Homer’s Ilias 9783111455167, 9783111087757


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Table of contents :
Vorwort
Erster Gesang
Zweiter Gesang
Dritter Gesang
Vierter Gesang
Funfter Gesang
Sechster Gesang
Siebenter Gesang
Achter Gesang
Neunter Gesang
Zehnter Gesang
Elfter Gesang
Zwölfter Gesang
Dreizehnter Gesang
Vierzehnter Gesang
Fünfzehnter Gesang
Sechzehnter Gesang
Siebzehnter Gesang
Achtzehnter Gesang
Neunzehnter Gesang
Zwanzigster Gesang.
Einundzwanzigster Gesang
Zweiundzwanzigster Gesang
Dreiundzwanzigster Gesang
Vierunbzwanzigster Grsang
Inhalt der einzelnen Gesänge der Ilias.
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Homer’s Ilias
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Homer's Ilias übersetzt

von

Dr. August Ludw. Wilh. Jacob, Königs. Geheimen Regierung--Rathe a. D.

Berlin, Druck und Verlag von G. Reimer. 1846.

Oeffentliche Beurtheilungen meiner

Uebersetzung

der Odyssee sind

mir, außer der schätzbaren Recension, welche der Professor Jacob in

den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik mitgetheilt hat, nicht be­ kannt geworden,

und ich habe daher meine Uebersetzung der Ilias

nach denselben Grundsätzen beendet, denen ich bei der Odyssee ge­ folgt bin.

Am schwersten wird man sich bei Uebersetzungen darüber ver­ ständigen, wie weit und in welcher Art sie treu sein sollen.

Denn

die Einigung über den Grundsatz, daß sie weder etwas Fremdartiges geben noch etwas Wesentliches

anslassen dürfen,

genügt nicht, und

die Forderung, daß sie auf uns den Eindruck ihres Originals ma­

chen sollen, hält uns vielmehr die höchste Aufgabe derselben vor die Augen, als sie uns den Weg zeigt, auf welchem wir zu ihrer Lö­ sung gelangen könnten.

Vorwort.

IV

Als ein tadelloses Spiegelbild des fremden Werks wird

uns

selbst die gelungenste Uebersetzung höchstens in einzelnen Stellen, aber

niemals durchgängig erscheinen, weil wir zu derselben theils in uns

den Eindruck mitbringen, den jenes nach unserer Eigenthümlichkeit auf uns macht, theils in ihr immer, mehr oder weniger, die Per­

sönlichkeit des Uebersetzers wahrnehmen, deren er sich nie ganz ent­

äußern kann.

Denn wenn er sich auch, mit der größten Vorsicht

gegen sich selbst, feste Grundsätze für seine Arbeit aufgestellt hat: so ist es ihm doch kaum möglich, dieselben, zumal bei einer umfang­

reicheren, in beständiger Mannichfaltigkeit wechselnden Dichtung, im­ mer gleichmäßig zu beachten.

Je mehr er aber strebt, seine Ueber­

setzung mit der lebendigen Frische des Originals zu durchdringen, um

so mehr muß er seiner Muttersprache ihr volles Recht gewähren, er

muß sich oft Umstellungen der Worte und Abweichungen von der Verbindung der Sätze gestatten, und leicht entsteht hieraus eine Ge­

wöhnung, die über die Grenzen hinaus führt.

Obwohl man dieß

aber während der Arbeit selbst oft bemerkt, so kann oder mag man doch

nicht immer zurücklenken, weil einmal der eigene Trieb zu lebendig erregt ist; ja man wird zu einem ganz freien Urtheil über sich selbst

sogar durch fremde Abschriften seiner Uebersetzung nicht hinreichend befähigt; sondern erst durch den Druck wird diese gänzlich aus uns heraus und uns so fern gestellt, daß wir nun klar sehen, wo und

wie es möglich, ja leicht gewesen wäre, durch noch größere Annä­ herung, ohne Besorgniß unerfreulicher Starrheit und

eigensinniger

Worttreue, noch strengeren Forderungen zu entsprechen.

So liegt also jetzt auch meine Uebersetzung der Ilias gedruckt vor: in vielen Abschnitten meinen eigenen Ansprüchen genügendem

anderen noch der weiteren Ueberarbeitung bedürftig.

Einige Mängel

in ihr sind durch die eigenthümliche Aufregung der drängenden Cor-

Vorwort.

v

rectur veranlaßt; indeß sind diese theils nicht bedeutend, theils hier nicht wohl zu berichtigen.

Ich beschränke mich also darauf, statt

Tqwuv über­

meiner Uebersetzung von II. I. v. 159, in welcher

gangen ist, die folgende zu geben: Um Menelavs, o Frecher, und dich an den Troern zu rächen, und statt II. III. v. 284, wo der Sinn gestört ist:

Tvdtet jedoch Menelaos, der bräunliche Held, Alerandros. Bon den Stellen, welche verschieden erklärt und übersetzt wer­

den, gebe ich als Beispiel die Verse II. I. 282 und 283 mit meiner

Prüfung der Gründe für und gegen ihre verschiedene Auffassung, für diejenigen zu überschlagen, welche dergleichen Untersuchungen als

müßigen Zeitverderb ansehen.

■ Dort nemlich sagt Nestor in der Rede, durch die er den Streit zwischen Achilleus und Agamemnon beizulegen sucht, am Schlüsse zu

diesem:

L4'tQ£i5ri, ov de nave tebv fievog’ avtctg eycoye

oiiaaofi hdytkkrji [ie&efiev ybkov, og fieya näaiv t'Eqxog lAyaiotaiv nekevae, nokefioio xaxoko. Aus dem Homerischen Sprachgebrauche gehört zu dem Verständ­

niß der fraglichen Worte zunächst Folgendes.

II. I. v. 188 —192

schwankt Achilleus, ob er Agamemnon tobten soll,

•qe ybkov Ttavoeiev, und zu ihm sagt Athene v. 207,

Tjk&ov eyoj navtsovaa tb abv [isvog. darauf heißt es v. 224 von Achilleus:

ov ne» kfjye ybkoio.

Vorwort.

VI

Ferner sagt Odysseus zu Achilleus II. IX. v. 259 und 260: «zr Eil XCXl VVV Ilave, ea de %6Xov

und wieder II. XIX. v. 67 sagt Achilleus von sich selbst: vvv d* fjTOi ftev eyw navca yöXov.

In diesen Stellen ist zwischen ztevog und yoXog kein Unterschied.

11. XV. v. 138 sagt Athene zu Ares: t

Alle zugleich, zu des Vaters Empfang; kein einziger wagt' es,

Ihn, wie er kam, zu erwarten, sie gingen ihm sämmtlich entgegen. 2

535

Ilias.

18

So nun setzt' er sich dort auf den Thron.

Wohl hatt' es indessen

Here bemerkt, wie Thetis, die silberfüßige Göttin, Nath mit ihm hatte gehalten, die Tochter des Greises im Meere.

Und sie erhob gleich schmähend an Zeus, den Kroniden, die Rede: Welcher Unsterbliche wieder berieth sich nut dir, o Verschlag'ner?

540

Immer beliebt es dir, so dich von mir zu entfernen und heimlich Deine Beschlüsse zu fassen; es hat noch nie dir gefallen,

Dass du von dem mir ein Wort mittheiletest, was du im Sinn hast. Da sprach jener entgegnend der Vater der Menschen und Götter:

Nimmer, o Here, erwarte doch, jeglichen meiner Gedanken

545

Werdest du wissen: sie würden dir, selbst als meiner Gemalin,

Schwer sein!

Was zu erfahren sich ziemt, das höret gewiß nicht

Weder der Himmlischen Einer vor dir, noch Einer der Menschen. Was ich jedoch von den Göttern allein will bei mir erwägen:

Darnach forsche du nimmer, damit du es Alles erfahrest.

550

Da sprach jenem entgegnend die Hobeitblickende Here: Was für ein Wort, o Kronion, Entsetzlicher, hast du gesprochen! Hab' ich ja doch nie früher geforscht, noch je dich gefraget; Sondern in völliger Ruhe beschließest du, was dir genehm ist.

Jetzt nur fürcht' ich im Herzen so sehr, dich beschwatzte die Tochter

555

Drunten des Greises im Meere, die silberfüßige Thetis. Saß sie doch bei dir, in Nebel gehüllt, und umfing dir die Kniee:

Dieser gelobtest du winkend, vermuth' ich, du wolltest Achilleus

Ehren, und Danaer sollten in Meng' an den Schiffen verderben. Da sprach jener entgegnend der Wolkenversammler Kronion: Daß du doch immer vermuthest, Unselige!

560

Alles erspähst du!

Doch du erlangest damit auch gar nichts; sondern im Herzen

Wirst du mir nur noch fremder, und dir ist's härter zu tragen. Doch wenn dieß so ist: nun dann wird mir es genehm sein!

Sitze daher ganz still und gehorsam meinem Gebote;

565

Denn sonst schützten die Götter dich nicht, hier all' im Olympos,

Naht' ich mich dir, mit den Händen, den schrecklichen, dich zu bestrafen!

Erster

Gesang.

19

Sprach's, da bebte die Herrin, die Hoheitblickende Here,

Daß sie verstummt da saß, und das Herz in dem Busen bezähmte. Aber es schmerzt' im Palaste des Zeus die unsterblichen Götter,

570

Und zu den Andern begann der gepriesene Meister Hephästos, Freundlich besorgt um die Mutter, die lilienarmige Here:

Nein, das ist ja entsetzlich, fürwahr! nicht mehr zu ertragen,

Wollet ihr beid' euch also um sterbliche Menschen entzweien, Und vor den Himmlischen zanken!

Es mag an dem köstlichen Male

575

Niemand mehr sich erfreun, wenn Schlechteres immer sich vordrängt.

Aber ich gebe der Mutter den Rath, auch denkt sie ja selbst nach,

Freundlich dem theueren Vater zu nahn, dem Kronion; es schilt sonst Wieder der Vater, und bringet das Mal uns ganz in Verwirrung. Denn, käm's ihm in den Sinn, der olympische Donnerer, wahrlich!

580

Schleudert' uns gleich von den Sitzen: er ist ja der stärkste der Götter.

Rede du also ihn an, und versuch' es mit freundlichen Worten: Dann ist gnädig uns bald der Olympier wieder gewogen. Also sprach er, erhob sich, und trug den gedoppelten Becher

Hin zu der theueren Mutter, und reicht' ihn ihr hin mit den Worten: 585 Fasse dich, theuere Mutter und, schmerzt's auch, trag' es geduldig.

Denn sonst müßt' ich vielleicht dich, o Theuere, noch mit den Augen Sehen gestraft) dann könnt' ich, so leid es mir thäte, dir nimmer Beistehn; denn der Olympier ist ein entsetzlicher Gegner!

Packt' er mich doch schon früher, indem ich dir wagte zu helfen,

590

Hier an dem Fuß, und er warf mich hinab von der Schwelle des Himmels.

Ja, da flog ich den Tag durch!

Dann, mit der sinkenden Sonne,

Fie) ich in Lemnos hernieder, und athmete nur noch ein wenig.

Doch da pflegten sogleich mich die Sintier, wie ich hinab fiel. Sprach's, da lächelte freundlich die lilienarmige Here,

Und sie empfing mit Lächeln vom Sohn den Pokal in der Rechten.

Dieser indeß goß auch für die übrigen Himmlischen alle

Rechtsher ein, und entschöpfte dem Krug süßduftenden Nektar. Unauslöschliches Lachen erregt' es den seligen Göttern,

595

20

Ilias.

Wie sie Hephästos sahen im Saal so geschäftig umhergehn.

600

Also den Tag durch saßen sie bis zu der sinkenden Sonne

Schmausend, und gar nichts fehlt' an dem köstlichen Male dem Herzen,

Weder der herrlichen Laute Getön in dem Arm des Apollon,

Noch auch Wechselgesang und die liebliche Stimme der Musen. Doch als Helios Fackel, die leuchtende, nun sich gesenket,

605

Gingen sie alle zu ruhn, in der eigenen Wohnung ein jeder,

Da, wo jeglichem seinen Palast mit dem sinnigen Geiste Früher Hephästos gebaut, der gepriesene Hüftengelähmte.

Zeus der Olympier aber, der Donnerer, ging zu dem Lager, Wo er zuvor auch schlief, wann lieblicher Schlummer ihn ankam;

Dieses bestieg er, zu ruhn mit der goldenthronenden Here.

610

Zweiter Gesang.

die anderen Götter und Rossebezähmenden Männer Schliefen die Nacht durch, Zeus nur kam kein lieblicher Schlummer)

Sondern er sann bei sich in dem Inneren, wie er Achilleus

Ehrt', und der Danaer viel' an den eilenden Schiffen vertilgte.

Endlich erschien nun dieser Beschluß in dem Geist ihm der beste,

5

Daß er den täuschenden Traum zu des Atreus Sohn Agamemnon

Sendete.

Also begann er, und sprach die geflügelten Worte:

Eile mir, täuschender Traum zu den rüstigen Schiffen Achajas;

Geh in das Zelt dort hin zu des Atreus Sohn Agamemnon, Daß du ihm Alles genau und getreu sagst, wie ich befehle.

10

Eilig zu waffnen gebiet' ihm die Hauptumlockten Achäer, Alle zumal; jetzt werd' er die räumige Veste der Troer Sicher gewinnen, indem die Unsterblichen auf dem Olympos Nun nicht mehr in der Meinung getheilt sind, sondern sie alle

Here bittend bewegt, und den Troern Leiden bevorsteht.

15

Sprach's, da eilte der Traum gleich wie er die Worte vernommen, Von ihm hinweg, und er kam zu den rüstigen Schiffen Achajas, Trat zu des Atreus Sohn Agamemnon ein, und er fand ihn

Schlafend in seinem Gezelt, von ambrosischem Schlummer umfangen.

Und zu dem Haupt hin stellt' er sich ihm, ganz ähnlich dem Nestor, Neleus Sohn, vom Atriden geehrt vor den anderen Fürsten;

Dem an Gestalt gleich, nahte der göttliche Traum ihm und sagte:

20

Ilias.

22

Schlummerst du, Atreus Sohn, des gewaltigen Nossebezähmers? Nicht ziemt immer zu schlafen des Nachts dein berathenden Manne,

Dem sich die Völker vertrauet, und der für so Wichtiges sorget.

25

Doch nun höre mich eilig: mich sendete-Zeus mit dem Austrag, Welcher für dich, zwar fern, treu sorgt und dein sich erbarmet. Eilig zu waffnen gebeut er die Hauptumlockten Achäer

Alle zumal; jetzt wirst du die räumige Veste der Troer Sicher gewinnen, indem die Unsterblichen aus dem Olympos

.30

Nun nicht mehr in der Meinung getheilt sind, sondern sie alle

Here bittend bewegt, und den Troern Leiden bevorsteht Von dem Kronion.

Behakt'es im Geist, daß nichts dem Gedächtniß

Etwa entschwinde, nachdem du vom lieblichen Schlummer erwacht bist. Sprach es, und eilte von dannen, indem er ihn dort mit dem Herzen 35

Voller Gedanken verließ, die nie. sich ihm sollten erfüllen.

Denn er vermeinte, des Tages des Priamos Burg zu gewinnen, Thöricht, und ahnete nicht, was Zeus ihm für Thaten verhängte!

Denn noch wollt' er ja Leiden und Jammergestöhne den Troern

Und den Achäern senden im heftigen Kampsesgetümmel.

40

Und er erwachte vom Schlummer, umtönt von der göttlichen Stimme, Setzte sich ausrecht hin, zog dann den gewaschenen, schönen,

Schmeidigen Nock an, warf den gewaltigen Mantel darüber, Knüpfte die stattlichen Sohlen sich fest an die glänzenden Füße, Warf nm die Schultern nachher sein Schwert mit den silbernen Buckeln, 45

Nahm sein Zepter, vom Vater geerbt, von unendlicher Dauer, Und ging so zu den Schiffen der Erzumwehrten Achäer. Da stieg Eos, die Göttin, empor zu dem hohen Olympos,

Zeus und den Göttern das Licht zu verkündigen, und Agamemnon Hieß alsbald Herolden mit weithin tönender Stimme,

Zu der Versammlung zu rufen bie Hauptumlockten Achäer.

Und sie riesen, und jene versammelten alle sich eilig. Und zu dem Rathe versammelt' er erst die erhabenen Fürsten Neben des Nestor Schiffe, des Pylosentstammenden Herrschers.

50

Zweite r G e s a n g. Diese berief er dahin, und begann den erwogenen Vorschlag:

23 55

Hört, ihr Theuern, eS kam mir ein göttlicher Traum in dem Schlafe

Durch die ambrosische Nacht, der war dem erhabenen Nestor Völlig an Größ' und Gestalt und an Wuchs auch ähnlich vor Allen.

Der stand neben mir oben am Haupt, und er sprach zu mir also: Schlummerst du, AtreuS Sohn, des gewaltigen Nofsebezähmers?

60

Nicht ziemt, immer zu schlafen des Nachts dem berathenden Manne,

Dem sich die Völker vertrauet, und der für so Wichtiges sorget.

Doch nun höre mich eilig: mich sendete Zeus mit dem Auftrag, Welcher für dich, zwar fern, treu sorgt und dein sich erbarmet.

Eilig zu waffnen gebeut er die Hauptumlockten Achäer

65

Alle zumal; jetzt wirst du die räumige Veste der TroerSicher gewinnen, indem die Unsterblichen auf dem Olympos Nun nicht mehr in der Meinung getheilt sind, sondern sie alle

Here- bittend bewegt, und den Troern Leiden bevorsteht Von dem Kronion, behalt' es im Geist!

So sprach er und schwebte

70

Wieder hinweg; mich aber verließ der erquickende Schlummer.

Auf denn, ob es vielleicht uns gelingt, die Achäer zu waffnen! Erst will ich sie mit Worten, so wie es sich ziemet, versuchen,

Und sie ermahnen, zu fliehn mit den Ruderversehenen Schiffen; Aber ihr andern ermähnt sie, zerstreut in dem Volke, zu bleiben.

75

Also redete jener und setzte sich, und es erhob sich

Nestor, welcher in Pylos, der sandigen, herrschender Fürst war. Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung:

Freunde, des Danaervolkes berathende Fürsten und Pfleger,

Hätte den Traum sonst einer erzählt von den andern Achäern:

80

Nennten wir Trug ihn, und jeglicher spräch nur stärker dagegen;

Doch nun sah ihn ja, der sich den edelsten rühmt der Achäer: Also versuchen wir, ob es gelingt, die Achäer zu waffnen.

Also sprach er, und ging vor den Anderen aus der Berathung. Und es erhoben sich mit ihm, dem Völkergebieter gehorchend, Alle die herrschenden Fürsten; indeß dort stürzte das Volk her.

85

24

Ilias.

Wie wann Schwärme der Bienen in wimmelnden Haufen daher ziehn, Immer von Neuem den Spalten des Felsengeklippes entsummend: Gleich wie Trauben umschwärmen gedrängt sie die Blumen des Frühlings;

Dorthin fliegen die einen in Meng', und die anderen dahin:

90

So auch zogen die Schaaren herbei von den Schiffen und Zelten,

Dort an dem tiefen Gestade dahin, zahllos, in den Haufen,

Nach der Versammlung, und Ossa-, entflammt, war mitten darunter,

Trieb sie zu eilen, die Botin des Zeus, und sie kamen zusammen. Lautes Getös scholl auf von dem Markt, und es bebte die Erde,

95

Als sich das Volk hinsetzte mit Lärm, und es suchten sie rufend

Neun Herolde zu zähmen, damit sie das Schreien doch endlich

Ließen, und hörten die Worte der G'ötterentstammenden Fürsten. Endlich einmal nun saßen sie da, und gereiht in den Sitzen, Hörten sie auf mit dem Schreien, und Fürst Agamemnon erhob sich,

100

Auf sein Zepter gestützet, ein Werk von der Kunst des Hephästos.

Dieß gab einst Hephästos dem herrschenden Zeus, dem Kroniden: Zeus dann gab es darauf dem bestellenden Argostödter; Dann gab's Hermes der Herrscher dem Rossebezähmenden Pelops;

Weiter von Pelops empfing es der Völkergebietende Atreus;

105

Atreus ließ es im Tode dem lämmerreichen Thyestes; Aber Thyestes hatt' es nachher Agamemnon vererbet,

Inseln in Menge damit und Argos Reich zu beherrschen.

Hierauf stützte sich jener, und sprach zu dem Volk der Achäer: Freund', ihr Helden des Danaervolks, ihr Genossen des Ares!

110

Zeus, der Kronide, verstrickte fürwahr mich in schweres Verderben,

Grausam, da er mir früher mit gnädigem Winke verheißen,

Einst, nach Ilios Fall, der ummauerten, sollt' ich zurückziehn,

Jetzt nun aber verderblichen Trug sinnt und mich gen Argos Rühmlos ziehn heißt, da ich so viel von dem Volke verloren.

Also mag es dem Zeus, dem gewaltigen Herrscher gefallen,

Welcher bereits viel Städten die mächtigen Häupter zerstört hat, Und auch ferner zerstört: sein ist ja die Macht und die Herrschaft!

115

Zweiter Gesang.

25

Aber ein Schimpf ist dieß, auch Künftigen noch zu vernehmen, Daß so umsonst nun so dieß mächtige Heer der Achäer

120

Sonder Erfolg hier kämpfet in Krieg und beständigen Schlachten Gegen geringeres Volk, und das End' uns nimmer erscheinet! Denn,-wenn's beiden gefiele, dem.Danaervolk und den Troern,

Daß wir in sicherem Bund' uns vereineten, beide zu zählen,

Erstlich die Troer zu nehmen, so viel dort Häuser bewohnen,

125

Dann uns selbst, die Achäer, in Zehenden immer zu theilen, Und von den Troern zu Schenken für sie je einen zu wählen:

Wahrlich, eö käme gewiß kein Schenk auf viele der Zehnden! So viel, scheinet es mir, sind mehr von den Söhnen Achajas, Als die Troja bewohnen, die Stadt hier. - Doch der Genossen

130

Haben sie viel von den Städten umher, kampftüchtige Männer, Welche mich hindern mit aller Gewalt, und mir nimmer gestatten,

Ilios wohnliche Veste, so gern ich es will, zu zerstören.

Denn neun Jahre des Zeus, des Gewaltigen, sind ja vergangen, Und es verfaulet der Schiffe Gebälk und,die Taue vermodern.

135

Unsere Weiber indessen, gewiß! und die lallenden Kinder Sitzen und harren im Hause daheim; wir aber beenden

Nimmer das Werk, um welches wir her zu dem Lande gekommen. Auf denn, wie ich es sage, gehorcht ihr und folget mir Alle.

Lasst mit den Schiffen uns fliehn zu dem theueren Lande der Heimat)

140

Denn wir gewinnen ja nimmer die weit durchbahnete Troja! Also sprach er und regt' in dem Inneren Allen das Herz auf Unter dem Volk, die nichts von dem früheren Rathe vernommen. Und die Versammlung tobte, so wie die gewaltigen Wogen

In dem Jkarischen Meer, die Ostwind brausend und Südwind

145

Aufstürmt, aus dem Gewölke des Zeus hinstürzend des Vaters. Wie wann Zephyros kommend in dicht da stehende Saaten

Stürmend hineinfährt, daß er die Halm' an den Boden hinabbeugt: So war dort die Versammlung in Aufruhr.

Fort zu den Schiffen

Stürzten sie schreiend, und wirbelnd erhob sich der Staub von den Füßen. 150

26

Ilias.

Einer ermunterte rufend den andern, die Schiffe zu fassen, Und sie hinunter zu ziehn in die heiligen Fluten; die Graben

Räumten sie aus; das Geschrei stieg auf zu dem Himmel: nach Hause Wollten sie, und sie entzogen die stützenden Balken den Schiffen.

Da zog Argos Volk, nicht nach dem Geschick, in die Heimat,

155

Wenn nicht Here die Rede sogleich an Athene gewendet:

Wehe mir, Tochter des Zeus, des Aegidenbewehrten, Gewalt'ge! Sollen denn so nun heim zu dem theueren Lande der Väter

Argos Völker entsliehn auf mächtigem Rücken des Meeres?

Sollen sie Priamos hier und den Troischen Männern zu prahlen

160

Helena lassen von Argos, um die der Achäer so viele

Hier vor Troja gefallen, so fern von der theueren Heimat? Eile doch gleich zu dem Heere der Erzumschienten Achäer,

Halt sie mit freundlichen Worten zurück, und berede sie alle, Nicht zu dem Meere die doppeltgeruderten Schiffe zu ziehen.

165

Sprach es, und willig gehorchte des Zells helläugige Tochter. Und sie erhob sich und schwang sich hinab von den Höhn des Olympos,

Daß sie sogleich hinkam zu den eilenden Schiffen Achajas. Und den Odysseus fand sie, dem Zeus zu vergleichen an Weisheit,

Der dort stand, und nicht sein Schiff anrührte, das dunkle,

170

Eilende, weil ihm der Kummer das Herz durchdrang und die Seele. Und zu ihm sprach, ihm genahet, des Zeus helläugige Tochter:

Götterentstammter, Laertes Sohn, listreicher Odysseus, Wolltet ihr so uun heim zu dem theueren Lande der Väter

Fliehen, indem ihr in Eil' in die rüstigen Schiffe hineinstürzt,

175

Daß ihr dem Priamos hier und den Troischen Männern zu prahlen, Helena ließet von Argos, um die der Achäer so viele

Hier vor Troja gefallen, so fern von der theueren Heimat?

Eil' in dem Volk der Achäer umher, gleich, ohne zu zaudern, Halt sie mit freundlichen Worten zurück, und berede sie alle, Nicht zu dem Meere die doppeltgeruderten Schiffe zu ziehen.

Also sprach sie, und jener vernahm der Unsterblichen Worte,

180

Zweiter Gesa n g.

27

Warf an die Erde den Mantel und lief; Eurybates aber Nahm ihn, der Herold, welcher von Ithaka her ihm gefolgt war.

Jener begegnet' indessen des Atreus Sohn Agamemnon,

185

Nahm ihm den Stab, von dem Vater geerbt, von unendlicher Dauer,

Und ging so zu den Schiffen der Erzumwehrten Achäer. Traf er daselbst nun einen der Könige oder der Edlen, Trat er ihm näher und hielt ihn zurück mit den freundlichen Worten: Nimmer geziemt dir, o Bester, die Furcht, als wärest du feige!

190

Bleibe doch selbst, und ermahne die anderen Schaaren zu bleiben;

Denn noch weißt du ja nicht, wie Atreus Sohn es gemeint hat.

Jetzo versucht er und strafet nachher wohl bald die Achäer. Hörten wir doch nicht all' in dem Rath dort, was er gesprochen:

195

Daß er im Zorn nicht übel nachher die Achäer behandle!

Schwer ist immer der Eifer des Götterentstammenden Königs, Seine Gewalt von Zeus, und es liebt ihn waltend Kronion.

Sah er jedoch wo Einen vom Volk, der schrie, und er traf ihn, Schlug er ihn gleich mit dem Zepter, und sprach laut scheltend die Worte:

Sive doch still, du Bester! und hör' auf Anderer Rede,

Welche vorzüglicher sind; du List unkrieg risch und kraftlos,

200

Zählest für gar nichts weder im Kampf noch auch in dem Rathe! Könige sind wir ja doch nicht alle gesammt, wir Achäer;

Vielherrschaft taugt nimmer, es sei nur Einer der Herrscher, Einer der König, erkoren vom Sohn des verschlagenen Kronos,

Daß mit dem Zepter und mit dem Gesetz er im Volke gebiete!

205

Also herrscht' er das Lager hindurch, und sie stürzten in Eile

Zu der Versammlung zurück und hinweg von den Schiffen und Zelten,

Tosend, so wie das Gewoge des laut aufbrausenden Meeres Gegen datz hohe Gestad' anbrüllt mit den donnernden Fluten. Da nun saßen die Andern bereits in den Sitzen in Ordnung:

Er nur krächzte noch immer, der ewige Schwätzer Thersites, Der in dem Geist voll war von unendlichen, thörichten Reden,

Frech, ganz gegen die Ordnung, int Streit mit den Fürsten zu hadern,

210

28

Ilias:

Glaubt' er damit nur Lachen im Danaervolk zu erregen.

Aber der häßlichste war er von sämmtlichen Männern vor Troja,

215

Schielet' und hinkt' auf einem der Fuß', und die höckrigen Schultern Drückten die Brust ihm zusammen, der Kopf dann aber nach oben Lief spitz zu, und es sproßte darauf nur spärliche Wolle.

Und am gewaltigsten haßt' er Achilleus und den Odysseus:

220

Denn sie lästert' er stets; nun schmäht' er jedoch Agamemnon Schreiend mit tönender Stimme, den Held, und die Danaer alle Zürnten ihm heftig darüber, und ärgerten sich in dem Herzen.

Aber er sprach laut schreiend und schmähete so Agamemnon: Atreus Sohn, was fehlet dir denn?

Was klagest du wieder?

225

Voll sind deine Gezelte von Erz, und es sitzen dir Weiber Drinnen in Meng' in den Zelten, erlesene, die wir Achäer Immer zuerst dir geben, so oft wir die Städte gewinnen.

Oder du willst noch Gold, das wohl von den reisigen Troern Einer von Ilios bringt für den Sohn als Gabe der Lösung,

230

Den ich fesselt' und bracht', ich oder ein andrer Achäer,

Oder ein jugendlich Weib, um in Liebe dich ihr zu gesellen,

Welche du selbst dir bewahrest für dich?

Schlecht, wahrlich, geziemt's sich,

Führer zu sein, und in Jammer Achajas Söhne zu stürzen! Weichlinge! Schmählich Gezücht! Argeische Frau'n, nicht Männer! Kommt doch!

235

Zieht mit den Schiffen nach Haus; ihn wollen wir lassen

Hier die Geschenke der Troer verdaun: dann wird er erkennen, Ob auch wir ihm genützt, ob nichts in dem Kampf ihm geholfen.

Jetzo beschimpft' er sogar den Achilleus, dem er um Vieles Nachsteht, nimmt ihm das Ehrengeschenk und genießet es selber!

240

Doch dem Achilleus fehlet die Gall', und er läßt es ihm hingehn;

Denn sonst hätt'st du, Atride, gewiß nie wieder gefrevelt!

Also schmähte Thersites und schalt den Gebieter des Volkes, Atreus Sohn.

Da trat zu ihm schnell der erhab'ne Odysseus,

Grimmigen Blickes und drohet' ihm laut mit den heftigen Worten:

Du, mit der gellenden Stimme, Thersites, Redner des Unsinns,

245

Zweiter Gesang.

29

Schweig und erdreiste dich nicht, du allein, mit den Fürsten zu hadern!

Denn du bist ja von Allen der kläglichste Sterbliche, mein' ich, Die mit des Atreus Söhnen vor Ilios Veste gezogen! Daß du mir also die Namen der Könige nicht in den Mund nimmst,

250

Um sie zu schmähn, noch wache mir du hier über die Heimfahrt!

Noch sieht keiner von uns wohl ein, wie dieses sich endet, Ob die Achäer mit Glück einst heimziehn oder mit Unglück. Deshalb sitzest und schmähst du den Hirten des Volks Agamemnon,

255

Atreus Sohn jetzt, weil ihm der Danaer Helden so reichlich

Gaben verleihn, und du sprichst in dem Volk nur, um ihn zu kränken. Aber ich sage dir nun, und gewiß! so wird es geschehen:

Find' ich noch Einmal so dich in Wahnsinn tobend, wie eben, Soll dem Odysseus wahrlich das Haupt nicht mehr auf den Schultern

Stehn, und Telemachos Vater mich Niemand nennen in Zukunft,

260

Wenn ich dich nicht gleich fass' und dir sämmtliche Kleider entreiße,

Mantel und Reck, und so viel du dir hast um die Lenden gewunden, Und dich, mit schmählichen Hieben gepeitscht, zu den eilenden Schiffen,

Unter entsetzlichem Jammergeschrei, wegjage vom Markte. Also sprach er, und schlug mit dem Stab ihn um Rücken und Schultern, 265 Daß er sich krümmt', und die Thränen ihm dicht von den Augen entstürzten.

Blutig erhob ihm die Strieme sich gleich queer über den Rücken

Unter dem goldenen Stab: da setzt' er sich nieder und bebte. Schmerzvoll macht' er ein kläglich Gesicht, und verwischte die Thränen; Aber die Anderen lachten ihn aus, trotz ihrer Betrübniß.

270

Und so sprach wohl Mancher, indem er den Anderen ansah: Wahrlich, unzähliges hat ja Odysseus Großes verrichtet,

Wann er den trefflichen Rath uns ertheilt und den Kampf uns geordnet; Aber die herrlichste That ist dieß in dem Volk der Achäer,

Daß er dem Schwätzer das Reden gelegt und das ewige Lästern. Den treibt wahrlich so bald kaum wieder die muthige Seele, Gegen die Könige scheltend das schmähende Wort zu erheben!

Also das Volk; da stand er, der Städteverwüster Odysseus,

275

30

Ilias.

Hielt fein Zepter, und neben ihm stand helläugig Athene, Aehnlich dem Herold.

Und sie gebot Stillschweigen dem Volke,

280

Daß die Entfernten und Nahen zugleich von den Söhnen Achajas

Alle die Rede vernähmen, um dann sich den Rath zu bedenken. Und er begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung: Atreus Sohn, jetzt wollen dir, Fürst, die Achäer die größte Schande bereiten vor allen den vielfach redenden Menschen,

285

Und sie erfüllen dir nicht die Verheißung, die sie gegeben,

Als sie gen Ilios fuhren vom Roffegesegneten Argos: Heimziehn solltest du, wann du die mächtige Troja zerstöret.

Denn, gleich thörichten Kindern, fürwahr, und verlassenen Frauen, Jammern sie unter einander, und schrein nach der Fahrt in die Heimat.

290

Freilich verlangt auch, wen der Verdruß quält, heim zu gelangen;

Denn, wann einer den Mond durch nur von der Gattin entfernt ist,

Sitzt er im rüstigen Schiff voll Unmuth, wann es im Winter Immer die Stürm' aufhalten und hoch herrollende Wogen; Uns sind aber bereits neun kreisende Jahre verstossen

295

Hier in dem Land, und ich zürne darum nicht auf die Achäer, Wenn der Verdruß sie ergreift an den schnäbligen Schiffen; indessen Schmach wär's, da wir so lange geweilt, leer wieder zu kommen.

Also ertraget es, Freund' und verzieht noch, daß wir erfahren, Ob Wahrhaftiges Kalchas geweissagt oder getäuscht hat.

300

Denn wir gedenken daran in dem Geist, und ihr könnt es bezeugen, All' ihr, welche des Todes Geschick nicht von uns gerissen: Gestern, vielleicht vorgestern, nachdem sich in Aulis Achajas Schiffe versammelt, den Troern und Priamos Leiden zu bringen,

Weiheten wir um-den Quell an den heiligen Opferaltären

305

Für die unsterblichen Götter erlesene Sühnhekatomben,

Unter des Ahorn Laub, wo köstliches Wasser hervorrann. Und ein gewaltiges Zeichen, mit purpurnem Rücken ein Drache,

Schrecklich, erschien uns, von dem Olympier selber gesendet, Der von dem Altar unten hervor an dem Ahorn hinauffuhr

310

Zweiter Gesang.

31

Aber es waren daselbst, ganz klein noch, Junge des Sperlings

Oben im Gipfel des Baumes, bedeckt von dem Blättergezweige,

Acht, und neun mit der Mutter der Vögelchen, die sie ernährte. Die nun fraß er daselbst, und jämmerlich piepten die Jungen,

Während die Mutter mit Schrein um die theueren Kinder umherftog.

315

Da nun schwang er sich auf nach der schreienden Flügel, und faßt' ihn.

Aber nachdem er die Jungen zugleich mit der Mutter verzehret,

Stellt' ihn, ein Wunderzeichen, der Gott auf, der ihn gesendet.

Denn zum^ Steinbild schuf ihn der Sohn des verschlagenen Kronos, Und in Verwunderung standen wir da, wie dieß sich ereignet.

320

Als dieß Graun nun bei der Unsterblichen Sühnhekatombe

Also erschien, sprach Kalchas sogleich weissagend die Worte: Weshalb seid ihr verstummet, ihr Hauptumlockten Achäer?

Uns hat Zeus der Berather das mächtige Zeichen gesendet,

Das erst spät sich erfüllt, deß Ruf auch nimmer vergehn wird.

325

Gleichwie dieser die Jungen verzehrt mit dem Weibchen des Sperlings, Acht, und die Mutter die neunte dazu, die alle geboren:

Also werden wir auch neun Jahr dort kämpfen um Troja) Und in dem zehnten gewinnen wir dann die geräumige Veste. So sprach jener, und dieß wird jetzt nun Alles erfüllet.

330

Also wohlauf denn, bleibet, ihr wohlumschienten Achäer

Alle noch, bis wir sie nehmen, des Priamos mächtige Veste! Sprach's, da jauchzten die Danaer laut, und es hallten die Schiffe

Graunvoll wieder, indem das Geschrei die Achäer erhoben: Beifall riefen sie alle dem Wort des erhab'nen Odysseus.

335

Und es begann vor dem Volk der gerenische, reisige Nestor:

Wehe mir, wahrlich ihr sprecht gleich ganz unmündigen Kindern, Die um die ,Führung des Krieges im Mindesten nicht sich bekümmern!

Sagt, wo bleiben denn unsre Verträg' und geschworenen Eide?

Sollen in Rauch aufgehn die Beschlüff' und die Worte der Männer,

Opfer des lauteren Weins und der Handschlag, dem wir vertrauet? Eitelen Wortstreit führen wir nur; doch Mittel erfinden

340

32

Ilias.

Können wir nicht, obwohl wir bereits hier lange genug sind!

Atreus Sohn, du führe, so jetzt, wie sonst, in dem Herzen Festen Entschlusses, die Danaer an in dem mächtigen Kampfe.

345

Laß sie doch, einen vielleicht, auch zwei, hingehn und gesondert Von den Achäern beschließen — geschehn wird dennoch gewiß nichts —

Ehe nach Argos zu ziehn, als Zeus des Aegidenbewehrten Zusag' uns als Trug sich gezeigt hat oder bewähret. Denn ich behaupt', uns verhieß es der waltende Herrscher Kronion

350

An dem Tag', an dem wir die eilenden Schiffe bestiegen,

Argos Söhne, Verderben und Mord nach Troja zu bringen, Da er von rechtsher blitzte, für uns zum günstigen Zeichen.

Also begehr' auch keiner zuvor nach der Fahrt in die Heimat, Eh nicht Mancher mit einer der Troischen Frauen geruhet,

355

Und für die Seufzer und Mühen um Helena Rache geübt hat.

Sehnet indessen sich einer so gar unmäßig nach Hause,

Nun so begeb' er sich doch zu den eilenden, dunkelen Schiffen, Daß ihn zuerst vor den Andern das Todesverhängniß ereile.

Doch, Fürst, rathe du selber dir wohl, und den Anderen hör' auch;

360

Denn nicht scheinet mir, was ich dir jetzt Vorschläge, verwerflich. Sondere du dein Volk nach Stamm und Geschlecht, Agamemnon,

Daß ein Geschlecht dem Geschlecht beisteh' und die Stämme den Stämmen.

Machst du es so, und es fügen die Danaer sich dem Gebote, Wirst du den Feigen sowohl als Tapferen sicher im Volke

365

Leichter erkennendes stehet für sich dann jeder im Kampfe,

Auch dann sehn, ob Götterbeschluß die Eroberung hind're, Oder die Fehler des Heers und die mangelnde Kunde des Krieges. Und es entgegnete jenem der herrschende Fürst Agamemnon:

Wahrlich, du räthst mir, o Greis, von den Danaern wieder am besten! 370

Hätt' ich, o Zeus, du Vater, Athene und Phöbos Apollon, Doch zehn Männer, so trefflich im Rath in dem Volk der Achäer!

Ja, dann neigte sich bald des gebietenden Priamos Veste Unseren Armen, wir nähmen sie ein, und zerstörten sie gänzlich!

Zweiter

Gesang.

33

Doch nur Leiden verhängte mir Zeus der Aegidenbewehrte,

375

Der mich in eitles Gezänk und in Zwiespalt immer verwickelt. Denn ich entzweite mich mit dem Achilleus wegen des Weibes,

Daß wir uns stritten, und ich fing an mit den heftigen Worten. Sind wir einmal einmüthig im Rath: dann findet der Troer Unglück keine Verzögerung mehr, auch nicht die geringste!

380

Doch nun geht zu dem Male, damit das Gefecht wir beginnen.

Sorglich bereite sich jeder.den Schild, wohl schärf' er die Lanze, Gebe das Futter gehörig den schnell hineilenden Rossen,

Seh' auch wohl nach dem Wagen, und denk' umsichtig des Kampfes,

Daß wir den Tag fortwährend im schrecklichen Kampf uns versuchen.

385

Denn da werden wir nicht mehr ausruhn, nicht im Geringsten,

Ehe die Nacht aufziehet und trennt die erbitterten Streiter. Triefen von Schweiß wird Manchem das Riemengehenk um den Busen

An dem beschützenden Schild, und die Hand ihm ermatten am Speere,

Und von Schweiß wird triefen das Roß am geglätteten Wagen!

390

Treff' ich jedoch wo Einen entfernt von dem Kampf und gesonnen,

Bei den geschnäbelten Schiffen zu ruhn: der soll mir gewiß dann

Nimmer den Vögeln entgehen nachher und den gierigen Hunden! Sprach's, und die Danaer jauchzten mit Macht, wie wogend die Meerflut

Brüllt am erhabenen Strand, wann Südwind kommt und sie aufwühlt 395 Gegen das Felsengeklipp, das nie von den Wogen verschont wird,

Wehen die Wind' auch immer von daher oder von dorther.

Und sie erhoben sich schnell und zerstreuten sich hin zu den Schiffen. Rauch stieg aus den Gezelten empor, und sie nahmen das Frübmal.

Und zu den Ewigen, einer zu dem und der andre zu jenem,

400

Flehten sie opfernd, dem Tod zu entgehn und dem Wüthen des Ares.

Doch den gemästeten Stier, fünf Jahr alt, weihte der Männer

Fürst Agamemnon opfernd dem waltenden Herrscher Kronion. Und er berief die Berather und Edelsten von den Achäern:

Nestor zuerst vor den Andern, Jdomeneus dann, den Gebieter, Ajas die beiden nachher und des Tydeus Sohn, und Odysseus 3

405

34

Ilias.

Dann als sechsten dazu, dem Kronion ähnlich an Weisheit.

Aber von selbst kam zu ihm der Rufer im Streit Menelaos, Weil er es wußt' in dem Geist, wie sehr sein Bruder bemüht war.

Und sie umstanden den Stier und nahmen die heilige Gerste.

410

Da sprach also mit Flehen der herrschende Fürst Agamemnon:

Zeus, ruhmherrlichster, höchster, im Donnergewölk und im Aether, Laß nicht Helios sinken und dunkele Schatten herausziehn,

Eh ich in dampfendem Rauche des Priamos Veste von oben Niedergestürzt und die Thore mit feindlicher Flamme verheeret,

415

Auch um des Hektor Brust das Gewand mit dem schneidenden Erze Gänzlich zerhauen, und rings um ihn her die Genossen in Menge,

Auf dem Gesicht, in dem Staube den Sand mit den Zähnen zerknirschen! Also sprach er, indeß gab Zeus noch nicht die Erfüllung;

Sondern er nahm sein Opfer und mehrte die schreckliche Drangsal.

420

Aber nachdem sie gefleht und die heilige Gerste gestreuet,

Beugten zurück sie den Hals, und sie schlachteten, zogen die Haut ab, Schnitten die Schenkel heraus und umwickelten Alles mit Fetthaut, Doppelt gefaltet, und legten darauf dann Stücke der Glieder. Dieses verbrannten sie dann auf laublos trockenen Scheiten,

425

Spießten das Inner', und brieten es wohl an der Gluth des Hephästos.

Aber, nachdem sie die Schenkel verbrannt und das Jnn're verzehret, Schnitten das Andere alles sie klein, und sie steckten's an Spieße,

Brieten es dann vorsichtig, und zogen es Alles herunter. Als sie die Arbeit aber gethan und das Mal sich bereitet,

430

Schmausten sie, und nichts fehlt' an dem köstlichen Male dem Herzen.

Aber nachdem das Verlangen des Tranks und der Speise gestillt war, Da nahm also das Wort der gerenische, reisige Nestor:

Atreus Sohn, ruhmvollster, gebietender Fürst Agamemnon, Plaudern wir jetzt nicht länger am Mal hier, schieben das Werk auch 435 Nicht mehr weiter hinaus, das Zeus uns nun in die Hand giebt.

Sondern befiehl Herolden der Erzumwehrten Achäer,

Daß sie die Stimmen erhebend das Volk an den Schiffen versammeln;

Zweiter

Gesang.

35

Doch wir wollen zusammen das mächtige Heer der Achäer

So durcheilen, um schneller den würgenden Kampf zu erregen.

440

Sprach es, und willig gehorcht' ihm der Herrscher des Volks Agamemnon,

Hieß Herolden sogleich mit weithin tönender Stimme, Zu dem Gefechte berufen die Hauptumlockten Achäer:

Und die riefen, und jene versammelten alle sich eilig. Und eS enteilten sie ordnend die Götterentstammenden Fürsten

445

Mit dem Atriden zugleich und des Zeus helläugiger Tochter,

Welche die prächtige Aegis, die ewige, göttliche aufschwang. Hundert geflochtene Troddeln, von lauterem Gold, und an Werthe

Jede von hundert Stieren, umschimmerten rings sie am Rande.

Leuchtend mit ihr durchflog sie das Heer der Achäer, und trieb sie,

450

Eilend zu gehen, indem sie die Kraft in dem Herzen den Männern Allen erregt', ausdauernd den Kampf und die Schlacht zu bestehen.

Plötzlich verlangte sie mehr nach Kampf, als heim zu der Väter

Theuerem Lande zu ziehn mit den dunkelen, eilenden Schiffen. Wie ein verheerendes Feuer unendliche Waldung verzehret,

455

Auf des Gebirgs Anhöhn und der Schein in der Ferne gesehn wird: So schoß, wie sich das Heer hinzog, von dem schrecklichen Erze

Leuchtendes Blitzen den Aether hindurch rings auf zu dem Himmel. So, wie von dem Gevögel unzählbar fliegende Schwärme

Gäns' und Kraniche oder das Volk langhalsiger Schwäne

4ßO

Ueber die Asische Flur und Ka'r'strios fließende Wasser

Dahin und dorthin fliegen, in Lust an der Fittige Schwünge, Dann mit

sich setzen, und weithin tönend die Flur schallt:

Also ergoß sich die Menge des Volks von den Schiffen und Zelten In die Skamandrische Flur, und ringsum dröhnte der Boden

465

Graunvoll unter den Füßm der eilenden Männer und Rosse. Dann nun standen sie still in Skamandros blumiger Aue,

Lausende, gleichwie Blätter und knospende Blumen im Frühling. Wie von Fliegen in dichtem Gedräng die unzähligen Schaarm Rastlos in dem Gehege des ländlichen Hirten umher ziehn,

3*

470

36

Ilias.

Während der Frühlingszeit, wann Milch an den Butten herabträust:

So unzählbar standen die Hauptumlockten Achäer

Gegen die Troer im Feld und begehrten, sie ganz zu vernichten. So, wie leicht Geishirten die schweifenden Heerden der Ziegen Sondern und ordnen, nachdem sie zuvor in der Flur sich vermenget:

475

Also stellten die Führer das Volk nun hierhin und dahin Zu dem Gefechte, zugleich mit den Anderen Fürst Agamemnon,

Aehnlich an Augen und Haupte dem Donnererfreuten Kronion, Ares am Gürtel, und oben an mächtiger Brust dem Poseidon.

Wie in der Heerde der Stier der gewaltigste ist von den andern

480

Rindern allen und hoch vor den weidenden Kühen hervorragt:

So schuf Zeus des Tags den Gebieter des Volks Agamemnon

Weit vorragend und hehr vor der anderen Menge der Helden. Saget mir nun, ihr auf des Olympos Höhen, ihr Musen, Denn ihr seid Göttinnen und seid bei Allem, und wißt es;

485

Doch wir hören allein das Gerücht; sonst wissen wir gar nichts: Sagt, wer waren die Führer der Danaer? wer die Gebieter? Aber die Menge verkündig' ich nicht, noch nenn' ich die Namen,

Wären mir auch zehn Zungen und zehnfach Münder gegeben, Nimmer ermattende Stimm' und ein ehernes Herz in dem Innern,

490

Wenn die Olympischen Musen, des Zeus, des Aegidenerschütt'rers

Töchter, es nicht wohl wüßten, wie viel nach Ilios zogen. Jetzt nun nenn' ich die Führer der Schiff' und die sämmtlichen Schiffe. Alle Böotier führten Peneleos und Prothoenor, Le'ttos, Klonios ferner zugleich mit dem Arkesilaos,

495

Welche die Hyrische Flur und die felsige Aulis bewohnten, Dann das gewundene Thal Eteonos, Schönos und Skolos,

Gräa sodann und Thespea und breit in der Flur Mykalessos;

Auch die Harme umwohnten, Jlesion auch und Crythrä, Die in Peteon saßen und Eleon, ferner in Hyle

Und in Okalea, Kope und Medeons wohnlicher Veste, Dann in Eutresis, wie in der Taubengesegneten Thisbe.

500

Zweiter

Gesang.

37

Die Koronea und die mit den grasigen Au'n Haliartos,

Die Platea bewohnten und Glisas Aecker bebauten, Die Hypothebe besaßen, die wohlerbauete Veste,

505

Die Onchestos, die hehre, Poseidons Herrlichen Festhain, Auch die Arne bewohnten, das Weinland, ferner Midea,

Nisa, die göttliche, und an den äußersten Grenzen Anthedon: Die nun zogen hinaus mit fünfzig Schiffen, und jedes Trug einhundert und zwanzig böotische rüstige Männer.

510

Die in Orchomenos wohnten, der Minyschen und in Aspledon

Führten Askalaphos an und Jalmenoö, Söhne des Ares, In des Azidischen Aktor Palast von der sittigen Jungfrau, Von der Astyoche, Ares, dem mächtigen Gotte geboren,

Als sie im Obergemach' im Verborgenen mit ihm geruhet.

515

Die nun waren in dreißig geräumigen Schiffen gekommen.

Schedios aber zugleich mit Epistrophos führte Phokäer, Beide des Jphitos Söhne, des muthigen Nauboliden. Die Kyparissos besaßen und Pythons felsigen Boden,

Krisa die göttliche dann, auch Panopeus Fluren und Daulis,

520

Die um Anemorea umher und Hyampolis wohnten, Die an dem heiligen Strome Kephisos Häuser gebauet,

Dann die, welche Liläa am Quell des Kephisos besaßen: Diesen geboten die Führer in vierzig dunkelen Schiffen.

Und sie bemühten sich jetzo, die Reihn der Phokäer zu ordnen,

525

Die den Böoten zunächst nach links sich gestellt in der Rüstung. Ajas aber, O'ileus Sohn, war Führer der Lokrer,

Schnell, doch stand er an Kräften und Wuchs weit Ajas dem andern, Telamons Sohn nach, weit!

Doch klein und im leinenen Harnisch,

Warf er am besten den Speer von den Danaern und den Hellenen.

Die in Kalliaros wohnten, in Opus Fluren und Kynos,

Ferner in Bessa und Skarphe und auch in Augia, der schönen, Tarphe und Thronios Au'n, rings um des Boagrios Fluten.

Und es gehorchten ihm vierzig der dunkelen Schiffe der Lokrer,

530

38

Ilias.

Die noch jenseits wohnen der heiligen Insel Euböa.

535

Dann Euböas Bewohner, das muthige Volk der Wanten,

Die von Eretria, Chalkis und von Histiäa, der Weinflur, Die von Kerinthos am Meer und von Dios mächtiger Veste, Die in Karystos wohnten und Styros Fluren besaßen:

Diesen gebot als Führer Elphenor, Sprößling des Ares,

540

Don Chalkodon erzeugt, als Fürst der beherzten Wanten.

Dieser befahl den Wanten, den rüstigen, lockenumwallten

Schwingern deS Speers, die suchten den feindlichen Männern den Harnisch Ueber der Brust mit dem Stoße der eschenen Lanzen zu brechen. Der war Führer der Männer in vierzig dunkelen Schiffen.

545

Dann die Athenä bewohnten, des muthigen Helden ErechtheuS Wohnliche Stadt und Gebiet, den einst Athenäa, Kronions

Tochter gepflegt, (es gebar ihn die Nahrungspendende Erde,) Und in Athenäs Tempel, den stattlichen, mit sich genommen, Wo mit den Stieren und Lämmern das Herz der erhabenen Göttin

550

Jüngling' Athenäs erfreun in der kreisenden Jahre Vollendung: Diese befehligte Peteos Sohn als Führer, MeneStheuS,

Welchem es niemals einer der Erdebewohnenden Menschen Gleich that, Rosse zu ordnen und Schildbewaffnete Männer, Außer dem Nestor allein; doch der war älter an Jahren.

555

Dieser gebot als Führer in fünfzig dunkelen Schiffen. Ajas hatte von Salamis her zwölf Schiffe geführet,

Die er nachher aufstellte zunächst an den Reihn der Athener. Dann die Argos ferner und Tiryns Veste bewohnten,

Asine und Hermione auch mit den trefflichen Buchten,

560

Trözen', Gone dann, und das Traubengefild' Epidauros; Dann von Aegina und Mases die rüstigen Männer Achajas:

Diesen gebot als Führer der Rufer im Streit Diomedes, Sthenelos mit ihm, des KapaneuS Sohn, des gepriesenen Helden,

Und als dritter Gebieter Euryalos, ähnlich den Göttern, Er, des Mekistheus Sohn, des Talcuonidischen Herrschers;

565

Zweiter

Gesang.

39

Aber es führte sie Alle der Rufer im Streit Diomedes, Und sie gehorchten den Führern in achtzig dunkelen Schiffen.

Die Mykene bewohnten, die Stadt voll prangender Häuser,

Ferner KorinthoS die reich' und Kleonä, herrlich erbauet,

570

Die Orneä bewohnten und. Aräthyrea, die schöne, Sikyon auch, wo früher Adrastos König gewesen,

Die Hyperesia und Gonoessa, die hohe bewohnten,

Auch Pellene und die ringsher um Aegion saßen, Längs an dem ganzen Gestad' und in Elikes weitem Gefilde:

575

Hundert Schiffen von diesen gebot Agamemnon, der Herrscher,

Atreus Sohn.

Ihm folgten die meisten zugleich und die besten

Schaaren, in denen er selbst mit dem funkelnden Erze gewaffnet, Herrlich und stolz vorragt' in der Zahl der gebietenden Helden,

Weil er der edelste selbst, viel Volk herführte vor Allen.

580

Die Lakedämon bewohnten, die hüg'lige, Schluchtenumgeb'ne,

Sparta und Pharis auch, und die Taubengesegnete Messe, Die Augeä bebauten, die liebliche, ferner Brysea, Die in Amyklä dann und in Helos saßen, der Meerburg;

Dann, die Laas besaßen und Oetylos Fluren bebauten:

585

Diesen gebot sein Bruder, der Rufer im Streit Menelaos,

Führt' auf sechzig Schiffen sie her, und sie standen besonders.

Aber er selbst durchschritt sie, dem eigenen Muthe vertrauend, Mahnte sie an zu dem Kampf und begehrt' in den: Herzen am meisten, Bald für die Seufzer und Mühen um Helena Rache zu üben.

590

Die in Pylos und die in der lieblichen Flur von Arene,

Wohnten, in Thryos, der Fuhrt des Alpheos, und Aepy, der festen,

Auch die Kyparisseis und Amphigenia besaßen, Pteleos, Helos und Dorion, wo von den Musen der Thraker

Thamyris seines Gesanges beraubt ward, ihnen begegnet, Da er von Eurytos kam, dem Oechalier, weil er vermessen Dennoch den Sieg zu gewinnen geprahlt, wenn selber die Musen Gegen ihn sängen, die Töchter des ZeuS, des Aegidenbewehrten

595

40

Ilias.

Aber die Zürnenden machten ihn blind, und beraubten des Liedes Göttlicher Gab' ihn zugleich mit dem tönenden Spiele der Laute.

600

Diesen gebot als Fürst der gerenische, reisige Nestor,

Und ihm gehorchten die Schaaren in neunzig räumigen Schiffen.

Die in Arkadia wohnten, am Hang des Kyllenischen Berghaupts,

Nächst dem äpytischen Male, geübt in dem Kampf in der Nähe; Dann die Pheneos Flur und Orchomenos Tristen bewohnten,

605

Ripe und Stratia und die vom Wind durchwehte Enispe, Dann die Tegeas Flur nnd Mantinea nährte, die schöne,

Die Stymphalos Gebiet und Parrhasias Acker bebauten:

Diesen befahl Ankäos gebietender Sehn Agapenor, Führer von sechzig Schiffen, und viel der Arkadischen Männer

610

Fuhren in jeglichem Schiffe mit ihm, wohl kundig deS Kampfes.

Und der Gebieter des Volks Agamemnon selber gewährte Jenen die rüstigen Schiffe, das dunkele Meer zu befahren,

Atreus Sohn, da sie um die Meerfahrt nie sich gekümmert.

Die Buprasion dann und die heilige Elis bewohnten,

615

WaS Hyrmine umher und Myrsinos äußerste Grenzstadt,

Hier der olenische Felsen und dort Aleision einschließt: Diese befehligten vier, und jeglichem Führer gehorchten

Zehn von den eilenden Schiffen, bemannt mit vielen Epeern. Mit dem Amphimachos war Held Thalpios Führer der Einen,

620

Jener des Kleatos Sohn, der Eurytos, Aktorionen.

Andere führte Diores, der tapfere Sohn Amarynkeus'. Endlich den Vierten gebot der erhabene Held Polyrenos,

Welchen Agasthenes zeugte, der Augeiadische Herrscher. Die Dulichion dann und die heiligen Echinaden

625

Dort bei Elis bewohnten, hinaus weit drüben im Meere:

Diese befehligte Meges, dem Ares selbst zu vergleichen, Phyleus Sohn, des erhab'nen, des Nossebezähmenden Phyleus,

Welcher, dem Vater erzürnt, auszog in Dulichions Fluren:

Und eS gehorchten ihm vierzig im Meer hineilende Schiffe.

630

Zweiter

Gesang.

41

Ferner Odysseus führte die muthigen Kephallenen, Die auf Ithaka wohnten und Neritons waldigen Höhen,

Und Krokylea bebauten und Aegilips rauhe Gefilde, Die Zakynthos bewohnten und Samos Insel besaßen,

Auch in dem Festland die an der nahe gelegenen Küste:

635

Diese befehligte, Zeus an Weisheit ähnlich, Odysseus, Und ihm gehorchten die Schaaren in zwölf rothwangigen Schiffen.

Thoas aber, der Sohn des Andrämon kam mit Aetolern, Die um Pleuron wohnten und Olenos her, und Pylene,

Ferner in Chalkis am Meer, und in Kalydons felsiger Gegend

640

Denn schon lebten die Söhne des Oeneus nimmer, des tapfern,

Nimmer er selbst, noch lebte der bräunliche Held Meleagros:

So ward jenem vertraut, als Fürst die Aetoler zu führen. Und es gehorchten zusammen ihm vierzig dunkele Schiffe. Aber Jdomeneus führte, der Lanzenberühmte, die Kreter,

645

Welche in Knossos und Gortyn, der Mauerumgebenen, wohnten, Dann in Miletos und Lyktos, im Glanzumstrahlten Lykastos,

Phästos und Rhytios, fröhlich in Wohlstand blühenden Städten,

Und die sonst auf Kreta, der hundertstädtigen wohnten. Diesen gebot als Führer Jdomeneus, mächtig im Speerwurf,

650

Mit ihm Meriones, ähnlich dem Männervertilgenden Ares: Achtzig folgten den beiden im Meer hineilende Schiffe.

Aber der Heraklide Tlepolemos, groß und gewaltig, Führt' auf neun Meerschiffen der Rhodier trotzige Schaaren, Die auf Rhodos wohnten, daselbst dreifältig getheilet,

655

In Jalysos, in Lindos und dann in der weißen Kamiros. Ihnen gebot als Führer Tlepolemos, mächtig im Speerwurf,

Welchen des Herakles Kraft einst Astyochea geboren, Die er aus Ephyre führte, vom mächtigen Strome Selle'ls,

Als er daselbst viel Städte der göttlichen Männer zerstöret. Aber nachdem in dem festen Palast Tlepolemos aufwuchs:

Da erschlug er dem Vater den Oheim gleich, den geliebten,

660

42

Ilias.

Schon von dem Alter ergrauet, Likymnios, Ares Erzeugten,

Baute sich Schiffe sogleich und versammelte Männer in Menge,

Daß er von dannen entfloh auf's Meer, weil alle die andern

665

Enkel und Söhn ihn bedrohten der heiligen Kraft deS Herakles. Aber er flüchtet' in Leiden umher, und gelangte nach Rhodos. Dreifach wohnten sie dort, nach Stämmen getheilt, und gesegnet

Bon dem Kroniden, der Götter und sterblichen Menschen Beherrscher, Und sie empfingen von ZeuS die unendliche Fülle deS Reichthums.

670

Nireus kam aus Syma mit drei gleichschwebenden Schiffen, Nireus, CharopoS Sohn, des Gebietenden und der Aglaja, NireuS von den Achäern vor JlioS allen der schönste

Nach dem untadligen Sohne des Peleus; aber er war nur Schwächlich an Kraft, und eS folgten ihm auch nur wenige Männer.

675

Die von Nisyros dann und von Krapathos die, und von KasoS, KoS, Eurypylos Stadt, und von den Kalydnischen Inseln,

Denen zugleich PhidippoS und AntiphoS herrschend geboten,

Thessalos Söhne, sie beide, deS Heraklidischen Königs. Ihnen gehorchten die Schaaren in dreißig wölbigen Schiffen.

680

Dann auch Alle, so viel das pelasgische ArgoS bewohnten,

Welche die Wohnung in HaloS und Alope hatten und Trachis,

Phthia's Bewohner und Hellas sodann mit den lieblichen Frauen, Myrmidonen genannt uud Hellenen zugleich und Achäer: Ihnen gebot als Führer in fünfzig Schiffen Achilleus.

685

Doch jetzt dachten sie nimmer deS schrecklichen KampfeSgetümmels,

Weil sie ja Niemand hatten, die Reihn als Führer zu leiten. Denn er lag in den Schiffen, der göttliche Renner Achilleus, Wegen des WeibeS erzürnet, deö Brises lockiger Tochter, Die er sich aus Lyrnessos entführt, nach unendlichen Mühen,

Als er die Stadt Lyrnessos und Thebes Mauern zerstöret,

Mynes niedergestreckt und EpistrophoS, Schwinger des Speeres,

Die Euenos gezeuget, der Selepiadische König. Um sie lag er erzürnt; bald sollt' er jedoch sich erheben.

690

Zweiter

Gesang.

Dann die Phylake bauten und PyrasoS Blumengefilde,

43 695

Welche Demeter bewohnt, und die Lämmergesegnete 3ton;

Antron ferner am Meer und Pteleos rasige Fluren: Diese befehligte sonst der gewaltige ProtesilaoS, Während er lebte, jedoch nun deckt' ihn die dunkele Erde.

Dem blieb Kummerverzehret in Phylake seine Gemalin

700

Und ein verwaisetes HauS; ihn erschlug ein dardanischer Krieger, AlS er herab von dem Schiff sprang, von den Achäern den ersten.

Wohl zwar führte sie einer; indeß sie vermißten den Fürsten. Denn jetzt ordnete jene PodarkeS, Ares Genosse, PhylakoS Enkel, des reichen an Dich, und der Sohn des Jphiklos,

705

Leiblicher Bruder des kühnen, gewaltigen ProtesilaoS, Jünger indeß von Geburt, und der ältere war und der stärk're ProtesilaoS, ein Held, gleich Ares.

Also gebrach es

Nicht an dem Führer den Völkern; allein sie vermißten den Edlen.

Und ihm gehorchten die Schaaren in vierzig dunkelen Schiffen.

710

Dann die Phthia, umher um den See Böbe'iS bebauten, Böbe und Glaphyrä dort, und JolkoS wohnliche Veste:

Diesen gebot Eumelos, der theuere Sohn deS AdmetoS,

Auf elf Schiffen.

AdmetoS gebar ihn die edle der Frauen

Einst, AlkestiS, unter deS PeliaS Töchtern die schönste.

715

Die Thaumakia ferner und die Methone bewohnten, Und Meliböa besaßen, uud rauh von Gebirgen Olizon:

Diese befehligt', im Schuß mit dem Bogen geübt, Philoktetes. Fünfzig Ruderer waren in jeglichem Schiff von den sieben,

Alle geübt, mit des Bogen Gewalt das Gefecht zu bestehen.

720

Doch er lag auf der Insel und duldete heftige Schmerzen, Fern auf LemnoS der hehren, von Argos Söhnen verlassen,

Krank an der eiternden Wunde, vom Biß der verderblichen Schlange. Da lag jener in Leiden; indeß bald sollt' an den Schiffen

Argos Heer wohl denken an Philoktetes den Herrscher. Wohl zwar führte sie einer, indeß sie vermißten den Fürsten,

725

Ilias.

44

Medon stellte sie, Sohn des Oileus außer der Ehe,

Welchen dem Städteverwüster ONeüs Rhene geboren. Die dann, die in Jthome, der felsigen, wohnten und Trikka,

Und in Oechalia dann, des Oechaliers Eurytos Veste:

730

Ihnen geboten die zwei heilkundigen Männer, Machaon

Und Podalirios, von dem Asklepios beide gezeuget) Und sie geboten den Schaaren in dreißig räumigen Schiffen. Die in Ormenion wohnten, und die an dem Quell Hyperea,

Die in Asterion und um des Titanos schimmernde Höhen

735

Folgten Eurypylos nach, dem erhabenen Sohn des Euämon,

Und ihm gehorchten die Schaaren in vierzig dunkelen Schiffen.

Die Argissa bewohnten und die Gyrtone bebauten,

Orthe, Elone und ferner die schimmernde Stadt Oloosson: Ihnen gebot als Führer der tapfere Held Polypoetes,

740

Sohn des Pirithoos, welcher ein Sohn des unsterblichen Zeus war.

Und dem Pirithoos ward er von Hippodamia geboren,

Jener gepriesenen, als er die zottigen Pheren bestrafte, Und sie von Pelion drängend hinab zu der Aethiker Volk trieb. Doch nicht er nur, mit ihm Leonteus, Ares Genosse,

745

Welchen Koronos erzeuget, der übergewalt'ge Känide:

Diesen gehorchten die Schaaren in vierzig dunkelen Schiffen. Guneus führte der Schiff' aus Kyphos zwei und zwanzig,

Und Eniener gehorchten zugleich ihm und tapf're Peräber, Die um Dodona, die rauhe, die Wohnungen rings sich gegründet,

750

Die um den lieblichen Strom Titaresios Länder bebauten,

Der in die Flut des Peneos das herrliche Wasser ergießet,

Aber sich nimmer vermischet in Peneos Silbergestrudel,

Sondern von oben beständig, dem Oel gleich, über ihn hinfließt,

Weil er der stygischen Flut des gewaltigen Eides entströmet. Prothoos aber, der Sohn Tenthredons führte Magneten,

Die am Peneos umher und des Pelion rauschenden Waldhöhn

Wohneten.

Prothoos führte sie an, voll rüstigen Muthes,

755

Zweiter

Gesang.

45

Und ihm gehorchten die Schaaren in vierzig dunkelen Schiffen. Diep nun waren des Danaervolks Anführer und Fürsten.

Wer nun war von diesen der trefflichste?

760

Sag' es, o Muse,

Unter den Männern und Rossen, so viel dem Atriden gefolget?

Weit die vortrefflichsten waren die Rosse des Pheretiaden, Von Eumelos geleitet, im Lauf gleich fliegenden Vögeln, Gleich sich an Haar und an Alter und ganz gleich hoch mit dem Rücken. 765

Und in Perea erzog sie der Bogenberühmte Apollon, Stuten, sie beide, sie trugen des Ares Graun in die Schlachten.

Aber der tapferste Mann war Asas, Telamons Sprößling,

Während des Zorns des Achilleus, der war herrlich vor Allen, Und das Gespann auch, welches des Peleus trefflichen Sohn trug.

770

Doch der lag in den dunkeln, im Meer hineilenden Schiffen,

Auf den Gebieter des Volkes, des Atreus Sohn, Agamemnon, Heftig erzürnt, und es warf sein Volk an dem Meeresgestade, Sich zu erlustigen, Scheiben und schoß mit den Spießen und Bogen, Während die Ross' an den Wagen umher, vor dem Seinigen jedes,

775

Standen und Lotos fraßen und Sumpfentsprossenen Eppich. Aber die Wagen der Fürsten, bedeckt mit den Teppichen, standen In den Gezelten, und sie, den gewaltigen Führer vermissend,

Gingen von Einem zum Andern im Heer, doch nicht zu dem Kampfe.

Die nun zogen daher, als loderte Feuer vom Boden,

780

Und es erbebte der Grund, wie unter dem Donnererfreuten Zeus, der zürnend das Land des Typhoeus schlägt mit der Geißel,

Arima, wo sie erzählen, Typhoeus ruh' in dem Lager: Also dröhnte gewaltig der Grund von der ziehenden Völker Schritten, indem sie mit Macht hineileten in dem Gefilde.

785

Da kam schnell zu den Troern die eilende Iris, die Botin

Von dem Aegidenbewaffneten Zeus mit der traurigen Kunde, Wle sie zu Rath dort saßen an Priamos Thore versammelt, Alle vereinet, die jungen sowohl als älteren Männer.

Und es begann, jetzt nahe, die windschnell eilende Iris,

790

46

Ilias.

Gleich an dem Tone der Stimme deS Priamos Sohne Polites, Der als Späher der Troer, den hurtigen Füßen vertrauend,

Auf Aesyetes Grab, des Erhabenen, oben gesessen,

Um zu erspähn, wann etwa die Danaer kämen vom Lager.

Dem nun gleich an Gestalt sprach also die eilende Iris:

795

Findest du doch, Greis, immer an eitelen Reden Gefallen, Wie in dem Frieden vordem, und der Kampf, der entsetzliche, nahet. Wahrlich ich bin wohl oft zu den Känipfen der Männer gekommen;

Aber ein Heer so nrächtig und zahlreich sah ich noch niemals. Denn, gleich Blättern des Waldes an Zahl und dem Sande des Meeres, 800 Z iehen sie in dem Gefilde daher zu dem Kampf um die Veste.

Hektor, dir nun rath' ich zumeist, jetzt so zu verfahren. Viel sind Bundesgenossen in Priamos mächtiger Veste,

Andre von anderer Sprache der weithin wohnenden Menschen: Führe von diesen ein jeder die Seinigen, die er beherrschet;

805

Stell' er die Bürger in Ordnung und führe sie aus zu dem Kampfe. Also sprach sie, und Hektor erkannte die Stimme der Göttin, Löste den Rath gleich auf, und sie eilten davon zu den Waffen,

Oeffneten alle die Thore der Stadt, und es stürzte das Kriegsherr, Streiter zu Fuß und zu Wagen, hinaus mit unendlichem Toben.

810

Dort liegt außer den Thoren der Stadt ein erhabener Hügel, Fernab in dem Gefilde, von hier und von da zu umgehen, Der wird nun Batiea genannt von den Männern, dagegen

Unter den Göttern das Mal der im Tanze geübten Myrine. Dort nun stellten die Troer sich auf und die Bundesgenossen.

815

Hektor führte die Troer, der Held mit dem wallenden Helmbusch,

Priamos Sohn, und die, meisten zugleich und die tapfersten Schaaren Zogen gerüstet ihm nach, in Begier nach dem Kampf mit der Lanze. Ferner die Dardaner führte der muthige Sohn des Anchises,

Held Aeneas, Anchises von Llphrodite geboren, Die sich dem Manne die Göttin gesellt in dm Schluchten des Ida.

Aber es führten mit ihm sie Antenors Söhne, die beiden,

820

Zweiter

Gesang.

47

Akamas mit dem Antilochos, stark in den sämmtlichen Kämpfen. Die Zelea bewohnten, am untersten Fuße des Ida,

Welche die dunkele Flut des Aesepos trinken, begütert,

825

Troischen Stamms: die führte der glänzmde Sohn des Lykaon,

Pandaros, welchem den Bogen Apollon selber verliehen. Die des Apäsos Fluren und Adrastea bewohnten,

Und Pityeas Stadt und Tereas hohes Gebirge: Ihnen geboten Adrastos und linnengeharnischt Amphios,

830

Beide von Merops erzeugt, dem Perkosier, welcher vor Allen Weis' als Seher, den Söhnen den Zug zu dem mordenden Kriege Nimmer gestattete; doch sie beachteten beid' in dem Herzen Nicht sein Wort: so trieb sie das dunkele Todesverhängniß. Die Perkote sodann und Praktion rings umwohnten,

835

Sestos ferner, Abydos sodann und Arisbe die hehre:

Sie führt' Asios, Hyrtakos Sohn, der Gebieter der Männer, Asios, Hyrtakos Sohn, von den bräunlichen, mächtigen Nossen

Her von Arisbe geführt, von dem wallenden Strome Selleis. Aber Hippothoos führte die wüthige Schaar der Pelasger,

840

Die um Larissas Mauern die üppigen Fluren bewohnten.

Sie mit Hippothoos führte des Ares Sprosse Pyläos,

Beide von Teutamos Sohne gezeugt, dem Pelasgischen Lethos. Piroos aber, der Held, mit dem Akamas führte die Thraker,

Welche der Hellespontotz umschließt mit der mächtigen Strömung;

845

Dann Euphemos gebot den im Speerkampf tapfern Kikonen,

Den Trözenos gezeuget, der Götterentstammte Keade. Aber Pyrächmes führte die Bogenbewehrten Päonen

Fern aus Amydon her, von des Arios breitem Gewässer, Arios, welcher int Land mit dem herrlichsten Wasser dahinströmt. Ferner gebot Paphlagonen Pylämenes, trotzigen Herzens,

Her von den Enetern, wo das Geschlecht wild lebender Mäuler,

Die um Kytoros saßen und rings um Sesamos wohnten, Und an Parthenios Strom sich gepriesene Häuser gebauet,

850

48

Ilias.

Und um Aegialos, Kromna und um Erythine, die Hobe.

855

Hodios mit dem Epistrophos aber gebot Halizonen,

Fern aus Alybe her, dem Erzeugungslande des Silbers. Chromis führte die Myser und Ennomos, kundig der Vögel; Aber er wehrte des dunklen Geschicks sich nicht mit den Vögeln;

Sondern er fiel von den Händen des Äakidischen Nenners,

860

Da er im Strome zugleich auch andere Troer erwürgte.

Phorkys dann und der Held Askanios führten die Phryger

Fern von Askania her, die Schlachtengetümmel erfreute. Dann den Mäonischen Männern gebot mit dem Antiphos Mesthles,

Beide Talämenes Söhn' und der Nymph' in dem See Gygäa,

865

Diese geboten zugleich der mäonischen Schaar von dem Tmolos. Nastes führte die Karen, ein Volk barbarischer Mundart, Welche Miletos bewohnten und Phthires waldige Berge, Um des Mäandros Fluten und Mykales felsige Höhen:

Diesen gebot als Führer Amphimachos herrschend und Nastes,

870

Nastes mit dem Amphimachos, glänzende Söhne Nomions; Und mit dem Goldschmuck zog er hinaus in den Kampf, wie ein Mädchen, Thöricht, da es ihn nicht vor dem kläglichen Tode beschützte;

Sondern er fiel von den Händen des Aeakidischen Nenners

Dort in dem Strom', und es nahm ihm das Gold der erhab'ne Achilleus. 875

Lykier führte Sarpedon zugleich mit dem herrlichen Glaukos, Fern aus Lykia her, von Xanthos wirbelnden Fluten.

Dritter Gesang nachdem sich alle zugleich mit den Führern geordnet, Zogen die Troer daher mit Geschrei und Getös gleich Vögeln, Wie das Geschrei von Kranichen wohl von dem Himmel herab tönt,

Die, dem unendlichen Regen entflohn und der winternden Jahrszeit, Ueber die strömende Flut des Okeanos schreiend dahin ziehn,

5

Um den Pygmäischen Männern das Todesverderben zu bringen, Und in der dämmernden Frühe sich nahn zu dem schrecklichen Kampfe.

Doch ganz lautlos schritten, die Brust voll Muth, die Achäer, Jeder bereit in dem Herzen, dem Anderen Hülfe zu leisten.

Wie um die Höhn des Gebirges der Südwind Nebel verbreitet,

10

Hirten verhaßt, doch günstig dem Dieb, mehr als es vie Nacht ist.

Denn man sieht nur um sich, so weit, als einer den Stein wirft:-

So auch wirbelte Staub in Gewölk von der kommenden Männer

Füßen empor, und sie eilten mit Macht hin durch das Gefilde. Aber nachdem sie einander sich nun hinschreitend genahet,

15

Trat von den Troern der Held Alerandros vor zu dem Kampfe,

Welcher, das Pardeifell und das krumme Geschoß um die Schultern, Neben dem Schwert zwei Lanzen, gespitzt mit dem schneidenden Erze,

Schwang, und von den Achäern die Tapfersten alle hervorrief, Ihm sich entgegen zu stellen im schrecklichen Kampf der Entscheidung.

Als nun ihn Menelaos, der muthige Kämpfer erblickte, Wie er hervortrat aus dem Gewühl mit gewaltigen Schritten:

20

50

Ilias.

So wie ein Löwe sich freut, der größerer Beute begegnet,

Wann er den Hirsch mit dem hohen Geweih trifft oder den Gemsbock, Hungergetrieben, und hastig ihn aufschlingt, ob ihn umher auch

25

Flüchtige Hund' angreifend und rüstige Männer bedrängen: Also freute sich dort Menelaos, den Held Alerandros Jetzt mit den Augen zu sehn, und er dacht' ihn zu strafen, den Frevler.

Und mit der Rüstung sprang er sogleich an die Erde vom Wagen. Als nun ihn der erhabene Held Alerandros erblickte,

30

Wie er die vordersten Reihn durchschritt: da bebt' er im Herzen, Daß er, dem Tod zu entgehn, in die Schaar der Genossen zurückrrat. Wie wann Einer die Natter erblickt und sich eilig znrückzieht,

In der Gebirgsschlucht: Zittern befällt ihn an Knieen und Schenkeln,

35

Und ihm erbleichen die Wangen, indem er in Eile zurückweicht:

Also verbarg sich dort im Gewühl der erhabenen Troer,

Vor dem Atriden erschrocken, der göttliche Held Alerandros. Da schalt Hektor, indem er ihn sah, ihn mit schmähenden Worten: Paris, von Ansehn schön, Weibsüchtiger, schlauer Verführer,

Wärst du doch nimmer geboren und vor der Vermälung gestorben!

