur Leier (gr. phórminx: 495a n.) singt, erscheint auch in der Odyssee: s. 8.261–264 Demodokos’ Auftritt, bei dem er das Lied von Ares und Aphrodite singt (266ff.); weitere Stellen, an denen ein Sänger mit Leier auftritt (bes. Il. 9.186–194 Achilleus), s. 495a n. und 604b–605a n. τοῖσιν δ’ ἐν µέσσοισι: Vgl. 507n. — φόρµιγγι λιγείῃ: flektierbare VE-Formel (Dat./Akk.: 2× Il., 6× Od., 1× h.Ap.); λιγύς bez. einen hellen, durchdringenden Klang, in der Odyssee auch auf den Gesang weiblicher Stimmen bezogen (1.248n.; KAIMIO 1977, 44).
570 1. VH = ‘Hes.’ Sc. 202; 2. VH ≈ h.Merc. 54, 502. — den Linos: Linos ist einerseits Bez. für ein Lied, andrerseits in nachhom. Quellen auch der Name einer mythischen Figur, die auf verschiedene Weise mit Musik in Verbindung gebracht wird (schol. T u. b; Eust. 1163.53ff.): (a) er galt als Sohn einer Muse (u.a. Urania) und Apollons, der von den Sängern wegen seines frühen Todes bei Festmählern in einem Lied beklagt wurde, in welchem wiederholt sein Name gerufen wurde (‘Hes.’ fr. 305 M.-W.), wohl ein Hinweis auf den im Lied wiederkehrenden Ruf áilinon (Pind. fr. 128c.6; danach bei Tragikern mehrheitlich ein Klageruf, s. LSJ s.v. αἴλινος); (b) gemäß Herodot (2.79) wurde ein dem gr. Linos-Lied entsprechendes Klagelied in Phönizien, auf Zypern und in Ägypten gesungen; (c) er galt zudem als begnadeter Dichter und Sänger (teils gar als erster Dichter überhaupt), wurde von Theben als Lokalheros reklamiert, der von Apollon erschlagen und von den Musen betrauert worden sei (Paus. 9.29.6–9); (d) ihm wurde auch kosmologische Dichtung zugeschrieben (zu den Quellen s. WEST 1983, 56–67). ‘Linos’ wird allg. als ein nach dem urspr. rituellen (Klage-?)Ruf áilinon benanntes Lied gedeutet, der Heros als dessen Personifikation (vgl. ähnliches zu Hymenaios 493n. u. Thamyris 2.595n.); unsicher bleibt die Herkunft (urspr. phönizischer Klageruf um einen Vegetationsgott?): KlP s.v. Linos; DNP s.vv. Linos u. Ailinos; FRISK u. 569 µέσσοισι: zum -σσ- R 9.1.
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DELG s.v. λίνος; REINER 1938, 109–113; ARNOULD 1990, 219–221; GRANDOLINI 1996, 61–63; WEST 1997, 262 (Linos sei “a periodically dying nature-figure of ‘Aegean’ type”; STEPHENS 2002/2003, 16–21). Der Charakter des Linos-Liedes an der vorl. Stelle läßt sich nicht eindeutig bestimmen: Der Kontext – bes. die Schilderung des Tanzes 567/571f. – läßt spontan an ein fröhliches Lied denken, weshalb die Scholien die Linos-Weise hier als ein zur Unterhaltung der Winzer gesungenes Arbeitslied deuten (schol. b u. T zu 569–70; vgl. WEGNER 1968, 32; WEST 1992, 28f.; DNP s.v. Arbeitslieder). Dies steht in scharfem Kontrast zum KlageCharakter, der dem Lied in zahlreichen Quellen zugeschrieben wird (s.o.); es wird daher hier auch als Klagelied gedeutet, das die melancholische Stimmung der Menschen angesichts des Sterbens der Vegetation im Herbst zum Ausdruck bringen soll (HÄUSSLER 1974, 9–11; LYNN-GEORGE 1988, 192; vorsichtig LEAF z.St. u. zu 572; EDWARDS; unentschieden LfgrE s.vv. ἰυγµός, λίνος). Vielleicht entspricht diese Ambivalenz auch dem Charakter des Anlasses: “This divergence may reflect the dual nature of the cult and its ritual, death and return, lamentation and joy” (ALEXIOU [1974] 2002, 57. 218 Anm. 19; zu den Assoziationen mit Tod in den Bildern der Landwirtschaft s. AUBRIOT 1999, 25–27). Zu weiteren LiedTypen in der Ilias s. 493n. ἱµερόεν: ‘reizend’ (zu ἵµερος ‘Verlangen’), hier adverbieller Akk., die Wirkung auf das Gehör beschreibend; ist sonst Epitheton, wie hier im musikalischen Kontext von ἀοιδή (VE-Formel 2× Od., 1× Hes., 1× h.Ven.) u. vom Klang der φόρµιγξ (h.Ap. 185), außerdem von χορός (603 und weitere 5× fgrE): LfgrE s.v. ἱµερόεις; KAIMIO 1977, 57; KLOSS 1994, 57f. — κιθάριζε: noch ‘Hes.’ Sc. 202 u. 10× hom.h. (nachhom. gebräuchliches Wort für das Spielen auf der Leier: LSJ s.v.), metr.-prosod. Variante zu φορµίζω (3× Od., 1× h.Ap.): LfgrE s.v. φορµίζω. — λίνον: Akk. des Inhalts (Lied-Typus), wie παιήονα (1.473) u.a. (schol. A, T; LfgrE s.v. ἀείδω 157.56ff.). — ὑπό: adverbiell, hier ‘dazu’, d.h. zum Kitharaspiel, vgl. die Iterata (CHANTR. 2.138f.: ‘en même temps’; LfgrE s.v. ἀείδω 156.45ff.; CALAME 1977, 154f.; GRANDOLINI 1996, 62). — καλὸν ἄειδε: variierbare VE-Formel (1× Il., 2× Od., 3× h.Merc.), meist mit adverbiellem καλόν; so wohl auch hier (wo καλόν auch Attribut zu λίνον sein könnte), analog zu ἱµερόεν (AH; LEAF; KAIMIO 1977, 55 mit Anm. 113; GRANDOLINI 1996, 38f.; vorsichtig LfgrE s.v. καλός 1312.1f.).
571–572 Takt: Die jungen Leute bewegen sich mit den gefüllten Körben in einem Reigen um den Knaben, der ‘mitten unter ihnen’ singt (569; vgl. Od. 8.262–264); zu den Tanzbewegungen TÖLLE 1964, 61–63. 66; KURZ 1966, 138f.; s. auch 494n. Ihr Tanz ist mit Gesang untermalt, der mit zwei gr. Begriffen umschrieben ist: (a) molpḗ bez. im hom. Epos meist einen Gesang, der den Tanz begleitet (vgl. dazu bes. Od. 1.152, 4.17–19, 23.143–147): LfgrE s.vv. µολπή, µέλπω; WEST zu Od. 1.152; WEGNER 1968, 42f.; CINGANO 1993, 349–353); (b) iygmós (hom. hapaxP; bei den Tragikern Bez. für einen Klageschrei) ist eine Ableitung zum Verb iýzō 571 τοί: demonstr.-anaphor. Pronomen (R 14.3). — δὲ (ῥ)ρήσσοντες: zur Prosodie M 4.6.
Kommentar
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‘schreien, heulen, johlen’ (wohl onomatopoetische Bildung zu einer Interjektion; vgl. 17.66 u. Od. 15.162, wo es Schreie zum Abschrecken von Raubtieren bezeichnet): LfgrE s.v. ἰύζω; TICHY 1983, 169); deutet man die Linos-Weise als Klagelied (s. 570n.), läßt sich der iygmós als Bez. für den refrain-artigen áilinonRuf interpretieren (AH; CALAME 1977, 155 mit Anm. 218; GRANDOLINI 1996, 62f.); zu Liedern mit Wechselgesängen (Responsorien) in frühgr. und orientalischer Lit. s. WEST 1997, 42f. λεπταλέῃ: ‘dünn, fein’, von der hohen Knabenstimme (EDWARDS; KAIMIO 1977, 48. 191; WEST 1992, 45. 388); erst wieder im hellenistischen Epos belegte Erweiterung zu λεπτός (DELG, BEEKES s.v. λέπω; KRAPP 1964, 236); wird dort (v.a. bei Kallimachos) als Begriff für ästhetische Qualität von Musik und Dichtung verwendet (STEPHENS 2002/2003, 13–16). — ῥήσσοντες … | … σκαίροντες: Nachahmung der rhythmischen Bewegungen durch klangliche Entsprechungen in der 2. VH (LfgrE s.v. σκαίρω: “Ptz.-‘Responsion’ mit 571 u. Klangwiederholung οντ”): ion. ῥήσσω (att. ῥάττω) bed. ‘stoßen’, von Tänzern ‘(den Takt) schlagen’; die etym. Anbindung, etwa an ἀράσσω (‘schlagen’) oder ῥήγνυµι (‘brechen’), ist unsicher (FRISK, DELG, BEEKES s.v. ῥάσσω; LfgrE s.v. ῥήσσω); an der vorl. Stelle bed. das Ptz. wohl ‘stampfend (im Takt)’, vgl. die Nachahmung der Homerstelle bei Apoll. Rhod. 1.538f. (φόρµιγγος … ὁµαρτῇ | … πέδον ῥήσσωσι πόδεσσι; dazu RENGAKOS 1993, 123; 1994, 137), in vergleichbarem Kontext auch h.Ap. 516f. (φόρµιγγ’ ἐν χείρεσσιν ἔχων, ἐρατὸν κιθαρίζων, | … οἳ δὲ ῥήσσοντες ἕποντο). σκαίρω bed. ‘hüpfen, springen’, noch Od. 10.412 (Kälber umspringen ihre Mütter): LfgrE. In nachhom. Lit. erscheint dafür u.a. πηδάω (NAEREBOUT 1997, 281; BIERL 2001, 151 Anm. 118. — ἁµαρτή: zum Adv. erstarrter instrumentalis eines Verbaladjektivs mit der Bed. ‘zugleich, gleichzeitig’, bestehend aus ἅµα + ἀρ- (vgl. ἀραρίσκω), noch 5.656, 21.162, Od. 22.81 (FRISK u. BEEKES s.v. ἁµαρτή; DELG s.v. ἀµαρεῖν; SCHW. 1.550). In Papyri und Hss. ist es auch mit Anfangssilbe ὁµ- überliefert (s. app. crit.), Aristarch jedoch scheint ἁµαρτή gelesen zu haben (schol. A u. T zu 5.656; WACKERNAGEL 1916, 70f.; RENGAKOS 1993, 123; zu ὁµ- WEST 1998, XXX; vgl. auch 24.438n. s.v. ἁµαρτέ͜ων).
573–589 Auf die friedliche Stimmung in den Bildern mit landwirtschaftlichen Arbeiten folgen zwei Bilder mit Viehherden, die ein Wechselbad der Gefühle mit sich bringen: Eine Rinderherde, von Hirten und Hunden begleitet, ist arglos unterwegs zur Weide (573–578), aber rohe Gewalt ist über sie hereingebrochen, indem zwei Löwen den Stier zerreißen, während Hirten und Hunde ohnmächtig bleiben (579–586); Schafe sind friedlich auf der Weide (587–589). Wie die Bilder der landwirtschaftlichen Arbeiten wurden auch diese beiden mit Jahreszeiten in Verbindung gebracht, nämlich mit dem Winter, da die Rinder offenbar eine Zeit (die Nacht?) im Gehöft verbringen (575) und auf der Schafweide Unterstände stehen (589): TAPLIN [1980] 2001, 353; ALDEN 2000, 70f.; anders schol. T zu 587–8 (Schafherde auf der Weide passe in den Frühling). Doch auch hier ist diese Zuweisung aus der Beschreibung nicht zwingend ablesbar (vgl. 541–572n. und EDWARDS zu 573–89); denn mit der einleitenden Verbform poíēse (573/587) beginnt ein neuer Bilderblock (478–608n. Abschn. B.1.b.) mit Rinder- und Schafherden
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als Repräsentation von Groß- und Kleinvieh, s. auch beim Viehraub 524, 528f. Allg. zur Viehwirtschaft (v.a. Rinder, Schafe u. Ziegen) in den hom. Epen s. RICHTER 1968, 32–64; DNP s.v. Viehwirtschaft. Der Wechsel in den einleitenden Verben von ἐν δ’ ἐτίθει (541/550/561) zu ἐν δ’ … ποίησε (573/587) und die ähnliche Versstruktur der Einleitungsverse 587/590 mit Subj. περικλυτὸς Ἀµφιγυήεις rückt die letzten drei Bilder in eine gewisse Nähe zueinander (WIRBELAUER 1996, 151f.).