40

Wahrlich es wäre mir lieber, und wär viel besser gewesen,

Als daß jetzt du, ein Schimpf und verhöhnt, dastehest vor Allen' Ja, wohl, mögen sie lachen, die Hauptumlockten Achäer, Da sie dich trefflich gewähnt zu dem Vorkampf, weil du von Ansehn

Schön bist; aber dir fehlet die Kraft und der Muth in dem Herzen!

45

Wie nur zogst du, so feig ! in den Meerdurcheilenden Schiffen Ueber die Fluten hinaus im Geleit der ergebenen Freunde,

Daß du, den Fremden gesellet, ein herrliches Weib dir entführtest

Aus dem entlegenen Lande, die Schwägerin tapferer Männer? Wohl zum Leiden dem Vater, der Stadt und dem sämmtlichen Volke;

Doch zur Lust für die Feind',, und dir selbst zum schmählichen Vorwurf!

Also erwartest du nicht ihn, den tapferen Held Menelaos? Lern' ihn doch kennen, den Mann, deß blühendes Weib du besitzest!

Nichts hüls dann, dir die Laut' und der Aphrodite Geschenke,

50

Dritter Gesang.

51

Nichts dein Haar und die schöne Gestalt mehr, wann du im Staub lägst! 55

Aber es fehlet den Troern an Muth; sonst, wahrlich, umgab schon Längst dich ein steinerner Rock für das Unheil, das du gestiftet!

/Da sprach jenem entgegnend der göttliche Held Alerandros: Hektor, da du mich nicht mit Unrecht, sondern mit Recht schiltst —

Niemals beuget sich dir dein Herz in dem Innern, der Art gleich,

60

Die in des Zimmerers Hand durch Holz dringt, wann er mit Einsicht

Balken behaut zu dem Schiff, und dem Mann in de^r Schwünge die Kraft mehrt,

So wird dir auch nimmer der Muth in dem Herzen erschüttert — Wirf mir die lieblichen Gaben der goldenen Aphrodite Nicht vor: nimmer verschmähn wir der Himmlischen herrliche Gaben,

65

Die sie uns schenken und keiner sich selbst nimmt, wie es ihm gut dünkt. Wenn du indessen verlangest, ich soll jetzt kämpfen und fechten: Heiße die Anderen ruhen, die Danaer all' und die Troer;

Dych mich laßt vor dem Volk mit dem tapferen Held Menelaos Kämpfen um Helena selbst und zugleich um die sämmtlichen Güter.

70

Wer dann über den andern den Sieg mit der Stärke davonträgt, Der nimmt all' dieß Gut und die Frau, und er führt sie nach Hause;

Doch ihr Andern, nachdem ihr der Freundschaft Bündniß beschworen, Wohnt in der scholligen Troja, und die ziehn wieder nach Argoö

Rossegesegneter Flur und der Frauenberühmten Achaja.

75

Sprach es, und Hektor hörte das Wort voll Freud' in dem Herzen, Trat in die Mitte hinein, und die Lanze gefaßt in der Mitte,

Hielt er die Schaaren der Troer zurück: da ruhten sie Alle. Doch von den Bogen entsandten die Hauptumlockten Achäer Zielend die Pfeil' auf jenen und schleuderten gegen ihn Steine.

80

Da sprach laut ausrufend der herrschende Fürst Ylgamemnon: Haltet, ihr Danaer, werfet mir jetzt nicht, Männer Achajas;

Denn er begehret zu reden, der helmbuschnickende Hektor! Sprach's, da hielten sich jene zurück von dem Kampf, und in Ruhe Standen sie plötzlich, und Hektor begann in der Mitte der Völker:

Höret, ihr Troer das Wort und ihr wohlumschienten Achäer,

4*

85

52

Ilias.

Das Alerandros sprach, um welchen der Streit sich erhoben.

Alle die anderen Troer und Danaer heißt er der Rüstung Schmuck ablegen sogleich an die Nahrungspendende Erde,

Daß er allein vor dem Volk mit dem tapferen Held Menelaos

90

Hier um Helena kämpf' und zugleich um die sämmtlichen Güter. Wer dann über den andern den Sieg mit der Stärke davonträgt, Der nimmt all dieß Gut und die Frau, und er führt sie nach Hause,

Doch wir Andern beschwören der Freundschaft dauerndes Bündniß. Also sprach er zu ihnen, und ringsum schwiegen sie alle.

95

Da sprach so zu dem Volke der Rufer im Streit. Menelaos:

Höret denn nun auch mich; denn, mein Herz trifft ja der Kummer

Mehr als All', und ich denke gewiß, jetzt scheidet ihr friedlich, Ihr Argeer und Troer, nachdem ihr so Vieles gelitten Wegen des Streites, mit mir von dem Held Alerandros begonnen.

100

Welchem von uns nun jetzo dem Tod zu erliegen verhängt ist:

Der mag sterben; indeß ihr scheidet sogleich von einander. Doch nun bringt zwei Lämmer, ein weißes herbei und ein schwarzes,

Gäa und Helios eins; Zeus bringen wir selber ein andres.

Priamos Macht auch rufet herbei, auf daß er das Bündniß

105

Selber beschwört; denn trotzig und treulos sind ja die Söhne, Daß nicht einer im Frevel nachher Zeus Schwüre verletze,

Wie sich den Jüngeren immer das Herz leichtsinnig erhebet.

Ist dann aber ein Alter dabei, so bedenkt er die Zukunft Und das Vergangene, wie es am sichersten beiden gedeihe.

110

Sprach es, und beide vernahmen eö froh, die Achäer und Troer,

All' in der Hoffnung, bald von dem traurigen Kampfe zu ruhen;

Zogen die Rosse zurück in die Reihn und entstiegen den Wagen, Thaten die Rüstungen von sich und legten sie hin an die Erde, Dicht an einander: es war nur weniger Boden dazwischen.

Hektor aber entsendete zwei Herolde nach Troja,

Eilig die Lämmer zu holen und Priamos her zu berufen. Und den Talthybios sandte der herrschende Fürst Agamemnon,

115

Dritter

Gesang.

53

Hieß zu den räumigen Schiffen ihn gehn, um das Lamm ihm zu bringen,

Und er gehorchte sogleich dem erhabenen Held Agamemnon.

120

Aber zu Helena ging, der Argeerin, Iris, die Botin,

Völlig der Schwägerin ähnlich, des Antenoriden Gemalin,

Die des Antenor Sohn, Helikaon, der Fürst, sich erkoren, Priamos Tochter, Laodike, schön vor den Anderen allen.

Und im Gemach war jen', und sie webt' ein gewaltig Gewebe,

125

Doppelt und purpurn, ganz durchwirkt mit den mancherlei Kämpfen Rossebezähmender Troer und Erzumwehrten Achäer, Welche sie um sie bestanden mit Leid von den Händen des Ares.

Und es begann, ihr genahet, die leicht hinschwebende Iris:

Komm jetzt, theuere Frau, die gewaltigen Thaten zu schauen

130

Rossebezähmender Troer und Erzumwehrter Achäer,

Die im Gefild nun eben, nach schrecklichem Kampfe begierig, Unter einander sich drohten mit Ares Jammer und Grauen,

Doch nun still dastehen — es ruht das Getümmel des Kampfes — Gegen die Schilde gelehnt, und die mächtigen Speer' in dem Boden.

135

Nur Alerandros allein und der tapfere Held Menelaos

Werden mit mächtigen Speeren um dich sich einander bekämpfen;

Wer dann siegt, der nennt dich nachher die geliebte Gemalin. So sprach zu ihr die Göttin und haucht' ihr ein süßes Verlangen

In das Gemüth nach dem frühern Genial und der Stadt und den Eltern. 140 Schnell in den Schleier gehüllt von der glanzhell stralenden Leinwand,

Eilte sie aus dem Gemach, voll rinnender Thränen die Augen,

Nicht sie allein, ihr folgten zugleich zwei dienende Jungfraun, Aethra, des Pittheus Tochter, und Klymene, herrlichen Blickes.

Also gelangten sie nun bald hin zu dem Skäischen Thore.

145

Priamos aber, der Herrscher, und Panthoos mit dem Thymötes,

Lampos, Klytios ferner und Ares Sproß Hiketaon, Auch Ukalegon mit dem Antenor, beide verständig,

Saßen, die ältesten Fürsten des Volks, auf dem Skäischen Thore,

Wegen des Alters nicht in dem Kampf mehr, aber im Rathe

150

54

Ilias.

Treffliche Redner, Cicaden vergleichbar, die in der Waldung,

Sitzend im buschigen Laub, bell schwirrende Stimmen ergießen. Also saßen die Fürsten des Troischen Volkes im Thurme.

Als nun diese die. Helena sahn zu dem Thurme daher gehn,

Sprachen sie unter einander sogleich die. geflügelten Worte:

155

Niemand tadle die Troer und wohlumschienten Achäer, Daß sie so lang' um ein Weib, wie dieß, viel Leiden erdulden!

Wahrlich, der Himmlischen Einer, der Göttinnen, gleicht sie von Ansehn! Aber so schön auch, möchte sie doch heimziehn mit den Schiffen,

Daß sie dm Kindern und uns nicht ferneres Wehe bereite !

160

Also die Fürsten, und Priamos rief gleich Helena zu sich:

Komm, mein Töchterchen, näher zu uns her, setze dich zu mir, Daß du den frühern Gemal hier siehst und die Freund' und Verwandten.

Du Hast nimmer die Schuld, die unsterblichen Götter verschulden's, Die mir der Danaer Krieg zu unendlichem Jammer erregten,

165

Daß du den Helden mir auch, den gewaltigen, nennest mit Namen, Wer der achäische Mann dort ist, der erhabene, große.

Zwar sind höher von Haupt wohl Andere noch in dem Heere,

Aber an Schönheit sah ich, wie ihn, noch keinen mit Augen,

Noch so erhaben und würdig: er scheint mir ein herrschender König.

170

Da sprach Helena wieder, die göttliche unter den Frauen:

Theuerer Schwäher, ich ehre dich hoch, voll Scheu in dem Herzen! Hätt' ich den schrecklichen Tod doch damals lieber gewählet,

Eh ich dem Paris gefolgt, und das Haus und die Freunde verlassen, Und mein spät mir geborenes Kind und der Jugend Geliebte!

175

Aber es ward nicht so! drum wein' ich und möchte vergehen!

Dieses indeß nun sag ich dir, was du zu wissen begehrest:

Atreus Sohn ist dieß, der gebietende Fürst Agamemnon, Beides, ein trefflicher König und stark in dem Kampf mit dem Speere,

Einst mein Schwager, der Schändlichen! ja, einst war er es, leider!

Also sprach sie zu ihm, und der Greis rief aus, in Bewund'rung:

Herrlicher Atreione, Gesegneter, glücklich Geborner,

180

Dritter

Gesang.

55

Wahrlich, unzählige Männer Achajas sind dir gehorsam!

Einstmals kam ich ja auch nach Phrygias blühendem Weinland, Wo ich ein mächtiges Heer Gaultummelnder, phrygischer Männer

185

Sahe, des Otreus Volk und des Götterentsprossenen Mygdon,

Welches umher an den Ufern Sangarions weit sich gelagert; Denn auch i ch war jenen ein Bundesgenosse des Tages, Als in das Land amazonisches Volk, Mannweiber, gekommm:

Doch auch sie nicht glichen an Zahl den Achäischen Kriegern.

190

Und den Odysseus sahe der Greis, und er fragte von Neuem:

Sage mir doch nun Töchterchen auch, wie dieser genannt wird, Weniger hoch mit dem Haupt als Atreus Sohn Agamemnon, Aber von breiterem Wuchs um die Brust und die Schultern von Ansehn;

Seine Bewaffnung liegt an der Nahrungspendenden Erde,

195

Und wie ein Widder umgeht er die rüstigen Schaaren der Männer. Wahrlich dem Stär gleich scheinet er mir mit dem wolligen Vließe, Der an der schimmernden Trift der unzähligen Schafe dahingeht.

Da sprach Helena wieder, die liebliche Tochter Kronions:

Ja, des Laertes Sohn ist dieß, der verschlag'ne Odysseus,

200

Welcher in Ithakas Reiche, dem Felseilande geboren, Immer vortrefflichen Rath und unendliche Listen ersinnet. Und der verständige Greis Antenor sprach ihr erwidernd:

Wahrlich, o Frau, so ist es in Wahrheit, wie du gesagt hast. Denn auch hierher kam er einmal, der erhab'ne Odysseus,

205

Deinethalb als Bote zugleich mit dem Held Menelaos.

Und ich bewirthet' und pflegte sie hier als Gäst' in dem Hause, So daß beider Gestalt und bedächtiger Geist mir bekannt ist.

Waren daselbst nun beid' in dem Kreis der versammelten Troer:

Ragt' im Stehn Menelaos hervor mit den mächtigen Schultern; Saßen sie aber, so war mehr Ansehn in dem Odysseus.

Wann sie jedoch dann sprachen im Volk und die Reden begannen: Sprach Menelaos geläufig und schnell, nur Weniges sagt' er,

Aber vernehmlich und laut, er verschmäht viel Worte zu machen

210

56

Ilia».

Oder vom Ziele zu schweifen, obwohl noch jüngeren Alters.

215

Wann sich Odysseus aber erhob von dem Sitz, der verschlag'ne, Stand er zuerst, und er senkte den Blick fest nieder zu Boden, Ohne den Stab nach hinten, noch auch nach vorn zu bewegen;

Sondern er hielt ihn still, wie ein Mann, der wenig Verstand hat, Daß man für tückisch und thöricht ihn leicht wohl hätte gehalten.

220

Aber sobald er darauf aus der Brust die gewaltige Stimme Stieß und der Worte Gedräng, gleich flockigem Wintergestöber:

Da wetteiferte nimmer ein Sterblicher sonst mit Odysseus,

Und da staunten wir so nicht, wenn wir des Mannes Gestalt sahn. Ajas sah zum dritten der Greis, und er fragte von Neuen::

225

Wer ist jener Achäer, der Mann, so gewaltig und stattlich,

Der in dem Volk mit dem Haupt und den mächtigen Schultern hervorragt? Da sprach Helena Schleierumwallt, die erhabene Fürstin:

Das ist Ajas dort, der gewaltige Hort der Achäer. Dann steht unter den Kretern Jdomeneus gegen ihm über,

230

Gleich wie ein Gott, und im Kreis' um ihn stehn die Gebieter der Kreter.

Oftmals hat Menelaos, der Held, ihn in unserem Hause Gastlich bewirthet, so oft er von Kreta zu uns gekommen.

Nun zwar seh ich sie alle, die muthigen Helden Achajas, Die mir bekannt sind, daß ich sie wohl mit den Namen dir nennte;

235

Nur zwei Völkergebieter versuch' ich umsonst zu erspähen: Kastor, gewaltig zu Nofi, und den Faustkampfsheld Polydeukes,

Leibliche Brüder von mir, von derselbigen Mutter geboren. Kamen sie nicht mit her von der lieblichen Stadt Lakedämon?

Oder sie kamen vielleicht in den Meerdurcheilenden Schiffen, Wollen indeß nun nicht zu der Schlacht ausziehn mit den Männern,

Weil sie die Schänd' abschreckt und der Vorwurf, der mich belastet!

Sprach's; doch jene bedeckte bereits die ernährende Erde In Lakedämon dort, in dem theueren Lande der Väter.

Aber die Stadt durch führten die Herold' eilig der Götter Heilige Opfer, die Lämmer und lieblichen Wein, des Gefildes

240

Dritter Gesang.

57

Frucht, in dem ledernen Schlauche; der Herold aber, Jdäos,

Hatte den blinkenden Krug in der Hand und den goldenen Becher. Der trat hin zu dem Greis, zur Eil' ibn zu treiben, und sagte: Mache dich auf, o Laomedons Sohn, dich rufen die Fürsten

250

Rossebezähmender Troer und Erzumwehrter Achäer Zu dem Gefilde hinab, um den heiligen Bund zu beschwören. Nur Alerandros allein und der tapfere Held Menelaos

Werden den Kampf um die Frau mit den mächtigen Speeren bestehen. Wer dann siegt, dem folget die Frau mit den sämmtlichen Gütern;

255

Doch wir andern, nachdem wir der Freundschaft Bündniß beschworen, Wohnen in Ilios Fluren, und die ziehn wieder zu Argos

Rossegesegneter Flur und Achajas lieblichen Frauen. Sprach's, da.bebte vor Schrecken der Greis, und er rief den Genossen,

Daß sie die Ross' anschirrten, und schnell willfahrten ihm diese.

260

Da stieg Priamos ein, zog rückwärts an sich die Zügel,

Daß in den herrlichen Wagen zugleich Antenor hineintrat, Und durch's Skäische Thor in das Feld hin eilten die Rosse. Aber gelangt zu dem Heer des Achäischen Volks und der Troer,

Stiegen vom Wagen sie ab an die Allesernährende Erde,

265

Und so traten sie ein in den Kreis der Achäer und Troer. Da kam gleich der Atride, der herrschende Fürst Agamemnon

Mit des Odysseus Kraft, und die göttlichen Opfer des Bundes Führten die Herold' eilig herbei, die erhabenen, mischten

Wein in dem Krug und benetzten des Königes Hände mit Wasser.

270

Nun zog Atreus Sohn mit der Hand von der Seite das Messer,

Das an der mächtigen Scheide des Schwerts ihm beständig herabhing,

Schnitt von dem Haupte der Lämmer das Haar, und es theilten es ringsum Herold' aus an die Fürsten des Danaervolks und der Troer.

Dann rief Atreus Sohn im Gebet mit erhobenen Händen: Zeus, du Herrscher vom Ida, gewaltigster, herrlichster, Vater! Helios du, der Alles vernimmt und Alles erspähet,

Auch ihr Ström' und Gäa, und ihr, die drunten der Menschen

275

Ilias.

58

Schatten bestraft, wann einer den Schwur meineidig verletzt hat: Seid ihr Zeugen und wahrt das beschworene, heilige Bündniß.

280

Wird in dem Kampf Menelaos von Alerandros getödtet: Dann soll Helena diesem mit sämmtlichem Gute gehören,

Und wir kehren zurück in den Meerdurcheilenden Schiffen;

Tödtet jedoch Alerandros, den bräunlichen Held, Menelaos: Liefern die Troer uns Helena aus mit dem sämmtlichen Gute,

285

Und sie entrichten die Buße den Danaern, die sich gebühret,

Und auch künftig besteht für die folgenden Enkelgeschlechter.

Sollte mir Priamos aber und Priamos Söhne die Buße Dann zu entrichten sich weigern, nachdem Alerandros gefallen:

Dann werd' ich um die Buße nachher noch kämpfen und bleiben

290

Hier in dem Land, bis daß ich das Kampfziel endlich erreiche. Sprach's und die Kehlen der Lämmer zerschnitt er mit grausamen Erze,

Legte darauf an die Erde die zappelnden, welche das Leben Völlig verlassen: es hatte das Erz sie der Seele beraubet:

Und von dem Mischkrug schöpften darauf sie den Wein mit den Bechern,

295

Gossen ihn aus, und sie riefen mit Flehn zu den ewigen Göttern. Und so sagte wohl Mancher im Volk der Achäer und Troer:

Zeus, du herrlichster, höchster und all' ihr unsterblichen Götter,

Welche von beiden zuerst sich versündigen gegen den Eivschwur,

Denen entrinne das Hirn an den Grund, wie jetzo der Wein hier,

300

Ihrs und der Kinder zugleich, und die Gattinnen schände der Fremdling! Also sprachen sie, doch es verweigerte Zeus die Gewährung.

Da sprach Priamos also, des Dardanos Enkel, und sagte: Höret mich nun, ihr Troer und wohlumschienten Achäer,

Ich will wieder zurück zu der luftigen Ilios kehren,

305

Da ich ja nimmer vermag, mit den eigenen Augen zu sehen,

Wie mein theuerer Sohn hier kämpft mit dem Held Menelaos.

Zeus nur weiß ja allein und die anderen ewigen Götter, Wem von den beiden das End' und der Tod vom Geschicke verhängt ist.

Also der göttliche Held.

Und er legt' in den Wagen die Lämmer,

310

Dritter

Gesang.

59

Stieg dann selber hinein und ergriff mit den Händen die Zügel. Auch Antenor trat zu ihm ein in den herrlichen Sessel, Und so fuhren sie wieder zurück nach Troja, die beiden.

Hektor aber, des Priamos Sohn und der edle Odysseus Maßen die Weite des Raumes zuerst; dann nahmen sie Loose,

315

Die sie im ehernen Helm umschüttelten, welcher von beiden Sollte die eherne Lanze zuerst abschleudern, und ringsum Flehte das Volk zu den Göttern empor mit erhobenen Händen.

Und so betete Mancher im Heer der Achäer und Troer:

Zeus, du Herrscher vom Ida, gewaltigster, herrlichster, Vater!

320

Wer von den beiden zuerst uns all dieß Uebel bereitet: Den laß jetzo erliegend zu A'ides Wohnung hinabgehn; Freundschaft aber erneue sich uns und ein dauerndes Bündniß.

Also das Volk, und Hektor, der Helmbuschnickende, große, Schüttelte rückwärts schauend, und Paris Zeichen entflog ihm.

325

Da nun setzten sich all' in die Reihn, wo jeder von ihnen Von sich die glänzenden Waffen gelegt zu den flüchtigen Rossen. Doch er selber umgab mit den herrlichen Waffen die Schultern, Held Alerandros, der edle, der lockigen Helena Gatte.

Da nun legt' er die Schienen zuerst um die stattlichen Füße,

330

Herrliche, wohl anschließend der silbernen Knöchelbedeckung;

Dann umhüllt' er nachher sich die Brust mit dem ehernen Harnisch, Welcher dem Bruder gehörte, Lykaon, doch ihm gerecht war;

Warf sich darauf um die Schultern das Schwert mit den silbernen Buckeln.

Ganz von Erz, dann ferner den Schild auch, groß und gediegen;

335

Setzt' auf's mächtige Haupt sich den stattlichen Helm mit dem Roßhaar,

Welchen, Entsetzen erregend, der Helmbusch oben umwallte. Endlich ergriff er den mächtigen Speer, ihm gerecht in den Händen.

So auch waffnete sich Menelaos, der Held, mit der Rüstung.

Als nun beide sich so in der Ihrigen Haufen gewaffnet: Schritten sie vor in die Mitte des Volks der Achäer und Troer, Furchtbar blickend: es sahn sie die Rossebezähmenden Troer

340

60

Ilias.

All' und die wohlumschienten Achäer voller Bewund-'rung. Dann nun nahten einander sich beid' im gemessenen Raume,

Standen, und schwangen die Speer' in Erbitterung gegen einander.

345

Da warf erst Alerandros die weithin schattende Lanze,

Und in den Schild des Atriden, den ringsum ebenen, traf er;

Doch er zerbrach ihm das Erz nicht, iveit sich die Spitze zurückbog An dem gewaltigen Schild, und nun hob dieser den Speer auf, Atreus Sohn, Menelaos, und rief zu dem Vater Kronion:

350

Herrschender Zeus, gieb, daß ich ihn, der ja zuerst mich gekränkt hat,

Strafe den Held Alerandros, und laß mit dem Arm mich ihn tbdten,

Daß sich ein Anderer, scheu' auch einst von den künftigen Menschen, Gegen den Gastfreund Uebel zu thun, der Lieb' ihm erzeigt hat.

Sprach es und schwingend entsandt' er die weithin schattende Lanze. 355

Und in den Schild Alerandros, den ringsum ebenen, traf er, Daß den geglätteten Schild die gewaltige Lanze hindurchfuhr

Und in den Harnisch, den künstlich gebildeten, selber hineindrang. Grad' an der Weiche des Bauchs durchschnitt das Gewand ihm die Lanze;

Doch der wandte sich ab und entging dem verderblichen Schicksal.

360

Da zog gleich der Atride das Schwert mit den silbernen Buckeln,

Schwang es, und hieb in den Kegel des Helms; doch klirrend und knitternd Brach es entzwei an dem Helm und entfiel ihm der Rechten in Stücken.

Da rief laut der Atride, den Blick zu dem Himmel erhoben: Grausam bist du vor allen Unsterblichen, Vater Kronion!

365

Wahrlich, zu strafen gedacht' ich die frevele That Alerandros',

Und es zerbricht mir das Schwert in der Hand jetzt, da mir die Lanz' erst

Auch aus der Rechten vergeblich und ohn' ihn zu treffen, dahin flog! Sprach es, und stürzte hinzu und ergriff ihn am buschigen Helme, Um ihn hinüber zu ziehn zu den wohlumschienten Achäern,

370

Daß ihm der zärtliche Hals von dem stattlichen Riemen geschnürt ward, Der sich ihm unter "dem Kinne, den Helm zu befestigen, hinzog. Da nun schleift' er ihn hin und gewann sich unendlichen Nachruhm,

Hätt' Aphrodite, die Tochter des Zeus, nicht gleich es gesehen,

Dritter

Gesang.

61

Und ihm den Riemen des Stieres gesprengt, des gewaltsam erschlag'nen. 375 So nun blieb ihm der Helm nur leer in der nervichten Rechten. Den warf schleudernd der Held in der wohlumschienten Achäer

Schaaren hinein, und es nahmen ihn gleich die getreuen Genossen; Aber er selbst sprang wieder zurück, voll Wuth, ihn zu tödten

Mit dem gewaltigen Speere; jedoch ihn entrückt' Aphrodite

380

Leicht, als Göttin, indem sie ihn dicht mit Nebel umhüllte,

Und ihn nach Hause versetzt' in das duftdurchwehete Zimmer. Selbst dann eilte sie, daß sie ihm Helena rief, und sie fand sie Oben im Thurm, und es waren umher viel troische Frauen.

Und mit der Hand nun faßte sie an den nektarischen Schleier,

385

Zupfend und sagte, der Greisin von Ansehn gleich, der betagten,

Die durch Krempeln daheim in der wohnlichen Stadt Lakedämon Treffliche Woll' ihr bereitet, und der sie am meisten geneigt war, Dieser von Ansehn gleichend begann Aphrodite die Göttin:

Gehen wir! komm! dich ruft Alerandros heim in die Wohnung.

390

Denn im Gemach dort ist er und ruht in dem herrlichen Lager,

Stralend von Schönheit in dem Gewand: nie solltest du glauben, Daß er vom Kampf heimkam mit dem Mann; nein, daß er zu tanzen Gehn wollt' oder sich eben, vom Tanz ausruhend, gelagert.

Also sprach sie zu ihr und erregt' ihr das Herz in dem Busen;

395

Als sie die Göttin jedoch an dem herrlichen Nacken erkannte

Und an der Brust voll Reiz und den glanzvoll strahlenden Augen: Da erschrack sie und staunt', und sie sprach zu ihr also entgegnend:

Grausame, sprich, weshalb du mich so zu bethören begehrest? Willst du mich wo noch weiter in Phrygias wohnliche Städte

400

Oder Mäonias führen, der lieblichen, wenn dir im Lande Dort auch Einer gefällt von den vielfach redendell Menschen?

Weil nun jetzt Menelaos den Held Alerandros besiegt hat,

Und er mich Schändliche wieder zurück will führen nach Hause: Deshalb kämest du jetzt hierher, voll trüglicher Arglist? Geh und geselle dich zu ihm, verlaß der Unsterblichen Pfade,

405

Ilias.

62

Daß dein Fuß nicht mehr zu Olympos Höhen sich wende! Jammere nur fortwährend um ihn, und behüt' und bewahr' ihn,

Bis er vielleicht zum Weibe dich nimmt, zur Sklavin vielleicht auch!

Dorthin kehr' ich nimmer zurück, das wäre ja Schande,

410

Ihm sein Bett zu bereiten — die sämmtlichen Frauen von Troja

Müßten mich schmähn! —

Mein Herz drückt so schon ewiger Kummer!

Da sprach zornig entgegnend die goldene Aphrodite:

Thörin, reize mich nicht! sonst wend' ich im Zorne mich von dir,

Daß ich dich hasse, so wie ich dich jetzt unmäßig geliebet,

415

Jammererregenden Haß in dem Volk hier beiden entzünde,

Troern und Danaern, und du im Schreckensgeschicke vergehest! Sprach es, und Helena bebte, die liebliche Tochter Kronions.

Und in den Schleier sich hüllend, den silbernen, glänzenden, ging sie, Schweigend, von keiner der Frauen gesehn, und sie folgte der Göttin.

420

Als sie nunmehr Alerandros gepriesene Wohnung erreichten,

Wandten die dienenden Mädchen sogleich sich zu ihren Geschäften; Aber die Edle der Frauen betrat das. erhabene Zimmer. Da nahm Aphrodite, die lächelnde Göttin, den Sessel,

Trug ihn dem Paris näher und seht' ihn ihr gegen ihm über.

425

Dort saß Helena nieder, deS Aegisbewaffneten Tochter, Wandte sich ab mit den Augen und schalt den Gemal mit den Worten:

Kamst du zurück von dem Kampf?

O, wärst du gefallen im Feld dort,

Von dem gewaltigen Mann, —einst war's mein Gatte! — bezwungen! Ha! und du rühmtest dich immer zuvor, an den Kräften des Armes

430

Und in dem Speerkampf stärker zu sein, als Held Menelaotz! Auf denn, gehe doch jetzo und fordr' ihn, den Held Menelaos,

Nochmals mit dir zu kämpfen!

Indeß ich möchte dir rathen,

Ruhig zu sitzen, und gegen den bräunlichen Held Menelaos

Ja nicht thöricht den Kampf und den Streit aufs Neue zu wagen; Denn sonst möcht' er gewiß dich bald mit dem Speere besiegen! Und ihr entgegnete drauf Alerandros wieder und sagte:

Kränke mir, Frau, jetzt nimmer das Herz mit den schmähenden Reden.

435

Dritter

Gesang.

63

Jetzt zwar hat Menelaos gesiegt mit der Hüls' Athenäas;

Wieder einmal sieg' ich; denn uns auch helfen die Götter!

440

Doch nun laß uns der Liebe, vereint in dem Lager, uns freuen.

Denn es umfing mir das Herz noch nie so Liebesverlangen, Selbst nicht, da ich zuerst von der lieblichen Stadt Lakedämon

Wegfuhr und dich entführt' in dem Meerdurcheilenden Schiffe, Als wir auf Kranaes Insel in Lieb' uns im Lager vereinten,

445

Wie jetzt Liebe zu dir mit dem süßen Verlangen mich hinzieht. Sprach es, und ging ihr voran zu dem Bett, und ihm folgte die Gattin. Sie nun ruheten beide daselbst in dem köstlichen Lager,

Während im Volk Menelaos umher flog, gleichwie ein Raubthier, Ob er vielleicht Alerandros, den göttlichen irgend erspähte.

450

Doch kein Troer und keiner der tapferen Bundesgenossen

Wußt', Alerandros dem Rufer int Streit Menelaos zu zeigen;

Denn sie verbargen ihn nicht aus Freundschaft, wenn sie ihn sahen, Weil er in sämmtlichem Volke dem Tod gleich Allen verhaßt war.

Da nun sagte zu ihnen der herrschende Fürst Agamemnon:

455

Troer und Dardaner, hört mich und ihr auch, Bundesgenossen, Klar ist, daß Menelaos, der Aresgeliebte, gesiegt hat:

Gebet ihr Helena denn, die Argeerin, uns mit den Gütern Wieder zurück und entrichtet zugleich die gebührende Buße, Die auch künftig besteht für die folgenden Enkelgeschlechter.

Also sprach der Atrid' und die Danaer gaben ihm Beifall.

460

Vierter Gesang.

¥Uer die Ewigen saßen im Rath auf goldenem Hausflur

Bei dem Kronion: es goß in dem Kreis die gefeierte Hebe Nektar ein, und sie tranken sich zu mit den goldenen Bechern Unter einander, indem sie auf Ilios Veste hinabsahn. Und der Kronide versuchte sogleich, mit verletzenden Worten

5

Here zu reizen, und also begann er mit diesem Vergleiche:

Zwei von den Göttinnen helfen des Atreus Sohn Menelaos, Here von Argos und mit ihr Alalkomene's Athenäa; Doch da sitzen sie beide von fern, und hinunter zu schauen Freut sie, indeß dort jenen die lächelnde Aphrodite

10

Stets in der Nähe beschirmt, ihn den Todesgefahren entziehet, Und auch jetzt ihn gerettet, indem er gedachte, zu sterben!

Aber gesiegt hat freilich der tapfere Held Menelaos: Lasset denn uns nun sinnen im Rath, was weiter geschehn soll:

Ob wir den schrecklichen Krieg und den Grausenerregenden Schlachtruf Wieder erneu'n jetzt, oder in Freundschaft beide vereinen.

Wenn nun dieß euch allen vielleicht so lieb und genehm ist,

Möchte des herrschenden Priamos Stadt auch ferner bestehen, Und Menelaos führte die Helena wieder nach Argos.

Also sprach er zu ihnen, und Pallas murrte mit Here,

Die sich zusammen gesetzt und Leid für die Troer ersannen. Doch Athenäa schwieg ganz still, und sie redete gar nicht,

15

Vierter

Gesang.

65

Grollte dem Vater und war voll heftigen Zornes im Herzen; Here dagegen verschloß die Erbitterung nimmer und sagte:

Was für ein Wort, o Kronion, Entsetzlicher, hast du gesprochen !

25

Willst du mir denn nun alle die Müh' auch gänzlich vereiteln,

Wie ich im-Schweiße gestrebt, und das Rossegespann mir ermüdet,

Völker zu sammeln zu Priamos Weh und der Seinen Verderben? Thu es; indeß nie loben wir anderen Götter es alle! Und zu ihr sprach unmuthig der Wolkenversammler Kronion:

30

Was hat Priamos doch und des Priamos Söhne dir, Arge,

Je so Böses gethan, daß nie dein zürnend Verlangen

Aufhört, Ilios Stadt, die erhabene, ganz zu vernichten? Gingst du doch lieber hinein in die Thor' und die mächtigen Mauern, Priamos roh zu verschlingen und Priamos Söhn' und die andern

35

Troer dazu: dann würde ja wohl dein Wüthen gesättigt! Thu, wie dir es gefällt: der Zwist soll nicht in der Zukunft

Beiden, so mir, als dir, noch größeren Hader erregen. Doch dieß sag' ich dir jetzt, und bedenk' es dir wohl in dem Herzen: Sollte vielleicht auch ich mit Erbitterung eine der Städte

40

Wollen verderben, in der dir theuere Sterbliche wohnen, Daß du mich dann ja lässest und nicht in dem Zorne mich aufhältst, Da ich dir sie will geben, obwohl unwilligen Herzens.

Denn, wie weit auch unter der Sonn' und dem sternigen Himmel

Erdebewohnende Menschen sich räumige Städte gebauet:

45

Mir ist keine von allen so werth, wie Troja, die hehre, Und wie Priamos selbst und des tapferen Priamos Völker.

Denn nie fehlet es meinem Alter an dem ziemenden Festmal, Nie an dem Wein und dem Duft, was unserer Ehre gebühret.

Und es entgegnet' ihm wieder die Hoheitblickende Here: Nun, mir sind drei Städte die theuersten weit vor den andern:

Argos und dann mit Sparta die weitdurchbahnte Mykene: Diese zerstöre, sobald sie dir einst in dem Herzen verhaßt sind; Keine von ihnen vertret' ich vor dir und ich wehre dir nimmer.

5

50

Illas.

66

Denn auch, wenn ich dir zürnet' und weigerte dir die Zerstörung,

55

Hälfe mir nichts mein Zorn; an Gewalt bist du ja der höchste.

Doch nun mußt du mir auch, was ich will, nimmer vereiteln;

Denn auch ich bin Göttin, und mein Stamm ist ja der deine. Als die erhabenste bin ich gezeugt von dem listigen Kronos, Beides sowohl an Geburt, als deshalb, weil du mich Gattin

60

Nennest, und du als Herrscher den Ewigen allen gebietest. Aber wohlan, dieß wollen wir jetzt nachgeben einander, So ich dir, wie du auch mir, und die anderen Götter

Folgen uns dann.

Doch nun gieb schnell Athenäa den Auftrag,

Zu der Achäer und Troer entsetzlichem Heere zu gehen,

65

Daß sie versuch', ob die Troer die Siegeserfreuten Achäer

Gegen den Eidschwur möchten zuerst feindselig verletzen.

Sprach's, und der Vater der Menschen und ewigen Götter gehorcht' ihr, Und zu Athene begann er sogleich die geflügelten Worte: Eile sofort zu dem Heere der Danaer hin und der Troer,

70

Daß du versuchst, ob die Troer die Siegeserfreuten Achäer Gegen den Eidschwur möchten zuerst feindselig verletzen.

Sprach es und trieb Athenäa^ so wie sie es selber begehrte,

Und sie enteilet' und schwang sich hinab von den Höhn des Olympos. So wie ein Stern, von dem Söhn des verschlagenen Kronos entsendet, 75

Schiffenden oder den Schaaren bewaffneter Männer ein Zeichen, Glänzet, und Funken im Flug in unendlicher Meng' ihm entsprühen: So schoß Pallas Athene hinab zu der Erd', in die Mitte

Unter die Völker hinein, und es sahn sie, von Staunen ergriffen, Rossebezähmende Troer und wohlumschiente Achäer.

80

Und so sprach da Mancher, indem er den Anderen ansah:

Wahrlich, es giebt aufs Neue verderblichen Krieg und des Kampfes Schlachtruf oder es schaffet die Freundschaft zwischen den beiden

Zeus, der über die Kämpfe der Sterblichen waltend verfüget. Also sprach dort Mancher im Volk der Achäer und Troer. Doch sie ging als Mann von Gestalt in die Troische Heerschaar,

85

Vierter

Gesang.

67

Gleichend dem Antenoriden Laodokos, mächtig im Speerkampf, Pandaros dort zu erspähen, den herrlichen, ob sie ihn fände.

Und des Lykaon Sohn, den untadligen, mächtigen sah sie

Stehen, und rings um ihn her die gewaltigen, Schildebewehrten

90

Völker, so viel ihm gefolgt von Aesepos strömenden Fluten. Dem nun nahte die Göttin und sprach die geflügelten Worte:

Möchtest du mir jetzt folgen, o muthiger Sohn des Lykaon, Daß du den flüchtigen Pfeil absendetest auf Menelaos?

Ehre gewännest du sicher und Dank von den sämmtlichen Troern,

95

Aber vor Allen zumeist von dem herrschenden Held Alerandros. Dieser verliehe gewiß dir zuerst kostbare Geschenke,

Säh' er das Atreus Sohn, den gewaltigen Held Menelaos, Den dein Bogen erlegt, zu der traurigen Flamme getragen.

Auf denn, richte den Pfeil auf den rühmlichen Held Menelaos;

100

Aber Apollon gelobe, dem Lykischen, Bogenberühmten, Erstlingslämmer sogleich als Dankhekatombe zu opfern,

Wann du nach Hause gekehrt zu der heiligen Veste Zelea. Also sprach sie, und jener gehorcht' ihr in thörichtem Herzen.

Eilig enthüllt' er den Bogen von Horn, von dem üppigen, wilden

105

Steinbock, welchen er selbst in die Brust einst hatte getroffen, In dem Versteck ihn erlauernd, indem er am Felsen hervorsprang. Dem durchbohrt' er die Brust, und rücklings sank er vom Felsen:

Sechzehn Faust hoch war an dem Haupt das Gehörn ihm gewachsen:

Dieses verband ihm und schnitzt' ihm der Hornarbeitende Künstler,

110

Glättet' es Alles geschickt und beschlug's mit der goldenen Krümmung.

Den nun spannt' er gestemmt und er lehnt' ihn darauf an die Erde, Und mit den Schilden bedeckten von vorn ihn die wackern Genossen, Daß nicht eher die Helden Achajas gegen ihn stürzten,

Als der Atride gefallen, der tapfere Held Menelaos.

115

Aber er nahm von dem Köcher die Deck' ab, wählte den Pfeil aus,

Den er zuvor nie schoß, den gefiederten Bringer der Schmerzen, Legte gehörig das bitt're Geschoß sich geschwind an die Senne, 5*

68

Ilias.

Und dem Apollon gelobt' er, dem Lytischen, Bogenberühmten,

Erstlingslämmer sogleich als Dankhekatombe zu opfern,

120

Wann er nach Hause gekehrt zu der heiligen Veste Zelea. Dann nun zog er die Senne des Stiers, mit der Hand an der Kerbe, Bis ihm die Senne den Busen berührt' und das Eisen den Bogen.

Da er nunmehr fast rund den gewaltigen Bogen gespannet, Schwirrte das Horn, laut tönte die Senn' und das spitze Geschoß sprang 125 Fliegend dahin, in Begierde, hinein in den Haufen zu dringen.

Dein, Menelaos, indessen vergaßen die seligen Götter Nicht, die unsterblichen; sondern des Zeus siegprangende Tochter

Trat gleich vor ihn und wehrte dem bitteren Todesgeschosse.

Also wandte sie dir es vom Leib, wie etwa die Mutter

130

Fliegen dem Kind abwehrt, das daliegt, lieblich entschlummert.

Dorthin lenkte sie selber es, wo sich die goldenen Spangen Einten vom Gürtel, und wo der gedoppelte Panzer es aufhielt. Aber der bittere Pfeil drang ein in den schließenden Gürtel,

Fuhr in den künstlichen Gürtel zugleich ihm hinein, und den Harnisch 135 Bohrt' er, den künstlich geschmückten ihm durch, und fest in der Binde

Saß er, womit er den Leib zum Schutz vor Geschossen umgeben. Diese beschützt' ihn am meisten, und doch durchbohrt' er sie auch noch.

Dort nun ritzte die Spitze die obere Haut des Atriden, Daß sein dunkeles Blut ihm sogleich von der Wunde herabftoß.

140

Wie wann Elfenbein die Mäonerin oder die Karin,

Rossen die Wangen zu schmücken, mit Purpur künstlich gefärbet: Dieß liegt dann im Gemach, ünd es wünscht von den reisigen Männern Mancher, es mit sich zu nehmen; indeß nur Fürsten ein Kleinod

Liegt es, die Rosse zu schmücken und auch für den Lenker ein Prachtstück: 145 So stoß dir Menelaos das Blut an den rüstigen Schenkeln

Und an den Waden hinab und den stattlichen Knöcheln deö Fußes.

Und es erbebte vor Schrecken der herrschende Fürst Agamemnon, Als er das Blut sah, wie es ihm schwarz von der Wunde hinabrann, Und er erschrack auch selber, der tapfere Held Menelaos.

150

Vierter

Gesang.

69

Als er die Haken jedoch und die Schnur noch draußen erblickte,

Sammelte gleich sich ihm wieder der Muth in dem inneren Herzen.

Doch Agamemnon, der Herrscher, ergriff an der Hand Menelaos, Seufzete tief und begann, und es seufzeten alle Genossen:

Theuerer Bruder, so schloß ich denn dir zum Tode das Bündniß,

155

Da ich allein dich stellte, für uns mit den Troern zu kämpfen! So nun trafen sie dich, und zertraten das heilige Bündniß!

Eitel indeß ist nimmer der Schwur und das Opfer der Lämmer,

Nimmer vergeblich die Spend' und der Handschlag, dem wir vertrauet. Wenn der Olympier auch nicht gleich jetzt Alles erfüllet,

160

O, so erfüllt er es doch einst spät, und sie werden es büßen, Schwer, mit dem eigenen Haupt, an den Gattinnen und an den Kindern. Denn das weist ich gewist in dem Geist und dem inneren Herzen, Einst erscheinet der Tag, wo Ilios heilige Veste Sinkt, und Priamos auch und des tapferen Priamos Volker.

165

Dann wird Zeus, der Kronide, der thronende hoch in dem Aether, Selber die Aegis schütteln, die grausige, gegen sie Alle,

Zürnend um diesen Betrug: so wird es gewißlich geschehen! Aber es wäre für mich ein entsetzlicher Schmerz, Menelaos,

Solltest du sterben, und jetzt dein Lebensgeschick sich erfüllen.

170

Wahrlich, ich käme beladen mit Schmach in die durstige Argos;

Denn die Achäer verlangten sogleich nach dem Lande der Heimat, Daß wir dem Priamos hier und den Troischen Männern, zu prahlen, Helena ließen von Argos, und auch dein modernd Gebeine

Läge vor Ilios, wo wir das Werk nicht konnten beenden!

175

Ja, dann spränge wohl Mancher der übergewaltigen Troer Ueber das Grab Menelaos, des herrlichen Helden, und sagte: Möchte doch so Agamemnon den Zorn stets büßen an Allen,

Wie er umsonst hierher mit dem Volk der Achäer gezogen,

Und mit den ledigen Schiffen zurück in die theuere Heimat

Jetzo gekehrt, Menelaos, den trefflichen aber verlassen! Sprächen sie so: dann müßte fürwahr mich die Erde verschlingen!

180

70

Ilias.

Und es entgegnet' ihm tröstend der bräunliche Held Menelaos: Set du getrost und erschrecke noch nicht die Achäischen Schaaren;

Denn nicht ward ich vom scharfen Geschoß zum Tode getroffen;

185

Sondern der künstliche Gurt hielt's auf und darunter der Gürtel, Er und die Binde von Blech, von den Erzarbeitern geschmiedet. Und ihm entgegnet' und sprach der gebietende Fürst Agamemnon:

Wenn es doch nur so wär' in der That, Menelaos! Geliebter! Aber der Arzt nun prüfe die Wund' und die heilenden Mittel

190

Leg' er darauf, die heilen dich wohl voll den dunkelen Schmerzen. Sprach es und rief Talthybios gleich den verständigen Herold:

Auf, Talthybios, rufe geschwind hierher den Machaon, Daß er, Asklepios Sohn, des untadligen Arztes, in Eile

Nach Menelaos sehe, den tapferen Fürsten Achajas,

195

Welchen ein kundiger Schütz mit dem Pfeil traf, einer der Troer Oder der Lykier, sich zum Ruhm, uns aber zu Leide! Sprach es, und willig gehorcht' ihm der Herold, wie er es hörte.

Und er enteilt' in die Schaaren der Erzumwehrten Achäer,

Sahe sich um nach dem Helden Machaon, und er erblickt' ihn,

200

Wie er, umringt von den Reihn der gewaffneten, tapferen Völker, Dastand, die ihm gefolgt von der Rossegesegneten Trika.

Hin zu ihm eilet' er also, und sprach die geflügelten Worte: Aus, o Asklepiade, dich ruft Agamemnon der Herrscher, Um Menelaos zu sehen, den tapferen Fürsten Achajas,

205

Welchen ein kundiger Schütz mit dem Pfeil traf, einer der Troer

Oder der Lykier, sich zum Ruhm, uns aber zu Leide! Also sprach er, und jenem erregt' er den Eifer im Herzen.

Und das Gedräng durcheilend im mächtigen Heer der Achäer, Kamen sie hin, wo blutend der bräunliche Held Menelaos

Weilet', und um ihn im Kreise die Edelsten alle versammelt, Während er selbst da stand, der gepriesene Held, in der Mitte.

Und das Geschoß nun zog er sogleich aus dem schließenden Gürtel, Und wie er zog, da bogen die spitzigen Haken sich rückwärts

210

Vierter

71

Gesang.

Dann nun löst' er den künstlichen Gurt und darunter den Gürtel,

215

Endlich die.Binde von Blech, von den Erzarbeitern geschmiedet.

Aber nachdem er die Wunde des bitteren Pfeiles gesehen, Sog er das Blut erst aus, dann strich er die heilende Salb' auf, Die sein Vater einmal von dem freundlichen Chiron empfangen.

Als nun jene sich so um den Held Menelaos bemühten,

220

Nahten die Schaaren der Troer, bewehrt mit den Schilden, und sie auch Rüsteten sich, mit der Wehr auf's Neu und gedachten des Kampfes. Wahrlich, du sahst da nicht Agamemnon schlummern, den edlen, Noch auch wo. sich verbergen und ungern gehn zu dem Kampfe;

Sondern er eilet' im Flug zu der Männererhebenden Feldschlacht.

225

Denn dort ließ er die Ross' und den Erzumschimmerten Wagen, Daß ihm die schnaubenden etwas entfernt sein treuer Genosse

Hielt, Eurymedon, Sohn von Piräos Sohn Ptolemäos,

Welchen: er auftrug, nahe zu sein, wenn etwa die Füß' ihm Sollten ermüden, indem er das Heer durchschritt, es zu ordnen.

230

Aber zu Fuß jetzt eilt' er dahin an den Reihen der Männer.

Wo er im Danaervolk nun rüstige Schaaren erblickte: Trat er hinan, und ermahnte sie noch mit befeuernden Worten: Lasset mir nun nicht nach mit der stürmenden Kraft, ihr Achäer;

Denn dem Betrug wird nimmer Kronion Hülfe verleihen;

23S

Sondern die Geier verzehren die zärtlichen Leiber der Männer, Die mit des Eides Verletzung zuerst feindselig gehandelt.

Aber die theueren Frau'n und die lallenden Kinder entführen Wir dann einst in den Schiffen, nachdem wir die Veste zerstöret.

Sah er jedoch wo andre, verzagt zu dem traurigen Kampfe,

240

Schalt er sogleich sie gewaltig nnd sprach voll Zornes die Worte: Argos Volk, Pfeilkärnpfer, Verworfene, wißt ihr von Scham nichts?

Weshalb steht ihr, der Sinne beraubt, gleich Jungen der Hindin, Welche, vom Laufen erschöpft in der Ebene weitem Gefilde,

Dastehn, und von der Kraft nichts mehr in dem Herzen besitzen. So steht ihr in den Sinnen verwirrt und gedenket des Kampfs nicht.

245

72

Ilias.

Wartet ihr, bis sich die Troer dem Strand nahn, wo uns die Schiffe

Stehn mit den mächtigen Steuern am graulichen Meeresgestade, Daß ihr erfahrt, ob Zeus dann euch mit den Armen beschirme?

Also ging er und herrschet' umher in den Reihen der Männer.

250

Und zu den Kretern gelangt' er, indem er im Volke dahin ging,

Die in dem Schmucke der Waffen Jdomeneus folgten, dem Tapfern: Bornen Jdomeneus selbst in den Schlachtreihn, stark wie ein Eber, Während Meriones folgt' und die hintersten Reihen Herantrieb.

Sie erblickte mit Freuden der herrschende Fürst Agamemnon,

255

Und zu Jdomeneus sprach er sogleich die. gewinnenden Worte:

Wahrlich, Jdomeneus, unter den reisigen Danaern allen Ehr' ich dich hoch in dem Kampf und in jeglichem andern Geschäfte,

Auch beim Male, so oft für die edelsten Fürsten Achajas

Funkelnder Ehrenwein in dem mächtigen Kruge gemischt wird.

260

Denn, wann jeglicher Andre der Hauptumlockten Achäer

Nur sein Maß trinkt, steht der Pokal dir immer gefüllet,

Gleich mir selber, so oft du begehrst in dem Herzen, zu. trinken. Doch nun auf zu dem Kampfe, so wie du ja sonst dich gerühmet!

Aber der Führer der Kreter Jdomeneus, sagte dagegen:

265

Atreus Sohn, ich werde fürwahr dir ein treuer Genoß sein, Meinem Versprechen gemäß, so wie ich es einst dir gelobet.

Aber die anderen treibe, die Hauptumlockten Achäer, Eilig den Kampf zu beginnen, nachdem ja die Troer das Bündniß

Frevelnd zerstört: sie ereilet der Tod und der Jammer in Zukunft,

270

Da sie den Eidschwur brechend zuerst feindselig gehandelt. Sprach es, und Atreus Sohn ging froh in dem Herzen vorüber.

Da nun kam er, indem er im Volk hinging, zu den Ajas

Beiden, und fand sie gerüstet zugleich mit der Wolke des Fußvolks. So wie ein Geishirt hoch von der Wart' aus dunkles Gewölk sieht Ueber das Meer aufziehen, von Zephyros Hauche getrieben; Schwärzer erscheinet es ihm, als Pech, von der Ferne gesehen,-

Wie es vom Meer her naht und den Sturm mit Getöse heraufführt,

275

Vierter

Gesang.

73

Und er gewahrt's mit Entsetzen, und treibt sein Vieh in die Felskluft.:

So zog mit den Ajanten zugleich die erlesene Jugend

280

Zu dem verderblichen Kampf, in den dicht vorschreitenden Schaaren Dmrkel daher, von den Lanzen umstarrt, mit den mächtigen Schilden.

Sie erblickte mit Freuden der herrschende Fürst Agamemnon,

Und er begann zu den Männern und sprach die geflügelten Worte: Ajas, ihr beiden Gebieter der Erzumwehrten Achäer,

285

Euch hier geb' ich, der Mahnung bedarf's nicht, keine Befehle, Da ihr ja selber die Schaaren zu kräftigem Kampfe befeuert.

Wenn doch, o Zeus, du Vater, Athene und Phöbos Apollon, Aehnlicher Muth jetzt Allen das Herz in dem Busen belebte!

Ja, dann neigte sich bald des gebietenden Priamos Veste

290

Unseren Armen, wir nähmen sie ein, und zerstörten sie gänzlich. Also sprach er und ließ sie daselbst, und zu Anderen eilt' er. Da nun kam er zu Nestor, der Pylier mächtigem Redner,

Der zu dem Kampf die Genossen in Ordnung stellt' und sie antrieb, Die um den Pelagon her und den Chromios und den Alastor,

295

Ferner um Hämon den Held, und den Völkergebietenden Bias. Alle die Reisigen stellt' er voran mit den Rossen und Wagen;

Dann in den Rücken die Männer zu Fuß, als Mauer des Kampfes,

Viel' und gewaltige Streiter, und trieb in die Mitte die Feigen, Daß er sogar die zwang zu dem Kampf, die gern ihn gemieden.

300

Und zu den Reisigen sprach er zuerst; denn ihnen befahl er, Kräftig die Rosse zu führen und nicht in Gewirr zu gerathen: Dränge sich keiner, der Führung der Ross' und der Stärke vertrauend,

Unter den Andern hervor, um allein mit den Troern zu kämpfen,

Weich' auch keiner zurück; denn dadurch werdet ihr schwächer.

305

Tritt wo ein Mann von dem Seinen vielleicht in des Anderen Wagen,

Kämpf' er daselbst mit dem Speer; denn so ist's immer am besten. So auch haben die Alten die Städt' und die Mauern zerstöret, Daß sie Besinnung und Muth sich so in dem Herzen bewahrten.

Also ermahnte der Greis, längst wohl in den Kämpfen erfahren.

310

74

Ilias.

Ihn auch sahe mit Freuden der herrschende Fürst Agamemnon,

Und er begann zu ihm also und sprach die geflügelten Worte:

Wenn dir, o Greis, doch so, mit dem Muth in dem inneren Herzen, Möchten die Kniee gehorchen und rüstige Kraft dich erfüllen!

Doch das gemeinsame Alter verzehrt dich, — o, hätt' es ein Andrer

315

Sonst doch wo von den Männern, und du wärst unter den Jüngern! .

Und es entgegnet' ihm drauf der gerenische, reisige Nestor: Atreus Sohn, wohl möcht' ich ja selbst auch wünschen, ich wär noch,

So, wie, da ich den Held Ereuthalion tödtet' im Kampfe; Aber die Götter verleihen zugleich nie Alles den Menschen!

320

War ich ein Jüngling früher, so kam nun jetzt mir das Alter.

Aber ich bin auch so mit den Reisigen, und ich ermahne Andre mit Worten und Rath: das ist ja die Ehre der Greise;

Speere dagegen entsenden die Jüngeren, da sie der Jahre

Weniger haben, wie ich und der rüstigen Stärke vertrauen.

325

Sprach es, und Atreus Sohn ging froh in dem Herzen vorüber. -Peteos Sohn nun sah er, den Rossegewalt'gen Menestheus

Dastehn und die Athener umher, die erfahrenen Krieger. Aber zunächst ihm stand der erfindungreiche Odysseus,

Den Kephallenische Männer, im Kampf nie zagend, umstanden;

330

Denn es vernahmen sie beid' und das Volk noch nichts von dem Schlachtruf; Sondern es rührten so eben sich erst die erhobenen Reihen

Rossebezähmender Troer und Danaer, daß in Erwartung Sie noch standen, ob sonst sich ein Zug der Achäer erhübe, Gegen die Troer zu stürmen, um mit dem Gefecht zu beginnen.

335

So nun sah sie und schalt der gebietende Fürst Agamemnon.

Und er begann zu den beiden und sprach die geflügelten Worte: Wie, o Menestheus, Peteos Sohn, des erhabenen Herrschers,

Und auch, Listiger, du, in verderblichen Künsten der Erste,

Sprecht, was steht ihr so ferne verzagt und erwartet die Andern? Grad' euch beiden geziemet' es wohl, zu den vordersten Kämpfern

Euch zu gesellen und so zu dem hitzigen Kampfe zu eilen;

340

Vierter

Gesang.

75

Denn ihr werdet von mir ja zuerst zu dem Schmause gerufen, Wann wir Achäer ein Mal für die edelsten Helden bereiten.

Ja, dann esset ihr.gern das gebratene Fleisch, und den Becher

345

Leert ihr mit lieblichem Weine gefüllt, wie lang' ihr es möget.

Doch nun sähet ihr gern, wenn auch zehn Schaaren des Volkes Vor euch möchten den Kampf mit dem grausamen Erze beginnen! Da sprach finsteren Blickes zu ihm der verschlag'ne Odysseus:

Was für ein Wort, Agamemnon, entflöhe dir da von den Lippen! Wie?

Uns nennest du säumig im Kampf?

350

Wann erst die Achäer

Gegen die reisigen Troer des Ares Wüthen beginnen,

Sollst du erkennen, gefällt's dir und magst du darum dich bekümmern,

Wie des Telemachos Vater der Rossebezähmenden Troer Vorderste Reihn durchstürmt: ganz sinnlos hast du gesprochen!

355

Da sprach lächelnd zu ihm der gebietende Fürst Agamemnon; Wie er ihn sah so erzürnt, und zurück gleich nahm er die Worte:

Götterentstammter, Laertes Sohn, listreicher Odysseus, Hab' ich ja doch nicht über das Maß dich ermahnt und gescholten!

Denn wohl weiß ich, du hegest ein Herz in dem inneren Busen,

360

Welches mir wohl will, bist ja mit mir auch gleicher Gesinnung!

Komm, wir beseitigen dieses nachher und, entfuhr mir ein böses Wort jetzt: nun dann mögen die Himmlischen Alles verwehen!

Also sprach, er und ließ sie daselbst, und zu Anderen eilt' er. Aber des Tydeus Sohn, den gewaltigen Held Diomedes

365

Sah er mit seinem Gespann dastehn und dem tüchtigen Wagen,

Neben ihm Sthenelos auch noch weilend, den Kapane'iden. Da schalt jenen, indem er ihn sah, der gewalt'ge Atride,

Und er begann zu ihm also und sprach die geflügelten Worte:

Wehe mir, Tydeus Sohn, des gewaltigen Rossebezähmers! Wie doch zagst du und schauest umher, wie etwa der Kampf geht? TydeuS liebte, fürwahr, niemals, sich so zu verbergen, Sondern, den theuern Genossen voran, mit den Feinden zu kämpfen. So sagt, wer ihn gesehn in der Arbeit; selber begegnet

370

76

Ilias.

Bin ich ihm nie, noch sah ich ihn; doch man preist ihn vor Allen.

375

Denn einst kam er allein von der Kriegsschaar hin nach Mykene, Mit Polynikes, dem Held, als Gast, dort Völker zu sammeln, Als sie mit Kriegsmacht zogen vor Thebes heilige Mauern. Dringend erbaten sie da zu den: Kampf sich von ihnen Genossen,

Und die wollten sie geben und billigten, was sie verlangten;

380

Aber Kronion verwehrt' es, und sandt' ungünstige Zeichen.

Als nun jene gegangen und fort auf dem Wege gezogen, Und zu Asopos, dem Nasen- und Binsenumwucherten kamen,

Sandten Achajas Söhne den Tydeus wieder mit Botschaft. So nun ging er und fand die versammelten Kadmeonen

385

Schmausend am Mal im Palaste der heiligen Macht Eteokles. Da war Tydeus nimmer verzagt, der Bezähmer der Rosse,

Ob zwar fremd dort und so allein in dem Schwarm der Kadmeer; Sondern er rief sie zu Spielen des Kampfs und in allen gewann er

Ohne Beschwer: so half ihm mit Beistand Pallas Athene.

390

Deshalb sandten erzürnt die Kadmeischen Spörner der Rosse,

Wie er zurück ging, viele hinaus, im Verstecke zu lauren, Jünglinge, fünfzig zusammen, und zwei noch, welche sie führten,

Mäon, des Hämon Sohn, den unsterblichen Göttern vergleichbar, Mit Autophonos Sohne, dem tapferen Held Polyphontes.

395

Tydeus aber verhängt' auch diesen ein schmähliches Ende:

Alle vernichtet' er, einen allein nur ließ er nach Haus ziehn, Mäon ließ er entfliehn, der Unsterblichen Zeichen gehorsam.

So war Tydeus einst, der Aetolier; aber der Sohn hier,

Der ihm entstammt, ist schwächer im Kampf, nur stärker in Reden!

400

Sprach's, und der Held Diomedes erwiderte nichts ihm dagegen,

Ehrfurchtsvoll vor dem Tadel des Ehrfurcht heischenden Königs; Aber des Kapaneus Sohn, des gepriesenen, sprach ihm entgegnend:

Lüge doch nicht, o Atride, du weißt ja, es wahrer zu sagen!

Denn wir rühmen uns, besser zu sein, als unsere Väter, Da wir Thebe gewonnen, die siebenthorige Veste.

405

Vierter

Gesang.

77

Weniger Kriegsmacht führten wir hin zu der Mauer des Ares, Voller Vertraun auf Hülfe des Zeus und die Zeichen der Götter.

Doch die richteten sich durch eigene Frevel zu Grunde:

Deshalb rühme die Väter mir nicht mit derselbigen Ehre!

410

Und ihm entgegnete finster der tapfere Held Diomedes:

Sei doch ruhig, o Lieber, und thu, wie ich es dir sage!

Denn ich tadel' ihn nicht, den Gebieter des Volks Agamemnon, Mahnet er rüstig zu kämpfen die wohlumschienten Achäer,

Da ja der Ruhm ihm folgt, wann Argos Söhne den Troern

415

Einst obsiegen im Kampf und die heilige Troja gewinnen, Und der unendliche Gram ihn trifft beim Fall der Achäer.

Auf, laß uns auch beide der rüstigen Stärke gedenken! Sprach es und sprang mit den Waffen herab an die Erde vom Wagen.

Graunvoll klirrte das Erz um die Brust des gewaltigen Helden,

420

Da er herabsprang, selber den muthigsten konnt' es erschrecken.

Gleichwie, wann sich die Woge des Meers zu dem hallenden Ufer Hindrängt über die andren, von Zephyros Wehen getrieben; Hoch auf hebt sie sich erst in dem Meer; dann stürzt sie gebrochen

Gegen das Ufer mit lautem Gebrüll; rings gegen die Klippen

425

Steigt sie empor, hohl übergebäumt und verspritzet den Meerschaum:

Also zogen gedrängt sich der Danaer Schaaren und endlos

Hin zu dem Kampf, es gebot in den Seinigen jeder der Führer;

Aber die Anderen folgten ihn: still — kaum konnte man glauben, Daß mit der Stimm' in der Brust die unzählige Menge begabt sei — 430

Schweigend in Scheu vor den Fürsten, und weithin strahlte der Heerschaar Künstliches Waffengeschmeide, mit dem sie umgeben, daher zog.

Aber die Troer, so wie in dem Hof des begüterten Mannes Schafe sich zahllos drängen, die schimmernde Milch ihm zu geben,

Endlos blökend, indem sie den Ruf von den Lämmern vernehmen:

Also erhob sich Geschrei von dem mächtigen Heere der Troer. Denn nicht redeten All' in denselbigen Lauten und Tönen;

Sondern sie sprachen verschieden, von mancherlei Stämmen berufen.

435

78

Ilias.

Sie trieb Ares, jene des Zeus helläugige Tochter,

Schrecken und Grauen zugleich und die rastlos thätige Zwietracht,

440

Leibliche Schwester und Freundin des Männervertilgenden Ares,

Welche zuerst nur klein sich erhebt) doch bald zu dem Himmel Hoch mit dem Haupt aufraget, indem sie am Boden daher geht.

Die nun warf auch jetzt den gemeinsamen Kampf in die Mitte, Eilt' in den Schaaren umher und betrieb das Gestöhne der Männer.

445

Als in demselbigen Raum sie nunmehr an einander gekommen, Trafen die Stierhautschild' und die Speer' und gepanzerter Männer

Kampfwuth gegen einander; die Nabelgerüsteten Schilde Stießen sich drängend zusammen, und endlos Toben erhob sich.

Da war Jammergeschrei und zugleich Frohlocken der Männer,

450

Würgender und der Gewürgten, und Blut floß hin an dem Boden.

Wie wann reißende Ströme, sich hoch von den Bergen ergießend, In dem gemeinsamen Thale die brausenden Wasser vermengen

Aus dem gewaltigen Quell in der.inneren Höhle der Felskluft, Daß ihr Getöse der Hirt weithin hört in den Gebirgen:

455

Also erscholl das Gebrüll und der Kampf, als jene sich trafen. Und Antilochos schlug, von den Troischen Kämpfern den ersten,

Der in dem Vorkampf glänzte, Thalysios Sohn Echepolos, Traf ihn zuerst in den Kegel des Mähnenumflatterten Helmes,

Daß er die Stirn durchbohrte; hinein bis tief in den Schädel

460

Drang ihm der eherne Speer, und Nacht umhüllt' ihm die Augen. Und wie ein Thurm, so sank er dahin in der wüthenden Feldschlacht. Und an den Füßen ergriff den Gefallenen Fürst Elephenor,

Von Chalkodon erzeugt, dem Beherrscher der stolzen Abanten, Und den Geschossen entzog er ihn, weil er begehrt', ihm die Rüstung

465

Schnell zu entreißen; indeß kurz dauerte seine Bemühung. Denn noch zog er den Todten, so sah der beherzte Agenor,

Wie beim Bücken die Seit' ihm entblößt von dem Schilde hervortrat,

Daß er ihn traf mit den: Speere von Erz und die Glieder ihm löste. Also verließ ihn der Geist, und ein schrecklicher Kampf uni ihn selber

470

Vierter

79

Gesang.

War nun zwischen den Troern und Danaern: ähnlich den Wölfen Stürzten sie gegen einander und ein Mann würgte den Andern. Ajas der Telamonide erschlug des Anthemion Sohn dort,

Jung, voll blühender Kraft, Simo'isios, welchen die Mutter,

475

Als sie vom Ida kam, an des Simo'i's Ufer geboren,

Den sie zugleich mit den Eltern besucht, um die Heerden zu sehen:

Deshalb nannten sie ihn Simo'isios; aber er lohnte Nimmer die Pflege den Eltern, so kurz nur war ihm das Leben,

Da er von Ajas Speere, des muthigen Helden, erlegt ward.

Denn der traf ihn, indem er sich naht', in die Brust, an der Warze

480

Rechts, daß grade die Schulter hindurch ihm die eherne Lanze Drang, und er fiel an die Erd' in den Staub hin, ähnlich der Pappel, Die in der wäss'rigen Aue des mächtigen Sumpfes emporwuchs,

Glatt, am erhabenen Wipfel allein sind Zweige gewachsen.

Und sie schneidet der Wagner sich ab mit dem blinkenden Eisen,

485

Um sie zu krümmen, dem Rade zum Kranz an dem stattlichen Wagen.

Da nun liegt sie am Ufer des Stroms, abwelkend und trocknend: Also entriß des Anthemion Sohn Simo'isios Ajas Dort, der erhab'ne, die Waffen.

Und Antiphos, schillernd im Panzer,

Priamos Sohn, warf nach ihm den spitzigen Speer im Gedränge;

490

Fehlet' ihn aber und Leukos, Odysseus tapfern Genossen, Traf er am Schambein, als er den Leichnam eben davonzog.

Auf den stürzt' er dahin und der Todt'' entglitt ihm den Händen. Heftig erzürnte das Herz des Odysseus um den Erschlag'nen,

Und in den Vorkampf trat er, bewehrt mit dem funkelnden Erze,

495

Trat ganz nah und, nachdem er umher mit den Augen geschauet,

Schwang er den glänzenden Speer.

Da flohn vor dem Helden die Troer,

Wie er ihn schwang, und er warf das Geschoß nicht, ohne zu treffen;

Sondern des Priamos Sohn, den Demokoon traf er, den Bastard, Der von Abydos her zu ihm kam, von den flüchtigen Rossen.

500

Den traf dort mit dem Speer, um den Freund voll Zornes, Odysseus

Grad' in den Schlafi queer durch, und hinaus zu dem anderen Schlafe

80

Ilias.

Drang ihm die eherne Lanz', und Nacht umhüllt' ihm die Augen.

Dröhnend stürzt' er dahin, und es rasselten um ihn die Waffen. Da nun wichen die Ersten im Kampf und der glänzende Hektor,

505

Während die Danaer jauchzten, indem sie die Todten gewannen

Und im Gefild vordrangen.

Apollon aber erzürnte,

Als er von Pergamos Höhen es sah, und er rief zu den Troern:

Auf doch, reisige Troer, ermannt euch, weichet im Kampfe Nicht den Achäern, es ist ja ihr Leib nicht steinern noch eisern,

510

Daß er das bohrende Erz aushielt, von dem Wurfe getroffen.

Aber Achilleus selber, der Sohn der erhabenen Thetis, Kämpft nicht, sondern verzehrt sich in bitterem Groll an den Schiffen!

Also rief von der-Burg der gewaltige Gott; die AchäerTrieb Zeus Tochter dagegen, die herrliche Tritogenia,

515

Die in dem Heer hinflog, wo Lässige säumten im Kampfe. Da umstrickte das Loos Amarynkeus Sohn, den Diores.

Denn ihn traf an dem Knöchel ein Stein, rechts unten am Schienbein,

Spitzig und faustgroß, welchen der thrakischen Männer Gebieter Piroos, Jmbrasos Sohn, aus Aenos stammend, geworfen.

520

Beides, die Sehnen und Knochen zermalmt' ihm der schreckliche Feldstein

Gänzlich, er stürzte nach hinten zurück in den Staub an den Boden,

Streckte nach seinen Genossen die Arm' aus beid', und die Seele Athmet' er aus.

Da stürzte sich Piroos, der ihn geworfen,

Gegen ihn, stieß in den Nabel den Speer ein, daß die Gedärme

525

All' an den Boden entrollten, und Nacht umhüllt' ihm die Augen. Den traf Thoas Geschoß, des Aetoliers, da er zurücksprang,

Ueber der Warz' in die Brust, und das Erz drang ein in die Lunge. Schnell trat Thoas hinan, und er zog die gewaltige Lanze

Wieder zurück aus der Brust; dann zog er das schneidende Schwert aus, Hieb ihm gerad' in die Mitte des Bauchs imt» entriß ihm das Leben.

Aber die Waffen entzog er ihm nicht, ihn umstanden die Freunde, Thraker, mit buschigem Haar, die gewaltigen Speer' in den Händen,

Die ihn, so kräftig und groß, und so ruhmreich immer der Held war,

530

Vierter

Gesang.

Dennoch verdrängten, so daß er geschreckt allmälig zurückwich.

81 535

Also lagen die beiden int Staub da, neben einander,

Einer der Thraker, der Andre der Erzumwehrten Epeer

Fürst, und es wurden umher noch viel' auch andre getödtet. Kaum wohl hätte die Thaten ein Mann dort nahend getadelt, Welcher, vor Würfen und Wunden geschützt von dem schneidenden Erze, 540

In das Gewühl sich gedrängt, wenn Pallas Athen' an der Hand ihn

Selber geleitet und gegen den Sturm der Geschosse bewahret; Denn viel lagen der Troer und viel der Achäer im Staube

Auf dem Gesichte desselbigen Tags dort neben einander.

Z)a gab Pallas Athene des Tydeus Sohn Diomedes Muth und gewaltige Stärke, damit er im Volk der Achäer

Weit vorstralte vor Allen und herrlichen Ruhm sich gewänne.

Und sie entstammt' an dem .Helm und dem Schild ihm beständiges Feuer, Aehnlich dem Stern in den Nächten der Herbstzeit, welcher am meisten

5

Glänzt mit dem leuchtenden Schein nach dem Bad in Okeanos Fluten. Dem gleich ließ sie ihm Feuer um Haupt sich und Schultern entstammen: So nun trieb sie ihn mitten hinein in den dichtesten Haufen.

Und in dem Troischen Volk war Dares, ein Priester Hephästos,

Welcher, untadlig und reich an Besitz, zwei Söhne gezeuget,

10

Phegeus und den Jdäos, in sämmtlichen Kämpfen erfahren. Und vor den Anderen stürmten sie vor, Diomedes entgegen,

Beide zu Wagen: er selbst flog in dem Gefilde zu Fuß her. Als nun so sie einander sich jetzt anrennend genahet:

Da warf Phegeus früher die weithin schattende Lanze;

15

Aber es flog dem Tydiden der Speer links über die Schulter, Ohn' ihn selber zu treffen, und nun warf er mit dem Erze, Tydeus Sohn, und der Speer flog nicht von der Rechten umsonst hin; Sondern er traf in die Mitte der Brust und entriß ihn dem Wagen. Aber Jdäos verließ abspringend den herrlichen Sessel,

Weil es an Muth ihm gebrach, den erschlagenen Bruder zu schützen.

Und er entfloh kaum selber dem dunkelen Todesverhängniß;

20

Fünfter Gesang.

83

Aber Hephästos schützt' und verbarg ihn in rettendes Dunkel, Daß ihm der Greis nicht ganz in dem traurigen Kummer versänke. Und es entführte die Rosse der Sohn des gewaltigen Tydeus,

25

Die er den Freunden befahl zu den wölbigen Schiffen zu führen.

Aber die muthigen Troer, indem sie die Söhne des Dares Sahen, den einen entfliehen, den anderen todt an dem Wagen,

Zitterten all' in dem Herzen, und Zeus helläugige Tochter Sprach zu dem stürmischen Ares, indem sie die Hand ihm erfaßte:

30

Ares, blutiger Ares, Vernichtender, Mauerzerstörer,

Wollen wir jetzo die Troer und Danaer nicht in dem Kampf hier Lassen, für welche von beiden den Ruhm der Kronide bestimme,

Und uns selber, damit uns Zeus nicht zürne, zurückziehn? Sprach es und führte den Ares, den stürmischen, aus dem Gefechte

35

Und zu dem Sitze nachher an Skamandros hügligem Ufer. Da nun wichen die Troer den Danaern: jeder der Führer

Tödtete einen.

Zuerst warf Fürst Agamemnon den großen

Hodios, der Halizonen gebot, von dem Sessel darnieder^

Denn ihm stieß er die Lanze, so wie er sich wandt', in den Rücken

40

Zwischen die Schultern hinein, so daß sie die Brust ihm hindurch fuhr:

Dumpf hin dröhnt' er im Fall, und es rasselten um ihn die Waffen. Aber Jdomeneus fällte den Sohn des mäonischen Boros, Phästos, welcher von Tarne, dem scholligen Lande gekommen. Rechts durchbohrt' ihm die Schulter Jdomeneus, mächtig im Speerwurf,

45

Da er so eben den Wagen bestieg, mit der ragenden Lanze,

Daß er dem Sessel entsank, und das grausige Dunkel umfing ihn. Und ihn beraubten sogleich des Jdomeneus Freunde der Waffen.

Strophios Sohn dann traf, den Skamandrios, tüchtig im Jagen, Dort mit der spitzigen Lanze des Atreus Sohn, Menelaos,

Ihn, den gewaltigen Jäger, von Artemis selber gelehret,

Was in dem Wald der Gebirge sich nährt, von Gewilde zu treffen. Da indeß half nimmer ihm Artemis, froh der Geschosse,

Richt sein treffender Pfeil, durch den er zuvor so berühmt war;

6*

50

84

Ilias.

Sondern ihn: warf der Atride, der Speerkampfheld Menelaos,

55

Als er vor ihm Hinflohe, den ehernen Speer in den Rücken, Zwischen die Schultern hinein, daß vorn in der Brust er heraus drang. Vorwärts stürzt' er dahin, und es rasselten um ihn die Waffen. Aber Meriones schlug den Phereklos, Sohn des geschickten

Harmon, der mit den Händen, erfindsam, allerlei Kunstwerk

60

Bildete; benn ihn erkor zum Liebling Pallas Athene.

Der hatt' auch Alerandros die schwebenden Schiffe gezimmert, Welche, des Unheils Stifter, dem Troischen Volk und ihm selber

Unheil brachten: er wußte ja nichts von der Götter Beschlüssen.

Als Meriones diesen, im Lauf ihn verfolgend, ereilte,

65

Traf er ihm rechts das Gesäß, daß gleich ganz durch ihm die Spitze, Neben der Blase vorbei, an dem Hüftbein wieder hervordrang. Heulend sank er in's Knie und der Tod umhüllt' ihn mit Dunkel.

Meges ferner erschlug den Pedäos, Sohn des Antenor.

Obzwar unächt, war er jedoch von der edlen Theano

70

Gleich mit den eigenen Kindern gepflegt, dem Gemal zu Gefallen. Ihn traf, ganz von der Nähe der lanzenberühmte Phylide, Grad' in die Höhle des Nackens hinein mit der spitzigen Lanze.

Neben den Zähnen vorbei durchschnitt das Geschoß ihm die Zunge, Und in den Staub hin sank er, das kältende Erz bi den Zähnen.

75

Und des Euämon Sohn Eurypylos traf den Hypsenor, Sohn des Dolopion, der, ein erhabener Priester, Skamandros

Dienst sich geweiht, in dem Volke geehrt, wie einer der Götter. Aber Eurypylos traf ihn, der glänzende Sohn des Euämon,

Als er versuchte zu fliehen, im Lauf in die Mitte der Schulter

80

Mit dem geschwungenen Schwert, und er hieb ihm den mächtigen Arm ab.

Blutend entfiel ihm der Arm an die Erd' und die Augen umhüllt' ihm Purpurdunkel der Tod und das machtvoll waltende Schicksal.

So nun kämpften sie dort im gewaltigen Drange der Feldschlacht. Wem Diomedes half in dem Streit, war schwer zu erkennen,

Ob er ein Troer, ob einer vom Heer des Achäischen Volks war.

85

Fünfter

85

Gesang.

Denn im Gefild hin stürmt' er, dem Strom gleich, welcher im Winter Schwellend die Dämme zertrümmert, indem er im Schüsse daher stürzt.

Nicht mehr halten die Dämm' ihn zurück, ihm zu wehren erbauet,

Noch auch halten die Zäun' ihn, der Schutz für die grünenden Saaten, 90 Wann er, geschwollen vom Regen des Zeus, urplötzlich daher kommt: Zahllos fallen vor ihm die bewunderten Werke der Männer. Also flohen die Troer in drängenden Haufen vor Tydeus Sohne dahin, und sie standen, so viel sie auch waren, ihm nimmer.

Als nun diesen der glänzende Sohn des Lykaon erblickte,

95

Wie er das Feld durchstürmt' und die drängenden Haufen daher trieb, Legt' er sogleich sein krummes Geschoß an auf den Tydiden.

Und wie er herflog, schoß er und traf ihn im Panzergelenke

Rechts in die Schulter: es bohrte der bittere Pfeil sich im Fluge

Schneidend gerade hinein, und das Blut umströmte den Panzer.

100

Da rief laut aufjauchzend der glänzende Sohn des Lykaon: Stürmet heran jetzt, Troer, ihr muthigen Treiber der Rosse;

Denn den gewaltigsten Helden der Danaer traf ich; gewiß nicht Hält er das starke Geschoß lang aus, wenn wirklich Kroniens

Herrschender Sohn zu dem Kampfe mich fern aus Lykia hertrieb.

105

So frohlockt' er, indeß ihn zwang sein schnelles Geschoß nicht;

Sondern zurück nur wich er, und trat vor die Ross' und den Wagen,

Und zu dem Sthenelos sprach er sogleich, zu des Kapaneus Sohne: Kapaneus Sohn, du Lieber, geschwind, steig ab von dem Wagen,

Daß du mir hier dieß bittre Geschoß von der Schulter heraus ziehst.

110

Sprach es, und Sthenelos sprang von dem Wagen herab an die Erde, Nahet' ihm, zog ihm den rasch durchschneidenden Pfeil aus der. Schulter,

Und dem geflochtenen Panzer entschoß vorstürzend ein Blutstrom. Da sprach also mit Flehen der Rufer im Streit Diomedes: Höre mich, Tochter des Zeus, des Aegidenbewehrten, Gewalt'ge!

115

Hast du im feindlichen Kampfe mir je wohlwollend dem Vater

Hülfe geleistet, so sei jetzt mir auch gnädig, Athene! Laß mich ihn tödten, den Mann, und dem Wurf ihü des Speers sich nahen,

86

Ilias.

Welcher zuerst mich getroffen und rühmt frohlockend, ich werde Nicht mehr lange die Augen erfreun an dem Strale der Sonne!

120

Also flehet' er laut, und ihn hörete Pallas Athene: Schuf ihm die Glieder geschmeidig, die Fuß' und von oben die Arme,

Trat dann nahe zu ihm und begann die geflügelten Worte:

Gehe du jetzt, Diomedes, getrost in den Kampf mit den Troern; Denn ich erfüllte mit nimmer verzagendem Muth dir die Seele,

125

Wie dein Vater ihn hatte, der tapfere, reisige Tydeus, Nahm von den Augen den Nebel dir auch, der erst sie umhüllte, Daß du von nun an sicher den Gott und den Menschen erkennest.

Käme daher jetzt irgend ein Gott wo, dich zu versuchen,

Dann tritt nimmer den andern unsterblichen Göttern entgegen

130

Feindlich im Kampf; wenn aber die Tochter des Zeus, Aphrodite

Käm' in die Schlacht: die magst du mit schneidendem Erze verwunden.

Also sprach und enteilte des Zeus helläugige Tochter, Und Diomedes stürzt' aufs Neu' in die vordersten Kampfreihn. War er zuvor voll Muth.in der Brust, mit den Troern zu kämpfen:

135

Trieb die Begier nun jetzt ihn verdreifacht, ähnlich dem Löwen,

Welchen der Hirt in dem Felde, die wolligen Schafe bewachend, Als er ihm über den Zaun sprang, traf, doch nicht ihn erlegte.

Mehr nur hat er die Kraft ihm erregt; auch wehrt er ihm nicht mehr, Sondern verbirgt sich im Stall, und es ängstigen sich die Verlaff'nen. 140 Bald nun liegen sie da im Gedräng, dicht neben einander; Doch er springt dann wüthend davon aus dem hohen Gehege:

Also raste der Held Diomedes unter den Troern. Und den Astynoos schlug er daselbst und Hyperon den Herrscher.

Dem durchbohrt' er die Brust mit dem ehernen Speer und dem andern 145 Hieb er mit mächtigem Schwerte hinein in den Schlüssel der Schulter,

Daß von dem Nacken und Rücken sogleich ihm die Schulter getrennt ward. Sie nun ließ er und stürzt' auf Abas und Polrsidos,

Beid' Eurydamas Söhne, des Traumauslegenden Greises. Aber den Scheidenden hatte der Greis nicht Träume gedeutet;

150

Fünfter

Gesang.

87

Sondern es tödtete beide der mächtige Held Diomedes.

Und auf Xanthos ging er und Thovn, Söhne des Phänops, Spät ihm geboren, und er, in des traurigen Alters Ermattung,

Zeugte sich sonst kein Kind, sein Gut ihm dereinst zu vererben. Diesen entriß dort jener die Wehr und das theuere Leben

155

Beiden, so daß ihr Vater in Gram und verzehrendem Kummer Nachblieb, da er sie nimmer empfing zu ihm lebend vom Kampfe Wiedergekehret, und Fremde sich nun sein Erbe vertheilten.

Und von Priamos Söhnen, des Dardanionen, ereilt' er Zwei in demselbigen Wagen, den Chromios und den Echemmon.

160

So wie ein Leu auf Rinder sich stürzt, und den Nacken des Kalbes

Oder der Kuh bricht, wann sie die Weid' aufsuchen im Walde:

So warf Tydeus Sohn mit Gewalt dort beide vom Wagen

Schrecklich herab, und beraubte nachher auch beide der Waffen; Aber den Freunden empfahl er die Ross' an die Schiffe zu führen.

165

Also verheert' er die Schaaren des Volks: da sah ihn Aeneas. Und er enteilte sogleich durch sausende Speer' und die Schlachtreihn, Daß er den Pandaros suchte, den herrlichen, ob er ihn fände.

Und des Lykaon Sohn, den gewaltigen, trefflichen fand er, Trat gleich nahe vor ihn und begann die geflügelten Worte:

170

Wo ist jetzt dein Bogen, o Pandaros, mit den Geschossen, Sonst dein Ruhm, mit dem es dir hier kein anderer gleich thut,

Noch sich in Lykia sonst wer rühmt als besserer Schütze?

Auf jetzt, flehe zu Zeus, und den Mann dort triff mit dem Pfeile,

Welcher den Troern, gewaltig und stark, viel Leiden bereitet,

175

Da er die Kniee so vieler und trefflicher Männer gelöst hat.

Wenn es vielleicht nicht irgend ein Gott ist, grollend den Troern,

Wegen der Opfer erzürnt; denn graunvoll zürnen die Götter!

Aber der glänzende Sohn des Lykaon sagte dagegen: Fürst Aeneas, Berather der Erzumpanzerten Troer,

Tydeus tapferer Sohn ist's, wie ich nach Allem vermuthe. Denn ich erkenn' ihn am Schilde, der länglichen Kuppel des Helmes,

180

88

Ilias.

Und dem Gespann; doch könnt' es vielleicht auch irgend ein Gott sein. Ist dort aber der Mann, so wie ich es sage, des Tydeus

Tapferer Sohn: dann raset er so nicht ohne die Gottheit;

185

Sondern ein Himmlischer schützt ihn, mit Nacht sich die Schultern umhüllend, Der ihm das schnelle Geschoß abwendete, das ihn getroffen.

Denn ich entsandt' ihm bereits ein Geschoß, und ich traf ihm die Schulter

Rechts, so daß es gerad' in dem Panzergelenke hineindrang. Sicherlich hofft' ich, ich sendet' ihn hin zu dem Hause des Ms;

190

Aber ich tödtet' ihn nimmer; ein Gott muß irgend erzürnt sein!

Meine Gespann' und den Wagen vermiss' ich, ihn nun zu besteigen;

Heim in Lykaons Haus dort stehn elf herrliche Wagen, Alle so eben gebauet und neu, mit den Teppichen ringsum

Drübergespannt, auch stehen dabei zweispännige Rosse

195

Immer vor.jedem, und fressen den Spelt und die gelbliche Gerste. Ja, wohl rieth es mir dringend der greifende Krieger Lykaon,

Als ich gedachte, zu ziehen, daheim in der stattlichen Wohnung, Und er empfahl mir, ich sollte die Ross' und den Wagen besteigen,

Wann ich den Troern im wilden Gefecht als Führer voranging;

200

Aber ich höret' ihn nicht — wohl wär's viel besser gewesen! — Weil es mir leid that, sollt' eö an Nahrung fehlen den Rossen

Bei dem belagerten Volk, die sonst sich in Fülle gesättigt.

Deshalb ließ ich sie dort, und nach Ilios kam ich zu Fuß her, Da ich dem Bogen vertrauet', und gar nichts sollt' er mir helfen!

205

Denn nun schoß ich bereits auf zwei der Achäischen Helden,

Auf den Atriden und dann auf Tydeus Sohn, und ich traf sie: Hell floß beiden das Blut.; doch reizt' ich »sie nur um so stärker! Wahrlich, mit Unglück nahm ich das krumme Geschoß von dem Nagel

An dem Tag, an dem ich zu Ilios lieblichen Fluren

Zog mit den Troern, dem Hektor, dem göttlichen Held zu Gefallen. Kehr' ich indeß einst wieder zurück, und ich sehe mit Augen Heimat wieder und Weib und die hochaufragende Wohnung:

Ja, dann soll mir ein Fremder das Haupt abhaun von den Schultern,

210

Fünfter

Gesang.

89

Wenn ich das krumme Geschoß nicht gleich mit den Händen zerbreche, 215 Und es im Feuer verbrenne: so nutzlos nahm ich es mit mir! Und der Gebieter der Troer, Aeneas, sagte dagegen:

Rede mir doch nicht so! dieß wird nicht eher sich ändern, Als bis dort wir dem Manne mit unseren Rossen und Wagen Beide begegnen,, und mit ihm den Kampf mit den Waffen versuchen.

220

Komm, steig auf in den Wagen zu mir; da sollst du erfahren,

Wie uns die Troischen Rosse geübt sind, durch das Gefilde Eiligen Laufs zu verfolgen von hier und von da und zu fliehen. Und sie erretten uns auch in die Stadt, wenn etwa Kronion Sollte de? Tydeus Sohn, Diomedes, Ehre verleihen.

225

Auf, hier hast du die Geißel zugleich und die glänzenden Zügel;

Nimm, ich steige vom Wagen herab, mit dem Manne zu kämpfen;

Oder begegne ihm du; dann führ' ich selber die Rosse. Und es entgegnet' ihm wieder der glänzende Sohn des Lykaon:

Führe du selber, Aeneas, die eigenen Ross' und die Zügel.

230

Williger ziehen sie mit dem gewöhnlichen Führer den Wagen,

Wenn wir vielleicht vor dem Sohne des Tydeus wieder zurückfliehn; Denn dann führten sie wohl, in der Flucht wild rennend, uns nimmer

Willig hinweg von dem Kampf, sprächst du nicht selber zu ihnen. Gegen uns stürzte sich aber der Sohn des gewaltigen Tydeus,

235

Tödtet' uns selber, und führte die stampfenden Rosse von hinnen. Deshalb lenke den Wagen du selbst und die eigenen Rosse; Nahet uns der: will ich mit dem schneidenden Speer ihn empfangen.

Dieses gesagt und beid' in den glänzenden Wagen gestiegen, Lenkten sie muthig ihr rasches Gespann dem Tydiden entgegen.

240

Da sah Sthenelos jene, der glänzende Kapaneide, Und zu des Tydeus Sohne begann er die flüchtigen Worte:

Tydeus Sohn, Diomedes, o theuerer, sieh, ich erblicke Dort zwei mächtige Helden zu dir herstürmend, zu kämpfen,.

Beide gewaltiger Kraft: in dem Schuß mit dem Bogen erfahren Pandaros, welcher sich rühmet, Lykaon hab' ihn erzeuget,

245

90

Ilias.

Neben Aeneas, -der sich den Sohn des erhab'nen Anchises Preiset, und Aphrodite gebar ihn, die göttliche Mutter.

Auf denn, laß mit dem Wagen uns fliehn, und stürme so weit nicht

Vor in den Kampf, sonst kämest du leicht um das theuere Leben.

250

Da sprach finsteren Blickes der Held Diomedes entgegnend:

Rede mir nicht von fliehn! da wirst du mich nimmer bewegen! Denn mir liegt das nicht in der Art, mich wo zu verbergen,

Oder zu weichen im Kampf; noch hab' ich die völlige Stärke. Auch in den Wagen zu steigen verdrießt mich, sondern den beiden

255

Stell' ich mich so': vor dem Zittern bewahrt mich Pallas Athene. Wahrlich, es tragen die beiden die flüchtigen Rosse gewiß nicht

Wieder nach Hause von uns, wenn auch wohl Einer, entkäme. Aber ich sage dir, daß du es wohl in dem Herzen beachtest.

Wenn mir den Rühm jetzt Pallas, die weisheitvolle, verleihet,

260

Beide zu tödtern.so laß du die eigenen flüchtigen Rosse

Gleich hier stehen, nachdem du den Zaum an dem Sessel befestigt. Denk an Aeneas Rosse, damit du sie greifest, und treib sie

Weg von den Troischen Reihn zu den wohlumschienten Achäern.

Denn sie entstammen der Art, die Zeus, der Berather dem Tros einst 265 Gab zum Entgelt für den Sohn Ganymedes, weil sie die besten

Sind von den.Rossen, so viel nur Helios schauet und Eos. Aus dem Stamme gewann sie der Männergebieter Anchises,

Ohne Laomedons Wissen, mit List, mit den eigenen Stuten, Welche darauf ihm in seinem Palast sechs Füllen geboren,

270

Deren er viere für sich an der Kripp' in den Ställen ernährte,

Zwei dem Aeneas gab, dort die, dem gewaltigen Kämpfer. Herrlicher Ruhm, wär's beiden, geläng' es uns, sie zu entführen!

Also sprachen die Helden im Wechselgespräch mit einander.

Sieh, da kamen die beiden heran mit den flüchtigen Rossen, Und der erhabene Sohn des Lykaon rief ihm entgegen: Tapferer, nimmer verzagender Sohn des gewaltigen Tydeus,

Bändigte dich mein schnelles Geschoß und der bittere Pfeil nicht:

275

Fünfter

Gesang.

91

Sei es denn jetzt mit dem Speere versucht, ob der dich erreiche!

Sprach es und schwang und entsandte die weithin schattende Lanze,

280

Die in den Schild des Tydiden hineinfuhr, und . in des Fluges

Kraft mit der ehernen Spitze hindurch drang bis zu dem Panzer.

Da rief laut ausjauchzend der glänzende Sohn des Lykaon: Der Wurf drang dir hindurch in die Weich', und ich hoffe, du hältst es

Nicht lang aus mehr, sondern gewährst mir herrlichen Siegsruhm!

285

Und es entgegnet' ihm ruhig der tapfere Held Diomedes: Nein, nicht hast du getroffen, gefehlt!, doch hoff' ich, ihr beiden

Lasset mir jetzt nicht ab von dem Kampf, bis Einer im Fall hier Ares mit Blute gesättigt, den nicht zu ermüdenden Krieger. Also sprach er und warf, und Athene lenkte die Lanze

290

Grad' an dem Aug' in die Nase) sie drang ihm die blinkenden.Zähne. Durch, und das mächtige Erz durchschnitt ihm die Wurzel der Zunge,

Daß ihm die Spitze mit Macht dicht hinter dem Kinne hervordrang.

Und er entstürzte dem Wagen, es rasselten um ihn die bunten,

Weithin glänzenden Waffen, und seitwärts sprangen ble schnellen

295

Rosse vor Schreck; ihn aber verlies; dort Leben und Stärke.

Aber Aeneas sprang mit dem Schild und der Lanze vom Wagen, Weil er befürchtet' es raubten die Danaer wohl ihm den Todten.

Ueber ihn stellt' er sich hin, wie ein Leu, im Gefühle der Stärke,

Hielt ihm den Speer weit vor und den Schild von gerundeter Wölbung, 300

Brüllend und jeden zu morden bereit, der jenem sich nahte. Da hob Tydeus Sohn mit der Hand den gewaltigen Stein auf,

Mächtig und groß: zwei Männer gewiß kaum würden ihn tragen,

Wie jetzt Sterbliche sind; doch leicht warf der ihn allein hin. Hiemit traf er Aeneas am Hüftbein, wo sich des Schenkels

305

Knochen bewegt im Gelenk, das sonst auch Pfanne genannt wird.

Und er zermalmt' ihm die Pfann' und die Sehnen zerschnitt er ihm beide, Gänzlich zerriß ihm die Haut von dem zackigen Stein, und der Held sank

Hin auf's Knie, halb stehend, gestützt mit der kräftigen Rechten Gegen die Erd', und die Augen umhüllt ihm nächtiges Dunkel.

310

Ilias.

92

Da nun starb wohl sicher der Männergebieter AeneaS; Doch gleich sah es die Tochter des Zeus, Aphrodite, die Mutter, Die ihn Anchises geboren, dem weidenden Hirten der Rinder.

Und mit den Lilienarmen umfing sie den Sohn, den geliebten, Breitete vor ihn beschützend ihr glänzendes Faltengewand aus

315

Gegen Geschosse, damit von den reisigen Danaern keiner

Ihm mit dem Erze die Brust durchbohrt' und das Leben ihm raubte. So nun trug sie den Sohn, den geliebten, davon aus dem Kampfe. Kapaneus Sohn indessen vergaß nicht jener Ermahnung,

Welche der Rufer im Streit Diomedes zuvor ihm gegeben;

320

Sondern er hielt sein eigen Gespann leichthufiger Rosse Fern dem Getümmel, indem er den Zaum festband an den Sessel,

Sprang zu Aeneas Rossen, den Mähnenumwallten, und trieb sie Weg von dem Troischen Volk zu den wohlumschienten Achäern.

Und dem De'ipylos gab er sie, der ihm bei weitem der liebste

325

War von den Altersgenossen, und ganz von derselben Gesinnung, Daß er sie schnell zu den Schiffen Hinabtrieb.

Aber er selber

Stieg in den eigenen Wagen, der Held, und die glänzenden Zügel

Rahm er, und trieb dann eilig die stampfenden Rosse des Tydeus Sohn nach.

Dieser verfolgte mit feindlichem Erze die Kypris,

330

Weil er erkannte, sie sei unkriegerisch, keine von jenen

Göttinnen, welche die Kämpfe der Sterblichen waltend beherrschen, Weder Athene noch die verwüstende Göttin Enyo.

Als nunmehr sie im dichten Gedräng des gewaltigen Tydeus Sohn, sie beständig verfolgend, erreicht: da bog er sich vorwärts,

335

Schwang sich ihr näher, und ritzt' ihr mit schneidendem Speere die Hand auf,

Oben, die zärtliche, daß ihr die Lanze sogleich in die Haut drang Durch den ambrosischen Schleier, der Chariten künstlich Gewebe,

Vorn an der Fläche der Hand.

Da floß ihr unsterbliches Blut hin:

Ichor, wie es ja fließt in den ewigen, seligen Göttern,

Da sie von Brot nicht essen, noch trinken von funkelndem Weine: Deshalb haben sie auch kein Blut, und heißen unsterblich.

340

Fünfter

93

Gesang.

Laut auf schrie sie vor Schmerz, und der Sohn entsank ihr zu Boden;

Doch mit den Armen empfing ihn und hüllt' ihn in dunkles Gewölke Phöbos Apollon, daß von den reisigen Danaern keiner

345

3hm mit dem Erze die Brust durchbohrt' und das Leben ihm raubte. Aber zu ihr rief laut der gewaltige Held Diomedes:

Weiche zurück, du Tochter des Zeus, von dem Kampf und der Feldschlacht! Hältst du es nicht für genug, ohnmächtige Fraun zu bethörend Kommst du jedoch in den Kampf, dann sollst du mir, hoff' ich, in Zukunft 350

Schauder empfinden, und hörst du von Kampf auch nur in der Ferne! Sprach's: da floh sie bestürzt, und sie litt von den Schmerzen entsetzlich. Iris indeß nahm gleich sie und führte die stöhnende windschnell

Aus dem Gewühl, und es färbte die liebliche Haut sich ihr dunkel. Da zu der Linken der Schlacht nun traf sie den stürmischen AreS

355

Sitzend, in Nebel die Lanze gehüllt und die flüchtigen Rosse.

Und auf's Knie hin sank sie sogleich, und den theueren Bruder Bat sie mit dringendem Flehn um die goldzaumprangenden Rosse:

Bringe mich, theuerer Bruder hinweg, gieb du mir die Rosse,

Aus den Olympos zu kommen, den Sitz der unsterblichen Götter.

360

Furchtbar schmerzt mich die Wunde, mir schlug sie der sterbliche Mann dort,

Tydeus Sohn, der jetzo mit Zeus selbst kämpfte, dem Vater! Sprach es, und Ares gab ihr die goldzaumprangenden Rosse.

Und sie bestieg nun selbst voll Schmerz in dem Busen den Wagen, Dann trat neben sie Iris und nahn: mit den Händen die Zügel,

365

Schwang antreibend die Geißel, und muthvoll flogen die Rosse Schnell zu Olympos Höhen, dem Sitz der unsterblichen Götter. Da hielt still mit den Stossen die windschnell eilende Iris,

Schirrte sie ab von dem Wagen, und warf die ambrosische Kost vor.

Doch in den Schooß der Dione, der Mutter, sank Aphrodite Nieder, die Göttin, und diese umfing mit den Armen die Tochter,

Streichelte sie mit der Hand und begann zu ihr also und sagte:

Wer hat so dich behandelt, o theueres Kind, von den Göttern,

Frevelen Muths, als hättest du öffentlich Böses verübet?

370

94

Ilias.

Und es entgegnet1 ihr wieder die lächelnde Aphrodite. Tydeus Sohn Diomedes, der trotzige, hat mich verwundet, Weil ich den theueren Sohn von dem Schlachtengetümmel Hinwegtrug, Meinen Aeneas, der mir so lieb ist, weit vor den Andern. Denn nicht ist es der Troer und Danaer schrecklicher Krieg mehr; Nein, die Achäer bekämpfen bereits die Unsterblichen selber. Und es entgegnet1 ihr drauf die erhabene Göttin Dione: Duld' es, o Kind, und ertrag1 es, obwohl voll Kummer im Herzen. Duldeten doch schon viele von uns, des Olympos Bewohnern, Leid von den Männern; wir schaffen das Unheil selber einander! Ares erduldet1 es, als ihm Aloeus mächtige Söhne, Otos und Ephialtes mit drückenden Banden beschwerten. Dreizehn Monden umschlang ihn im ehernen Thurme die Fessel, Und er verschmachtete sicher, der Kampflust athmende Ares, Hätt1 es der Braut Stiefmutter, die stattliche Eeriböa Nicht Hermeias gesagt, der Ares listig entführte, Da er vom Drucke der Fessel gebeugt, schon gänzlich geschwächt war. Here erduldet1 es, als des Amphitryon Sohn, der gewalt'ge, Rechts ihr hinein in den Busen den dreifach schneidenden Pfeil schoß. Damals ward auch sie von unendlichen Schmerzen ergriffen. Hades erduldete auch den gefiederten Pfeil, der erhabne, Als ihn derselbige Mann, Zeus Sohn, des Aegidenbewehrten, An der Verstorbenen Thor mit dem schmerzenden Pfeile getroffen. Der kam her zu dem Hause des Zeus und dem hohen Olympos, Trauernd im Herzen, von Qualen gepeiniget, aber es saß ihm Fest in der mächtigen Schulter der Pfeil und betrübt1 ihm die Seele. Und ihm bestreute Päeon mit linderndem Kraute die Wunde, Daß er ihn heilt1, auch war er ja nicht zum Sterben geboren. Kühner, Entsetzlicher, den nicht schauderte, Frevel zu üben, Der mit dem Bogen die Götter verletzt, des Olympos Bewohner! Doch dir sendete diesen des Zeus helläugige Tochter. Thöricht dachte daran wohl nicht in der Brust Diomedes,

375

380

385

390

395

400

405

Fünfter Gesang.

95

Daß der bald hinstirbt, der kämpft mit unsterblichen Göttern,

Daß nie Kinder ihn, stammelnd am Knie, als Vater begrüßen, Kommt er nach Hause zurück von dem Kampf und der schrecklichen Feldschlacht.

Deshalb hüte sich jetzt Diomedes, sei er der stärkste!

410

Daß nicht höher an Macht, als du ihn ein Andrer bekämpfe! Dann würd' Aegialea, die sinnige Tochter Adrastos,

Schluchzend im Schlaf ihr treues Gesind aufwecken im Hause,

Nach dem Gemale verlangend, dem tapfersten aller Achäer,

415

Sie, die erhabene Gattin des reisigen Sohnes des Tydeus.

Sprach es und trocknete jener den Ichor ab von dem Knöchel,

Daß ihr die Hand schnell heilt', und die heftigen Schmerzen vergingen. Pallas Athene indessen und Here sahen die beiden, Und sie versuchten, Kronion mit spottenden Worten zu reizen.

Also begann Athenäa, des Zeus helläugige Tochter:

420

Vater Kronion, ich denke, du zürnst nicht, wenn ich es sage?

Da hat Kypri.s wohl ein Achäisches Weib zu den Troern Ueberzulaufen beredet: sie liebt sie ja jetzt so gewaltig, Hat die Achäerin freundlich am Faltengewande gestreichelt,

Und sich dabei in das Händchen geritzt an der goldenen Spange!

425

Sprach es, und lächelnd vernahm es der Vater der Menschen und Götter Und Aphrodite rief er, die goldene Tochter und sagte:

Nein, mein Töchterchen, dein Werk sind nicht Thaten des Krieges,

Mache dir lieber zu thun mit den lieblichen Thaten der Hochzeit) Jene besorgt schon Ares, der Stürmende, mit Athenäa!

430

Also sprachen sie dieses und Aehnliches dort mit einander. Doch den Aeneas drängte der Rufer im Streit Diomedes,

Ob er wohl sah, ihn beschirmte mit eigenen Händen Apollon. Selber den Gott nicht scheut' er, den mächtigen, sondern AeneaS

Wollt' er erschlagen und dann die gepriesene Wehr ihm entreißen.

Dreimal stürzt' er an jenen hinan, in der Wuth, ihn zu morden; Dreimal stieß mit der Hand ihm Apollon den glänzenden Schild fort.

Als er indeß zum vierten hinansprang, gleich wie ein Dämon,

435

96

Ilias.

Da rief schrecklich, ihm drohend, der treffende Phöbos Apollon:

Nimm dich in Acht, Diomedes, und weiche mir! Achte den Göttern 440 Nimmer im Herzen dich gleich; denn nicht von demselbigen Stamme

Sind die unsterblichen-Götter und Erdebewohnenden Menschen!

Sprach es, und Tydeus Sohn wich vor ihm zurück ein Geringes, Weil er den Zorn des Apollon, des fernhin treffenden, scheute. So nun trug den Aeneas Apollon aus dem Getümmel

445

Hin nach Pergamos, wo ihm der heilige Tempel erbaut war.

Dort nun heilten ihn Leto und Artemis, froh der Geschosse, In dem erhabenen heiligsten Raum, und sie machten ihn herrlich.

Aber ein Bild schuf Phöbos, der Gott mit dem silbernen Bogen, Ganz dem Aeneas selbst an Gestalt gleich und der Bewaffnung.

450

Um dieß Bild nun hieben die Danaer dort und die Troer

Unter einander sich vorn um die Brust die gerundeten, großen

Stierhautschild' und die leicht sich schwingenden Tartschen in Stücken. Da rief Phöbos Apollon und sprach zu dem stürmenden Ares: Ares, blutiger Ares, Vernichtender, Mauerzerstörer,

455

Möchtest du nicht hingehen, den Mann von der Schlacht zu entfernen, Tydeus Sohn, der jetzo mit Zeus selbst kämpfte, dem Vater?'

Kypris hat er zuerst in der Hand, an dem Knöchel verwundet;

Und mich selber nachher, anstürmend gedrängt, wie ein Dämon.

Also sprach er und setzt' auf Pergamos Höhe sich nieder;

460

Doch in die Troischen Reihn schritt Ares treibend, der Wüthrich,

Akamas gleich an Gestalt, dem gewaltigen Führer der Thraker, Und zu den herrlichen Söhnen des Priamos rief er gebietend: O ihr, Priamos Söhne, des Götterentstammenden Königs, Sagt, wie lange vergönnt ihr das Morden des Volks den Achäern?

465

Bis sie den mächtigen Thoren vielleicht sich im Kampfe genahet? Lieget doch er schon, den wir geehrt gleich Hektor, dem edlen,

Held Aeneas, der Sohn des erhabenen Fürsten Anchises:

Auf, laßt aus dem Getümmel den trefflichen Freund uns erretten!

Also sprach und belebt' er den Muth in dem Herzen der Männer.

470

Fünfter Gesang.

97

Da rief auch Sarpedon und schalt den erhabenen Hektor: Hektor! Wie doch entschwand dir der Muth, der sonst dich erfülltes

Meintest, die Stadt auch ohne das Hülfsvolk selbst zu beschützen,

Du mit den eignen Verwandten allein und den leiblichen Brüdern!

Keinen von ihnen gelingt es mir jetzt zu erspähn und zu finden;

475

Sondern sie alle verbergen sich, wie vor dem Löwen die Hunde. Wir nur kämpfen, so viele wir euch zur Hülfe gekommen.

Denn auch ich kam her von der Fern' als Bundesgenosse,

Fern von der Lykier Fluren an Xanthos wirbelndem Strome, Wo ich das theuere Weib mit dem lallenden Sohne zurückließ,

.

480

Auch viel köstliches Gut, was wohl sich ein Dürftiger wünschte.

Und ich ermuntere dennoch die Lykier, möchte den Mann auch Selber im Kampfe bestehen, und gar nichts hab' ich im Land hier,

Was die Achäer mir etwa im Raub wegführten und nähmen.

Doch du stehst da selbst, und ermahnst auch nimmer die andern

485

Völker, sie sollen beharren und euere Frauen beschirmen! Daß ihr dem feindlichen Volk nur nicht, wie rings von des Netzes

Fangenden Schlingen umgarnt, zum Raub einst fallend erlieget, Wann sie die wohnliche Veste vielleicht bald werden zerstören!

Du mußt jetzt dieß Alles die Tag' und die Nächte bedenken,

490

Daß du die Führer erbittest, die weither kommenden Helfer, Fest bei euch zu verharren und drohenden Tadel vermeiden.

So Sarpedon und traf mit den: Zuruf Hektor im Herzen.

Gleich mit der Rüstung sprang er herab zu der Erde vom Wagen, Schwenkte die spitzigen Lanzen und eilt' in dem Heere zu Allen,

495

Trieb zu dem Kampfe sie an, und erweckte die grausige Feldschlacht,

Daß sie sich wendeten gegen die Schaar der Achäer und standen. Aber die Danaer blieben gedrängt fest stehen und furchtlos.

Wie vor dem Winde die Spreu um die worfelnden Männer vahinfliegt, Von den geheiligten Tennen, indem die gelockte Demeter

500

Frucht absondert und Spreu in dem machtvoll wehenden Winde;

Weiß färbt rings sich der Raum für die Spreu: so war der Achäer

7

98

Ilias.

Volk auch weiß, von dem Staube bedeckt, der zwischen den Männern

Unter der Rosse Gestampf zu dem ehernen Himmel emporstieg, Da die Gespanne sich wieder gewandt zu erneuetem Treffen.

505

Vorwärts trieb sie der Arme Gewalt, und der stürmische Ares Breitete Nacht ringsher um den Kampf und beschirmte die Troer,

Hierhin und dorthin eilend, und that, so wie es ihm eben

Phöbos geheißen, der Gott mit dem goldenen Schwert, ihn ermahnend, Trojas Heer zu ermuth'gen, nachdem er die Göttin Athene

510

Weggehn sah, die Hülfe dem Danaervolke geleistet. Aber Aeneas entsendet' er selbst von dem heiligen, reichen Tempel und schwellte die Brust dem gebietenden Fürsten mit Kampfmuth.

Also nahet' Aeneas den Seinigen, welche sich freuten,

Lebend ihn wieder zu sehn und gesund, voll rüstigen Muthes

515

Zu dem Gefecht herschreitend; indeß kein Einziger fragt' ihn; Denn jetzt hatten sie And'res zu thun, da mit dem Apollon Ares, der Würger sie trieb und die rastlos wüthende Eris. Aber die Ajas beid' und Odysseus und Diomedes

Trieben die Danaer dort zu dem Kampf; doch fürchteten diese

520

Auch von selbst schon nicht das Geschrei und das Drängen der Troer; Sondern sie standen, den Wolken vergleichbar, welche Kronion

Hoch um die Gipfel der Berge bewegungslos und geruhig Hinstellt, während der Schlummer des Boreas Macht und die andern

Heftigen Winde bezwang, die sonst mit pfeifendem Sausen

525

Stürmend die schattenden Wolken verwehn und sie alle zerstreuen.

Also standen den Troern die Danaer ruhig und furchtlos.

Aber das Heer durcheilt' Agamemnon herrschend und rufend:

Seid nun Männer und muthig gefaßt in dem Herzen, o Freunde! Scheuet einander und ehrt euch selbst in dem drängenden Kampfe! Ehren sich Männer, so retten sich mehr, als fallend erliegen;

Fliehenden aber erwächst kein Ruhm und die Stärke verläßt sie. Rief es und schleuderte heftig den Speer, und im vorderen Treffen

Warf er Deikoon nieder, den Freund des beherzten Aeneas,

530

Fünfter

Gesang.

99

Pergasos Sohn, den hoch, gleich Priamos Söhnen, die Troer

535

Achteten, weil er so rasch stets eilt' in die vordersten Kampfreihn. Den nun traf in den Schild mit dem Speer Agamemnon der Herrscher.

Doch der hielt ihm den Speer nicht ab; durch bohrte das Erz sich

Tief in den Bauch ein, unten, nachdem es den Gürtel hindurchdrang. Dröhnend sank er dahin, und es rasselten um ihn die Waffen.

540

Aber Aeneas erlegte der Danaer tapferste Männer, Krethon und mit ihm zugleich den Orsilochos, Söhne Diokles'. Pherä bewohnet' ihr Vater, die Stadt mit den wohnlichen Häusern,

Reich an Besitzthum, von dem Geschlecht des Alpheos entstammet, Welcher den mächtigen Strom in der Pylier Lande dahin gießt

545

Und den Orsilochos zeugte, den weithin herrschenden König.

Aber Orsilochos zeugte den muthigen Helden Diokles, Und dem Diokles wurden die Zwillingssöhne geboren: Mit dem Orsilochos Krethon, erfahren in jeglicher Kampfart.

Blühende Jünglinge zogen sie beid' in den dunkelen Schiffen

550

Mit den Argeern zugleich zu der Rossegesegneten Troja,

Ruhnr für des Atreus Söhn' Agamemnon und Menelaos Dort zu erringen, und jetzo umfing sie das endende Schicksal.

Wie zwei Löwen, zugleich in den Höhn des Gebirges erwachsen,

Welche die Mutter genährt in den dunkelen Tiefen des Waldes:

555

Beid' entführen int Raub die gemästeten Schaf' und die Rinder,

Und die Gehege der Menschen verwüsten sie, bis sie der Männer Hand dann beid' auch selber erlegt mit dem schneidenden Erze:

So auch, beide besiegt von dem mächtigen Arm des Aeneas, Sanken sie hin, gleich Tannen mit hoch aufragenden Wipfeln.

560

Und es erbarmte der beiden den tapferen Held Menelaos, Daß er die vorderen Reihn durchflog in des funkelnden Erzes

Wehr mit geschwungener Lanz', und das Herz ermuthigt' ihm Ares, Daß ihn der Arm des Aeneas vielleicht, so dacht' er, bezwänge.

Aber Antilochos sah ihn, der Sohn des erhabenen. Nestor, Und um den Führer der Völker besorgt, durcheilt' er den Vorkampf,

-t *

565

100

Ilias.

Daß nicht jener erlag' und vereitelte ihnen die Mühe. Und es erhoben die beiden die Arm' und die spitzigen Lanzen, Da sie einander genahet, den Kampf voll Wuth zu beginnen,

Als Antilochos dicht zu dem Völkergebieter hinantrat.

570

Da nun stand nicht länger Aeneas, sonst in dem Kampfe

Muthvoll, da er die beiden vereint sah, ihn zu erwarten. Und die zogen die Leichen hinweg zu dem Volk der Achäer,

Ließen die Armen daselbst in der Hand der Genossen und wandten Selber sich wieder zurück zu dem Kampf in den vordersten Reihen.

575

Und den Pylämenes schlugen sie dort, der ähnlich dem Ares,

Paphlagonier führte, gewaltige, Schildebewehrte.

Den traf Atreus Sohn, Menelaos, der Lanzenberühmte, Unter dem Schlüsselbein mit dem Speer, wie er stand und erlegt' ihn.

Aber Antilochos traf ihm den dienenden Lenker der Rosse

580

Mydon, Atymnios Sohn — der wendete eben die Rosse — Grad' in des Armes Gelenk mit dem Feldstein, daß ihm der Zügel,

Schimmernd von Elfenbein, in den Staub hinsank an die Erde.

Und in den Schlaf hieb nun ihm Antilochos schnell mit dem Schwerte,

Daß er mit tiefem Gestöhn von dem herrlichen Wagen hinabsank,

585

Häuptlings, gegen den Boden gestützt mit dem Kopf und den Schultern.

Und so stand er so lang' in dem tief dort liegenden Sande, Bis ihn das Schlagen der Ross' in den Staub umwarf an die Erde, Da sie Antilochos geißelnd zum Heer der Achäer hinwegtrieb. Da nun sah in den Reihen sie Hektor: stürmte mit Schlachtruf

590

Gegen sie an, und ihm folgten zugleich die gewaltigen Schaaren Troischen Volkes, von Ares geführt und der hehren Enyo,

Diese vom wüsten Getümmel umtobt des entsetzlichen Kampfes, Ares, die Rechte bewehrt mit der Grauenerregenden Lanze. Also stürmt' er daher, bald vor, bald hinter dem Hektor.

595

Und ihn gewahrte mit Schrecken der Rufer im Streit Diomedes.

So wie schwankend ein Mann, der weit im Gefilde gewandert, Still an dem Fluß steht, welcher mit reißendem Strom in das Meer stießt,

Fünfter

Gesang.

101

Weil er ihn sieht hinbrausen mit Schaum, und in Eile zurückkehrt: So wich dort Diomedes zurück, und er sprach zu dem Volke:

600

Weshalb, Freunde, bewundern wir doch den erhabenen Hektor,

Daß er im Kampf mit dem Speere so stark und so muthig im Streit ist? Immer geleitet ihn irgend ein Gott, vor dem Tod ihn zu schützen!

Und auch jetzt, wie ein Mann von Gestalt, kommt neben ihm Ares.

Auf denn, immer die Stirn zu dem Troischen Volke gewendet,

605

Weichet zurück, und begehrt nicht Kampf der Gewalt mit den Göttern!

Sprach's, da waren die Troer bereits ganz nahe gekommen.

Und es erlagen dem Hektor die zwei Kampftüchtigen Männer, Beid' in demselbigen Wagen, Anchialos mit dem Menesthes. Und es bekümmert' ihr Fall den gewaltigen Telamoniden

610

Ajas, und dicht hin trat er und warf mit der blitzenden Lanze. Und den Amphios erlegt' er, des Selagos Sohn, der Päsos

Reich an Besitz und an Feldern bewohnete; aber das Schicksal

Führt' als Bundesgenossen ihn Priamos zu und den Söhnen. Den traf Ajas Telamon's Sohn dort grad' in den Gürtel,

615

Daß in den Bauch ihm nach unten die mächtige Lanze hineindrang.

Dröhnend stürzt' er, und Ajas, der glänzende, eilte die Rüstung Ihm zu entziehn: da schossen die Dardaner auf ihn die scharfen,

Blitzenden Speer' ab, die er in Meng' auffing mit dem Schilde.

Und von dem Leichnam zog er, den Fuß anstemmend, die Lanz' ans;

620

Nimmer vermocht' er jedoch, ihm die anderen, glänzenden Waffen Auch von den Schultern zu ziehn: so ward er gedrängt von Geschossen.

Und er befürchtete, daß ihn mit Macht die gewaltigen Troer Möchten umzingeln, der Tapfern so viel um ihn her mit den Lanzen, Welche sie schwangen, und ihn, den gewaltigen, herrlichen, großen

625

Von sich zurück stets trieben, und langsam wich er dem Drängen.

Also rangen sie dort in des Kampfs mühseliger Arbeit. Aber den Herakliden Tlepolemos, groß und gewaltig, Trieb Sarpedon, dem hohen, das Schicksal waltend entgegen.

Als sie einander sich nun zu dem Kampf anrennend genahet,

630

102

Ilias.

Dieser der Sohn, der Enkel des Wolkenversammlers Kronion,

Hub Tlepolemos an, und er sprach zu dem Andern die Worte: Herrscher des Lykiervolks, 'was nöthiget dich, o Sarpedon,

Hier dich zu ängstigen, da du ja nichts von dem Kampfe verstehest'? Lug ist's, nennen sie dich Zeus Sohn, des Aegidenbewehrten;

635

Denn dir fehlet fürwahr! sehr viel, den Männern zu gleichen, Welche von Zeus äbstammten in früheren Menschengeschlechtern. Wahrlich von anderer Art war einst der gewalt'ge Herakles, Wie man erzählt, mein Vater, der tapfere, löwenbeherzte,

Der einst herkam, um des Laomedon Rosse zu fordern,

640

Mit sechs Schiffen in Allem, und auch mit weniger Männern, Und er verheerte die Stadt und verwüstete Ilios Straßen.

Doch dir zagt dein Herz in der Brust, und es fallen die Völker!

Du wehrst, mein' ich, den Troern, indem du von Lykia herkamst, Nimmer das Unheil ab, auch wenn du ein tapferer Mann wärst;

645

Sondern du gehest, bezwungen von mir, zu den Pforten des Ms.

Und es entgegnete jenem der Lykier Führer Sarpedon: Wohl, Tlepolemos, jener verwüstete Troja, die hehre,

Um des erhabenen Helden Laomedon frevele Thorheit, Weil er für Wohlthat jenen mit heftigen Worten bedrohet

650

Und ihm die Rosse verweigert, um die er von ferne gekommen; Doch dir naht, so hoff' ich, der Tod und das dunkle Verhängniß

Jetzo von mir, dich erlegt mein Speer hier, daß du den Siegsruhm Mir giebst, aber die Seele dem Rossebeherrschenden Ais.

Also sprach Sarpedon zu ihm, und die eschene Lanze

655

Schwang Tlepolemos hoch: die gewaltigen Lanzen entflogen Beiden zugleich von der Hand, und es traf in den Nacken Sarpedon

Mitten hinein, daß hinten die schreckliche Spitze hervordrang, Und sich ihm nächtiges Dunkel sogleich auf die Augen herabgoß.

Aber Tlepolemos hatt' ihm den mächtigen Speer in den linken Schenkel gejagt, und es stürmt' ihm die wüthende Spitze der Lanze

Bis zu dem Knochen hinein; doch wehrt' ihm der Vater den Tod ab.

660

Fünfter

Gesang.

103

Und von dem Kampfplatz trugen den göttlichen Helden Sarpedon

Tapfere Freund', ihn beschwerte die lang nachschleppende Lanze; Aber es achtete keiner darauf in der Eil' und besann sich,

665

Daß er den eschenen Speer auszög' aus dem Schenkel, und jener

Sich daran stützte: sie hatten es so auch schwer, ihn zu retten!

Aber Tlepolemos trugen die wohlumschienten Achäer Dort von dem Kampfe hinweg.

Da sah es der edle Odysseus,

Muthigen Herzens; ihn trieb die Begier in dem inneren Busen.

670

Und er bedacht' es in Zweifel mit sich in dem Geist und Gemüthe,

Ob er zuvor Zeus Sohne, des weithin Donnernden nacheilt',

Oder des Lebens zuerst von den Lykiern viele beraubte.

Aber das Schicksal gönnt' es dem muthigen Helden Odysseus Nicht, Zeus tapferen Sohn mit dem schneidenden Erze zu tödten:

675

Deshalb wandt' ihm Athene den Sinn auf der Lykier Menge. Köranos tödtet' er also und Chromios und den Alastor,

Halios dann und AlkandroS und Prytanis und den Noemon.

Und es erschlug noch mehr von dem Volk der erhab'ne Odysseus, Wenn nicht gleich ihn gesehen der Helmbuschnickende Hektor,

680

Und mit dem funkelnden Erze bewehrt, durcheilt' er den Vorkampf, Graunvoll für die Achäer; indeß froh sah ihn Sarpedon,

Zeus Sohn, da er sich naht', und er sprach zu ihm klagend die Worte: Laß mich, o Priamos Sohn, zum Raub nicht hier den Achäern Liegen: vertheidige mich! dann mag mein Leben entfliehen,

685

Dort bei euch in der Stadt; denn niemals hoff' ich ja nun wohl,

Wieder nach Hause gekehrt zu dem theueren Lande der Väter, Noch mein liebendes Weib und den lallenden Sohn zu erfreuen!

Sprach es, und nichts antwortet' ihm drauf der gewaltige Hektor; Sondern er stürmte vorbei, in Begier, die Argeischen Schaaren

690

Schnell zu verdrängen und Vielen den Muth und das Leben zu rauben.

Da nun legten den edlen Sarpedon seine Genossen Unter die herrliche Buche des Aegisbewehrten Kronion.

Pelagon aber der Held, der stets ihm ein treuer Genoß war,

104

Ilias.

Zog ihm die eschene Lanze daselbst nun aus von dem Schenkel,

695

Und ihn verließ die Besinnung und Nacht umhüllt' ihm die Augen.

Doch bald athmet' er auf, von des Boreas Odem umwehet; Dieser belebt' ihm von Neuem den schwer arbeitenden Busen. Aber von Ares gedrängt und dem Erzumpanzerten Hektor,

Wandten die Danaer weder sich um zu den dunkelen Schiffen,

700

Noch auch drangen sie mehr in den Kampf vor; sondern beständig Wichen sie, da sie gehört, daß Ares im Troischen Heer sei. Wem nun raubte zuerst und zuletzt sein Waffengeschmeide

Hektor, Priamos Sohn, mit dem Erzumpanzerten Ares? Teuthras, dem herrlichen, nach ihm dem reisigen Helden Orestes,

705

Trechos, dem Kämpfer nachher, dem Aetolier und Oenemaos, Helenos, Oenops Sohn, und Oresbios zierlich gegürtet,

Welcher in Hyle wohnt', um den Reichthum sorgend bemühet, An dem Kephisis nahe, dem See, und ihm wohnten benachbart

Andre Booten und freuten sich dort des ergiebigen Landes.

710

Als sie Here gewahrte, die lilienarmige Göttin, Wie sie der Danaer Volk in dem heftigen Kampfe vertilgten,

Wandte sie sich zu Athene und sprach die geflügelten Worte:

Weh uns, Tochter des Zeus, des Aegidenbewehrten, Gewalt'ge, Wahrlich mit eitelen Worten verhießen wir einst Menelaos,

715

Heim ziehn sollt' er, nachdem er die Troische Veste zerstöret, Wenn wir dem Ares erlauben, den Wüthigen, also zu rasen!

Komm, laß uns auch beide der mächtigen Stärke gedenken!

Sprach's, da folgt' ihr des Zeus helläugige Tochter Athene.

Schnell nun schirrte die Rosse mit goldenem Zaum an den Wagen

720

Here, die heilige Göttin, erzeugt von dem mächtigen Kronos. Hebe legt' an den Wagen ihr schnell die gerundeten Räder,

Mit acht ehernen Speichen umher um die eiserne Are. Golden ist rings, nie alternd ihr Kranz, und es liegen darüber, Oben befestigt, die Schienen von Erz: man staunt, sie zu sehen!

Und es umgeben sie rings umlaufende Naben von Silber,

725

Fünfter

Gesang.

105

Während der Sessel in Riemen von Gold und von Silber gehängt ist,

Ringshin oben umher mit gedoppelten Rändern umzogen. Endlich die Deichsel daran ist silbern.

Und vorn an dem Ende

Band sie das herrliche Joch aus Gold fest auf, und die schönen,

730

Goldenen Seil' auch schlang sie umher, und die flüchtigen Rosse

Führte sich Here unter das Joch, voll Lust nach dem Kampfe.

Doch Athenäa, die Tochter des Zeus, des Aegideubewehrten, Legte das feine, gestickte Gewand im Gemache des Vaters, Das sie mit künstlichen Händen sich selber gewebt, an den Boden;

735

Dann mit dem Rocke bekleidet des Wolkenversammlers Kronion,

Zog sie die Rüstung an zu dem Thränenerregenden Kampfe, Legte darauf um die Schultern die Troddelbehangene, grause Aegiö, um die sich im Kreise das Graun an dem Rande dahinzog,

In ihr aber ist Streit, ist Kraft, ist gräuliche Kampfwuth

740

Innen der Gorgo Haupt, des Entsetzenerregenden Unthiers, Schrecklich und grausig, das Zeichen des Aegisbewehrten Kronion: Deckte das Haupt mit dem Helme von Gold, mit den Bügeln und Büschen,

Vieren — das Fußvolk deckt' er aus hundert Städten zusammen. Und sie bestieg ihr flammend Gespann; dann nahm sie die schwere,

745

Hohe, gediegene Lanze, mit der sie die Schaaren der Helden

Bändiget, denen sie zürnt, des gewaltigen Vaters Erzeugte. Da trieb Here sogleich mit geschwungener Geißel die Rosse.

Krachend erschloß sich von selber das hinlmlische Thor, in der Horen Obhut, denen der Himmel und auch der Olympos vertraut ist

750

Ihn zu verschließen mit dichtem Gewölk und ihn wieder zu öffnen. Dieses hindurch nun lenkten sie jetzt die gegeißelten Rosse.

Und den Kronion fanden sie fern von den anderen Göttern

Hoch auf den Höhn da sitzend des Zackenumstarrten Olympos. Da hielt Here die Rosse, die lilienarmige Göttin.

755

Und sie begann zu dem Zells, dem erhabensten Herrscher und fragt' ihn: Zürnest du nicht, Zeus, Vater, des Ares frevelem Treiben, Wie er im Volk der Achäer so viel' und so treffliche mordet,

106

Ilias.

Frech, ganz wider Gebühr, zum Schmerz mir, während geruhig Kypris darüber sich freut mit dem Bogenberühmten Apollon,

760

Welche den Tollen entsandt, der gar nichts weiß von dem Rechte? Schältest du mich wohl, Vater Kronion, wenn ich den Ares Träfe mit schmerzendem Schlag und ihn so von dem Kampfe zurück trieb? Da sprach jener entgegnend der Wolkenversammler Kronion: Wohl denn, send' ihm Athene, die siegende Göttin entgegen,

765

Die ja ihm Pfleget am meisten mit bitteren Schmerzen zu nahen.

Sprach es, und Here gehorcht' ihm, die lilienarmige Göttin,

Trieb mit der Geißel der Rosse Gespann, und sie flogen in Eile Muthvoll zwischen der Erde dahin und dem sternigen Himmel.

Weithin, wie in dem Rebel ein Mann wohl sieht mit den Augen,

770

Der von dem Sitz' in der Warte hinaus in das dunkele Meer schaut: So weit eilen im Sprunge die wiehernden Rosse der Götter. Aber nach Ilios nun und dem doppelten Strome gekommen,

Wo sich des Simois und des Skamandros Fluten vereinen:

Da hielt Here die Rosse, die lilienarmige Göttin,

775

Spannte sie aus von dem Wagen und hüllte sie dicht in Gewölk ein; Aber Ambrosia sproßte von Simois auf, sie zu weiden.

Doch sie eilten dahin, gleich schüchternen Tauben im Gange, Voller Begierde, dem Heer der Argelschen Männer zu helfen.

Und zu der Stelle gelangt, wo rings die gewaltigsten alle

780

Um Diomedes standen, dem reisigen Helden im Kreise,

Dicht an einander gedrängt, gleich Raubaufschlingenden Löwen

Oder wie Eber des Waldes, der nie zu ermüdenden Kraft voll: Da stand still, um zu rufen, die lilienarmige Here,

Unter des Stentor, des starken, Gestalt, mit der ehernen Stimme,

785

Welcher vermochte so laut, wie Anderer fünfzig zu rufen: Jst's doch Schmach, ihr Achäer, Erbärmliche, herrlich von Ansehn!

-Als noch Achilleus mit zu dem Kampf auszog, der erhab'ne, Ja, da wagten die Troer sich nicht aus Dardanos Thoren; Denn da schreckte die Furcht sie vor ihm und der mächtigen Lanze;

790

Fünfter

Gesang.

107

Doch nun kämpfen sie weit vor der Stadt an den räumigen Schiffen!

Also sprach sie und reizte den Muth in dem Herzen der Männer, Und zu des Tydeus Sohn hin eilte die Göttin Athene.

Und au des Wagens Geschirr dort fand sie ihn stehend den Herrscher, Wie er die Wund' abkühlte, von Pandaros Pfeil ihm geschossen.

795

Denn ihn beschwerte der Schweiß und der Druck von des rundlichen Schildes Breitem Gehenk, und sie lähmt' ihm den Arm und erfüllt' ihn mit Schmerzen. So nun hob er den Riemen, das dunkele Blut sich zu trocknen;

Aber die Göttin berührte das Joch des Gespannes und sagte:

Wahrlich, den Sohn erzeugte sich Tydeus wenig ihm ähnlich;

800

Tydeus war nur klein von Gestalt; doch war er ein Kämpfer!

Selbst auch, da ich einmal ihm den Kampf nicht wollte gestatten, Noch sein wüthendes Streiten, indem er, nach Thebe gesendet,

Von den Achäern allein hinging zu der Schaar der Kadmeer,

Und ich ihn mahnte, geruhig das Mal im Palast zu genießen:

805

Da selbst, wie er es pflegte, die Brust' von dem tapferen Muth voll,

Rief er zu Kämpfen die Männer, und er blieb Sieger in allen, Ohne Beschwer: ich half ihm dabei mit dem mächtigen Beistand.

Aber ich stehe ja dir doch stets zur Seite, dich schirmend,

Und ich ermahne dich, immer beherzt mit den Troern zu kämpfen;

810

Doch dir lähmet entweder die heftige Mühe die Glieder,

Oder die Furcht hat wo dich entseelt; dann hätte dich, wahrlich, Tydeus nimmer gezeuget, der Sohn des gewaltigen Omens! Und zu ihr sprach antwortend der tapfere Held Diomedes: Göttin, ich kenne dich, Zeus des Aegidenbewaffneten Tochter.

815

Deshalb red' ich zu dir auch frei, und ich sage dir Alles. Gar nicht hat mich die Furcht wo entseelt, noch weichliches Zaudern;

Sondern ich bin nur dessen gedenk, was du mir gesagt hast.

Denn du erlaubtest mir nicht mit den anderen seligen Göttern

Feindlichen Kampf; nur wenn Zeus Tochter vielleicht Aphrodite

Käm' in die Schlacht, die sollt' ich mit schneidendem Erze verwunden. Deshalb zog ich mich selber zurück und ermahnte die andern

820

108

Ilias.

Danaer auch, jetzt alle zumal sich um mich zu versammeln;

Denn ich erkenne den Ares: er führt sie ja in dem Gefechte. Und es erwidert' ihm Zeus helläugige Tochter Athene:

825

Tydeus Sohn, Diomedes, Gelobtester, selber den Ares Fürchte du jetzt nicht länger, noch sonst auch einen der Andern Von den Unsterblichen, da ich dich selbst so gewaltig beschirme.

Komm!

Auf Ares lenke die stampfenden Rosse vor Allen,

Triff von der Näh ihn und fürchte dich nicht vor dem stürmischen Ares/ 830

Diesem von Einem zum Andern in Wuth hinrasenden Unhold, Der erst neulich der Here und mir das Versprechen gegeben, Gegen die Troer zu kämpfen und Argos Schaaren zu helfen;

Aber es jetzo vergißt und dem Troischen Volk sich gesellet! Sprach's und den Sthenelos zog sie zurück mit derHand von dem Wagen, 835

Daß er, gestoßen, in Eile sogleich an den Boden hinabsprang;

Aber den Sessel bestieg mit dem Held Diomedes die Göttin, Voller Begier, und es krachte die büchene Are gewaltig Unter der schrecklichen Göttin Gewicht und des tapfersten Mannes.

Geißel und Zügel ergriff mit der Hand Athenäa und rasch nun

840

Trieb sie die stampfenden Rosse zuerst hin gegen den Ares.

Dieser ermordete eben Ochesios glänzenden Sohn dort. Periphas, von den Aetolern den tapfersten Mann und den größten.

Diesen ermordete Ares, der blutige; aber Athene Barg sich in Alves Helm vor dem Blick des gewaltigen Ares.

845

Als nun Ares, der Wüthrich, des Tydeus göttlichen Sohn sah, Ließ er den Periphas gleich, den gewaltigen, liegen am Boden,

Wo er ihn eben erschlagen und Muth ihm und Leben geraubet, Und Diomedes eilt' er, dem reisigen Helden entgegen. Aber nachdem sie einander sich beid' anrennend genahet,

Streckte sich Ares zuerst, weit über die Zäum' und das Joch hin, Vor mit der ehernen Lanz', und begehrt ihm das Leben zu rauben.

Doch die nahm mit der Hand die erhabene Göttin Athene, Stieß sie hinweg von dem Sessel, so daß sie ihn fehlt' und vorbeiflog.

850

Fünfter

Gesang.

Jetzt nun aber erhob sich der Rufer im Streit Diomedes

Mit dem gewaltigen Speere von

109 855

und es trieb ihn Athene

Unten hinein in den Bauch, da wo er die Binde gegürtet. Dorthin traf er und bohrt' ihm hinein in den blühenden Körper,

Zog dann wieder die Lanze zurück, und der eherne Ares Brüllt', als ob neuntausend und auch zehntausend,der Männer

860

All' aufschrieen im Streit, in des Ares Kampsesgemenge.

Und die Achäer und Troer ergriff furchtbares Entsetzen: So brüllt Ares, der Gott, der nie an dem Kampfe sich sättigt. So wie von dem Gewölke sich nächtiges Dunkel herabsenkt,

Wann nach drückender Hitze der Wind laut brausend daher stürmt:

865

Also erschien dort Ares, der eherne Gott, dem Tydiden, Da er in Wolken gehüllt zu dem Himmelsgewölbe hinauffuhr. Schnell zu Olympos Höhn, der Unsterblichen Sitze gelangt' er,

Und da setzt' er sich nieder zu Zeus, dem Kroniden, in Trauer, Zeigte die Wund', aus welcher das göttliche Blut ihm hinabrann,

870

lind dann jammert' er laut und begann die geflügelten Worte: Zürnest du, Zeus nicht, Vater, indem du die frevele That siehst?

Immer erleiden die Götter daö Schrecklichste durch die Beschlüsse Einer des Anderen, um uns den Sterblichen hold zu bezeigen.

Doch dir grollen wir Alle! du bist ja der rasenden Jungfrau

875

Vater, der schrecklichen, die nur frevele Thaten ersinnet.

Denn die Unsterblichen alle, so viel den Olympos bewohnen, Alle gehorchen sie dir, und ein jeglicher füget sich willig: Ihr nur sagest du weder ein Wort, noch hemmst du sie thätlich;

Sondern du lässest sie, weil du die schreckliche selber gezeugt hast.

880

Treibt sie ja doch den Tydiden, den mächtigen Held Diomedes, Jetzo in rasender Wuth mit den ewigen Göttern zu kämpfen.

Kypris hat er zuerst in der Hand an dem Knöchel verwundet; Aber sogar auf mich auch stürmt' er nachher wie ein Dämon. Nur durch Schnelle der Schenkel entkam ich ihm; wahrlich, ich litt sonst 885 Lange vielleicht dort Schmerzen im grausigen Leichengewimmel,

110

Illas.

Oder ich lebte^ vielleicht kraftlos, von dem Erze getroffen.

Da sprach finsteren Blickes der Wolkenversammler Kronion:

Sitze mir da nicht winselnd, du Nimmergetreu, an der Seite! Widrig bist du mir, wie kein Gott sonst auf dem Olympos;

Denn es erfreut dich ja nichts, als Zwietracht, Kampf und Gefechte. Gänzlich hast du der Mutter Gemüth, starrsinnig und trotzig,

Here's, die sich ja kaum mir selbst und meinem Gebot fügt:

Deshalb, mein' ich, von ihr auch kommt jetzt, was dich getroffen! Doch nun lass' ich die Schmerzen dich nicht noch länger erdulden,

895

Bist du ja doch mein Sohn, und mir von der Mutter geboren: Wenn dich ein anderer Gott so heillos hätte gezeuget,

Wahrlich, du lägst schon längst tief unter den Uranionen! Also sprach er und rief dem Päeon, jenen zu heilen.

Dem nun streute Päeon sogleich schmerzstillendes Kraut auf, Daß er ihn heilt', auch war er ja nicht zum Sterben geboren.

Schnell, wie schimmernde Milch feststeht von dem Safte der Feige,

Erst noch flüssig, und schnell sich verdickt, wann Einer sie umrührt: Also heilete jener geschwind den gewaltigen Ares. Dann nun badet' ihn Hebe und hüllt' ihn in schöne Gewände,

Und zu Kronion setzt' er sich hin voll freudigen Trotzes.

Doch die kehreten wieder zu Zeus, des Gewaltigen Hause, Here von Argos und mit ihr Alalkomene's Athenäa,

Als sie den würgenden Ares gehemmt in der Männer Ermordung.

900

Sechster Gesang. ^Zetzt NUN waren die Troer und Danaer nur in der Feldschlacht,

Und in der Ebene zog das Gefecht ost hierhin und dahin,

Wie sie einander bekämpfend die ehernen Lanzen erhoben, Zwischen des Simo'i'S Strom und den wirbelnden Fluten des Xanthos.

Aber zuerst brach Ajas des Telamon Sohn, der Achäer

5

Hort, in das Troische Heer und bereitete Licht den Genossen, Als er den tapfersten Mann in den Thrakischen Schaaren getroffen, Akamas, den Eussoros gezeugt, den gewaltigen, starken. Diesem zuerst durchbohrt' er den Mähnenumschatteten Helmknopf,

Daß ihm die eherne Spitz' in die Stirn fuhr.

Tief in den Schädel

10

Drang sie ihm bohrend hinein, und Nacht umhüllt' ihm die Augen. Arylos aber erlegte der Rufer im Streit Diomedes,

Teuthras Sohn.

Der wohnt' in der wohlerbauten Arisbe,

Reich an den Gütern des Lebens, und werth von den Menschen gehalten,

Weil er sie alle mit Liebe verpflegt' in dem Haus an der Straße.

15

Keiner von ihnen bewahrt' ihn jedoch vor dem grausen Verderben, Daß er sich vor ihn gestellt: es erschlug der Tydide die beiden, Ihn und den Wagengenossen Kalesios, der ihm die Rosse Damals führte; sie gingen zugleich beid' unter die Erde. Aber Euryalos nahm des Opheltios Wehr und des Dresos;

Schritt dann gegen Aesepos und Pedasos, den mit des Quelles

Nymph' Abarbarea einst Bukolion zeugte der edle. Aber Bukolion war des Laomedon Sohn, des erlauchten,

20

112

Ilias.

Seines Geschlechtes der erste, geheim von der Mutter geboren.

Einst beim Hüten der Schafe gesellt' er sich zu ihr in Liebe,

25

Und sie empfing in dem Lager die Zwillingssöhn', und gebar sie;

Doch nun löste den beiden die Kraft und die glänzenden Glieder

Dort der Mekisteiad' und entriß ihm den Schultern die Rüstung. Und den Astyalos schlug der gewaltige Held Polypötes! Ferner Pidytes fiel, der Perkosier, von des Odysseus

30

Ehernem Speer, und den Held Aretaon töotete Teukros. Und den Ableros erschlug mit dem blinkenden Speere des Nestor Sohn Antilochos; aber den Elatos Fürst Agamemnon.

Dieser bewohnt' an des Stromes Satnio'is Usern die hohe Pedasos; Phylakos sank von des Le'itos mächtigen Armen,

35

Schon im Entfliehn, und Eurypylos nahm des Melanthios Rüstung. Aber der Rufer im Streit Menelaos fing den Adrastos Lebend, indem ihm der Rosse Gespann scheu durch das Gefild lief.

Vor Thamarisken-Gezweige sich ängstigend brachen sie vorn ihm Nah an der Deichsel den Wagen entzwei, und sie flohen der Stadt zu,

40

Eben desselbigen Wegs, wo scheu auch andere liefen. Und so flog er vom Wagen herab dicht neben das Rad hin,

Vorwärts auf das Gesicht in den Staub.

Da stand der Atride

Neben ihm, Held Menelaos, bewehrt mit der mächtigen Lanze. Und es umschlang ihm die Kniee mit flehenden Worten Adrastos:

45

Fang', o Atride, mich lebend und nimm die gebührende Lösung!

Viel Kleinode bewahrt der Palast des begüterten Vaters, Erzes und Goldes die Meng' und des viel zu gestaltenden Eisens:

Davon gäb mein Vater dir gern unendliche Lösung, Wenn er erführ, noch leb' ich ihm dort an den Schiffen Achajas.

50

Also sprach er zu ihm und bewegt' ihm das Herz in dem Busen.

Und er gedachte bereits, ihn dem Kampfesgenossen zu geben, Daß er ihn nahm zu den Schiffen der Danaer; doch Agamemnon Kam ihm entgegen im Lauf, und begann laut schmähend die Worte: Weshalb sorgest du so, Menelaos, Bester, um diese?

55

Sechster

Gesang.

113

Treffliche Thaten verübten, fürwahr, dir im Hause die Troer! Keiner von ihnen entrinne von unserer Hand vor des Todes Grauengeschick, auch selber das Kind nicht, welches die Mutter Noch in dem Schoß trägt, dieß selbst nicht: nein, alle zusammen

Müssen, von Keinem geehrt und beklagt, hinsinken vor Troja!

60

Also sprach er und wandte den Sinn in dem Herzen des BruderS, Weil er mit Recht ihn ermahnt', und er stieß den erhab'nen Adrastos

Weg mit der Hand: da traf ihn der herrschende Fürst Agamemnon Unten im Bauch, so daß er zurück sank, und der Atride

Stemmt' ihm den Fuß an die Schulter und zog ihm den eschenen Speer aus. 65

Nestor aber gebot mit dem tönenden Ruf den Achäern: Theuere Freund', ihr Helden der Danaer, Diener des Ares, Bleibe mir jetzt ja keiner zurück, auf Beute begierig,

Um recht viel aufsammelnd hinab zu den Schiffen zu eilen! .

Tödten wir lieber die Männer; nachher dann könnt ihr die Waffen

70

Ganz in der Ruh im Gefild der Erschlagenen Leichen entreißen.

Also sprach er und weckte den Muth in dem Herzen der Männer. Da nun stohen die Troer vielleicht vor den tapfern Achäern

Heim nach Ilios, weil sie in Ohnmacht jenen erlagen; Doch zu Aeneas und Hektor begann hintretend die Worte

75

Helenos, Priamos Sohn, von den Vogeldeutern der beste: Hektor und du, Aeneas, die Arbeit liegt ja am meisten

Euch von den Troern auf und den Lykiern, weil ihr in Allem Weit die vortrefflichsten seid, in der Feldschlacht, wie in dem Rathe.

Bleibt hier stehen und haltet, indem ihr die Reihen hindurch eilt,

80

Fern von den Thoren das Volk; sonst stürzen die Fliehenden, wahrlich,

Dort in die Arme der Fraun, znm höhnenden Jubel der Feinde! Aber nachdem ihr die Reihn dann ringsher wieder ermuthigt,

Wollen wir selbst hier bleiben im Kampf mit der Danaer Schaaren, Werden wir auch wohl heftig bedrängt: uns zwingt ja die Noth jetzt.

Doch du, Hektor, geh in die Stadt, mit der Mutter zu sprechen, Deiner und meiner.

Sie soll sich die edelsten Frauen versammeln,

85

114

Ilias.

Hoch zu der Burg und dem Tempel der Herrscherin Pallas Athene.

Aber, nachdem sie das Thor des geweiheten Hauses geöffnet,

Soll sie den Schleier, den größten und herrlichsten ihres Bedünkens,

90

Und im Palaste von allen ihr selbst bei weitem den liebsten,

Auf Athenäas Knie hinlegen, der herrlich gelockten, Und ihr geloben, im Tempel ihr zwölf untadlige Rinder,

Jährige, nimmer gezähmte, zu heiligen, ob sie der Stadt sich

Möcht' und der Troischen Frau'n und der lallenden Kinder erbarmen,

95

Daß sie des Tydeus Sohn von der heiligen Ilios abwehrt, Ihn, den entsetzlichen Kämpfer, den Grauenerregenden Helden,

Welchen ich jetzt für den stärksten eracht' in dem Volk der Achäer. Selbst vor Achilleus zagten wir so niemals, dem erhab'nen, Welchen die Göttin, erzählt man, gebar; doch gar zu entsetzlich

100

Wüthet ja dieser: es mag an Gewalt sich ihm Keiner vergleichen. Also redete jener, und Hektor folgte dem Bruder,

Sprang in der Rüstung der Waffen sogleich an die Erde vom Wagen,

Schwang die gewaltigen Lanzen und eilt' in dem Heere zu Allen,

Trieb zu dem Kampfe sie an, und erweckte die grausige Feldschlacht,

105

Daß sie ermannt fest standen, die Stirn den Achäern entgegen.

Aber die Danaer wichen zurück und sie ließen vom Morden, Weil sie vermutheten, irgend ein Gott von den: sternigen Himmel

Kam, um den Troern zu helfen, herab: so standen sie plötzlich. Hektor aber gebot mit gewaltiger Stimme den Troern:

110

Muthige Troer und ferne berufene Bundesgenossen,

Seid nun Männer, ihr Freund' und gedenkt der gewaltigen Stärke, Während ich selbst hingehe nach Ilios und es den hohen Greisen des Raths und zugleich auch unseren Frauen empfehle, Daß sie den Himmlischen flehen und Sühnhekatomben verheißen.

Also sprach und enteilte der Helmbuschnickende Hektor.

Knöchel und Nacken umflogen die äußersten Ränder der Thierhaut, Die, ganz schwarz, um den Rand des genabelten Schildes umherlief. Glaukos aber, Hippolochos Sohn und der hohe Tydide

115

Sechster

Gesang.

115

Trafen sich dort in der Mitte der Schlacht, voll Kampfesbegierde.

120

Aber nachdem sie einander sich beid' anrennend genahet,

Sprach Diomedes zuerst, der gewaltige Rufer im Streite:

Herrlicher Held, wer bist du der sterblichen Erdebewohner? Hab' ich ja doch bisher in der Männererhebenden Feldschlacht Nie dich gesehn; doch zeigst du dich jetzt kampfmuthig vor Allen,

125

Daß du es wagest, vor mit und dem mächtigen Speere zu stehen. Unglückseliger Söhne begegnen mir nur in dem Kampfe!

Bist du jedoch ein unsterblicher Gott, von dem Himmel gekommen, Möcht' ich nimmer den Kampf mit himmlischen Göttern bestehen!

Denn so lebte Lykurgos ja auch nicht lange, der starke,

130

Dryas Sohn, der feindlich die himmlischen Götter bekämpfte. Denn Dionysos Ammen, deS Rasenden, jagt' er verfolgend

Von dem geheiligten Berge Nyse'i'on.

Alle zusammen

Warfen die Stäb' an den Boden, indem sie der Mörder LykurgoS Schlug mit dem stachligen Stab; Dionysos aber, erschrocken,

135

Taucht' in die Woge des Meeres, und Thetis nahm den Verzagten

Auf in dem Schoß; denn mächtig erschreckt' ihn das Drohen des Mannes.

Deshalb zürneten jenem die leichthin lebenden Götter: Blind schuf Zeus der Kronid' ihn zuerst, und er lebte darauf nicht

Lange, verhaßt bei allen unsterblichen Himmelsbewohnern.

140

Nein, ich wünsche mir nicht, mit den seligen Göttern zu kämpfen!

Bist du ein Sterblicher aber, genährt von den Früchten des Feldes, Dann komm näher, damit dich sogleich das Verderben ereile!

Und der erhabene Sohn des Hippolochos sprach ihm entgegnend: Tydeus muthiger Sohn, was fragst du nach meinem Geschlechte?

145

Gleich wie Blätter im Wald: so sind die Geschlechter der Menschen. Wehend verschüttet die Blätter der Wind an den Boden, und andre

Treibet der knospende Wald mit dem Wiederbeginne des Frühlings.

Also der Menschen Geschlecht: eins wächst und ein andres vergehet. Wenn es dich aber verlangt, auch dieß zu erfahren und Kunde

Meines Geschlechts zu erlangen: bekannt ist's vielen der Männer. 8*

150

116

Ilias.

Ephyra heißet die Stadt in dem Rossegesegneten Argos, Wo einst Sisyphos war, der verschlagenste unter den Männern, Sisyphos, Aeolos Sohn, und er zeugete wieder den Glaukos.

Glaukos zeugte darauf den untadligen Bellerophontes,

155

Dem die Unsterblichen schöne Gestalt und gefällige Mannheit

Schenkten; Verderben indeß sann Prötos ihm in dem Herzen,

Der von dem Land ihn vertrieb, an Gewalt vor den andern Argeern Groß, weil Zeus der Kronide der Herrschaft Stab ihm verliehen.

Denn es entbrannt' Antea, die herrliche Gattin des Prötos

160

Heimlich in Liebe zu jenem; indeß sie beredet' ihn nimmer;

Denn nur Edles gefiel dem gewaltigen Bellerophontes. Darum ersann sie Betrug, und sie sprach zu dem Könige Prötos:

Stirb du, Prötos, oder ermorde den Bellerophontes, Welcher mit Liebesgelüst mir naht, die stets ihn gemieden.

165

Also sprach sie, und heftig erzürnt' es vernehmend der König, Mied es jedoch, ihn zu tödt'en: er scheute sich deß in dem Herzen;

Sondern nach Lykia sandt' er ihn aus mit verderblichen Zeichen,

Die er ihm, tödliche, viel in die doppelte Tafel geschrieben. Sie nun sollt' er dem Schwäher daselbst vorzeigen und sterben.

170

Also zog er hinauf in der schirmenden Götter Geleite. Da er nach Lykia nun hinkam und dem Strome des Xanthos,

Ehret' ihn freundlich der Herrscher in Lykias weiten Gefilden, Schmausend mit ihm neun Tage von neun ihm geschlachteten Stieren.

Doch als Eos am zehnten erschien mit den rosigen Fingern,

175

Da nun fragt' er ihn, und er begehrte, die Zeichen zu sehen,

Die er für ihn von dem Schwäher, dem Prötos, hätte zu bringen. Aber nachdem er des Schwähers verderbliche Zeichen empfangen,

Gab er zuerst ihm Befehl, die Chimära sollt' er erschlagen, Welche von göttlichem Stamm, nicht menschlichem, schrecklich und stark war, 180

Bornen ein Löwe, von hinten ein Drach', in der Mitt' eine Ziege,

Und ihr entströmt' als Athem ein graunvoll loderndes Feuer. Die nun tödtet' er, weil er den göttlichen Zeichen vertraute.

Sechster

Gesang.

117

Dann zum zweiten bekämpft' er der Solymer rühmliche Kriegsschaar

In der gewaltigsten Schlacht, so erzählet' er, die er bestanden.

185

Drittens vertilgt' er die Männerbekämpfende Schaar Amazonen.

Dann, wie er heim kam, dachte sich der noch andere List aus, Wählt' in der Lykier weitem Gefild die erlesensten Männer

In ein Versteck; doch kamen sie niemals wieder nach Hause;

Denn es erschlug dort alle der herrliche Bellerophontes.

190

Da sah jener es endlich, der Held sei göttlicher Abkunft,

Daß er im Land ihn behielt; und er gab ihm die eigene Tochter, Gab ihm die Hälfte der Ehre zugleich und die Hälfte der Herrschaft.

Und von den Lykiern ward ihm ein Landstück, herrlich vor Allem,

Trefflich zu Ackergefild und zu Pflanzungen, daß er es baute.

195

Und sie gebar drei Kinder dem muthigen Bellerophontes: Erst den Zsandros, Hippolochos drauf, dann Laodamea.

Laodamea gesellte nachher sich der Herrscher Kronion,

lind sie gebar ihm Sarpedon, den Waffengerüsteten Kriegsheld. Aber nachdem auch jener den Himmlischen allen verhaßt ward,

200

Irrt' er allein in den Fluren Alelons, und er verzehrte

Selbst sich in seinem Gemüthe, der Sterblichen Pfade vermeidend.

Aber des Sohnes Jsandros beraubt' ihn der wüthende Ares, Der ihn erschlug in dem Kampf mit der Solymer rühmlichem Kriegsheer;

Sie traf Artemis zürnend, die Goldzaumlenkende Göttin.

205

Und des Hippolochos Sohn bin ich, er hat mich gezeuget, Her mich gesandt nach Troja, und oft mir und dringend empfohlen, Immer der erste zu sein und der trefflichste unter den Andern,

Daß ich der Väter Geschlecht nicht schändete, welche die besten. Immer in Ephyra waren und Lykias weitem Gefilde.

210

Also rühm' ich das Blut und Geschlecht, von dem ich entstammt bin.

Sprach es, und freudig vernahm es der Rufer im Streit Diomedes, Stieß den gewaltigen Speer in die Nahrungspendende Erde,

Und zu dem Hirten der Völker begann er mit freundlichen Worten: Wahrlich, ein Gastfreund bist du mir dann schon längst von den Vätern! 215

118

Ilias.

Denn es bewirthet' und hielt den untadligen Bellerophontes Zwanzig Tag' einst in dem Palast der erhabene Oeneus,

Und sie verliehn sich einander erlesene, gastliche Gaben.

Oeneus gab ihm den Gurt um den Leib, hell glänzend von, Purpur, Aber Bellerophon gab ihm den goldenen doppelten Becher,

220

Welchen ich selbst beim Scheiden daheim in dem Hause znrückließ. Tydeus aber erinnr' ich mich nicht; denn da ich noch klein war,

Ließ er mich heim, und es fielen Achajas Völker vor Thebe.