573–586 Darstellung einer Rinderherde auf dem Weg zur Weide (zur Szenerie vgl. 520–529, bes. 525f.): teils statisch (573f., 579–580a), teils dynamisch bewegt und klanglich untermalt (575ff., 580b ff.), mit Steigerung in akustischen Effekten (575f., 580f.) und in der Dramatik. Abgesehen von 574 (‘von Gold gebildet und von Zinn’) und 577 (‘goldene Hirten’) fehlen Hinweise auf ein Bild; dieses wird in den Worten des Beschreibenden zu einer “story, and is fully dramatized” (BECKER 1995, 138–141 [Zitat 140]; ähnlich EDWARDS zu 582–6: “a steady progression of time during these scenes”): Rinder strömen lärmend auf die Weide (575) entlang dem Fluß (576), Löwen packen einen Bullen (579–581), beginnen zu fressen (582f.), die Hirten hetzen die Hunde auf (583f.), diese wagen aber nicht anzugreifen, sondern nähern sich nur bellend und weichen wieder zurück (585f.); der Passus ist damit länger als jedes Löwengleichnis in Ilias und Odyssee (LONSDALE 1990, 143). Zum Bezug zur Ilias-Handlung s. 579–586n.; zu bildlichen Darstellungen von Löwen-Attacken auf Herden in geometrischer und oriental. Kunst s. BUCHHOLZ u.a. 1973, 13–18 (bes. 18). 28–30; GIULIANI 2003, 46ff.; D’ACUNTO 2010, 175–179. 573 1. VH ≈ 490, 587; 2. VH = 8.321, Od. 12.348, h.Merc. 220. — von … Rindern: Zur Bedeutung von Rindern s. 520–529n. und 559n. ἀγέλην … βοῶν: formelhafte Junktur, meist fortgesetzt durch eine formelhafte Junktur mit πῶυ und οἰῶν od. µήλων (528n.), s. hier 587f. — ὀρθοκραιράων: ‘mit emporgerichteten Hörnern’, seltenes Epitheton bei βοῶν (s. Iterata) und νεῶν (s. 3 [mit n.], 19.344): RICHTER 1968, 45 Anm. 292.
574 aus Gold und Zinn: In den hom. Epen wird die Fellfarbe von Rindern mehrheitlich als dunkel (gr. áithōn [‘braun’], pammélas [‘tiefschwarz’], óinops [‘weinfarben: dunkelrot? rotbraun?’]) angegeben, teils auch als hell glänzend (gr. argós, s. dazu LfgrE s.v. ἀργός 1206.61ff.; RICHARDSON zu Il. 23.30): RICHTER 1968, 47; zum Farbeffekt der Metalle s. 565n. χρυσοῖο … κασσιτέρου: 565n. — τετεύχατο: 478n., 548–549n.
573 ἐν: 541n.— ὀρθοκραιράων: zur Flexion R 11.1. 574 τετεύχατο: zur Endung R 16.2.
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575 Die Rinderherde ist auf dem Weg vom ‘Stallmist’ zur Weide: gr. kópros bed. eigtl. ‘Dung, Mist’, so Od. 9.329f., 17.297f.; es ist hier (u. Od. 10.411) die Bez. für den Stall oder den Hof, wo der Dung bis zur weiteren Verwertung liegenblieb (RICHTER 1968, 104). µυκηθµῷ: noch Od. 12.265, Ableitung zu µυκάοµαι ‘muhen, brüllen’ (580n.). 576 Vers mit klanglichen und sprachlichen Besonderheiten: (1) reine Daktylen, (2) Häufung von -ă- und -ŏ-, (3) Struktur von 1. und 2. VH entsprechen einander durch (3a) Wörter ähnlichen Lautbestands und gleicher metr. Struktur an entsprechender Versstelle, mit jeweils wachsender Silbenzahl (zur problematischen Überlieferung s.u.), (3b) Anapher von παρ(ά), (3c) Chiasmus von Subst. und Attribut; die 1. VH suggeriert lautmalerisch das Rauschen des Flusses, die 2. VH Bewegung im Dargestellten, womit die V. 575 begonnene Erweiterung des zunächst statischen Bildes um die Dimensionen ‘Geräusch und Bewegung’ fortgesetzt wird (EDWARDS zu 573–6; BASSETT [1938] 2003, 156f.; zu weiteren Bsp. von Klangkunst [Onomatopoeia] bei Homer s. EDWARDS, Introd. 57f.). — κελάδοντα: von Flüssen und Wind ‘lärmend, rauschend’ (vgl. 310n.; in 7.133 als Flußname verwendet); abgeleitet vom Subst. κέλαδος (DELG u. BEEKES s.v. κέλαδος). — ῥαδαλόν: Das Wort ist in zahlreichen Varianten überliefert (s. app. crit. und WEST 2001a, 133–135); am ehesten kommen in Frage: (1) ῥοδανόν, die Hauptlesart der Hss. und dreier Papyri, paßt klanglich exakt zur Entsprechung in der 1. VH; ῥοδανός ist aber sonst nicht belegt und gilt als Nebenform zu ῥαδινός ‘biegsam, schlank, beweglich’ (23.583 von einer Peitsche), vom Schilf also etwa ‘schwankend’ (LEAF; CERRI; LfgrE s.vv. ῥοδανός [mit Lit.] u. ῥαδινός; zur unsicheren Etymologie DELG u. BEEKES s.v. ῥαδινός); (2) Zenodots Lesart ῥαδαλόν (schol. A u. bT; von WEST in den Text gesetzt; contra NARDELLI 2001, Abschn. V. z.St.); das Wort ist noch beim hellenistischen Dichter Nikainetos (fr. 1.4) belegt und wird in den Scholien mit ‘leicht beweglich, leicht zitternd’ erklärt (WEST a.O. 134: [‘waving’] “This seems therefore to be a real word, perhaps Ionic”; anders VAN DER VALK 1964, 44–46 [eine Erfindung Zenodots]). — δονακῆα: ‘Schilf-Dickicht’, nur hier u. bei Oppianus (Halieutica 4.507) belegt; eine Ableitung zu δόναξ ‘Schilf’ (schol. D; LfgrE). 577 χρύσειοι: 418n. — ἐστιχόωντο: ‘schritten, marschierten auf’; Herleitung sowohl von στείχω als auch von στίχες möglich (2.92n.; LfgrE s.v. στιχάοµαι).
578 2. VH = Od. 17.62, 20.145; ≈ 2.11, h.Merc. 194. — Hunde: Hunde sind auch in den GleichnissenP der Ilias als Jagd- oder Hirtenhunde präsent (RICHTER 1968, 80–83; BUCHHOLZ u.a. 1973, 108–114); Schnelligkeit gehört zu ihren wichtigen Qualitäten, s. 283, 584 (Stellen u. weitere Lit. 3.26n., dort auch zu den HundeEpitheta). τέσσερες: zur Schreibweise mit -ε- WEST 1998, XXX. — ἀργοί: bed. als HundeEpitheton ‘schnell’, wird z.T. wie hier durch πόδας präzisiert (283n.). 575 ἐπεσσεύοντο: zum -σσ- R 9.1. — νοµόνδε: ‘auf die Weide’, zum Suffix R 15.3. 576 πάρ: = παρά (R 20.1). — παρὰ (ρ)ραδαλόν: zur Prosodie M 4.6. 577 ἐστιχόωντο: zur ep. Zerdehnung R 8. — βόεσσιν: zur Flexion R 11.3. 578 σφι: = αὐτοῖς (R 14.1). — πόδας: Akk. der Beziehung (R 19.1).
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579–586 Als großes Risiko der Viehwirtschaft gilt in den hom. Epen der Verlust von Rindern durch Viehraub (520–529n.) und v.a. durch wilde Tiere; dies ist auch ein häufiges Motiv in Gleichnissen. Die vorl. Szene erinnert daher nicht nur an diejenige der belagerten Stadt mit Viehraub durch die Belagerten, sondern v.a. auch an die zahlreichen Gleichnisse in den Kampfbeschreibungen der Gesänge 15–17, s. bes. die sprachlichen Anklänge in 582f. (583n.) und motivischen Reminiszenzen in 585f. (s.d.): AUBRIOT 1999, 29–31; ALDEN 2000, 70–72 (gegen LONSDALE 1990, 121f.): Von Löwen gerissene Rinder dienen als Vergleich für sterbende Krieger (16.487–491n.); der Versuch von Hirten, ihre Herden zu verteidigen oder den Löwen wenigstens ein bereits getötetes Tier zu entreißen, illustriert u.a. den Kampf um die Waffen u./od. Leichen von Gefallenen, s. einerseits 17.109ff. u. 17.657ff. (Menelaos), wo der Löwe von Mensch und Hund vertrieben wird, andrerseits 161f. (Hektor bei Patroklos), 17.61–69 (Menelaos bei Euphorbos), wo der Löwe sich zunächst behauptet (3.26n; EDWARDS; RICHTER 1968, 37; LONSDALE a.O. 39–70. 103–107; ALDEN a.O. 69f.; zu Hirten in GleichnissenP 161–164n.). 579 Löwen: In Gleichnissen im Kampfkontext veranschaulichen Löwen v.a. Mut und Aggressivität eines Kriegers; Paare von gemeinsam vorgehenden Löwen finden sich auch 5.554ff., 10.297, 13.198ff., zwei gegeneinander kämpfende Tiere 16.756ff. (3.23n., 24.41b–44n., 16.756–761n.). σµερδαλέω …: σµερδαλέος (‘gräßlich, schrecklich’, immer am VA) kann sich auf einen visuellen od. – adverbiell verwendet – auf einen akustischen Eindruck beziehen (vgl. 19.41n.), von einem Tier noch 2.309 (δράκων): LfgrE s.v.; zu Zenodots Variante mit der Farb-/Materialangabe mit dem Adj. κυάνεος statt σµερδαλέος (in Analogie zu 574, 577) s. WEST 2001, 250. — ἐν πρώτῃσι βόεσσιν: ‘unter den vordersten Rindern’, vgl. die Wendung πρώτῃσι καὶ ὑστατίῃσι βόεσσιν im Löwengleichnis 15.630–636 (bes. 634): LfgrE s.v. πρῶτος. 580 ἐρύγµηλον … µακρὰ µεµυκώς: lautmalerische Begriffe zur Steigerung von µυκηθµῷ 575: ἐρύγ-µηλος ist hapax legomenonP, klanglich (ε-υ-) auf das VE zugeschnitten (“The sound of the word is important here, anticipating µεµυκώς”: EDWARDS zu 579–80); es gehört zur Wz. von ἐρεύγοµαι (‘herauswürgen, brüllen’) mit Aor. ἐρυγεῖν (20.403–406: ‘brüllen’; vgl. lat. erugare bzw. rugire), dazu ἐρυγµός, und davon ἐρύγµ-ηλος (RISCH 109); unklar ist, ob sich die unterschiedlichen Bedeutungen einer Wz. zuordnen lassen (FRISK, DELG u. BEEKES s.v. ἐρεύγοµαι 2; JANDA 2014, 477–483). – µεµυκώς ist ein onomatopoetisches Perfekt, s. noch 21.237 (TICHY 1983, 63; vgl. βεβρυχώς 16.486n.), verstärkt durch das Adv. µακρά (‘weithin [hörbar], laut’), ebenso noch 2.224, vgl. auch die flektierbare
579 σµερδαλέω … λέοντε: Duale. 580 ἐρύγµηλον(ν) ἐχέτην: zur Prosodie M 4.6. — ἐχέτην: 3. Dual Impf. Akt., ‘hielten fest, hielten gepackt’; zur augmentlosen Form R 16.1.