Also.bin ich nunmehr dein Gastfreund mitten in Argos, Meiner in Lykia du, wann einst ich vielleicht in da- Land käm.

225

Meiden wir aber einander im Kampf und dem Speeresgedränge;

Denn ich kann ja der Troer genug und der Bundesgenossen Tödten, so viel ich ereil', und ein Gott mir nur in die Hand giebt;

Und du hast der Achäer, so viel du vermagst, zu erlegen. Aber vertauschen wir jetzo die Wehr, auch diesen zu zeigen,

230

Daß wir der Gastfreundschaft von unseren Vätern uns rühmen.

Also sprachen und sprangen sie beid' an die Erde vom Wagen, Reichten der Eine dem Andern die Hand und gelobten sich Treue. Aber dem Glaukos nahm die Besinnung Zeus der Kronide,

Daß er mit Tydeus Sohne die Wehr, für die eherne gold'ne

235

Wechselte, neun Stier jene, die seinige hundert art Werthe.

Ms nun Hektor die Buch' und die Skäischen Pforten erreichet, Eilten die Frauen der Troer herbei und die Töchter, und fragten, Die nach Söhnen, nach Brüdern die anderen oder den Gatten

Oder Verwandten, und Allen empfahl er Gebet zu den Göttern,

240

Wie sie ihm naheten, Vielen indeß war Leiden verhänget.

Nnd zu des Priamos schönem Palast nun endlich gekommen,

Der mit geglätteten Hallen erbaut war — aber im Innern Waren von glänzendem Stein fünf mal zehn Zimmer erbauet,

Eins ganz dicht an dem andern, und Priamos Söhne, des Herrschers, 245 Ruhten darinnen mit ihren vermäleteu. Fra.u'n in dem Lager. Dann quch waren im Innern des Hofs an der anderen Seite

Sechster

Gesang.

119

Zwölf umdachte Gemächer von glänzendem Stein für die Töchter,

Eines dem anderen nah, und es ruheten drinnen des Königs Priamos Schwiegersöhne vereint mit den würdigen Frauen.

250

Da kam jenem die gern austheilende Mutter entgegen,

Welche Laodike führt', an Gestalt von den Töchtern die schönste. Und sie begann zu ihm also, indem sie ihm grüßend die Hand gab: Weshalb kommst du, o Sohn, und verläßt das gewaltige Treffen? Wahrlich, sie drängen uns hart, die entsetzlichen Männer Achajas,

255

Dort in dem Kampf um die Stadt, so daß es im Herzen dich hertrieb, Um im Gebete die Hände zu Zeus von der Burg zu erheben!

Aber verzieh, bis daß ich vom lieblichen Weine dir bringe, Daß du dem Vater Kronion zuerst und den anderen Göttern Sprengest, und selbst dann trinkest, damit du dich wieder erquickest.

260

Denn dem ermüdeten Mann ist Wein gar köstliche Stärkung, So wie du dich ermüdet im Kampf, die Verwandten zu schirmen.

Und es entgegnete jener der Helmbuschnickende Hektor: Gieb mir den lieblichen Wein jetzt nicht, ehrwürdige Mutter; Denn sonst schwächst du mich, daß ich der Kraft und des Muthes vergesse. 265 Unrein aber dem Zeus von dem funkelnden Weine zu spenden

Scheu ich mich; nimmer geziemt es, dem Wolkenumhüllten Kronion

Flehend zu nahen, befleckt mit dem blutigen Staube des Kampfes. Doch du gehe hinauf zu der Siegerin Pallas Athene Tempel mit Nauchwerk, wann du die edelsten Frauen versammelt,

270

Und von den Schleiern den größten und herrlichsten deines Bedünkens, Und im Palaste von allen dir selbst bei weitem den liebsten

Leg' auf die Kniee der Göttin, der lockigen Pallas Athene. Ferner gelob' in dem Tempel ihr zwölf untadlige Rinder, Jährige, nimmer gezähmte zu heiligen, ob sie der Stadt sich

Möcht', und der Troischen Frau'n und der lallenden Kinder erbarmen, Daß sie des Tydeus Sohn von der heiligen Ilios abwehrt,

Ihn, den entsetzlichen Kämpfer, den Grauenerregenden Helden.

Gehe denn du zu dem Tempel der Siegerin Pallas Athene;

275

120

Ilias.

Aber ich selbst will hin nach dem Paris gehn, ihn zu rufen,

Wenn er vielleicht mein Wort noch hört.

280

O, schlang' ihn die Erde ein!

Denn es erschuf ihn, fürwahr, der Olympier nur zum Verderben Troja's Volk und dem Priamos selbst und den Söhnen des Königs. Glaub' ich doch, wenn ich ihn sah' in des Aides Wohnung hinabgehn,

All dieß traurige Leiden vergaß' ich für immer im Herzen!

285

Sprach es, und sie ging in den Palast, und die dienenden Mägde

Sandte sie aus in die Stadt, ihr die edelsten Fraun zu versammeln;

Aber sie selber begab sich hinab in die duftende Kammer,.

Wo sie die schönen Gewände, gestickt von Sidonischen Frauen, Alle verwahrt', aus Sidon ihr einst von dem Held Alerandros

290

Selber gebracht, da auf dem unendlichen Meer er dahin fuhr,

Damals, als er nach Haus sich die edele Helena führte. Jetzt nahm Hekabe eins sich davon, es Athene zu weihen,

Welches an Bildern von allen das herrlichste war und das größte. Sternhell leuchtet' es vor, und es lag ganz unter den andern.

295

Und sie enteilt' und ihr folgten gedrängt viel edele Frauen. Als sie nunmehr zu der Burg und Athenes Tempel gekommen, Oeffnete jenen die Pforte die anmuthvolle Theano,

KisseuS Tochter, die Gattin des reisigen Helden Antenor, Welche die Troer geweiht zur Priesterin Pallas Athenes.

300

Und sie erhoben vereint zu Athene jammernd die Hände;

Und das Gewand nahm jetzo die anmuthvolle Theano, Legt' es der lockigen Göttin Athene hin auf die Kniee, Und dann rief sie gelobend zu Zeus, des Gewaltigen, Tochter:

Hehre Athene, Städtebeschützerin, edelste Göttin,

305

Brich du jetzo den Speer Diomedes, oder ihn selbst auch Laß auf'S Antlitz niedergestürzt vor dem Skäischm Thore,

Fallen, damit wir sogleich jetzt hier zwölf Rinder im Tempel Jährige, nimmer gezähmte, dir heiligen, ob du der Stadt dich

Willst und der Troischen Fraun und der lallenden Kinder erbarmen! Also flehte sie; doch die Gewährung weigert' Athene.

310

Sechster

Gesang.

121

So nun beteten jene zu Zeus, des Gewaltigen Tochter. Hekror indeß ging hin zu dem herrlichen Haus Alerandros,

Welches er selbst mit den Männern erbaut, die tüchtig vor Allen

Damals waren zu bauen im scholligen Lande von Troja.

315

Und sie erbaueten ihm das Gemach, den Palast und den Vorhof, Dicht an des Priamos Haus und des Hektor, hoch in der Veste.

Da ging Hektor hinein, der erhabene, und in der Rechten

Trug er den Speer, elf Ellen an Läng', nnd es blinkt' an der Lanze

Dornen die eherne Spitze, mit goldenem Ringe befestigt.

320

Ihn nun fand er im Zimmer, bemüht uni die herrlichen Waffen, Wie er sich rieb sein krummes Geschoß und den Schild und den Harnisch;

Helena aber von Argos, umringt von den dienenden Frauen, Saß und sie ließ von den Frauen die herrlichen Werke bereiten. Da schalt Hektor ihn, wie er ihn sah, mit den schmähenden Worten:

325

Unglückseliger, wahrlich, mit Unrecht zürnst du im Herzen!

Siehe, das Volk sinkt hin um die Stadt und die ragende Mauer

Kämpfend, und deinethalb tobt Schlachtengeschrei und Getümmel Rings um die Mauer umher!

Auf Andere schältest du selbst auch,

Wenn du sie sähst sich säumig vom traurigen Kampfe zurückziehn:

330

Auf denn, ehe die Stadt von der feindlichen Flamme verzehrt wird!

Und es entgegnet' ehm drauf der erhabene Held Alerandros: Hektor, da du mich nicht mit Unrecht, sondern mit Recht schiltst:

Deshalb sag' ich dir jetzo, vernimm du es wohl und beacht' es. Gar nicht gegen die Troer so sehr unwillig und zürnend

335

Sitz' ich in meinem Gemach; in dem Schmerz nur ließ ich mich gehen. Doch nun hat mich die Gattin mit freundlichen Worten beredet, Hin zu dem Kampfe zu eilen, und mir auch scheinet es selbst so

Besser zu sein: es erfreut ja der Sieg abwechselnd die Männer.

Doch nun bleib noch, bis ich die Rüstung um mich genommen, Oder ich folg' auch: geh! ich gedenke, dich bald zu erreichen.

Sprach es, und gar nichts sagte der Helmbuschnickende Hektor; Da sprach Helena zu ihm mit freundlichen Worten und sagte:

340

122

Ilias.

Theuerer Schwager, des bösen, des Unheil stiftenden WeibeS, Hätte doch gleich des TageS, an dem mich die Mutter geboren,

345

Feindliches Brausen des Sturms mich gefaßt und hinaus mich geschleudert In das Gebirg hin oder die hoch aufwogende Meerflut, Wo mich die Welle verschlungen, bevor dieß Alles geschehen!

Doch, da nun dieß Böse die Himmlischen also verhänget: Wär ich doch wenigstens gern des untadligen Mannes Genossin,

350

Welcher den Vorwurf fühlt' und die schimpfliche Schmähung der Menschen; Dieser jedoch hat jetzt kein männliches Herz und gewiß nicht

Hat er es künftig: er wird es wohl einst auch selber genießen! Doch nun komm du, setze dich hier im Gemach in den Sessel, Schwager, du hast ja vor Allen die lastende Müh' in dem Herzen

355

Um mich schändliches Weib und die frevele That Alerandros, Denen ein trauriges Loos Zeus sendete, daß sie ein Lied auch Künftig von uns noch singen in kommenden Menschengeschlechtern. Und es erwiderte jener der Helmbuschnickende Hektor:

Heiße mich nicht so freundlich, o Helena, sitzen: ich kann nicht.

360

Denn es verlangt in dem Herzen mich selbst schon, daß ich den Troern Helfe: sie harren, indem ich entfernt bin, meiner Zurückkunft.

Treib nur diesen zu eilen und er auch förd're sich selber, Daß er mich treffe, so lang ich noch hier in den Mauern der Stadt bin.

Denn auch ich will jetzt in das HauS gehn, um das Gesinde

365

Und mein theueres Weib und den lallenden Knaben zu sehen.

Weiß ich ja doch nicht, ob ich zurück noch kehre zu ihnen, Oder die Götter mich bald von den Danaern lassen erschlagen.

Dieses gesagt, enteilte der Helmbuschnickende Hektor. Und er gelangte sogleich zu dem eigenen wohnlichen Hause,

370

Traf Andromache aber die lilienarmige Gattin Nicht dort, sondern sie stand mit dem Sohn und der Schleierumhüllten

Dienerin draußen im Thurm, wehklagend und Thränen vergießend.

Als nun Hektor das edle Gemal nicht sand in dem Hause,

Trat er hinan zu der Schwell', und er sprach zu den dienenden Frauen: 375

Sechster Gesang.

123

Saget mir wahrhaft, wo mir die lilienarmige Gattin Hinging aus den Gemächern, Andromache?

Schleierumwalleten Frauen?

Ob zu der Schwäger

Vielleicht zu den Schwestern deS Gatten?

Oder hinauf in das Haus der Athene, wo ja die andern

Lockigen Troischen Fraun dj.e gewaltige Göttin versöhnen?

380

Und es entgegnet' ihm wieder die eifrige Schaffnerin also: Hektor, da du verlangest, die Wahrheit sollen wir sagen) Nicht zu den Schwestern des Gatten und nicht zu den Frauen der Schwäger

Noch zu Athenes Haus hin ging sie, in welchem die andern Lockigen Troischen Fraun die gewaltige Göttin versöhnen;

385

Sondern sie ging zu dem Thurme von Ilios, da sie der Troer Noth und das Drängen der Macht des Achäischen Volkes vernommen. Deshalb eilte sie jetzo mit hastigem Schritt zu der Mauer,

Ganz wie Sinnesverwirrt, und die Wärterin trägt ihr den Sohn nach.

Also die Schaffnerin, und dem Palast enteilete Hektor,

390

Durch die geebneten Straßen zurück, durch die er gekommen.

Als er das Skäische Thor, die gewaltige Stadt durchschreitend,

Jetzo erreicht und hindurch in die Ebene wollte hinaus gehn: Sieh, da kam ihm die Gattin, Andromache^ eilend entgegen,

Sie, die begüterte Tochter Eetions, welcher vor Allen

395

Muthig, die Thäler bewohnt' an den waldigen Höhen des Plakos, Fern in der plakischen Thebe, der Fürst der Kilikischen Männer;

Und er vermählte die Tochter dem Waffenumschimmerten Hektor. Sie nun kam ihm entgegen, und mit ihr die Magd mit dem Knaben,

Den sie, ein lallendes Kind, ganz klein nur noch, an der Brust trug,

400

Hektors theueren Sohn, wie ein Stern hell leuchtend in Schönheit. Hektor nennet' ihn selber Skamandrios, aber die Andern

Sämmtlich Astyanar, weil nur Hektor.Ilios schirmte.

Da nun sahe der Vater das Kind an, lächelnd und schweigend; Aber Andromache stand vor ihm da, voll Thränen die Augen,

405

Reichte die Hand ihm, begrüßend, und sprach zu ihm freundlich die Worte:

Böser, es tödtet dich noch dein Muth! du erbarmest dich nimmer

124

I l t a s.

Weder des lallenden Kindes noch mein, die bald dir, verwaiset,

Trostlos nachbleibt) denn dich erschlagen gewiß die Achäer, Alle zugleich anstürmend, und mir wär's, deiner beraubet, Besser, ich ging in die Erde hinab!

410

Denn nirgend verbleibt mir

Sonst ja ein anderer Trost, wann du dein Schicksal erreicht hast;

Gram nur,'da mein Vater mir starb und die liebende Mutter.

Denn es erschlug mir den Vater der Götterentstammte Achilleus, Und er verheerte die Stadt, von Kilikias Männern bewohnet,

Thebe mit mächtigen Thoren.

415

Eötion selber erschlug er;

Doch er beraubte der Waffen ihn nicht: das scheut' er im Herzen; Sondern verbrannt' ihn zugleich mit dem herrlichen Schmucke der Rüstung,

Häuft' ihm ein Denkmal auf, und die Bergebewohnenden Nymphen Pflanzeten Ulmen umher, Zeus Töchter des Aegisbewehrten.

420

Aber die Brüder, die sieben daheim in des Vaters Palaste,

Gingen am selbigen Tage zugleich in die Wohnung des Als. Denn es erschlug sie ja alle der göttliche Nenner Achilleus Dort bei glänzenden Schafen und langsam wandelnden Rindern.

Aber die Mutter, die Fürstin am waldigen Hange des Plakos,

425

Führet' er zwar hierher mit der anderen Beute zusammen,

Doch er befreite sie wieder und nahm die unendliche Lösung; Und in dem Vaterpalast dann traf sie der Artemis Bogen.

Hektor, du bist jetzo mir Vater und liebende Mutter, Bist mein Bruder, und du mein blühender Ehegenosse! Also erbarme dich doch nun mein!

430

Komm, bleib in dem Thurm hier!

Mache mir nicht zur Waise den Sohn, zur Wittwe die Gattin!

Stell' an dem Feigenhügel das Volk auf, wo sich die Mauer Wohl noch am ersten ersteigt, und die Stadt bloß stehet dem Angriff.

Machten sie doch dreimal den Versuch schon, alle die besten,

Um den Jdomeneus stürmend, den herrlichen, um die Ajanten Beid', und um die Atriden und Tydeus Sohn, den beherzten: Ob es ein kundiger Seher vielleicht wo ihnen geheißen,

Oder das eigene Herz auch selbst sie erregt' und dahin trieb.

435

Sechster Gesang. Und zu ihr sprach der gewaltige, Helmbuschnickende Hektor:

125 440

Mich auch quält dieß alles, o Theuere; aber ich scheue Troja's Männer-zu sehr und die Schleierumwalleten Frauen,

Wenn ich vom Kampfe mich wollt', als wär ich ein Feiger, zurückziehn. Aber das Herz auch läßt es mir nicht zu, da ich gelernet,

Wacker zu sein, und beständig im vordersten Kampfe der Troer,

445

Herrlichen Ruhm für den Vater und mir auch selbst zu gewinnen.

Denn das weiß ich gewiß in der innersten Brust und dem Herzen: Einst erscheinet der Tag, wo Ilios heilige Veste

Sinkt und Priamos auch und des tapferen Priamos Völker.

Aber ich kümm're mich so um der Troer künftiges Leid nicht,

450

Noch um Hekabe's selbst, noch Priamos' auch, des Gebieters, Noch um der Brüder, so vieler und herrlicher, welche gewiß dann

All' in den Staub hinsinken, von feindlichen Männern erschlagen:

Als um deins, wann einer der Erzumwehrten Achäer

Fort dich Weinende führt, und der Freiheit Tag dir entreißet,

455

Daß du in Argos vielleicht dann webst an dem Stuhle der Fremden,

Auch wohl Wasser vom Quell Hyperea trägst und Messels,

Wohl unwilligen Herzens, indeß dich zwinget die Knechtschaft! Ja, dann sagt wohl einer, indem er die Weinende siehet: Hektors Weib war diese, des tapfersten Helden im Kampfe

460

Unter denr Troischen Volk, als Ilios Stadt sie bekämpften. Also sprechen sie wohl und erneun dir wieder den Schmerz nur,

Daß du des Mannes entbehrest, der Knechtschaft Tag dir zu wehren.

Möchte ich todt sein, und mich des Erdmals Hügel bedecken, Eh ich den Angstruf höre von dir, wann einst sie dich fortziehn!

465

Hektor, der glänzende, sprach es, und streckte die Hand nach dem Sohn aus; Aber zurück an den Busen der schönumgürteten Amme Schmiegte sich schreiend das Kind: es erschrack vor dem liebenden Vater.

Furchtsam warf es den Blick auf's Erz und den Helm mit dem Roßschweif, Den es mit Graun sah, wie er den Helmknopf nickend umwallte.

Und mit dem theueren Vater bemerkt' es die liebende Mutter

470

126

Ilias.

Lächelnd: den Helm nahm gleich von dem Haupt der erhabene Hektor,

Setzte den glänzenden neben sich hin an die Erd', und er selber

Nahm sein theueres Kind auf den Arm, und er schwenkt' es und küßt es,

Und dann flehet' er so zu dem Zeus und den anderen Göttern:

475

Gieb, o Kronion und all' ihr Unsterblichen, daß mir der Sohn einst

Auch so werde, wie ich, der Vortrefflichsten einer der Troer,

Daß er die Kraft so hab' und in Ilios mächtig gebiete: Und man sage dereinst: der ist weit über dem Vater, Wann er vom Kampf heim kommt, mit der blutigen Beute beladen

460

Von dem erschlagenen Feind, und es freu' in dem Herzen die Mutter! Sprach es und legt' in die Arme der theueren Gattin den Knaben,

Und sie empfing ihn von ihm in dem duftenden Busengewande,

Lächelnd, mit Thränen im Blick, und es sah's wehmüthig ihr Gatte, Streichelte sanft ihr das Haupt mit der Hand und sagte die Worte:

485

Arme, du mußt dich mir nimmer zu sehr in dem Herzen betrüben!

Gegen das Schicksal sendet ja doch kein Mann mich zu Ais;

Doch dem Verhängniß, mein' ich, entgeht nie einer der Menschen,

Weder ein Feiger noch Tapf'rer, nachdem ihn die Mutter geboren. Doch nun gehe nach Haus und besorge die eig'nen Geschäfte,

490

Spindel und Webstuhl; aber den dienenden Frauen gebiete, Fleißig am Werke zu sein; für den Kampf dort sorgen die Männer,

All' und am meisten ich selbst, die Ilios Veste bewohnen.

Also'der glänzende Hektor, indem er den Mähnenumwallten

Helm nahm; doch sie wandte noch ostmal, wie sie nach Haus ging,

495

Nach ihm sich um, sein liebendes Weib, voll Thränen die Augen. Bald nun kam sie darauf in des Männervertilgenden Hektor Trefflich erbauete Wohnung, und fand in derselben die vielen

Dienenden Frauen, und allen erregte sie Klagen und Jammer.

So ward Hektor im Hause beweint, noch während er lebte;

Denn schon glaubten sie, daß er gewiß nicht aus dem Gefechte

Heim käm, vor der Achäer gewaltigen Händen entronnen. Doch auch Paris blieb nicht lang' in dem hohen Palaste;

500

Sechster

Gesang.

127

Sondern er eilte, sobald er die Wehr, Erzschimmernd und prachtvoll, Um sich gethan, im Vertraun auf die rüstigen Füße die Stadt durch.

505

Wie sich ein Noß, in dem Stalle genährt mit der Gerst' an der Krippe,

Los von dem Band reißt, und mit den stampfenden Hufen das Feld durch

Rennet, des Bades gewohnt in dem schön hinwallenden Strome, Muthig und stolz.

Hoch trägt es den Kopf, und es fliegen die Mähnen

Rings um den Hals ihm empor und, erfüllt von der trotzigen Stärke, 510 Tragen die Schenkel es leicht zu der Flur und der Weide der Stuten:

So stieg Priamos Sohn Alerandros herab von der hohen Bergamos, ähnlich der Sonn', in dem glänzenden Waffengeschmeide,

Muthig; es trugen ihn eilend die Füß', und in Kurzem erreicht' er

Hektor, den göttlichen Bruder darauf, der eben sich wandte,

515

Weg von der Stelle zu gehen, an der er der Gattin begegnet.

Und es begann zu ihm also der göttliche Held Alerandros:

Bruder, ich hielt dich gewiß schon auf hier, da du ja eilest,

Durch mein Zaudern; ich kam nicht ganz so, wie du es wolltest! Und zu ihm sprach ihm entgegnend der Helmbuschnickende Hektor:

520

Lieber, es tadelt dich wohl kein Mann, der billig gesinnt ist, Wann du im Kampf erst, bist in der Schlacht, auch bist du ja kraftvoll.

Aber du bist gern lässig und willst nicht; und in dem Herzen Kränkt es mich, über dich immer die schimpflichen Reden zu hören Unter den Troern, indem sie um dich viel Leiden erdulden.

Doch nun komm! dieß gleichen wir aus, wann künftig Kronion

Uns es verleihet, den Göttern, den ewigen Himmelsbewohnern Unsrer Befreiung Becher in unserem Haus zu erheben, Wann wir von Ilios einst die Achäischen Völker vertrieben!

525

Siebenter Gesang.

N-lso der glänzende Hektor, und eilte hinaus zu dem Thore, Mit ihm der Bruder zugleich Alerandros, beid' in den: Herzen

Voller Begier nach dem Kampf und dem stürmischen Schlachtengetümmel. So wie ein Gott wohl Schiffern nach sehnlichem Harren den Fahrwind Sendet, nachdem sie im Meer mühsam mit den blinkenden Tannen

5

Ruderten, jegliches Glied ist ihnen gelöst von der Mühe: Also erschienen die beiden ersehnt in den Reihen der Troer.

Da nun tödtete der den Menesthios, welcher in Arne Wohnt', Areithoos Sohn: es erzeugt' ihn der Keulenbewehrte Held Areithoos dort mit der herrlichen Philomedusa.

10

Und den Eloneus traf mit dem spitzigen Speer in den Nacken Hektor, am ehernen Rande des Helms, und er löst' ihm die Glieder.

Glaukos aber, der Sohn des Hippolochos, Lykias Herrscher, Traf in dem schrecklichen Kampf mit dem Speer des Jphinoos Schulter, Derios Sohnes, indem er den eilenden Wagen hinaufsprang.

15

Und er entstürzte dem Wagen, die Glieder gelöst, an die Erde.

Als nun sie Athenäa, die herrliche Göttin, gewahrte, Wie sie das Volk der Argeer im schrecklichen Kampfe vertilgten:

Schritt sie in stürmendem Schwünge hinab zu der heiligen Troja

Von des Olympos Höhn, und Apollon eilt' ihr entgegen,

Welcher, von Pergamos schauend, den Sieg für die Troer begehrte.

Und es begegneten sich die Unsterblichen beid' an der Buche.

20

Siebenter

Gesang.

129

Da sprach also zu ihr Zeus Sohn, der Gebieter Apollon: Weshalb, Tochter des Zeus, des Gewaltigen, kommst du so eilig

Von dem Olympos herab?

Was drängt dich so sehr in dem Herzen?

25

Doch wohl, daß du den Sieg in der wechselnden Schlacht den Argeern Bringest: du hast dich ja nimmer der fallenden Troer erbarmet. Folgtest du mir: das wäre gewiß bei Weitem am besten! Lassen wir jetzo den Streit und die Schlacht aufhören für heute;

Später erneue sich wieder der Kampf, bis daß sie daS Ziel dann

30

Trojas endlich erreicht; da euch es ja so in dem Herzen,

Euch, Göttinnen gefällt, die erhabene Stadt zu vertilgen. Und es entgegnet' ihm Zeus helläugige Tochter Athene: Wohl, Ferntreffender, sei es: ich dacht' auch eben dasselbe, Da ich herab zu den Troern und Danaern kam vom Olympos.

35

Aber wohlan, wie denkst du der Männer Gefecht zu beenden? Da sprach also zu ihr Zeus Sohn, der Gebieter Apollon:

Laß in dem reisigen Hektor den tapferen Muth uns erregen, Ob er sich einen vielleicht von der Danaer Volke hervorruft, Um ihm, dem Einen allein in dem schrecklichen Kampf zu begegnen,

40

Und ob zürnend darüber, die Erzumschienten Achäer

Einen entsenden, den Kampf zu bestehn mit dem göttlichen Hektor.

Sprach es, und willig gehorcht' ihm des Zeus helläugige Tochter.

Und in dem Geiste vernahm gleich Priamos theuerer Sohn dort, HelenoS, welcher Beschluß den berathenden Göttern gefallen.

45

Und zu dem Hektor trat er, und sprach zu ihm also und sagte: Hektor, Priamos Sohn, Zeus gleich an berathender Weisheit,

Folgtest du jetzt wohl, wenn ich dir rieth, dein leiblicher Bruder? Heiße die Anderen ruhen, die Danaer all' und die Troer;

Doch du fordere selber den Tapfersten von den Achäern

50

Auf, dir entgegen zu treten, den schrecklichen Kampf zu bestehen.

Denn noch ist nicht Tod dir verhängt und das Ende des Schicksals, Wie ich es selbst von der Stimme der ewigen Götter vernommen.

Sprach es, und freudig vernahm sein Wort der gewaltige Hektor,

9

130

JliaS.

Trat in die Mitt' und indem er den Speer in der Mitte gefaßt hielt,

55

Hemmt' er die Troifchen Schaaren und ringshin ruheten alle, Und Agamemnon hemmte die wohlumschienten Achäer. Pallas Athene indeß und der Bogenberühmte Apollon Setzten zusammen sich nieder in Vogelgestalt, gleich Geiern,

Auf die erhabene Buche des Aegisbewehrten Kronion,

60

Ueber die Männer erfreut, die dort in dem dichten Gedränge

Saßen mit Schilden, von Lanzen umstarrt, mit den glänzenden Helmen. Wie vor Zephyros Wehen im Meer Anfangs ein Gekräusel

Schauernd daher fliegt, während die Flut sich darunter verdunkelt:

Also saßen die Schaaren der Danaer dort und der Troer

65

In dem Gefild, und Hektor begann in der Mitte der Völker: Höret, ihr Troer und höret, ihr wohlumschienten Achäer,

Daß ich vor euch mag reden, so wie es das Herz mir gebietet.

Unserem Bund gab Zeus, der Erhabene, nicht die Erfüllung; Sondern Verderbliches sinnt er und führt es hinaus für die Völker,

70

Bis daß ihr wohl einst die ummauerte Troja gewinnet,

Oder besiegt selbst fallt an den Meerdurcheilenden Schiffen; Denn ihr habt ja int Heere die Tapfersten aller Achäer. Treibt jetzt einen von diesen das Herz, mir im Kampf zu begegnen:

Tret' er vor Allen hervor zu dem Streit mit dem göttlichen Hektor.

75

So nun sag' ich, und dieß soll Zeus uns beiden bezeugen:

Wenn mich jener erleget vielleicht mit dem schneidenden Erze, Nehm' er die Waffen und trage sie hin zu den räumigen Schiffen; Aber den Leichnam geb' er nach Haus, daß dort in den Flammen

Troer und Troische Fraun den Gefallenen ehrend bestatten.

80

Doch wenn ich ihn erleg', und Apollon giebt mir den Siegsruhm:

Nehm' ich die Waffen, und trage sie heim in die heilige Troja, Daß ich sie häng' in den Tempel des treffenden Phöbos Apollon; Aber den Leichnam geb' ich hinab zu den rüstigen Schiffen,

Daß ihn mit Ehren bestatten die Hauptumlockten Achäer

Und ihm ein Mal aufschütten am mächtigen Hellespontos.

85

Siebenter

Gesang.

131

Dann sagt wohl noch Mancher der spät einst lebenden Menschen, Fährt er im rudernden Schiffe dahin auf dunkeler Meerflut:

Sehet das Mal für den Helden erhöht, der lange gestorben; Einst der gewaltigste, fiel er im Kampf mit den: glänzenden Hektor.

90

So spricht Mancher, und nimmer vergeht mein Ruhm in der Zukunft.

Sprach es, und jene vernahmen eS stumm rings all' und sie schwiegen; Schmachvoll war's, sich zu weigern und anzunehmen gefahrvoll. Und Menelaos erhob sich zuletzt, erst spät, um zu reden, Schalt sie mit schmähenden Worten und seufzete tief in dem Herzen:

95

Wehe mir, drohende Prahler, Achäische Fraun, nicht Männer!

Wahrlich, ein Schimpf ist dieses für uns, ganz schreckliche Schmach ist'S, Wenn kein Danaer jetzo dem Hektor wagt zu begegnen. Würdet ihr lieber zu Wasser sogleich hier all' und zu Erde,

Wie ihr umher da sitzet, so muthlos all' und so ehrlos!

Gegen ihn rüst' ich mich selbst zu dem Kampf!

100

Dort droben im Himmel

Ruht ja das End' und der Sieg hi der Hand der unsterblichen Götter! Sprach es und rüstete sich mit dem herrlichen Waffengeschmeide.

Da, Menelaos, ereilte dich wohl das Geschick und du starbest

Unter des Hektor Hand; denn mächtiger war er um Vieles,

105

Hätten Achajas Fürsten dich nicht aufspringend gehalten.

Und eS ergriff auch selbst ihn der herrschende Fürst Agamemnon,

Atreus Sohn, an der Rechten und sprach zu ihm also und sagte: Rasest du denn, Menelaos, du Göttlicher? Also zu rasen!

Nimmer geziemt dir,

So fasse dich doch, auch wenn es dich schmerzet;

110

Wolle doch nicht in dem Kampfe dem stärkeren Manne begegnen,

Hektor, des Priamos Sohne, vor dem auch Andere zagen.

Selber Achilleus scheut sich, im Männererhebenden Kampfe Ihm zu begegnen, und nimmer vergleichst du doch ihm dich an Stärke.

Setze du also dich nieder und geh in die Schaar der Genossen:

Diesen für uns zu bekämpfen ersteht- wohl ein andrer Achäer.

Wenn er sich auch nie fürchtet und nie am Gefechte sich sättigt,

Neiget er doch wohl, mein' ich, das Knie gern, wenn er entrinnet 9*

115

132

JliaS.

Aus dem verderblichen Streit und dem Grauenerregenden Kampfe. Also sagte der Held und beruhigte wieder den Bruder,

120

Weil er die Wahrheit sprach, und er folgt' ihm, und seine Genossen

Freuten sich drüber und nahmen die Wehr ihm sogleich von den Schultern.

Da stand Nestor auf in dem Volk der Argeer und sagte: Weh, ein gewaltiges Leid droht jetzt dem Achäischen Lande!

Jammer erhübe der Alte, der Roffebezähmende Peleus,

125

Hoch von den Myrmidonen geehrt in dem Rath und den Reden,

Welcher sich einst mit Freuden erkundigte in dem Palaste Und mich um aller Argeer Geschlecht und Verwandte befragte, Wenn er vernähme, sie Alle verbergen sich jetzt vor dem Hektor. O, zu den Ewigen würd' er die Hand' aufheben und beten,

130

Daß sein Geist von den Gliedern sogleich hinginge zu Als! Daß ich, o Zeus, du Vater, Athene und Phöbos Apollon,

Jung, wie da wär, als an des Keladon reißendem Strome Wir aus Pylos vereint mit den muthigen Arkadern kämpften

Unter den Mauern von Pheä, umher an Jordanos Fluten.

135

Und Ereuthalion trat wie ein Gott zu dem Kampf vor die Andern

Mit Arelthoos Waffen, des Königes, über den Schultern,

Jenes erhabenen Helden, des Keulenschwingers mit Namen Unter den Männern genannt und den schön umgürteten Frauen: Denn nie führt' er den Bogen im Kampf und die mächtige Lanze;

140

Sondern er brach mit den Schlägen der eisernen Keule die Schlachtreihn. Diesen erlegte Lykurgos, obwohl nicht stärker, mit Arglist

In dem beengeten Weg, wo nichts ihm die eiserne Keule Gegen den Tod half, weil ihm Lykurgos, der ihm zuvorkam,

Queer mit dem Spieß durchrannt', und er fiel rücklings an den Boden. 145

Da nahm der ihm die Wehr, ihm geschenkt von dem ehernen Ares,

Und die führt' er darauf dann selbst im Getümmel des Ares. Als nun aber Lykurgos daheim im Palaste gealtert,

Gab er dem Freunde die Wehr, Ereuthalion, um sie zu tragen. Also bewehrt, rief dieser die Tapfersten alle zum Kampf auf;

150

Siebenter

Gesang.

133

Doch die bebten gewaltig vor Furcht, daß keiner etz wagte. Ich nur fühlt' in dem Herzen den Muth und das kühne Vertrauen,

Mit ihm zu kämpfen, und war an Geburt von den Andern der jüngste So nun kämpft' ich mit ihm, und Athene gab mir den Siegsruhm,

Daß ich den Helden erlegte, den tapfersten, größten von Allen,

155

Und er am Boden gestreckt lang da lag, hierhin und dahin. Daß ich so jung noch wär, mit derselbigen rüstigen Stärke:

Dann käm bald zu dem Kampfe der Helmbuschnickende Hektor. Aber von euch hier wagt, von den Tapfersten aller Achäer,

Auch nicht einer, dem Hektor getrost sich entgegen zu stellen!

160

Also schmähte der Greis sie, und neun von den Männern erstanden.

Weit vor den Andern erhob sich der herrschende Fürst Agamemnon, Und Diomedes erhob sich nach ihm, der gewalt'ge Tydide; Dann die Ajanten nach ihm, mit der mächtigen Stärke gerüstet;

Ferner Jdomeneus auch und Jdomeneus Kampfesgenosse,

165

Held Meriones, Ares, dem Männervertilgenden ähnlich. Dann Eurypylos drauf, der erhabene Sohn des Euämon, Thoas, Andrämons Sohn stand auf, und der hohe Odysseus:

Alle sie waren bereit zu dem Kampf mit dem göttlichen Hektor.

Und aufs Neue begann der gerenische, reisige Nestor:

170

Auf, und bestimmt nun schwingend das Loos, auf welchen es treffe; Der wird dann sie erfreuen, die wohlumschienten Achäer

Und auch selber im Herzen erfreut sein, wenn er entrinnet Aus dem vernichtenden Streit und dem Grauenerregenden Kampfe. Also der Greis, und ein Loos nun zeichnete jeder von diesen,

175

Welches sie drauf in den Helm Agamemnons warfen, des Königs. Und zu den Göttern erhoben die Händ' int Gebete die Völker, Und so betete Mancher, den Blick zu dem Himmel gewendet: Ajas treff' es, o Vater Kronion, auch Diomedes

Oder ihn selber, den König der Golvumstrahlten Mykene! Also das Volk.

Da schwang der gerenische, reisige Nestor,

Und es enthüpfte dem Helme das Loos, das jene gewünschet,

180

134 Ajas Loos.

JliaS. Da trug es umher in dem Haufen der Herold

Rechtsum rings, und er zeigt' es den sämmtlichen Helden Achajas;

Aber es wies es ein jeder zurück, weil keiner es kannte.

185

Als er zuletzt nun aber zu ihm in dem Haufen hinantrat,

Ajas, dem glänzenden, der's in den Helm mit dem Zeichen geworfen: Hielt ihm die Hand der hin, und er warf es hinein, ihm genahet.

Da nun kannt' er, so wie er es sah, voll Freude das Zeichen, Nahm es, und warf's an die Erd' an den Fuß, und begann zu den Andern: 190

Mein Loos ist es, o Freunde, fürwahr, und ich freue mich selber

Herzlich: ich hoffe gewiß, ich besiege den göttlichen Hektor! Doch nun, während ich selbst zu dem Kampf mit den Waffen mich rüste,

Flehet zu Zeus, ihr Andern, dem herrschenden Sohne des Kronos, Jeder für sich in der Stille, damit kein Troer es höre.

195

Oder mit lautem Gebet auch fleht; kein einziger schreckt mich! Denn mit Gewalt soll keiner mich, wenn ich ihm wehre, bezwingen, Oder mit List auch, da ich so ganz unkundig gewiß nicht,

Hoff' ich, in Salamis Fluren emporwuchs, meinem Geburtsland!

Sprach's; da riefen sie flehend empor zu dem Herrscher Kronion,

200

Und so betete Mancher, den Blick zu dem Himmel gewendet:

Zeus, du Herrscher vom Ida, Gewaltigster, Herrlichster, Vater! Gieb, daß Ajas den Sieg und den glänzenden Ruhm sich gewinne; Wenn du mit Liebe jedoch auch Hektor waltend beschirmest: Dann gieb beiden die Kraft und den Ruhm in demselbigen Maße!

205

Also das Volk; doch Ajas bewaffnete sich mit dem Erze. Aber nachdem er die Glieder sich ganz mit den Waffen bekleidet,

Stürmt' er heran, wie Ares, der graunvoll mächtige, schreitet,

Wann er dem Kampf zueilt, zu den Sterblichen, welche Kronion Treibt zu der Schlacht in dem Eifer der herzaufzehrenden Zwietracht : 210 So schritt Ajas heran, der gewaltige Hort der Achäer,

Lächeln im mannhaft ernsten Gesicht; mit gewaltigen Schritten Kam er daher, und er schwenkte die weithin schattende Lanze. Da war Freud' in den Schaaren der Danaer, als sie ihn sahen;

(Siebenter Gesang. Aber dem Lroischen Volk durchzitterte Schrecken die Glieder.

135 215

Selber dem Hektor begann sein Herz in dem Busen zu schlagen; Doch nun konnt' er ja nimmer sich mehr ausweichend zurückziehn Unter den Haufen des Volkes, nachdem er ihn rief zu dem Kampfe.

Ajas indeß trat hin mit dem Schild, das gleich wie ein Thurm war, Ehern und siebenhäutig, von Tychios künstlich bereitet,

220

Unter den Meistern in Leder dem trefflichsten:.Hyle bewohnt er, Welcher den künstlichen Schild ihm gemacht aus Häuten von sieben Kräftigen Stieren und dann ihn mit Erz zum achten bezogen.

Dieser bedeckt' ihm von vorne die Brust.

Und der Telamonide

Trat ganz dicht vor den Hektor und sprach zu ihm drohend die Worte: 225 Hektor, du wirst, Mann gegen den Mann, jetzt sicher erfahren,

Was für gewaltige Männer im Heer des Achäischen Volks sind, Nach dem Achilleus auch, dem Zermalmenden, Löwenbeherzten!

Doch der liegt nun dort in den eilenden schnäbligen Schiffen, Zürnend dem Hirten der Völker, des Atreus Sohn Agamemnon,

230

Wir auch sind ja indessen der Art wohl, dir zu begegnen, Viele sogar!

Doch sänge du an mit dem Kampf und Gefechte!

Und zu ihm sprach der gewaltige, Helmbuschnickende Hektor:

Ajas, Telamons Sohn, du erhabener Völkergebieter, Wolle mich nicht, als wär ich ein schwächlicher Knabe, versuchen

235

Oder ein Weib, das nichts von den Thaten des Krieges verstehet.

Wohl bin ich mit den Kämpfen bekannt und den Schlachten der Männer, Weiß, den gehärteten Schild von der Stierhaut so zu der Rechten

Wie zu der Linken zu schwingen, geübt ausdauernd zu kämpfen, Weiß mich wohl in den Kampf mit den flüchtigen Rossen zu stürzen,

240

Wie ich zu Fuß auch Ares verderbliche Tänze verstehe.

Aber ich will nicht so dich, o mächtiger Krieger, verwunden,

Lauernd mit List; nein offen, gelingt's mir, daß ich dich treffe Sprach es und schwang und entsandte die weithin schattende Lanze, Und in des Ajas Schild mit den sieben Häuten der Stiere,

Traf sie das oberste Erz, von den sämmtlichen Lagen die achte.

245

136

Ilias.

Sechs durchdrang von den Lagen das schneidende Erz mit der Spitze, Doch in der siebenten Haut blieb's fest, und gegen ihn warf nun Ajas der herrliche wieder die weithin schattende Lanze,

Und durchbohrte dem Hektor den Schild von gerundeter Wölbung.

250

Durch sein- glänzendes Schild durch drang die gewaltige Lanze,

Bohrte sich auch noch ein in den künstlich gebildeten Harnisch,

Ganz durch, und sie zerschnitt ihm den Rock an der Weiche des Bauches. Doch der wandte sich ab, und vermied sein dunkeles Schicksal. Dann nun, als sie zurück die gewaltigen Speere gezogen,

255

Fielen sie beide sich an gleich Raubaufschlingenden Löwen Oder den Ebern des Waldes von nie zu ermüdender Stärke. Priamos Sohn traf ihn mit dem Speer in die Mitte des Schildes; Doch nicht brach er das Erz) denn rückwärts bog sich die Spitze.

Ajas indeß sprang ein, durchbohrt' ihm den Schild, und die Lanze

260

Fuhr ganz durch ihn hindurch und erschütterte jenen im Angriff,

Streift' ihn und schnitt in den Hals, daß dunkeles Blut ihm entspritzte. Doch nicht ließ von dem Kampfe der Helmbuschnickende Hektor; Sondern zurück nur trat er, und nahm mit der nervichten Stechten

Von dem Gefilde den dunkeln, gewaltigen, zackigen Stein auf,

265

Warf ihn und traf in des Ajas entsetzlichen Schild mit den sieben

Häuten der Stier', in den Nabel hinein und es dröhnte vom Erze. Wieder erhob nun Ajas den noch viel größeren Feldstein,

Schwang ihn und warf ihn mit aller der nicht zu ermessenden Stärke. Einwärts brach er den Schild mit dem Mühlstein ähnlichen Felsstück, 270

Traf und verletzt' ihm die Knie', und er sank, sich stützend am Schilde,

Rücklings hin; doch Apollon erhob ihn sogleich von dem Boden. Und mit dem Schwert nun trafen sie jetzt sich gewiß in der Nähe: Herold' aber, die Boten des Zeus und der Sterblichen kamen,

Der von den Troern und der von den Erzumwehrten Achäern,

Dort Jdäos und hier Talthybios, beide verständig, Streckten die Stäb' aus zwischen die zwei, und Jdäos der Herold

Sprach dann also zu ihnen, geschickt zu verständigem Rathe:

275

Siebenter Gesang.

137

Nein, nun kämpft nicht länger, ihr theueren Söhn' in dem Streite;

Denn euch liebet ja beide der Wolkenversammler Kronion,

280

Seid auch beide gewaltig im Kampf: das sahen wir Alle. Aber die Nacht bricht ein, und der Nacht auch frommt, zu gehorchen.

Und es begann zu ihm Ajas, des Telamon Sohn, ihm entgegnend: Wohl, o Jdäos, ermahnet den Hektor, also zu reden,

Weil er ja selbst zu dem Kampfe die Tapfersten alle gefordert,

285

Fang' er doch an; gern folg' ich sogleich, wo jener vorangeht.

Und es entgegnet' ihm Hektor, der Held mit dem nickenden Helmbusch: Ajas, da dir ein Gott so Kraft als Größe verliehn hat, Einsicht auch, und dir keiner der Danaer gleichet im Speerkampf: Laß denn jetzo uns ruhen für heut mit dem Kampf und Gefechte;

290

Später indessen erneun wir den Kampf, bis daß uns ein Dämon Endlich Entscheidung gewährt und den Sieg für das eine der Volker. Schon naht dunkel die Nacht, und der Nacht auch frommt zu gehorchen,. Daß du die Danaer alle gesammt an den Schiffen erfreuest,

Und die Genossen zumeist mit den anderen theueren Freunden.

295

Doch ich werde daheim in des Priames mächtiger Veste Alle die Troer erfreun und die Schleierumwalleten Frauen, Die mit Gebeten für mich zu dem heiligen Tempel gegangen.

Doch nun geben wir beid' uns gepriesene Gaben einander, Daß so künftig einmal wohl Danaer sprechen und Troer:

300

Seht, die stritten im Kampf in der herzaufzehrenden Zwietracht;

Aber in Freundschaft schieden sie dann, mit einander versöhnet. Also sprach er und gab ihm das Schwert mit den silbernen Buckeln,

Das er zugleich mit dem schönen Gehenk und der Scheide sich abnahm. Ajas schenkt' ihm dagegen den Leibgurt, schimmernd von Purpur.

305

So nun schieden die zwei: der ging zu dem Volk der Achäer,

Der zu der Troischen Männer Gewühl hin, welche - sich freuten, Als sie ihn sahen lebendig und rüstigen Muthes dahergehn, Ajas Händen entflohn und der nicht zu besiegenden Stärke;

Führten ihn dann in die Stadt, und sie glaubten noch kaum ihn gerettet. 310

138

Ilias.

Dort auch führten den Ajas die wohlumschienten Achäer

Zu Agamemnon dem Held, deß Herz froh über den Sieg war. Als sie nunmehr in das Zelt zu des Atreus Sohne gekommen, Opferte, sie zu bewirthen, der Fürst Agamemnon den starken Stier, fünfjährig, dem Zeus, dem gewaltigen Sohne des Kronos.

315

Den nun zogen geschäftig sie ab und zerlegten ihn völlig,

Schnitten gehörig in Stücke das Fleisch und steckten's an Spieße,

Brieten es dann vorsichtig und zogen es alles herunter. Als sie die Arbeit aber gethan und das Mal sich bereitet,

Schmausten sie, gar nichts fehlt' an dem köstlichen Male dem Herzen.

320

Und den gewaltigen Rücken verlieh, ihn zu ehren, dem Ajas Atreus tapferer Sohn, der gebietende Fürst Agamemnon. Aber nachdem das Verlangen des Tranks und der Speise gestillt war,

That anhebend vor Allen der Greis den erwogenen Vorschlag,

Nestor, der auch früher am trefflichsten immer gerathen.

325

Dieser begann wohlmeinend und redete vor der Versammlung:

Atreus Sohn und ihr andern erhabenen Fürsten AchajaS,

Viel sind jetzo gestorben der hauptumlockten Achäer, Welchen das dunkele Blut an dem herrlichen Strom des SkamandroS

Ares der Wüthrich vergoß, und zu Als gingen die Seelen.

330

Deshalb ziemet es, daß du den Danaern morgen vom Kampfe Ruhe gewährest, damit wir vereint auf Wagen die Leichen Holen mit Rindern und Mäulern, sie selbst dann hier zu verbrennen, Etwas entfernt von den Schiffen, damit die Gebeine den Kindern

Jeder nach Haus bringt, ziehen wir einst zu dem Lande der Heimat.

335

Und ein Mal nur schütten wir auf an der Stätte des Brandes Allen gemein, im Gefild.

Dann baun wir in Eile daneben

Hoch uns die Mauer, die Schiffe zugleich und uns selber zu schützen.

Aber wir machen darin- auch wohleinfugende Thore, Daß für die Roff' und die Wagen ein Fahrweg durch sie bereit sei. Draußen nachher dann graben wir tief an der Mauer den Graben,

Welcher sich ringsum ziehend die Ross' abwehr' und das Fußvolk,

340

Siebenter

Gesang.

139

Daß nicht künftig im Kampf uns die muthigen Troer bedrängen.

So sprach jener und alle die Könige riefen ihm Beifall. Aber die Troer beriethen sich dort auf Ilios Burghöhn,

345

Unter entsetzlichem Lärm und Getös vor des Priamos Pforten. Und der verständige Held Antenor sprach vor den Andern:

Troer und Dardaner, hört mich und hört, ihr Bundesgenossen, Daß ich zu euch mag reden, so wie es das Herz mir gebietet. Aus, gebt Helena jetzt, die Argeerin, sie und die Güter

An die Atriden zurück!

350

Nach der heiligen Eide Verletzung

Führen wir jetzo den Krieg: drum wird kein Heil in der Zukunft,

Glaub' ich gewiß, uns zu Theil, wenn dieß nicht also geschiehet. Also sprach er und setzte sich hin: da stand vor den Andern Held Alerandros auf, der erhabenen Helena Gatte,

355

Und er entgegnete jenem und sprach die geflügelten Worte: Nimmer gefällt dieß mir, o Antenor, was du gesprochen,

Und du vermagst, auch andern und besseren Nach zu ersinnen. Wenn du jedoch dieß wirklich in völligem Ernste gesagt hast:

Ja, dann raubten dir deinen Verstand die Unsterblichen selber!

360

Aber ich nehme dagegen das Wort vor den reisigen Troern,

Und ich erkläre gerade heraus: nie laß ich die Gattin!

Was ich an Gütern indessen von Argos bracht' in die Heimat: Ja, das geb' ich, und mehr' es sogar von dem eignen Besitzthum.

Also redete jener und setzte sich, und es erhob sich

365

Priamos, Dardanos Enkel, den Ewigen ähnlich an Weisheit.

Dieser begann wohlmeinend und redete vor der Versammlung:

Troer und Dardaner, hört mich und hört, ihr Bundesgenossen, Daß ich zu euch mag reden, so wie es das Herz mir gebietet.

Nehmt nun jetzt in der Veste das Nachtmal, wie ihr gewohnt seid.

Denkt auch wohl an die Hut, und ein jeglicher halte sich wachsam. Früh dann gehe Jdäos hinab zu den wölbigen Schiffen, Daß er den Fürsten des Volks Agamemnon und Menelaos

Sage das Wort Alerandros, um den ja der Streit sich erhoben

370

140

Ilias.

Und die verständige Frage bestell' er uns, ob sie geneigt sind,

375

Von dem entsetzlichen Kampfe zu ruhn, bis daß wir die Todten

Alle verbrannt; dann kämpfen wir wiederum, bis uns ein Dämon Endlich Entscheidung gewährt und den Sieg für das eine der Völker.

Sprach es, und Alle vernahmen ihn gern und gehorchten ihm willig. Und sie genossen, geordnet in Reihn, in dem Heere das Nachtmal.

380

Früh dann eilte Jdäos hinab zu den wölbigen Schiffen,

Wo er des Ares Genossen, die Danaer eben im Rath fand Neben dem Steuer am Schiff Agamemnons, und in dem Kreise

Sprach zu den Männern also der weithin rufende Herold: Atreus Sohn und ihr andern erhabenen Fürsten Achajas, Priamos sandte mich ab und die anderen Fürsten der Troer,

385

Euch zu verkündigen, wenn dieß euch so lieb und genehm wär, Wie Alerandros redet', um den ja der Streit sich erhoben.

Was Alerandros irgend an Gut in den wölbigen Schiffen Her nach Troja geführt — o, wär er doch früher gestorben! —

390

Giebt er zurück, 'und er mehret es noch von dem eignen Besitzthum; Aber die Ehegemalin des Rufers im Streit Menelaos

Lässet er nie, so sagt er, obwohl es die Troer verlangen.

Dann auch trugen sie mir die Frag' auf, ob ihr geneigt seid, Von dem entsetzlichen Kampfe zu ruhn, bis daß wir die Todten Alle verbrannt.

395

Dann kämpfen wir wiederum, bis uns ein Dämon

Endlich Entscheidung gewährt und den Sieg für das eine der Völker.

Sprach's, und sie hörten ihn all' in dem Kreis und verstummten in Schweigen. Endlich begann Diomedes, der mächtige Rufer im Kampfe:

Nehme doch jetzt ja Keiner von euch dieß Gut Alerandros,

400

Noch auch Helena wieder zurück: das sieht ja ein Thor selbst, Daß sich den Troern bereits der Beginn des Verderbens genahet!

Sprach es, und Beifall jauchzten ihm sämmtliche Männer Achajas/ Freudig erstaunt beim Worte des reisigen Sohnes des Tydeus. Und zu Jdäos begann der gebietende Fürst Agamemnon:

Selber, Jdäos, hast du das Wort der Achäer vernommen,

405

Siebenter

Gesang.

141

Welchen Bescheid sie dir geben, und ganz so mein' ich es selbst auch. Wegen der Leichen indeß, da hinder' ich nicht die Verbrennung.

Denn es bestehet ja nimmer ein Neid um geschiedene Todte,

Daß sie, nachdem sie gefallen, sogleich die Bestattung versöhne.

510

Höre denn Zeus dieß Bündniß, der donnernde Gatte der Here!

Und mit den Worten erhob er den Stab zu den Himmlischen allen;

Aber Jdäos kehrte zurück zu der heiligen Troja. Dort nun waren die Troer und Dardanionen versammelt

All' in dem Rath mit einander, und warteten, bis er zurück käm.

415

Da nun nahet' Jdäos, er trat in die Mitt' und die Botschaft Richtet' er aus: da machten sie all' in der Eile sich fertig, Beides, die Lerchen zu holen, und Andere hin nach der Waldung. Aber die Danaer eilten von dort, von den räumigen Schiffen, Andre die Leichen zu holen, und Andere hin nach der Waldung.

420

Helios aber beschien mit erneuetem Stral das Gefilde,

Und von Okeanos tief und gemach hinwallendem Strome

Stieg er am Himmel empor.

Da trafen sich die mit einander.

Wahrlich, es war wohl schwer, dort jeglichen Mann zu erkennen! Aber sie wuschen mit Wasser den blutigen Mord von den Leichen,

425

Schmerzliche Thränen vergießend, und huben sie auf in die Wagen.

Sie zu bejammern verbot Aeld Priamos; ganz in der Stille Trugen sie, trauernd im Herzen, die Leichname hin zu den Flammen,

Und dann zogen sie, als sie verbrannt, in die heilige Troja.

Aber von dort auch trugen die wohlumschienten Achäer

430

Ganz so, trällernd im Herzen, die Leichname hin zu den Flammen,

Und dann zogen sie, als sie verbrannt, zu den räumigen Schiffen. Noch war dämmerndes Dunkel und Eos nimmer erschienen: Da erhob llm den Brand sich erlesenes Volk der Achäer, Schütteten rings und erhöhten den einzigen Hügel, gemeinsam

Allen im Feld, und erbauten zugleich dicht an ihm die Mauer Mit den erhabenen Thürmen, die Schiff' und sie selber zu schützen; Aber sie machten darin auch wohl einfugende Thore,

435

142

I l i a ö.

Daß für die Ross' und die Wagen ein Fahrweg durch sie bereit war. Draußen nachher dann zogen sie tief an der Mauer den Graben,

440

Breit und gewaltig umher, und befestigten Pfähle darinnen.

Also bemüheten dort sich die Hauptumlockten Achäer. Aber die Götter, um Zeus her sitzend den Donnererfreuten,

Sahn daS gewaltige Werk des Achäischen Volks mit Erstaunen. Und es begann vor den Andern der Erderschütt'rer Poseidon:

445

Vater Kronion, ist noch ein Mensch weit hin auf der Erde, Welcher den Ewigen seinen Beschluß und Gedanken eröffne? Siehest du nicht dort wieder die Hauptumlockten Achäer,

Wie sie den Schiffen die Mauer erbaun und rings sich den Graben

Hinziehn, ohne den Göttern erlesene Opfer zu weihen?

450

Ja, d i e rühmen sie einst, wo Eos Stralen verbreitet;

Aber die andre vergessen sie ganz, die ich und Apollon Rings um die Stadt für den Helden Laomedon mühsam bauten!

Und zu ihm sprach unmuthig der Wolkenversammler Kronion: Weh, o Erschütt'rer der Erde, Gewaltiger, wie du mir redest!

455

Wenn noch ein anderer Gott Furcht äußerte vor der Erfindung, Welcher dir weit nachstehet an Macht und der Stärke der Arme! Doch dir bleibet der Ruhm, wo Eos Stralen verbreitet. Stehe du auf, wann wieder die Hauptumlockten Achäer

Heim mit den Schiffen gekehrt zu dem theueren Lande der Heimat,

460

Schlage die Mauer in Trümmer und wirf sie hinab in die Meerflut, Häuf' an dem weiten Gestade den Sand hoch auf und bedeck' es,

Daß die gewaltige Mauer der Danaer gänzlich verschwinde.

Also sprachen sie dieses und Aehnliches unter einander.

Helios sank, da hatten ihr Werk die Achäer beendet,

465

Schlachteten Stier' in den Zelten umher und genossen das Nachtmal. Aber eS landeten Schiffe mit Wein aus Lemnos in Menge,, Von Euneos gesendet, dem Jasoniden, geboren

Von der Hypsipyle einst dem gebietendm Fürsten Jason.

Aber für Atreus Söhn', Agamemnon und Menelaos,

470

Siebenter

Gesang.

143

Schenkt' er noch tausend Maße dazu von dem edleren Weine.

Dort nun kauften vom Weine die Hauptumlockten Achäer, Einige hier für Erz und für funkelndes Eisen die. Andern,

Diese für lebende Rinder und die für die Häut', und die Andern Für die Gefang'nen, und.hielten darauf dann fröhlichen Festschmaus.

475

So nun schmausten die Nacht durch jetzt die gelockten Achäer Und in der Veste die Troer zugleich mit den Bundesgenossen. Aber die Nacht durch sann für sie Leid der Berather Kronion,

Fürchterlich donnernd; und sie von der Furcht und dem Schrecken erbleichend,

Gossen den Wein der Pokal' an die Erd', und keiner vermaß sich, Ehe zu trinken, bevor er gesprengt für den hohen Kronion.

Dann nun ruhten sie All' und empfingen die Gabe des Schlafes.

480

^Los breitet' ihr Safrangewand rings über die Erd' aus: Da hielt Götterversammlung der Donnererfreute Kronion

Auf dem erhabensten Gipfel des Zackenumstarrten Olympos. Selber begann er und sprach, und die Himmlischen hörten ihn alle: . Höret mich, all' ihr Götter und ihr auch, Göttinnen alle;

5

Denn ich eröffn' euch, was mir das Herz in dem Innern gebietet.

Daß mir daher ja keiner, ihr Göttinnen oder ein Gott auch, Etwa versuche, das Wort zu vereiteln; sondern ihr alle

Tretet ihm bei, auf daß ich das Werk auf's schnellste beende. Wen ich nachher anträfe getrennt von den Göttern, gesonnen,

10

Hülfe den Danaern oder dem Troischen Volke zu bringen:

Ja, der käme mir übel gezüchtiget zu dem Olympos! Oder ich fasst' ihn und würf' ihn hinab in des Tartaros Dunkel, Weit in die Tiefen hinunter des Abgrunds unter der Erde,

Welchen die eiserne Pforte verschließt und die eherne Schwelle,

15

Unter dem Ais so tief, wie weit von dem Himmel die Erd' ist, Daß er erfährt, wie mächtig ich bin vor den sämmtlichen Göttern.

Oder versucht's, ihr Götter, wohlauf, daß All' eö erkennen:

Nehmet die Kette von Gold und sie laßt von dem Himmel hinunter. Hängt euch, all' ihr Götter daran und ihr Göttinnen alle; Dennoch zöget ihr Zeus, den erhabensten Herrscher, vom Himmel Nicht zu der Erde danieder, so viel ihr der Mühe verlöret;

Aber sobald mir dann es gefiel, und ich wollte sie ziehen:

20

Achter

Gesang.

145

Hüb' ich sie auf mit der Erde zugleich und zugleich mit dem Meere,

Bände die Kette nachher an dem felsigen Haupt des Olympos

25

Fest an, so daß künftig das All hier schwebt' in der Höhe.

So weit steh' ich an Macht hoch über den Göttern und Menschen. Sprach's: da saßen sie alle verstummt rings um ihn und schwiegen, Ueber die Worte bestürzt; denn machtvoll hatt' er geredet. Da sprach endlich Athene, des Zeus helläugige Tochter:

30

Vater des Göttergeschlechtes, Kronion, höchster der Herrscher, Wir auch wissen ja wohl, daß nie sich deine Gewalt beugt; Aber es jammert uns doch um die Lanzenbewehrten Achäer,

Daß sie, erreicht von dem bösen Geschick, nun sollten verderben.

Dennoch enthalten wir uns von dem Kampf, wie du es gebietest;

35

Rath nur geben wir noch dem Achäischen Volk, es zu schirmen, Daß nicht Alle verderben, indem du so heftig erzürnt bist.

Und es entgegnet' ihr lächelnd der Wolkenversammler Kronion: Tritogenia, sei du getrost: unwilligen Herzens Sprach ich es, theueres Kind, und ich will gern gegen dich mild sein.

40

Sprach es und schirrte die Rosse sich an mit den ehernen Hufen, Herrlich von goldenen Mähnen umwallt, schnell fliegend im Laufe. Legt' um den Leib dann selber das Gold und die Zügel ergriff er,

Golden und künstlich bereitet, und stieg in den Sessel des Wagens;

Schwang nun treibend die Geißel, und gern auch flogen sie selber

45

Zwischen der Erde dahin und dem Sternengewölbe des Himmels. Und zu dem Ida gelangt' er, dem quelligen Pfleger des Wildes, Gargaros, wo er des Haines sich freut mit dem duftenden Altar. Dort nun hemmte die Rosse der Vater der Menschen und Götter,

Spannte sie ab von dem Wagen, und hüllte sie dicht in Gewölk ein,

50

Setzt' auf den Gipfel sich selbst, voll freudigen Stolzes, und schaute

So auf die Veste der Troer hinab und der Danaer Schiffe.

Aber das Frühmal nahmen die Hauptumlockten Achäer Eilig in ihren Gezelten, um gleich mit der Wehr sich zu rüsten, Während die Troer sich dort in der Stadt mit den Waffen bedeckten, 10

55

146

Ilias.

Weniger zahlreich, doch voll Muth, in dem Kampfe zu fechten,

Unter dem Drange der Noth, für die Gattinnen und für die Kinder.

Weit auf standen die Thore der Stadt, und es stürzten die Völker,

Streiter zu Fuß und zu Wagen, hinaus mit unendlichem Tosen. Als in demselbigen Raun: sie nunmehr an einander gekommen,

60

Trafen die Stierhautschild' und die Speer' und gepanzerter Männer Kampfwuth gegen einander; die Nabelgerüsteten Schilde Stießen sich drängend zusammen, und endlos Tosen erhob sich.

Da war Jammergeschrei und zugleich Frohlocken der Männer,

Würgender und der Gewürgten, und Blut floß hin an dem Boden.

65

Und in der Frühe, so lange der heilige Tag noch emporstieg,

Trafen die Würfe von hier und von da, und es sanken die Völker;

Doch als Helios nun aufstieg zu der Mitte des Himmels: Sieh, da stellte der Vater die goldene Wage, zu wägen,

Legte hinein zwei Loose des lang hinstreckenden Todes,

70

Troja's reisigem Heer und den Erzumwehrten Achäern, Faßte die Mitt', und er wog: da sank der Achäer Verhängniß, Daß das Achäische Loos-zu der Nahrungspendenden Erde Sank und das Troische hoch zum unendlichen Himmel sich aufschwang.

Machtvoll donnert' er selbst von des Ida Höhn und den Blitzstral

75

Warf er entstammt in der Danaer Volk, und von Schrecken ergriffen,

Sahn sie ihn all', und sie waren erbleicht von dem grausen Entsetzen.

Weder Jdomeneus wagte zu stehn, noch auch Agamemnon,

Noch auch Ajas, die beiden gewaltigen Diener des Ares. Nestor allein nur blieb, der gerenische Hort der Achäer,

80

Nicht freiwillig: es war ihm ein Roß von dem Pfeile getroffen

Bon Alerandros dem edlen, der lockigen Helena Gatten, Grad' in den Scheitel des Haupts, da, wo sich die Mähne der Rosse

Wachsend erhebt, und wo sie am tödlichsten sind zu verwunden.

Schmerzvoll bäumt' es, indem das Geschoß in das Hirn ihm hineindrang, 85 Wälzte sich dann mit dem Erz' und erschreckt' ihm die anderen Rosse.

Während der Greis nun sprang und den Zaum an dem Roß mit dem Schwerte

Achter

Gesang.

147

Eilig zerhieb: da kamen die schnaubenden Rosse des Hektor In der Verfolgung daher, mit dem muthigen Führer, dem Hektor. Da nun hätte wohl sicher der Greis sein Leben verloren,

90

Wenn Diomedes, der Rufer im Streit, nicht gleich es gesehen.

Und den Odysseus mahnt' er und rief mit der schrecklichen Stimme: Götterentstammter, Laertes Sohn, listreicher Odysseus,

Wie? du entfliehest, den Rücken gewandt^ wie ein Feiger im Haufen? Daß nur nicht in der Flucht dich ein Speer in dem Rücken verwunde! 95 Bleib doch, daß wir den Greis vor dem schrecklichen Manne beschützen!

Sprach es, indeß schnell jagte der herrliche Dulder Odysseus,

Ohn' ihn zu hören, vorbei zu den wölbigen Schiffen Achajas. Da nun drang Diomedes, allein zwar, doch in den Vorkampf, Nahe hinan zu den Rossen des Nele'r'adischett Greises.

100

Und er begann zu ihm also und sprach die geflügelten Worte: Greis, jetzt drängen dich, wahrlich, die jüngeren Kämpfer gewaltig! Doch dir fehlet die Kraft und das lästige Alter beschwert dich;

Schwach ist auch dein Lenker und langsam laufen die Rosse. Komm, steig' ein in den Wagen zu mir!

Da wirst du erfahren,

1.05

Wie mir die Troischen Rosse geübt sind, durch das Gefilde

Eiligen Laufs zu verfolgen nach hier und nach da, und zu fliehen, Die ich Aeneas genommen, dem Grausenerregenden Krieger.

Laß du jetzt den Genossen die deinigen und mit den meinen Komm zu den reisigen Troern hinan; auch Hektor erfahre,

110

Ob auch mein Speer noch in der Hand mir vermöge zu rasen! Sprach's: da folgt' ihm sogleich der gerenische, reisige Nestor, Während die Rosse des Nestor indeß die Gefährten besorgten:

Sthenelos mit dem erhab'nen Eurymedon, beide gewaltig.

Und es bestiegen die beiden sogleich das Gespann des Tydiden.

Nestor ergriff mit den Händen die kunstreich prangenden Zügel, Trieb mit der Geißel die Ross' und sie naheten bald sich dem Hektor. Der drang grade heran; da warf mit dem Speer Diomedes,

Und er verfehlet' ihn zwar; doch traf er den Führer der Rosse,

10 *

415

148

Ilias.

Semen Gefährten, Thebäos des nmthigen Sohn, Eniopeus,

120

Wie er den Zaum in der Hand hielt, vorn in die Brust an der Warze.

Also entstürzt' er dem Wagen, und rückwärts sprangen die Rosse

Flüchtig, indem ihm die Seele daselbst mit dem Muthe dahin schwand. Da drang heftiger Schmerz in des Hektor Brust um den Lenker; Aber er ließ den Genossen daselbst, wie schmerzlich bekümmert,

125

Sucht', ob sonst ihm ein Lenker erschien voll Muth, und den Rossen

Fehlet' es nicht mehr lang an der Führung; denn er erspähte Jphitos muthigen Sohn Archeptolemos bald, und er nahm ihn Schnell in den eilenden Wagen und gab in die Händ' ihm die Zügel.

Da kam wohl das Verderben und schreckliche Thaten geschahen,

130

Daß sie zusammengetrieben nach Ilios stöhn wie Lämmer,

Wenn nicht gleich es der Vater der Ewigen sah und der Menschen. Und mit entsetzlichem Donner entsandt' er den leuchtenden Vlitzstral:

Vor Diomedes Gespann dicht schleudert' er ihn in den Boden. Graunvoll stürzte die Flamme hervor von dem brennenden Schwefel,

135

Daß vor dem Wagen die Rosse vor Schreck still standen und bebten. Aber des Nestor Händen entsanken die glänzenden Zügel, Weil er im Herzen erschrack, und er sprach zu dem Sohne des Tydeus.Tydeus Sohn, jetzt lenke die stampfenden Rosse zu fliehen!

Öder erkennest du nicht, daß Sieg von Zeus dir versagt ist?

140

Denn es verleiht nun Zeus, der Kronid' ihm heute die Ehre; Aber nachher dann wieder, gefällt es ihm so in dem Herzen,

Giebt er sie uns: nie kann ja der Mensch Zeus Willen verhindern,

Selbst der gewaltigste nicht; denn machtvoll ist er vor Allen! Und es erwiderte jenem der Rufer im Streit Diomedes:

145

3a, dieß sagest du Alles, o Greis, ganz so wie es wahr ist; Aber ein schrecklicher Schmerz durchdringt mir die Brust und die Seele.

Denn wohl spricht dann Hektor einmal in der Troer Versammlung: Tydeus Sohn kam fliehend vor mir voll Furcht zu den Schiffen!

Ja, so prahlt' er: es müßte ja dann mich die Erde verschlingen!

Und es entgegnet' ihm drauf der gerenische, reisige Nestor:

150

Achter Gesang.

149

Wehe mir, Tydeus Sohn, des gewaltigen, wie du mir redest!

Denn, sollt' irgend dich Hektor einmal feig nennen und kraftlos:

Glaubten ja doch es die Troer ihm nicht und die Dardanionen, Nimmer die Frauen der Troer, der Schildebewaffneten Krieger,

155

Denen du blähende Gatten genug an den Boden gestreckt hast. Also sprach er und wandte die stampfenden Rosse zu fliehen Durch das Getümmel, und Hektor zugleich und die Troischen Männer Schleuderten nach ihm das bittre Geschoß mit entsetzlichem Toben.

Da rief laut der gewaltige Helmbuschnickende Hektor:

160

Ehrten dich doch, o Tydide, die reisigen Helden Achajas

Stets durch Sitz vor den Andern und Fleisch und gefüllete Becher) Doch sie verachten dich künftig: du bist zum Weibe geworden! Lauf, armseliges Mädchen!

Gewiß, nie werd' ich dir weichen,

Daß du die Mauern von Troja erstürmetest, und in den Schiffen

165

Unsere Frauen entführtest: den Dämon send' ich dir früher!

Also sprach er, und zweifelnd erwog in der Brust Diomedes, Ob er die Ross' umlenkend den Kampf mit ihm sollte bestehen.

Dreimal zweifelt' er so in der Brust und dem inneren Herzen; Dreimal donnert' indeß von dem Ida Zeus der Berather,

170

Ilios Volk zum Zeichen und Sieg in dem schwankenden Kampfe. Hektor aber gebot mit gewaltigem Rufe den Troern:

Troer und Lykier höret, und Dardaner, muthige Kämpfer,

Seid nun Männer, o Freund' und gedenkt der gewaltigen Stärke! Denn ich erkenn' es, Kronion verheißt mit dem gnädigen Zeichen

175

Mir den erhabenen Ruhm und den Sieg und den Danaern Leiden! Thoren! Sie haben sich dort zum Schutz nun Mauern erbauet, Schwach' und erbärmliche!

Nein, die halten mich nicht in dem Sturme,

Da mich den Graben hinüber im Sprung mein rasches Gespann trägt. Aber sobald ich einmal den gewölbeten Schiffen genaht bin, Denke mir einer daran, gleich flammendes Feuer zu bringen,

Daß ich in Feuer die Schiffe verbrenn' und sie selber erschlage, Neben den Schiffen erstickt von dem qualmenden Rauch, die Achäer!

180

150

Ilias.

Also sprach er zu ihnen und rief antreibend den Rossen:

XanthoS und du auch Aethon und Lampos und du, o Podargos,

185

Jetzo vergeltet die Pflege, mit der in beständiger Sorgfalt Euer Andromache wartet, Eetions Tochter, des Tapfern,

Euch in die Krippe noch eher den lieblichen Hafer hineinwirft,

Wein auch mischet zu trinken, so viel und so lang ihr begehret, Als mir selbst, der doch sich ihr blühender Gatte zu sein rühmt.

190

Auf jetzt, eilet mir hin zu dem Angriff, daß wir des Nestor

Schild uns gewinnen, von welchem der Ruf zu dem Himmel emporsteigt, Daß er von lauterem Golde .gemacht sei, er und die Halter,

Aber zugleich von den Schultern des reisigen Sohnes des Tydeus Jenen gepriesenen Harnisch, Hephästos herrliches Kunstwerk!

195

Wenn wir uns dieses gewännen, so hofft' ich ja wohl, die Achäer Stiegen noch heute, sogleich in der Nacht in die eilenden Schiffe.

So frohlocket' er laut: da zürnt' ihm die Herrscherin Here, Warf mit Gewalt sich im Stuhl, und es bebten die Höhn des OlympoS.

Und zu Poseidon sprach sie das Wort, dem gewaltigen Gotte:

200

Wehe, du Erderschütt'rer, Gewaltiger, macht es dir gar nicht Kummer im Herzen, daS Volk von Achaja fallen zu sehen? Bringen sie doch dir gen Aegä und Helike immer Geschenke,

Reichlich und werthe: so schaffe doch du auch ihnen den Sieg nun!

Denn, wenn wir nur wollten, so viel wir den Danaern helfen,

205

Ilios Volk wegdrängen und Zeus, dem Gewaltigen wehren:

Wahrlich, er säß dort trauernd allein auf der Höhe des Ida! Da sprach unmuthvoll der gewaltige Ländererschütt'rer: Here, was für ein Wort, o Verwegene, hast du gesprochen!

Niemals möcht' ich ja Zeus dem Kroniden int Kampfe begegnen,

210

Ich mit den Anderen, da wir an Macht weit vor ihm zurückstehn. Also sprachen sie dieses und Aehnliches dort mit einander.

Aber so weit sie der Graben am Wall von den Schiffen entfernt hielt, War dort Alles von Rossen erfüllt und bewaffneten Männern Dicht im Gewimmel; sie drängte, dem stürmenden Ares vergleichbar,

215

Achter Gesang.

151

Hektor, Priamos Sohn, da Zeus ihm die Ehre gewährte.

Und er verbrannte gewiß mit der lodernden Flamme die Schiffe, Gab die erhabene Here es nicht in das Herz Agamemnon,

Selber das Heer durcheilend, der Danaer Muth zu entstammen. So nun eilt' er umher an der Danaer Schiffen und Zelten,

220

Ueber dem nervichten Arme den mächtigen Mantel von Purpur. Und zu Odysseus Schiff hin trat er, dem dunkelen, großen,

Das dort stand in der Mitte, nach jeglicher Seite zu rufen, So zu des Ajas Zelten, des Telamoniden hinunter, Wie zu Achilleus, welche die schwebenden Schiff' an die Enden,

225

Beide gezogen, dem Muth und den kräftigen Armen vertrauend. Und er erhob durchdringend den Ruf und begann zu den Völkern:

Schämt euch, Danaer, schmählich Geschlecht, schön nur für die Augen! Sagt, wo bleibet das Prahlen, indem wir die Besten uns nannten,

Als ihr in Lemnos euch mit den eitelen Worten berühmter,

230

Dort beim reichlichen Schmaus an dem Fleisch von gehörneten Rindern

Und den Pokalen mit Weine gefüllt bis hoch zu dem Rand auf? Hundert der Troer, sogar zweihundert rühmte sich jeder,

Wollt' er im Kampfe bestehn, und wir sind nun nichts vor dem einen Hektor, der uns die Schiffe sogleich mit der Flamme verbrennet.

235

Wo ist, Vater Kronion, noch sonst ein gewaltiger König,

Welchen du also gestraft und des herrlichen Ruhmes beraubt hast? Fuhr ich doch nie, das weiß ich, an deinem gepriesenen Altar

Irgend vorüber, indem ich im rüstigen Schiffe daherzog; Sondern ich brannt' auf allen das Fett und die Schenkel der Stiere,

240

Voller Begierde, der Troer ummauerte Stadt zu zerstören. Aber gewähre mir Zeus doch jetzt nur dieses Verlangen:

Laß uns wenigstens selber von hier in der Flucht uns erretten, Daß nicht so vor den Troern Achajas Jugend dahin sinkt! Sprach's, und der Vater erbarmte sich sein, und der rinnenden Thränen, 245

Und er gewährt' ihm die Rettung des Volk's; nicht sollt' es verderben. Sandte den Adler sogleich, den bedeutungsreichsten der Vögel,

152

Ilias.

Der in den Klauen das Junge der flüchtigen Hindin davon trug. Und an dem schönen Altare des Zeus hin warf er das Kälbchen, Wo dem verkündenden Zeus die Argeer pflegten zu opfern.

250

Als nun diese gesehen, von Zeus her schwebte der Vogel, Stürzten sie, wieder ermuthigt, gewaltiger gegen die Troer.

Da nun rühmte sich Keiner, so viel' auch Danaer warm, Daß er vor Tydeus Sohne die flüchtigen Rosse getrieben,

Ueber den Graben hinaus dem Gefecht sich entgegen zu stürzen.

255

Sondern der erste von Allen erschlug er den rüstigen Troer

Phradmons Sohn, Agelaos, indem er die Rosse zu fliehn trieb. Und mit dem Speer durchbohrt' er ihm, da er sich wandte, den Rücken,

Zwischen den Schultern, so daß er die Brust durch, vorn ihm herausdrang. Und er entsank dem Gespann, und es rasselten um ihn die Waffen.

260

Nach ihm drangen voran Agamemnon mit Menelaos, Ihnen die beiden Ajanten zunächst, der gewaltigen Kraft voll; König Jdomeneus dann und Jdomeneus Kampfesgenoffe,

Held Meriones, ähnlich dem Männervertilgenden Ares; Dann Eurypylos auch, der erhabene Sohn des Euämon.