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Formel µακρὸν ἀΰσας (VE 14× Il.: 3.81n.; KAIMIO 1977, 27f.; zu weiteren Begriffen für das Brüllen von Rindern s. KRAPP 1964, 153–155). 581 µετεκίαθον: ‘gingen hinterher’, vgl. 531–532n.; das Obj. τόν (Hauptüberlieferung neben τώ, τούς) zeigt, worauf es den Hunden und Hirten in erster Linie ankommt, nämlich den Verlust des Tieres zu vermeiden. — αἰζηοί: bed. adjektivisch ‘kräftig’, als Subst. ‘(junger) Mann’ (2.660n.), vgl. in Jagdgleichnissen κύνες θαλεροί τ’ αἰζηοί (3.26, 11.414, 17.282). 582 2. VH = 17.389; ≈ Od. 22.364. — ἀναρρήξαντε: das Kompositum im fgrE noch 7.461 (Obj. τεῖχος), 20.63 (Obj. γαῖαν), Subj. ist jeweils Poseidon; ein starker Ausdruck, der zusammen mit der drastischen Formulierung in 583a die Brutalität veranschaulicht. — βοὸς … βοείην: figura etymologica mit Stoff-Adj. zu βοῦς (RISCH 131–133), eigtl. ‘aus Rinderleder’, substantiviert auch ‘Rinderhaut’ (sc. δορή od. ῥινός): LfgrE; FEHLING 1969, 159: “stark pleonastisch”). 583 ἔγκατα καὶ µέλαν αἷµα λαφύσσετον: ἔγκατα ist Bez. für die Eingeweide von Rindern, vgl. die formelhafte 2. VH αἷµα καὶ ἔγκατα πάντα λαφύσσει in Löwengleichnissen für Agamemnon bzw. Menelaos (11.176, 17.64) im Gegensatz zur Formulierung ἔντερα χαλκὸς ἄφυσσε (2. VH von 14.517) in einer Kampfszene (LONSDALE 1990, 139). λαφύσσω, im fgrE nur hier und im genannten Formelvers, bed. ‘schlürfen, verschlingen’; die Primär-Endung -τον statt -την für das Impf. (s. 580) steht wohl – wie 10.361, 10.364, 13.346 (ebenfalls vor der Zäsur C 2) – aus metr. Gründen (SCHW. 1.667; CHANTR. 1.474; JANKO zu 13.346).
584 Hunde: 578n. αὔτως: ‘nur so (ohne daß dabei etwas herauskommt), vergeblich’, s. 585f. (schol. A u. T; LfgrE s.v. 1684.19ff.). — ἐνδίεσαν: δίεσαν ist Impf. zum athem. Präsensstamm δίηµι (CHANTR. 1.293; HACKSTEIN 2002, 135). Transitiv verwendet bed. es meist ‘(ver)jagen’ (δίεµαι 162n.; GARCÍA-RAMÓN 1991, 108: “faire fuire, chasser”). An der vorl. Stelle sind zwei Interpretationen möglich: (a) ‘sie jagten sie’ (sc. die Löwen), und ταχέας κύνας ist Obj. zum Ptz. ὀτρύνοντες (s. Interpunktion bei WEST: Komma nach ἐνδίεσαν; MAZON: “[…] les pourchassent et excitent leurs chiens rapides”); (b) ταχέας κύνας ist Obj. ἀπὸ κοινοῦ zum Prädikat und zum Ptz., dann ἐν-δίεσαν ‘sie hetzten die Hunde hinein, setzten die Hunde an’ (schol. D: ἐνεκελεύοντο, παρορµῶντες ἐπέβαλλον; LfgrE s.v. δί(ηµι); LA ROCHE; LEAF; EDWARDS; GARCÍA-RAMÓN a.O.: “faire courir”; unentschieden VAN LEEUWEN); diese Interpretation paßt viell. besser zum Kompositum mit ἐν- und zur Situation (Hirten hetzen vergeblich Hunde auf Löwen, die sich nicht verjagen lassen). — ταχέας κύνας: Junktur nach den Zäsuren B 1 (3× Il.) u. B 2 (1× Il., 2× Od.): 3.26n.
585–586 Das Zurückschrecken von Hunden vor einem Wildtier ist auch in Gleichnissen beschrieben: 15.271–276 (Jagd: Löwe ≈ Hektor) und ähnlich v.a. 17.61–67 (Herdenschutz: Löwe ≈ Menelaos), wo es die Furcht der Troer illustriert, die nicht
581 εἵλκετο: ‘wurde mitgeschleift’ (sc. von den Löwen). — ἠδ(έ): ‘und’ (R 24.4). 582 τώ … ἀναρρήξαντε: Duale, Ptz. Aor. zu ἀνα-ρήγνυµι ‘aufreißen’. 583 λαφύσσετον: 3. Dual, hier Impf. (↑).
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verhindern können, daß sich Menelaos zunächst der Waffen des getöteten Euphorbos bemächtigt (dazu EDWARDS z.St.), vgl. außerdem 17.725–729 bei der Rettung von Patroklos’ Leichnam (Hunde [≈ Troer] weichen vor Eber [≈ den beiden Aias] zurück). In anderen Gleichnissen hingegen gelingt es der Kampfgemeinschaft von Hirten und Hunden, wilde Tiere (v.a. Löwen) von der Herde oder dem Viehhof zu vertreiben (10.183–186 mit Lärm, 11.548–555 mit Waffen und Feuer, 17.109–112 mit Lärm und Waffen, 17.657–664 mit Waffen und Feuer; außerdem 12.299– 306): KRAPP 1964, 151f.; RICHTER 1968, 81; BUCHHOLZ u.a. 1973, 109f.; s. auch 579–586n. 585 δακέειν µὲν ἀπετρωπῶντο λεόντων: τρωπάω ist poet. Nebenform zu τρέπω, das Kompos. im Medio-Pass. (+ Gen.) bed. ‘sich abwenden (von)’ (LfgrE); der vorangestellte Inf. δακέειν enthält die inhaltliche Einschränkung ‘was das Beißen betrifft’ (AH, LEAF u. WILLCOCK; ähnlich CHANTR. 2.302), d.h. sie wenden sich zwar nicht ab zum Rückzug (so τρωπᾶσθαι z.B. 11.568, 15.666, 16.95), gehen aber auch nicht mit letzter Konsequenz zum Angriff über (s. 586). 586 ἱστάµενοι δὲ µάλ’ ἐγγύς: Vgl. die VA-Formel στῆ δὲ µάλ’ ἐγγὺς ἰών (6× Il., in Kampfsituationen, jeweils Einleitung eines Angriffs). — ὑλάκτεον: iliad. hapaxP (s. noch ὑλαγµός v.l. 21.575), nachhom. häufiger verwendete Erweiterung zu ὑλάω; beide Verben nebeneinander finden sich im Gleichnis Od. 20.13–16: Odysseus’ Herz ‘bellte’ (ὑλάκτει: 20.13/16), wie eine Hündin bellt (ὑλάει: 20.15), die ihre Jungen verteidigt (SCHW. 1.706; PORZIG 1942, 239; TICHY 1983, 167).
587–589 Darstellung einer Schafweide, die sich in der Beschreibung von den anderen Szenen des Schildes abhebt: sie ist ungewöhnlich kurz, es fehlen Bewegung, Geräusche und die explizite Erwähnung von Menschen (diese sind nur indirekt durch die 589 genannten Unterstände präsent). In den drei Versen wird ein Stimmungsbild entworfen und der Eindruck eines bildlichen Kunstwerks in den Vordergrund gerückt: (1) der Einleitungsvers weicht in der 2. VH von allen bisherigen ab, indem nicht das Dargestellte, sondern der Künstler hervorgehoben ist (BECKER 1995, 142); (2) V. 588 enthält drei visuell beeindruckende Eigenschaften (schön, groß, weißschimmernd) und (3) V. 589 zeigt die sichtbaren Gebäude einer Weide. Diese Beschreibung bietet mit ihrer friedlichen Stimmung einen starken Kontrast zur Dramatik der vorausgehenden Szene, einen Moment der Ruhe zwischen zwei Bildern, in denen Aktionen, Geräusche und Bewegung dominieren (EDWARDS; MARG [1957] 1971, 32; BECKER 1995, 141f.). 587 ≈ 590; 1. VH ≈ 490, 573; 2. VH = 1.607, 18.383, 18.393, 18.462, Od. 8.300, 8.349, 8.357, Hes. Th. 571, 579, ‘Hes.’ fr. 209.3 M.-W. — περικλυτὸς Ἀµφιγυήεις: 383n.
585 ἤτοι … µέν: ‘allerdings … zwar’. — δακέειν: Inf. Aor. (R 16.4). — λεόντων: Pl. statt Dual (R 18.1). 586 ἐκ … ἀλέοντο: ‘wichen aus’; zur sog. Tmesis R 20.2. 587 ἐν: 541n.
Kommentar
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588 1. VH = h.Ap. 280; VE ≈ Il. 6.424, Od. 17.472. — Schafe: Schafe sind eher selten in Kampfgleichnissen der Ilias präsent (LfgrE s.v. ὄϊς 611.47ff.); sie gelten wie Rinder (520–529n., 559n.) als Zeichen für Reichtum (LfgrE a.O. 610.36ff.; vgl. auch 573–589n.); zur Schafhaltung und Nutzung der Schafe (v.a. als Woll- u. Milchlieferanten) s. RICHTER 1968, 53–59. 62–64; DNP s.v. ‘Schaf’. ἐν καλῇ βήσσῃ: Variation der VA-Formel οὔρεος ἐν βήσσῃσ(ιν) (5× Il., 3× Hes., 1× h.Merc.) zur Bez. eines Tales in der Kulturlandschaft, im Gegensatz zur Schlucht in der Wildnis (LfgrE s.v. βῆσσα). — οἰῶν ἀργεννάων: 529n. zu formelhaften Verbindungen für ‘Rinder und Schafe’ s. 573n. 589 σταθµούς … κλισίας … σηκούς: Skizzierung eines Weidebetriebs, bei der nur die letzten beiden Begriffe eindeutig sind: κλισίαι bez. Hütten für die Hirten (vgl. Od. 14.45ff., 194, 404ff., 15.301 u.ö. [Eumaios’ Hütte]; h.Ven. 75, 173), σηκοί Pferche für die Schafe (vgl. Od. 9.219–227, 9.438f. [zur Abtrennung von Lämmern und weibl. Schafen] u. Il. 8.131 σηκασθῆναι): LfgrE s.vv.; KNOX 1971, 30. σταθµός, eine allg. Bez. für einen Tier-Standplatz (‘Unterstand, Stall, Gehöft’), ist hier entweder gleichwertiger Teil einer dreigliedrigen Aufzählung (Ställe, Hirtenhütten und Pferche) und der ganze Vers Apposition zu νοµόν ‘Weide’ (AH; RICHTER 1968, 25; KIRK zu 5.140), oder es ist Oberbegriff für die beiden folgenden Unterkategorien (LEAF; LfgrE s.v. σταθµός: ‘Hirtengehöft’, bestehend aus ‘Hirtenhütten’ und ‘Tierpferchen’; ähnlich FAESI; KNOX 1971, 30 : “A pastoral establishment […] consists of a κλισίη […], a yard or αὐλή adjoining it in which animals are kept loose or in pens, and […] a fenced pasture too. The whole grouping is referred to as σταθµός/-οί”; vgl. auch schol. A, bT). — κατηρεφέας: verbales Rektionskompositum (κατά, ἐρέφω) mit der Bed. ‘überdacht’, hier Epitheton zu κλισίας (vgl. 24.450 von Achills κλισίη: καθύπερθεν ἔρεψαν), als Gegensatz zu den offenen Pferchen (σηκούς), ferner von (Baum-)Höhlen (Od. 9.183, 13.349, Hes. Th. 594, 777): LfgrE s.v. κατηρεφής; CERRI; vgl. auch die Komposita mit ἀµφ- (1.45n.: ‘auf beiden Seiten geschlossen’), ὑψ(19.333n.: ‘mit hohem Dach’) und ἐπ- (‘überdachend’). Diese Komposita mit -ηρεφής stehen häufig an derselben Stelle im Vers wie hier, sonst fast immer mit ‘positionslanger’ letzter Silbe (1.45n.); die vorl. metr. Auffälligkeit (Kürze im longum, ebenso Il. 1.45, h.Merc. 23) ließe sich also durch Formelmodifikation erklären (M 14). Zum Versbau s. auch CHANTR. 1.104 (Kürze im longum “[…] à la césure, ou devant une ponctuation”) und 14.175n. (Sinneinschnitt nach dem longum des 5. Metrums, nach ‘schwerem’ Wort). — ἰδέ: ‘und’, metr. Variante zu ἠδέ (2.511n.).
590–606 Mit dem Motiv ‘Tanz’ schließt sich der Kreis der Bilder im Lebensbereich der Menschen, vgl. auch die Anklänge an das erste Bild der Hochzeitsfeste durch das Tanz-Vokabular orchēstḗres/ōrchéont’ (494/594), edíneon/edíneuon (494/606) und die Nennung der Rezeptionshaltung von Zuschauern (496a/603–604a: 603– 604a n.). Der Chortanz (gr. choréia) ist Teil eines gemeinschaftlichen Festaktes, ein meist mit dem Götterkult verbundenes Ritual, das eine zentrale Rolle im Le588 µέγαν: zu νοµόν. 589 κατηρεφέας: zur Prosodie ↑.
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ben einer Gemeinschaft spielt und die Gelegenheit zur Begegnung und zur Festigung des Gemeinschaftsgefühls bietet (BURKERT [1977] 1985, 102f.; SHAPIRO u.a. 2004, 342; allg. Literatur zum Tanz s. 494n.). Das letzte Bild, das gemäß allg. Ekphrasis-Struktur als Klimax des Schildes angesehen werden kann (KAKRIDIS [1963] 1971, 123; TAPLIN [1980] 2001, 353), der Reigentanz, ist im Vergleich zu den vorausgehenden in mehreren Punkten bemerkenswert: die Beschreibung ist (a) die längste von allen, (b) enthält als einzige myth. Figuren (im Zusammenhang mit dem Modell aus myth. Zeit: 591f.), (c) enthält – analog zu den VergleichenP und GleichnissenP der Ilias mit Szenen aus dem nicht-kriegerischen, friedlichen Alltagsleben – einen Vergleich aus dem Bereich der Kunst, nämlich des Töpferhandwerks (600f.), und (d) zeigt eine auffällig dichte Präsenz von Kunst durch verschiedene Akteure, so daß ein Bezug zwischen dem beschriebenen Kunstwerk des Hephaistos (590) und dem Werk anderer Künstler hergestellt wird: dem Kunsthandwerk des mythischen Künstlers Daidalos (592) und des im Vergleich genannten Töpfers (601); ferner der Tanzkunst durch Reigentänzer ‘mit wohlgeübten Füßen’ (599b) und durch Akrobaten (605b) und damit implizit der Musik (gr. molpḗ 606; zum Sänger 604b–605a n.); dabei legt der Erzähler das Gewicht auf das visuell Wahrnehmbare (595–598 Ausstattung u. 594/599f./606 Aufstellung und Bewegung der Tänzer) und ist sehr zurückhaltend bei der Nennung von Klang (ähnlich wie bei der vorausgehenden Beschreibung der Schafweide: 587–589n.), benennt die Wirkung der Tanz-Darbietung auf die Zuschauer (603f.) und stellt das Ganze als zweckfreies Kunstgenießen dar (gr. terpómenoi 604a): 600–601n., 603–604a n.; EDWARDS; CERRI zu 603; BECKER 1995, 143–147; SIMON 1995, 132f.; AUBRIOT 1999, 39ff.; MOOG 2001, 8f.). – Bei seiner Wahl des Reigentanzes könnte der Erzähler vom Willen beseelt gewesen sein, mit dem von Perfektion und Harmonie geprägten Zusammenspiel aller Beteiligten Ordnung und Schönheit sichtbar werden zu lassen, zusätzlich inspiriert durch zeitgenössische Vasenbilder der geom. Kunst mit Bändern von Reigentänzern (593–602n., 594n.; MOOG 2001, 12–14; s. auch CARRUESCO [im Druck]). 590 ≈ 587. — Die letzten beiden Bilder des menschlichen Lebensbereichs sind dadurch miteinander verbunden, daß sie mit einem beinahe gleich lautenden Vers eingeführt werden (573–589n.). – Das gr. Substantiv chorós bed. sowohl ‘Tanz’ (so 603 als nomen actionis) als auch ‘Tanzplatz’ (Od. 8.260ff.); an der vorl. Stelle legt die Analogie zu den übrigen Einleitungsversen mit Angaben zur Szenerie (außer 573: 478–608n. Abschn. B.1.b.) die Bed. ‘Tanzplatz’ nahe, bes. der Anklang an 587 (gr. nomós ‘Weide’), ebenso die Fortsetzung der Beschreibung 593f. ‘Dort schritten …’ (gr. éntha … | ōrchéont’, vgl. 550f.): schol. A, bT; EDWARDS zu 590–2; CERRI; LfgrE s.v. χορός 1243.14ff.; MARG (1957) 1971, 37 Anm. 50; 590 ἐν: 541n.— ποίκιλλε: zur augmentlosen Form R 16.1.
Kommentar
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ELLIGER 1975, 33 Anm. 8; PRIESS 1977, 137 Anm. 2; BECKER 1995, 143; GRANDOLINI 1996, 65; für Bed. ‘Tanz’ und die sich daraus ergebenden Deutungen (Tanzdarstellung od. Tanzform): SCHADEWALDT (1938) 1965, 484f. Anm. 1; FITTSCHEN 1973, 15f.; SIMON 1995, 131f.; unentschieden FRONTISI-DUCROUX (1975) 2000, 136f. u. 147; MORRIS 1992, 14f. Zieht man die gesamte Schilderung in Betracht (bes. 595–606), weitet sich die Bed. von chorós vom Tanzplatz auf die Akteure und die Aktivität aus (vom Erzähler beabsichtigte Ambiguität: POSTLETHWAITE 1998, 94f.; CAVALLERO 2003, 192–196). ἐν … ποίκιλλε: eine “steigernde” Variante zu metr. gleichwertigem ἐν … ποίησε (490, 573, 587) mit hom. hapaxP (LfgrE s.v. ποικίλλω; zum Impf. vgl. ἐτίθει 541n.). ποικίλλω ist Denominativum zu ποικίλος (‘formenreich’) wie δαιδάλλω (479) zu δαίδαλο-, vgl. Δ∆αίδαλος 592 (TICHY 1983, 302); es verweist auf die Fertigkeit des Künstlers, viell. auch auf die Gestaltung des Reigentanzes in der Art eines dekorativen Bandes (EDWARDS zu 590–2; BECKER 1995, 144), und bietet zusammen mit dem folgenden Hinweis auf Daidalos eine sprachliche Variation zur bisherigen Art der Qualifizierung von Hephaistos’ Arbeiten im 18. Gesang (MORRIS 1992, 13; vgl. 379n. zu δαιδαλ-).
591 2. VH ≈ 6.210, 13.433, 24.774, Od. 11.460, 11.499, 12. 189, 13.256, 13.260. — dem gleichend, … einstmals: Schon antike Kommentatoren bemerkten, daß durch diese Formulierung nicht das Werk des Gottes als mimesis von MenschenWerk charakterisiert werden soll; vielmehr wird damit auf ein mythisches Modell verwiesen (schol. A zu 591–2: parádeigma; zum Begriff NÜNLIST 1998, 262), dessen Erwähnung beim Rezipienten eine bestimmte Vorstellung weckt (BECKER 1995, 144f.). — Knosos: Kreta galt in der Antike als der Ursprungsort des Tanzes, die Kreter selbst als hervorragende Tänzer (16.617n.; LEAF zu 590; CERRI zu 590–606, Abschn. 3); zu Darstellungen von Tänzern in minoischer Kunst s. BURKERT (1977) 1985, 34; LONSDALE 1995, 279ff.; zu einem archäologisch bezeugten Rundplatz im minoischen Knossos und seiner Deutung als Tanzplatz s. WARREN 1984, bes. 318f. u. 323; allg. zu Kreta und der Rolle von Knossos (myk. ko-no-so) s. 2.645–652n. u. 2.646n. Trotz dieser Anspielung auf Knossos und der Verbindung mit Tanz und Springtänzern (605b) findet sich in der folgenden Tanzbeschreibung kein Hinweis auf die minoisch bezeugte Tradition der Stierspringtänzer; als visuelle Vorbilder für den Erzähler bieten sich – abgesehen von realen Reigentänzen seiner Zeit – eher geom. Vasenbilder von Reigentänzern an (605b–606n.; FITTSCHEN 1973, 16f. mit Anm. 79; s. auch 593–602n.). οἷον: betont – anders als die Formulierung mit Rel.-Pron. ὅς (so 24.758) – die Beschaffenheit (τῷ ἴκελον ≈ τοῖον), d.h. ‘von der Art, wie’ (RUIJGH 525f.). — Κνωσῷ: Zur Schreib-
591 τῷ: zur demonstr. Funktion von ὅ, ἥ, τό R 17. — τῷ (ϝ)ίκελον(ν), οἷον: zur Prosodie R 4.4 bzw. M 4.6 (hier zudem an Zäsurstelle). — ἐνί: = ἐν (R 20.1). — Κνωσῷ εὐρείῃ: zum hiatüberbrückenden unsilbischen ι (Knōsṓj euréiē) M 12.2; ebenso 592 καλλιπλοκάµῳ Ἀριάδνῃ (kalliplokámōj Ariádnē). — εὐρείῃ: zum -ῃ nach -ι- R 2.
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weise mit einem -σ- s. WEST 1998, XXXII. — εὐρείῃ: generisches EpithetonP von Landschaften (häufig Kreta od. Lykien: je 7× fgrE), bei Städten (meist Troia: 9× fgrE; Knossos nur hier) wohl mit Bezug auf die umgebende Landschaft; am VE 5× Il., 8× Od. (6.173– 174n.).
592 Daidalos … Ariadne: Vier-Wort-Vers (dazu 1.75n.); enthält die einzige Nennung von mythischen Figuren in der Schildbeschreibung, und zwar als Teil eines außergewöhnlichen Vergleichs, indem hier – anders als sonst in der Ilias – der Blick von der Lebenswelt des Publikums in die heroische Welt gelenkt wird (WIRBELAUER 1996, 153): Die Namen zusammen mit der folgenden Darstellung einer Gruppe von tanzenden jungen Männern und Frauen wecken Assoziationen mit dem Mythos vom Labyrinth; denn die vor dem Minotaurus geretteten jungen Athenerinnen und Athener sollen unter Daidalos’ Anleitung einen speziellen Tanz einstudiert haben, den sog. ‘Kranich-Tanz’, dessen Aufführung in Zusammenhang mit Initiationsriten gestellt wird (schol. D zu 590 u. bT zu 591–2; FRONTISIDUCROUX [1975] 2000, 145–147; CALAME 1977, 108–115. 225–230; 1990, 118– 121; GRANDOLINI 1996, 64–66; POSTLETHWAITE 1998, 99–102; SHAPIRO u.a. 2004, 308–310). Damit wird ein mythischer Bezug für die beschriebene Tanzdarbietung hergestellt; abgesehen davon wird die Tanz-Szene wie alle vorausgehenden Szenen in verallgemeinernder Weise beschrieben: Chortanz mit Rund- und Reihentanz, Springtänzer, Freude der Zuschauer (s. auch CALAME 1990, 118: Details wie Dolche [597f.], zwei Springtänzer [605] passen eigtl. nicht zum ‘Kranich-Tanz’). – Die Geschichte vom Labyrinth ist in den hom. Epen zwar nirgends explizit erwähnt, aber im fgrE finden sich ingesamt relativ viele Hinweise auf den Theseus-Ariadne-Mythos (zum Theseus-Mythos in der Ilias 3.144n.): nach Hes. Th. 947f. ist Ariadne eine Tochter des Minos, des Königs von Kreta, und die Gattin des Dionysos; in Od. 11.321–325 ist ihre Entführung durch Theseus und ihr Tod durch Artemis auf der Insel Dia auf Geheiß des Dionysos erwähnt. Eine ausführlichere Schilderung der von geom. Vasenbildern und dann v.a. aus der nachhom. Literatur bekannten Version, in der Ariadne Theseus bei der Überwindung des Minotaurus hilft, ist für den Historiker Pherekydes (FGrHist 3 F 148 = fr. 148 Fowler) und evtl. die ‘Kyprien’ bezeugt (in einem Exkurs des Nestor, s. Proklos, Chrest. § 4 West; dazu WEST 2013, 98. 110); ob Ariadne mit einer auf Linear BTäfelchen aus Knossos überlieferten ‘Herrin des Labyrinths’ (dazu DMic s.v. poti-ni-ja; BURKERT [1977] 1985, 23 u. 354 Anm. 24) identisch ist, ist äußerst ungewiß; zu den versch. Varianten des Ariadne-Mythos und deren Überlieferung s. LfgrE s.v. Ἀριάδνη; HE, LIMC u. DNP s.v. Ariadne; CALAME 1990, 98–116. – Daidalos, der gemäß nachhom. Literatur aus Athen stammende Erfinder, Architekt, Künstler und Handwerker, der Erbauer des Labyrinths von Knossos, wird im fgrE nur hier erwähnt (zur Diskussion um das auf einem Linear B-Täfelchen aus Knossos überlieferte ‘Daidaleion’ unbekannter Bestimmung s. DMic s.v. da-da-
Kommentar
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re-jo-de); die mit seinem Namen etymologisch verwandten Begriffe der gr. Wortfamilie daidal- sind hingegen mehrfach im Kontext von kunstvoll verzierter Handwerksarbeit verwendet, v.a. derjenigen des Hephaistos, s. bes. vom Schild 479, 483 u. 19.380, vom Helm 612, von den Waffen insgesamt 19.13 u. 19.19 (379n. u. 19.13n. mit Lit.; HE u. DNP s.v. Daidalos). ἤσκησεν: bed. ‘mit Sorgfalt (be)arbeiten’; wird v.a. für fachgerecht und kunstvoll ausgeführte Arbeit von Spezialisten verschiedenen Handwerks verwendet, z.B. 14.179 für Athenes Textilarbeit, 14.240 für Hephaistos’ Metallarbeit, außerdem etwa 4.110, 23.743, Od. 23.198 (14.179n.). — καλλιπλοκάµῳ: 407n. — Ἀριάδνῃ: Die Herleitung des Namens aus ἀρι + ἁδνός (als kret. für ἁγνός gedeutet, also ‘sehr heilig’) ist kaum wahrscheinlich (DELG s.v. ἁδνόν; LfgrE u. BEEKES s.v. Ἀριάδνη); bei Zenodot lautet der Name Ἀριήδῃ (schol. AT; RENGAKOS 1993, 85; WACHTER 2001, 182f. ad CHA 11c).