265

Teukros kam als neunter darauf mit dem schnellenden Bogen, Welcher von Ajas Schilde, des Telamoniden gedeckt ward. Ajas hielt dann immer den Schild an die Seit', und er schaute

Erst rings um sich und spähte, der Held, und so wie er int Haufen

Einen getroffen, so daß er int Fall sein Leben verhauchte:

270

Zog er sich eilig zurück, wie ein Kind zu der Mutter, und barg sich

Hinter dem Ajas, der mit dem glänzenden Schild ihn bedeckte.

Wen nun traf von den Troern zuerst der untadlige Teukros?

Erst Orsilochos, Ormenos dann und darauf Ophelestes, Dätor und Chromios dann und den göttlichen Held Lykophontes

Und Amopaon, den Sohn Polyämons und Melanippos: Alle sie streckt' er dahin an die Nahrungspendende Erde. Und es gewahrt' ihn erfreut der gebietende Fürst Agamemnon,

Wie er mit mächtigem Bogen die Troischen Männer vertilgte,

275

Achter Gesang. Trat zu ihm näher hinan, und begann zu ihm also und sagte:

153 280

Teukros, theueres Haupt, Telamonier, Völkergebieter,

Triff so, ob du ein Licht für die Danaer und für den Vater Telamon wirst, der liebend dich aufzog, als du ein Kind warst.

Und dich, obwohl nicht ehelich, bei sich im Hause verpflegte. Diesen verherrliche nun mit dem Ruhm, wenngleich er entfernt ist.

285

Aber ich sage dir jetzt und gewiß, so wird es geschehen:

Giebt mir der Aegisbewehrte Kronion und Pallas Athene,

Ilios einst zu zerstören, die Mauerumgebene Veste, Leg' ich ein Ehrengeschenk dir zuerst nach mir in die Hände,

Sei es ein Dreifuß oder ein Doppelgespann mit dem Wagen,

290

Oder ein Weib auch, welches mit dir dein Lager besteige.

Und es entgegnete jenem darauf der untadlige Teukros:

Hoher Atride, warum doch ermahnst du mich, da ich ja selbst auch Nimmer ermüd' in dem Eifer, so lang es die Kräfte gestatten.

Denn seitdem wir sie jetzo nach Ilios wieder vertreiben,

295

Seitdem tödt' ich mit meinem Geschoß, wohl zielend, die Männer. Acht schon hab ich verschossen der Spitzeversehenen Pfeile, Die auch all' in dem Leib Kampfmuthiger Jünglinge haften:

Ihn nur kann ich allein nicht treffen, den wüthenden Hund dort! Sprach ^es und sendet' ein neues Geschoß von der Senne des Bogens 300 Gegen den Hektor, indem ihn das Herz trieb, ihn zu erlegen;

Doch er verfehlet' ihn, und den Gorgythion traf er, den edlen, Priamos tapferen Sohn, in die Brust mit dem bitteren Pfeile, Welchen die Mutter gebar, aus Aesyme jenem gesellet, Kastianira die schöne, den Göttinnen ähnlich von Ansehn.

305

So wie Mohn zur Seite das Haupt neigt, welcher im Garten Steht, von den Körnern beschwert, in den schauernden Regen des Frühlings: So neigt' er zur Seite das Haupt, von dem Helme beschweret.

Da schoß Teukros von Neuem den Pfeil von der Senne des Bogens

Gegen den Hektor, indem ihn das Herz trieb, ihn zu erlegen; Doch er verfehlt' auch jetzt ihn: Apollon wandte dm Pfeil ab,

310

154

Ilias.

Und ArcheptolemoS traf er, den muthigen Lenker des Hektor,

Da er dem Kampf zueilt', in die Brust, dicht neben der Warze. Also entsank er dem Wagen, und rückwärts sprangen die Rosse,

Flüchtig, indem ihm die Seele daselbst mit dem Muthe dahin schwand. 315 Da drang heftiger Schmerz in des Hektor Brust um den Lenker;

Aber er ließ den Genossen daselbst, wie schmerzlich bekümmert, Und den Kebriones hieß er, dm Bruder, indem er ihm nah war, Eilig die Zügel ergreifen, und gern war dieser ihm willig.

Doch er sprang an den Boden herab von denr glänzenden Sessel,

320

Fürchterlich brüllend, ergriff mit der Hand den gewaltigen Feldstein, Und so sprang er zu Teukros hinan, in der Wuth ihn zu treffen. Der hatt' eben das bitt're Geschoß aus dem Köcher genommen

Und an die Senne gelegt: da traf der gewaltige Hektor,

Als er die Senn' anzog, ihm das Schlüsselbein an der Schulter,

325

Zwischen dem Hals und der Brust, dem gefährlichsten Ort der Verwundung. Dorthin, eh er den Pfeil schoß, traf ihn der zackige Feldstein, Und er zerriß ihm die Senn', und die Hand an dem Knöchel erstarrt' ihm:

Stand, sank dann auf's Knie, und es glitt von der Hand ihm der Bogen. Ajas indeß, voll Sorg' um den niedergesunkenen Bruder,

330

Eilte herbei, trat vor ihn und hielt ihm bedeckend den Schild vor;

Unter ihn bückten sodann sich zwei der getreuen Genossen, Echios Sohn, der erhab'ne Mekistheus mit dem Alastor,

Nahmen den Stöhnenden aus, und sie trugen ihn fort zu den Schiffen. Und in den Troern erhob der Olympier wieder den Kampfmuth,

335

Daß sie die Danaer zwangen, zurück zu dem Graben zu weichen,

Und in den vordersten Reihn schritt Hektor herrlich und kraftvoll. So wie ein Hund von dem Rücken das Wildschwein oder den Löwen

Packt in den Hüften und Lenden, indem er in rüstigem Laufe Stets ihn verfolgt und ihn immer, wohin er sich wende, beachtet: Also verfolgt' auch Hektor die Hauptumlockten Achäer.

Immer erschlug er den letzten, indem sie mit Schrecken dahin flohn.

Aber nachdem sie die Pfähle hindurch und den Graben hinüber

340

Achter Gesang.

155

Fliehend gekommen und Viele gestürzt vor den Händen der Troer: Blieben sie stehn vor den Schiffen zuletzt, und sie faßten sich wieder,

345

Sprachen sich Muth zu einander und auf zu den Himmlischen allen

Flehete jeglicher laut im Gebet mit erhobenen Händen. Hektor indeß mit dem stolzen Gespann flog hierhin und dahin,

Gorgo's Augen im Haupt und deS Männervertilgenden AreS. Doch die sah mit Erbarmen die lilienarmige Here,

350

Und zu Athene begann sie sogleich die geflügelten Worte: Weh uns, Tochter des Zeus, des Gewaltigen!

Sorgen wir nie mehr

Für die bedrängten Achäer, und wär es ein einziges Mal noch?

Denn sie erfüllen ihr böses Geschick jetzt, unter des einen Mannes Gewalt hinsinkend!

Es rast, nicht mehr zu ertragen,

355

Hektor, Priamos Sohn, und verübt unendliches Unheil!

Und eS entgegnet' ihr Zeus helläugige Tochter Athene:

O, der hätte ja lange den Muth und das Leben verloren, Unter der Hand der Achäer vertilgt in dem Lande der Väter;

Aber es rast mein Vater fürwahr, wie krank in dem Geiste!

360

Immer vereitelt er grausam und unhold, was ich beginne,

Und er gedenkt nicht, wie ich so oft, zu unzähligen Malen,

Seinen verzagenden Sohn in Eurystheus Kämpfen errettet. Der weint' oft zu dem Himmel empor; dann sandte Kronion

Mich ihm vom Himmel hinab, und ich mußt' ihn beschirmen mit Beistand. 365

Daß ich im hellen Verstand dieß damals hätte geahnet, Als er hinunter zu Als verriegelten Pforten ihn sandte, Als, des Schrecklichen Hund von des Erebos Tiefen zn holen: Niemals wär er des Styr tief flutendem Wasser entronnen!

Doch nun hasset er mich, und der Thetis Willen befolgt er,

370

Welche die Knie' ihm geküßt, mit der Hand sein Kinn ihm gestreichelt,

Und ihn um Ehre gefleht für den Städteverwüster Achilleus.

Aber er nennt ja mich wohl noch einmal helläugige Traute! Doch nun schirre du gleich uns die stampfenden Ross' an den Wagen, Während ich selbst in die Wohnung des Aegisbewehrten Kronion

375

156

Ilias.

Geh' und die Wehr anlege zum Kampf: dann will ich ja sehen,

Ob wohl Priamos Sohn sich, der Helmbuschnickende Hektor Freun wird, wann er uns sieht in der Bahn des Gefechtes erscheinen!

Auch von den Troern sättigt gewiß mit dem blühenden Fleisch noch Mancher die Vögel und Hunde, gefällt an den Schiffen Achajas!

380

Sprach es, und Here gehorcht' ihr, die lilienarmige Göttin.

Und es enteilte, die Rosse mit goldenem Zamne zu schirren

Here, die heilige Göttin, erzeugt von dem mächtigen Kronos.

Doch Athenäa, die Tochter des Aegisbewehrten Kronion,

Legte das feine, gestickte Gewand im Gemache des Vaters,

385

Das sie mit künstlichen Händen sich selber gewebt, an den Boden.

Dann, mit dem Rocke bekleidet des Wolkenversammlers Kronion, Zog sie die Rüstung an zu dem Thränenerregenden Kampfe,

Und sie bestieg ihr flammend Gespann; dann nahm sie die schwere,

Hohe, gediegene Lanze, mit der sie die Schaaren der Männer

390

Bändiget, denen sie zürnt, des gewaltigen Vaters Erzeugte. Und ihr Gespann trieb Here sogleich mit geschwungener Geißel.

Krachend erschloß sich von selber das himmlische Thor, in der Horen Obhut, denen der Himmel und auch der Olympos vertraut ist, Ihn zu verschließen mit dichtem Gewölk und ihn wieder zu öffnen.

395

Dieses hindurch nun lenkten sie jetzt die gegeißelten Rosse.

Und mit entsetzlichem Zorn sah Zeus sie, der Vater, vom Ida, Und er entsandt' als Botin die goldengeflügelte Iris: Aus gleich, hurtige Iris, und halt sie, damit sie mir ja nicht

Etwa sich nahen!

Wir möchten uns bös in dem Kampfe begegnen!

400

Denn so sag' ich dir jetzt und gewiß, so wird es geschehen.

Lahm gleich mach' ich am Wagen die flüchtigen Rosse den beiden, Werfe sie selbst von dem Sessel hinab und zerschmettre den Wagen; Daß sie mir sollen gewißlich in zehn umkreisenden Jahren Nicht von den Wunden genesen, womit mein Blitz sie gezeichnet.

Dann sieht Pallas ja wohl, was Kampf heißt gegen den Vater! Hexe reget so sehr mir den Zorn nicht auf und die Galle,

405

Denn die pfleget mir jedes Gebot ja beständig zu brechen.

Also sprach er, und Iris entflog windschnell mit der Botschaft,

Eilte vom Jdagebirge hinauf zu dem hohen Olympos,

410

Und an dem vorderen Thore des Schluchtenerfüllten Olympos

Traf sie auf jen' und sie hielt sie und sprach, wie Zeus ihr es auftrug:

Sagt, wo eilet ihr hin?

Was rast ihr im Herzen und Geiste?

Nimmer erlaubt der Kronide, dem Danaervolke zu helfen. Denn so droht euch jetzo Kronion, wie er es ausführt:

415

Lahm euch beiden am Wagen die flüchtigen Rosse zu machen,

Euch von dem Sessel zu stürzen und ganz zu zerschmettern den Wagen, Daß ihr ihm sollet gewißlich in zehn umkreisenden Jahren Nicht von den Wunden genesen, vom Blitz euch beiden geschlagen,

Und du, Athene, erkennst, was Kampf heißt gegen den Vater.

420

Here reget so sehr ihm den Zorn nicht auf und die Galle; Denn sie pfleget ihm jedes Gebot ja beständig zu brechen.

Du bist aber entsetzlich und schamlos, wenn du in Wahrheit

Wagst, zu dem Kampfe mit Zeus den gewaltigen Speer zu erheben. Also sprach und enteilte die leicht hinschwebende Iris.

425

Und die erhabene Here begann zu Athene und sagte: Weh uns, Tochter M Zeus, des Aegisbewehrten, ich will nicht, Daß wir um sterbliche Menschen mit Zeus in dem Kampf uns begegnen! Sinke denn einer von ihnen dahin und ein anderer lebe,

Welchen es trifft: mag jener, das Sein' in dem Herzen erwägend,

430

Richten im Streite der Troer und Danaer, wie es ihm gut dünkt.

Also sprach sie und kehrte zurück mit den stampfenden Rossen. Und es entschirrten die Horen die Mähnenumwalleten Rosse Jenen vom Joche, sie banden sie an die ambrosischen Krippen,

Und zu der schimmernden Wand auf lehnten nachher sie den Wagen.

Aber die Göttinnen setzten sich selbst auf goldene Stühle Unter die anderen Götter, das Herz voll schwerer Betrübniß.

Da fuhr Zeus von dem Ida hinweg mit dem rollenden Wagen Und dem Gespann zum Olympos, und kam zu dem Sitze der Götter.

435

158

Ilias.

Dort nun löst' ihm die Rosse der Erderschütt'rer Poseidon,

44o

Stellte den Wagen empor am Gestell und bedeckt' ihn mit Leinwand; Aber der waltende Zeus ging selbst zu dem goldenen Throne,

Und wie er Hinschritt, bebten die mächtigen Höhn des Olympos. Einsam aber und fern von dem Zeus saß mit Athenäa

Here; sie redeten weder ihn an, noch fragten sie etwas.

445

Aber er selber bemerkt' es inr Geist und begann zu den beiden:

Weshalb seid ihr mir denn so betrübt, Athenäa und Here? Habt euch nicht sehr lange bemüht, in der rühmlichen Feldschlacht

Troisches Volk zu vertilgen, auf das ihr so schrecklich erzürnt seid! Mir, bei meiner Gewalt und den unüberwindlichen Händen,

450

Wehreten nimmer die Götter, so viel den Olympos bewohnen; Euch hingegen ergriff ja die herrlichen Glieder das Zittern, Eh ihr den Kampf nur saht und des Kampfs entsetzliche Werke.

Denn so sag' ich es euch, und gewiß, so wird es geschehen: Nie wohl wärt ihr mit eurem Gespann, von dem Blitze getroffen,

455

Zu dem Olympos gekehret, dem Sitz der unsterblichen Götter! Also sprach er zu ihnen, und Pallas murrte mit Here,

Die sich zusammen gesetzet und Leid für die Troer ersannen.

Doch Athenäa schwieg ganz still, und sie redete gar nicht, Grollte dem Vater und war voll heftigen Zornes im Herzen;

460

Here dagegen verschloß die Erbitterung nimmer und sagte:

Grauenerregender Zeus, was hast du für Worte gesprochen! Wir auch wissen ja wohl, daß nie sich deine Gewalt beugt;

Aber es jammert uns doch um die Lanzenbewehrten Achäer, Daß sie, erreicht von dem bösen Geschick, nun sollten verderben.

465

Dennoch enthalten wir uns von dem Kampf, wenn du es gebietest;

Rath nur geben wir noch dem Achäischen Volk, es zu schirmen, Daß nicht Alle verderben, indem du so heftig erzürnt bist. Da sprach, jener entgegnend der Wolkenversammler Kronion:

Morgen, gefällt es dir, Here, du Hoheitblickende Göttin,

Wirst du noch mehr als heute den übergewaltigen ZeuS sehn,

470

Achter

Gesang.

459

Wie er daS mächtige Heer der Achäischen Kämpfer vertilget. Denn nun ruht nicht eher vom Kampf der gewaltige Hektor,

Bis sich Achilleus wieder erhebt an den Schiffen, der Renner, An dem Tag, an welchem sie dort an den Steuern der Schiffe

475

Sich um Patroklos Leich' in der schrecklichen Enge bekämpfen.

So ist's Götterbestimmung, und gar nicht werd' ich beachten, Ob du mir grollest, und gingest du auch an des Landes und Meeres Aeußerste Grenzen, an denen Japetos sitzet und Kronos,

Nimmer von Helios Stralen erfreut, des Hyperioniden,

480

Noch von den Winden, und rings umher ist Tartaros Abgrund.

Gingest du dorthin selbst in der Wuth: mich kümmert es gar nicht, Ob du mir zürnst: dir gleichet ja nichts an schnöder Gesinnung!

Sprach es, und gar nichts sagte die lilienarmige Here. Und in Okeanos Flut sank Helios leuchtende Fackel:

485

Nacht zog dunkel herauf um die Nahrungspendende Erde.

Unlieb sank für die Troer das Licht; den Achäern dagegen

Kam die umschattende Nacht wohl dreimal sehnlich erstehet.

Und die Versammlung der Troer berief der erhabene Hektor, Als er sie weg von den Schiffen geführt zu dem wirbelnden Strome,

490

Wo es noch rein war und das Gefild aus Leichen hervorschlen. Und sie vernahmen die Wort', an die Erd' aus den Wagen gestiegen,

Die der erhabene Hektor begann.

Hoch auf in der Rechten

Hielt er den Speer, elf Ellen an Läng', und es blitzt' an der Lanze

Dornen die Spitze von Erz, mit dem goldenen Ringe befestigt.

495

Hierauf stützte sich jener und sprach zu den Troern die Worte:

Troer und Dardaner, hört mich und ihr auch, Bundesgenoffen!

Jetzt nun hofft' ich, nachdem ich die Schiff' und die Danaer sämmtlich Hätte vernichtet, zurück nach Ilios Höhen zu kehren; Aber das Dunkel erschien mir zu früh: das hat sie vor Allem

Jetzt,'die Achäer und Schiff' an dem Meeresgestade gerettet. Aber wohlan, nun wollen der dunkelen Nacht wir gehorchen,

Daß wir ein Mal uns bereiten.

Die Mähnenumwalleten Rosse

5ÖÖ

160

Ilias.

Löst von dm Wagen und werft für sie Nahrung hin an den Boden.

Doch von der Stadt her führet uns Stier' und gemästete Schafe

505

Eilig herbei, auch bringet zugleich herzstärkenden Wein her. Brot dann bringt von den Häusern, und Strauchwerk sammelt in Menge, Daß wir die Nacht ganz durch bis früh zu der dämmernden Eos Feuer entzünden in Meng', und der Schein aufsteige gen Himmel;

Daß nicht etwa im Dunkel die Hauptumlockten Achäer

510

Ueber den mächtigen Rücken des Meers zu entfliehen versuchen.

Wahrlich, sie sollen die Schiffe so leicht nicht ruhig besteigen; Sondern es soll wohl Mancher die Wund' auch noch in der Heimat

Pflegen, vom Pfeilschufi oder der spitzigen Lanze getroffen, Noch beim Sprung in das Schiff; daß auch sich ein Anderer scheue,

515

Gegen die reisigen Troer den traurigen Kampf zu beginnen! Herold' aber, die Diener Kronions, sollen die Stadt durch

Allen den blühenden Knaben und greifenden Männern gebieten, Sich um die Stadt in den Göttererbaueten Thürmen zu lagern,

Und in den Häusern daheim soll jede der weibliche-n Frauen

520

Mächtiges Feuer entzünden, und sorgsam sei mir die Wache,

Daß kein Häuf eindring' in die Stadt, in des Heeretz Entfernung. Sei es denn also, wie ich gesagt, ihr gewaltigen Troer.

Was uns jetzt zum Heile gedeihn mag, hab' ich geordnet; Morgen indessen verkünd' ich den reisigen Troern das andre.

525

In dem Vertraun nun fleh' ich zu Zeus und den anderen Göttern,

Endlich die wüthenden Hunde des Schicksals hier zu verjagen, Die das Geschick uns herüber geführt in den dunkelen Schiffen! Aber die Nacht durch wollen wir jetzt uns selber bewachen,

Gegen den Morgen indeß ganz früh, mit den Waffen gerüstet,

530

Gleich den gewaltigen Kampf um die wölbigen Schiffe beginnen. Sicher erfahr' ich sodann wohl, ob Diomedes, der Starke,

Mich zu der Stadt von den Schiffen zurücktreibt, oder ich selbst ihn

Hier mit dem Erz hinstreck' und entreiß' ihm die blutige Rüstung. Morgen beweiset er, ob er ein Mann ist, wenn er erwartet,

535

Achter Daß mein Speer naht!

Gesang.

161

Aber ich denk', in den vordersten Kampfreihn

Liegt er in Kurzem erschlagen und um ihn in Menge die Freunde, Wann erst Helios morgen emporsteigt.

O, so gewiß nur

Möcht' ich, unsterblich und nimmer berührt von dem Alter, in Zukunft Ehre genießen, so wie Athenäa und Phöbos geehrt wird,

540

Als den Achäern der Tag, der annaht, Leiden heraufführt! Also redete Hektor, und Beifall jauchzten die Troer.

Die nun lösten die Rosse vom Joch, die trieften von Schweiße,

Banden mit Riemen sie fest an den eigenen Wagen ein jeder, Und von der Stadt her trieben sie Stier' und gemästete Schafe

545

Eilig herbei und sie brachten zugleich Herzstärkenden Wein her,

Brot dann auch von den Häusern und sammelten Holzes in Meng' auf. Und den Unsterblichen brachten sie herrliche Festhekatomben, Daß von dem Felde die Winde den lieblichen Duft zu dem Himmel

Trugen; indeß sie empfingen ihn nicht die unsterblichen Götter,

550

Wollten ihn nicht, weil Troja, die heilige, ihnen verhaßt war,

Sie mit dem Priamos selbst und des herrschenden Priamos Völkern.

Doch die, freudig im Herzen und stolz auf den Pfaden des Kampfes, Saßen die Nacht durch, rings von den flammenden Feuern umlodert. Wie wann droben am Himmel die Stern' um den leuchtenden Mond her 555

Glanzvoll schimmern, indem sich die Luft nicht regt in dem Aether: Klar sind alle die Warten, die zackigen Berg' und die Thäler,

Und es eröffnet der Aether sich weithin unter dem Himmel,

Jedes Gestirn scheint hell, und es freut sich der Hirt in dem Herzen: So dort zwischen den Schiffen und Xanthos strömenden Fluten

560

Glänzten vor Ilios Veste die lodernden Flammen der Troer. Tausend der brennenden Feuer erhoben sich, immer um jedes

Lagerten fünfzig umher in dem Glanz hell lodernder Flammen. Und es verzehrten die Rosse den Spelt und die gelbliche Gerste,

Stehend an ihrem Geschirr, und sie harrten der goldenen Eos.

565

Neunter Gesang. sDo nun hielten die Troer sich wachsam; doch die Achäer Drängte die grausige Flucht, des erstarrenden Schreckens Genossin;

Und ein entsetzlicher Schmerz hatt' alle die Besten ergriffen. So wie wann zwei Winde des Meers fischnährende Fluten

Nord mit dem West, aufwühlen, indem sie von Thrakia Herwehn,

5

Plötzlich gekommen, es bäumet sich hoch gleich dunkel die Wog' auf, Und sie bedecken das Ufer des Meers mit unendlichem Seegras: So auch wurde das Herz in der Brust der Achäer zerrissen.

Und der Atrid', in dem Geist von dem heftigen Schmerze verwundet,

Eilt' und befahl Herolden mit weithin tönender Stimme,

10

Namentlich jeglichen Mann zu der Nathsversammlung zu rufen, Ohne zu schrein, und er mühte sich selbst auch unter den ersten.

So nun saßen sie trauernd im Rath dort, und Agamemnon Stand, und er weinete, so wie ein Quell mit dem dunkelen Wasser, Der von dem jähen Geklipp die beschatteten Fluten herabgießt:

Also seufzet' er tief und begann zu den Danaern also:

Freund', ihr Fürsten des Danaervolks und berathende Führer, Zeus, der Kronide, verstrickte fürwahr mich in schweres Verderben, Grausam, da er mir früher mit gnädigem Winke verheißen,

Einst nach Ilios Fall, der ummauerten, sollt' ich zurückziehn, Und den verderblichen Trug jetzt aussann, daß er mich rühmlos Heißet gen Argos ziehn, da viel von dem Volk ich verloren.

15

Neunter

Gesang.

163

Also mag es dem Zeus, dem gewaltigen Herrscher genehm sein,

Welcher bereits viel Städten die mächtigen Häupter zerstört hat,

Und auch ferner zerstört: sein ist ja die Macht und die Herrschaft.

25

Drum nun, wie ich es sage, gehorcht ihr und folget mir alle:

Laßt mit den Schiffen uns fliehn zu dem theueren Lande der Väter; Denn wir gewinnen ja nimmer die weit durchbahnete Troja! Sprach's, da blieben sie alle verstummt rings um ihn und schwiegen.

Lautlos saßen sie lang' in Bekümmerniß da, die Achäer;

30

Da sprach endlich zu ihnen der Rufer im Streit Diomedes:

Atreus Sohn, dir greif' ich zuerst dein thörichtes Wort an, Wie es sich ziemet, o König, im Rath: drum zürne du nimmer!

Mir zwar schmähtest du neulich die Tapferkeit vor den Achäern, Sprachst, unkriegerisch sei ich und kraftlos; aber es ist ja

35

Dieses den Danaern Alles bekannt, so jungen, wie alten! Doch dir gab nur Eines der Sohn deS verschlagenen Kronos,.

Gab dir, daß du vor Allen im Volk mit dem Zepter geehrt wirst; Tapferkeit gab er dir nicht, die doch die erhabenste Kraft ist. Unglückseliger!

Meinest du denn, daß so die Achäer

40

Ganz unkriegerisch seien und kraftlos, wie du gesagt hast? Treibt dich selber das Herz mit Gewalt zu der Fahrt in die Heimat: Geh! da ist ja der Weg, und im Meer hier stehen die Schiffe,

Die in gewaltiger Menge dir her von Mykene gefolgt sind!

Aber die anderen bleiben, die Hauptumlockten Achäer,

45

Bis wir ja einst wohl Troja zerstört; und wollen sie selbst auch:

Laß mit den Schiffen sie fliehn zu dem theueren Lande der Väter!

Ich mit dem Sthenelos führe den Kampf fort, bis wir das Ende

Ilios' sehn, da doch uns ein Gott zu dem Lande geführt hat!

Sprach es, und Beifall jauchzten ihm sämmtliche Männer Achajas, Ueber das Wort Diomedes erstaunt, deS gewaltigen Helden.

Aber der reisige Nestor erhob sich und sprach zu den Andern:

Tydeus Sohn, hoch ragst du hervor als Held in dem Kampfe, Und in dem Rath auch stehest du weit vor den Altersgenossen.

11*

50

IliaS.

164

Niemand tadelt dir wohl dein Wort von den Danaern allen,

55

Oder bestreitet es; aber du kamst noch nicht zu dem Ende. Bist du ja doch auch jung und du wärst wohl deiner Geburt nach Leicht mein Sohn, und der jüngste sogar; doch sprichst du verständig

Unter der Danaer Fürsten, indem du geziemend geredet. Aber ich selbst nun, da ich von euch mich den Aeltesten rühme,

Will jetzt reden und Alles beendigen.

60

Sicherlich wird mir

Keiner die Worte verschmähen, der Fürst selbst nicht, Agamemnon.

Der ist ohne Geschlecht, ohn' eigenen Heerd und Gesetze,

Der an dem schrecklichen Streit in dem eigenen Volke sich freun kann!

9(6er wohlan, jetzt lasset der dunkelen Nacht uns gehorchen, Daß wir das Spätmal rüsten;

65

ein jeglicher aber der Wächter

Lagere sich an dem Graben entlang, dort außer dem Wall hin!

Dieß nun hab' ich den Jüngern gesagt; du aber Atride,

Mache den Anfang, da du den Königen allen vorangehst. Rüste den Fürsten das Mal: dir ziemt's, auch ist dir es passend.

70

Voll sind deine Gezelte von Wein, den Danaerschiffe

Täglich die wogenden Fluten hindurch aus Thrakia bringen. Alles ja ist dir bereit zum Empfang, dem Beherrscher der Kriegsschaar. Sind dann Viele versammelt, so folg' ihm, welcher den besten

Rath zu ertheilen vermag; denn noth ist allen Achäern

75

Guter, verständiger Rath, da nah an den Schiffen die Feinde Feuer in Meng' entflammt:

Wer kann deß wohl sich erfreuen!

Wahrlich, die Nacht hier rettet das Heer jetzt oder vertilgt es!

Sprach es, und alle vernahmen ihn gern und gehorchten ihm willig. So nun eilten die Wächter hinaus, mit den Waffen gerüstet.

60

Die mit dem Sohne des Nestor, dem Führer des Volks, Thrasymedes, Mit dem Jalmenos und dem Askalaphos, Söhnen des Ares, Mit dem Meriones auch und Deipyros, und mit dem edlen

Aphareus und mit des Kreon erhabenem Sohn Lykoyredes.

Sieben geboten der Wacht und der Jünglinge zogen mit jedem

Hundert zusammen hinaus, hochragende Speer' in den Händen.

65

Neunter

Gesang.

165.

Die nun setzten sich zwischen den Wall in die Mitt' und den Graben, Machten sich Feuer daselbst und bereiteten jeder das Spätmal.

Doch Agamemnon führte die Edelsten von den Achäern In das Gezelt, und empfing sie mit Herzaufheiterndem Male.

90

Und sie erhoben die Hände, das fertige Mal zu genießen;

Aber nachdem das Verlangen des Tranks und der Speise gestillt war:

Ordnete seine Gedanken der Greis vor den Andern, zu reden, Nestor, der sich im Rath auch sonst als Besten erwiesen.

Dieser begann wohlmeinend und redete vor der Versammlung:

95

Atreus Sohn, ruhmvollster, gebietender Fürst Agamemnon, Mit dir mach' ich das End' und den Anfang, weil du so vielen

Völkern gebeutst als Herrscher, und Zeus in die Hand dir das Zepter Und die Gesetze gegeben, damit du sie lenkest mit Weisheit;

Deshalb mußt du vor Allen ein Wort aussprechen und hören,

100

Und es dem Andern erfüllen, so oft für das Beste zu reden

Einer begehret: es hängt ja von dir ab, was er uns vorschlägt. Ich auch spreche denn nun, wie mir es am besten zu sein scheint; Denn kein Mann sinnt irgend sich anderen, besseren Rath aus,

Als den ich schon früher und jetzt auch heg' in dem Herzen,

105

Seit dem Tag', als du, o Erhabener, zürnend des Brises Tochter für dich von dem Zelte des Peleionen geführt hast, Nicht nach unserem Sinne fürwahr; denn dringend und vieles

Sprach ich dagegen; indeß, von dem trotzigen Herzen getrieben, Hast du den tapfersten Mann, den selbst die Unsterblichen ehren,

Seines Geschenks ihn beraubend, beschimpft.

110

Doch wollen wir jetzt auch

Sinnen, damit wir vielleicht ihn besänftigen und ihn bewegen Durch willkommene Gaben und mild zuredende Worte.

Und es entgegnet' ihm drauf der gebietende Fürst Agamemnon: So wie es wahr ist, sprichst du es aus, Greis, was ich gefehlet.

Unrecht that ich und längen' es nicht; denn Schaaren des Volkes

Gleichet an Werthe der Mann, den Zeus sich im Herzen erkoren: So wie er ihn jetzt ehrt und der Danaer Völker dahin streckt.

115

166

Ilias.

Da ich indessen gefehlt, dem verderblichen Sinne gehorchend,

Will ich es gern ausgleichen, und biet' ihm unendliche Sühnung.

120

Sehet, ich nenne sie hier, die erlesenen Gaben vor Allen:

Zehn Talente von Gold, Dreisüß' auch sieben, vom Feuer

Noch ganz rein, dann Becken dazu, hellschimmernde, zwanzig, Ross' auch mächtige zwölf, die oft Kaufpreise gewonnen. Der Mann wäre gewiß nicht arm, dem Alles gehörte,

125

Noch auch fehlet' ihm wohl der Besitz des gepriesenen Goldes, Was mir an Preisen des Kampfes die stampfenden Rosse gewonnen.

Frau'n dann geb' ich ihm sieben, geschickt in untadliger Arbeit, Lesbische, die ich erkoren, nachdem er die wohnliche Lesbos

Selber gewonnen, die schönsten an Reiz im Geschlechte der Frauen.

130

Alle sie will ich ihm geben und Brises Tochter mit ihnen,

Die ich ihm nahm, und ich schwör' es dabei mit dem heiligen Eidschwur,

Daß ich ihr nie in dem Lager genahet und mich ihr vereinet, Wie es geschieht in der Menschen Geschlecht von den Männern und Frauen.

Dieß nun biet' ich ihm Alles sogleich; doch geben die Götter,

135

Daß wir die mächtige Veste des Priamos künftig erobern:

Soll er sich Goldes und Erzes genug einsteigend im Schiffe Häufen, sobald wir die Beut' im Achäischen Volke vertheilen.

Unter den Troischen Frau'n auch soll er sich zwanzig erwählen,

Welche die schönsten ihm scheinen nach Helena selber von Argos.

140

Dann zum Achäischen Argos gelangt, dem gesegneten Lande,

Soll er mir Eidam werden, und gleich dem Orestes geehrt sein, Der noch spät mir geboren in blühender Fülle heranwächst. Denn drei Töchter besitz' ich, Chrysothemis, Jphianassa Und Laodike heim in dem mächtigen Hause: von ihnen

145

Führ' er sich, die ihm gefällt und ihm lieb ist, ohne Geschenke

Heim in des Peleus HauS, und ich selbst noch geb' ihm die Mitgift, Reich, so wie sie der Tochter zuvor nie einer gegeben;

Geb' ihm daselbst von den Städten, den trefflich gebaueten, sieben: Enope und Kardamyle auch und Ire, die grüne,

150

Neunter

Gesang.

167

Pherä, die heilige Burg, und Anthea drunten im Thalgrund, Ferner Aepea die schöne mit Pedasos Rebengefilden: Alle dem Meer ganz nahe, zunächst an der sandigen Pylos.

Und es bewohnen sie Männer, an Schafvieh reich und an Hornvieh, Die mit Geschenken ihn hoch, einem Gott gleich, werden verehren,

155

Und ihm gehorchend dem Zepter die reichlichen Gaben entrichten.

Dieses erfüllt' ich ihm, wenn er mir nur aufhörte zu zürnen.

Folg' er mir!

Ades giebt ja allein nicht Bitten noch Zwang nach:

Deshalb hassen die Menschen ihn auch von den Göttern am meisten. Nachstehn soll er mir, da ich ja mächtiger bin um so Vieles

160

Und ich zugleich auch mich an Geburt als älteren rühme. Und es entgegnet' ihm drauf der gerenische, reisige Nestor: Atreus Sohn, ruhmvollster, gebietender Fürst Agamemnon;

Nicht zu verachtende Gaben gewährst du dem Herrscher Achilleus!

Auf nun, senden wir jetzo erlesene Männer, um eiligst

165

Zu dem Gezelte zu gehen des Peleiaden Achilleus.

Oder ich wähle sie selber, und sie dann mögen mir folgen Phönir geh' als Führer voran, der Geliebte Kronions,

Dann der gewaltige Ajas zugleich mit dem edlen Odysseus; Herold' auch, mit dem Hodios mag Eurybates hingehn!

170

Bringt für die Händ' uns Wasser, und heißt dann schweigen in Andacht,

Daß wir zu Zeus flehn, ob er vielleicht sich unser erbarme. Also sprach er zu ihnen, und Beifall gaben ihm Alle.

Eilig besprengten mit Wasser die Herold' ihnen die Hände, Jünglinge füllten den Wein bis hoch zu dem Stand in die Krüge,

175

Und dann gossen sie Allen den Weihtrank in die Pokale. Aber nachdem sie gesprengt, und so viel sie gelüstet, getrunken,

Eilten sie aus dem Gezelte von Atreus Sohn Agamemnon. Manches erinnerte noch der gerenische, reisige Nestor

Jeden, indem er sie all' ansah und zumeist den Odysseus, Ja zu versuchen, des hohen Achilleus Sinn zu bewegen. So nun gingen sie hin an des brausenden Meeres Gestade

180

168

Ilias.

Beiv' und sie sicheren viel zu dem Erderschütt'rer Poseidon,

Daß sie den trotzigen Sinn des Achilleus möchten bewegen.

Und zu den Schiffen und Zelten der Myrmidonen gekommen,

185

Fanden sie jenen, indem er das Herz mit der klingenden Leier Tönen erfreute, der schönen, geschmückt mit dem silbernen Stege, Die aus der Beut' er sich nahm, da Eetions Stadt er zerstöret.

Damit erfreut' er das Herz und er sang Siegsthaten der Männer. Nur Patroklos saß noch still dort gegen ihm über,

190

Nuhig erwartend, bis der Pelid' aufhörte zu singen. Da nun kamen die beiden, voran der erhab'ne Odysseus, Nahten, und standen vor ihm: und erstaunet erhob sich Achilleus, Noch mit der Leier im Arm, von dem Sitz, auf dem er geruhet.

Auch Patroklos erhob sich, sobald er die Männer erblickte.

195

Und es begann sie begrüßend der mächtige Renner Achilleus: Heil euch!

Wahrlich ihr kommet mir lieb!

Sehr dränget die Noth wohl,

Die ihr die liebsten mir seid in dem Heer, auch wenn ich erzürnt Hn! Sprach es und führte sie zu sich hinein der erhab'ne Achilleus,

Bat sie auf Stühle sich dort mit purpurnen Decken zu setzen,

200

Und zu Patroklos begann er sogleich, der nahe dabei stand:

Stelle den größeren Krug, o Menötios Sohn, uns sogleich auf,

Mische den Wein auch stärker und gieb dann jedem den Becher, Da ja die werthesten Männer zu mir in die Wohnung gekommen. Sprach es, und willig gehorchte dem theueren Freunde Patroklos,

205

Stellt' an das stralende Feuer sogleich die gewaltige Fleischbank, Legte den Rücken des Lammes darauf und des mächtigen Bockes

Und des gemästeten Schweines mit Fett umwachsenen Rücken; Aber Automedon hielt, und es schnitt der erhab'ne Achilleus.

Und er zerlegt' , es gehörig und bohrt' es darauf an die Spieße, Während der edle Patroklos das mächtige Feuer entflammte.

-Als nun aber das Feuer verloht und die Flamme verlöscht war,

Macht' er ein Lager von Kohlen und breitete Spieße darüber, Würzte mit heiligem Salz' und dreht'- es uncher mit den Gabeln.

210

Neunter

Gesang.

Als er es aber gebraten unb dann auf Borde geschüttet,

169 215

Nahm von dem Brote Patroklos und stellt' es in stattlichen Körben Hin zu der Tafel, indessen Achilleus Allen das Fleisch gab. Selbst nun setzt' er sich gegen Odysseus über, den edlen, Gegen die andere Wand, und er hieß dem Genossen Patroklos,

Opfer den Göttern zu weihn und er warf in die Flamme das Opfer.

220

Und sie erhoben die Hände, das fertige Mal zu genießen; Aber nachdem das Verlangen des Tranks und der Speise gestillt war, Winkte dem Phönir Ajas; Odysseus aber, der edle, Sah es, er füllte mit Wein den Pokal und trank zu Achilleus:

Heil dir, Achilleus, nimmer gebricht's dir am trefflichen Male

225

Eben sowohl in dem Zelte von Atreus Sohn Agamemnon, Als auch hier jetzt, da ja der köstlichen Sachen die Fülle

Da ist; aber es kümmern uns jetzt nicht Freuden des Males;

Sondern entsetzliches Leiden, o Göttlicher, sehen wir zagend

Vor uns: es fragt sich, erretten wir noch die beruderten Schiffe,

230

Oder verlieren wir sie; legst du nicht deine Gewalt an. Denn ganz nah an den Schiffen, am Wall hin lagern die Troer, Trotzig vereint mit den fernher kommenden Bundesgenossen,

Brennen unzählige Feuer im Heer, und es halte sie nichts mehr, Meinen sie, nun sich bald in die dunkelen Schiffe zu stürzen.

235

Zeus, der Kronid' entsendet von rechtsher ihnen die Zeichen Blitzend, und Hektor raset erfüllt von entsetzlicher Kampflust,

Voller Vertraun auf Zeus, mit Wuth; nichts achtet er Männer,

Nichts mehr selber die Götter: ihn treibt der gewaltige Wahnsinn. Gleich nur, flehet er, möge die heilige Eos erscheinen;

240

Denn er vermißt sich, die Schnäbel herab von den Schiffen zu hauen, Sie dann selbst zu verbrennen mit stürmischem Feuer, und ringsum

All die Achäischen Scharen, gedrängt von dem Qualme, zu morden. Deshalb quält mich die Angst in dem Inneren, daß ihm die Drohung

Etwa die Götter erfüllen und daß wir nach dem Geschick dann Fallen in Troja, so fern von dem Rossegesegneten Argos.

245

170

Ilias.

Auf nun, wenn du begehrest, obwohl schon spät, die Achäer Aus der Bedrängniß zu retten im tosenden Sturme der Troer! Selbst auch thät es dir leid in der Zukunft; aber vergebens

Sucht man Hüls', ist's Uebel geschehn, so bedenke du früher,

250

Wie du den Unglückstag abwehrst von den Völkern. Achajas.

Lieber, der Vater empfahl dir ja, Peleus, noch an dem Tage,

Als er von Phthia dort zu des Atreus Sohn dich entsandte:

Theuerer Sohn, Sieg'sstärke verleihn Athenäa und Here, Wenn sie es wollen; indessen den Stolz im erhabenen Herzen Bändige du!

255

Wohlwollen und Mild' ist immer am besten.

Meide den Streit, der Böses herbeiführt, daß um so mehr noch Jüngling' und Greise zugleich in Achajas Volke dich ehren.

Dieses empfahl dir der Greis, du vergaßest es; aber so hör' auch

Jetzo noch auf!

Laß von dem verzehrenden Groll; Agamemnon

360

Bietet dir würdige Gaben, sobald du vom Zorne dich wendest.

Auf denn, höre mir zu, und ich will es dir Alles erzählen, Was dir an Gaben in seinem Gezelt Agamemnon gelobt hat.

Zehn Talente von Gold, Dreifüß' auch sieben, vom Feuer

Noch ganz rein, dann Becken dazu, hellschimmernde, zwanzig,

365

Ross' auch, mächtige, zwölf, die oft Kampfpreise gewonnen. Der Mann wäre gewiß nicht arm, dem Alles gehörte,

Noch auch fehlet' ihm wohl der Besitz des gepriesenen Goldes, Was Agamemnons Rosse bereits ihm an Preisen gewonnen. Frau'n dann giebt er dir sieben, geschickt in untadliger Arbeit,

270

Lesbische, die er erkoren, nachdem du die wohnliche Lesbos Selber gewonnen, die schönsten an Reiz im Geschlechte der Frauen.

Alle sie will er dir geben, und Brises Tochter mit ihnen, Die er dir nahm, und er schwört es dir zu mit dem heiligen Eidschwur, Daß er im Lager sich nie ihr genahet und ihr sich vereinet,

275

Wie eS geschieht in der Menschen Geschlecht von den Männern und Frauen.

Dieß nun beut er dir Alles sogleich; doch geben die Götter, Daß wir die mächtige Veste des Priamos künftig erobern,

Neunter

Gesang.

171

Sollst du dir Goldes und Erzes genug, einsteigend im Schiffe

Häufen, sobald wir die Beut' im Achäischen Volke vertheilen.

280

Unter den Troischen Frau'n dann sollst du dir zwanzig erlesen, Welche die schönsten dir scheinen nach Helena selber von Argos. Dann zum Achäischen Argos gelangt, dem gesegneten Lande,

Sollst du ihm Eidam werden, und gleich dem Orestes geehrt sein,

Der noch spät ihm geboren, in blühender Fülle heranwächst.

285

Denn drei Töchter besitzt er, Chrysothemis, Jphianassa,

Und Laodike heim in dem mächtigen Hause: von ihnen Führest du, die dir gefällt und dir lieb ist, ohne Geschenke, Heim in des Peleus Haus, und er selbst noch giebt dir die Mitgift, Reich, so wie sie der Tochter zuvor nie einer gegeben.

290

Denn von den eigenen Städten, den wohnlichen, giebt er dir sieben, Enope und Kardamyle auch und Ire, die grüne,

Pherä, die heilige Burg, und Anthea drunten im Thalgrund, Ferner Aepea, die schöne mit Pedasos Rebengefilde,

Alle dem Meer ganz nahe, zunächst an der sandigen Pylos.

295

Und es bewohnen sie Männer, an Schafvieh reich und an Hornvieh, Die mit Geschenken dich hoch, einem Gott gleich, werden verehren,

Und dir gehorchend, dem Zepter die reichlichen Gaben entrichten. Dieses erfüllt er dir, wenn du ihm nur aufhörest zu zürnen.

Wenn dir jedoch der Atride so ganz in dem Herzen verhaßt ist,

300

Er sammt seinen Geschenken, so mög' es doch aller Achäer

Noth dich erbarmen im Heer, die gleich der Unsterblichen einen Dich dann ehren, indem du den herrlichen Ruhm dir gewännest.

Denn du erschlügest den Hektor, nachdem er dir nahe gekommen In der verderblichen Wuth und dem Wahn, daß keiner ihm gleich sei 305

Von den Achäern, so viel' in das Land mit den Schiffen gezogen. Und es entgegnet' ihm drauf der gewaltige Renner Achilleus: Götterentstammter, Laertes Sohn, listreicher Odysseus,

Grade heraus denn muß ich es euch ganz offen erklären, Wie ich es mein' in dem Herzen, und wie's auch wirklich geschehn wird, 310

Ilias.

172

Daß ihr mir nicht da sitzet und dorther wimmert und daher.

Denn der ist mir im Herzen verhaßt, gleich A'ides Pforten,

Der in dem Inneren anders gesinnt ist, als er es ausspricht. Doch ich rede zu euch, wie mir es am besten zu sein scheint.

Niemals, hoff' ich, beredet mich Atreus Sohn Agamemnon

315

Oder ein Danaer sonst, da nie mir dafür noch ein Dank ward, Daß ich im Kampfe beständig und rastlos war mit den Feinden.

Gleiches genießt, wer bleibet und wer zu dem Kampfe sich hindrängt, Und mit derselbigen Ehre betheilt man den Feigen und Tapfern. Gleich stirbt immer der Feig' und der Mann, der vieles gethan hat.

320

Gar nichts hab' ich voraus, ich, der ich so vieles erduldet, Immer das eigene Leben bereit dran setzend im Kampfe. So wie ein Vogel den Jungen im Nest fortwährend den Bissen

Zuträgt, den er gefunden und kümmerlich selber daran ist:

So hab' ich auch Nächte genug durchwacht und gelagert,

325

Viel auch blutige Tage hindurch fortwährend gestritten Gegen die Männer im Kampfe für sie dort, wegen der Weiber! Hab' ich zu Schiffe ja doch zwölf wohnliche Städte verheeret,

Nebst elf andern zu Fuß in dem scholligen Lande von Troja, Hab' aus allen in Menge die köstlichen Schätze genommen

330

Und sie nachher dann alle des Atreus Sohn Agamemnon Immer gebracht, der still hier saß an den eilenden Schiffen, Alles empfing, nur wenig vertheilt' und so vieles für sich nahm! Andere Ehrengeschenke vertheilt' er den Helven und Fürsten,

Die sie in Ruhe besitzen, und mir von den Danaern, mir nur,

Nahm er's, und hat die Genossin, die li'ebliche! Ihrer sich freuen! Argos Volk?

335

Mag er im Lager

Indeß was zwingt zu dem Kampf mit den Troern

Was führte des Atreus Sohn die vereinten

Schaaren daher?

Doch bloß um der lockigen Helena willen!

Lieben denn nur die Atriden allein von den redenden Menschen Ihre Genossinnen?

Da doch ein Mann, der tüchtig und gut ist,

Immer, die Seinige liebet und ehrt, so wie ich ja selbst auch

340

Neunter

Gesang.

173

Sie, obwohl mein Speer sie erkämpft, doch liebte von Herzen. Jetzt nun, da er mit Hohn mein Ehrengeschenk mir geraubt hat:

Kenn' ich ihn, und er versuche mich nicht) er beredet mich nie mehr!

345

Sinn' er, Odysseus, jetzo mit dir und den anderen Fürsten, Wie ihr die Schiffe gedenkt vor der feindlichen Flamme zu schützen! Hat er ja doch schon viel vollbracht, seitdem ich entfernt bin, Hat sich die Mauer gebauet, und um sie den Graben gezogen,

Breit und gewaltig, und drinnen hinein auch Pfähle geschlagen!

350

Doch selbst so nicht kann er die mordende Stärke des Hektor

Hemmen!

So lang ich noch mit der Danaer Volk in die Schlacht zog,

Wagte sich Hektor nie in dem Kampf weit ab von der Mauer; Sondern er kam nur bis zu dem Skäischen Thor' und der Buche,

Wo er einmal mich erwartet' und kaum mir entrann beim Angriff.

355

Jetzt nun, da ich den Kampf nicht will mit dem göttlichen Hektor,

Opfer' ich morgen dem Zeus und den sämmtlichen, ewigen Göttern, Lade die Schiffe mir wohl, und nachdem ich in's Meer sie gezogen,

Wirst du, sofern du es willst und dich sonst dieß irgend bekümmert,

Sehen in dämmernder Früh auf dem flutenden Hellespontos

360

Unsere Schiff' und die Männer darin voll Lust an den Rudern. Wenn der Erschütt'rer der Erde mir dann nur glückliche Fahrt giebt, Käm' ich am dritten der Tage gewiß zu der scholligen Phthia.

Sehr viel hab' ich ja, watz ich nach Ilios fahrend zurückließ; Anderes Gold dann aber von hier, sammt röthlichem Erze,

365

Lieblich gegürtete Frauen dazu nebst graulichem Eisen Bring' ich, so viel ich erhalten im Loos; mein Ehrengeschenk nahm Frevelnd er selbst mir, der es mir gab, Agamemnon, des Atreus

Herrschender Sohn.

Dieß alles verkünd' ihm, wie ich es sage,

Oeffentlich, daß auch andre Achäische Männer ihm zürnen, Wenn er vielleicht noch einen der Danaer hofft zu betrügen, Stets mit der Frechheit Panzer bewehrt.

Rur waget er mir wohl,

Schamlos selbst, wie er ist, in das Antlitz nimmer zu schauen! Niemals ein' ich mich ihm in dem Rath mehr oder zu Thaten;

370

174

Ilias.

Denn er betrog und verletzte mich einmal; nimmer in Zukunft

375

Täuscht er mich wieder mit Worten: es mög' ihm genügen, und ruhig

Fahr' er dahin!

Den Verstand hat Zeus der Kronid' ihm geraubet!

Widrig wären mir seine Geschenk', und ich acht' ihn für gar nichts!

Nein, und wollt' er mir auch wohl zehnfach geben und mehrfach,

Was er sowohl jetzt hat, als sonst noch wo sich gewinnet,

380

Was Orchomenos Alles empfängt und was in Aegyptos

Thebe, wo in den Häusern des Reichthums Fülle gehäuft liegt. Hundert Thore verschließen die Stadt und es ziehn aus jedem Stets zweihundert Männer hinaus mit den Rossen und Wagen. Ja, selbst wenn er mir gäbe so viel als Sandes und Staub ist:

385

Dennoch bewegte mir nimmer das Herz jetzt mehr Agamemnon,

Eh er sie ganz mir gebüßet die schmachvoll bittere Kränkung.

Aber die Tochter frei' ich gewiß nicht von dem Atriden! Nein! und glich sie an Schöne der goldenen Aphrodite, Stellete Pallas Athene sich gleich an künstlicher Arbeit:

Dann selbst freit' ich sie nicht!

390

Der wähle sich von den Achäern

Sonst wen, der für ihn paßt, und fürstlicher auch von Geschlecht ist!

Denn, so Schutz mir die Götter verleihn, und ich komm' in die Heimat: Dann wird Peleus selber mit wohl die Gemalin erwählen.

Sind ja Achäische Mädchen in Meng' in Hellas und Phthia,

395

Töchter der Edelsten, welche daselbst in den Städten gebieten. Davon erwähl' ich mir, die mir gefällt, zur theueren Gattin.

Ost schon hat mich ja dort in dem muthigen Herzen verlanget,

Mit dem erkorenen Weibe, der passenden Gattin, vereinet,

Mich an den Gütern zu freun, von dem Greis mir erworben, dem Peleus. 400

Denn mein Leben fürwahr, ist mehr, als aller Besitz werth,

Den einst Ilios, sagen sie, barg, die erhabene Veste, Während des Friedens, bevor die Achäischen Männer gekommen.

Mehr, als was in dem Innern des treffenden Phöbos Apollon

Steinerne Schwelle verschließet in Pythos Felsengeklippe. Denn wir erbeuten uns Stier' und gemästete Schaf', und gewinnen

405

Neunter

Gesang.

175

Leicht Dreifuß' und die Rosse mit bräunlicher Mähn' um den Nacken;

Aber die Seele des Menschen erjagt und erbeutet man nie mehr, Daß sie zurück käm, wann sie einmal von den Lippen entflohn ist.

Denn die unsterbliche Mutter, die Silberfüßige Thetis

410

Sagt, mich führt zwiefaches Geschick zu dem Ziele des Todes: Wenn ich vor Ilios bleib' und im Kampf' ausharr' um die Veste,

Seh ich die Heimkehr nie; doch wird mir unendlicher Nachruhm;

Kehr' ich dagegen zurück zu dem theueren Lande der Väter: Wird kein ehrender Ruhm mir zu Theil, doch dauerndes Leben,

415

Daß mich das Ende des Todes so bald wohl nimmer erreichet. Aber den Andern ertheilt' ich den Rath wohl auch, in die Heimat

Wieder zu kehren; ihr werdet ja doch niemals der erhab'nen Ilios Fall sehn; denn sie beschirmt mit der waltenden Rechten

Zeus der Kronid', und es hat sich das Volk in dem Herzen ermuthigt. 420 Doch, ihr gehet denn nun und bestellt an die Fürsten Achajas Unsere Botschaft; denn das ist ja das Amt der Gesandten.

Lasset sie anderen Rath in dem Geist sich ersinnen und bessern,

Welcher die Schiffe vielleicht und das Volk der Achäer errette Bei den geräumigen Schiffen, nachdem nun der sie getäuscht hat,

425

Welchen sie jetzt sich ersonnen, und ich in dem Zorne beharre. Phönir mag hier bleiben mit uns, in dem Lager zu ruhen, Daß er mir folg' in dem Schiff zu dem theueren Lande der Heimat,

Morgen, gefällt es ihm, da ich mit Zwang ihn ja nimmer entführe. Sprach's, da saßen sie alle verstummt rings um ihn und schwiegen, 430 Ueber die Rede bestürzt; denn kraftvoll hatt' er gesprochen.

Da sprach Phönir endlich der Greis, der Bezähmer der Rosse, Thränen vergießend, bewegt von der Furcht für der Danaer Schiffe: Wenn dir die Heimkehr denn in der Brust, o erhab'ner Achilleus,

Fest steht, und du beschirmest uns nicht die gewölbeten Schiffe

435

Vor den verheerenden Flammen, indem du den Zorn in der Brust hegst: Wie sollt' ich dann, von dir getrennt, hier bleiben, o Lieber,

Ich, so allein?

Dir gab ja der Greis mich, der reisige Peleus,

176

Ilias.

Mit des Tages, an dem er von Phthia dich Agamemnon

Sandt' als Kind, nie früher geübt in dem schrecklichen Kriege,

440

Noch in den Reden, in denen der Mann sich vor Andern hervorthut. Deshalb sandt' er mit dir mich hinaus, dich es Alles zu lehren, Mächtig im Wort und der Rede zu sein und gerüstet zu Thaten.

Deshalb könnt' ich von dir ja, o theuerer Sohn, mich unmöglich Trennen, und gäbe mir auch ein Unsterblicher selbst die Verheißung,

445

Mich von dem Alter gelöst, zum Jüngling neu zu erschaffen, Wie ich zuerst aus Hellas, dem Land schön blühender Frauen,

Floh vor dem scheltenden Vater Amyntor, Ormenos Sohne,

Der um die Nebengeliebte, die lockige, gegen mich zürnte. Denn ihr war er in Liebe geneigt und beschimpfte die Gattin,

450

Die mich geboren und die mir das Knie stets flehend umfaßte,

Jener mich früher im Lager zu nahn, ihr den Greis zu verleiden. Und ich gehorcht' ihr und that es) indeß gleich merkt' es der Vater, Und die Erinnyen rief er, die schrecklichen, an mit dem Fluche,

Nimmer in Zukunft sollt' ihm ein theuerer Sohn auf den Knieen

455

Sitzen, erzeuget von mir, und den Fluch vollbrachten die Götter,

Zeus, der drunten gebeut und die schreckliche Persephoneia.

Und ich gedacht' ihn zuerst mit dem schneidenden Erze zu morden; Doch ein Unsterblicher stillte den Zorn und er ließ mich des Volkes Reden im Herzen und alle die Schmach vor den Menschen bedenken,

460

Wenn ich ein Vatermörder nachher einst, hieß' in Achaja.

Da nun hielt es mir länger das Herz nicht aus in dem Busen, Mit dem erzürneten Vater zugleich in dem Haus zu verkehren.

Wohl zwar gaben die Freunde sich Müh und umher die Verwandten, Mich durch dringende Bitten daheim in dem Hause zu halten,

465

Schlachteten mächtige Schaf' und gemach hinschreitender Rinder Viel, und sie schlachteten viele der fettumblüheten Eber,

Sengten und streckten sie aus an der lodernden Glut des Hephästos,

Und viel Wein auch tranken sie aus von den Krügen des Greises. Und so blieben sie dort neun Nächt', und sie wachten die Nächte,

470

Neunter

Gesang.

177

Stets mit einander im Wechsel der Hut, und die Feuer erloschen Niemals, eins in der Halle des wohl ummauerten Vorhofs,

Eins in dem Vorhaus, vor der gedoppelten Thür des Gemaches.

Als nun aber die zehnte der dunkelen Nächte gekommen,

Brach ich in meinem Gemache die fest einfugende Thür auf,

475

Eilte hinaus, sprang über des Vorhofs Mauer behende,

Daß von den wachenden Männern und dienenden Frauen es Niemand

Sah; dann floh ich hinweg durch Hellas räumige Fluren.

Und nach Phthia gelangt' ich, der scholligen Mutter der Schafe, Wo mich Peleus freundlich empfing, der gebietende Herrscher.

480

Der nun liebte mich, so wie ein Vater den einzigen Sohn liebt,

Den er im Alter gezeugt, viel Gut ihm dereinst zu vererben,

Machte mich reich und vertraute mir zahlreich Volk zu verwalten:

Ueber die Doloper herrscht' ich und wohnt' an der Grenze von Phthia.

Und ich bildete dich so aus, Gottgleicher Achilleus,

485

Liebte dich herzlich, weil du mit Keinem der Anderen wolltest

Weder zum Gastmal gehen noch heim auch essen int Hause, Wenn ich zuvor nicht immer dich zu mir nahm auf die Kniee, Und die geschnittene Speise dir gab, und den Becher dir vorhielt^.

O, gar oft wohl hast du das Kleid mir am Busen besudelt,

'

490

Wann du den Wein wegstießest vom Mund, in der kindischen Unart! Also ertrug ich um dich sehr viel Mühsal und Beschwerden,

Weil ich ja dachte, mir selber verliehn doch nimmer die Götter Eigene Kinder: ich machte mir dich, Gottgleicher Achilleus, So zum Sohne, mich einst vor entehrender Noth zu bewahren! Aber, Achilleus, zähme den heftigen Sinn! Nicht ein erbarmungsloses Gemüth!

495

Es geziemt dir

Sieh, selber die Götter

Sind zu erbitten, die Höchsten an Macht und an Ehr' und an Tugend.

Sie auch mag durch Opfer und demuthvolle Gelübde,

Mag durch Spenden und Dust ja der Mensch sich wieder versöhnen, Bittend mit Flehn, wo einer gesündiget oder gefehlt hat.

Denn des Kronion Töchter, des Mächtigen, sind ja die Bitten,

12

500

178

Ilias.

Lahm an den Füßen und runzlich, mit seitwärts schauenden Augen. Hinter der Schuld her gehen sie stets voll sorgender Eile; Aber die Schuld ist kräftig und rasch, drum läuft sie um Vieles

505

Allen voraus und gelangt vor ihnen zu jeglichem Lande, Bringet in Schaden die Menschen, und sie dann heilen ihn später.

Wer sie, die Töchter des Zeus dann ehrt, indem sie ihm nahen:

O, dem helfen sie mächtig und hören ihn, wann er sie anruft. Wer sie jedoch nicht höret, und störrischen Sinnes zurückweist:

510

Von dem gehen sie hin zu dem Zeus dem Kroniden und flehen,

Daß ihm die Schuld Nachfolge, damit er es büße mit Schaden.

Also Achilleus, hab' auch du vor den Töchtern Kronions Ehrfurcht, die ja den Sinn auch anderer Edelen beuget.

Denn wenn jetzt der Atride dir nicht dieß schenkt' und dir mehr noch

515

Gäb' in der Zukunft, sondern beharrt' in beständigem Zorne:

Ja, dann rieth' ich dir nimmer, fürwahr, von dem Grolle zu lassen Und den Argeern zu helfen, so sehr sie es immer verlangen. Doch nun giebt er sogleich dir so viel, und verheißet dir mehr noch,

Sands auch, dich zu erbitten, die edelsten Männer, erlesen

520

Aus den Achäischen Schaaren, und welche dir selber die liebsten

Sind von den Danaern: mache denn du ihr Wort und den Gang nicht Ihnen zu Schanden: vorher schalt Niemand, daß du erzürnt warst!

Also vernahmen wir auch zum Ruhm einst lebender Männer

Göttlichen Stamms, wann einer in heftigem Zürnen entbrannt war,

525

Daß sie ein freundliches Wort und Geschenk' auch wieder versöhnten, Und ich gedenke von Alters des Falls, nicht ist er von jüngst her,

Wie er sich zutrug, daß ich ihn nun euch Freunden erzähle. Krieg war zwischen den tapfern Aetoliern und den Kureten

Einst um Kalydons Stadt, und sie würgten sich unter einander. Und die Aetolier stritten für Kalydons liebliche Veste,

Welche das Volk der Kureten int Krieg zu vertilgen begehrte.

Artemis sendet' im Zorne das Weh, die erhabene Göttin, Weil von der Flur kein Opfer ihr Oeneus bracht' in der Ernte,

530

Neunter Gesang.

179

Während die anderen Götter im Schmaus Hekatomben genossen:

535

Ihr nur opfert' er nicht, Zeus Tochter, des mächtigen Herrschers.

Irret' er oder vergaß er es: groß war seine Verschuldung!

Da nun sandt' ihm, erzürnt die Unsterbliche, froh der Geschosse, Einen gewaltigen Eber daher mit den blinkenden Hauern,

;540

Der viel Unheil immer in Oeneus Saaten verübte, Auch viel mächtige Bäum' an den Grund mit den Wurzeln dahinwarf, Ueber einander gelagert und voll von den Blüthen des Obstes.

Den nun tödtete endlich des Oeneus Sohn Meleagros,

Der aus vielen der Städte sich Hund' und im Jagen geübte Männer versammelt: er hätt' ihn mit Wenigen nimmer bezwungen,

545

Solch ein Gethier, das Viel' auch bracht' in die traurige Flamme!

Und sie erregte darüber gewaltiges Lärmen und Tosen, Ueber des Wildschweins Haupt und das Fell von Borsten umstarret,

Zwischen dem muthigen Volk der Aetolier und den Kureten. Aber so lang' in dem Streit Meleagros kämpfte, der tapf're,

550

Endete nicht der Kureten Bedrängniß, und sie vermochten

Niemals außer dem Wall, wie zahlreich auch, zu bestehen.

Aber nachdem Meleagros erzürnete — wie ja der Zorn oft Andern das Herz auch schwellt in der Brust, den Verständigsten selbst wohl, —

Ruht' er, im Herzen erzürnet der theueren Mutter Althäa,

555

Bei der geliebten Gemalin, daheim, Kleopatra, der schönen,

Die Marpessa geboren, die blühende Tochter Euenos,

Von dem gewaltigen Idas, dem tapfersten Erdenbewohner Damals, welcher den Bogen erhob auf Phöbos Apollon,

Ihn, den gebietenden Gott, um die leichthinwandelnde Jungfrau.

Damals ward sie vom Vater im Haus und der würdigen Mutter Nur Alkyone immer genannt, weil früher die Mutter

Gleich der Alkyone einst, von dem Jammergeschicke getroffen, Weint', als Phöbos Apollon der treffende Gott sie entführet.

Bei ihr ruhete jener, das Herz voll nagenden Grolles,

Ueber der Mutter Verwünschung erzürnt.

Denn auf zu den Göttern

12 *

560

180

Ilias.

Rief sie, ergriffen vom Schmerz um des leiblichen Bruders Ermordung,

Schlug mit den Händen beständig die Nahrungspendende Erde, Während sie Mdes rief und die schreckliche Persephonia, Niedergesenkt auf's Knie und die Brust in Thränen gebadet,

Tod ihr dem Sohne zu senden.

570

Und Nachtdurchschreitend vernahm sie,

Nimmer versöhnlichen Herzens, im Erebos drunten Erinnys. Da scholl bald um die Thore der feindliche Sturm, und es dröhnten Von den Geschossen getroffen, die Thurm', und Aetolische Greise

Flehten zu ihm, und sie sandten der Ewigen heiligste Priester,

575

Daß er doch käm und sie rettet', und boten ihm reiche Geschenke.

Wo die gesegnetsten Auen des lieblichen Kalydon lagen, Davon baten sie ihn, sich ein herrliches Stück zu erwählen:

Fünfzig Morgen von diesen, ein Rebengefilde die Hälfte, Aber die Hälfte der Flur noch brach und zu Acker zu nehmen.

580

Viel auch flehte mit Bitten der Greis ihm, der reisige Oeneus,

Als er die Schwelle hinauf zu dem wölbigen Zimmer gestiegen, Und an die schließende Pforte gepocht, zu den Füßen des Sohnes. Viel auch flehten die Schwestern zu ihm und die würdige Mutter; Aber er weigerte sich nur mehr; auch flehten die Freunde

585

Viel, die immer ihm werth und geliebt vor den Andern gewesen. Dennoch konnten sie nicht sein Herz in dem Busen bewegen,

Bis schon häufig das Zimmer Geschoß traf, schon die Kureten Thürm' erstiegen, und Flammen die mächtige Veste verheerten.

Da nun bat Meleagros die schönumgürtete Gattin

590

Flehend und jammernd, und zählet' ihm all das entsetzliche Leid auf,

Welches die Menschen betrifft in der Stadt, die Feinde gewinnen. Wie sie die Männer erschlagen, die Stadt mit der Flamme vernichten,

Während die Andern die Kinder und blühenden Frauen entführen. Da schwoll jenem das Herz von der schrecklichen Thaten Erzählung, Daß er enteilte, den Leib mit den glänzenden Waffen gerüstet.

So nun wandt' er den Tag der Verwüstung von den Aetolern, Selbst von dem Herzen getrieben; indeß die schenkten ihm nicht mehr

595

Neunter

Gesang.

181

Viel' und erfreuende Gaben: er wehrt' auch so dem Verderben. Doch du denk' in dem Herzen mir nicht so!

Nicht dein Herz so wenden, o Theuerer!

Laß dir den Dämon

600

Uebeler wär's ja,

Wenn du die brennenden Schiffe vertheidigtest; nein für Geschenke Komm; dann wirst du geehrt, wie ein Himmlischer von den Achäern.

Wenn du jedoch dann ohne Geschenk' in den mordenden Kampf eilst:

Ehren sie dich so nimmer, obwohl du dem Kampfe gesteuert.

605

Und es entgegnet' ihm drauf der gewaltige Renner Achilleus:

Phönir, theuerer Vater, du Göttlicher, nimmer verlang' ich

Ehre von dort; mir, denk' ich, verleiht sie der Wille Kronions: Und sie hab' ich so lang' in dem Heer an den wölbigen Schiffen, Als in der Brust noch Athem mir bleibt und die Kniee sich regen.

610

Aber ich sage dir dieß, und bedenk es du wohl in dem Geiste: Mache mir nimmer die Seele verwirrt mit den jammernden Klagen,

Atreus tapferem Sohne zu Gunst: es geziemet dir gar nicht, Daß du ihn liebst: mir wirst du verhaßt sonst, da ich dich liebe.

Recht ist, daß du mit mir den kränkst, der erst mich gekränkt hat.

615

Gleich mir sei du König und nimm dir die Hälfte der Herrschaft! Aber die Botschaft bringen ihm die: du bleib, um zu ruhen Hier, in dem wärmenden Bett; dann gleich mit der dämmernden Eos

Denken wir, ob wir nach Hause zuruckziehn oder verweilen. Sprach es und winkt' in der Stille Patroklos zu mit den Augen,

620

Phönir ein tüchtiges Bett zu bereiten, damit sie am schnellsten

Gleich von dem Zelt aus dächten der Heimkehr.

Aber der edle

Ajas erhob sich, der Telamonid' und er sprach zu den Andern:

Götterentstammter, Laertes Sohn, listreicher Odysseus,

Gehen wir! denn mir scheint, der Weg fuhrt nie zu dem Ziele

625

Unseres Wunsches: wir müssen indeß sein Wort den Achäern Eiligst verkündigen, ob es sie auch wohl nimmer erfreu'n wird, Da sie uns jetzo erwarten im Rath.

Doch, wahrlich, Achilleus

Hat das gewaltige Herz sich in Trotz in dem Busen verhärtet, Grausam, und nimmer gedenkt er der Freundschaft seiner Genossen,

630

182

Ilias.

Wie wir ihn stets an den Schiffen geehrt vor den Anderen allen.

Unbarmherziger Mann!

Für des leiblichen Bruders Ermordung

Nimmt wohl einer die Sühnung und für den erschlagenen Sohn auch; Dann bleibt jener im Volke daheim nach der reichen Entgeltung, Und es bezähmt auch dieser den Zorn in dem männlichen Herzen,

635

Wann er die Sühnung empfing; doch unversöhnlich und böse

Schufen das Herz dir im Busen die Himmlischen wegen des einen Weibes, und sieben verheißen wir jetzt dir, erlesen vor Allen,

Und noch Anderes vieles dazu: laß doch dich erweichen! Ehre den Heerd auch: siehe, wir sind bei dir in dem Haus hier,

640

Von dem Achäischen Volk, wir, die wir am meisten bemüht sind,

Treu dir ergebene Freunde zu sein von den Danaern allen! Und es entgegnet' ihm drauf der gewaltige Nenner Achilleus: Ajas, Telamons Sohn, du erhabener Völkergebieter, Ganz, wie es sonst wohl mir an das Herz ging, hast du gesprochen!

645

Aber es schwillt mir von Galle das Herz auf, wenn ich bedenke, Was der Atride für Schmach mir gethan hat vor den Argeern:

Wie man dem nirgend Geehrten nnd Heimatlosen begegnet!

Gehet denn ihr jetzt hin, und verkündiget jenem die Botschaft. Denn nicht will ich der Thaten des blutigen Krieges gedenken,

650

Ehe des waltenden PriamoS Sohn, der erhabene Hektor,

Bis zu den Zelten und Schiffen der Myrmidonen gedrungen,

Argos Völker erschlägt und den Brand in die Schiffe hineinwirft. Aber an meinem Gezelt und dem dunkelen Schiffe, vermuth' ich, Steht von dem Kampf wohl Hektor zurück, so gewaltig er wüthe!

655

Also sprach er, und jeder, den doppelten Becher ergreifend, Sprengt', und sie kehrten, geführt von Odysseus, um zu den Schiffen.

Aber Patroklos ließ von den dienenden Mägden und Freunden Phönir ein tüchtiges Lager daselbst in der Eile bereiten.

Und sie gehorchten und machten das Bett, wie jener befohlen, Fell' ausbreitend und Decken, und linnene, feine Gewebe.

Dort nun ruhte der Greis in der göttlichen Eos Erwartung.

660

Neunter

Gesang.

183

Aber Achilleus schlief in dem inneren festen Gezelte;

Neben ihm ruhet' ein Mädchen, von ihm aus Lesbos entführet, Schön, mit blühenden Wangen, des Phorbas Kind, Diomede.

665

Dort lag gegen ihm über Patroklos auch, und die schöne

Jphis neben ihm, einst ihm geschenkt von dem hohen Achilleus, Als er die mächtige Skyros, Enyeus Veste gewonnen. Da nun jen' in das Zelt zu des Atreus Sohne gekommen,

Sprangen die Danaer auf mit den goldenen Bechern: sie standen

670

All' um sie her, sie begrüßend von da und von dort, und sie fragten) Doch vor den Anderen fragte der herrschende Fürst Agamemnon: Auf nun, sprich, o gepries'ner Odysseus, Ruhm der Achäer, Ist er geneigt, von den Schiffen die feindliche Flamme zu wehren,

Oder versagt er es, noch voll Zorn in dem trotzigen Herzen?

675

Und es entgegnete diesem der herrliche Dulder Odysseus:

Atreus Sohn, ruhmvollster, gebietender Fürst Agamemnon! Nein, nicht lässet er ab von dem Zorn) es erhebt sich der Muth ihm Nur noch mehr, und er weist dich zurück sammt deinen Geschenken,

Heißet dich selber den Rath mit Achajas Helden ersinnen,

680

Wie du die Schiffe vielleicht und der Danaer Völker errettest.

Aber er selbst, so drohet' er, zieht mit der dämmernden Eos Seine beruderten Schiffe hinab in die Fluten des Meeres, Räth auch, sagt' er, den Andren zugleich jetzt wohl, in die Heimat Wieder zu kehren, ihr werdet ja doch niemals der erhab'nen

685

Ilios Fall sehn; denn sie beschirmt mit der waltenden Rechten

Zeus der Kronid', und es hat sich das Volk in dem Herzen ermuthigt. Also sprach er, und diese bezeugen es, die mir gefolgt sind: Ajas hier und die Herold' auch, die verständigen, beide. Phönir aber, der Greis schläft dort: so rieth es ihm jener,

690

Daß er ihm folgt' in dem Schiff zu dem theueren Lande der Väter,

Morgen, gefällt es ihm, da er mit Zwang ihn ja nimmer entführet.

Sprach's, da waren sie alle verstummt rings um ihn, und schwiegen, Ueber die Rede bestürzt) denn kraftvoll waren die Worte.

184

Ilias.

Lange verstummten sie alle, die trauernden Helden Achajas:

695

Da sprach endlich zu ihnen der Rufer im Streit Diomedes:

Atreus Sohn, ruhmvollster, gebietender Fürst Agamemnon, Wenn du doch nicht ihn gebeten, den herrlichen Peleionen, Richt ihm die reichen Geschenke gelobt: stolz ist er ja so schon,

Und du bestärktest ihn nur noch mehr in der trotzigen Denkart!

700

Doch nun lassen wir jenen: es sei nun, daß er davon zieht, Sei es, er bleibt auch!

Aber er kommt dann, wieder zu kämpfen,

Wann sein Herz in dem Busen ihn drängt, und der Gott ihn emportreibt.

Doch nun folget mir All' und gehorcht mir, wie ich es rathe. Legt euch nieder zu ruhn jetzt, da ihr mit Wein und der Nahrung

705

Euere Herzen erfreut: das giebt ja den Muth und die Stärke.

Doch wann EoS, die schöne sich zeigt mit den rosigen Fingern,

Ordne du schnell vor den Schiffen das reisige Heer und das Fußvolk; Muntre sie auf und kämpf' auch selbst in den vordersten Reihen.

Also sprach er, und alle die Könige gaben ihm Beifall, Ueber das Wort Diomedes, des reisigen Helden, in Staunen.

Dann nun gingen sie, jeder, nachdem sie gesprengt, zu dem Zelte, Legten sich nieder daselbst und empfingen die Gabe des Schlafes.

710

Zehnter Gesang.

Z)a nun mieten alle die anderen Fürsten Achajas Neben den Schiffen die Nacht, von erquickendem Schlummer gefesselt; Nur dem Gebieter der Völker, des Atreus Sohn Agamemnon,

Kam kein lieblicher Schlaf: es bewegt' ihm so vieles die Seele. Wie wann Blitze der Gatte der lockigen Here entsendet,

5

Strömenden Negen bereitend, unendlichen, oder den Hagel Oder Gestöber des Schnees, der weiß die Gefilde bestreuet,

Oder den schrecklichen Kampf auch mit dem gewaltigen Nachen: Also seufzete dort in der Brust endlos Agamemnon Tief aus innerstem Herzen, ihm zagt' in dem Busen die Seele.

10

Immer, so oft er den Blick auf's Troische Lager hinauswarf: Staunet' er über die Feuer in Meng' auflodernd vor Troja,

Ueber der Flöten und Pfeifen Getön und der Menschen Getöse; Aber so oft er die Schiff' ansah und das Volk der Achäer:

Rauft' er die Haare sich aus von dem Haupt mit den Wurzeln in Menge, 15

Schwer aus trotzigem Herzen zu Zeus dem erhabenen seufzend. Dieß nun schien in dem Geist ihm zuletzt der geeignetste Nathschluß,

Daß er vor Allem zuerst hinging zum Neleischen Nestor, Ob er mit diesem vielleicht untadligen Rath aussänne, Welcher die Noth abwehrte vom sämmtlichen Danaervolke.

Und er erhob sich im Lager, und warf sich den Rock um die Schultern, Band sich die stattlichen Sohlen darauf an die glänzenden Füße,

20

186

Ilias.

Nahm sich das gelbliche Fell um des mächtigen, trotzigen Löwen, Welches ihn bis zu den Knöcheln umfing; dann nahm er die Lanze. So war auch Menelaos in Angst, und es nahte der Schlummer

25

Ihm auch nimmer den Augen: er fürchtete, daß die Achäer

Unheil träf, die alle für ihn durch weite Gewässer Hin nach Troja gekommen, bereit zu dem muthigen Kampfe.

Und den gewaltigen Rücken umhüllt' er zuerst mit des Pardels Fleckigem Fell) dann nahm er den ehernen Helm und dem Haupte

30

Setzt' er ihn auf, und ergriff mit der nervichten Rechten die Lanze.

So nun ging er: den Bruder gedacht' er zu wecken, den Herrscher Aller Achäer, der wie ein Gott in dem Volke geehrt ward.

Und ihn fand er, indem er am hinteren Schiffe die Schultern Sich mit der herrlichen Rüstung bedeckt', und erschien ihm willkommen. 35

Und es begann zu ihm also der Rufer im Streit Menelaos: Weshalb waffnest du so dich, o Theuerer?

Denkst du vielleicht jetzt

Einen der Freunde zu senden, im Troischen Lager zu spähen? Aber ich fürcht', es bestehet die That wohl keiner der Männer,

Unter die feindliche Schaar so allein als Späher zu gehen

40

Durch die ambrosische Nacht; das müßt' ein verwegener Mann sein!