593–602 Die Tanzgruppe besteht aus Jugendlichen beiderlei Geschlechts (wie 567f.; Männer und Frauen Od. 23.146f.), die im heiratsfähigen Alter sind (593n.; CALAME 1977, 63) – nach antiken Erklärern (schol. bT zu 591–2 u. Eust. 1166.16ff.) ein Hinweis auf die Verbindung mit dem Tanz im Theseus-Mythos (592n.). Die Tatsache einer gemischt-geschlechtlichen Gruppe ist sichtbar gemacht durch die Kleidung und die unterschiedliche Ausstattung, beschrieben in den in der Struktur einander exakt entsprechenden Vv. 595f. und 597f. Die jungen Männer und Frauen halten sich an den Händen (594n.) und formieren sich abwechselnd zum Rund- und zum Reihentanz (600–602: s.dd.; schol. bT zu 602); dabei bleibt aber unklar, ob sie nach Geschlechtern getrennt tanzen (wie auf dem pseudo-hesiodeischen Schild ‘Hes.’ Sc. 280ff., ebenso in zahlreichen weiteren Quellen) oder ob sich die Gruppen vermischen (wie bei Lukian de saltatione 12f.): TÖLLE 1964, 54ff.; CALAME 1977, 62–64 (mit Anm. 29). 86; GRANDOLINI 1996, 64–66; HENRICHS 1996, 19–21; SHAPIRO u.a. 2004, 302; zu Vasenbildern von Tanzgruppen beiderlei Geschlechts s. auch WEGNER 1968, 60ff.; FITTSCHEN 1973, 15f. mit Abb. 6 u. Taf. X; WICKERT-MICKNAT 1982, 24–29; D’ACUNTO 2010, 181–188; weitere Lit. zum Tanz s. 494n., 594n. 593 2. VH = h.Ven. 119 (Tanz junger Frauen). — Die Tanzgruppe besteht aus jungen Leuten im heiratsfähigen Alter, worauf v.a. das gr. Adj. alphesíboiai hinweist: es bed. eigtl. ‘Rinder einbringend’ (s.u.; vgl. den Frauennamen Peri-boia), auf die Brautgabe des ausgewählten Freiers bezogen (impliziert das Motiv der Hochzeit): FAULKNER zu h.Ven. 119; zum Austausch von Geschenken bei der Verheiratung junger Frauen (Brautgabe und Mitgift) in der hom. Gesellschaft s. 16.177–178n.; RICHARDSON zu Il. 22.49–51; vgl. auch 6.394n. (s.v. πολύδωρος); zu Rindern als wertvollem Besitz s. 520–529n., 559n.
593 ἔνθα: ‘da’, d.h. auf dem dargestellten Tanzplatz. — παρθένοι ἀλφεσίβοιαι: zur Hiatkürzung R 5.5.
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ἠΐθεοι καὶ παρθενικαί: 567n. — ἀλφεσίβοιαι: Kompositum mit Vorderglied zu ἀλφεῖν (‘einbringen’), das Hinterglied -βοια zu βοῦς gehörig (zur Bildungsweise RISCH 192; BEEKES s.v.; TRONCI 2000, 287ff., bes. 294f.).
594 ≈ h.Ap. 196 (Tanz von Göttinnen); 2. VH ≈ Il. 21.489, 24.671. — haltend: Tänzer und v.a. Tänzerinnen, die sich an den Händen halten, finden sich auch auf bildlichen Darstellungen (WEGNER 1968, 49ff. u. Taf. Ib, IIIb, VId; D’ACUNTO 2010, 181–188, bes. 182 u. 188). Da die Geste auch im Zusammenhang mit der Kontrollausübung des Mannes über die Frau erscheint (Lit. s. 33n.), wird der Tanz der offenbar heiratsfähigen jungen Leute (593n.) von einigen Interpreten mit Werbung und Eheschließung in Verbindung gebracht (LONSDALE 1995, 276f.; D’ACUNTO 2010, 182f.); zur sonstigen Verwendung der Geste s. 24.361n. (mit Lit.). ὠρχέ͜οντ(ο): allgemeine Bez. für Tanzen (noch Od. 8.371, 8.378, 14.465, Hes. Th. 4), vgl. auch das nomen agentis ὀρχηστήρ 494; spezifischer sind ἐδίνευον (606) für Herumdrehen (494n.), θρέξασκον für Laufen (in versch. Formationen: 599/602), ῥήσσοντες … σκαίροντες (571f.) für Stampfen bzw. Hüpfen: LfgrE s.v. ὀρχέοµαι; KURZ 1966, 137–139; WEGNER 1968, 40–44; Zusammenstellung des gr. Vokabulars zum Tanz s. NAEREBOUT 1997, 274–289 (bes. 279ff. zu Tanzschritten); zu den Bewegungen im Reigentanz TÖLLE 1964, 61f. — ἐπὶ καρπῷ χεῖρας: formelhafte Verbindung (s. Iterata, außerdem VE-Formel χεῖρ’ ἐπὶ καρπῷ 4× Il., 2× Od.), wodurch der mit χείρ bezeichnete Körperteil (‘Arm’ od. ‘Hand’) präzisiert wird (LfgrE s.v. χείρ 1161.63ff.).
595 λεπτάς: ‘dünn, fein’, bez. im fgrE oft die bes. Qualität von Textilien (LfgrE); es ist in dieser Verwendungsweise bereits myk. bezeugt (DMic s.v. re-po-to). — ὀθόνας … χιτῶνας: ὀθόναι, ein plurale tantum, ist viell. Lehnwort ägypt. Ursprungs; es bed. ‘Tuch’ und ist hier Bez. für die Frauenkleidung, analog zum χιτών der jungen Männer (LfgrE s.v. ὀθόναι; BEEKES s.v. ὀθόνη; LORIMER 1950, 390 mit Anm. 3; vgl. 3.141n.; zu χιτῶνας s. 25n.).
596 Öl: Die Praxis, Woll- oder Leinenstoffe durch Behandlung mit Öl zum Glänzen zu bringen (s. Od. 7.105–107), ist bereits myk. belegt (6.295n.; SHELMERDINE 1995, 101f. u. 105 Anm. 4). Zum hohen Wert von schönen Textilien in der hom. Gesellschaft s. 6.90–91n.; TAPLIN (1980) 2001, 353–356 (bes. zur Ilias). εἵατ(ο): Analogie-Bildung zu εἷµαι (Od. 19.72, 23.115) als Perf.-Stamm εἱ- zu ἕννυµαι (vgl. auch ἕσθην 517 [s.d.]; dieselbe Form zu ἧµαι s. 523): SCHW. 1.767 Anm. 4; CHANTR. 1.297. — ἐϋννήτους: Epitheton von Textilien (‘gut gesponnen’, vom Garn auf die daraus hergestellten Gewänder übertragen: 24.580n.). — ἦκα: ‘ein wenig, sanft’, Positiv zu ἥκιστα, mit Psilose (3.155n.).
594 ὠρχέ͜οντ(ο): zur Synizese R 7. 595 ἔχον: zur augmentlosen Form R 16.1. 596 εἵατ(ο): 3. Pl. Plpf. (≈ Impf.) zu ἕννυµαι, ‘waren gekleidet in, hatten an’ (zur Endung R 16.2).
Kommentar
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597–598 2. VH von 598 ≈ 480. — Dolche: Die Dolche der Jünglinge sind wohl nicht Hinweis auf einen Waffentanz, sondern sind in erster Linie das optische Pendant zu den Kränzen der Frauen (s. auch SHAPIRO u.a. 2004, 314f.: “Waffen dienen zur Hervorhebung der sozialen Stellung des Tänzers”); ihre Erwähnung bietet die Möglichkeit, auf die Schmiede-Materialien Gold und Silber hinzuweisen (EDWARDS; TÖLLE 1964, 77; BECKER 1995, 154; Abbildungen von Tänzern in Waffen auf geom. Darstellungen bei WEGNER 1968, 64f. u. Taf. Va; FITTSCHEN 1973, 16 Anm. 77 u. Taf. Xb). — Tragbändern: vgl. 479b–480n. µαχαίρας: ‘Messer, Dolch’; wird im fgrE nicht als Kampfwaffe verwendet, sondern außer hier noch im Kult (von Agamemnon 3.271 u. 19.252, von Kretern h.Ap. 535) und als chirurgisches Instrument (3.271n.; MARTIN 1983, 89f.). Antiken Erklärern galten die Vv. 597f. als verdächtig, da bei Waffentänzen Schwerter getragen würden (dazu s.o.), die Homer nie als µάχαιρα bezeichne, und zudem die Vv. im Text des Aristophanes (GT 11) fehlten (schol. A); letzteres läßt sich jedoch als Abschreibefehler erklären (aufgrund von Ähnlichkeiten in der 1. VH 595/597 und am VA 596/598): EDWARDS, nach APTHORP 1980, 80. 118 Anm. 139; anders CERRI (möglicherweise Rhapsoden-Interpolation). — χρυσείας: 418n. 599 ὁτὲ µὲν θρέξασκον: ist fortgesetzt in V. 602 mit ἄλλοτε δ’αὖ θρέξασκον (‘bald …, bald …’), wie 11.64f. (ebenfalls Iterativ) und 20.49f., umgekehrt ἄλλοτε µὲν … ὁτὲ δέ 11.566/568; betont zusammen mit dem wiederholten Iterativ die mehrfachen Wechsel der beiden Formationen im Verlauf des Tanzes (zum Iterativ Aor. vgl. 544–546n.; zu adverbiellem ὁτέ SCHW. 2.649 Anm. 2; CHANTR. 2.360f.). Der sigmatische Aor.-Stamm θρεξαfindet sich im fgrE nur hier und 13.409 (ἐπιθρέξαντος), sonst ist für den Aor. die auch im Att. übliche Wz. δραµ- verwendet (CHANTR. 1.324, 415; KÖLLIGAN 2007, 188f.) — ἐπισταµένοισι: ‘kunstfertig, virtuos’, sonst von Personen (‘versiert’), hier in einer Enallagé (LfgrE).
600–601 1. VH von 600 = 15.362; ≈ 3.381, 20.444; 2. VH von 600 ≈ Od. 5.234. — Der VergleichP mit dem Lauf der Drehscheibe, der vom Töpfer überprüft wird, veranschaulicht den kreisrunden, leichtfüßigen und gleichmäßigen Lauf der Tänzer als eine kontrollierte Bewegung im Rundtanz (BECKER 1995, 146); der Akzent liegt auf der Bewegung der Tänzer (s. 2. VH 601: ‘ob sie laufe’ [gr. théēsin]), sprachlich unterstrichen durch die Wiederaufnahme des gr. Verbums thréxaskon 597 ῥ(α): zur Hiatvermeidung (R 24.1, vgl. R 5.1). 598 ἐξ … τελαµώνων: ‘ausgehend von … Tragbändern’, d.h. ‘an … Tragbändern’. 599 οἵ: demonstr.-anaphorisch (R 17), auf ἠΐθεοι und παρθένοι bezogen. — θρέξασκον: Iterativ-Form (-σκ-: R 16.5) des sigmatischen Aor. von τρέχω. — ἐπισταµένοισι: zur Flexion R 11.2. — πόδεσσιν: zur Flexion R 11.3. 600 ῥεῖα: Adv., ‘leicht’. — παλάµῃσιν: zur Flexion R 11.1. 601 πειρήσεται: kurzvokalischer Konj. des medialen Aor. (att. deponens pass.), zur Form R 16.3; zum Konj. im Vergleichssatz 207–209n. — αἰ: = εἰ (R 22.1). — κε: = ἄν (R 24.5). — θέησιν: 3. Sg. Konj. (R 16.3).
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aus V. 599 (‘sie liefen’) durch etymologisch verwandtes gr. trochón V. 600 (‘Scheibe’): vgl. WortspielP; zur Wortwiederholung in Gleichnis und Erzählung EDWARDS Introd. 27f. u. 31. Der Vergleich mit der Töpferscheibe paßt zur Illustration von schnellen, kontrollierten und reibungslos ablaufenden Kreisbewegungen im Tanz, aber auch zur gesamten Schildschaffungsszene im Hinblick auf die Fertigung eines Kunstwerks durch den Künstler (Töpfer/Hephaistos; s. auch zur Ekphrasis 478–608n. Abschn. B.4.); zu weiteren Vergleichen aus der handwerklichen Sphäre s. MOULTON 1977, 91 Anm. 8; vgl. auch 16.211–217n.; zu antiken Töpferscheiben s. MÜLLER 1974, 99–105; DNP s.v. Keramikherstellung. ὡς ὅτε τις: formelhafte Junktur vor der Zäsur B 1 (6× Il., 2× Od., 1× ‘Hes.’; vgl. auch die VA-Formel ὡς δ’ ὅτε τις: 7× Il., 3× Od.), an der vorl. Stelle mit weiter Sperrung von τις … | … κεραµεύς; zu ὡς ὅτε 207n. — τροχὸν … | … πειρήσεται, αἴ κε θέησιν: πειράω/-οµαι nur hier mit Akk.-Obj. (sonst Gen.: LEAF; SCHW. 2.105), dazu αἴ κε (+ Konj.) als indir. Frage: ‘die Scheibe ausprobiert, ob sie läuft’ (MONRO [1882] 1891, 267; vgl. WAKKER 1994, 370f.; zur Konj.-Endung -ησιν [ohne ι subscr.]; WEST 1998, XXXI). – τροχός, hier Bez. für die Drehscheibe des Töpfers, gehört zur Wz. von τρέχω (s. das WortspielP mit θρέξασκον 599 u. 23.517/520) und ist in der Ilias sonst Bez. für das Wagenrad (6.42, 23.394, 23.517), in der Odyssee für Scheiben aus Wachs bzw. Talg (LfgrE s.v. τροχός; zu den Verben τρέχω u. θέω LÉTOUBLON 1985, 194–199; KÖLLIGAN 2007, 186–190. 195f.). — ἄρµενον: Ptz. Aor. zur Wz. von ἀραρίσκω (‘passend’ < *‘angefügt’: LIV 269f. mit Anm. 4); ist wohl wie Od. 5.234 u. h.Merc. 110 mit ἐν παλάµῃσιν zu verbinden: ‘passend in den Händen’, d.h. die gut in den Händen liegende Scheibe, die der Töpfer erprobt, indem er sie durch die Hände laufen läßt, um ihren Lauf zu fühlen (LEAF; LfgrE s.vv. ἀραρίσκω 1180.48ff. u. παλάµη [“using tools … , that ‘fit the hand’”; MÜLLER 1974, 101; andere Deutung ECKSTEIN 1974, 27: τροχὸς ἄρµενος von der Drehscheibe, die entweder gut ‘gefügt’, d.h. zusammengesetzt ist [so CERRI nach schol. A zu 600–1 u. D zu 600: ‘gut zusammengefügt’, d.h. auf allen Seiten gleichmäßig, so daß sie gut rotiert], od. die gut ‘eingepaßt’ ist auf der Unterlage [d.h. gut auf dem Zapfen sitzt, so daß sie leicht und schnell rotiert]; dann müsste ἐν παλάµῃσιν als adverbiale Ergänzung auf πειρήσεται 601 bezogen werden). — κεραµεύς: hom. hapaxP (s. noch 9.469 ἐκ κεράµων von Trinkgefäßen), im fgrE noch Hes. Op. 25 (κεραµεὺς κεραµεῖ), bereits myk. bezeugte Berufsbezeichnung des Töpfers (MYK; DMic s.v. ke-ra-me-u; ECKSTEIN 1974, 26f. Anm. 163). 602 αὖ: markiert Rückkehr zu 599; zur Visualisierung mittels αὖ(τε) s. BONIFAZI 2012, 218– 229. — ἐπὶ στίχας: ‘in Reihen’ (vgl. 2.687 [s.d.], 3.113); στίχες bez. meist einander gegenüberstehende Reihen, im hom. Epos außer hier v.a. von Kampfformationen (LfgrE s.v. στιχός; vgl. 16.173n.). — ἀλλήλοισιν: ‘einander entgegen, aufeinander zu’, Dat. des Ziels (vgl. SCHW. 2.139; CHANTR. 2.68).
603–604a Mit dem Ausdruck himeróenta chorón (‘den reizenden Tanz’) und dem gr. Partizip terpómenoi (‘genießend’) sind die Emotionen genannt, die das Betrachten einer Tanz-Darbietung auslöst, Faszination (gr. hímeros) und freudiger Genuß (gr. térpsis) über das ästhetische Zusammenspiel von Musik und Bewegung (s. auch Od. 1.421f. = 18.304f.); zur faszinierenden Wirkung von Musik, Ge-
Kommentar
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sang u./od. Tanz s. bes. 17.518–520, außerdem Il. 18.570 (Linos-Lied), Od. 18.194, 18.403, 23.144f., Hes. Th. 7f., 104, ‘Hes.’ Sc. 201–203, 280, h.Merc. 451f., 481, h.Ven. 13. Das gr. Verb térpomai dient u.a. als Bez. für einen ästhetischen Genuß und wird öfters im Zusammenhang mit dem Rezipieren eines Sänger-Vortrags verwendet (z.B. Il. 1.473f., Od. 8.44f., 91, 367f., 429, 17.605f., u.ö., h.Ap. 149f., 169f.): LfgrE s.v. τέρπω; LATACZ 1966, 204f. u. 208ff.; KLOSS 1994, 57f.; vgl. auch PEPONI 2012, 98–107 (zur Wirkung von Hermes’ Musikspiel h.Merc. 420ff.). Dieser Hinweis auf die Rezeptionshaltung von Zuschauern bildet mit 496 eine Klammer um die irdischen Szenen des Schildes: hier das Genießen, in der ersten Szene das Staunen (gr. tháumazon) angesichts der von Tanz begleiteten Hochzeitszüge (495b–496n.; CAVALLERO 2003, 192). 603 VE ≈ 24.712, ‘Hes.’ fr. 75.7 M.-W. — Die chiastische Anordnung der Satzglieder spiegelt viell. die beschriebene Anordnung der Zuschauer: das Subj. πολλὸς ὅµιλος, verteilt auf VA u. VE, umrahmt das Obj. ἱµερόεντα χορόν in der Versmitte. — ἱµερόεντα: 570n.
604–606 = Od. 4.17–19 (Hochzeit im Haus des Menelaos); 604 = Od. 13.27 (Demodokos). 604b–605a Ob der in einigen modernen Ausgaben und Übersetzungen enthaltene Satz ‘und in ihrer Mitte sang der göttliche Sänger | zur Leier’ (so SCHADEWALDT; gr. metá de sphin emélpeto théios aoidós | phormízōn) in die Ilias gehört, ist umstritten; denn er hat eine problematische Überlieferungsgeschichte: Er fehlt in sämtlichen Hss. und Papyri der Ilias sowie in den antiken Kommentaren dazu; überliefert ist er an der Iteratstelle in der Odyssee (4.17b–18a) und in Ausführungen des Athenaios darüber, daß Od. 4.17–19 eine Interpolation aus der vorl. Passage der ‘Hoplopoiie’ sei (Deipnosophistae 180a–181d); demnach hätte Aristarch die Vv. aus der Ilias in die Odyssee-Stelle eingefügt und zugleich ‘den Sänger aus dem kretischen Tanz herausgenommen’ (181c–d; vgl. schol. MbT zu Od. 4.17 PONTANI: die drei Vv. [sc. 4.17–19] seien von Aristarch interpoliert). Der Satz wird von einigen Herausgebern (u.a. LEAF, VAN LEEUWEN, ALLEN, MAZON, WEST) und Interpreten an der vorl. Stelle für unhomerisch gehalten: er sei – ebenso wie der nur in einem Papyrus überlieferte Zusatzvers 606a – interpoliert worden, weil man in der Tanzszene die Erwähnung von Begleitmusik vermißt habe (app. crit.; LEAF; CERRI; JANKO Introd. 28; LUDWICH 1884, 439–441. 536f. u. 1885, 479f.; WEST 1967, 132–135; APTHORP 1980, 160–165; ALDEN 2000, 54 Anm. 20; WEST 2001, 250–252; vorsichtig EDWARDS zu 604–6; SBARDELLA 2010, 65–71; weitere Lit. zur Diskussion bei ERBSE zu 604–6; PONTANI zu Od. 4.17; POSTLETHWAITE 1998, 93–97; zur Textkritik s. auch REVERMANN 1998, 32– 37). Der Satz wurde jedoch von WOLF ([1795] 1985, 208f. mit Anm. 49) und vie603 πολλός: = πολύς (R 12.2). — περιΐσταθ’: = περιΐστατο. 604a τερπόµενοι: constructio ad sensum, auf πολλὸς … ὅµιλος bezogen.
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len, die ihm folgten, aufgrund der Athenaios-Passage in den Ilias-Text aufgenommen bzw. aus inhaltlichen Gründen als echt verteidigt: (a) Fehlen von Musikbegleitung zum Tanz sei merkwürdig angesichts der Parallelen 494f. u. 569f. sowie weiterer Tanz-Szenen in der Odyssee (bes. 8.251–265), den hom. Hymnen (h.Ap. 189–203) und dem pseudo-hesiodeischen Scutum (201–206); dazu EDWARDS: Möglicherweise stellen Il. 18.604f. und Od. 4.17–19 eine kürzere und eine längere Version derselben standardisierten Tanz-Beschreibung dar; etwas anders REVERMANN 1998: Annahme einer nicht rekonstruierbaren lacuna, in der Musikbegleitung erwähnt war; (b) die Verewigung des Sängers auf dem Schild und damit des Dichters selbst in der Ilias, ähnlich wie in der Odyssee durch die FigurenP von Phemios und Demodokos, sei an dieser Stelle besonders passend (SCHADEWALDT [1938] 1965, 367; [1938] 1966, 163f. Anm. 3; MARG [1957] 1971, 17. 36f.; VAN DER VALK 1964, 527–530; FORDERER 1965, bes. 24. 26f.; RITOÓK 1971, 201–207; USENER 1990, 125–127; WIRBELAUER 1996, 153f.; DALBY 1998, 210f. Anm. 41; MOOG 2001, 10. 14f.; FRONTISI-DUCROUX 2002, 483; CAVALLERO 2003, 197– 201; vorsichtig TAPLIN [1980] 2001, 354; POSTLETHWAITE 1998, 97ff.). Inwiefern sich aus den Darstellungen von Sängern in der Odyssee konkrete Rückschlüsse auf den Berufsstand des Erzählers selbst ziehen lassen, ist Thema einer kontroversen Diskussion; s. dazu DE JONG zu Od. S. 191f. (Lit. Anm. 2); BIERL 2012a, 118f. (Lit. Anm. 30); außerdem SCHUOL 2006 (bes. 141); KRUMMEN 2008 (bes. 33f.). Fraglich bleibt, ob in dieser Szenenbeschreibung, bei der die ganze Aufmerksamkeit auf das Auftreten und die Bewegung der Tänzer gerichtet ist, die selbstreferenzielle Erwähnung des Sängers passend ist. — Leier: 495a n., 569n. ἐµέλπετο: Vgl. 571–572n. — θεῖος ἀοιδός: flektierbare VE-Formel (Nom., Akk.: 11× Od.), ἀοιδός in der Il. nur 24.720 (Klagesänger, s.d.). — φορµίζων: noch Od. 1.155, 4.18, 8.266, h.Ap. 182 (immer Ptz. Präs. Nom. Sg.), häufiger ist κιθαρίζω (570n.).