Und zu ihm sprach ihm entgegnend der herrschende Fürst Agamemnon: Sehr, Menelaos bedürfen wir, Göttlicher, beide des Rathes, Welcher, ersprießlich ersonnen, der Danaer Volk und den Schiffen Schutz und Errettung gewähre, nachdem Zeus Herz sich gewandt hat.

45

Sicherlich neigt er das Herz mehr hin zu den Opfern des Hektor; Denn nie sah ich ja früher, noch hört' ich es irgend erzählen,

Daß sich desselbigen Tags ein Mann so Gewaltiges vornahm, Als der erhabene Hektor im Volk der Achäer gethan hat,

Er, kein Sohn von einer der Göttinnen oder der Götter. Thaten verrichtet' er, deren die Danaer, mein' ich, gedenken,

Lange hinaus, weithin; solch Unheil bracht' er Achaja!

Doch nun gehe geschwind, den Jdomenens ruf' und den Ajas, Eil' an den Schiffen hinab: ich will zu dem göttlichen Nestor

50

Zehnter

Gesang.

187

Gehen, damit er sogleich aufsteht, ob's nicht ihm genehm ist,

55

Hin zu den heiligen Wachen zu gehn und Befehl zu ertheilen. Denn sie gehorchen ihm sicher am willigsten, da ja der eigne

Sohn mit Meriones dort, des Jdomeneus Waffengefährten,

Führer der Hut ist, denen zumeist wir dieselbe vertrauet. Und es entgegnet' ihm wieder der Nufer im Streit Menelaos:

60

Sprich, wie meinest du diesen Befehl und ertheilst mir den Auftrag?

Bleib' ich mit jenen daselbst in Erwartung, bis du dahin kommst,

Oder bestell' ich's, und eile sogleich, dich wieder zu treffen? Und ihm entgegnet' und sprach der gebietende Fürst Agamemnon: Bleib dort, daß wir einander uns nicht in dem Dunkel verfehlen,

65

Da ja der Weg' in dem Lager so viel sind, gingen wir beide.

Rufe sie an auf dem Weg' und ermuntere Alle zu wachen! Nenn' auch jeden nach seinem Geschlecht, mit dem Namen des Vaters;

Ehre sie Alle mir wohl: sei ja nicht stolz in dem Herzen. Sondern wir müssen uns selber bemühn: so hat ja Kronion

70

Uns wohl bei der Geburt dieß lastende Leiden verhänget!

Sprach's und entsandte den Bruder, nachdem er ihm Alles empfohlen; Aber er selbst ging hin zu dem Völkergebietenden Nestor.

Den nun fand er an seinem Gezett und dem dunkelen Schiffe Ruhend im wärmenden Bett, zur Seit' ihm die köstliche Rüstung,

75

Neben dem Schild zwei Speer' und den blinkenden Helm mit dem Knaufe.

Auch sein köstlicher Gurt lag dort, mit welchem der Greis sich

Gürtete, wann er dem Volke voran, dem beschwerenden Alter Nicht nachgebend, bewehrt zu dem mordenden Kampfe hinauszog.

Und er erhob sich im Lager, das Haupt mit dem Arme gestützet,

80

Und so fragt' er sogleich und begann zu dem Sohne des Atreus: Du!

Wer bist du, der so allein in dem Heer an den Schiffen

Geht in der dunkelen Nacht, wo andere Sterbliche schlafen? Suchst du ein Maulthier, oder vielleicht wo einen der Freunde?

Sprich, du!

Komm nicht schweigend heran!

Was hast du zu suchen?

Und es entgegnet' ihm drauf der gebietende Fürst Agamemnon:

85

188

Illas.

Nestor, Neleus Sohn, du herrlicher Ruhm der Achäer,

Kennst du doch Atreus Sohn Agamemnon, welchem vor Allen Zeus den unendlichen Jammer verhängt hat, weil mir der Athem

Noch in der Brust bleibt und mir die kräftigen Kniee sich regen. Sieh!

90

So irr' ich umher, weil lieblicher Schlaf mir die Augen

Flieht, und die Sorge mich quält um den Krieg und die Noth der Achäer!

Schrecklich bewegt mich die Angst um die Danaer, daß mich die Fassung Ganz in der Seele verläßt; ich verzag', es entschwindet mir wahrlich Fast mein Herz in der Brust, und mir zittern die kräftigen Kniee.

95

Aber wohlauf, um etwas zu thun — Schlaf kommt dir ja doch nicht — Laß zu den Wachen uns beide hinausgehn, um sie zu sehen,

Daß sie uns nicht, von der Mühe des Kampfs und dem Schlummer bewältigt,

Etwa sich niedergeleget und gänzlich der Wache vergessen. Aber das feindliche Volk ist nah, und wir wissen es gar nicht,

100

Ob sie vielleicht nicht während der Nacht selbst wagen zu kämpfen.

Und es entgegnet' ihm drauf der gerenische, reisige Nestor: Atreus Sohn, ruhmvollster, gebietender Fürst Agamemnon, Nie bringt Zeus der Berather dem Hektor jeden Gedanken,

Welchen er jetzt wohl hegt, in Erfüllung; sondern, ich meine,

105

Ihn drängt mehr noch Sorge dereinst, wenn irgend Achilleus

Von dem verderblichen Zorn abläßt int erhabenen Herzen. Doch nun folg' ich dir, laß uns dazu auch Andere wecken:

Tydeus Speeresgewaltigen Sohn und den edlen Odysseus,

Ajas ferner, den schnellen, und Phyleus tapferen Sprößling.

110

Aber es geht wohl einer vielleicht, auch jene zu rufen,

Ajas den göttlichen Held und Jdomeneus, Kretas Beherrscher. Denn sie haben die Schiff' am entferntesten, nicht in der Nähe. Doch Menelaos, so lieb er mir ist und so hoch ich ihn ehre, Tadel' ich, zürnest du auch mir darum, nicht will ich es bergen,

Daß der ruhet und alle die Mühsal dir so allein läßt.

Jetzt doch sollt' er sich, wahrlich, bemühn und die Edelsten alle Bittend bewegen, indem uns die nicht zu ertragende Noth drängt.

115

Zehnter

Gesang.

189

Und eS entgegnet' ihm drauf der gebietende Fürst Agamemnon: Sonst wohl redet' ich selber dir zu, Greis, jenen zu tadeln;

120

Denn wohl säumet er oft, und er mag nicht gern sich bemühen, Nicht aus Trägheit oder geringerer Kraft des Verstandes;

Sondern er sieht auf mich, und er denkt, ich mache den Anfang.

Doch jetzt war er vor mir noch erwacht und besuchte mich früher, Und ich entsandt' ihn bereits, sie zu rufen, mach denen du fragest.

Gehen wir denn!

125

Die treffen wir dort vor dem Thor mit den Männern

Unserer Wacht; denn Allen gebot ich, sich da zu versammeln. Und, es entgegnet' ihm braus der gerenische, reisige Nestor:

So wird keiner ihn tadeln im Danaervolk und sich weigern, Seinem Befehl zu gehorchen, so oft er sie mahnet und antreibt.

130

Also sprach er und zog sich den Nock gleich über die Schultern,

Band sich die herrlichen Sohlen darauf an die stattlichen Füße, Machte mit Spangen von oben den purpurnen doppelten Mantel

Fest, der ganz ihn umhüllte, bedeckt mit gekräuselter Wolle, Nahm die gewaltige Lanze, gespitzt mit dem schneidenden Erze,

135

Und zu den Schiffen enteilt' er der Erzumwehrten Achäer. Und den Odysseus, ähnlich dem Zeus an berathender Weisheit,

Weckte zuerst von dem Schlaf der gerenische, reisige Nestor Rufend, und dieser vernahm es sogleich, wie jener ihn anrief, Trat aus dem Zelte hervor und begann zu den beiden die Rede:

140

Sagt, was irret ihr beid' in dem Heer an den Schiffen so einsam

Durch die ambrosische Nacht?

Weß seid ihr so dringend bedürftig?

Und es entgegnet' ihm drauf der gerenische, reisige Nestor:

Götterentstammter, Laertes Sohn, listreicher Odysseus, Zürn' uns nicht; denn große Bekümmerniß drängt die Achäer.

145

Komm nur, wecke mit uns noch Andere, denen es zusteht,

Mit zu erwägen im Rath, ob zu fliehn sei oder zu kämpfen. Sprach's, da ging in das Zelt der erfindungsreiche Odysseus, Warf um die Schultern den künstlichen Schild: dann folgt' er den Andern.

Aber des Tydeus Sohn, Diomedes fanden sie draußen

150

190

Ilias.

Vor dem GezelL mit den Waffen, und ringsum schliefen die Freunde, Jeglicher unter dem Haupte den Schilds hoch starrten die Lanzen Rings umher auf den Schäften empor, und es stralte vom Erze

Weithin, wie von den Blitzen Kronions; aber der Held auch Schlief, und es lag erst unten die Haut des geweideten Stieres,

155

Unter dem Haupte jedoch war glänzend ein Teppich gebreitet.

Und ihn erweckte genaht der gerenische, reisige Nestor, Stieß mit dem Fuß an die Fers' ihn. und trieb ihn mit scheltendem Zuruf:

Tydeus Sohn, wach auf!

Was schläfst du so ruhig die Nacht durch?

Weißt du denn nicht, daß dort int Gefild um die Höhe die Troer

160

Lagern, den Schiffen so nah und von wenigem Raume getrennet?

Also sprach er zu ihm: da sprang der gleich von dem Schlaf auf, Und er begann zu ihm also und sprach die geflügelten Worte: Wahrlich, o Greis, hart bist du, und ruhst nie aus von der Arbeit!

Giebt's in dem Danaervolke denn nicht noch jüngere, andre,

165

Die ja im Lauf wohl rings zu den einzelnen Königen eilten,

Um sie zu wecken? indeß nie läßt du, o Greis, dich bewegen! Und es entgegnet' ihm drauf der gerenische, reisige Nestor: Ja, wohl sagest du dieses, o Kind, mit Recht, wie es wahr ist.

Hab' ich die Söhne ja doch, die untadligen, habe der Männer

170

Sonst auch viel, und es ginge davon wohl einer und rief sie; Allzugewaltig bedränget indeß die Achäer die Noth jetzt!

Denn schon steht es mit Allen fürwahr auf der Schärfe des Messers: Jammererregend Verderben der Danaer , oder Errettung! Aber wohlauf denn, wecke den flüchtigen Ajas und Phyleus

175

Sohn auch, wenn du dich meiner erbarmst, auch bist du ja jünger!

Sprach's, und die Schultern umhüllte sich der mit dem mächtigen, gelben Felle des Leun, das ganz ihn umfing, dann nahm er die Lanze, Eilet' und weckte sie Alle, der Held; dann nahm er sie mit sich. Aber nachdem sie sich nun den versammelten Wächtern genahet,

Fanden sie dort die Gebieter der Hut nicht ruhend im Schlafe; Sondern sie saßen umher ganz wach, in den Rüstungen sämmtlich.

180

Zehnter

Gesang.

191

So wie Hund' unruhig die Schaf' im Gehege bewachen, Hörten sie wo ein gewaltiges Thier, das aus dem Gebüsch kommt Durch die Gebirgshöhn: tobend erhebt sich der Männer und Hunde

185

Lärm ringsher um das Thier, und der Schlaf ist ihnen verloren:

Also floh auch jenen der liebliche Schlummer die Augen,

Da sie die Nacht durchwachten, die schreckliche; nach dem Gesild hin Horchten sie stets, ob einer die kommenden Troer vernähme.

Und es erfreute den Greis, sie zu sehn: er ermahnte sie Alle,

190

Muth in dem Herzen zu fassen, und sprach die geflügelten Worte: So recht, theuere Kinder, gewacht!

Jetzo bewältige!

Daß keinen der Schlaf mir

Ja, dann freueten wohl sich die Feinde!

Sprach es und eilte den Graben hindurch, und es folgten ihm alle

Fürsten des Danaervolkes, so viel sie zum Rathe berufen.

195

Auch Meriones mit dem erhabenen Sohne des Nestor

Folgte zugleich, sie beriefen sie selbst, dort mit zu berathen. Sie nun eilten den Graben hindurch; dann saßen sie nieder, Wo das Gefild noch rein von gefallenen Todten hindurchschien,

Wo der gewaltige Hektor vom Mord der Achäischen Männer

200

Wieder zurück sich gewandt, als Nacht schon rings ihn umhüllte.

Dort nun saßen die Männer und redeten unter einander, Und vor den Andern begann der gerenische, reisige Nestor: Freunde, vertraut nicht einer von euch der entschlossenen Kühnheit,

Daß er es wagte, hinüber zu gehn zu den muthigen Troern,

205

Ob er sich einen der Feinde vielleicht in dem äußersten Lager

Aufgriff, oder ein Wort in dem Troischen Volke vernähme, Was.sie zusammen beschließen im Rath dort; ob sie gedenken,

Hier an den Schiffen zu bleiben, so fern, ob wieder nach Troja

Heim sich zu wenden, nachdem sie im Kamps die Achäer bezwungen. Dieses erforschet' er Alles, und käm drauf ohne Verletzung Wieder zu uns.

Groß wär sein Ruhm dann unter dem Himmel

Unter den Sterblichen allen, und kostbar seine Beschenkung. Denn von den Edelsten allen, so viel' an den Schiffen gebieten,

210

192

Ilias.

Würd' ihm ein weibliches Schaf, ganz schwarz, dann jeglicher geben,

215

Das noch säugt: kein andrer Besitz ist dem zu vergleichen! Dann auch wär er beständig mit uns beim Mal und dem Festschmaus.

Sprach's: da saßen sie alle verstummt rings um ihn und schwiegen;

Da sprach also zu ihnen der Nufer im Streit Diomedes:

Mich treibt, Nestor, im Innern das Herz und die muthige Seele,

220

Mich in die feindlichen Schaaren der um uns gelagerten Troer

Hinzubegeben; entschlösse jedoch sich ein anderer Mann noch, Mit mir zu gehen, so würd' es mir Muth und Vertrauen erhöhen.

Denn wo zwei gehn, sehn sie, der Ein' und der Andere schneller, Was sie zu thun, und bemerkt' es vielleicht auch einer allein wohl,

225

Trägt er doch länger Bedenken im Geist und entschließet sich schwerer.

Sprach's: da wollten sogleich Diomedes Viele begleiten: Ajas wollten, die beiden es gern, die Genossen des Ares, Held Meriones wollt', und es wollt' es des Nestor Erzeugter,

Und der Atrid' auch wollt' es, der Speerkampfheld Menelaos:

230

Gern auch wollt' in das Lager der Troischen Männer Odysseus

Gehen, der muthige, immer das Herz voll wagender Kühnheit. Da sprach also zu ihnen der herrschende Fürst Agamemnon: Auf nun, theurer Tydide, geliebtester Held Diomedes,

Wähle dir jetzt den Gefährten, so wie er dir selber genehm ist,

235

Der dir am passendsten scheint, da viel dir zu folgen begehren. Scheue dich nicht in dem Herzen vielleicht, so daß du den Bessern

Ließest und nähmst aus Scheu den Geringeren, dich zu begleiten,

Nach dem Geschlecht ihn erwählend und weil er von höherer Macht ist. Also sprach er besorgt um den bräunlichen Held Menelaos;

240

Aber der Rufer im Streit Diomedes sagte dagegen:

Nun denn, wenn ihr mich heißet, mir selbst den Genossen zu wählen: Nimmer vergaß' ich ja dann den erhabenen Helden Odysseus,

Der sich in jeder Gefahr mit dem männlichen Muth und der Klugheit Immer hervorthut und sich der Huld Athenäas erfreuet. Geht der mit: dann kämen wir selbst aus flammendem Feuer

245

Zehnter

Gesang.

193

Beide zurück, da keiner, wie er es versteht, sich zu rathen.

Und es erwiderte jenem der herrliche Dulder Odysseus:

Lobe mich weder so sehr, noch tadele mich, Diomedes; Denn die Achäer, vor denen du sprichst hier, wissen es selber. Doch nun komm!

250

Schnell eilet die Nacht und es nahet der Morgen.

Weit schon schritten die Stern', und die größere Hälfte der Nachtzeit, Um zwei Drittel, verging; nur eins noch haben wir übrig.

Also sprachen und hüllten sich beid' in die schreckliche Rüstung.

Und es verlieh dem Tydiden der muthige Held Thrasymedes

255

Sein zweischneidiges Schwert — an dem Schiff ließ jener das eigne — Gab ihm den Schild und bedeckt' ihm das Haupt mit dem Helme von Stierhaut,

Welcher des Busches und Kegels entbehrt, Sturmhaube geheißen,

Und er beschützet die Häupter der jüngeren blühenden Krieger. Aber Meriones gab dem Odysseus Bogen und Köcher,

260

Auch sein Schwert und bedeckt' ihm das mächtige Haupt mit dem Helme,

Ganz aus Leder gefertigt, im Inneren fest mit der Riemen Menge gespannt und von außen umher mit des grimmigen Ebers

Blinkenden Hauern besetzt, ringsum, dicht neben einander, Schön und künstlich gereihet, und Filz war drinnen befestigt.

265

Diesen erbeutete früher Autolykos von dem Amyntor, Sohne des Ormenos, als er ihm Eleons Veste zerstörte, Gab ihn darauf dem Kytherer Amphidamas hin nach Skandea;

Aber Amphidamas schenkt' als gastliche Gab' ihn dem Molos, Der ihn Meriones wieder, dem Sohne, verlieh, ihn zu tragen;

270

Jetzt nun deckt' er und schützte das Haupt dem erhab'nen OdyffeuS.

Als nun beide sich also bewehrt mit der schrecklichen Rüstung, Eilten sie fort und verließen daselbst die versammelten Fürsten. Da flog beiden ein Reiher am Weg auf, rechts, von Athene

Ihnen gesandt, den konnten sie zwar nicht sehn mit den Augen, Wegen des nächtlichen Dunkels; indeß sie vemahmen das Rauschen. Und den Odysseus freute der Flug, und er rief zu Athene:

Höre mich du, Zeus Tochter, des Donnerers, die du beständig

13

275

194

JliaS.

Schutz mir gewährest in jeder Gefahr und, wohin ich mich wende, Meiner gedenkst: jetzt schirme zumal, Athenäa, mich huldvoll!

280

Gieb uns, daß wir zurück voll Ruhm zu den Schiffen gelangen, Wann wir, den Troern zu Leid, dieß Wagstück beide bestanden! Dann auch stehete nach ihm der Rufer im Streit Diomedes:

Höre du jetzt auch mich, Zeus nimmer bezwungene Tochter! Leite mich, wie du den Vater beschirmt, den erhabenen Tydeus,

285

Als er nach Thebe ging, von Achajas Fürsten gesendet. An dem Asopos ließ er die Erzumwehrten Achäer Und den Kadmeern bestellt' er mit freundlichen Worten den Auftrag

Dort, vollbrachte jedoch auf der Rückkehr schreckliche Thaten, Heilige Göttin, mit dir, weil du voll Huld ihn beschirmtest.

290

So nun wolle du mir jetzt beistehn und mich behüten!

Dir dann bring' ich ein Opfer, ein Rind, breitstirnig und jährig,

Noch ganz roh, das nimmer ein Mann zu dem Joche geführt hat.

Sieh, dieß opfer' ich dir und umgieß' ihm mit Golde die Hörner. Also flehten sie beid', und es hörte sie Pallas Athene.

295

Aber nachdem sie zu Zeus, des Gewaltigen, Tochter gerufen, Schritten sie, gleich zwei Leun in dem dunkelen Schatten der Nacht hitt

Zwischen den Leichen und Waffen in schwärzlichem Blut und Gemorde.

Hektor indeß auch dort ließ nicht die gewaltigen Troer Ausruhn, sondern berief sich die Edelsten in die Versammlung,

300

Alle, so viel dort waren, Berather und Führer der Troer:

Diese berief er zusammen und that den erwogenen Vorschlag:

Wer wohl möchte dazu sich verstehn und bestünd mir ein Wagstück Gegen ein großes Geschenk?

Die Belohnung soll ihm genügen.

Denn mit dem Wagen verheiß' ich ihm zwei hochhalsige Rosse,

Welche die trefflichsten sind an der Danaer eilenden Schiffen, Wenn jetzt einer es waget und selbst sich die Ehre gewinnet, Nah an die eilenden Schiffe zu gehn und daselbst zu erkunden,

Ob sie die rüstigen Schiffe, so . wie sonst immer, bewachen, Oder vielleicht schon, da sie vor unseren Armen erlegen,

305

Zehnter

Gesang.

195

Ueber die Flucht mit einander im Rath und nimmer geneigt sind,

Wache zu halten die Nacht, von der schrecklichen Mühe bezwungen. Sprach's: da saßen sie alle verstummt rings um ihn und schwiegen.

Da war unter den Troern ein Mann, des erhabenen Herolds Sohn, des Eumedes, Dolon, an Gold und Erze begütert,

315

Welcher von Ansehn häßlich, indeß sehr hurtig zu Fuß war,

Mit fünf leiblichen Schwestern der einzige Sohn des Eumedes. Dieser begann jetzt also und sprach zu den Troern und Hektor:

Mich treibt's an in der Brust und dem muthigen Herzen, o Hektor, Nah an die eilenden Schiffe zu gehn und es Euch zu erkunden.

320

Aber wohlan denn, erhebe den Stab mir und leiste den Eidschwur, Daß du die Rosse mir einst und den. Erzumschi'mmerten Wagen Giebst, die Achilleus führen, den trefflichen Peleionen.

Und nicht fruchtlos will ich dir spähn, noch gegen Erwartung. Denn ich gedenke, das Heer ganz durch, bis zu Agamemnons

325

Schiffe zu gehen, an welchem gewiß jetzt alle die Fürsten

Rath aussinnen, ob besser zu fliehn sei oder zu kämpfen. Sprach es, und jener erhob mit der Hand sein Zepter und schwur ihm:

Wisse denn jetzt Zeus selber, der donnernde Gatte der Here, Daß kein anderer Troer hinfort mit diesem Gespann fährt)

330

Du nur prangst, so hoff' ich, damit für beständig in Zukunft!

Sprach's und gelobt' Unwahres im Schwur; ihn reizt' er indessen!

Da nun warf er das krumme Geschoß sich schnell um die Schultern, Nahm um den Leib als Hülle das Fell von dem graulichen Wolfe,

Setzte den Otterhelm auf's Haupt, dann nahm er den Wurfspieß.

335

Und zu den Schiffen enteilt' er vom Heer; doch sollt' ihm die Rückkehr Nie mehr werden von dort, um dem Hektor Kunde zu bringen. Aber nachdem er die Menge der Ross' und der Männer verlassen,

Eilt' er den Weg voll Hast: da sah. ihn der edle Odysseus, Wie er heran kam, und er begann zu dem Sohne des Tydeus:

340

Sieh doch, was für ein Mann, Diomedes, dort von dem Heer kommt, Ob er zu unseren Schiffen vielleicht als Späher sich aufmacht,

13*

196

Ilias.

Oder die Rüstung denkt der Gefallenen Einem zu rauben. Lassen wir doch ihn ein wenig zuerst im Gefilde vorbeigehn;

Aber, nachher dann springen wir zu und ergreifen ihn eilig.

345

Wenn er jedoch uns im Laufe vielleicht mit den Füßen zuvorkommt,

Jag' ihn du immer vom Lager hinweg und hinab zu den Schiffen, Nah mit dem Speere, damit er die Stadt nicht fliehend erreiche.

Sprach's, und sie bückten sich neben dem Weg hin unter die Leichen;

Jener indeß lief eilig vorbei in des Herzens Bethörung.

350

Als er so weit nun war, wie ein Joch Maulthiere voraus kommt, Die weit tüchtiger sind, als Stieresgespann' und geschickter,

Vor dem gefügeten Pfluge des Neulands Furchen zu ziehen:

Da nun stürzten sie auf ihn, und er blieb stehn, in der Meinung,

Als er die Tritte vernahm, daß Troische Freunde sich nahten,

355

Um ihn zurück zu berufen, von Hektor nach ihm gesendet.

Als sie ihm aber genaht, kaum noch auf Ferne des Speerwurfs:

Da erkannt' er sie wohl als Feind', und die hurtigen Kniee Regt' er zu fliehn; doch jene verfolgten ihn stürmenden Laufes.

Wie wann zwei scharfzahnige Hund', in dem Zagen erfahren,

360

Immer in drängendem Laufe das Hirschkalb oder den Hasen Jagen in buschiger Flur, und er flieht vor den beiden und ächzet: So trieb ihn der Tydid' und der Städteverwüster Odysseus

Immer, in drängendem Lauf, und sie schnitten ihn ab von den Seinen.

Als er indeß nun so in der Flucht zu den Schiffen den Wächtern

365

Schon ganz nahe gekommen, erregt' Athenäa des Tydeus Sohne den Unmuth, wenn von den Erzumwehrten Achäern

Einer des früheren Wurfes sich rühmt' und er selber nachher käm: Und mit dem Speer einspringend begann Diomedes der starke:

Steh du, oder dich trifft mein Speer!

Nicht sollst du mir lange,

370

Hoff' ich, dem schrecklichen Tod von der mächtigen Faust mir entrinnen!

Sprach es und warf mit dem Speer; doch fehlt' er des Mannes mit Vorsatz. Rechts bohrt' über die Schulter die blinkende Spitze der Lanze

Tief in den Boden hinein: da stand er, von Schrecken ergriffen,

Zehnter

Gesang.

197

Zitternd und stammelnd — ihm klapperten laut in dem Munde die Zähne— 375

Und von der Furcht ganz bleich.

Da naheten jene sich keuchend,

Packten ihn fest an den Armen, und er sprach thränenvergießend:

Fanget mich lebend! ich löse mich; denn in dem Hause daheim liegt

Goldes und Erzes und künstlich zu schmiedendes Eisen in Menge! Davon bezahlt mein Vater ja gern die unendliche Lösung,

380

Höret er nur, noch leb' ich ihm dort an den Schiffen Achajas. Und ihm entgegnet' und sprach der erfindungsreiche Odysseus: Sei du getrost und gedenk an den Tod jetzt nicht in dem Herzen;

Sondern geschwind nun sage mir dieß und berichte mich wahrhaft: Weshalb gehest du hier so allein von dem Heer zu den Schiffen

385

Während der dunkelen Nacht, wo andere Sterbliche schlafen?

Wolltest du etwa der Wehr der Gefallenen einen berauben? Oder entsandte dich Hektor, damit du ihm dort an den Schiffen

Alles erspähetest? oder bewog dich die eigene Seele?

Und es entgegnet' ihm Dolon darauf mit bebenden Gliedern:

390

Ach, es verführte mir Hektor das Herz zu unendlichem Unheil,

Der mir verhieß, des erhab'nen Achilleus stampfende Rosse Wollt' er mir geben zugleich mit dem Erzumschimmerten Wagen.

Und er gebot mir, ich sollte die eilende, dunkele Nacht durch Nah an die feindlichen Männer hinangehn, um zu erkunden,

395

Ob sie die eilenden Schiffe so wie sonst immer bewachen, Oder vielleicht schon, da sie vor unseren Händen erlegen, Wegen der Flucht mit einander im Rath und nimmer geneigt sind, Wache- zu halten die Nacht, von der schrecklichen Mühe bezwungen.

Und ihm entgegnete lächelnd darauf der verschlag'ne Odysseus:

400

Wahrlich, es hat nach großem Geschenk dich im Herzen gelüstet,

Nach des Achilleus Rossen, des muthigen!

Aber so leicht nicht

Bändigt sie sonst wohl einer der sterblichen Männer und lenkt sie, Außer Achilleus selber, der Sohn der unsterblichen Mutter!

Aber wohlan, nun sage mir dieß und berichte mich wahrhaft, Wo war, als du den Weg hier gingst, der gebietende Hektor?

405

198

Ilias.

Wo fein Waffengeräth zu dem Kampf? Wo stehn ihm die Rosse? Wie auch wachen und ruhen die anderen Troer im Lager? Sag' auch, was sie beschließen im Rath dort, ob sie gedenken, Hier an den Schiffen zu bleiben, so fern, ob wieder nach Troja 410 Heim sich zu wenden, nachdem sie im Kampf die -Achäer bezwungen. Und es entgegnet' ihm Dolon, der Sohn des Eumedes, und sagte: Run, dieß will ich dir treulich und wahrhaft Alles verkünden. Hektor berief zu dem Rath in dem Heer die gebietenden Männer, Um sich mit ihm zu berathen am Male des göttlichen Jlos, 415 Fern dem Geräusch. Doch was du mich fragst um die Wachen, o Held, dort: Keine beschirmet besonders das Kriegsheer oder bewacht es. Rur wo Feuer von Troern gemacht sind, denen es Noth ist: Da sind Wachen, und einer ermahnt bei diesen den andern, Wohl sich zu wahren, indessen die Bundesgenossen von fernher 420 Schlafen, indem sie den Troern der Obhut Sorge vertrauen; Denn sie haben ja Kinder und Fraun nicht hier in der Nähe. Und es entgegnet' ihm wieder und sprach der verschlag'ne Odysseus: Wie nun? Schlafen denn diese vermischt mit den reisigen Troern Oder gesondert allein? das sage mir, daß ich es wisse. 425 Und ihm entgegnete Dolon, der Sohn des Eumedes, und sagte: Dieß auch will ich dir treulich und wahrhaft Alles berichten. Meerwärts liegen die Karen und Bogenbewehrten Päonen, Leleger auch, Kaukonen zunächst und erhab'ne Pelasger. Lykier ruhn nach Thymbra hinauf und die trotzigen Myser, 430 Phrygias reisiges Volk und Mäonias Kämpfer zu Wagen. Doch was fraget ihr mich so genau hiernach und so einzeln? Wenn ihr begehret vielleicht, in das Troische Lager zu dringen: Dort an dem Ende des Heers sind neu ankommende Thraker, Fern von den Andern, mit Nhesos, Ei'oneus Sohne, dem Herrscher. 435 Der hat Rosse! Die schönsten und mächtigsten, die ich gesehen! Blendender ist kein Schnee, und im Lauf, o! gleichen sie Winden! Schön auch ist mit Silber und Gold sein Wagen verzieret;

Zehnter

Gesang.

199

Aber die Waffen, in denen er kam, ganz golden, gewaltig, Siehet man nur mit Staunen; es ziemt nicht sterblichen Männern,

440

Sondern den Göttern allein, den Unsterblichen, solche zu tragen!

Doch nun führt mich hinab zu den schnell hineilenden Schiffen, Oder in drückender Bande verwahrt laßt hier mich gefesselt, Bis ihr nachher dann wieder zurückkehrt und mich erprobt habt,

Ob ich es euch nicht Alles genau, ganz treulich berichtet.

445

Da sprach grimmigen Blicks der gewaltige Held Diomedes: Bilde dir doch in der Brust nicht ein, zu entfliehen, o Dolon,

Uns in die. Hände gefallen, obwohl du so trefflich erzählt hast. Gingest du doch wohl, ließen wir jetzt dich und wollten dich lösen, Auch noch ein anderes Mal zu den eilenden Schiffen Achajas,

450

*Sei's, um wieder zu spähn, sei's, um uns im Kampf zu begegnen. Wenn dich jedoch mein Arm jetzt trifft, und du lässest das Leben,

Wirst du dem Danaervolke nachher nie wieder ein Leid thun! Sprach es, und jener gedachte, das Kinn mit der nervichten Rechten

Ihm zu berühren mit Flehn; doch der hob zückend das Schwert auf,

455

Hieb.in den Nacken ihm mitten hinein und zerschnitt ihm die Sehnen,

Daß sein Haupt noch sprach, indem's hinrollt' in dem Staube.

Dann nun nahmen ihm jene den Otterhelm -von dem Haupt ab, Auch sein schnellend Geschoß und den mächtigen Speer und das Wolfsfell,

Und dieß hob zu Athene, der Beutegewinnenden Göttin,

460

Hoch mit der Hand so flehend empor der erhab'ne Odysseus:

Göttin, freue dich deß; denn dich vor den Ewigen allen

Auf dem Olympos rufen wir an; auch ferner geleit' uns

Jetzo hinein in das Lager der thrakischen Männer und Rosse! Also., sprach er und über sich hob er und hing er es hoch hin

465

An Thamariskengesträuch, und dabei zum deutlichen Merkmal,

Häuft' er zugleich mit gesammeltem Rohr Thamariskengezweig auf, Daß sie es nicht umkehrend im nächtlichen Dunkel verfehlten.

Dann nun gingen sie weiter in Blut hin, zwischen den Waffen;

Und sie gelangten in Eile darauf zu der Thrakischen Kriegsschaar.

470

200

Ilias.

Die nun schliefen, erschöpft von der Mühsal; aber die Waffen Hatten sie neben sich liegen, die köstlichen, trefflich in Ordnung,

In drei Reihn, und das Doppelgespann bei jeglichem Manne.

Rhesos schlief in der Mitt' und die flüchtigen Rosse daneben, Fest mit den Riemen geknüpft an dem hintersten Ringe des Wagens.

475

Aber Odysseus sah ihn und zeigt' ihn sogleich Diomedes:

Sieh, dieß ist, Diomedes, der Mann, hier dieses die Rosse,

Welche so eben uns Dolon bezeichnete, den wir getödtet. Aber wohlauf, jetzt zeige den Muth: denn nimmer geziemt dir, Müßig zu stehn, mit den Waffen bewehrt!

Komm, löse die Ross' ab, 480

Oder erschlage die Männer und ich dann nehme die Rosse.

Also sprach er, und Pallas Athene hauchet' ihm Muth ein. Ringsum würgt' er die Männer, und schreckliches Stöhnen erhob sich, Wie er sie schlug mit dem Schwert, und der Grund ward roth von dem Blute.

So wie ein Löw' einbricht in das Vieh, von den Hirten verlassen,

485

Schafvieh, oder in Ziegen, und grimmigen Muthes hineinstürzt: So sprang Tydeus Sohn dort ein in die Thrakischen Männer,

Bis er davon zwölf tödtet'; indeß der verschlag'ne Odysseus —

Wen der Tydide, gettaht, mit dem würgenden Schwerte getroffen, Den zog hinter ihm immer Odysseus fort an den Füßen,

490

Weil er Bedacht nahm, daß ihm die Mähnenumwalleten Rosse

Leicht durchschritten nachher und im Geist nicht etwa sich scheuten,

Ueber die Todten zu gehen, an sie nicht früher gewöhnet. Doch als nun zu dem König der Held Diomedes gelangte,

Da zu den zwölfen entriß auch ihm das erfreuliche Leben,

495

Ihm, der seufzet', indem ihm ein schrecklicher Traum an das Haupt trat,.

Oeneus Enkel die Nacht, so war es der Will' Athenäas.

Eilig entfesselt' indessen die stampfenden Rosse Odysseus, Band sie mit Riemen zusammen und trieb sie hinweg mit dein Bogen Aus den gelagerten Schaaren, indem er die glänzende Geißel

Hatte versäumt, mit der Hand von dem köstlichen Wagen zu nehmen. Dann nun pfiff er, ein Zeichen dem göttlichen Held Diomedes.

500

Zehnter

Gesang.

201

Doch der stand noch immer und dacht' an ein größeres Wagstück,

Ob er die Deichsel des Wagens ergriff mit den glänzenden Waffen Und ihn hinauszög', oder ihn hoch aufhüb und davon trüg,

505

Oder noch mehr von den Thrakern erschlüg' und des Lebens beraubte.

Als er indeß dieß bei.sich erwog, da kam Athenäa,

Stellte sich nahe zu ihm und begann zu dem Held Diomedes: Denk' an die Rückkehr jetzo, du Sohn des erhabenen Tydeus; Leicht sonst kämest du selber verfolgt zu den räumigen Schiffen,

510

Wenn auch etwa die Troer der Ewigen Einer erweckte! Also sprach sie, und jener verstand der Unsterblichen Rede,

Sprang auf die Rosse geschwind, die Odysseus schlug mit dem Bogen: Und die flogen dahin zu den eilenden Schiffen Achajas. Doch nicht achtlos schaute der Bogenberühmte Apollon,

515

Als er Athene sah hingehn zu dem Sohne des Tydeus. Zürnend der Göttin eilt' er hinab zu dem Troischen Kriegsheer,

Wo er Hippokoon weckte, des Thrakischen Volkes Berather, Rhesos edlen Verwandten, und der, aufspringend vom Schlafe,

Sahe die Statt', auf welcher die flüchtigen Rosse gestanden,

520

Leer, und in schrecklichem Morde die zappelnden Männer erschlagen,

Schrie laut auf, wehklagend, und rief den geliebten Genossen.

Auch von den Troern erhob sich Geschrei und unendlicher Aufruhr, Da sie zu Häuf herstürzten und sahn die entsetzlichen Thaten,

Welche die Männer verübt, die flohn zu den wölbigen Schiffen.

525

Doch an dem Ort, an welchem sie Hektors Späher getödtet, Hemmte die flüchtigen Rosse der Göttergeliebte Odysseus.

Und Diomedes sprang an die Erd' und die blutige Rüstung Reicht' er Odysseus hin; dann schwang er sich wieder zu Rosse.

Schlug mit dem Riemen die Ross' und rasch nun flogen sie vorwärts 530

Zu den geräumigen Schiffen, wohin sie im Herzen verlangte.

Da sprach Nestor, der das Gestampf vor den Anderen hörte: Freunde, des Danaervolkes erhabene Fürsten und Pfleger,

Irr' ich mich, oder es ist so, indeß mich treibt es, zu reden.

202

Ilias.

Mir tönt's so in daS Ohr, wie Hufschlag eilender Rosse.

535

Trieben OdysseuS doch und der tapfere Held Diomedes Jetzo die stampfenden Rosse so schnell von dem Troischen Volk her!

Aber mich quälet die Angst, daß Unheil jene getroffen,

Argos tapferste Helden im stürmenden Drängen der Troer. Noch nicht sprach er daS Wort ganz aus: da kamen sie selbst schon, 540

Sprangen herab an den Boden, und all' empfingen sie freudig, Grüßten sie ringS mit dem Drucke der Hand und mit herzlichen Worten;

Aber sie fragte zuerst der gerenische, reisige Nestor:

Edler Odysseus sage, du herrlicher Ruhm der Achäer,

Wie ihr die Rosse gewannt?

Sprich, dränget ihr denn in der Troer

545

Heer ein, oder verlieh sie ein Gott euch, dem ihr begegnet?

Prachtvoll leuchten sie, wahrlich! des Helios Stralen vergleichbar!

Bin ich doch stets in der Troer Gewühl und ich meine, wohl niemals Bleib' ich zurück an den Schiffen, obwohl ein ergraueter Krieger;

Rosse jedoch gleich diesen bemerkt' und gewahret' ich niemals;

550

Sondern ich denk', euch gab sie ein Gott wohl, dem ihr begegnet;

Denn euch liebet ja beide der Wolkenversammler Kronion Und des gewaltigen Zeus helläugige Tochter Athene. Und ihm erwidert' und sprach der erfindungsreiche Odysseus:

Nestor, Neleus Sohn, du erhabener Ruhm der Achäer,

555

Leicht wohl gäbe ja, wenn er es wollt', ein Unsterblicher Rosse, Bess're sogar als diese, so weit vor den Sterblichen machtvoll!

Doch die Rosse, nach denen du fragst, Greis, kamen so eben Erst aus Thrakia her, und der tapfere Held Diomedes

Tödtete ihnen den Herrn sammt zwölf der erlesensten Freunde.

560

Dann auch schlugen wir noch ganz nah an den Schiffen den Späher,

Welchen, um Alles genau bei uns in dem Heer zu erkunden,

Hektor hatte gesandt und die anderen Fürsten der Troer.

Sprach es, und trieb frohlockend die stampfenden Rosse den Graben Eilig hindurch, und ihm folgten die anderen Danaer freudig. Aber die beiden, gelangt zu dem stattlichen Zelt des Tydiden,

565

Zehnter

Gesang.

203

Banden die Rosse sogleich mit den tüchtig gedreheten Riemen Fest an die Kripp', an der Diomedes andere Ross' auch Stqnden, geflügelten Hufes, genährt mit dem lieblichen Waizen.

Aber Odysseus legte die blutige Beute von Dolon

570

Hinten hinein in das Schiff zum Weihegeschenk für Athene.

Dann nun stiegen sie selbst in das Meer und sie wuschen die Glieder Rein von der Menge des Schweißes, den Hals und die Bein' und die Schenkel.

Aber nachdem sie die Woge des Meers von der Menge des Schweißes Rings an den Gliedern befreit und das Herz in dem Innern erquicket, 575

Stiegen sie ein zu dem Bad in die sorglich geglätteten Wannen. Dann nach dem Bade darauf mit dem schmeidigen Oele gesalbet.

Setzten sie beide sich hin zu dem Mal: sie entschöpften dem vollen Krug für Athene und sprengten ihr dann von dem lieblichen Weine.

Elfter Gesang.

\5ä)8 flieg in dem Lager empor von dem hohen Tithonos,

Daß sie ihr Licht den Unsterblichen brächt' und den sterblichen Menschen. Und zu den eilenden Schiffen der Danaer sandte Kronion

Eris, die grause, hinab mit dem Zeichen des Kriegs in den Händen. Und zu Odysseus Schiff hin trat sie, dem dunkelen, großen,

5

Das dort stand in der Mitte, nach jeglicher Seite zu rufen, So zu des Ajas Zelten, des Telamoniden hinunter,

Wie zu Achilleus, welche die schwebenden Schiff' an den Enden

Beide gezogen, dem Muth und den kräftigen Armen vertrauend. Da nun stand sie, die Göttin, und laut, helltönend und graunvoll

10

Rief sie, mit kräftigem Muth im AchäischeN Heere die Herzen Allen erfüllend zu nie zu ermattendem Kampf und Gefechte:

Plötzlich gefiel jetzt ihnen der Kampf mehr, als zu der Heimat

Theuerem Lande zurück in den räumigen Schiffen zu kehren. Und der Atride gebot mit dem Ruf den Achäischen Männern,

15

Sich zu bewaffnen, und selbst auch legt' er das funkelnde Erz an. Legte die herrlichen Schienen zuerst um die stattlichen Füße, Welche sich wohl anschloffen der silbernen Knöchelbedeckung, Dann umgab er die Brust sich darauf mit dem ehernen Harnisch,

Welchen ihm Kinyras früher geschenkt als gastliche Gabe.

Denn es erscholl nach Kypros der mächtige Ruf, die Achäer

Rüsteten sich, in den Schiffen vor Ilios Veste zu ziehen:

20

Elster

Gesang.

205

Deshalb gab er ihn ihm, um des Königes Gunst zu gewinnen.

Auf ihm waren von Stahl zehn dunkele Streifen gezogen,

Andere zwölf aus Gold, aus Zinn dann andere zwanzig.

25

Und es erhoben sich Drachen von Stahl, auf jeglicher Seite

Drei, wie Regenbogen, dem Halb zu, welche Kronion

Aufstellt in dem Gewölk, für die redenden Menschen ein Zeichen.

Auch sein Schwert dann nahm er und warf es sich über die Schultern, Rings von den goldenen Buckeln umglänzt, und die Scheide bedeckt' es, 30

Ganz aus Silber und wohl am Gehenk aus Golde befestigt. Und den bedeckenden Schild dann nahm er, den mächtigen, schönen,

Künstlichen, welchen umher zehn eherne Streifen umzogen. Und in dem Innern erhoben sich zwanzig zinnerne Nabel,

Weiß, und der mittelste war ganz schwarz aus dunkelem Stahle.

35

Gorgo aber umzog ihn im Kreis, von erstarrendem Ansehn, Furchtbar blickenden Auges, und rings war Schrecken und Grauen.

Und das Gehenk war silbern daran, und von dunkelem Stahle

Schlängelt' in ihm sich ein Drache hinauf: drei Häupter erhoben,

Hierhin und dahin gewendet, sich hoch von dem einzigen Nacken.

40

Und auf's Haupt dann setzt' er den Helm, viergipstig und zackig,

Mähnenumwallet, und graunvoll nickte von oben der Helmbusch. Auch zwei mächtige Lanzen ergriff er mit eherner Spitze, Scharf', und es blitzte von ihnen das Erz hoch auf zu dem Himmel. Und es entsandten des Donners Geröll Athenäa und Here,

45

Um ihn zu ehren, den König der Goldumstralten Mykene.

Und es gebot nun jeder dem eigenen Lenker des Wagens,

Wohl in der Ordnung die Rosse daselbst an dem Graben zu halten. Aber die Schaaren der Männer zu Fuß, mit den Waffen gerüstet, Eilten hinaus: endloses Geschrei stieg auf in der Dämm'rung. Und vor den Reisigen stellten sie weit sich voraus an dem Graben)

Aber die Reisigen kamen nachher bald.

Schreckliches Tosen

Regte Kronion auf in dem Volk und er sandte von hochher Blutigen Thau von dem Aether herab) denn bei sich gedacht' er,

50

206

Ilias.

Viele gewaltige Häupter hinab zu dem Ms zu senden.

55

Jenseits standen die Troer geschaart weit über die Feldhöhn,

Um den gewaltigen Hektor, Polydamas dann den erhab'nen,

Und um Aeneas, der wie ein Gott in dem Volke geehrt ward, Um des Antenor Söhne, die drei, um den Helden Agenor, Polybos, Akamas auch, der, jugendlich, gleich wie ein Gott war;

60

Hektor indeß schritt vorn mit dem Schild von gerundeter Wölbung. So wie auS dem Gewölk der verderbliche Stern vorleuchtet,

Stralenumglänzt, dann wieder sich birgt in den schattenden Wolken: So schien Hektor hervor bald unter den vordersten Kampfreihn,

Bald in den letzten befehlend, und weithin strahlt' er in Erzglanz,

65

So wie Blitze des Vaters, des Aegisbewehrten Kronion.

Sie nun, so wie Schnitter, in Reihn sich einander begegnend,

Schwaden dahinmahn in dem Gefild des begüterten Mannes,

Waizen und Gerst', und es fallen in schwellenden Haufen die Aehren: So auch stürzten die Troer und Danaer gegen einander,

70

Mordend, und keiner gedacht', in verderblicher Flucht zu entrinnen. Gleich dicht standen die Köpf' in der Schlacht, und den Wölfen vergleichbar,

Stürmten sie her: froh sah sie die Zammererregende Eris. Denn sie war von den Göttern allein in dem Kampfe zugegen; Keiner erschien da sonst von den Himmlischen; sondern geruhig

75

Saßen sie in den Gemächern daheim, wo jedem von ihnen In des Olympos Thälern die herrliche Wohnung erbaut war.

Alle beklagten sich über den schwarzumwölkten Kronion, Daß er beschlossen, die Ehre dem Troischen Volk zu verleihen. Aber der Vater beachtet', es nicht; fernhin von den Andern

80

Schritt er und setzte daselbst sich allein voll freudigen Stolzes,

Sah auf die Troische Veste hinab und der Danaer Schiffe, Hin auf blitzendes Erz, auf Würgende hin und Gewürgte.

Und in der Frühe, so lange der heilige Tag noch emporstieg, Trafen die Würfe von hier und von dort, und es sanken die Völker. Doch um die Zeit, in der sich -in Mann, Holz fällend das Frühmal

85

Elfter Gesang.

201

In der Gebirgschlucht rüstet, nachdem er an mächtiger Bäume Fällung den Arm sich ermüdet und ganz sein Herz sich gesättigt,

Daß ihm die Seele Verlangen ergreift nach erquickender Nahrung:

90

Da brach Argos Volk mit Gewalt in die feindlichen Schlachtreihn, Einer den andern ermunternd das Heer durch, und Agamemnon

Stürzte voran und erschlug den Gebieter des Volkes Bienor

Selber und dann den Gefährten, den Wagengenossen O'i'leus. Wohl sprang dieser vom Wagen herab, ihm entgegen zu treten;

Doch wie er angriff, traf er ihn gleich mit der spitzigen Lanze

95

Grad' in die Stirn; nicht wehrte die Lanz' ihm der eherne Helm ab;

Sondern sie drang durch Erz und Gebein, und befleckte mit Blut ihm Drinnen das ganze Gehirn: so schlug er ihn, da er herandrang.

Die nun ließ dort beide der herrschende Fürst Agamemnon

Nackt um die Brust da liegen, nachdem er die Panzer genommen.

100

Und auf Jsos ging er und Antiphos, beide zu tödten, Priamos Söhn', unehelich der, doch ehelich dieser, Beid' in demselben Gespann, und der Bastard führte die Zügel;

Antiphos aber der Held trat vor.

Sie hatte Achilleus

Einst in des Ida Schluchten mit weidenen Ruthen gefesselt,

105

Da er sie fing beim Hüten der Schaf' und befreiet um Lösung.

Da nun traf der Atride, der herrschende Fürst Agamemnon

Den mit dem Speer an der Warz' in die Brust, und dem Anthiphos hieb er Dicht an dem Ohr in das Haupt mit dem Schwert und er stürzt' ihn vom Wagen;

Sprang dann näher und raubte den beiden die herrliche Rüstung,

110

Wohl sie erkennend, indem er sie einst an den eilenden Schiffen Sahe, dem Ida entführt von dem muthigen Renner Achilleus. So wie ein Löwe der Hindin, der flüchtigen, wankende Junge

Mühlos, wie er sie packt, mit den mächtigen Zähnen zermalmet,

Wann er im Lager sie traf, und des blühenden Lebens beraubet;

115

Aber die Mutter, obwohl ganz nah, kann nimmer den Jungen Beistand leisten; sie selber befällt ein entsetzliches Zittern, Und sie enteilet im Sprung in deck Wald und dem dichten Gebüsch hin,

208

Ilias.

Rastlos, triefend von Schweiß, vor der Wuth des gewaltigen Raubthiers:

Also konnt' auch keiner im Troischen Volk von dem Tode

120

Jene befreien: sie flohen ja selbst vor den Söhnen Achajas!

Aber den Kampfeserfreuten Hippolochos und den Pisandros, Beide die Söhne des tapfern Antimachos, welcher am meisten,

Weil er das Gold Alerandros und herrliche Gaben empfangen,

Abrieth, Helena wieder dem Held Menelaos zu geben:

125

Deß zwei Söhn' ereilte der herrschende Fürst Agamemnon Beid' in demselbigen Wagen, bemüht um die flüchtigen Rosse.

Denn es entglitten den Händen die prangenden Zügel, und wild hin Flohen die Rosse verwirrt: da stürzt' er heran wie ein Löwe,

Atreus Sohn, und sie knieten und fleheten beide vom Wagen:

130

Fang' uns, Atride, lebendig und nimm die geforderte Lösung.

Viel Kleinode ja liegen daheim in Antimachos Hause, Goldes und Erzes und künstlich geschmiedeten Eisens die Menge:

Davon zahlet der Vater dir gern die unendliche Lösung,

Wann er erfährt, noch leben wir dort an den Schiffen Achajas!

135

Also sprachen die beiden mit bittendem Wort zu dem König Weinend; indeß sie vernahmen darauf die erbitterte Antwort: Seid ihr denn beid' in der That des Antimachos Söhne, des Tapfern,

Welcher einmal in der Troer Versammlung hieß Menelaos, Als er mit Botschaft kam mit dem göttlichen Helden Odysseus,

140

Tödten daselbst und ihn nimmer zurück zu den Danaern senden: Nun, dann büßet ihr jetzo den schändlichen Frevel des Vaters!

Sprach es und stieß den Pisandros herab an.die Erde vom Wagen, Ihn mit dem Speer durchbohrend, und rücklings sank er zu Boden;

Aber Hippolochos sprang von dem Sitz: da traf er ihn unten,

145

Hieb mit dem Schwert ihm die Arm' und das Haupt von dem Nacken herunter,

Stieß ihn hinab in's Gewühl, und er rollte dahin, wie ein Mörser.

Die nun ließ er und mitten

in den dichtesten Haufen

Stürzt' er und mit ihm zugleich viel wohlumschiente Achäer. Fußvolk zwang mit Gewalt Fußvolk zu entfliehen und würgt' es,

150

Elfter

Gesang.

209

Reisige auch — es erhob sich der Staub hoch über dem Schlachtfeld, Welchen die Ross' aufregten mit weithin donnernden Hufen —

Mordeten Reisige hin mit dem Erz, und der Fürst Agamemnon

Drängte sie immer und würgt' und gebot den Achäischen Männern. Wie die verheerende Flamm' in den Wald, den nimmer die Art traf,

155

Einfällt, ringshin wälzt sie der Sturm fort, und an der Wurzel

Stürzen die Stämme dahin, von der wüthenden Flamme bezwungen:

So vor des Atreus Sohn Agamemnon sanken die Häupter Fliehender Troer danieder, und viel hochhalsige Rosse Rasselten leer mit den Wagen umher auf den Pfaden des Kampfes,

160

Ihrer untadligen Führer beraubt, die in dem Gefild dort

Lagen, die Geier und nimmer die Gattinnen mehr zu erfreuen. Aber den Hektor entführt' aus Staub und Geschossen Kronion, Aus dem Gemorde der Männer, dem Blut und dem Kampfesgetümmel.

Und der Atride verfolgt' ihn und trieb machtvoll die Achäer.

165

Und zu dem Male des alten Dardanischen Jlos entflohn sie,

Mitten hindurch das Gefild', an der Feigenhöhe vorüber,

Um in die Stadt zu gelangen, und laut rief, stets sie verfolgend,

Atreus Sohn, von dem Mord an den mächtigen Händen besudelt. Als sie jedoch zu der Buch' und den: Skäischen Thore gekommen,

170

Da nun standen sie still und erwarteten Einer den Andern. Viel' auch stöhn noch durch das Gefild hin, ähnlich den Rindern,

Welche der Löwe geschreckt in der dämmernden Stunde des Melkens,

Alle zumal; doch einem erscheint sein jähes Verderben.

Denn er zermalmt ihm den Nacken zuerst mit den mächtigen Zähnen,

175

Wann er es packt, dann schlingt er das Blut und das Znn're hinunter: Also verfolgt' auch jene der herrschende Fürst Agamemnon, Daß er den Hintersten immer erschlug, und sie stohen in Schrecken.

Viel' entsanken dem Wagen nach vornhin, andere rückwärts Von Agamemnons Hand: so stürmt' er hinein mit der Lanze.

Da nun glaubt' er, er käm' in die Stadt und die mächtige Mauer;

Doch -da setzte der Vater der sterblichen Menschen und Götter, 14

180

210

Ilias.

Niedergestiegen vom Himmel, .sich hin auf des quelligen Ida

Obersten Gipfel, er saß mit dem flammenden Stral in den Händen, Und als Botin entsandt' er die goldengeflügelte Iris:

185

Eile mir, flüchtige Iris, das Wort zu verkünden dem Hektor! Weil er des Atreus Sohn noch sieht, den Gebieter der. Völker,

Wüthen im vordersten Kampf und die Reihen der Männer vertilgen,

Soll er zurückgehn; aber dem anderen Volke gebiet' er, Gegen die Feinde den Kampf zu bestehn in der wüthenden Feldschlacht z 190 Doch, wann jener, getroffen vom Speerwurf oder dem Pfeilschuß, Eilend den Wagen besteigt: dann will ich ihm, jene zu morden,

Stärke verleihn, bis daß er den rüstigen Schiffen sich nahet, Bis daß Helios sinkt und das heilige Dunkel heraufzieht. Sprach es, und windschnell war ihm die flüchtige Iris gehorsam.

195

Von den Jdäischen Höhn zu der heiligen Ilios flog sie,

Wo sie den göttlichen Hektor, des tapferen Priamos Sohn fand, Stehend mit seinem Gespann in dem tüchtigen Wagen, und also Sprach zu ihm, nahe getreten, die windschnell eilende Iris:

Hektor, Priamos Sohn, dem Kronion ähnlich an Weisheit,

200

Sieh, mich sandte, dir dieß zu verkündigen Vater Kronion: Weil du des Atreus Sohn noch siehst, den Gebieter der Völker, Wüthen im vordersten Kampf und die Reihen der Männer vertilgen: Sollst du zurückgehn, aber dem anderen Volke gebieten,

Gegen die Feinde den Kampf zu bestehn in der wüthenden Feldschlacht. 105

Doch wann jener, getroffen vom Speerwurf oder dem Pfeilschuß, Eilig den Wagen besteigt: dann will er dir, jene zu morden,

Stärke verleihn, bis daß du den rüstigen Schiffen dich nahest, Bis daß Helios sinkt und das heilige Dunkel heraufzieht.

Also sprach und enteilte die windschnell flüchtige Iris. Da sprang Hektor gerüstet herab an die Erde vom Wagen,

Schwingend die spitzigen Speer' und im Heer hin eilet' er ringsum, Mahnte sie. an zu dem Kampf und erweckte die schreckliche Feldschlacht. Und die hielten und standen, die.Stirn den Achäern entgegen;

210

Elfter

Gesang.

211

Doch von drüben verstärkten die Schlachtreihn auch die Achäer:

215

Neu entbrannte der Kampf: fest standen sie; doch Agamemnon

Stürmte voraus und er wollt' es im Kampf weit Allen zuvorthun.

Saget mir nun, ihr auf des Olympos Höhen, o Musen,

Wer dort trat in dem Kampfe zuerst Agamemnon entgegen Unter dem Troischen Volk und den rühmlichen Bundesgenossen?

220

Von dem Antenor ein Sohn, Jphidamas, groß und gewaltig, Welchen die Mutter der Schafe, die schollige Thrake erzogen. Kisseus zog ihn, so lang er noch Kind war, auf in der Wohnung,

Welcher die Mütter gezeuget, die anmuthvolle Theano. Aber nachdem er das Ziel der gefeierten Jugend erreichet,

225

Hielt er ihn dort, und er gab ihm das Kind; doch-aus dem Gemache

Zog er vermält gleich hin nach der Danaer mächtigem Kriegsruf. Und er gebot als Führer in zwölf krummschnäbligen Schiffen.

Aber die schwebenden Schiffe verließ er darauf in Perkote,

Machte zu Fuße sich auf und gelangt' in die Veste von Troja.

230

Der nun kam, Agamemnon des Atreus Sohn zu begegnen. Aber nachdem sie einander sich beid' anrennend genahet:

Fehlte des Atreus Sohn, und es flog ihm die Lanze daneben;

Aber Jphidamas traf ihn am Gurt, ganz unten am Harnisch,

Und stieß selbst noch nach, auf die nervichte Rechte vertrauend;

235

Bohrte den künstlichen Gürtel indeß nicht durch: an dem Silber Brach sich der Wurf und es bog sich ihm gleich, wie bleiern, die Spitz' um.

Und mit der Faust griff nun nach der Lanz' Agamemnon der Herrscher,

Riß wie ein Löwe sie an sich im Grimm und entzog sie dem Andern, Hieb ihm zugleich mit dem Schwert in den Hals, und er löst' ihm die Glieder. 240

So nun sank er daselbst zur Ruh in den ehernen Schlaf hin,

Wohl zu beklagen, der Gattin so fern, in dem Kampf für die Seinen, Eh sein Ehegemal ihm gelohnt für die reichen Geschenke.

Gab er doch hundert Stiere zuerst und tausend gelobt' er Ziegen und Schafe nachher von den zahllos weidenden Heerden.

Jetzo entwaffnete nun ihn des Atreus Sohn Agamemnon, 14*

245

212

Ilias.

Und im Achäischen Volk hin trug er die herrliche Rüstung.

Als nun Koon ihn so, der gewaltige Krieger erblickte,

Von des Antenor Söhnen der ältere, senkte sich schwer ihm

Ueber die Augen der Schmerz um den Fall des erschlagenen Bruders.

250

Seitwärts, nicht vom Atriden bemerkt, dem erhabenen, stach er Ihm mit dem Speer in die Mitte des Arms, dicht unter der Beugung,

Daß queer durch ihm die Spitze des glänzenden Speeres herausdrang.

Da durchschauerte Schmerz den Gebieter des Volks Agamemnon; Aber er ruhete doch von dem Kampf nicht und dem Gefechte;

255

Sondern er stürzt' auf Koon mit Stürmegehärteter Lanze. Der zog mächtig am Fuß den Jphidamas, welcher denselben

Eltern entstammt' und er rief laut alle die Besten um Hüls' an: Da traf jener ihn, während er zog, mit der ehernen Lanze, Unter dem nabligen Schild im Gedräng, und er löst' ihm die Glieder; 260

Sprang dann hin und enthauptet' ihn über Jphidamas Leichnam. So vom Atriden bezwungen, dem Könige, fanden Antenors

Söhn' ihr Geschick, und sie gingen hinab in des Ai'-ves Wohnung.

Doch der stürmte hinan zu den anderen Schaaren der Männer Mit dem gewaltigen Speere, dem Schwert und den Steinen des Feldes, 265 Während das Blut noch warm aus offener Wund' ihm hervordrang;

Aber sobald ihm die Wunde verharscht' und das Blut sich ihm stillte: Ward des Atriden Gemüth von den stechenden Schmerzen ergriffen.

Wie wann bitter das scharfe Geschoß die gebärende Frau quält,

Welches die Eileithyien die schmerzvoll ringenden senden,

270

Here's ewige Töchter, betraut mit den bitteren Wehen: So drang stechender Schmerz auch in das Gemüth Agamemnons,

Daß er den Wagen bestieg und hinab zu den wölbigen Schiffen

Eilig dem Lenker zu fahren gebot, voll Schmerz in der Seele. Und er erhob durchdringend den'Ruf zu der Danaer Kriegsschaar:

Höret mich, all' ihr Freunde, der Danaer Fürsten und Pfleger,

Haltet mir jetzt nur ihr von den Meerdurcheilenden Schiffen

Fern die entsetzliche Schlacht, da mir der Berather Kronion

275

Elfter

Gesang.

213

Nimmer gestattet, den Tag ganz durch mit den Troern zu kämpfen!

Sprach's, da trieb sein Lenker die Mähnenumwalleten Rosse

280

Hin zu den wölbigen Schiffen, und gern auch eilten sie selber.

Vorn an der Brust voll Schaum und besteckt mit dem Staube von unten, Trugen sie aus dem Gefechte den schmerzdurchdrungenen König. Als nun Hektor gewahrt', Agamemnon eilte von dannen,

Rief er den Troern und Lykiern zu mit der mächtigen Stimme:

285

Troer und Lykier, höret, und Dardaner, Kämpfer von Nahe,

Seid nun Männer, o Freund' und gedenkt der gewaltigen Stärke. Fort ist je.tzo der tapferste Mann und den herrlichen Siegsruhm

Giebt Zeus mir der Kronide: so eilt mit den stampfenden Rossen Gegen die tapfern Achäer, den höheren Ruhm zu gewinnen!

290

Also sprach er und weckte den Muth in den Herzen der Männer. So wie öfter ein Jäger die Schaar weißzahniger Hunde

Gegen den grimmigen Eber hinantreibt oder den Löwen :

So trieb auf die Achäer die tapferen Schaaren der Troer Hektor, Priamos Sohn, gleich Ares dem Menschenverderber.

295

Selbst auch flog er umher, voll Muth in den vordersten Kampfreihn Und des Gefechtes Gewühl, wie Hochher brausend der Sturmwind,

Welcher das tiefblau wogende Meer herstürzend empor wühlt. Wen nun streckte zuerst, wen streckte zuletzt in den Staub dort Hektor, Priamos Sohn, da Zeus ihm die Ehre verliehen?

300

Erst den Asäos, darauf den Autonoos und den Opites,

Dolops, Klytios Sohn, und Opheltios und Agelaos, Oros, den Kampfeserfreuten Hipponoos und den Aesymnos.

Diese Gebieter entriß er der Danaer Heer und zugleich auch Volk.

Wie wann das Gewölke des grau herbrausenden Südwinds

305

Westwind tummelt, indem er es trifft mit dem rollenden Sturme: Machtvoll wälzt sich -der Wogen Gedräng und der fliegende Schaum spritzt

Hoch, in die Ferne verstreut vor dem peitschenden Schnauben des Windes:

Also fielen der Häupter des Volks dort viel vor dem Hektor.

Nimmer zu heilende Thaten geschahn jetzt, und das Verderben

310

L14

I I i a S.

Kam, es entstehn, in die Schiffe gestürzt, wohl bald die Achäer:

Hätte Odysseus nicht zu des Tydeus Sohne gerufen: Sollten wir so, Diomedes, der rüstigen Stärke vergessen?

Hierher, Theuerer, komm, hier neben mich!

Wahrlich, ein Schimpf wär's,

Wenn er die Schiff' uns nähme, der Helmbuschnickende Hektor!

315

Und ihm entgegnete drauf der gewaltige Held Diomedes: Nun, wohl bleib' ich und harre mit aus; doch werden wir kaum wohl

Unserer Thaten uns freuen, der Wolkenversammler Kronion Giebt ja dem Trvischen Volke den Sieg jetzt, nimmer dem Unsern. Sprach es und warf Thymbräos herab an die Erde vom Wagen,

320

Welchen er links mit dem Speer in die Brust traf; aber Odysseus

Traf den erhab'nen Molion, des Königes Wagengenoffen. Die nun ließen sie, als sie vom Kampf sie gezwungen zu ruhen,

Und in dem wilden Getümmel umher, wie wann sich der Eber Paar auf die Hunde der Jäger mit trotzigem Schnauben heranstürzt,

325

Würgten sie, gegen die Troer gewandt, und die Männer Achajas

Athmeten neu froh auf in der Flucht vor dem göttlichen Hektor.

Und sie erschlugen im Wagen die tapfersten Männer des Volkes,

Beide von Merops erzeugt, dem Perkosier, welcher des Schicksals Kundig vor Allen, den Söhnen den Zug zu dem mordenden Kriege

330

Nimmer gestattete; doch sie beachteten beid' in dem Herzen Nicht sein Wort: so trieb sie das dunkele Todesverhängnisi.

TydeuS Speeresgepriesener Sohn Diomedes beraubte

Beide der Seel' -und deS Lebens und nahm die gepriesene Rüstung, Und den Hippodamos wie den Hyperochos tödtet' Odysseus.

335

Da ließ gleich nun beiden die Schlacht hinschweben Kronion, Schauend vom Jdagebirg und sie würgten sich unter einander.

Und Diomedes traf den AgastrophoS da" mit dem Speerwurf, Päons tapferen Sohn in das Hüftbein.

Um zu entstiehen,

Waren die Ross' ihm zu fern: wohl war er bethört in dem Herzen!

Denn weit hielt sie von ihm der Genoss', und er stürmte zu Fuße

Mitten im Vvrkampf, bis er des theueren Lebens beraubt ward.

340

Elfter

215

Gesang.

Da sah Hektor jen' in den Reihn und mit hallendem Kampfruf

Stürzt' er sich ihnen entgegen, gefolgt von den Schaaren der Troer.

Schreckenergriffen erblickt' ihn der Rufer im Streit Diomedes,

345

Und zu Odysseus sprach er sogleich, da dieser ihm nah war: Sieh, da rollt das Verderben daher, der gewaltige-Hektor! Weichen wir nicht!

Komm, stehen wir, daß wir uns seiner erwehren!

Sprach es, und schwingend entsandt' er die weithin schattende Lanze, Traf, und es fehlte der Wurf ihm das Haupt nicht, das er zum Ziel nahm, 350

Oben den Knopf an dem Helm; doch prallt' an dem Erze das Erz ab,

Eh es die blühende Haut ihm berührt: da hielt es der Helm auf, Dreifach, länglich gespitzt, ihm geschenkt von Phöbos Apollon.

Weithin sprang gleich Hektor zurück und hinein in den Haufen, Sank auf's Knie, halb stehend, gestützt mit der nerv ich ten Rechten

355

Gegen den Boden, und Nacht umhüllt' ihm mit Dunkel die Augen. Während indeß der Tydid' in den vordersten Reihen der Kämpfer Hin nach dem Speer lief, wo er ihm tief in den Boden hineinflog:

Athmete Hektor auf und zurück zu dem Wagen entsprang er,

Trieb ihn davon in die Meng' und vermied sein dunkeles Schicksal.

360

Und mit dem Speere verfolgt' ihn und rief Diomedes der starke: Wieder entrannst du dem Tode, du Hund, jetzt! Wärest du nah!

Wahrlich, dem Unheil

Nun hat dich Apollon wieder gerettet,

Den du gewiß anflehest, so oft du dich wagst in den Speerkampf!

Dennoch gedenk' ich, mit dir ja zu endigen, treff' ich dich später,

365

Leiht auch mir noch irgend ein Gott wo gnädigen Beistand.

Jetzt nun geh' ich und suche mir Andere, die ich ereile!

Sprach's, und dem tapferen Sohne des Päon nahm er die Rüstung.

Aber der Held Alerandros, der lockigen Helena Gatte, Spannt' auf Tydeus Sohn, den gebietenden Herrscher, den Bogen,

370

Hinter die Säule des Males geschmiegt, das früher dem Jlos Männer erhöhet, dem alten Dardanischen Herrscher des Volkes.

Und von Agastrophos Brust, des gewaltigen, nahm Diomedes Eben des künstlichen Panzers Geflecht und den Schild von den Schultern,

Ilias.

216

Sammt dem gewichtigen Helm: da zog er den Bügel des Bogens,

375

Schoß, und es flog ihm der Pfeil nicht fruchtlos hin von der Senne;

Sondern er traf ihm von oben das Fußblatt rechts, und der Pfeil drang

Durch, in den Boden hinein: da sprang der, hell auflachend, Aus dem Verstecke hervor, und er rief frohlockend und sagte: Sieh! Der'traf!

Nicht eitel entflog mir der Pfeil! O, warum doch 380

Traf er dich nicht in die Weiche des Bauchs und entriß dir das Leben! Ja, dann möchten die Troer einmal aufathmen vom Drangsal,

Da sie dich fürchten und fliehn, wie meckernde Ziegen den Löwen!

Da sprach, ohne zu zagen, der tapfere Held Diomedes: Kläglicher Schütz du, nur auf den Pfeil stolz, Frauenverführer!

385

Möchtest du gegen mich doch dich einmal in der Rüstung versuchen: Dann wohl hülfe der Bogen dir nichts und die Menge der Pfeile! Jetzt nun prahlest du, weil du den Fuß mir da unten verletzt hast:

Nichts mehr ist's, als ob mich ein Weib dort oder ein Kind traf; Denn ganz machtlos ist das Geschoß des entkräfteten Weichlings.

390

Anders fürwahr, fliegt, wenn es sogar nur wenig getroffen, Mir mein scharfes Geschoß, gleich raubt es die Seele dem Manne, Daß ihm die Gattin im Schmerze daheim sich die Wangen zerfleischet,

Und ihm die Kinder verwaisen; er färbt mit dem Blute den Boden,

Modert, und nimmer umgeben ihn Frau'n mehr, sondern die Geier.

395

Sprach's, da nahte sogleich ihm der Lanzenberühmte Odysseus,

Stellte sich vor ihn, und der zog hinter ihm sitzend, den scharfen Pfeil aus dem Fuß, und der Schmerz durchdrang ihm mit Qualen die Glieder,

Daß er den Wagen bestieg und hinab zu den wölbigen Schiffen Eilig dem Lenker zu fahren gebot, voll Schmerz in der Seele.

400

Gänzlich allein war also der Lanzenberühmte Odysseus;

Keiner der Danaer blieb; denn Furcht hatt' alle ergriffen.

Und so sprach er zu sich in dem trotzigen Herzen mit Uttmuth: Weh! Was soll ich beginnen? Ein Schimpf wärs, wenn ich die Flucht nähm,

Weil mich die Menge geschreckt.

Doch bitterer wär' es, sie fingen

Hier mich allein, da Zeus ja die Danaer alle verscheucht hat.

405

Elfter

Gesang.

217

Doch was kämpfet denn in mir das Herz mit diesen Gedanken,

Da ich ja weiß, daß Feige sich nur von dem Kampfe zurückziehn; Wer sich indeß vorthut im Gefecht, dem ziemet es, immer

Tapfer zu stehn, gleichviel, er erliegt nun oder er sieget.

410

Während er dieß so bei sich erwog in dem inneren Herzen,

Kamen die Troer heran, und die Schildebewaffneten Kampfreihn Standen um ihn: sie umschlossen im Kreis ihr eignes Verderben. Wie wann gegen den Eber die Hund' und die rüstigen Männer

Rings herdringen, und er tritt vor aus dichtem Gebüsche,

415

Wetzet den blinkenden Zahn int gebogenen Rüssel, und ringsher Stürmen sie gegen ihn an: wohl fegt er umher mit den Hauern;

Aber sie stehn und erwarten gefaßt das entsetzliche Unthier: Also stürmten daselbst um den Göttergeliebten Odysseus

Troer, und er stach erst den untadligen De'iopites

420

Oben hinein in die Schulter, im Sprung, mit der spitzigen Lanze,

Aber nachher dann warf er den Ennomos nieder und Thoon, Nannte Chersidamas, der vom Gespann nur eben herabsprang,

Unter dem wölbigen Schilde den Speer in den Bauch an dem Nabel,

Daß er im Staub hinsinkend umher mit den Händen den Sand griff. 425 Die nun ließ er daselbst, und er traf mit dem Speere den Charops,

Hippasos Sohn und des Sokos, des herrlichen, leiblichen Bruder. Da sprang Sokos hinzu, der erhabene, jenem zu helfen;

Trat ganz nah ihm entgegen und sprach zu ihm also und sagte:

Hoher Odysseus, nimmer erschöpft an Listen und Kampflust,

430

Heute gewinnst du entweder den Ruhm von zwei Hippasiden,

Männer zu tödten wie uns, und die Rüstung uns zu entreißen, Oder du lässest das Leben, von mir mit der Lanze getödtet!

Also sprach er und traf in den Schild von geründeter Wölbung. Und den geglätteten Schild durchdrang die gewichtige Lanze,

Fuhr in den künstlichen Harnisch hinein, saß haftend und riß ihm Gänzlich die Haut von den Nippen herab; doch Pallas Athene

Wehret' ihr, daß sie dem Held nicht auch in das Innere eindrang.

435

218

Ilias.

Aber Odysseus fühlte sogleich, noch naht' ihm des Schicksals

Tag nicht: rückwärts sprang er und sprach zu dem Sokos die Worte: 440

Unglückseliger, jetzo ereilt dich das jähe Verderben! Mich zwar triebst du zurück von dem Kampf mit den Troischen Männern; Doch dir ist hier, glaub' es, der Tod. und das dunkle Verhängniß Heute bestimmt; dich erlegt mein Speerwurf, daß du den Siegsruhm

Mir giebst, aber dem Hades, dem Rosseberühmten die Seele!

445

Sprach's: da wandte sich jener zurück, um geschwind zu entfliehen; Aber so wie er sich wendete, traf mit dem Speer ihm Odysseus

Zwischen den Schultern int Rücken, und trieb ihn ihm vorne die Brust durch. Dumpf hin dröhnt' er im Fall: da rief frohlockend Odysseus:

Sokos, Hippasos Sohn, des gewaltigen Rossebezähmers,

450

Sieh, dich ereilete dennoch der Tod: nicht bist du entronnen. Armer!

Es drückt dein Vater daheim und die würdige Mutter

Nimmer die Augen im Tode dir zu; bald zehren des Raubes Vögek dich auf, dich in Menge mit schlagendem Fittig umkreisend;

Doch mich, sterb' ich, bestatten die trefflichen Helden Achajas.

455

Sprach's und den wuchtigen Speer, von dem tapferen Sokos geworfen, Zog er sich aus von der Wund' und dem Nabelumgebenen Schilde,

Und ihm entschoß viel Blut mit dem Speer, daß schwach ihm das Herz ward. Aber die muthigen Troer, so wie sie Odysseus Blut sahn,

Riefen einander sich zu im Gedräng' und umringten ihn Alle.

460

Doch der wich allmälig zurück, und er rief nach den Freunden;

Dreimal rief er so laut, wie ein Mann nur ruft mit der Stimme; Dreimal hörte den Ruf auch Atreus Sohn Menelaos, Und zu dem Ajas begann er sogleich, der eben ihm nah war:

Ajas, Telamons Sohn, du erhabener Völkergebieter,

465

Eben vernahm ich das Rufen des muthigen Helden Odysseus,

Gleich als ob ihn die Troer umzingelten, daß er allein wär,

Ganz von den Andern getrennt in dem wüthenden Toben der Feldschlacht. Eilen wir durch das Gewühl; denn gut ist's, daß wir ihm beistehn.

Schlimmes, befürcht' ich, erfährt er, allein dort unter den Troern,

470

Elfter

Gesang.

219

Er, der Vortreffliche: wahrlich, die Danaer missten ihn schmerzlich! Sprach es und eilte voran, und es folgt' ihm der göttliche Ajas.

Und sie gelangten zum edlen Odysseus, welchen die Troer

Rings umdrängten.

So wie im Gebirg rothgelbe Schakale

Um den gehörneten Hirsch, den verwundeten, welchen des Mannes

475

Pfeil von der Senne getroffen: er ist ihm entronnen im Laufe, Fliehend, so lange das Blut noch warm und die Kraft in den Knien war:

Aber nachdem nun endlich der spitzige Pfeil ihn bezwungen,

Wird er von wilden Schakalen zerfleischt in dem schattigen Walde, Auf dem Gebirg: da führet den grimmigen Löwen ein Gott her,

480

Und es entfliehn die Schakale geschreckt; doch jener zerfleischt ihn:

Also drängten daselbst um den listigen, tapfern Odysseus Troer in Haufen heran, kampfmuthige; doch mit der Lanze

Stets sich vertheidigend wehrte der Held sich den schrecklichen Tag ab. Da kam Ajas heran mit dem Schild, Thurm hoch, und er trat ihm

485

Gleich zur Seit', und die Troer entflohn vor ihm hierhin und dahin.

Und an der Hand nun nahm Menelaos der Held ihn und führt' ihn

Aus dem Gedräng, bis daß ihm der Freund mit-dem Wagen sich nahte. Ajas indeß, in die Troer gestürzt, schlug dort den Doryklos,

P.riamos Bastardsohn, und den Pandokos warf'er danieder,

490

Warf den Lysandros hin und den Pyrasos und den Pylartes. Wie wann, herbstlich geschwollen, der Strom sich hinab in die Flur stürzt, Aus dem Gebirg, und es dränget von Zeus ihn der Regen Gewässer-

Zahllos wälzt er die Stämme der trockenen Eichen und zahllos Fichten, und Schlamm auch wälzt er hinab ohn' End' in die Meerflut: 495 So trieb stürmend im Felde der glänzende Ajas die Troer,

Reisige würgend und Männer zu Fuß, und Hektor vernahm's nicht, Weil er entfernt links focht an der anderen Seite des Treffens, An dem Gestade des 'Flusses Skamandros, wo sich die meisten

Leichen des Volks aufhäuften, und endlos tobte der Schlachtruf Dort um Nestor den Held und Jdomeneus, Ares Genossen.

Da flog Hektor umher und verrichtete schreckliche Thaten

500

220

I l i L s.