605b–606 Springtänzer … | … begannen: Der gr. Begriff kybistētḗres bez. SoloTänzer, die akrobatische Einlagen vorführen, viell. Sprünge (wie auf geometrischen Vasenbildern mit Springtänzern) od. Purzelbäume, Überschläge und andere Dreh-Figuren (606; vgl. auch die akrobatischen Darbietungen mit Ball Od. 8.372– 379). In der Ilias verwendet Patroklos in einer sarkastischen Rede Begriffe der Wortfamilie kybist-, wenn er den Sturz des kopfüber aus dem Wagen fallenden Kebriones mit dem Kopfsprung eines Tauchers vergleicht (16.745–750; s. außerdem 21.353–355 die aus dem brennenden Fluß springenden Fische): CERRI; TÖLLE 1964, 63f.; KURZ 1966, 22; WEGNER 1968, 43. 65–68 mit Taf. III b) u. VI d); FITTSCHEN 1973, 17. Die Funktion der beiden akrobatischen Tänzer der vorl. Szene wird mit dem gr. Partizip exárchontes umschrieben: sie sind es, die dieses
605b–606 δοιὼ … κυβιστητῆρε … | … ἐξάρχοντες ἐδίνευον: zwei Duale in Kombination mit Pluralformen (R 18.1). — µέσσους: zum -σσ- R 9.1.
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Tanzlied (gr. molpḗ: 571–572n.) ‘anführen’, d.h. als ‘Vortänzer’ der Gruppe auftreten, vergleichbar mit den beiden herausragenden Tänzern am Hof des Alkinoos Od. 8.370–380 (dazu BIERL 2012, 128f.; zur bildlichen Darstellung eines ‘Vortänzers’ HENRICHS 1996, 38–40; WACHTER 2001, 45f. ad COR 17b). Mit der gr. Wortfamilie (ex-)arch- wird u.a. auch das Agieren derjenigen Personen umschrieben, die bestimmte Liedformen anstimmen oder anführen (vgl. auch den Begriff des chorēgós z.B. in der Chorlyrik Alkmans): die Totenklage und Klagelieder (gr. góoi u. thrḗnoi: 51 [mit n.], 316n. [mit n.], 22.430, 23.17, 24.721, 747, 761), Tanzund andere Lieder (gr. molpḗ, aoidḗ, chorós: Od. 4.19, ‘Hes.’ Sc. 205, hom.h. 27.18), nachhom. auch Dithyrambos und Paian (Archilochos fr. 120f. West): CALAME 1977, 92ff.; ZIMMERMANN 1992, 20; HENRICHS a.O. 40–44; BIERL 2001, 344 Anm. 110. κατ’ αὐτούς | … κατὰ µέσσους: ‘unter ihnen’, wird weiter ausgeführt durch κατὰ µέσσους ‘in ihrer Mitte’ (AH; EDWARDS; CHANTR. 2.114; zu κατὰ µέσσους vgl. 507n.; zur Anapher vgl. FEHLING 1969, 197). Die räumliche Anordnung der Tänzer bleibt aber eher unbestimmt (ELLIGER 1975, 35; CALAME 1977, 80: äußerer Kreis Zuschauer, innerer Kreis Chortänzer, im Zentrum Springtänzer). — ἐδίνευον: Vgl. 494n.
607–608 2. VH von 607 = 21.195; ≈ 23.827, ‘Hes.’ fr. 204.56 M.-W.; 1. VH von 608 ≈ 6.118 (s.d.), 20.275; 2. VH von 608 ≈ 6× Od., 1× h.Cer. — Der Okeanos gilt einerseits als Ursprung von allem (14.246 mit n.), andrerseits als Ringstrom am äußersten Rand der Erde (399n., 402n.). Analog dazu umrahmt er auf dem Schild als Fluß (gr. potamós; vgl. ‘Hes.’ Sc. 314–317) die Bilder der irdischen Szenen und führt als Schmuck des äußersten Schildrandes zurück zum konkreten Schild und damit zu den restlichen Waffen (zum Schildrand 479b–480n.; zu bildlichen Darstellungen des Okeanos und idg. Vorstellungen als Schlange s. LfgrE s.v. Ὠκεανός). Mit sprachlichen Anklängen an das erste Bild des Schildes (2. VH 607: 486/489) schließt sich der Kreis dieser Ekphrasis (s. auch 2. VH 608/609: 478): Zusammen mit den kosmischen Phänomenen Erde, Himmel, Meer und Gestirnen, die zu Beginn des Schaffungsprozesses genannt wurden (483ff.), ist damit ikonographisch ein Gesamtbild der Welt gegeben (BECKER 1995, 147f.; PURVES 2010, 48–53). ἐν δ’ ἐτίθει: 541n. — µέγα σθένος Ὠκεανοῖο: Zur formelhaften Verbindung µέγα σθένος + Genetiv eines Eigennamens s. 486n. — ἄντυγα: 479b–480n. — σάκεος: 458n. — πύκα ποιητοῖο: VE-Formel (noch 6× Od., 1× h.Cer., davon 6× zu τέγεος), Steigerung von εὐποίητος (von Rüstungsteilen 16.106, 16.636); hebt mit Alliteration (π-) und Klangwiederholung (πυµα-/πυκα-) den Abschluß der Schild-Fertigung hervor und weist auf deren Einleitung mit ποίει zurück (478/482: 478n.). Das Verbaladj. (εὐ-)ποιητός ist Epitheton von Gebäudeteilen, Rüstungsteilen u. Artefakten (LfgrE s.v.; vgl. die Künstler607 ἐν: adverbiell, ‘darauf’. — ποταµοῖο … Ὠκεανοῖο: zur Flexion R 11.2. 608 ἄντυγα πάρ: παρ’ ἄντυγα (R 20.1–2).
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signaturen ἐποίει/ἐποίησε); πύκα ist Adv. zu πυκ(ι)νός (‘dicht, kompakt, solid’; auch metaphorisch von mentalen Vorgängen): 14.216–217n. 608a–d Der Hafen und die Fische, die in den in einem Papyrus überlieferten vier Zusatzversen erwähnt sind, – offenkundig eine Interpolation in Anlehnung an ‘Hes.’ Sc. 207– 209a/211b–213 – stören den ringkompositiorischen Abschluß der Schildkomposition (s.o.) und den Anschluß 608/609 (WEST 1967, 135f.; APTHORP 1980, 161).
609–617 Hephaistos schmiedet die restlichen Defensivwaffen: Brustpanzer, Helm und Beinschienen. Nach der Waffenherstellung verläßt Thetis mit ihnen sogleich den Olymp. Wechsel in der Geschwindigkeit der ErzählungP: Im Gegensatz zur Herstellung des Schildes (130 Vv.) werden die Herstellung der übrigen Rüstungsteile, ihre Übergabe und Thetis’ Aufbruch nur kurz erwähnt (5/2/2 Vv.; vgl. dagegen ihre Ankunft 369–423). Dies zeigt die Eile, mit der die Handlung nun vorangetrieben wird, unterstützt durch die katalogartige Aufzählung mittels des gr. Verbums téuxe (609 und dreifache Anapher von téuxe … hoi [‘er schuf ihm’] am VA von 610/611/613; zu Anaphern des Prädikats FEHLING 1969, 193f. 212); zudem läßt das Fehlen weiterer Detailschilderungen der Schmiede-Arbeit die Bilder auf dem Schild intensiver (nach)wirken (EDWARDS). Als Merkmale dieser Spezialanfertigungen für Achilleus werden die allg. kunstvolle Arbeit (612a) und v.a. der besondere Glanz der verwendeten Metalle erwähnt (610, 613, 617: 610n., 611–612n., 613n.); und so wird Achilleus in seiner Rüstung in überwältigender Weise unter den übrigen Griechen erstrahlen (19.397f. [s.d.]: Vergleich mit Sonnengott); zu Funktion und Wirkung von Waffenglanz (Helden-Attribut, Einschüchtern des Gegners) s. 19.16b–17n., 19.374–383n., 16.70b–72a n. 609 1. VH = Od. 8.276, Hes. Th. 585, h.Merc. 52; ≈ 349 (s.d.); 2. VH = 478 (s.d.). 610 2. VH = h.Ven. 86. — Panzer: Zur Beschaffenheit von Brustpanzern aus Metall (Glockenpanzer aus zwei gegossenen Schalen od. Schuppenpanzer) nach den archäol. Zeugnissen s. 3.332n.; SHEAR 2000, 46–48; BUCHHOLZ 2010, 214–226 (bes. 226). — leuchtender: Auch in der Rüstungsszene und der Aristie des Achilleus wird der Glanz hervorgehoben, der von seiner Erscheinung (bes. 19.397f.) und insbesondere von seinem Bronze-Panzer ausgeht (vgl. 22.134f. mit DE JONG z.St.; 609–617n.). φαεινότερον πυρὸς αὐγῆς: expressiv-steigernder, hyperbolischer Vergleich, bei dem die Eigenschaft ‘leuchtend’ gegenüber dem als Maßstab geltenden Vergleichsobjekt in höchster Vollendung dargestellt ist (zum Stilmittel und zum gr. Komparativ s. MEID 1967, 239–242; TZAMALI 1996, 186f. 365f.; Stellensammlung der häufigeren Vergleiche ‘wie Feuer’ LfgrE s.v. πῦρ 1655.43ff. u. 1657.20ff.; Liste der Epitheta von θώρηξ bei TRÜMPY 609 αὐτάρ: ‘aber’ (R 24.2). 610 ἄρα (ϝ)οι: zur Prosodie R 4.3. — οἱ: = αὐτῷ (R 14.1), d.h. für Achill; ebenso 611, 613.
Kommentar
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1950, 10). – πυρὸς αὐγῆς ist flektierbare VE-Formel (2× Gen., 3× Dat.: 9.206, Od. 6.305, 23.89, h.Ven. 86); zu αὐγή (hauptsächlich Glanz des Feuers od. der Sonne) s. GRAZ 1965, 308–315; HANDSCHUR 1970, 63–66; CIANI 1974, 11–14.
611–612 2. VH von 611 (ab Zäsur C 1) = 13.188, Od. 22.102, ‘Hes.’ Sc. 137; ≈ Od. 18.378; 612 ≈ Il. 9.187. — Zu archäol. Zeugnissen verschiedener Helmtypen (aus Bronze), zur Beschaffenheit des Helmbuschs (aus Roßhaar) und zu seiner imponierenden Wirkung und Schutzfunktion s. 3.337n., 6.469n.; SHEAR 2000, 57–59; BUCHHOLZ/MATTHÄUS/WIENER 2010. — schön: 491a n. — goldnen: Diese besondere Ausstattung des Helmbuschs läßt den Träger aus der Masse herausstechen (BUCHHOLZ 2012, 196f.); zum Attribut ‘golden’ und zur Verzierung von Achills Helmbusch mit Goldhaar od. Goldfäden s. 19.383n.; HANDSCHUR 1970, 142f. κόρυθα βριαρήν: flektierbare Nomen-Epitheton-Formel an versch. Versstellen (6× Il.); βριαρή ist Epitheton bei verschiedenen Begriffen für ‘Helm’ und läßt von seiner Bed. her (‘schwer, wuchtig’) wohl auf einen Helm aus Metall (Bronze) od. Metallteilen schließen (19.380b–381a n., 16.413n.); zu den verschiedenen Bezeichnungen für ‘Helm’ (κόρυς, τρυφάλεια [458n.], πήληξ, κυνέη [eigtl. ‘Hundefell’]) s. 3.316n., 16.70b–72a n. — καλήν, δαιδαλέην: 379n., 390n. — ἐπὶ … ἧκεν: ‘er setzte oben drauf’ (LfgrE s.v. ἵηµι 1154.63f.; FRITZ 2005, 171); vgl. zum Helmbusch 19.383 (Ἥφαιστος ἵει …). χρύσ ε͜ο ν: Zu den metr.-prosod. Varianten bei Stoffadjektiven auf -ε(ι)ος s. 24.21n.
613 Beinschienen: Beinschienen (aus Leder od. zusätzlich mit Bronze verstärkt) scheinen seit myk. Zeit zur Grundausstattung eines Kriegers gehört zu haben (1.17n.; zu archäol. Zeugnissen CATLING 1977; BUCHHOLZ 2010, 213f.). Im hom. Epos finden sich keine klaren Hinweise zu deren Beschaffenheit und Aussehen: als Metall werden Silber (3.331n.: Knöchelschützer?, Knöpfe?) und Bronze (7.41) genannt. Beinschienen aus Zinn sind nirgends belegt und tragen somit zur Exklusivität von Achills neuer Ausrüstung bei (noch 21.592 erwähnt). Da das weiche Metall als Material für Schutzwaffen sich sachlich nicht so einfach begründen läßt (für Beinschienen leicht formbar und gut anpaßbar? in Form einer Beschichtung od. von Verzierungen verwendet?), ist viell. auch an eine poetische Verwendung zu denken: Nach dem überwältigend beeindruckenden Schild, dem in bes. Maße leuchtenden Brustpanzer (610) und dem Helmbusch mit Goldhaar (612) müssen auch Achills Beinschienen von außergewöhnlichem Aussehen sein; die Verwendung von Zinn, das sonst neben anderen Metallen auch für Farbeffekte eingesetzt wurde (vgl. 565n.), soll einen – im Gegensatz zu Silber besonders dauerhaften – hellen Glanz evozieren (609–617n.; EDWARDS; FORBES 1967, 28; CATLING a.O. 144; SHEAR 2000, 188 Anm. 322; FRANZ 2002, 62f. mit Anm. 278; allg. zur Verarbeitung von Zinn in der Antike DNP s.v. Zinn).
611 βριαρήν: zum -η- nach -ρ- R 2. 612 ἐπὶ … ἧκεν: zur sog. Tmesis R 20.2. — χρύσε͜ον: zur Synizese R 7.
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ἑανοῦ κασσιτέροιο: ἑᾱνός ist sonst Epitheton bei Textilien von besonderer Qualität (5.734 = 8.385: Athene läßt ihren ‘bunten’ πέπλος ἑ. zu Boden gleiten; 352 ≈ 23.254: Patroklos’ sterbliche Überreste werden mit einem Tuch, einem ἑ. λίς, eingehüllt); seine Etymologie u. Bed. sind jedoch unbekannt (‘glänzend’ od. ‘weich’, d.h. ’anschmiegsam, formbar’?: 352–353n.). Viell. unterstreicht die Wortwahl an der vorl. Stelle die Exklusivität des gut formbaren Metalls Zinn, dessen optischer Effekt sonst im fgrE durch λευκός (11.34f.) und φαεινός (23.561) charakterisiert ist. 614 2. VH ≈ Hes. Op. 70, ‘Hes.’ Sc. 219. — ὅπλα: im fgrE meist in der Bed. ‘Werkzeuge, Geräte’ (409n.), in der Bed. ‘Waffen’ nur hier und im Anschluß daran 19.21 (s.d.), außerdem 10.252, 10.272, Hes. Th. 853 (Zeus’ Blitz u. Donner); ist hier viell. im Anklang an 409/412 (ὅπλα τε πάντα) verwendet (Kampf-Geräte neben Schmiede-Geräten: SOMMER 1977, 100f.). — κάµε: trans. verwendetes κάµνω mit der Bed. ‘etw. mit Mühe, Anstrengung (d.h. sorgfältig, kunstvoll) verfertigen’; ist Bez. für Hephaistos’ Schmiede-Arbeit (vgl. die Wendung Ἥφαιστος κάµε τεύχων 2.101, 8.195, 19.368 [dort auch von Achills Waffen], außerdem 7.220) und andere handwerkliche Arbeiten (LfgrE s.v. κάµνω; ECKSTEIN 1974, 6f.). — κλυτὸς Ἀµφιγυήεις: verkürzte Variante der Formel περι-/ἀγακλυτὸς Ἀ. (dazu 383n.).
615 Mutter: Sie war bei Charis geblieben (468n.). – “Periphrastische BenennungP mittels ‘Paidonymikon’ […] ist selten […] und dient wohl der Emphase”, von der Mutter nur noch Od. 17.554 für Penelope verwendet (2.260n.). Auch an der vorl. Stelle ist die Benennung bedeutsam, indem der ErzählerP dadurch wie in der vorausgehenden und in der folgenden Szene die Mutter-Sohn-Beziehung hervorhebt (s. auch 19.4) und die Aufmerksamkeit auf Achilleus lenkt, für den die Waffen bestimmt sind (EDWARDS; vgl. 436n., 437–443 [56–62n.], 19.4n., 19.20n.). 616–617 617 ≈ 137 (Thetis’ Versprechen). — Anfang und Ende von Thetis’ Besuch bei Hephaistos sind unterschiedlich gestaltet (609–617n.): Thetis’ Abgang wird nur kurz erwähnt, ohne Hinweis auf Dank oder Verabschiedung; dies spiegelt die Eile, mit der Thetis agiert, getrieben durch ihre Vereinbarung mit Achill (136f.: ‘bei Sonnenaufgang’) (schol. A u. bT). Es beginnt die Typische SzeneP ‘Ankunft’, die 19.3ff. fortgesetzt wird (19.1–39n., 19.3n.). — gleich einem Falken: VogelVergleicheP allgemein und ganz besonders der Vergleich mit einem Falken (gr. írēx), der als der schnellste Vogel gilt (15.237f., s. auch 13.62 ‘schnellbeschwingt’, 13.819 ‘schneller als Falken’, Od. 13.86f.), stehen im hom. Epos in erster Linie für enorme Geschwindigkeit der Fortbewegung (2.764n., 19.350– 351a n., 24.345n.). Somit wird hier in sprachlich knappster Form der äußerst schnelle und leichte, zielgerichtete Ortswechsel der mit der Rüstung beladenen Göttin vom Olymp ins Schiffslager der Myrmidonen (19.3) zu ihrem Sohn (19.4f.) veranschaulicht (zum Erzähltempo vgl. 19.114–119n.). Zudem dienen Vergleiche
615 µητρός: abhängig von προπάροιθεν. — Ἀχιλλῆος: zur Flexion R 11.3. 616 ἴρηξ ὥς: = ὡς ἴρηξ. — Οὐλύµπου: Anfangssilbe metr. gedehnt (R 10.1).
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von Kriegern und Göttern mit Greifvögeln auch dazu, ihre Schnelligkeit und Agressivität zugleich zu illustrieren (zum írēx s. 13.62–64 [Poseidon], 16.582f. [Patroklos], 21.494f. [Hera]): 16.582–583n.; viell. ist daher der Vergleich hier auch ein Hinweis auf eine Veränderung in Thetis’ Auftreten (von der sorgenvollen Mutter des 18. Gesangs zur waffenbringenden Vorbereiterin des Kampfes, s. 19.8–11, 19.34–38; vgl. 19.6b n.): SCOTT 1974, 115; TSAGARAKIS 1982, 136f.; PATZER 1996, 149f.; JOHANSSON 2012, 177; vgl. BANNERT 1988, 67: “Hebelpunkt für das Geschehen des Vierten Kampftages”); zu weiteren Vergleichen bei Götterreisen s. 24.80–82n. — Olympos: 186n. — Waffen: Zu ihrem Glanz vgl. 610n. ἴρηξ: Bez. für einen Greifvogel, meist interpretiert als übergreifende Bez. für versch. Falkenarten (auch Habicht u.a.: 16.582n.); die Etymologie ist unsicher (viell. zu ἵεµαι [vgl. att. ἱέραξ] od. Substratwort): LfgrE; BEEKES. — ἄλτο: zum Akzent WEST 1998, XX. — Οὐλύµπου νιφόεντος: ähnlich Hes. Th. 953 (ἐν …), häufiger sind die VE-Formel νιφόεντος Ὀλύµπου (4× Hes., 1× hom.h.) und die Formel vor der Zäsur C 2 Ὄλυµπον ἀγάννιφον (186n.); zum Berg-Epitheton νιφόεις ‘schneebedeckt’ 14.227n. — µαρµαίροντα: bed. ‘funkelnd, glitzernd’, meist von Lichtreflexen (Sonnenaufgang 19.1f.) auf Metall (χαλκός: 13.801, 16.664, 18.131, 23.27; χρυσός: 13.22): 3.397n.
BIBLIOGRAPHISCHE ABKÜRZUNGEN
1. Ohne Jahreszahl zitierte Literatur (Standard-Werke) AH
Homers Ilias. Erklärt von K.F. Ameis und C. Hentze, Leipzig/Berlin 1868–1884 (Gesang 1–6 von Ameis, bearb. von Hentze; 7–24 von Hentze); letzte veränd. Aufl.: Bd. 1.1 (Gesang 1–3) 71913, bearbeitet von P. Cauer; Bd. 1.2 (4–6) 61908; Bd. 1.3 (7–9) 51907; Bd. 1.4 (10–12) 5 1906; Bd. 2.1 (13–15) 41905; Bd. 2.2 (16–18) 41908; Bd. 2.3 (19–21) 4 1905; Bd. 2.4 (22–24) 41906. Nachdruck Amsterdam 1965. AH, Anh. Anhang zu Homers Ilias. Schulausgabe von K.F. Ameis, Leipzig 11868– 1886 (Erläuterungen zu Gesang 1–6 von Ameis, bearb. von Hentze; 7–24 von Hentze); in diesem Band zitiert: 6. Heft (zu Il. 16–18) 21900. AH zu Od. Homers Odyssee. Erklärt von K.F. Ameis und C. Hentze, Leipzig/Berlin 1 1856–1860; in diesem Band zitiert: Bd. 1.1 (Gesang 1–6), bearb. von P. Cauer, 131920. AH, Anh. zu Od. Anhang zu Homers Odyssee. Schulausgabe von K.F. Ameis, Leipzig 1 1867; in diesem Band zitiert: 1. Heft (zu Od. 1–6), bearb. von C. Hentze, 3 1883. Allen Allen, Th.W.: Homeri Ilias, Oxford 1931 (3 Bde.). Allen/Halliday/ Allen, Th.W. / Halliday, W.R. / Sikes, E.E.: The Homeric Hymns, Oxford Sikes 1936 (Nachdruck Amsterdam 1980). ArchHom Archaeologia Homerica. Die Denkmäler und das frühgriechische Epos. Im Auftrage des DAI hrsg. von F. Matz und H.-G. Buchholz, Göttingen 1967ff. Autenrieth/Kaegi Autenrieth, G. / Kaegi, A.: Wörterbuch zu den Homerischen Gedichten, Stuttgart/Leipzig 141999 (= Nachdruck von 131920, mit einem Geleitwort von J. Latacz und einer Einleitung von A. Willi; 1. Aufl. Leipzig 1873). Beekes Beekes, R.: Etymological Dictionary of Greek, with the assistance of L. van Beek, 2 Bde. (Leiden Etymological Dictionary Series, 10), Leiden/Boston 2010. CAD The Assyrian Dictionary of the Oriental Institute of the University of Chicago (CAD), hrsg. von M.T. Roth u.a., Chicago 1956ff. Cerri Omero Iliade libro XVIII. Lo Scudo di Achille. Introduzione, traduzione e commento di G. Cerri (Classici, 6), Rom 2010. ChronEG Chronique d’étymologie grecque, hrsg. von A. Blanc, C. de Lamberterie und J.-L. Perpillou, erscheint jährlich in: RPh 70ff., 1996ff. (auch in: 1
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Kirk KlP Leaf van Leeuwen LfgrE
LIMC LIV
LSJ Mazon MHV NTHS
RE
Richardson zu Il. 21–24 Richardson zu h.Cer.
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Ilias 18
3. Monographien und Aufsätze Die Zeitschriften sind nach der Année Philologique abgekürzt.* Ahrens 1937
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* Eine kumulierte Liste findet sich unter: http://www1.uni-hamburg.de/Thesaurus/APh_List.pdf (Stand: 16.03.2015).
Bibliographische Abkürzungen Apthorp 1980
277
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Bibliographische Abkürzungen Bierl 2012a
Binder 1964 Blanc 2008
Blanck 1974 Blom 1936 Blome 1991
Blößner 1991 Boegehold 1999 Böhme 1929 Bolling 1925 Bolling 1953 Bonifazi 2012
Bonnafé 1984 Borchhardt 1977
Bouvier 2002 Bowra 1952 Braswell 1971 Bremer 1976 Bremer 1987
279
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Bibliographische Abkürzungen
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