Mit dem Gespann und der Lanz' und der Jünglinge Reihen vertilgt" er.

Dennoch wichen ihm nicht von der Bahn die erhab'nen Achäer,

Wenn nicht Held Alerandros- der lockigen Helena Gatte,

505

Hätte Machaon entfernt, den gewaltigen Völkergebieter, Welchem er rechts in die Schulter den dreifach schneidenden Pfeil schoß.

Sorge für diesen erfüllte der muthigen Danaer Herzen, Daß sie vielleicht ihn erlegten, nachdem das Gefecht sich gewendet.

Da sprach eilig Jdomeneus so zu dem göttlichen Nestor:

510

Nestor, Neleiade, du herrlicher Ruhm der Achäer, Eile zu deinem Gespanne, besteig es und nimm den Machaon

Neben dich, und zu den Schiffen enteilt mit den stampfenden Rossen. Werth ist uns ja vor Vielen ein Mann wohl kundig der Heilkunst,

Pfeil' aus Wunden zu schneiden und Heilkraut über zu streuen.

515

Sprach's, und es folget' ihm gern der gerenische, reisige Nestor,

Eilte zu seinem Gespanne sogleich, stieg ein, und Machaon Mit ihm, Asklepios Sohn, des untadligen Meisters der Heilkunst.

Da schwang jener die Geißel, und selbst auch flogen die Rosse Hin zu den wölbigen Schiffen, wohin sie im Herzen begehrten.

520

Aber Kebriones sahe der Troischen Männer Verwirkung, Hektors Wagengenoß, und er sprach zu ihm also und sagte: Hektor, sieh, wir tummeln uns hier mit den Danaern beide

Ganz an dem Ende der schrecklichen Schlacht und. die anderen Troer

Sind dort wild in einander gewirrt, mit den Männern die Rosse.

525

Ajas der Telamonide bedrängt sie: am mächtigen Schilde Kenn' ich ihn, das ihm die Schultern bedeckt; auch uns mit dem Wagen

Und dem Gespann laß eilig dahin, wo Männer zu Fuße So wie Kämpfer zu Wagen zumeist in dem grausen Gefechte

Unter einander sich morden und endlos Rufen empörsteigt. Sprach es und trieb mit der Geißel die Mähnenumwalleten Rosse, Und die zogen, so wie sie das tönende Klatschen vernahmen,

Rollend den Wagen dahin durch Troisches Volk und Achäer, Ueber die Schild' und die Todten im Lauf, und vom Blute besudelt

530

Elfter

Gesang.

Waren die Ränder deS Sessels umher und von unten die Are,

221 535

Ganz von den Hufen der Rosse bespritzt und den fliegenden Tropfen

Von dem Beschlage der Näder.

Es trieb ihn, .der Männer Gewirr dort,

Unter sie dringend, im Sturm zu zerstreun; furchtbares Entsetzen Bracht' er dem Volk der Achäer und rastete nicht mit der Lanze.

Aber er stürmte hinein in die anderen Reihen der Männer,

540

Mit dem gewaltigen Speere, dem Schwert und den Steinen des Feldes; Ajas, den Telamoniden, vermied er allein in der Schlacht nur,

Weil es ihm Zeus nicht gönnte, den stärkeren Mann zu bekämpfen. Aber der waltende Vater Kronion schreckte den Ajas:

Wie in Betäubung stand er und warf auf den Rücken den Stierschild, 545

Schauete rings voll Scheu um sich her im Gedräng', wie ein Raubthier,

Immer sich wendend und, Knie an Knie, allmälig entweichend. So wie oftmals von der geschlossenen Hürde der Rinder

Hund' und ländliche Männer den gelblichen Löwen verjagen: Diese verhindern ihn, sich an gemästeten Rindern zu weiden,

550

Immer des Nachts sie bewachend, und er, nach Fleische begierig,

Stürzet sich gegen sie; aber umsonst; denn schneidende Speere Fliegen in Meng' ihm entgegen, von muthigen Armen geschleudert,

Lodernde Bränd' auch, denen er scheu ausweicht in der Wuth selbst:

Und in der Dämmerung geht er davon mit bekümmertem Herzen:

555

So ging Ajas dort mit bekümmertem Geist von den Troern,

Ungern, weil er so sehr für der Danaer Schiffe besorgt war. So wie ein Esel, den Knaben zum Trotz, an der Feldflur langsam

Fortgeht, Stecken zerschlagen sie wohl ihm am Rücken in Menge; Doch er gehet und rupft sich die üppige Saat, unb die Knaben

560

Schlagen mit Stecken: sie haben ja nur noch kindische Kräfte, Und sie vertreiben ihn kaum, wann erst er am Fraß sich gesättigt: Also verfolgten den Ajas, des Telamon mächtigen Sohn, dort

Muthige Troer und ferne berufene Bundesgenossen

Immer und trafen die Mitte des Schilds mit den ehernen Lanzen. Ajas aber zuweilen, der rüstigen Stärke gedenkend,

565

222

Ilias.

Wandte sich um: dann hielt er die reisigen Schaaren der Troer

Von sich zurück: bald wandt' er jedoch sich wieder zu fliehen; Allen indessen verwehrt' er den Weg zu den eilenden Schiffen.

Er allein schritt zwischen der Schaar der Achäer und Troer

570

Kraftvoll hin, und die Speere, von wüthigen Armen geschleudert, Hasteten theils, weit fliegend, im mächtigen Schild und in Meng' auch

Fuhren sie, ehe sie noch ihm den glänzenden Körper berührten,

Tief in den Boden hinein, voll Gier, sich'am Fleische zu laben. Als Eurypylos nun, der erhabene Sohn des Euämon,

575

Sah, wie jenen der Männer Geschoß dicht fliegend bedrängte,

Eilt' er, sich zu ihm zu stellen und schwang zwei blinkende Lanzen,

Traf auch Phausios Sohn, den Gebieter des Volks Apisaon

Unter der Brust in die Leber und löst' alsbald ihm die Kniee:

Und von den Schultern entriß ihm Eurypylos eilend die Rüstung.

580

Als nun so Alerandros, der göttliche Held ihn gewahrte,

Wie er die Wehr Apisaon entriß: da spannt' er den Bogen Gegen Eurypylos, schoß, und es fuhr ihm der Pfeil in den rechten

Schenkel hinein, und das Rohr brach ab und beschwert' ihm den Schenkel. Da sprang dieser, dem Tod zu entgehn, in die Schaar der Genossen,

585

Und mit gewaltiger Stimme begann er und rief den Achäern: Freunde, des Volkes von Argos erhabene Führer und Pfleger,

Tretet zusammen heran und beschirmt vor dem schrecklichen Tage Ajas, der von Geschossen bedrängt wird; denn ich besorge, Nimmer entrinnt er dem Kampf, dem entsetzlichen: stellet im Kreis euch 590

Gegen sie rings um Ajas, den mächtigen Telamoniden! So der verwundete Held Eurypylos; aber die andern Stellten sich nahe zu jenem, die Schild' an die Schultern gelehnet,

Mit den erhobenen Lanzen, und cur sie heran schritt Ajas,

Wandte sich wieder und stand gleich, als er den Freunden genaht war. 595 Älso kämpften sie dort gleich lodernden Flammen des Feuers. Nestor .aber entführten der Schlacht die Nele'ischen Stuten,

Triefend von Schweiß, und sie führten den Völkergebieter Machaon.

Elfter

Gesang.

223

Den nun sah, und erkannte der göttliche Renner Achilleus, Da er am Hinteren Decke des Meerdurcheilenden Schiffs stand

600

Und die entsetzliche Noth ansah und die grause Verfolgung. Und zu Patroklos begann er sogleich, dem getreuen Genossen,

Den er vom Schiff aus rief, und er kam, im Gezelt ihn vernehmend, Hin, gleich Ares, und also begann für ihn selber das Unheil. Und der gewaltige Sohn des-Menötios sagte zu jenem:

Weshalb rufest du mich,' o Achilleus?

605

Wessen bedarfst du?

Und ihm entgegnet und sprach der gewaltige Nenner Achilleus:

Göttlicher Menötiade, mir lieb in dem Herzen vor Allen,

Jetzo vermuth' ich, es werden die Danaer bald mir die Kniee

Bittend umstehn, da Noth sie bedrängt, nicht mehr zu ertragen.

610

Doch nun gehe, Patroklos, du Göttlicher, frage den Nestor, Wen er so eben verwundet vom Kampf dort mit sich zurückführt. Schien er mir doch von dem Rücken Asklepios Sohne, Machaon

Aehnlich vor Allen, indessen ich sah nicht Augen und Antlitz;

Denn an mir eilten die Rosse zu schnell in dem Laufe vorüber.

615

Sprach es, und willig gehorchte dem theueren Freunde Patroklos, Eilet' und lief an den Zelten hinab und den Schiffen Achajas. Als nun jene darauf zu des Nestor Zelte gekommen,

Stiegen sie selber herab an die Nahrungspendende Erde. Und der Genosse des Greises, Eurymedon, löste die Rosse

620

Aus dem Geschirr; doch sie, um den Schweiß der Gewände zu kühlen,

Stellten sich gegen den Wind an dem lustigen Meeresgestade,

Traten darauf in das Zelt und setzten sichhin auf Sessel. Da yun mengt' Hekamede, die lockige, jenen den Weintrank,

Die aus Tenedos Nestor empfing einst, da es Achilleus

625

Nahm, Arsinoos Tochter, des mächtigen, von den Achäern

Jenem erwählt, als Bestem im Rath vor den Anderen allen. Die nun stellte vor jene zuerst die geglättete Tafel, Künstlich und schön, mit den Füßen von Stahl, und den ehernen Korb dann

Stellte sie drauf mit den Zwiebeln, des Tranks einladender Zukost,

630

224

Ilias.

Gelblichen Honig dabei mit dem heiligen Kerne des Mehles, Und. den gepriesenen Becher: vom Haus her bracht' ihn der Greis mit,

Rings mit den goldenen Buckeln geziert.

Der hatte der Henkel

Vier, und es standen um jeden umher zwei goldene Tauben, Korn aufpickend, und doppelt gefügt war unten der Boden.

635

Den hob sonst wohl einer gewiß nur schwer von dem Tisch auf,

War er gefüllt; doch Nestor dem Greis, war's leicht, ihn zu heben. In ihm mengte für jene das Weib, Göttinnen vergleichbar,

Trank aus Pramnischen Wein und mit ehernen Raspeln geschabten

Käse von Ziegen zusammen, bestreut' es mit schimmerndem Mehle,

640

Und dann hieß "sie sie trinken, nachdem sie die Mischung bereitet.

Aber nachdem sie am Trünke den brennenden Durst sich gestillet,

Freuten sie beid' am Gespräch sich und redeten so mit einander,

Als an der Pforte Patroklos erschien, gleich einem der Götter. Und ihn erblickte der Greis, und er sprang von dem glänzenden Stuhl auf, 645

Führt' an der Hand in das Zelt ihn und bat ihn, sich nieder zu setzen. Aber Patroklos lehnet' es ab und begann zu dem Nestor:

Nein, o göttlicher Greis, nicht setz' ich mich nieder: ich kann nicht: Achtung gebietet und Scheu, der her mich gesendet, zu fragen, Welchen verwundeten Mann du gebracht hast; doch ich erkenn' ihn

650

Selber, ich seh ihn ja hier, den gebietenden Helden Machaon. Doch nun geh ich zurück, um Achilleus dieß zu berichten; Kennest du, göttlicher Greis, doch selbst auch seinen gewaltsam

Heftigen Sinn,-der leicht Unschuldige selber beschuldigt. Und ihm entgegnete drauf der gerenische, reisige Nestor:

655

Was doch kümmert so sehr sich Achilleus um die Achäer, Welche bereits die Geschosse verwundeten?

Weiß er doch gar nicht,

Was sich für Jammer erhoben im Heer; denn alle die besten Liegen ja hier in den Schiffen, vom Hieb wund oder dem Speerwurf.

Wund liegt Tydeus Sohn, der gewaltige Held Diomedes, Wund Agamemnon und wund der gepriesene Kämpfer Odysseus,

Wund Eurypylos auch, von dem Pfeil in die Hüfte getroffen,

660

Elster

Gesang.

225

Und nun führt' ich so eben den Anderen aus dem Gefecht her,

Welchen der Pfeil von der Senne verletzt hat.

Aber Achilleus

Achtet erbarmungslos, der gewaltige, nichts die Achäer!

665

Wartet er erst, bis etwa die eilenden. Schiff' an dem Meer hier Trotz der Achäer Bemühung die feindliche Flamme verzehret,

Und sie uns selbst hinwürgen der Reihe nach?

Denn ich besitze

Nicht mehr so wie früher, die Kraft in den schmeidigen Gliedern.

Daß ich so jung noch wär, und ich hätte die rüstige Kraft noch,

670

Wie einst, als den Eleern und uns sich der Hader erhoben

Wegen des Stierraubs, und ich im Kampf des Hyperochos Sprößling, Dort den Jtymoneus schlug, den gewaltigen Helden in Elis,

Da ich Entschädigung nahm und er stritt, sein Vieh zu heschirmen. Aber ihn traf mein Arm mit dem Speer in den vordersten Kampfreihn, 675

Daß er dahin sank und sich das Landvolk zitternd zerstreute. Da nun trieben wir Beute vom Feld in unendlicher Menge:

Fünfzig Heerden der Rinder, an Schafvieh eben so viele,

Eben so viele von Säu'n, gleich viel von streifenden Ziegen, Und von bräunlichen Rossen dazu noch hundert und fünfzig,

680

Sämmtlich Stuten und viele davon mit saugenden Füllen. Die nun trieben wir w^g und hinein zum Neleischen Pylos

Während der Nacht in die Stadt, und es freut' in dem Herzen sich Nelens,

Daß mir so viel ward, da ich so jung zu dem Kampfe hinauszog. Da nun rief gleich früh in der Dämmerung tönend der Herold

685

Jeden herbei, dem Schuld in der heiligen Elis gebührte.

Und es versammelten dort sich der Pylier Führer und Pfleger Zu der Vertheilung, und Vielen gebührete Schuld von Epeern, Weil wir, Wenige nur, viel Noth ausstanden in Pylos.

Denn uns hatte die Kraft des Herakles, welcher dahin kam,

Schwer in den früheren Jahren bedrängt und die Besten erschlagen.

So von dem Neleus waren wir zwölf untadlige Söhne: Davon blieb ich allein, und die anderen fielen ihm sämmtlich. Darum erhoben sich trotzig die Erzumwehrten Epeer,

690

226

3 liaS.

Daß fifr die Frevel an uns hochmüthigen Sinnes verübten.

695

Da nun wählte sich Heerden der Greis von den Rindern und Schafen

Selbst dreihundert heraus, und er nahm mit den Heerden die Hüter;

Denn es gebührt' auch ihm viel Schuld in der heiligen Elis. Vier wettkämpfende Rosse zugleich mit dem Wagengeschirre,

Die er dahin zu dem Kampfe gesandt in dem Lauf um den Dreifuß:

700

Diese behielt Augias für sich, der Gebieter der Männer, Und er entsandte den Lenker allein mit bekümmertem Herzen.

Deshalb wählte der Greis, in dem Zorn um die Wort' und die Thaten, Jetzt sehr Vieles für sich und das Andere gab er dem Volke,

Also vertheilt, daß keiner verkürzt an dem Seinen hinwegging.

705

Alles besorgten wir so, und wir opferten rings um die Stadt her

Für die unsterblichen Götter; indeß an dem dritten der Tage Kamen in Menge sie selber zugleich und die stampfenden Stosse,

Schaar an Schaar, und es kamen bewehrt auch zwei Molionen, Fast noch Kinder und wenig geübt in dem stürmenden Kampfe.

710

Dort nun liegt Thryoössa die Stadt auf felsigem Hügel, Fern an: Alpheosstrom, sie begrenzet die sandige Pylos; Die umlagerten jen' und begehrten, sie ganz zu zerstören.

Ao durchschwärmten sie rings das Gefild: da kam Athenäa

Von dem Olympos in Eile herab in der Nacht mit dem Aufruf,

715

Uns zu bewaffnen, und willig gehorcht' ihr in Pylos das Volk gleich,

Daß sie dem Kampf zueilten; indeß mir wehrete Neleus Mit, in den Waffen gerüstet, zu ziehn und verbarg mir die Rosse;

Denn noch hielt er mich nicht für geübt zu den Thaten des Kampfes.

Aber ich war doch vornen in unserer reisigen Kriegschaar,

720

Ob zwar selber zu Fuß: so führte den Kampf Athenäa. Da nun fließet der Strom Minyei'os, der in das Meer fällt,

Dicht an Aren' und wir blieben daselbst zu der heiligen Eos, Pylos Reisige, während das Fußvolk später herbeikam.

Und sie versammelten sich und, bewehrt mit dem Schmucke der Waffen, 725 Kamen wir Mittags hin zu dem heiligen Strom des Alpheos.

Elster

227

Gesang.

Als wir daselbst nun Zeus, dem Gewaltigen, herrliche Opfer,

Auch Alpheos den Stier und den anderen Stier dem Poseidon, Aber ein Rind von der Heerde der Herrscherin Pallas geweihet: Nahmen wir, Haufen an Haufen, zuerst in dem Heere das Spätmal,

730

Und dann lagerten wir uns in der Rüstung jeder zu ruhen,

Längs an den Fluten des Stromes.

Indeß die erhabenen Epeer

Standen umher um die Stadt und begehrten, sie ganz zu zerstören; Aber sie fanden zuvor noch Ares schreckliche Arbeit! Denn als über das Land nun Helios leuchtend emporstieg,

735

Gingen wir vor zu dem Kampf mit Gebet zu Zeus und Athene.

Als nun aber die Schlacht der Epeer-und Pylier anhub:

Schlug ich der erste den Mann und gewann mir die stampfenden Rosse, Mulios, der, speerkundig, ein Eidam war von Augias,

Mit Agamede, der blonden, der ältesten Tochter vermälet,

740

Die mit den heilenden Kräutern des Erdreichs allen bekannt war.

Diesen erlegt" ich, indem er heran kam, gleich mit dem Speerwurf.

Und in den Staub hin stürzt' er, und ich sprang schnell in den Wagen, Stand in den vordersten Reihn, und es stöhn die erhab'nen Epeer,

Alle zerstreut mit Entsetzen, nachdem sie der Reisigen Führer

745

Fallen gesehn, der weit in dem Kampf sich vor Allen hervorthat.

Doch i ch drang in die Schaaren hinein, wie dunkeler Sturmwind. Fünfzig Wagen gewann ich, und zwei der Epeer in jedem

Knirschten den . Staub mit den Zähnen, von mir mit dem Speere geschlagen. Aktors Söhn' auch hätt' ich, die zwei Molionen getödtet,

750

Hätte sie nicht ihr Vater, der Erderschüttrer Poseidon

Dicht mit Nebel umhüllet und aus dem Gefecht sie gerettet. Da gab Zeus der Kronide den Pyliern herrlichen Siegsruhm;

Denn wir verfolgten sie immer im weit sich erstreckenden Feld hin,

Schlugen sie selber zu Boden und sammelten herrliche Waffen, Bis wir die Rosse gejagt zu Buprasions Waizengefilden Und dem Olenischen Felsen, woselbst er Alisios Hügel

Heißt: da wandte das Volk zu der Rückkehr Pallas Athene.

15*

755

238

Ilias.

Dort nun schlug ich den letzten und ließ ihn; indeß die Achäer Wandten der Rosse Gespann von Buprasion wieder gen Pylos,

760

Preisend mit Lob von den Ewigen Zeus, von den Sterblichen Nestor.

So war ich in dem Volk — ja, war's einst! Aber Achilleus Freut sich allein nur selber der Kraft!

Doch, wahrlich, er weint wohl

Bitterlich, denk' ich, einmal, wann Argos Völker gefallen!

Theuerer, sieh, dich ermahnte Menötios also des Tages,

765

Als er dich sandt' aus Phthia zu Atreus Sohn Agamemnon,

Da wir ja beide darinnen, ich selbst und der hohe Odysseus All die Ermahnungen hörten im Haus dort, die er dir mitgab.

Denn zu des Peleus Hause, dem wohnlichen, kamen wir beide,

Volk in Achaja, dem Lande der lieblichen Frauen, zu sammeln.

770

Da nun sanden wir dort den Menötios drinnen, den Helden,

Dich und Achilleus auch: und der Rossebezähmende Peleus

Brannte dem Donnerer Zeus die gemästeten Schenkel der Stiere In dem umschlossenen Hof, und er sprengt' aus goldenem Becher

Funkelnden Wein aus über die lodernde Flamme des Opfers, Während ihr zwei mit dem Fleische bemüht wart.

775

Und in dem Vorthor

Standen wir zwei: da kam in Bestürzung- eilig Achilleus,

Führet' uns beid' an den Händen hinein, bat dort uns zu sitzen,

Und er bewirthet' uns gastlich, so wie es mit Fremden der Brauch ist.

Aber nachdem wir darauf an der Speis' und dem Trank uns erfreuet, 780 Forderte ich euch auf, und ich sprach euch zu, uns zu folgen.

Gern auch wolltet ihr, und es ermahneten dringend die zwei euch. Seinen Achilleus erst ermahnte der greifende Peleus,

Immer der erste zu sein und der trefflichste unter den Andern; Aber zu dir sprach also Menötios, Aktors Erzeugter:

785

Theuerer Sohn, von Geschlecht zwar ist wohl edler Achilleus, Aelter indeß bist du, auch kräftiger ist er um Vieles; Rede du aber ihm zu mit verständigem Wort und ermahn' ihn, Daß du ihn lenkest, er wird dir gewiß zu dem Besseren folgen.

Also ermahnte der Greis; du vergaßest es!

Aber so sprich doch

790

Elft.er

Gesang.

229

Jetzt auch noch mit dem tapfern Achilleus, ob er dir folget. Denn wer weiß, ihm beweget vielleicht dein Wort mit der Gottheit Hülfe das Herz; gut ist ja vom Freund der verständige Zuspruch.

Wenn ihn jedoch in dem Herzen vielleicht wo ein Götterbescheid schreckt,

Oder die würdige Mutter von Zeus ihm Befehle gebracht hat:

795

Nun, dann send' er doch dich, und das Myrmidonische Volk auch Komme zugleich mit, ob du ein Licht für die Danaer werdest.

Auch sein Waffengeschmeide verleih er im Kampf dir zu tragen, Ob dich für ihn ansehend vielleicht von dem Kampfe die Troer Abstehn, und von der Noth sich die tapferen Männer Achajas

800

Etwas erholen und ruhen, und wär's nur wenig, vom Kampfe.

Leicht auch drängtet ihr Frischen die Kampfesermüdeten Männer Wieder zurück zü der Stadt und hinweg von den Schiffen und Zelten.

Also sprach er zu ihm und erregt' ihm das Herz in dem Busen.

Und er enteilt' an den Schiffen entlang zu dem hohen Achilleus.

805

Als nun aber Patroklos im Lauf zu des edlen Odysseus Schiffen gelangt', an denen der Platz für Gericht und Versammlung War und wo sie Altäre zugleich für die Götter erbauet:

Kam Eurypylos dort, der erhabene Sohn des Euämon,

Grad' ihm entgegen, indem er, vom Pfeil in den Schenkel getroffen,

810

Weghinkt' aus dem Gefecht, und der Schweiß rann naß ihm vom Haupte Und von den Schultern hinab, und hervor aus schmerzender Wunde

Nieselt' ihm dunkel das Blut; doch hatt' er im Geist die Besinnung.

Mitleidsvoll sah diesen Menötios tapferer Sprößling, Und er begann wehklagend und sprach die geflügelten Worte:

815

Weh euch, ihr der Achäer unglückliche Führer und Pfleger!

Solltet ihr so, von den Freunden so fern und dem Lande der Heimat,

Fraß von dem blühenden Fleische den Troischen Hunden gewähren? Aber, o göttlicher Held Eurypylos, sage mir dieß nur,

Halten denn noch die Achäer den übergewaltigen Hektor, Oder erliegen sie vor ihm bereits, mit dem Speere bezwungen?

Und der verständige Held Eurypylos sagte dagegen:

820

230

Ilias,

Gar kein Heil giebts mehr für die Danaer, edler Patrokloö; Sondern sie stürzen gewiß nun bald in die dunkelen Schiffe.

Denn sie alle bereks, die sonst die gewaltigsten waren,

825

Liegen ja wund von dem Hieb und Geschoß von den Armen der Troer

Hier in den Schiffen, und jenen erhöht sich beständig die Kampfwuth. Doch mich führe du rettend hinab zu dem dunkelen Schiffe,

Schneide den Pfeil von der Hüfte mir aus, und vom dunkelen Blut dann Wasche mit laulichem Wasser sie rein, auch lege mir Heilkraut,

830

Linderndes auf, wie du's von Achilleus, sagt man, gelernt hast, Welchen es Chiron gelehrt, der gerechteste von den Kentauren.

Denn Podalirios mit dem Machaon, unsere Aerzte, Sind ja, in seinem Gezelt, so glaub' ich, der eine verwundet,. Wo er des kundigen Arztes wohl selbst auch brauchet und daliegt;

835

Aber der Andre bestehet des Ares Wuth im Gefild dort. Und der gewaltige Sohn des Menötios sagte dagegen: Was soll jetzo geschehn?

Was machen wir, Sohn des Euämon?

Denn zu Achilleus geh ich, dem mächtigen, um ihm zu sagen,

Was der gerenische Nestor, der Hort der Achäer, mir auftrug.

840

Aber ich werde dich doch in der Noth hier nimmer verlassen! Sprach es und unter der Brust umfaßt' er und führte den Herrscher

In sein Zelt, und es breitet' ein Freund schnell Häute der Stier' aus. Hierauf legt' er ihn nieder und schnitt mit dem Messer den scharfen,

Bitteren Pfeil von dem Schenkel ihm aus; von dem dunkelest Blut dann 845 Wusch er mit laulichem Wasser ihn rein; dann legt' er das bittre, Lindernde Kraut, mit den Händen zermalmt, auf, welches die Schmerzen

Alle bezwang; da stockte das Blut und die Wunde verharrschte.

Zwölfter Gesang. war in dem Zelte der tapfere Menötiade

Um Eurypylos Wunde bemüht.

Dort kämpften indessen

Mit den Achäern in Haufen die Troischen Völker, und nicht mehr

Sollte der Graben sie halten und nicht die gewaltige.Mauer,

Die sie umher um die Schiffe gebaut und den Graben gezogen,

5

Ohne die Götter zu ehren mit herrlichen Festhekatomben, Daß sie im Innern sie selbst und die eilenden Schiff' und der Beute

Menge beschirmte: sie hatten sie nicht mit der ewigen Götter

Willen gebaut: drum sollte sie auch nicht lange bestehen. Weil noch Hektor lebt' und Achilleus zürnt' und des Königs

10

Priamos Stadt noch nicht hinsank in der grausen Zerstörung: Nur so lang' auch stand das gewaltige Werk der Achäer.

Aber nachdem von den Troern die Tapfersten alle gefallen, Und von den Danaern viel, die todt, die übrig geblieben, Priamos Stadt dann auch in dem zehenten Jahre zerstört war,

15

Und zu dem Lande der Väter die Danaer wieder gesegelt:

Da war's fester Beschluß des Poseidon und des Apollon, Aller der Ströme Gewalt zu des Bau's Umstürze zu leiten,

Die von des Ida Gebirge hinab zu dem Meer sich ergießen: RhesoS und Heptaporos mit dem Rhodios und dem Karesos, Mit dem Granikos Skamandros, den göttlichen, und den Aesepos,

Simo'is auch, wo mit dem Geschlecht halbgöttlicher Männer, Zahllos Helm' in den Staub Hinsanken und Schilde von Stierhaut. Alle sie wandte zusammen vereiniget Phöbos Apollon

20

232

Ilias.

Gegen die Mauer hinab mit dem Strom, neun Tag', und Kronion

25

Regnete stets, um schneller den Wall in die Fluten zu stürzen.

Aber der Ländererschütterer selbst, in den Händen den Dreizack, Stürmte voran, und von Grund aus warf er die Blöck' und die Steine

All' in das Meer, die stöhnend der Danaer Hände gelagert, Machte die Ebene glatt an dem reißenden Hellespontos,

30

Hüllte das weite Gestade darauf rings wieder in Sand ein, Als er die Mauer zerstört; dann hieß er die Ströme zurückgehn,

Da, wo jeder zuvor hinfloß mit dem schönen Gewässer. Dieß nun wollte Poseidon nachher thun mit dem Apollon.

Doch jetzt loderte wild das Gefecht um den mächtigen Wall her

35

Tobend, es ächzte der Thürme Gebälk, von den Würfen getroffen, Und das Achäische Volk, von Kronions Geißel gebändigt, War an den wölbigen Schiffen zusammengedrängt in die Enge,

Zagend vor Hektor, der mit Gewalt in der Flucht sie dahin trieb.

Wie auch sonst war der in dem Kampf dort ähnlich dem Sturmwind.

40

So wie, wann in der Mitte der Hund' und der jagenden Männer,

Voll von trotziger Kraft, sich ein Leu dreht oder ein Wildschwein,

Und sie umstehen in Haufen ihn rings, sich einander ermunternd,

Bieten die Stirn ihm und schleudern Geschoss' in unendlicher Menge Gegen ihn ab mit der Faust; doch er in dem muthigen Herzen

45

Bebet und zagt nicht; doch sein Muth dann tödtet ihn endlich.

Vielfach dreht er sich, und er versucht sich die Reihen der Männer;

Aber die Reihen der Männer entfliehn, auf die er sich h.instürzt: So schritt Hektor umher im Gedräng und ermahnte die Freunde,

Ueber den Graben hinüber zu gehn.

Doch alle die Rosse

50

Wagten es nicht; laut schrien.sie und wieherten, wann sie des Randes Saum sich genaht: es erfüllte mit Furcht sie die Breite des Grabens,

Welchen hinüber zu springen Gefahr und hinüber zu laufen Schwer war; denn es erhoben sich steil aufsteigend die Randhöhn

Längshin, drüben und hier, und er war mit den spitzigen Pfählen Oben am Rande besetzt, die Achajas Söhne gestellet,

55

Zwölfter Gesang.

233

Dicht an einander und- groß, zum Schutz vor dem feindlichen Angriff. Da ging schwerlich ein Roß, an den rollenden Wagen gespannet, Drüber, und Männer zu Fuße bedachten sich, ob sie es könnten.

Aber Polydamas nahet' und sprach zu dem muthigen Hektor:

60

Hektor und all' ihr Führer des Troischen Volks und der Freunde,

Denkt nicht, über den Graben die flüchtigen Rosse zu treiben! Wahrlich, es käm schwer einer hindurch; denn spitzige Pfähle

Stehen darin, und dahinter erhebt sich der Danaer Mauer. Da fährt keiner hinab, noch kämpft er mit seinem Gespann dort;

65

Denn da ist's bei weitem zu eng und wir kämen zu Schäden. Ja, wenn Jener Verderben der hochher donnernde Zeus will,

Daß er sie gänzlich vertilgt und gewährt uns Troern den Beistand: Nun, dann möcht' ich gewiß, daß gleich dieß also geschähe, Daß sie mit Schmach hier fielen die Danaer, ferne von Argos!

70

Sollten sie aber sich wenden, und uns von den Schiffen im Angriff Wieder verfolgen, so daß wir uns hier in dem Graben verwirrten: Dann käm, glaub' ich gewiß, wohl selbst kein Bot' in die Stadt mehr Wieder von hinnen zurück vor der Danaer drängenden Schaaren.

Aber wohlauf jetzt, folgt mir und thut, so wie . ich es rathe.

75

Gebet den Wagengenossen die Ross' an dem Gräben zu halten; Doch wir selber zu Fuße, bewehrt mit der völligen Rüstung,

Folgen dem Hektor Alle vereiniget, und die Achäer Stehen gewiß nicht, sehen sie sich an dem Rand des Verderbens.

Sprach es, und Hektor gefiel des Polydamas trefflicher Vorschlag,

60

Und-mit der Rüstung sprang er sogleich an die Erde vom Wagen.

Auch kein anderer Troer verweilt' in dem Wagen; hernieder Sprangen sie alle, so wie sie es sahn von dem göttlichen Hektor.

Und sie empfahlen, ein jeder dem eigenen Wagengenossen, Dort an dem Graben die Ross' in geordneter Reihe zu halten, Theilten darauf sich und, wieder in fünf Schlachthaufen geordnet,

Schaarten sie selbst sich zusammen und reiheten sich um die Führer.

Und mit dem Hektor und des Polydamas heiliger Stärke,

85

234

Ilias.

Gingen die meisten und besten und die vor den Andern die Mauer Niederzustürzen und Kampf an den wölbigen Schiffen begehrten.

90

Auch Kebriones folgt' als dritter, indem ein Gering'rer, Als Kebriones dort mit des Hektor Wagen zurück blieb. Andre befehligte Paris, Alkathoos auch und Agenor, Helenos Andere dann und De'i'phobos, göttlicher Bildung,

Beide des Priamos Söhn', und es führt' auch Astos diese,

95

Asios, Hyrtakos Sohn, den fern vou den Fluren Arisbes Feurige, mächtige Rosse geführt von dem Strome Selle'is. Ueber die Vierten gebot des Anchises herrlicher Sprößling,

Held Aeneas zugleich mit Antenors Söhnen, den beiden,

Akamas und dem Archelochos, tüchtig in jeglicher Kampfart.

100

Dann Sarpedon führte die rühmlichen Bundesgenossen,

Der sich den Glaukos gesellt und den tapferen Asteropäos;

Denn die schienen ihm ohne Vergleich vor den anderen Männern

Nach ihm die Tapfersten; aber er selbst war herrlich vor Allen. Als nun die sich zusammen gedrängt mit den Schilden von Stierhaut, 105

Stürmten sie grad' aus gegen die Danaer an, in der Hoffnung, Nicht mehr stünden sie, sondern entstöhn zu den dunkelen Schiffen.

Da nun folgten die Troer und ferneberuf'nen Genossen

Alle Polydamas Rathe, des trefflichen: Hyrtakos Sohn nur, Asios, Führer der Männer, vermochte sich nicht zu entschließen,

110

Daß er die Rosse daselbst mit dem Wagengenossen zurück ließ; Sondern er eilte mit ihnen hinan zu den dunkelen Schiffen. Thöricht!

Nie mehr sollt' er, den grausigen Keren entflohen,

Prangend im Wagen mit seinem Gespann von den eilenden Schiffen Wieder nach Haus umkehren zu Ilios luftigen Höhen;

115

Denn es umhüllt' ihn mit Dunkel zuvor feindselig das Schicksal

-



Unter Jdomeneus Lanze, des herrlichen Deukalionen.

Und zu der Linken der Schiffe gewandt, dort, wo die Achäer Aus dem Gefild herkamen mit flüchtigen Rossen und Wagen, Trieb er die Ross' und den Wagen hindurch, und die Flügel der Thore 120

Zwölfter

Gesang.

235

Fand er daselbst noch offen und frei von dem mächtigen Riegel. Männer bewachten die off'nen, damit sie vielleicht von den Freunden Manchen erretteten, der von dem Kamps zu den Schiffen heranstoh. Dorthin trieb er im Dünkel die Ross' und es folgten ihm Viele

Laut aufschreiend, sie meinten, die Danaer hielten sich nicht mehr;

125

Sondern sie. stürzten sich jetzt in der Flucht in die dunkelen Schiffe.

Thoren!

Sie fanden daselbst zwei tapfere Männer am Eingang,

Beide die muthigen Söhne der Speeresgewalt'gen Lapithen, Mit des Pirithoos Sohne, dem mächtigen Held Polypötes

Noch den Leonteus, Ares, dem Menschenvertilger vergleichbar.

130

Die nun standen daselbst vor den hochaufragenden Thoren,

So wie Eichbäum' in dem Gebirg mit erhabenen Wipfeln, Welche beständig im Regen und Sturm..ausharren und feststehn, Auf die gewaltigen Wurzeln gestützt, die weit sich umher ziehn:

Also erwarteten, in dem Vertraun auf die Arm' und die Kräfte,

135

Jene des Asios Sturm, des Gewaltigen, ohne zu zagen. Die nun eilten gerade hinan zu der mächtigen Mauer Mit den geschwungenen Schilden der Stier' und. dem hallenden Schlachtruf,

Asios selbst, der Gebieter, Jamenos mit dem Orestes,

Adamas, Asios Sohn, und Oenomaos mit ihm und Thoon.

140

Die dort sprachen indessen den wohlumschienten Achäern

Muth ein drinnen und spornten sie an zu dem Kampf für die Schiffe.

Aber indem sie die Troer sich sahn nun gegen den Wall her Stürzen und laut aufschreiend der Danaer Schaaren dahinstohn:

Stürmten die beiden im Sprunge hinaus, und sie kämpften am Eingang, 145 Gleich zwei grimmigen Ebern des Walds, die in der Gebirgsschlucht Feststehn gegen der Hund' und der jagenden Männer Getümmel.

Seitwärts stürzen sie beide heran und zerbrechen den Waldwuchs,. Den sie vom Grund abfegen, und weithin hallet der Hauer

Lärm, bis einer der Männer sie trifft und des Lebens beraubet: So hallt' ihnen das Erz um die Brust und die glänzende Rüstung Unter der Feinde Geschoß; denn machtvoll kämpften sie: droben

150

236

Ilias.

Ihren Genossen zugleich und der eigenen Stärke vertrauend. Denn die warfen von oben herab von den mächtigen Thürmen

Lastende Steine, für sich und die eilenden Schiff' und die Zelte Rettung erkämpfend.

155

So wie oft Schnee zu der Erde herabsällt,

Welchen der Wind, der sausend die schattenden Wolken erschüttert, Auf das ernährende Land ausgießt in gedrängtem Gestöber:

Also entflogen daselbst von der Danaer und von der Troer

Händen Geschoss', und es krachten umher dumpf dröhnend die Helme

160

Und die genabelten Schilde vom Wurf der gewaltigen Männer. Da rief laut wehklagend und schlug sich im Schmerz an die Hüften Asios, Hyrtakos Sohn, und er sprach unmuthigen Herzens:

Vater Kronion, fürwahr, auch du scheinst jetzo an Lügen

Dich zu erfreun: nie glaubt' ich, die muthigen Helden AchajaS

165

Würden bestehen vor unsrer Gewalt und den schrecklichen Händen; Diese jedoch, wie Bienen und schillernde, schmächtige Wespen, Die sich die Zellen gebaut in des felsigen Weges Zerklüftung, Richt den gehöhleten Bau in der Furcht vor den Männern verlassen,

Sondern die Jäger erwartend den Kanrpf für die Jungen bestehen:

170

So auch wollen ja diese, die zwei nur, nimmer vom Eingang Weichen, bevor sie gefallen im Kampf sind oder gefangen.

Sprachs; doch rührten die Wort' in dem Inneren nicht den Kronion;

Denn er beschloß in dem Herzen, dem Hektor Ruhm zu verleihen.

Andere kämpften indessen den- Kampf an den. anderen Thoren;

175

Aber zu schwer ist's mir, wie ein Gott, dieß Alles zu melden. Rings umher um die Mauer von Stein stieg lodernde Glut auf,

Und die Achäer im Zwange der Roth und der schweren Bedrängniß,

Schirmten die Schiff', und die Götter bedauerten sie in dem Herzen Alle so viel in dem Kriege die Danaer schirmten mit Beistand.

Doch die Lapithen begannen den Kampf und der Waffen Entscheidung. Und des Pirithoos Sohn, der gewaltige Held Polypötes

Warf mit dem Speer durch Damasos Helm mit den ehernen Wangen,

Daß ihn der eherne Helm nicht abhielt; sondern das Erz fuhr

180

Zwölfter G e s a n g.

237

Schneidend hindurch, in den Schädel hinein, und das Hirn in dem Innern 185 Ward mit dem Blute vermischt: so schlug er ihn, da er heransprang.

Dann auch Pylon nachher und dem Ormenos raubt' er die Rüstung.

Und des Antimachos Sohn, den Hippomachos traf mit dem Speerwurf Unten hinein an dem Gürtel des Ares Sprosse Leonteus.

Und sein schneidendes Schwert dann zog er sogleich von der Scheid' aus, 190

Und den Antiphates traf er zuerst, in den Haufen gesprungen, Ganz ihm genaht, so daß er zurück an den Boden dahin sank. Aber den Menon darauf, den Jamenos und den Orestes Streckt' er, den Einen am Andern, dahin an die nährende Erde.

Während sie hier nun diese der glänzenden Waffen beraubten,

195

Folgten die Anderen dort dem Polydamas nach und dem Hektor,

Alle die meisten und besten und die vor den Andern die Mauer Niederzustürzen und Glut in die Schiffe zu werfen begehrten.

Aber sie standen, dem Graben genaht, unschlüssigen Herzens. Denn sie gedachten, hinüber zu gehn: da nahte sich hochher

200

Fliegend den Schaaren ein Aar, der links hinstreifend am Kriegsvolk, Eine gewaltige Schlang' in den Klau'n trug, lebend.und blutroth,

Die noch zappelnd sich sträubte, der Kampflust nimmer vergessend. Denn, wie jener sie hielt, durchstach sie, nach oben gekrümmet,

Ihm an dem Halse die Brust, und er warf sie herab an den Boden,

205

Heftig gequält von dem Schmerz, nnd sie fiel in die Mitte des Haufens,

Während er selbst mit dem Wehen des Winds laut schreiend davon flog.

Und eS erbebten die Troer, indem sie die ringelnde Schlange

Sahn daliegen, das Zeichen deö Aegisbewehrten Kronion.

Aber Polydamas trat zu dem muthigen Hektor und sagte:

210

Stets wohl tadelst du mich in der Männerversammlung, o Hektor,

Geb' ich den besseren Rath, und es ist auch nimmer geziemend, Daß von dem Volke der Mann in dem Rath, so wie in dem Kampf auch,

Gegen dich redet: er muß dein Ansehn immer vermehren; Jetzo indeß nun red' ich so wie's mir am besten zu sein scheint. Laß uns nicht zu dem Kampf vorgehn.um der Danaer Schiffe;

215

238

Ilias.

Denn mir scheint's: so wird es sich endigen, wenn in der Wahrheit, Da wir gedachten, hinüber zu gehn, der Vogel für uns kam,

Hochher schwebend der Aar, der links hinstreifend am Kriegsvolk, Eine gewaltige Schlang' in den Klau'n trug, lebend und blutroth.

220

Schnell dann warf er sie nieder, bevor er nach Hause gekommen,

Und er vermochte sie nimmer den theueren Jungen zu bringen. So auch wir: durchbrechen wir auch mit gewaltiger Stärke

Mauer und Thor der Achäer und weicht,das Achäische Kriegsvolk: Kommen wir nimmer geordnet desselbigen Wegs von den Schiffen.

225

Denn viel Troer verlassen wir hier, von dem Erz der Achäer Niedergeworfen, indem sie den Kampf für die Schiffe bestehen.

Also erklärt' es ein Seher gewiß, der hell in dem Geiste

Zeichen versteht, zu erkennen, so daß ihm die Völker gehorchen. Da sprach finsteren Blickes der Helmbuschnickende Hektor:

230

Nimmer gefällt dieß mir, o Polydamas, was du gesprochen,

Und du vermagst auch andern und besseren Rath zu ersinnen! Wenn du jedoch dieß wirklich in völligem Ernste gesagt hast:

Ja, dann raubten dir deinen Verstand die Unsterblichen selber, Da du verlangst, die Beschlüsse des donnernden Zeus des Kroniden

235

Soll ich vergessen, so wie er mir selbst mit dem Wink sie gelobt hat.

Du willst, daß ich den Vögeln mit mächtigen Schwingen gehorche? Nicht im Geringsten bekümmern sie mich und ich achte sie gar nicht,

Mögen sie rechtshin fliegen dem Helios zu und der Eos,

Oder nach links auch hin, zu dem nächtlichen Dunkel gewendet!

240

Wir sind voller Vertraun auf Zeus, des Gewaltigen Rathschluß, Welcher die Sterblichen all' und die ewigen Götter beherrschet.

Gut ist nur ein Zeichen: das Vaterland zu beschirmen! Doch was zagst du so vor dem Kampf und der Waffen Entscheidung? Mögen wir alle, wir Andern umher an der Danaer Schiffen

Todt daliegen; für dich ist keine Gefahr, zu verderben;

Denn dir fehlet das Herz, um den Feind zu erwarten im Kampfe! Wenn du jedoch dem Gefecht dich entziehn wirst oder der Andern

245

Zwölfter

Gesang.

239

Einen mit Worten bereden, so daß du vom Kampf ihn zurückschreckst: Wahrlich, so trifft mein Speer dich sogleich, und du hauchest die Seel' aus! 250

Also sprach er' und eilte voran: gleich folgten die Andern Alle mit lautem Geschrei, und der donnererfreute Kronion Ließ von des Ida Gebirgen herab hellsausenden Sturm wehn,

Welcher gerad' auf die Schiffe den Staub trieb: in den Achäern

Dämpft' er den Muth und den Troern und Hektor gab er den Siegsruhm. 255

Also den Zeichen von ihm und der eigenen Stärke vertrauend, Suchten sie nun der Achäer gewaltige Mauer zu brechen, Rissen die Zinnen der Thürme herab und zerstörten die Brustwehr,

Stürzten mit Hebeln die Stützen des Walls um, die die Achäer Erst als Grund in die Erde gesenkt, um die Thürme zu halten:

260

Diese zerstörten sie, hoffend, der Danaer Mauer zu stürzen. Aber es wichen noch immer die Danaer nicht von der Stelle;

Sondern die Brustwehr schirmend, bewehrt mit den Schilden von Stierhaut, Trafen von dort sie den Feind, der gegen die Mauer Herandrang.

Aber die Ajas beide, Befehl in den Mauern ertheilend,

265

Flogen beständig umher und ermuthigten Argos Kriegsvolk.

Diesen ermahnten sie freundlich und schmäheten heftig den Andern,

Wen sie vielleicht wo sahen sich ganz vou dem Kampfe zurückziehn. Freund', ihr Tapfersten unter dem Volk und die Mittleren, ihr auch, Die ihr die Schwächeren seid, da nie in dem Kampfe die Männer

270

Alle sich gleich sind: jetzt ist Arbeit hier für uns Alle!

Auch ihr selber erkennt dieß wohl: drum wende sich Niemand Gegen die Schiffe zurück, der hört, wie der uns bedrohet;

Sondern nach vornhin drängt und ermahnt euch unter einander, Ob eS der blitzende Zeus der Olympier wohl uns verleihn will,

275

Daß wir den Kampf abwehrend, den Feind fortdrängen der Stadt zu! Also ermahnten und trieben die zwei die Achäer zu kämpfen.

Dort nun, wie das Gestöber des Schnees in der winternden Jahrszeit

Drängend herabfällt, wann der berathende Zeus sich, erhebet, Daß er mit seinem Geschoß in dem Schnee sich den Menschen verkünde, 280

240

Ilias.

Und er gebietet den Winden, zu ruhn und ergießt ihn beständig, Bis er der Berghöhn Gipfel und äußerste Spitzen bedeckt hat, Und die Gefilde mit Klee und der Sterblichen üppige Fluren;

Selbst an dem graulichen Meere bedeckt er den Strand und die Häfen; Doch da wehret ihm nahend die Flut; sonst hüllt er von oben

285

Alles umher ein, wann ihn Kronions Schauer herabdrängt.

Also flogen von hier und von dort Feldsteine die Menge Gegen die Troer und gegen die Danaer hin von den Troern,

Die sich trafen, und laut scholl rings das Getös um den Wall her. Dennoch hätten die Troer vielleicht und der glänzende Hektor

290

Nimmer die Thore der Mauer gesprengt und den mächtigen Riegel, Trieb nicht Zeus, der Berather, den eigenen Sohn, den Sarpedon,

Gegen die Danaer, so wie ein Leu auf Rinder sich hinstürzt.

Vor sich hielt er sogleich sein Schild von gerundeter Wölbung, Schön aus Erze getrieben, vom Waffenschmiede gehämmert,

295

Der ihn im Inneren dicht ausschlug mit den Lagen von Stierhaut, Fest an die goldenen Stäbe gefügt, die rings ihn umzogen.

Den nun hielt er sich vor, und er sprang, zwei mächtige Lanzen Schwingend, heran wie ein Löwe des Bergwalds, welcher das Fleisch schon

Länger entbehrt, und es treibt ihn das muthige Herz, an dem Schafvieh 300

Sich zu versuchen und in die geschlossene Hürde zu dringen. Denn wiewohl er darinnen den hütenden Männern begegnet, Die mit den Hunden die Schafe, bewehrt mit den Spießen, bewachen,

Meinet er doch nicht, ohne Versuch von dem Stalle zu weichen; Sondern er raubt sie entweder im Angriff oder ihn trifft auch

305

Selber sogleich beim ersten die rüstige Faust mit dem Wurfspieß.

So trieb's dort in der Seele den göttlichen Helden Sarpedon, Gegen den Wall anstürmend, die Brustwehr niederzureißen.

Also begann er sogleich zu Hippolochos Sohne, dem Glaukos:

Glaukos, weshalb werden wir zwei vor den Andern geehret,

So durch Sitz, als Fleisch an dem Mal und gefüllte Pokale

Dort in Lykia, wo uns das Volk gleich Himmlischen anschaut?

310

Zwölfter

Gesang.

241

Land auch haben wir viel zu bebaun an den Ufern des Xanthos, Schön zu bepflanzen und reich an gesegneten Waizengefilden. Deshalb müssen wir jetzt in der Lykier vordersten Schlachtreihn

315

Beide vereiniget stehen, dem tobenden Kampf zu begegnen,

Daß wohl einer im Volk der gepanzerten Lykier sage:

Nein, nicht rühmlos herrschen sie doch in der Lykier Land dort, Unsere Fürsten, und nähren sich mit den gemästeten Schafen

Und dem erfreuenden Wein, dem erlesensten, sondern die Kraft auch

320

Zeichnet sie aus, und sie stehn in der Lykier vordersten Reihen.

Ja, Freund, sollten wir, wenn wir dem Kampf hier wären entronnen, Immer in Zukunft leben, in ewiger Jugend, unsterblich:

Niemals stünd' ich so leicht wohl selbst in den vordersten Kampfreihn,

Noch auch trieb ich ja dich in die Männererhebende Feldschlacht!

325

Jetzo indeß, da doch die unzähligen Keren des Todes

Drohen, vor denen sich keiner der Sterblichen fliehend errettet:

Komm! laß Anderer Ruhm uns verherrlichen oder den Unsern! Sprach es, und Glaukos entzog sich ihm nicht, gleich folgt' er ihm willig.

Vorwärts stürmten sie beide, gefolgt von der Lykier Schaaren:

330

Und mit Entsetzen erblickte des Peteos Sohn sie, Menestheus; Denn ihm nahten .die beiden, ihm Unheil drohend, im Thurm dort.

Und um den Thurm her schauet' er, ob er der. Danaer Fürsten

Einen erspähete, der in der Noth die Genossen beschirmte. Und die Ajanten erblickt' er, die nicht zu ermüdenden Kämpfer,

335

Die da standen und Teukros zugleich, der aus dem Gezelt trat,

Nah zwar, dennoch vermochte sie nicht sein Ruf zu erreichen. Denn das Getös war groß, und es stieg zu dem Himmel der Lärm auf

Von den getroffenen Schilden und Mähnenumwalleten Helmen

Und den verschlossenen Thoren des Walls, vor welchen sie standen Und mit Gewalt sie zu sprengen und durch zu gelangen versuchten. Und zu dem Ajas entsandt' er sogleich den Thootes, den Herold:

Lauf mir, o edler Thootes, geschwind hin, rufe den Ajas,

Oder die beiden zugleich; das wär bei weitem am besten,

340

242

Ilias.

Well sich gewiß bald hier ein entsetzliches Morden erhebet.

345

Denn hier drängen die Fürsten der Lykier, welche von jeher

Muthige Herzen bewährt in dem wüthenden Schlachtengetümmel. Wenn sie jedoch auch dort das Gefecht und die Mühe des Kampfs drängt:

Komme des Telamon Sohn doch allein, der gewaltige Ajas, Und auch Teukros komme zugleich mit dem treffenden Bogen.

350

Also sprach er zu ihm, und der Herold hört' und gehorcht' ihm, Lief längs hin an der Mauer der Erzumwehrten Achäer,

Kam zu den beiden Ajanten und nah hin trat er und sagte:

Höret, Ajanten, ihr Führer der Erzumwehrten Achäer,

Peteos theuerer Sohn, des erhabenen sandte mich zu euch,

355

Daß ihr, und wär's nur wenig, dem Kampf dort möchtet begegnen,

Lieber ihr beide zugleich: das wär bei weitem am besten, Weil sich gewiß bald dort ein entsetzliches Morden erhebet.

Denn da drängen die Fürsten der Lykier, welche von jeher Muthige Herzen bewährt in dem wüthenden Schlachtengetümmel.

360

Wenn euch selber jedoch das Gefecht und der heftige Kampf drängt: Komme des Telamon Sohn doch allein, der gewaltige Ajas, Und auch Teukros komme zugleich mit dem treffenden Bogen. Sprach es, und gern kam Ajas, der mächtige Telamonide.

Und zu O'lleus Sohne begann er die flüchtigen Worte:

365

Ajas, du bleib hier und der wackere Held Lykomedes! Stehet ihr fest und ermahnet die Danaer, tapfer zu streiten;

Doch ich gehe zu Jenen dahin und begegne dem Kampf dort.

Schnell dann komm' ich zurück, wann sie vollkommen geschützt sind. Also sprach und enteilte der mächtige Telamonide;

370

Teukros folgt' ihm, der Bruder, gezeugt von denselbigen Eltern, Und Pandion zugleich mit des Teukros krummen Geschosse.

Als sie nunmehr in dem Innern des Walls zu des edlen Menestheus

Thurme gekommen, fürwahr, da fanden sie die in Bedrängniß! Denn zu der Brustwehr stiegen bereits, wie düsterer Sturmwind,

Muthig die Führer und Pfleger des Lykiervolks in die Höhe,

375

Zwölfter Gesang.

243

Und sie begannen sogleich das Gefecht und erhoben den Schlachtruf. Da warf Ajas vor Allen, der Telamonide, Sarpedons

Waffengenossen danieder, den muthigen Helden Epikles, Mit dem gewaltigen Stein, der hoch auf der inneren Mauer Zackig und groß da lag an der Brustwehr.

380

Schwerlich erhub' ihn

Leicht, auch mit zwei Händen ein Mann, selbst jugendlich kraftvoll,

Wie jetzt Sterbliche sind; doch der hob hoch ihn und warf ihn,

Brach in des Helms vierkupplig Gewölb und zermalmt' in dem Schädel

Alle Gebeine zugleich ihm, so daß er hinab, wie ein Taucher,

385

Fiel von der Höhe des Thurms: und der Geist floh aus den Gebeinen.

Dann traf Teukros Glaukos, Hippolochos tapferen Sprößling, Als er ihn angriff, mit dem Geschoß von der Höhe der Mauer,

Wo er den Arm bloß sah von dem Schild, und benahm ihm den Kampfmuth.

Aber er sprang ganz still von dem Wäll, daß von den Achäern

390

Keiner die Wunde gewahret' und jauchzendes Rufen erhübe. Doch Sarpedon erfüllt' es mit Schmerz, daß Glaukos hinweg ging;

Denn er bemerkt' es sogleich, doch mindert' es nicht ihm die Kampflust; Sondern nach Thestors Sohn, dem Alkmaon, stieß er die Lanze,

Traf ihn und zog sie zurück; und der, von dem Speere gezogen,

395

Stürzte nach vorn und es hallt' um ihn dröhnend die eherne Rüstung.

Und Sarpedon ergriff mit der nervichten Rechten die Brustwehr, Zog, und sie wich; ganz fiel sie hinab, und die Mauer von oben War nun bloß, und er hatte den Weg für die Schaaren geöffnet. Da traf Ajas zugleich ihn mit Teukros.

Der mit dem Bogen

400

Schoß ihm hinein in das blanke Gehenk des bedeckenden Schildes

Ueber der Brust; doch wandte vom Sohn Zeus schirmend das Schicksal. Und in den Schild traf Ajas im Sprung; doch drang ihm die Lanze Nicht ganz durch; sie erschüttert' ihn nur in dem stürmenden Angriff. Weniges trat er zurück von der Brustwehr; aber er wich doch

405

Nimmer ihm gänzlich: er hofft' in der Brust, er gewinne den Siegsruhm.

Und er begann laut rufend, gewandt zu den Lykischen Männern:

Lykier, wollet ihr so der gewaltigen Stärke vergessen?

244

JliaS.

Mir ist's wahrlich zu schwer, wiewohl ich ein kräftiger Mann bin,

Daß ich allein durchbrach, um den Weg zu den Schiffen zu bahnen.

410

Auf denn! folget mir: besser gelingt's, wenn Viel' an das Werk gehn! Also sprach er, und jm', aus Scheu vor des Königes Zuruf,

Drängten mit größerem Eifer sich hin um den herrschenden Führer;

Und die Argeer verstärkten von dorther sich in den Kampfreihn

415

Hinter der Mauer, und Allen erhob sich gewaltige Arbeit.

Weder der Lykier Stärke vermocht' es, der Danaer Mauer Nieder zu stürzen und Weg sich hindurch zu den Schiffen zu bahnen, Noch auch konnten die Kämpfer der Danaer Lykias Kriegschaar

Wieder vom Walle verdrängen, nachdem sie einmal ihm genahet;

420

Sondern, so wie zwei Männer im Streit sind wegen der Grenzung, Und mit dem Maß in der Hand auf gemeinsamer Scheide des Feldes

Stets mit einander sich hadern auf wenigem Raum um die Gleichung: Also schied auch jene die Brustwehr.

Ueber sie kämpfend

Stießen sie einer dem Andern die wölbigen Schilde von Stierhaut

425

Und die geschwungenen Tartschen entzwei um die Brust mit den Waffen.

Viel' auch wurden verwundet am Leib von dem schneidenden Erze: Einige, wann sie sich wandten im Streit und den Rücken entblößten, Andere wieder, und Viele, den Schild selbst durch, im Gefechte. Ringshin floß von den Männern das Blut dort hin an der Brustwehr 430

Und an den Thürmen, von hie und von dort, von Achäern und Troern.

Dennoch vermochten sie nicht, in die Flucht die Achäer zu treiben;

Sondern der Wagschal' ähnlich der Frau, die redlich um Lohn spinnt,

Wann sie die Schalen mit Woll' und Gewicht gleich macht, und sie wechselnd Beide beschwert, um den Kindern den ärmlichen Lohn zu gewinnen:

435

So zog jenen sich auch ganz gleich das Gefecht und der Kampf hin, Bis daß höheren Ruhm Zeus Hektor, Priamos Sohn, gab,

Welcher vor Allen zuerst eindrang in der Danaer Mauer. Laut durchdringend erhob er den Ruf zu den Schaaren der Troer: Auf, ihr reisigen Troer, hinan jetzt, reißt der Achäer

Mauer danieder und werfet die lodernde Flamm' in die Schiffe!

440

Zwölfter Gesang.

245

Also sprach er und trieb, und es drang zu den Ohren der Männer. Grad' an stürmten sie gegen den Wall und empor zu den Zinnen

Klimmten sie auf im Gedränge, die spitzigen Speer' in den Händen.

Da hob Hektor den Stein auf, der dort draußen am Thor stand,

445

Mächtig von unten und dick, doch spitz nach oben, und bracht' ihn.

Kaum wohl hätten ihn zwei von den kräftigsten Männern im Volke

Leicht zu dem Wagen hinauf von dem Boden gewälzt mit Hebeln,

Wie jetzt Sterbliche sind; den schleuderte jener allein hin; Denn es benahm ihm die Schwere der Sohn des verschlagenen Kronos. 450

Wie von dem Widder die Wolle der Hirt leicht nimmt mit der Rechten Und sie dahin trägt, daß ihn die Last nur wenig beschweret:

So nahm Hektor den Stein und gerad' an gegen die Bretter Trug er ihn, welche die fest einfugenden Thore verschlossen, Doppelt geflügelt, von zwei sich begegnenden Riegeln von innen

455

Wohl an einander gezwängt, durch die ein Bolzen hindurchging.

Dicht hin trat er und warf mit Gewalt in die Mitte des Thores,

Weit ausschreitend, damit sein Wurf noch kräftiger träfe. So nun brach er die Angeln hindurch, und es stürzte der Felsblock Lastend hinein; dumpf krachte das Thor weithin, und die Riegel

460

Hielten es nimmer; die Bohlen zerschmetterten hierhin und dahin Unter des Steines Gewalt.

Da sprang der gewaltige Hektor

Stürmend hinein, wie Grauen der Nacht, in dem funkelnden Erze Furchtbar, das ihm den Körper umschloß, zwei Speer' in den Händen, Daß wohl keiner so leicht ihn zurückhielt, der ihm begegnet,

465

Außer ein Gott selbst, da er mit flammendem Aug' in das Thor sprang.

Da nun wandt' er sich um im Gedräng und den Troern gebot er, Ueber die Mauer zu steigen, und schnell folgt' Alles dem Zuruf. Einige klimmten die Mauer hinauf gleich, Andere stürzten

Durch die gezimmerte Pforte hinein, und die Danaer flohen Hin zu den lpölbigen Schiffen: es war ein unendlicher Aufruhr!

470

Dreizehnter Gesang.

Aks NUN Zeus zu den Schiffen die Troer geführt und den Hektor, Ließ er an ihnen sie Mühen und Kampf ohn' Ende bestehen,

Wandte die stralenden Augen nach anderen Seiten, und schaute

Hin nach der reisigen Thraker Gebiet, zu den tapferen Mysern, Kämpfern von nah, zu dem edlen Geschlecht Hippomolgischer Männer,

5

Die nur Milch nährt, und zu der Abier edelstem Volke. Gar nicht wendet' er länger die stralenden Augen nach Troja, Weil er in seinem Gemüth nicht ahnete, einer der Götter Nahte den Troern sich oder dem Danaervolke mit Beistand.

Aber der Erderschütt'rer Poseidon spähete wachsam.

10

Denn der saß voll Staunen und sah das Gefecht und die Feldschlacht

Von dem erhabensten Gipfel der Waldumgrüneten Samos

Thrakias, sahe von dort aus ganz das Gebirge des Ida, Sahe des Priamoö Stadt und der Danaer dunkele Schiffe. Dort nun saß er, entstiegen dem Meer, voll Schmerz, die Achäer

15

Fallen zu sehn vor den Troern, und zürnete sehr dem Kronion.

Und er enteilte sogleich von dem zackigen Felsengebirge,

Mächtigen Schritts, und es bebte der Wald und die weiten Gebirgshöhn

Unter den Füßen des hohen Poseidon, wie er hinabging. Dreimal schwang er sich auf, und er stand mit dem Vierten am Ziele, Aegä, wo ihm der hehre Palast in den Tiefen des Sundes Stralend in goldenem Glanz, niemals zu vergehen, erbaut ist.

20

Dreizehnter Gesang.

247

Dorthin war er gelangt, und er schirrte die Ross' an den Wagen,

Schnelle, mit Hufen von Erz und von goldenen Mähnen umwallet.

Hüllte sich selbst in das gold'ne Gewand und die goldene, starke

25

Geißel ergriff er und trieb sie, nachdem er den Wagen bestiegen, Ueber die Flut.

Da sprangen die Unthier' alle des Abgrunds

Um ihn enrpor von den Tiefen, indem sie den Herrscher erkannten, Während das Meer frohlockend zurück trat; aber im Flug hin

Eilten sie, daß ihm die Are von Erz nicht naß von der Flut ward.

30

Also trugen die Noss' ihn im Sprung zu den Schiffen Achajas. Und eine räumige Höhl' ist tief an dem Boden des Sundes,

Zwischen der felsigen Jmbres Höhn und Tenedos Eiland: Dorthin stellte die Rosse der Erderschüttrer Poseidon, Die er gelöst vom Geschirr.

Und er warf die ambrosische Nahrung

35

Vor sie, zu essen, umschlang mit der goldenen Fessel die Füße, Nicht zu zerbrechen und haltend, damit sie des Herren Zurückkunft

Ruhig erwarteten, und zu Achajas Schaaren enteilt' er. Aber die Troer gedrängt, wie Sturmwind oder die Flamme,

Folgten des Priamos Sohne, dem Hektor, voller Begier stets,

40

Unter Getös und Gebrüll: sie vermeinten, der Danaer Schiffe Nähmen sie bald und erschlügen die Tapfersten all' um die Mauer.

Aber der Erderschütt'rer, der Landumstürmer Poseidon Reizte den Muth der Achäer, des Meers Abgründen entstiegen, Aehnlich in Allem dem Kalchas, an Wuchs und gewaltiger Stimnle.

45

Ajas rief er zuerst, die selbst schon brannten von Kampflust:

Höret, Ajanten, ihr werdet das Volk der Achäer erretten,

Wenn ihr in Kraft ausdauert und nicht an erstarrende Furcht denkt. Nirgend erschrecken mich sonst die gewaltigen Arme der Troer, Welche die mächtige Mauer, in Meng' andringend, erstiegen:

Sicher erwehren sich Aller die wohlumschienten Achäer; Hier nur fürcht' ich am meisten und sehr, unS bedrohet daS Unheil,

Wo sie der Rasende dort gleich flammendem Feuer heranführt,

Hektor, der sich KronionS, des hoch obwaltenden Sohn rühmt.

50

248

Ilias.

Gab' es doch euch so einer der Ewigen in die Gedanken,

55

Selbst ihm entgegen zu treten mit Macht und es Andern zu heißen:

Wahrlich, ihr triebet ihn, raset er auch, von den eilenden. Schiffen

Wieder zurück, auch wenn der Olynrpier selbst ihn erweckt hat. Also der Ländererschütt'rer Poseidon.

Und mit dem Stabe

Rührt' er sie an und erfüllte die zwei mit gewaltigem Muthe,

60

Ihnen die Glieder belebend, die Arm' und die Füße von. unten.

Aber er selber erhob sich int Schwung, wie ein flüchtiger Habicht, Der von des Felsengebirgs hoch ragender Höhe sich aufschwingt, Und zu der Flur dann stürzet, die anderen Vögel verfolgend: Also erhob sich von ihnen der Ländererschütt'rer Poseidon.

65

Und es erkannt' ihn zuerst des ONeus Sohn von den beiden, Ajas, der Renner, und sagte sogleich zu dem Telamoniden:

Ajas, da uns ein Gott von den Wohnungen auf dem Olympos,

Unter des Sehers Gestalt, zu dein Kampf an den Schiffen ermuthigt — Denn nicht war dieß Kalchas, der göttliche Seher der Vögel,

70

Wie ich es leicht an den Spuren der Füfi' und den Schenkeln erkannte, Da er sich wendet' und schied: sehr leicht sind Götter zu kennen —

Sieh, so verlangt auch mir in dem inneren Herzen der Muth jetzt, Heftiger nach dem Gefecht und dem Kampf; hin streben von unten Mächtigen Dranges die Füfi' und die Arm' auch streben von oben.

75

Und es entgegnet' ihm Ajas, der mächtige Telamonide: Mir auch sind jetzt wieder am Speer die gewaltigen Hände Kräftig, es wächst mir wieder der Muth, und die Füße von unten Fliegen mir beide, so daß ich allein auch gegen den Hektor, Priamos Sohn, gern stünd' im Gefecht, so gewaltig er andringt.

80

Also sprachen sie dieses und Aehnliches dort mit einander,

Jauchzend in Kampflust, ihnen erweckt von dem Ländererschütt'rer. Und auch hinten erregte die Danaer wieder Poseidon,

Die an den eilenden Schiffen das Herz sich ein wenig erquickten. Schreckliche Mühe des Kampfes zugleich löst' ihnen die Glieder, Und in dem Innern erfüllte der Schmerz sie, die Troer zu sehen,

85

Dreizehnter Gesang.

249

Wie sie in Haufen geschaart die gewaltige Mauer erstiegen.

Thränen entstürzten den Augen der Danaer über den Anblick; Denn es erschien kein Rath in der Noth mehr; aber Poseidon Eilte hinan und ermuthigte leicht die gewaltigen Schlachtreihn.

90

Und zu dem Teukros trat er zuerst und dem Leitos treibend,

Und zu Peneleos Kraft, dem Dei'pyros auch und dem Thoas, Zu dem Meriones dann und Antilochos mächtig im Kampfe, Und er ermahnte die Männer und sprach die geflügelten Worte: Schämt euch doch, ihr Achäer, ihr Jünglinge!

Wahrlich, ich traut' euch 95

Immer es zu, ihr würdet die Schiff' uns erretten im Kampfe; Doch, wenn ihr nachlasst im bejammernswürdigen Streit nun: Ja, dann seh ich den Tag jetzt, wo wir den Troern erliegen.

Weh!

Dieß ist ja ein Wunder mit Augen zu sehen: entsetzlich,

Graunvoll ist's, nie hätt' ich geglaubt, dieß könne geschehen!

100

Troer um unsere Schiffe so nah hier, welche zuvor stets

Gleich wie Hindinnen waren, die flüchtigen, die in der Waldung Nahrung Schakalen und Pardeln und gierigen Wölfen gewähren, Kraftlos, immer in Zittern und ohne die mindeste Kampflust.

Also getrauten die Troer sich nie sonst gegen die Arme

105

Und die Gewalt der Achäer zu stehn, auch nicht im Geringsten.

Doch nun kämpfen sie fern von der Stadt an den räumigen Schiffen

Durch des gebietenden Führers Vergehn und der Völker Zurücktritt, Welche, mit jenem in Streit, der Vertheidigung nun sich entziehen

Unserer eilenden Schiff' und den Tod an denselben erleiden.

110

Doch wenn nun auch wirklich und ganz den erhabenen Helden

Atreus Sohn Agamemnon, den Völkergebieter, die Schuld trifft,

Weil er den Peleioneu, den mächtigen Nenner, beschimpft hau Ist rs für uns doch nimmer erlaubt, von dem Kampfe zu lassen. Liebrr versöhnen wir schnell sie, versöhnbar sind ja die Edlen! Euch nur ziemet es nimmer, der stürmenden Kraft zu vergessen,

Die ihr die Tapfersten seid in dem Heer.

Ich würde gewiß nicht

Zürrend den Mann sehr schmähn, der von dem Gefechte zurücktritt,

115

250

Ilias.

Wegen der Schwäch'; euch aber verarg' ich es wahrlich im Herzen! Theuere Freund', ihr schaffet uns jetzt nur größeres Unheil,

120

Seid ihr so lässig: ihr müßt in der Brust voll Aerger und Scham sein, Jeder von euch!

Denn wahrlich der Kampf hier tobt ja entsetzlich!

Machtvoll kämpft an den Schiffen bereits der gewaltige Rufer Hektor, da er das Thor und den mächtigen Riegel gesprengt hat.

Also ermuthigte treibend der Danaer Reihen Poseidon.

125

Und um die beiden Ajanten versammelten tapfere Haufen

Gleich sich: es hätte sie Ares sogar wohl nimmer getadelt,

Noch Athenäa, der Schaaren Erregern:; denn die erles'nen, Tapfersten standen den Troern im Kampf und dem göttlichen Hektor,

Speer aufhebend an Speer, ganz dicht an einander die Schilde,

130

Tarischen an Tarischen, der Helm an dem Helm und der Krieger am Krieger.

Regten sie sich, dann stießen der Mähnenumflatterten Helme

Glänzende Zacken zusammen: so nah stand einer dem Andern. Zitternd erbebten die Speer' in den muthigen Händen geschwungen: Vorwärts richteten alle den Sinn, voll rüstiger Kampflust.

135

Gegen sie stürzten die Troer heran, dicht drängend, und Hektor

Führte sie stürmend, so wie von dem Berg ein zermalmender Felsblock, Welchen der herbstliche Strom von dem Kranz des Gebirges herabtreibt,

Wann viel Regen den Halt des entsetzlichen Blockes gebrochen. Hochher springt er in Sätzen hinab und es krachet die Waldung

140

Unter ihm; machtvoll stürzt er sich fort, bis daß er die Flur dann

Endlich erreichet und nicht mehr rollt, so gewaltig er herschoß: Also drohete Hektor zuerst, leicht bis zu dem Meere

Und zu den Zelten und Schiffen der Danaer hin zu gelangen, Mordend; intzeß nun fand er daselbst die geschlossenen Schlachtreihn.

145

Da nun stand er, so nahe bereits, und die Männer Achajas Hielten die Schwerter ihm vor und die zwiefach schneidenden Lanzen,

Trieben ihn von sich zurück, und er wich vor der Stürmenden Angriff. Und er erhob durchdringend den Ruf und begann zu den Troern: Troer und Lykier, ihr auch Dardaner, Kämpfer von nahe,

150

Dreizehnter Stehet!

Gesang.

251

Die Danaer werden gewiß nicht lange mich halten;

Mögen sie auch, in den Haufen gedrängt, dicht stehn aneinander;

Sondern ich hoffe, sie weichen dem Speer wohl, trieb mich in Wahrheit Er, der Unsterblichen höchster, der donnernde Gatte der Here! Also sprach er und jedem erweckt' er die Kraft und die Kampflust.

155

Und vor den Anderen eilte De'iphobes trotzigen Muthes, Priamos Sohn vor, hinter dem Schilv von gerundeter Wölbung; Leichthin schritt er und deckte sich wohl mit dem Schilde die Füße. Aber Meriones zielt' auf ihn mit der blinkenden Lanze; Und nicht fehlt' er, sie flog ihm hinein in den wölbigen Stierschild;

160

Aber sie drang nicht völlig hindurch; es zersplitterte drinnen Früher der mächtige Speer in dem Schaft, und Deiphobos hielt sich Ferne den Stierschild ab von dem Leib, voll Furcht in dem Herzen

Vor des Meriones Speer, des Gewaltigen.

Aber zurück sprang

In das Gewühl der Genossen der Held, und er zürnte gewaltig,

165

Daß er des Sieges verfehlt und die mächtige Lanze zerbrochen.

Und er enteilte sogleich zu den Zelten und Schiffen Achajas, Nach dem gewaltigen Speer, der noch in dem Zelt ihm zurückblieb.

Aber die Anderen kämpften, und endlos tönte der Schlachtruf.

Da schlug Teukros am ersten, der Telamonide, den Helden

170

Jmbrios, Mentors Sohn, des begüterten Nossebezähmers.

Dieser bewohnte Pedäos, bevor die Achäer gekommen, Medesikaste vermälet, des Priamos Bastardtochter. Aber nachdem die Achäer in rüstigen Schiffen gelandet,

Kam er nach Ilios wieder, der Trefflichsten Einer in Troja,

175

Und bei Priamos wohnet' er, gleich mit den Söhnen in Ansehn. Den traf Telamons Sohn mit dem mächtigen Speer an dem.Ohre,

Zog dann wieder die Lanze zurück, und er stürzte, der Esche

Gleich, die auf des Gebirgs weithin zu erschauendem Gipfel,

Niedrrgehauen vom Erz, an die Erd' ihr zartes Gesproß senkt. Also fiel er, umklirrt von der ehernen, glänzenden Rüstung.

Da sprang Teukros hinan, ihm die Wehr zu entreißen begierig;

180

252

Ilias.

Aber den blinkenden Speer warf Hektor, da er hinan sprang.

Doch der sahe sich vor und entwich noch eben dem Speerwurf, Und den Amphimachos traf er, des Kleatos Sohn, den Aktor

185

Zeuget', indem er zum Kampf vorschritt, in die Brust mit dem Speere. Dröhnend erscholl sein Fall, und es rasselten um ihn die Waffen. Da flog Hektor, den Helm, der wohl an die Schläfe sich anschloß,

Von des Amphimachos Haupt, des erhabenen Helden zu reißen; Aber den blinkenden Speer stieß Ajas gegen den Hektor-

190

Wie er heransprang, ohn' ihm den Leib zu verwunden, von Erz ringS

Schrecklich umhüllt; in den Schild nur traf er, gerad' in den Nabel, Stieß mit gewaltiger Kraft ihn hinweg, so daß er zurücktrat

Von den Erschlagenen dort, und die Danaer zogen sie an sich. Und den Amphimachos trug mit dem Stichios rüstig Menestheus,

195

Veid' Athenäische Führer, zurück zu dem Volk der Achäer;

Aber den Jmbrios Ajas die zwei, voll stürmischer Kampflust. Wie zwei Löwen, nachdem sie die Geis scharfzahnigen Hunden Endlich entrissen, das dichte Gesträuch durch mit sich entführen

Und in den blutigen Nachen sie hoch hintragen vom Boden:

200

So auch trugen die Ajas, die mächtigen Kämpfer, ihn hoch hin,

Zogen die Waffen ihm ab, und das Haupt von dem zarten Genicke Hieb ihm ONeus Sohn, um Amphimachos heftig erbittert,

Schwang es im Kreis im Getümmel umher; dann warf er es schleudernd, Daß es im Staub hinrollte, gerad' an die Füße des Hektor.

205

Da drang heftiger Zorn in das innerste Herz dem Poseidon,

Als sein Enkel ihm so in dem mordenden Kampfe dahinsank.

Und an den Zelten und Schiffen der Danaer eilt' er im Lauf hin, Muth den Achäern zu machen und Leid zu bereiten den Troern.

Und den Jdomeneus traf er, den Lanzengepriesenen Helden, Da er von seinem Genossen zurück kam, der von dem Kampf schied,

Eben im Buge des Knie's von dem schneidenden Erze verwundet. Den nun hatten die Freunde gebracht; er empfahl ihn den Aerzten, llnd zu dem Zelt hin eilet' er, weil ihn verlangt', in den Kampf noch

210

Dreizehnter

Gesang.

253

Wieder zu gehn: da sagte zu ihm der Gebieter Poseidon,

215

Gleich in dem Tone der Stimme des Thoas Sohn, dem Andrämon,

Welcher in Pleurons ganzem Gebiet und in Kalydons Thalgrund Allen Aetolern gebot und geehrt wie ein Gott indem Volk war:

Wo, du Gebieter der Kreter, Jdomeneus, bleibet die Drohung,

220

Welche die Danaer gegen die Troischen Männer erhoben? Und es entgegnete jenem Jdomeneus, Herrscher von Kreta;

Thoas, so viel ich sehe, so hat kein Mann eS verschuldet. Denn wir verstehen ja All' uns darauf, in den Schlachten zu kämpfen;

Keiner von uns kennt Zagen und Furcht, und es zieht sich in Trägheit Keiner vom schrecklichen Kampfe zurück: drum mein' ich, es wird wohl 225

Zeus, dem gewaltigen Sohne des Kronos, also genehm sein, Daß die Achäer, von Argos so fern, hier schmählich verderben. Doch nun, Thoas, du standest ja sonst auch immer den Feinden, Treibst auch Andere, siehest du wo, daß Einer zurückbleibt:

Laß auch jetzo daher nicht nach und ermuntere jeden!

230

Und ihm entgegnete wieder der Erderschütt'rer Poseidon: Nimmer, Jdomeneus, kehre der Mann von der Troer Gebiete

Wieder zurück, nein, werd' er ein Labsal hier für die Hunde,

Der an dem heutigen Tag von dem Kampf freiwillig zurückbleibt! Auf denn, nimm dir die Waffen und komm:

Uns beiden geziemt jetzt, 235

Rasch sein, ob wir vielleicht, wenn schon nur zwei, sie erretten. Durch die Vereinigung stärkt sich die Kraft selbst schwächerer Männer,

Und wir beide verstehen ja, auch mit den Tapfern zu kämpfen.

Dieses gesagt, enteilte der Gott in der Männer Getümmel.

Aber Jdomeneus warf, zu dem stattlichen Zelte gekommen,

240

Prangende Waffen sich über den Leib, zwei Lanzen ergriff er,

Und so eilet' er, ähnlich dem Blitzstral, welchen Kronion Von des Olympos stralenden Höhn mit der Rechten herabwirft,

Sterblichen Menschen ein Zeichen, und weithin blendet die Klarheit. So umblitzte die Brust ihm der Erzglanz, wie er dahin lief.

Und er begegnete dort dem Meriones, seinem Genossen,

245

254

Ilias.

Nabe dem Zelt, der eben, die eherne Lanze zu holen, Eilet', und zu ihm begann des Jdomeneus heilige Stärke:

Theuerster aller Genossen, Meriones, rascher Molide, Weshalb gehest du aus dem Gefecht und verlässest den Kampf dort?

250

Bist du verwundet und quält dich ein Pfeilschuß oder ein Speerwurf?

Oder du kommst als Bote nach mir?

Ich sehne mich, wahrlich,

Selbst auch nicht, in dem Zelte zu ruhn: mich verlanget zu kämpfen! Und der verständige Held Meriones sprach ihm entgegnend:

255

Nein, o Jdomeneus, Herrscher der Erzumpanzerten Kreter,

Wegen des Speers, wenn einer vielleicht noch in deinem Gezelt steht, Komm' ich und möcht' ihn mir holen; der meinige ist mir zerbrochen, Da ich ihn gegen des Helden De'iphobos mächtigen Schild warf. Und der Gebieter der Kreter Jdomeneus sagte dagegen: Wenn du nach Speeren verlangst, die findest du, ein und zwanzig,

260

Stehend in meinem Gezelt, an die schimmernden Wände gelehnet,

Troische, die ich von Todten erbeutete, da ich ja, denk' ich, Nie von den feindlichen Männern mich fern in dem Kampfe gehalten.

Deshalb hab' ich der Lanzen genug und der nabligen Schilde; Helm' auch hab' ich genug sammt Harnischen, stralend im Glanze.

265

Und der verständige Held Meriones sprach ihm entgegnend: Mir auch stehen in meinem Gezelt an dem dunkelen Schiffe Waffen der Troer genug; doch ist es zu fern, sie zu holen. Denn auch ich wohl, mein' ich, vergaß noch nimmer der Stärke;

Sondern, den Ersten gesellt in der Männererhebenden Feldschlacht,

270

Pfleg' ich zu stehen, so oft das Gefecht und der Kampf sich erhebet.

Einem der Andern vielleicht von den Erzumwehrten Achäern Blieb ich verborgen im Kampf, doch du selbst, denk ich ja, kennst mich!

Und der Gebieter der Kreter Jdomeneus sagte dagegen:

Wie du im Kampf bist, weiß ich: wozu noch darfst du es sagen?

275

Denn, wenn jetzt an den Schiffen wir Tapfersten all' uns vereinten

In ein Versteck, wo am meisten der Muth in dem Manne sich sehn läßt, Wo man die feigen sowohl als tapferen Männer erkennet —

Dreizehnter

Gesang.

255

Denn am Verzagten verwandelt sich unaufhörlich die Farbe, Auch nicht ruhig zu sitzen erlaubt ihm das Herz in dem Innern;

280

Sondern er rührt sich beständig und sitzt zum Sprung auf den Füßen, Und in dem Inneren pocht ihm das Herz mit Gewalt an die Nippen,

Weil eö ihm scheint, jetzt nah ihm der Tod, und ihm klappem die Zahne.

Doch an dem Tapfern verändert sich niemals Farbe noch Aussehn, Und er verzagt nicht, wann er einmal in der Männer Versteck sitzt;

285

Sondern er wünscht nur, gleich in den schrecklichen Kampf sich zu stürzen —

Da selbst tadelte keiner gewiß dir den Muth und die Arme. Wenn dich im Kampf dann aber ein Hieb traf oder ein Speerwurf,

Träfe die Waffe dir nicht das Genick, noch hinten den Rücken; Sondern verwundete dich in der Brust vorn, oder im Bauche,

290

Während du vorwärts in das Gewühl zu den vordersten Reihn drängst. Aber wohlauf, nun stehen wir nicht, gleich thörichten Kindern, Schwatzend, damit nicht einer zu sehr sich darüber ereifre;

Sondern hinein geh du in das Zelt nach der mächtigen Lanze. Sprach's, und Meriones, ähnlich dem wild anstürmenden Ares,

295

Eilet' und nahm in dem Zelte sogleich sich die eherne Lanze,

Und dem Jdomeneus folgt' er, erfüllt von gewaltiger Kampflust. Wie zu dem Schlachtlarm Ares, der Männervertilgende hingeht In der Begleitung' des Schreckens, des tapferen, nimmer verzagten,

Theueren Sohns, der selber den muthigsten Krieger in Furcht jagt:

300

Her aus Thrakia ziehn sie bewehrt zu den Ephyrern beide, Oder dem Phlegyervolke, dem muthigen, hören jedoch nicht

Beider Gebete zugleich; sie verleihn nur einem den Siegsruhm: So auch gingen Meriones dort und Jdomeneus, beide

Führer der Männer, bewehrt mit dem funkelnden Erz zu dem Kampf hin. 305

Und es begann mit den Worten Meriones also zu jenem: Wo run meinst du, o Deukalion', in den Haufen zu dringen? Hier ;u der Rechten des Heers wo, oder gerad' in der Mitte,

Oder vielleicht zu der Linken?

Es scheint mir, im sämmtlichen Heere

Fehlet es nirgend an Kampfe den hauptumlockten Achäern.

310

256

Ilia-.

Und der Gebieter der Kreter Jdomeneus sagte dagegen:

Dort in der Mitte vertheidigen schon auch Andre die Schiffe, Ajas die beiden mit Teukros, dem trefflichsten von den Achäern,

Pseile zu schießen und tüchtig zugleich in dem stehenden Kampfe.

315

Diese genügen und halten den wilv anstürmenden Hektor, Priamos Sohn, dort, wenn ihm an Kraft auch Wenige gleich sind.

Schwer wohl möcht' es ihm werden, und brennt' er vor Kampfesbegierde, Jener gewaltige Macht und entsetzlichen Arm zu besiegen, Daß er die Schiffe verbrennte, wofern nicht etwa Kronion

Selber den flammenden Stral in die eilenden Schiffe hinabwirft.

320

Denn kein Mann zwingt Ajas, den Telamoniden, zu weichen,

Ist er ein Sterblicher, der sich ernährt von der Frucht der Demeter Und für das Erz und des Felves zermalmende Steine verwundbar. Selber dem Männervertilger Achilleus wich er wohl schwerlich,

Stehend int Kampf; denn nur in dem Lauf gleicht jenem ja Niemand. 325 Eilen wir denn nach der Linken des Heers, um bald zu erfahren,

Ob wir den Siegsruhm Andrer verherrlichen oder den Unsern. Sprach's, und Meriones, Ares dem stürmischen, wilden vergleichbar,

Eilte voran, und sie kamen int Heer hin, wie er es anrieth. Als sie Jdomeneus dort nun sahn, gleich flammendem Feuer,

330

Ihn sammt seinem Genossen, bewehrt mit der köstlichen Rüstung, Stürzten sie gegen ihn all' im Gedräng mit gewaltigem Kriegsruf. Und es entstand ein Kampf in der Schaar an den Steuern der Schiffe. Wie wann unter der Winde Gebraus Unwetter heraufziehn,

In der Zeit, wo am meisten der Staub von den Wegen emporsteigt,

335

Und die jagen den Staub dicht auf, gleich mächtigem Nebel: Also bedrängten sich die in der Schlacht: sie begehrten im Herzen,

In dem Gewühl sich einander mit schneidendem Erze zu morden.

Lang hin starrten die Speer' in dem Menschenvertilgenden Kampfe,

Die sie erhoben, zu morden, und Blindheit drohte den Augen, Wann von den ehernen Helmen der Glanz hell blitzend daher schoß Und von den Harnischen, eben geblänkt, und den glänzenden Schilden

340

Dreizehnter Gesang.

257

Aller der Kämpfenden: wahrlich ein sehr hartherziger Mann nur Konnte das Wüthen mit Lust dort sehn und nicht mit Erbarmen!

Kronos mächtige Söhne, die zwei, nicht gleicher Gesinnung,

345

Schufen dem Heldengeschlechte der Sterblichen bittere Schmerzen.

Denn ZeuS wollte den Sieg für das Troische Volk und den Hektor, Peleus rüstigen Sohn zu verherrlichen) aber so ganz doch

Wollt' er Achajas Männer vor Ilios nimmer vertilgen; Sondern die Thetis ehrt' er zugleich mit dem muthigen Sohne:

350

Und den Achäern gesellte sich, Muth einhauchend Poseidon,

Heimlich den graulichen Wogen enttaucht; denn Kummer erfüllt' ihn, Daß sie den Troern erlagen, er zürnete sehr dem Kronion.

Wohl entsprossen sie beide demselbigen Stamm und Geschlechte;

Zeus indeß war eher gezeugt und erhab'ner an Weisheit:

355

Drum mied jener es auch, sie mit offener Hülfe zu schirmen; Sondern er trieb stets heimlich das Heer, als Krieger von Ansehn.

So nun spannten die beiden das Seil des gewaltigen Kampfes

Und des gemeinsamen Streites für beid' in beständigem Wechsel, Nicht zu zerreißen und fest, und es lösete Vielen die Glieder.

360

Aber Jdomeneus, halb zwar grau schon, trieb die Achäer, Laut zurufend und jagt', einspringend den Troern Furcht ein;

Denn den Othryoneus tödtet' er, der nur erst von Kabesos War, von dem Rufe gezogen, von fern zu dem Kampfe gekommen.

Dieser begehrte die schönste von Priamos Töchtern, Kassandra,

365

Ohne Geschenk zum Weib und vermaß sich, die Männer Achajas Wollt' er, ein mächtiges Werk! aus Trojas Lande verjagen.

Priamos aber, der greife, verhieß und gelobt' ihm die Tochter: So nun ging er und kämpft' im Vertraun auf dessen Verheißung. Aber Jdomeneus zielte nach ihm mit der blinkenden Lanze,

370

Warf, wie er trotzig ihm nahet' und traf: nichts half ihm der Harnisch, Welchen er trug, aus Erz, und sie fuhr in die Mitte des Bauches. Dröhnend stürzt' er, und jener erhob frohlockend die Stimme:

Hoch vor den Sterblichen allen, Othryoneus, sollst du gerühmt sein,

17

258

Ilias.

Wenn du gewiß jetzt Alles dem Priamos, Dardanos Enkel,

375

Ausführfl, was du gelobt und wofür er die Tochter verheißen!

Wir auch hätten dir dieses gelobt und es wohl dir erfüllet, Von Agamemnons Töchtern die herrlichste gern dir gegeben, Her sie von Argos geführet zu frein, wenn dir eS gefallen,

Ilios stattliche Veste mit uns im Verein zu zerstören.

380

Komm nun, daß wir die Eh' an den Meerdurcheilenden Schiffen

Weiter berathen: wir sind nicht karg mit den Gaben der Hochzeit! Also Jdomeneus, und an dem Fuß durch's Schlachtengetümmel

Zog er ihn an sich, der Held, als Asios kam, ihn zu rächen, Vor dem Gespanne zu Fuß, das immer ihm über die Schultern

385

Schnob, von dem Wagengmossen geführt, und Jdomeneus wollt' er Treffen; indeß kam der ihm zuvor, und er warf ihm die Lanze Unter dem Kinn in den Hals, daß hinten das Erz ihm hindurchfuhr, Und er dahin sank, so wie der Eichbaum oder die Pappel

Oder die mächtige Tann' umsinkt, von den zimmernden Männern

390

Mit den geschliffenen Aerten gefällt im Gebirg zu dem Schiffbau.

So lag jener danieder gestreckt vor den Rossen und Wagen, Knirschte die Zähne zusammen und wühlt' in dem blutigen Staube. Aber der Wagengenosse verlor ganz seine Besinnung,

Und er vermochte die Ross', um dem feindlichen Arm zu entrinnen,

395

Nimmer zu wenden, so daß ihn AntilochoS, muthig im Kampfe, Traf, und ihn quer durchstieß mit dem Speer.

Da half ihm des Panzers

Erz nicht, welchen er trug: ganz tief in die Mitte des Bauches

Drang er, und er sank keuchend herab von dem stattlichen Wagen. Aber AntilochoS eilte, der Sohn des erhabenen Nestor,

4oo

Mit dem Gespann von dm Troern hinweg zu den Männern 'Achajas.

Und dem Jdomenms nahte Deiphobos, Schmerz in der Seele Ueber des Asios Fall, und entsandte die blinkende Lanze.

Aber Jdomeneus sahe sich vor und den ehernen Wurfspieß

Mied er, sich deckend sogleich mit dem Schild von gekündeter Wölbung, 405 Welchen er trug, auS Häuten der Stier' und dem funkelnden Erze

Dreizehnter Gesang.

259

Tüchtig gewölbt und von Innen mit zwei Qüerstängen befestigt.

Unter ihm barg er sich ganz, und die eherne Lanze verfehlt' ihn)

Dumps nur dröhnte, gestreift von dem sausenden Speere, der Schildrand. Aber umsonst warf jener ihn nicht von der nervichten Rechten;

410

Sondern des Hippasos Sohn, dem gebietenden Fürsten Hypsenor,

Fuhr er hinein in die Leber am Zwerchfell, daß er dahin sank. Da rief laut frohlockend Deiphobos also und jauchzte:

So fiel Asios also gerächt, und ich glaub', es erfreut ihn Doch in dem Herzen, obwohl er zu Ai'des mächtigen Pforten

415

Einging, daß ich ihm diesen gesandt, ihn dahin zu begleiten! Sprach es, und schmerzvoll hörten des Jauchzenden Ruf die Achäer;

Aber am meisten erregt' er Antilochos muthige Seele.

Dennoch vergaß er im Schmerze die Sorg' Um den theueren Freund nicht; Sondern er trat gleich über ihn hin mit dem Schild und bedeckt' ihn. 420

Schnell dann bückten darunter sich zwei von den treuen Genossen, Mit dem Mekisteus, Echios Sohn, der ethab'ne Alastor,

Die zu den räumigen Schiffen den schwer aufstöhnenden trügen. Doch der gewaltige Muth des Jdomeneus rastete nimmer: Einen der Troer begehrt' er mit dunkeler Nacht zu umhüllen

425

Oder, die Danaer schirmend im Unglück, selber zu fallen.

Und Aesyetes Erzeugten, des Götterentsprossenen Königs, Held Alkathoos, schlug er daselbst.

Der war de- Anchises

Eidam, Hippodamia, der ältesten Tochter vermälet.

Herzlich ward sie vom Vater geliebt und der würdigen Mutter

43Ö

Heim in dem Haus; denn weit vor den mit ihr erblühenden Jungfräün War sie geschickt und verständig und schön, und es wählte daher auch

Sie zum Weibe der trefflichste Mann im Gebiete der Troer.

Diesen erschlug dort durch des JdomeNeus Hand Poseidaon, Der »ihm die Augen verwirrt' und die glänzenden Glieder umstrickte.

Weder zurück zu entfliehen noch sonst zu entweichen vermocht' er; Sondern der Säul' und dem hoch aufragenden Baum gleich stand er,

Regungslos: da traf mit dem Speer ihn Jdomeneus kraftvoll^ 17*

435

Ilias.

260

Mitten hinein in die Brust und zerschmetterte rings ihm die Rüstung,

Welche zuvor mit dem Erz ihm den Leib vor dem Tode geschirmet;

440

Doch nun klang er mit dumpfem Getön von dem Speere zerschmettert.

Dröhnend stürzt' er dahin, und der Speer saß fest in dem Herzen,

Daß von dem zuckenden Schlage der Schaft an der ehernen Lanze Zitterte; doch dann nahm ihm die Kraft der gewaltige Ares. Aber Jdomeneus jauchzet' und rief mit erhobener Stimme:

445

Nun, o De'iphobos, haben wir Recht nun, daß es genüge,

Drei für den Einen zu tödten? Unglückseliger!

Umsonst nur hast du geprahlet,

Stelle dich selbst doch auch mir entgegen,

Daß du erkennest, ich komme zu euch von dem Stamme Kronions.

Dieser erzeugte den Minos zuerst, den Gebieter von Kreta,

450

Und Deukalion wieder, den herrlichen, zeugete Minos; Dann Deukalion mich, der zahllos Männer gebietet

In dem Gefilde von Kreta, und ich kam jetzt in den Schiffen,

Dir zum Weh und dem Vater und anderen Männern von Troja. Also sprach er zu ihm, und Deiphobos zweifelt' im Herzen,

455

Ob er zurückträt und von den muthigen Troern zum Beistand Einen sich herrief, oder allein sich an jenem versuchte.

Da schien dieser Gedanke dem Zweifelnden endlich der beste,

Nach dem Aeneas zu gehn.

Den fand er im hintersten Haufen

Stehend, indem er beständig dem göttlichen Priamos zürnte,

460

Weil er ihn gar nicht ehrte, den Trefflichen unter den Männern. Ihm nun nahte sich jener und sprach die geflügelten Worte:

Jetzo, Aeneas, geziemt es fürwahr dir, Berather der Troer, Mit mir den Schwager zu rächen, bewegt auch dich die Verwandschaft.

Folge mir, räche mit mir den Alkathoos, der in der Wohnung

465

Dich als Schwager mit Liebe gepflegt einst, da du noch klein warst; Denn es erschlug ihn Jdomeneus jetzo, der Held in dem Speerkampf.

Also sprach er zu jenem und regt' ihm das Herz in der Brust auf.

Gegen JdomeneuS eilt' er, entbrannt von gewaltiger Kampflust; Doch den Jdomeneus rührte die Furcht nicht an, wie den Zärtling;

470

Dreizehnter Gesang.

261

Sondern er stand, wie ein Eber des Bergs, voll trotziger Stärke, Welcher mit Muth da steht vor der Schaar herstürzender Männer Auf der verödeten Flur und den borstigen Rücken emporsträubt. Feuer entsprühet den Augen, indem er die blinkenden Hauer

Wetzt, in Begier, sich gegen die Hund' und die Männer zu wehren.

475

So stand, ohne zu wanken, JdomeneuS, mächtig im Speerwurf, Als AeneaS zum Kampf schritt; aber er rief die Genossen,

Da er Askalaphos, Aphareus auch und Delpyros dort sah, Und den AntilochoS auch und Meriones, mächtige Kämpfer;

Sie nun rief er herbei, und er sprach die geflügelten Worte: Freunde, herbei!

Hier steh ich allein: helft!

480

Schrecken ergreift mich

Vor dem gewalt'gen AeneaS, dem Held, der gegen mich andringt. Kraftvoll ist er vor Andern im Kampf und der Männer Ermordung,

Und in der Blüthe der Jugend, in der die gewaltigste Kraft ist. Wären wir nur an Alter unS gleich mit demselbigen Muthe:

485

Fiel wohl herrlicher Ruhm bald ihm zu oder mir selber. Sprach'S, da traten sie Alle, desselbigen Sinnes im Herzen,

Eilig umher in die Nähe, die Schild' an die Schultern gelehnet. Aber AeneaS ermahnte von dorther seine Genossen, Da er Agenor den edlen, De'iphoboS sah und den Paris,

490

Welche die Troer mit ihm anführeten, aber eS folgt' auch Allen daS Volk nach, so, wie durstige Schafe dem Widder

Folgen vom Grasplatz, und eS erfreut in dem Innern den Hirten: So war auch dem AeneaS daS Herz voll Freund' in dem Busen,

Als er das Volk sah, wie es gedrängt in der Schaar zu ihm Herzog. 495 So nun stürmten sie dort um AlkathooS gegen einander

Mit den gewaltigen Speeren, und furchtbar klang um der Männer

Schultern das Erz, die in dem Gewühl sich einander bekämpften.

Aber es glänzten vor Allen die zwei kampfmuthigen Männer,

Beide dem Ares ähnlich, Zdomeneus mit dem Aeneas, Voller Begier, sich einander mit grausamen Erz zu verwunden. Und mit dem Speer warf erst nach Jdomeneus zielend Aeneas;

500

263

Ilias.

Doch der sahe sich vor und entwich vor der ehernen Lanze, Daß des Aeneas Speer mit dem zitternden Schaft in den Boden

Eindrang, da er umsonst von der.rmvichten Rechten dahinftog.

505

Aber Jdomeneus traf den Oenomaos mitten im Bauche, Daß ihm die Wölbung des Panzers hindurch in das Jnn're das Erz drang.

Und in den Sand hin stürzt' er und wühlt' in dem Staub mit den Händen. Da riß zwar dem Erschlag'nen Jdomeneus wieder den langen Speer aus; doch er vermochte die eigene herrliche Rüstung

510

Nicht ihm zugleich von den Schultern zu ziehn: so drängten die Speer' ihn.

Denn beim Angxiff fehlt' es ihm schon in den Füßen an Schnellkraft, So zu dem Sprung nach seinem Geschoß, wie, dann zu entfliehen.

Deshalb wehrt' ex sich wohl in dem stehenden Kampfe des Schicksals; Aber es trugen die Fuß' ihn zu fliehn schon schwer aus dem Kampfe.

515

So nun wich ex ip: Schritt: da warf mit dem blinkenden Speere

Nach ihm Deiphobos, der mit beständigem Zorn ihn verfolgte. Aber er fehlt' auch jetzt, und Askalaphos faßte der Wurfspeer,

Ares Sohn, dem fuhr die gewaltige Lanz' in die Schulter: Und in den Sand hin stürzt' er und wühlt' in dem Staub mit den Händen. 520 Noch nicht aber vernahm es der brüllende Wütherich Ares, Daß sein theuerer Sohn in dem wüthenden Kampfe dahinsank.

Denn auf Olympos Haupt, von den goldenen Wolken umschattet, Saß er, gehalten vom Willen des Zeus, und es waren zugleich dort

Alle die ewigen Götter, entfernt vpn dem Kampfesgetümmel.

525

Doch um Askalaphos drängten im Sturm sich die Männer zusammen, Aber Deiphobos nahm dem Askalaphos eben den blanken

Helm: da bohrt' ihm im Sprunge Mexiones, ähnlich dem Ares,

Tief mit der Lanze hinein in den Arm, so daß von der Hand ihm

Dröhnend der längliche Helm in den Staub an die Erde dahinsank. Da sprang wieder Meriones gegen ihn vor wie ein Habicht,

Zog aus dem vorderen Arme den mächtigen Speer und entwich dann Unter die Schaar der Genossen; indeß dem nahte Polites Gleich, sein leiblicher Bxudex und, um ihn die 2(tme gebreitet,

530

Dreizehnter

Gesang.

263

Führt' er ihn aus dem Getümmel des Kampfs, bis hin zu der Rosse

535

Schnellem Gespann, die hinter dem Kampf und Gefecht ihn erwartend Standen, von seinem Genossen geführt mit dem herrlichen Wagen.

Die nun führten sogleich zu der Stadt ihn, indem er vor Schmerzen

Tief aufstöhnt' und das Blut am verwundeten Arm ihm hinabrann,

Aber die Anderen kämpften und endlos tönte der Schlachtruf.

540

Da warf stürmend Aeneas dem Aphareuö, Sohn des Kaletor, Wie er sich gegen ihn wandte, den schneidenden Speer in die Gurgel. Seitwärts neigte sich gleich ihm das Haupt, und der Schild und der Helm auch

Folgten ihm nach; es umfing ihn der Tod mit entseelendem Schauer.

Und AntilochoS sahe den Thoon, wie er sich wandte,

545

Und er zerhieb ihm, indem er im Sprung nachstürzte, die Ader, Welche den Rücken entlang bis dicht zu dem Nacken empor läuft.

Diese zerhieb er ihm ganz, und er fiel rücklings in den Staub hin, Taumelnd, indem er die Arm>' ausbreitete nach den Genossen.

550

Und AntilochoS schauet' umher, sprang hin, und die Rüstung Zog er ihm ab von den Schultern, indeß ringsher ihm die Troer

Drängend den glänzenden Schild, dm gewaltigen trafen, und doch nicht Mit dem entsetzlichen Erz des AntilochoS blühenden Körper

Konnten verletzen: es schützte der Erderschütt'rer Poseidon Nestors Sohn, selbst in dem unendlichen Drang der Geschosse.

555

Denn nie wichen die Feinde zurück von ihm; aber im Kreise Dreht' er sich: niemals hielt er den Speer still; sondern beständig Schwang er den zitternden, weil er im Geist, stets zielend, bedachte,

Ob er hinein würf' oder sich nah hinstürzt' und sie angriff.

Da sah Adamas, wie er ein Ziel sich erspäht' im Getümmel,

560

Asios Sohn, sprang stürmend heran und die Mitte deö Schildes Traf er mit schneidendem Erz; doch machtlos macht' ihm den Speerwurf Ihm sein Leben verweigernd, der dunkelgelockte Poseidon.

So blieb dort ein Stück, wie ein Pfahl in dem Feuer gehärtet,

In des AntilochoS Schild und das andere lag an dem Boden. Und in die Schaar der Genossen entwich er, dem Tod zu entrinnen,

565

264

Ilias.

Aber Meriones folgt' ihm und warf in der Flucht ihm den Speer nach, Zwischen der Scham und dem Nabel hinein, wo Ares am meisten

Schmerzvoll nahet im Kampfe den unglückseligen Menschen. Da durchbohrt' ihn die Lanz' und er folgt' in dem Sturze dem Speer nach, 570

Zappelnd, dem Stier gleich, den in den Berghöhn Hirten gewaltsam, Wie er sich sträube, gefesselt mit Ruthengeflechte, hinwegziehn.

Also zappelte jener vor Schmerz; doch dauert' es kurz nur, Bis ihm Meriones nahte der Held und den Speer von dem Körper

Wieder herauszog: dunkel umfing da Nacht ihm die Augen.

575

Und dem Delpyros hieb mit dem mächtigen Thrakierschwerte

Helenos ganz von der Näh in den Schlaf, und er schlug ihm den Helm ab,

Daß er ihm weit hinflog in den Staub und em Danaer nahm ihn,

Als er dahin an den Füßen der Kämpfenden rollt' an dem Boden; Aber ihm selber umhüllte das nächtliche Dunkel die Augen.

580

Schmerzvoll sah's der Atride, der Rufer im Streit Menelaos,

Und er erhob sein scharfes Geschoß auf den mächtigen Herrscher Helenos drohend, und der zog spannend das krumme Geschoß an.

Also begegneten beide sich dort, mit dem schneidenden Wurfspieß Der, ihn zu treffen begierig und der mit dem Pfeile der Senne.

585

Da traf Priamos Sohn ihm die Brust mit dem Pfeil an des Panzers

-Wölbung; indeß sein bittres Geschoß prallt' ab an die Seite. Wie von der Fläche der Schaufel im Flug auf räumiger Tenne Dunkelgehäutet die Erbs' und die fleckige Bohne hinwegspringt,

Unter dem wehenden Zuge der Luft und dem Schwünge des Worflers: 590 So sprang dort von dem Panzer dem herrlichen Held Menelaos Prallend das bittre Geschoß weit ab und entflog in die Ferne.

Doch in die. Hand traf jenen des Atreus Sohn Menelaos, Welche das blanke Geschoß festhielt, und hinein in den Bogen

Grade die Hand durch drang ihm die weithin schattende Lanze. Da sprang jener, dem Tod zu entgehn, in die Schaar der Genossen. -Kraftlos hing ihm die Hand und sie schleppte den eschenen Speer nach;

Aber ihn zog ihm sogleich aus der Hand der erhab'ne Agenor,

595

Dreizehnter

Gesang.

265

Legte gedrehete Wolle des Schafs auf, und mit der Schleuder Band er sie fest, die dort ein Genoß dem Gebieter dahin gab.

600

Aber Pisandros sprang dem gepriesenen Held Menelaos Näher, ihn trieb sein böses Geschick zu dem Ende des TodeS,

Daß er vor dir, Menelaos, erlag' in der schrecklichen Feldschlacht. Als nun so anrennend die zwei sich einander genahet:

Fehlte des Atreus Sohn ihn und seitwärts flog ihm die Lanze;

605

Aber Pisandros traf den gepriesenen Held Menelaos

Zwar in den Schild; doch bohrt' er ihn nicht ganz durch mit dem Erze,

Weil der gewaltige Schild es zurück hielt, und ihm der Schaft brach, Oben am Speer; schon hofft' er im freudigen Herzen den SiegÄruhm.

Doch der Atride, das Schwert mit den goldenen Buckeln gezogen,

610

Sprang aus Pisandros, welcher die eherne, herrliche Streitart Unter dem Schild vorzog, mit dem Stiel von dem Holze des Oelbaums, Lang und geglättet, und beide zugleich nun rannten zusammen.

Da traf der ihm den Kegel des Mähnenumwalleten Helmes Oben am Busch; doch der ihn am Vorhaupt, als er heransprang,

615

Ueber der Nas', und den Schädel zerschlug er ihm, daß ihm die Augen

Blutig sogleich vor die Füß' in den Staub hinfielen am Boden, Und er sich drehet' und stürzt'.

Und die Fers' an die Brust ihm gestemmet,

Nahm der Atrid' ihm die Rüstung und rief frohlockend die Worte: Also scheidet ihr nun von der reisigen Danaer Schiffen,

620

Frevele Troer, ihr wollet ja nur den entsetzlichen Schlachtruf!

Wahrlich, ihr ließt nichts fehlen von anderer Schmach und Beschimpfung, Wie ihr an mir sie verübt, heimtückische Hund', und im Herzen

Scheutet ihr nimmer den donnernden Zeus, den Beschirmer des Gastrechts, Der euch bald, schwer zürnend, die mächtige Burg in den Staub wirft. 625

Denn mein Ehegemal und zugleich viel reiches Besitzthum Habt ihr frech mir geraubt, als jen' euch gastlich empfangen.

Und nun würfet ihr gern in die Meerdurcheilenden Schiffe, Sie ;u vernichten, die Flamm' und erschlügt uns Helden Achajas; Aber ihr laßt wohl endlich vom Kampf, trotz eurer Begierde!

630

266

Ilias.

Zeus, du Vater, sie sagen, dir gleicht sonst keiner an Weisheit

Unter den Männern und Göttern — und dein Werk ist dieß Alles! Wie du ja noch auch immer die trotzigen Troer begünstigst,

Deren Gemüth nur Frevel erfüllt, und welche sich niemals

Sättigen können an Kampf und dem Unheil bringenden Schlachtruf-

635

Sonst doch giebt es in Allem ja Sättigung, so in dem Schlafe, Wie in der Liebe, dem süßen Gesang und dem herrlichen Neihntanz.

Daran begehrt wohl Mancher sich mehr das Verlangen zu stillen,

Als an dem Krieg; doch sättigen nie sich am Kampfe die Troer! Also sprach Menelaos der Held, und die blutige Rüstung

640

Riß er herab von dem Körper und gab sie den treuen Genossen; Aber er selbst schritt wieder hinein in die vordersten Kampfreihn. Und des Pylämenes Sohn Harpalion sprang ihm entgegen,

Welcher dem theueren Vater, dem herschenden, folgte gen Troja, Dort zu dem Kamps, und er kam nie mehr zu dem Lande der Heimat, 645

Der traf, ganz dem Atriden genaht, mit dem Speere des Schildes Mitte, vermochte jedoch nicht durch mit dem Erze zu stoßen. Dann nun wich er, dem Tod zu entgehn, in die Schaar der Genossen, Ringsum schauend, damit ihm den Leib nicht etwa ein Speer traf.

Aber Meriones schoß, da er floh, ihm den ehernen Pfeil nach,

650

Und im Gesäß rechts traf ihn der Schuß, daß bohrend der Pfeil ihm

Unten am Knochen vorbei ganz durch in die Blase hineindrang.

So nun sank er und saß, und er haucht' in den Armen der Freunde Sterbend den Geist aus, streckte sich dann wie ein Wurm in den Staub hin, Während das dunkele Blut ihm entrann und die Erde benetzte.

655

Und eS bemühten sich um ihn die muthigen Paphlagonen, Hoben ihn auf in den Wagen und hin nach der heiligen Troja

Fuhren sie klagend, dem Vater gesellt, dem Thränen entströmten.

Sühnung indeß ward nicht ihm zu Theil für des Sohnes Ermordung! Und AlerandroS ergrimmte das Herz, als dieser dahin sank; Denn sein Gastfreund war er im Paphlagonischen Volke. Deshalb war er erzürnt, und er schnellte den ehernen Pfeil ab.

660

Dreizehnter Gesang.

267

Da nun war Euchmor, ein Sohn Polyidos, des Sehers,

Reich an Besitzung und gut, und er wohnt' in dem Haus in KorinthoS,

Der sein böses Geschick wohl kannt', und doch in das Schiff stieg.

665

Denn ihm verkündet' es öfter der würdige Greis Polyidos,

Daß er, mit Schmerzen erkrankt, einst stürb' in der eignen Wohnung, Oder den Troischen Schaaren erlag' an den Schiffen Achajas.

Deshalb bangt' ihm zugleich vor der Danaer schmerzender Rache, Und vor der Krankheit Qualen, den Schmerz in der Brust zu erdulden. 670 Dem nun traf er die Back' an dem Ohr: da floh ihm die Seele

Schnell aus den Gliedern hinweg, und das grausige Dunkel umfing ihn.

So nun kämpften sie dort gleich lodernden Flammen des Feuers. Aber von Keinem vernahm und erfuhr es der göttliche Hektor, Daß ihm das Volk jetzt dort zu der Linken der Schiffe dahinsank

675

Unter den Danaern, wo beinah die Achäer den Siegsruhm Für sich gewannen — es trieb ja der Erderschütt'rer Poseidon

So mit Gewalt die Achäer und half mit der eigenen Stärke — Sondern er war noch, wo er im Thor in die Mauer hineinsprang,

Als er zuerst der Achäer, der Schildebewaffneten Kampfreihn

680

Durchbrach, dort, wo Ajas und Protesilaoö die Schiffe

An das Gestade gezogen, am graulichen Meer; und der Wall dort War am niedrigsten um sie erbaut, wo heftig vor Allen Stürmischer Muth in dem Kampfe die Ross' und die Männer erfüllte. Und die Böoten daselbst und in langem Gewand Jaonen,

685.

Lokrer und Phthier zugleich und das glänzende Volk der Epeep

Hielten den Stürmenden kaum von den Schiffsreihn ab und vermochten Nicht mehr, von sich zu drängen den göttlichen, flammenden Hektor. Von Athenäischen Männern erlesene, denen MenestheuS, Peteos Sohn, als Führer voranschritt, und ihm gesellet

Phidas und Bias der Held mit dem Stichios; und den Epeern

Schritt mit dem Drakios Meges voran, der Phylid' und Amphion, Ferner den Phthiern Podarkes, der muthige Held mit dem Medon.

Nicht in der Ehe gezeugt von dem göttlichen Helden OUeus,

690

268

Ilias.

War der Medon ein Bruder des Ajas; aber er wohnte

695

Fern von der Heimat Boden, in Phylake, weil er den Bruder -Einst Eriopis erschlagen, der Ehegemalin O'i'leus;

Jener entstammte dagegen von Phylakos Sohn, dem Jphiklos. Sie nun, Waffengerüstet voran vor den muthigen Phthiern

Schirmten die Schiff',und sie standen zusammt den Booten imKampfdort. 700 Gar nicht weit stand Ajas, der rüstige Sohn des O'i'leus, Nicht im geringsten entfernt von dem Ajas, Telamons Sohne;

Sondern so wie zwei Stiere den tüchtigen Pflug in dem Brachfeld,

Gleich sich an Muth, schwarz beide, dahin ziehn, und es entquillet Beiden in Menge der Schweiß ringsum an den Wurzeln der Hörner,

705

Und das geglättete Joch nur hält sie getrennt von einander,

Wann sie die Furch' ausziehn bis hin zu dem Ende der Feldstur: So auch standen die beiden vereint dicht neben einander. Aber den Telamoniden begleiteten viel' und gewalt'ge

Völker und Freund' auch, immer bereit, sein Schild zu empfangen,

710

Wann ihm die Mühe des Kampfs und der Schweiß zu den Knieen hinabdrang. Aber dem muthigen Sohn des ONeus folgten die Lokrer Niemals, weil sich ihr Herz nicht hielt in der stetigen Feldschlacht.

Denn sie entbehrten der Helme von Erz mit dem wallenden Rofischweif

Und der gerundeten Schilde sowohl als eschener Lanzen;

715

Nur mit den Bogen allein und gedreheter Wolle des Schafes

Zogen sie voller Vertrauen nach Ilios, schossen in Menge Pfeile mit ihnen und brachen hinein in die Troischen Schlachtreihn. So nun kämpfeten jene voran in der köstlichen Rüstung

Gegen das Troische Volk und den Erzumschimmerten Hektor;

720

Doch die schossen von hinten hervor im Versteck, und die Troer Dachten der Kampflust nimmer, indem sie die Pfeile verwirrten. Da nun kehrten die Troer gewiß von den Schiffen und Zelten

Schmachvoll wieder zurück zu den lustigen Höhen von Troja, Hätte Polydamas nicht zu dem muthigen Hektor gesprochen:

Ungern folgest du Hektor der warnenden Red' und der Mahnung!

725

Dreizehnter Gesang.

269

Weil dir die Thaten des Krieges ein Gott vor den Andern verliehn hat,

Deshalb sähest du auch in dem Rath gern weit vor den Andern; Aber du kannst nicht Alles zugleich in dir selber umfassen, Da ja dem Einen die Thaten des Kriegs von dem Gotte verliehn sind, 730

Anderen wieder der Tanz, und Gesang zu der Laute dem Andern, Während dem Andern Verstand in die Brust Zeus waltend gesenkt hat,

Trefflichen, deß wohl Viele der sterblichen Menschen genießen,

Der auch Städte beschirmt, und er selbst wohl sieht es am meisten. Doch ich rede nunmehr, wie mir es am besten zu sein scheint;

735

Denn es umlodert im Kranze dich ringsher Schlachtengetümmel Und die gewaltigen Troer, nachdem sie die Mauer erstiegen,

Stechen die einen entfernt mit den Rüstungen, andere kämpfen,

Wenige nur, an den Schiffen zerstreut, mit der größeren Anzahl. Ziehe dich also zurück und die Edelsten alle berufe,

740

Daß wir zusammen uns wohl den Beschluß mit einander bedenken, Ob wir den Angriff machen vielleicht auf die rudrigen Schiffe, Wenn uns der Himmlischen Einer den Sieg schenkt, oder vielleicht nun Ohne Verlust von den Schiffen zurückziehn; denn ich besorge,

Daß die Achäer uns wieder die gestrige Schuld abzahlen,

745

Da in den Schiffen der Mann, der nie an dem Kampfe sich sättigt, Harret, und der vom Gefechte gewiß nicht ganz sich entfernt halt.

Also sprach er, und Hektor gefiel der unschädliche Vorschlag,

Und mit den Waffen vom Wagen herab an die Erde gesprungen Redet' er gleich zu ihm also und sprach die geflügelten Worte:

Wohl, o Polydamas!

750

Sammle denn du hier alle die Besten;

Aber ich selbst will dort dem Gefecht und dem Kampfe begegnen.

Gleich dann komm' ich zurück, wann gut dort Alles besorgt ist. Sprach es und eilte davon, dem Gebirg gleich, welches im Schnee glänzt,

Weithin rufend und flog durch Bundesgenossen und Troer.

Und zu dem trefflichen Helden Polydamas, Panthoos Sohne, Eilten sie Alle, nachdem sie des Hektor Rufen vernommen.

Doch der suchte De'iphobos noch und des Helenos Stärke,

755

270

Ilias.

Adamas, Asios Sohn und dm Asios, Hyrtakos Sprößling

Eilend umher in den vordersten Kampfreihn, ob er sie anträf.

760

Doch nicht fand er sie mehr ganz frei von Wunden und lebend; Sondern es lagen die einen bereits an den Schiffen Achajas,

Unter der Danaer Armen der muthigen Seelen beraubet, Andere waren in Troja, vom Hieb wund oder dem Speerwurf.

Ihn nur sand er sogleich dort links in dem traurigen Kampfe,

765

Priamos Söhn, Alerandros, der lockigen Helena Gatten,

Wie er den Seinigen Muth einsprach und zu kämpfen sie antrieb,

Trat zu ihm näher und redet' ihn an mit den schmähenden Worten: Paris, von Ansehn schön, Weibsüchtiger, schlauer Verführer,

77q

Sahst du Deiphobos wo und des Helenos herrschende Stärke, Adamas, Asios Sohn und den Asios, Hyrtakos Sprößling

Und den Othryoneus wo?

Jetzt sank die erhabene Troja

Ganz von dem Gipfel herab, jetzt naht dir gewisses Verderben!

Und es entgegnete jenen: der göttliche Held Alerandros: Da es dir Hektor gefällt, mich schuldlos jetzo zu schmähen:

775

Sonst wohl mag ich mich eher einmal von dem Kampfe zurückziehn;

Aber so ganz schwach bin ich doch nicht von der Mutter geboren!

Denn seitdem du den Freunden den Kampf an den Schiffen erregt hast: Seitdem tummeln wir immer uns hier mit den Söhnen Achajas.

Doch die Genossen, nach denen du fragst, die liegen getödtet;

780

Einzig Deiphobos nur und des herrschenden Helenos Stärke

Gingen hinweg, von dem Wurfe der mächtigen Speere getroffen, Beid' an der Hand, und es wehrte Kronion ihnen den Tod ab.

Jetzt nun führe, wohin es der Muth und das Herz dir gebietet: Wir sind freudig zu folgen bereit, und ich meine, der Muth soll

Nimmer uns fehlen, so lange wir nur noch Kräfte besitzen: Ueber die Kraft kann Keiner, und wär es der muthigste, kämpfen.

Als sich so mit dem Worte der Held mit dem Bruder verständigt,

Eilten sie hin, wo eben das heftigste Kampfesgewühl war Um den Kebriones und des Polydamas heilige Stärke,

785

Dreizehnter Gesang.

271

Phallkes, Orthäos und um den erhabenen Held Polyphones,

Palunys, Askanios ferner und Morys, Hippotions Söhne,

Die^ von Askanias Flur am vergangenm Morgen gekommen, Anderes Volk zu ersetzen, Kronion jetzt in den Kampf trieb.

Die nun schritten daher gleich schrecklichem Brausen des Sturmwinds,

795

Der vor dem Donner des Vater Kronion über die Flur fegt,

Dann in das Meer laut tosend hineinstürzt, daß sich die Wogen Hoch aufschwellend erheben im brausenden Meer, mit den Kämmen Uebergebäumt, voll Schaum, und die hinteren drängen die vordem:

Also- zogen die Troer, gedrängt von den Hintern die Vorder»,

800

Alle zugleich mit den Führern, umblitzt von der ehernen Rüstung. Hektor führte die Schaaren, dem mordenden Ares vergleichbar,

Priamos Sohn; vor hielt er den Schild von gerundeter Wölbung, Fest aus Häuten und schwer von dem übergetriebenen Erze,

Und es umflog ihm die Schläfe der weithin glänzende Helmschmuck.

805

Ringshin drang er von hier und von dort und versuchte die Schlachtreihn,

Ob sie ihm wichen, indem er bedeckt mit dem Schilde sie angriff;

Doch er erschütterte nimmer das Herz in der Brust der Achäer.

Mächtigen Schritts kam Ajas zuerst und er rief ihn zum Kampf auf:

Unglückseliger, komm doch heran! Gegen die Danaer?

Wie bist du so furchtsam

810

Wahrlich wir sind wohl kundig des Kampfes;

Zeus nur schlägt mit der Geißel des Unheils jetzt die Achäer! Sicher vermeinest du schon in dem Sinn, du vertilgest die Schiffe;

Doch bei uns auch finden sich gleich hier Händ' es zu wehren!

O, weit eher gewiß, sinkt euere wohnliche Stadt hin,

815

Unseren Armen erliegend im Sturm und zerstöret von Grund aus.

Und dir selbst steht's nahe bevor, das weiß ich, entfliehend Vater Kronion zu flehen und all den unsterblichen Göttern, Daß gleich Falken, und schneller, die stampfenden Rosse dich möchten

Heim nach Mos tragen in eilendem Laufe das Feld durch. Also sprach er zu ihm: da flog rechtshin ihm ein Vogel,

Hochher schwebend ein Aar, und es jauchzeten laut die Achäer,

820

272

Illas.

Ueber das Zeichen erfreut; doch sprach der erhabene Hektor: Ajas, pralender Thor!

Was sprichst du doch, eiteler Schwätzer!

Wär ich des Zeus Sohn doch so gewiß, des Aegidenbewehrten,

825

Immer unsterblich zu sein, von der Herrscherin Here geboren, Also geehrt, wie Athene und Phöbos Apollon geehrt wird:

Wie der Tag hier heute den Danaern allen zusammen

Unheil bringet, und du auch fällst hier, wenn du den Muth hast, Meinem gewaltigen Speere zu stehn: er zerreißt dir den zarten Leib, und du sättigst die Vögel nachher und die Hunde der Troer

Mit dem Gebein und dem Fleisch, todt hier an den Schiffen Achajas!

Sprach eS und führte sie an, und die Anderen folgten ihm alle, Graunvoll tosend, und hinten das Volk auch jauchzete laut auf. Aber die Danaer jauchzten von dort: sie vergaßen der Kraft nicht;

Sondern erwarteten stehend die nahenden Helden der Troer: Beider Geschrei stieg auf zu dem Zeus in den glänzenden Aether.

830

Vierzehnter Gesang. vtestor indessen vernahm beim Trunk selbst drinnen das Jauchzen,

Und zu Machaon begann er und sprach die geflügelten Worte: Denk, Asklepios Sohn!

Was nimmt dieß noch für ein Ende?

Lauter ertönt an den Schiffen der Ruf von den rüstigen Männern!

Doch bleib du jetzt sitzen und trink von dem funkelnden Weine,

5

Bis dir ein wärmendes Bad Hekamede die lockige warm macht, Und dir die Glieder nachher rein wäscht von dem blutigen Morde. Aber ich selbst will gehen und schnell von der Höhe mich umsehn.

Also sprach er und nahm sich den tüchtigen Schild von dem Sohne, Der in dem Zelt dort lag, von dem reisigen Held Thrasymedes,

10

Ringsum schimmernd von Erz — er ging mit dem Schilde des Vaters — Nahm die gewaltige Lanze, gespitzt mit dem schneidenden Erze,

Trat vor das Zelt und gewahrte sogleich die entsetzlichen Dinge:

Diese gedrängt in Verwirrung und die, nachstürmend vom Rücken, Trojas muthige Söhn', und der Danaer Mauer in Trümmern.

15

Wie daS gewaltige Meer dumpf, purpurwogend emporwallt,

Weil es von ferne den Sturm schon fühlt, der sausend daherkommt; Noch nicht wälzt es sich weder nach vorn, noch wälzt es sich rückwärts,

Bis von Kronion erwählet ein Wind dann endlich herabfährt:

Also erwog unruhig der Greis in gespaltenem Herzen,

20

Sollt' er zuerst hingehn zu den reisigen Schaaren Achajas Oder zu Atreus Sohne, dem herrschenden Held Agamemnon. 18

274

Ilias.

Also bedacht' er sich zweifelnd, und dieß dann schien ihm das Beste:

Zu dem Atriden zu gehen.

Indeß die würgten einander

Zn dem Gefecht, und es dröhnte das schirmende Erz um den Leib her

25

Unter den Stößen der Schwerter und zwiefach schneidenden Lanzen. Und es begegneten Nestor die Götterentstammenden Fürsten,

Alle getroffen vom Erz, die auch von den Schiffsreihn kamen: Atreus Sohn Agamemnon, Odysseus und Diomedes. Denn sehr weit von der Schlacht an dem graulichen Meeresgestade

30

Lagen die Schiffe; sie hatten die vordersten nur an des Landes

Ufer gezogen, und um sie den Wall an den Steuern gebauet. Denn, wie weit das Gestad' auch ist; doch faßt' es unmöglich

Alle die Schiffe; zusammengedrängt auch waren die Völker.

Deshalb lagen sie zackig gereiht, und sie füllten des ganzen

35

Users geräumige Bucht in dem Schutz der umschließenden Derghöhn.

Die nun kamen, um nach dem Gefecht und dem Kampfe zu schauen, Alle, gestützt auf die Lanzen, daher, und es schwellte Betrübniß

Ihnen das Herz in der Brust: da. nahete ihnen der Greis sich, Nestor, und Schrecken erfüllte das Herz in der Brust der Achäer.

4o

Und es begann zu ihm also der herrschende Fürst Agamemnon: Nestor, Neleus Sohn, du erhabener Ruhm der Achäer, Weshalb kommst du und gehest zurück von dem mordenden Kampfe?

Ha, es erfüllt nun, fürcht' ich, das Wort der gewaltige Hektor,

Wie er einmal es gedroht in der Troischen Männer Versammlung,

45

Nimmer zurück von den Schiffen nach Ilios wieder zu kehren,

Eh er mit Feuer die Schiffe verbrannt und uns. selber getödtet. Ja, so redete jener, und nun wird Alles erfüllet! Wehe mir, wahrlich es hegt von den wohlumschienten Achäern

Mir wohl Mancher im Herzen Erbitterung, so wie Achilleus, Daß sie den Kampf nicht wollen bestehn an den Steuern der Schiffe!

Und ihm entgegnet' und sprach der gerenische, reisige Nestor:

Ja, dieß ist nun wirklich geschehn, und es anders zu schaffen

Wäre der Donnerer Zeus wohl selbst jetzt nimmer im Stande.

50

Vierzehnter

275

Gesang.

Denn schon liegt ja die Mauer in Schutt, von welcher wir hofften,

55

Nimmer zerstörbar würde sie uns und den Schiffen ein Schirm sein. Doch sie stehen beständig im Kampf an den eilenden Schiffen Unablässig, und spähtest du auch wohl lange, du sähst nicht,

Wo sich das wilde Gedräng auf die kämpfenden Danaer herstürzt. Also vermengt sie der Mord, und es steigt zu dem Himmel der Schlachtruf. 60

Aber wohlauf nun, denken wir nach, was jetzo geschehn soll, Wenn der Verstand noch hilft; in den Kampf nur lasset uns nicht gehn, Mein' ich: es taugt niemals ein verwundeter Mann im Gefechte.

Und es entgegnet' ihm wieder der herrschende Fürst Agamemnon:

Nestor, da ja der Kampf schon drang zu den Steuern der Schiffe,

65

Auch die Erbauung der Mauer uns gar nichts half mit dem Graben, Wo die Achäer so viel sich bemüht und gehofft in dem Herzen,

Nimmer zerstörbar, würde sie uns und den Schiffen ein Schirm sein: Also gefällt es denn wohl nun so dem gewalt'gen Kronion, Daß hier rühmlos fallen, von Argos fern, die Achäer.

70

Denn wohl sah ich es, als er die Danaer günstig beschirmte; Und jetzt seh ich, verherrlicht er die, gleich seligen Göttern,

Ehrend, indem er uns selber den Muth und die Arme gefesselt.

Aber wohlauf denn, hört mein Wort und gehorchet mir Alle. Sämmtliche Schiffe, so viel wir zuerst aufzogen am Meerstrand,

75

Wollen wir nehmen und eilig hinab in die heilige Flut ziehn; Dann auf der Höhe sie halten mit Ankern, bis mit dem Dunkel

Heilige Nacht kommt — wenn nur dann selbst endlich die Troer Lassen vom Kampf — dann ziehn wir die sämmtlichen Schiff' in die Meerflut.

Keiner verargt es, der Noth zu entfliehn und wär's in der Nacht selbst: £0 Besser, wir fliehen entrinnend dem Unheil, als wir erliegen!

Da sprach finsteren Blickes zu ihm der verschlag'ne Odysseus:

Atreus Sohn, was flöhe dir da für ein Wort von den Lippen? Kläglicher!

Möchtest du lieber ein anderes, feigeres Kriegsheer

Führen, und uns nicht wollen befehligen, denen es Zeus gab, Daß wir von jung auf bis wir ergraut, des entsetzlichen Kampfes 18*

85

Ilias.

276

Mühen bestehn, bis jeder zuletzt in dem Tode dahin sinkt! So nun denkest du also die weitdurchwanderte Troja

Jetzt zu verlassen, um die wir unendliche Leiden erduldet?

Schweig!

Daß ja kein andrer das Wort im Achäischen Volke

90

Hört, das wahrlich ein Mann nicht gern auch nur in den Mund nahm,

Der nur irgend im Herzen versteht, wohl ziemend zu reden, Und, mit dem Stab in den Händen, unzähligen Völkern gebietet,

So wie du als Führer der Danaer Schaaren beherrschest.

Gänzlich verwerf' ich und tadle den Vorschlag, welchen du aussprachst! 95 Mitten im tobenden Kampf jetzt räthst du, die rüstigen Schiffe

Niederzuziehn in die Fluten, damit es dem Volke der Troer

Mehr noch gehe nach Wunsch, die so schon siegen, und gänzlich Uns die Gewalt des Verderbens zerschmettere.

Denn die Achäer

Werden die Schlacht nicht halten, indem sie die Schiff' in das Meer ziehn; 100 Sondern nach Rettung schaun und in Kampflust nimmer beharren.

Dann ist's dein Rath, der sie vertilgt, du Führer der Völker! Und es entgegnet' ihm drauf der Gebieter des Volks, Agamemnon:

Wahrlich, Odysseus, Schmerzen erregt dein bitterer Vorwurf Mir in der Brust; doch fordr' ich ja nicht von den Söhnen Achajas,

105

Wollen sie selbst nicht, daß sie die Schiffe hinab in das Meer ziehn.

Wär nur jetzt hier einer, uns besseren Rath zu ertheilen,

Wär' es ein Jüngling oder ein Greis: mir wär er willkommen! Da sprach also zu ihnen der Rufer im Streit Diomedes:

Nun, hier ist er, der Mann!

Nicht braucht ihr ihn lange zu suchen! 110

Wollet ihr mir nur folgen und nicht unmuthig mir deshalb

Etwa erzürnt sein, weil ich der jüngste von euch an Geburt bin. Ich auch rühme ja mich als Sohn des erhabenen Vaters, Tydeus, welchen in Thebe des Erdmals Hügel bedecket. Denn drei Söhn' entsprossen, untadelig alle, dem Portheus,

Welche des Kalydon Höhen und Pleurons Fluren bewohnten, Melas und Agrios und dann Tydeus Vater, der dritte, Oeneus, herrlich vor jenen an Kraft, der Bezähmer der Rosse.

115

Vierzehnter Gesang.

277

Der nun blieb dort; aber es zog mein Vater gen Argos, Unflat lang': es gefiel so Zeus und den anderen Göttern.

120

Und von Adrastos Töchtern vermalt' er sich einer und wohnte,

Reich an Gut in dem Haus; und der Waizengesegneten Fluren Hatt' er genug, und mit Bäumen bepflanzt rings Gärten in Menge. Viel' auch Schafe besaß er, und war, wie keiner im Speerkampf

Von den Achäern: ihr hörtet es selbst wohl, wie es denn wahr ist.

125

Haltet ihr nun mich nicht für gering von Geschlecht und für kraftlos:

Nun, dann tadelt ihr sicher den Rath nicht, welchen ich gebe.

Laßt, trotz unserer Wunden, uns jetzt in der Noth zu dem Kampf gehn; Dort dann bleiben wir selber der Schlacht nah, nur den Geschossen

Ferne, damit wir vielleicht nicht Wund' auf Wunden erhalten;

130

Doch wir ermuntern und treiben die Anderen, welche dem Herzen

Gern wohl sonst nachgebend sich von dem Gefechte zurückziehn. Sprach es, und jene vernahmen ihn gern und befolgten den Vorschlag,

Eileten hin, und sie führte der herrschende Fürst Agamemnon. Aber der Erderschütt'rer Poseidon spähete wachsam,

135

Trat zu den Männern hinan von Gestalt wie ein alternder Krieger,

Faßt' an der Rechten begrüßend des Atreus Sohn Agamemnon, Und dann redet' er zu ihm und sprach die geflügelten Worte:

Atreus Sohn, jetzt freuet das grausame Herz des Achilleus

Wohl sich im Inneren, wenn er den Mord und die Flucht der Achäer 140 Ansicht, da er fürwahr auch nicht das geringste Gefühl hat!

Doch der fahre dahin, und ein Himmlischer mach' ihn zu Schanden! Dir sind nimmer so ganz die unsterblichen Götter erzürnet;

Sondern es werden ja wohl die berathenden Führer der Troer

Bald hineilen im weiten Gefild, und du sichest sie selbst noch

145

Von den Gezelten und Schiffen zu Ilios Mauern zurückfliehn. Sprach es und stürmte dahin im Gefild mit gewaltigem Schlachtruf: Wie neuntausend der Männer, sogar zehntausend im Kampfe

Alle zugleich aufschrein in dem Schlachtengetümmel des Ares: So, aus mächtiger Brust rief laut der Erschüttrer der Erde.

150

278

Ilias.

Und er erfüllt' in dem Volke der Danaer jedem die Seele Mit der gewaltigen Kraft, rastlos im Gefechte zu kämpfen. Da nun stand hinschauend die goldenthronende Here

Auf des Olympos Gipfel und sah es sogleich mit den Augen, Wie ihr Bruder und Schwager die Männererhebende Feldschlacht

155

Immer im Sturm durcheilt' und sie freute sich drüber im Herzen. Aber den Zeus auch sahe sie hoch auf dem quelligen Ida

Sitzen und zürnt' auf ihn voll bitteren Grolls in dem Innern. Da sann Here darüber, die Hoheit blickende Göttin,

Wie sie mit List wohl täuschte den Aegisbewehrten Kronion.

160

Und es erschien ihr zuletzt der Rath in dem Herzen der beste, Hin zu dem Ida zu gehen, nachdem sie mit Fleiß sich geschmücket,

Ob ihn Verlangen ergriffe vielleicht, in der Liebesumarmung,

Mit ihr zu ruhn, dann wollte sie sanft umfangenden Schlummer Ueber die Augen ihm streun und den Geist voll tiefer Gedanken.

165

Und sie enteilt' in die Wohnung, vom theueren Sohne Hephästos Für sie gebaut, der künstlich die Thür' in den Pfosten befestigt

Mit dem verborgenen Schloß, das sonst kein Himmlischer öffnet.

Dort nun trat sie hinein und verschloß die geglätteten Pforten.

Und mit Ambrosia wusch sie zuerst von dem göttlichen Leibe

170

Jede Befleckung und salbte sich dann mit dem schmeidigen, milden Oel von Ambrosia, das mit dem köstlichen Dufte gewürzt war.

Wann es im ehernen Hause des Zeus nur leise bewegt wird,

Breitet sich über die Erde sogleich und den Himmel der Duft aus. Hiermit salbte sie nun sich den herrlichen Leib und das Haupthaar,

175

Kämmt' es und flocht mit den Händen die glänzenden, herrlichen Locken, Die dem unsterblichen Haupt mit ambrosischem Schimmer entwallten.

Und das Gewand drauf nahm sie, das göttliche, das ihr Athene

Künstlich gewirkt und darinnen umher viel Bilder gewebet, Und mit den goldenen Spangen verband sie es über dem Busen. Schlang dann um sich den Gürtel, von hundert Troddeln umhangen,

Fügte darauf in^die Ohren die köstlichen Ohrengehänge

180

Vierzehnter Gesang.

279

Mit drei blitzenden Sternen, umstralt von unendlicher Anmuth.

Und mit dem Schleier umhüllte das Haupt die erhabene Göttin, Der, vollendet so eben und schön, gleich Helios stralte,

185

Und mit den herrlichen Sohlen umband sie die glänzenden Füße.

Aber nachdem sie den Leib nun ganz mit dem Schmucke bekleidet, Trat sie aus ihrem Gemache hervor, und sie rief Aphrodite

Etwas entfernt von den andern unsterblichen Göttern und sagte: Thust du mir wohl den Gefallen, o Theuere, wenn ich dich bitte,

190

Oder verweigerst du mir ihn, indem du im Herzen erzürnt bist,

Weil du die Troer beschirmest und ich die Achäer beschütze? Und Aphrodite, die Tochter des Zeus, sprach wieder entgegnend:

Here, erhabene Göttin, gezeugt von dem mächtigen Kronos,

Sage mir, was du verlangest: ich will es dir fteudig gewähren,

195

Kann ich es nur dir gewähren, und ist's nur irgend gewährbar.

Da sprach listigen Sinnes zu ihr die erhabene Here:

Gieb mir den Liebreiz jetzt und die Sehnsucht, welche dir alle Herzen der ewigen Götter gewinnt und der sterblichen Menschen.

Denn ich gedenke, die Grenzen der nährenden Erde zu sehen,

200

Thetys die Mutter und ihn, den Okeanos, unseren Ursprung,

Die mich in ihrem Palaste gmährt und gepsteget mit Sorgfalt,

Ihnen von Rhea vertraut, als Zeus, der Gewalt'ge, den Kronos

Unter die Erde verstieß und die nie Frucht tragende Meerflut. Diese gedenk' ich zu sehn und nach ewigem Streit zu versöhnen.

205

Denn sie enthalten so lange sich schon des Vereines im Lager Und der Umarmung der Lieb' in des heftigen Zornes Erbitt'rung. Könnt' ich das Herz nun ihnen mit freundlichen Worten bereden

Und zu dem Lager sie führen zu traulicher Liebesumarmung:

3a, dann hießen sie beide mich theuere, würdige Freundin!

210

Und es entgegnet' ihr wieder die lächelnde Aphrodite:

Nimmer vermöcht' ich und ziemt' es sich auch, dir den Wunsch zu versagen, Da du ja ruhst in den Armen des waltenden Vater Kronion. Also sprach sie und löste sogleich von dem Busen den Gürtel,

280

Ilias.

Wo sie in köstlichem Bande die zaudernden Reize bewahrte,

215

Alle zusammen, daS Sehnen, die Lieb' und das traute Geplauder, Und die Verlockung, die der Verständigsten Sinne bethöret.

Und zu ihr sagte sie also, indem sie ihn ihr in die Hand gab: Sieh, da nimm und verbirg dir den köstlichen Gürtel im Busen. Alles vereint sich darinnen, und kehrst du nach Hause, so weiß ich,

220

Ist dir gelungen, wonach dich im inneren Herzen verlangt hat. Sprach'S z da lächelte Here, die Hoheitblickende Göttin,

Und sie verbarg dann lächelnd den köstlichen Gürtel im Busen. Und Aphrodite, die Tochter des Zeus, ging nach dem Palaste.

Here dagegen verließ des Olympos Höhen im Schwünge,

225

Nahte Pieria dann und Emathia's lieblichen Fluren, Flog zu den schneeigen Bergen der Roffebezähmenden Thraker, Ueber die äußersten Höhn — nie rührt' ihr Fuß an die Erde —

Und von dem Athos schritt sie hinab auf die wogende Meerflut,

Daß sie nach Lemnos gelangte, der Stadt des erhabenen Thoas.

230

Dort nun fand sie den Schlummer, den leiblichen Bruder des Todes, Und sie begrüßt' ihn und gab ihm die Hand; dann sprach sie die Worte:

Schlaf, du Herrscher der Ewigen all' und der Sterblichen alle, Sonst auch hast du ja schon mich gehört, so gehorche mir jetzt auch,

Und ich gedenk es gewiß dir mit Dank in unendliche Zeiten.

235

Hülle die stralenden Augen Kronions gleich mir in Schlaf ein,

Unter den Wimpern, sobald ich mich zu ihm in Liebe gelagert, Und ein Geschenk auch wird dir, ein Thron, ganz golden und prachtvoll,

Nimmer vergänglich, ihn soll mein hinkender Sohn mir Hephästos Künstlich bereiten und unten die Bank für die Füße befest'gen,

240

Daß du die glänzenden Füße darauf magst stützen am Festmal. Und der erquickende Schlaf antwortete jener und sagte:

Here, erhabene Göttin, gezeugt vom gewaltigen Kronos,

Leicht wohl wär' es mir, jeden der anderen ewigen Götter

Schlummernd im Lager zu betten, sogar des Okeanos Fluten,

Dessen Gewässer von Allem der Ursprung ist und der Anfang;

245

Vierzehnter Gesang.

281

Zeus, dem Kroniden indessen getrau ich mich nimmer zu nahen, Um ihn in Schlummer zu bringen, er selbst denn müßt' es gebieten.

Auch ein Befehl, den du mir ertheiltest, hat mich gewitzigt,

An dem Tag, als jener, der muthige Sohn des Kronion,

250

Ilios Ufer verließ, nach der Troischen Veste Zerstörung. Damals schläfert' ich auch des Aegidenbewehrten Kronion

Sinn ein, mild ihn umfangend, und du sannst jenem Verderben, Triebst die entsetzlichen Winde hinaus zum Sturm in die Meerflut, Und du verschlugst ihn darauf nach Kos, in das wohnliche Eiland,

255

Fern von den Freunden hinweg: da fuhr der zürnend vom Schlaf auf, Stürmt' in dem Hause die Götter umher, mich aber vor Allen

Sucht' er und warf mich vernichtet gewiß in das Meer von dem Aether,

Wenn mich die Nacht nicht schirmte, vor der sich die Götter und Menschen Beugen, zu der ich geflohn.

Da ruht' er, so sehr er erzürnt war,

260

Weil er sich scheute, die eilende Nacht zu verletzen mit Kränkung. Und jetzt treibst du mich wieder, ein heillos Werk zu beginnen. Und es entgegnet' ihm Here, die Hoheitblickende Göttin: Aber, o Schlaf, was kümmert dich dieß doch so in dem Herzen?

Meinst du der waltende Zeus woll' also den Troern beistehn,

265

Wie er einmal um Herakles, den eigenen Sohn sich ereifert? Komm doch, ich gebe dir auch von den Chariten eine der jüngsten,

Daß du dich ihrer Umarmung erfreust als Ehegenossin, Jene Pasithea, die du von jeher liebend begehrt hast. Sprach es, und freudig vernahm es derSchlasiund ergab ihr dieAntwort: 270

Auf denn, leiste mir jetzo den Schwur beim nimmer verletzten Wasser des Styr, die Hand auf der Nahrungspendenden Erde, Die auf wogendem Meere, damit die Unsterblichen alle Zeugen uns sein, uns beiden, die Unteren dort um den Kronos, Daß du gewiß sie mir giebst, von den Chariten eine der jüngsten,

Jene Pasithea, die ich von jeher liebend begehret.

Sprach es, und willig gehorcht' ihm die lilienarmige Here,

Schwur so, wie er es wollt', und sie rief beim Namen die Götter

275

282

Ilias.

Alle zumal, Titanen genannt, in des Tartaros Abgrund.

Aber nachdem sie es nun ihm gelobt und beendet den Eidschwur,

280

Gingen sie beid' und verließen die Stadt von Lemnos und Jmbros, Dicht mit Nebel umhüllt, und der Weg ward eilig beendet.

Und sie erreichten den Ida, den quelligen Vater der Thiere, Lektos, wo sie vom Meere zuerst aussteigend im Land hin

Gingen, und zitternd erbebte vom Gang in den Wipfeln die Waldung. 285

Aber der Schlaf blieb dort, eh Zeus ihn gesehn mit den Augen, Oben im Gipfel der Tanne versteckt, die mächtig vor allen Hoch auf dem Ida wachsend im duftigen Aether emporstieg.

Dort nun saß er versteckt in dem schattenden Tannengezweige, Aehnlich dem schreienden Vogel von Ansehn, den im Gebirge

290

Chalkas die Ewigen nennen, die Sterblichen aber den Nachtaar. Schnell stieg Here indeß zu des Gargaros Höhen, des Ida

Gipfel, hinauf und es sah sie der Wolkenversammler Kronion. Und er erblickte sie kaum, so umhüllt' ihm Verlangen die Seele, Gleich wie damals, da sie zuerst sich in Liebe vereinten,

295

Daß sie das Lager bestiegen, geheim vor den liebenden Eltern.

Sv nun stand er vor jener und sprach zu ihr also und sagte:

Here, wohin?

Was führet dich her zu den Höhn des Olympos,

Ohne die Ross' und den Wagen, damit du nachher ihn besteigest? Da sprach listigen Sinnes zu ihm die erhabene Here:

300

Fernhin geh ich, die Grenzen der nährenden Erde zu sehen, Thetys die Mutter und auch den Okeanos, unseren Ursprung,

Die mich in ihrem Palaste genährt und gepsteget mit Sorgfalt.

Diese gedenk' ich zu sehn und den ewigen Zwist zu versöhnen; Denn sie enthalten so lange sich schon des Vereines im Lager

305

Und der Umarmung der Lieb' in des heftigen Zornes Erbitt'rung.

Aber die Rosse verließ ich am quelligen Saume des Ida,

Ueber das trockene Land und die Flut mich hinüber zu tragen. Hierher kam ich indessen zu dir jetzt von dem Olympos, Daß du nachher nicht etwa mir zürnetest, ging ich im Stillen

310

Vierzehnter

Gesang.

283

Zu des Okeanos Haus und dem tief hinwallmden Strome. Und es entgegnete jener der Wolkenversammler Kronion:

Dorthin kannst du ja immer nachher auch gehen, o Here!

Komm jetzt, laß uns zusammen der Lieb' uns erfreuen im Lager!

Denn noch niemals hat von den Göttinnen oder den Frauen

315

Eine mir so mein Herz in der Brust mit Verlangen bezwungen, Selbst nicht, da ich der Gattin Jrions nahte mit Liebe, Die den Pirithoos von mir gebar, der Göttern im Rath glich,

Oder die Danae liebt', Akrisios liebliche Tochter, Welche den Perseus von mir gebar, den erhabensten Helden,

320

Noch auch Phönir Tochter, des ruhmvoll herrschenden Königs,

Die mir den Minos gebar und den göttlichen Held Rhadamanthys, Noch auch Semele selbst, noch auch Alkmene in Thebe,

Welche den Sohn mir gebar mit dem muthigen Herzen, Herakles; Semele aber gebar zu der Sterblichen Lust Dionysos:

325

Noch Demeter die Göttin, umwallt von den herrlichen Locken, Noch die gefeierte Leto, noch du auch selber, o Here, Wie jetzt Liebe zu dir mich erfüllt mit dem süßen Verlangen. Da sprach listigen Sinnes zu ihm die erhabene Here:

Was für ein Wort, o Kronide, du Schrecklicher, hast du gesprochen,

330

Wenn du verlangest, in Liebe mit mir auf den Höhen des Ida Jetzo zu ruhen!

Es ist ja hier ringsum Alles zu sehen.

Wie nun wär's, wenn Einer uns hier von den ewigen Göttern

Sah in dem Schlummer und eilt' und erzählt' es den Himmlischen allen? Nein, ich könnte zu deinem Palast nie wieder zurückgehn,

335

Stünd' ich im Lager nachher hier auf: das wäre ja schmachvoll! Aber, sobald du es willst und es dir in dem Herzen genehm ist: Nun, dann hast du ja dort das Gemach von dem theueren Sohne, Von dem Hephästos erbauet und fest mit den Thüren verschlossen: Dorthin komm in das Lager, gefällt es dir, bei mir zu ruhen.

Und ihr entgegnete wieder der Wolkenversammler Kronion: Here, besorge du nichts: kein Gott, noch einer der Menschen

340

284

Ilias.

Soll uns erblicken; ein golden Gewölk soll ganz dich umhüllen, Daß auch Helios sicher hindurch uns nimmer erspähn mag, Der doch scharf mit dem Licht, wie sonst kein-anderer durchschaut.

345

Also sprach der Kronid' und umfing mit den Armen die Gattin. Da ließ unter den beiden die heilige Erde die Kräuter

Lieblich erblühn, Hyakinthos und thauigen Lotos und Krokos,

Schwellend und dicht, und sie hoben sie hoch auf über den Boden. Da nun ruhten die beiden, umhüllt von der goldenen, schönen

350

Wölk', und sie träufelt' in Tropfen den Thau hellglänzend Hemieder. Also ruhete sanft auf Gargaros Höhen der Vater

Unter des Schlafs und der Liebe Gewalt in den Armen der Gattin. Und der erquickende Schlaf flog hin zu den Schiffen Achajas, Um es dem Ländererschütt'rer Poseidon gleich zu verkünden;

355

Trat zu ihm nahe hinan und begann die geflügelten Worte:

Jetzt hilf muthig, Poseidon, den Danaern, daß du den Siegsruhm Ihnen, und wär's nicht lange verleihst; doch während Kronion

Ruhet, indem ich ihn sanft mit betäubendem Schlummer umfangen;

Here bethöret' ihn, daß er in Liebe sich zu ihr gesellt hat.

360

Sprach es und eilte hinweg zu den rühmlichen Menschengeschlechtern, Jenen indessen bewegt' er noch mehr, den Achäern zu helfen, Daß er sogleich mit dem Ruf vorsprang in die vordersten Kampfreihn:

Danaer, lassen wir wieder den Hektor, Priamos Sohn jetzt

Siegen, damit er die Schiff' uns entreiß' und den Ruhm sich gewinne? 365 Aber er redet und rühmet sich so, weil immer Achilleus Roch an den wölbigen Schiffen, den Zorn in dem Herzen, zurückbleibt. Dennoch vermißten wir jenen so sehr nicht, möchten wir Andern

Uns nur immer ermuth'gen im Kampf und einander uns beistehn. Aber wohlauf jetzt, thuet sogleich, wie ich es gebiete.

370

Schirmen wir uns mit den größten und trefflichsten Schilden im Heere,

Decken wir alle das Haupt mit den weithin funkelnden Helmen, Waffnen wir unsere Hand mit den mächtigsten Speeren und gehn dann! Aber ich selbst will führen und nicht mehr hoff' ich, besteht uns

Vierzehnter Gesang. Hektor, Priarnos Sohn, und bestürm' er uns noch so gewaltig.

285 375

Ist wo ein rüstiger Mann mit dem kleineren Schilde bewaffnet, Geb' er es ab an den Schwächern im Kampf und das größere nehm' er!

Sprach es, und jene vernahmen ihn wohl und gehorchten ihm willig.

Selbst gleich stellten die Herrscher das Volk, trotz ihrer Verwundung: Atreus Sohn Agamemnon, des Tydeus Sohn und Odysseus

380

Eilten umher und vertauschten das Kampfesgeräth den Achäern:

Edleres gaben sie edeln und schwächeres schwächeren Männern. Aber nachdem sie den Leib mit dem funkelnden Erze bekleidet:

Brachen sie auf, und sie führte der Erderschütt'rer Poseidon Mit dem entsetzlichen Schwert in der nervichten Spechten, dem langen,

385

Aehnlich dem Blitz, dem Keiner entgegen zu treten den Muth hat

In dem verderblichen Kampfe: die Furcht hält all' in Entfernung.

Aber von dorther stellte der glänzende Hektor die Troer, Und es entflammte die Männer im Streit zu entsetzlicher Kampfwuth

Hektor der glänzende Held und der dunkelgelockte Poseidon,

390

Jener des Troischen Volks, der schirmender Hort der Achäer. Hoch auf wogte das Meer zu Achajas Schiffen und Zelten,

Als sie einander sich trafen mit weithin tönendem Schlachtruf. Nicht das Gewoge des Meers brüllt so an gegen den Meerstrand,

Wann es mit schrecklichem Sausen der Nordwind gegen ihn herjagt,

395

Noch auch prasselt das Feuer so laut in den Schluchten der Berghöhn, Wann es mit lodernder Flamme den Wald zu verbrennen sich aufmacht, Noch auch brauset so laut der Orkan in den Wipfeln der Eichen,

Wann er in voller Gewalt mit verherendem Schnauben daherfährt: Wie von dem Troischen Heer und dem Danaervolke der Schlachtruf

400

Furchtbar aufstieg, als sie sich trafen einander im Angriff. Und auf Ajas zielte zuerst der erhabene Hektor,

Da er sich gegen ihn wandt', und er traf nicht fehl mit der Lanze,

Wo sich die beiden Geheng' um die Brust mit einander begegnen,

Eins von dem Schilde, das andre vom Schwert mit den silbernen Buckeln: 405 Diese beschirmten ihm beide den Leib.

Da zürnete Hektor,

286

Ilias.

Daß ihm das schnelle Geschoß so umsonst, von der Rechten dahinflog, Und er entwich in der Freunde Gewühl, um dem Tod zu entrinnen. Aber im Weggehn traf ihn der mächtige Telamonide

Noch mit dem Felsstück, wie sie, die eilenden Schiffe zu stützen,

410

Viel dort lagen umher um der Kämpfenden Füß', und er hob es, Warf es und traf ihm die Brust an dem Hals, dicht über dem Schildrand,

Daß er sich ringsum drehte vom schmetternden Wurf wie ein Kreisel. Wie von des Vater Kronion Geschoß der entwurzelte Eichbaum

Hinstürzt: schrecklich erhebt der Geruch sich vom dampfenden Schwefel

415

Ueber ihm, und es verlieret den Muth, wer nahe dabei steht

Und es mit ansieht: schwer trifft Zeus, des Gewaltigen, Blitzstral: So sank sti'lrzend des Hektor Gewalt an die Erd' in den Staub hin.

Und ihm entglitt sein Speer von der Hand, und der Schild und der Helm auch Folgten ihm, und ihn umklirrte das Erz von der herrlichen Rüstung. 420

Laut aufjauchzend umdrängten sogleich ihn die Männer Achajas,

Hoffend, ihn zu sich zu ziehen und schleuderten Lanzen in Meng' ab. Doch es gelang nicht Einem, den Führer des Volks zu verwunden Oder zu treffen, indem ihn die Tapfersten eilend umgaben:

Mit dem Aeneas Polydamas und der erhab'ne Agenor,

425

Und Sarpedon der Lykier Fürst und der herrliche Glaukos.

Auch von den Andern versäumet' ihn Niemand, sondern sie hielten Vor ihn die wölbigen Schild', und es trugen ihn seine Gefährten Aus dem Gedräng in den Armen hinweg zu den flüchtigen Rossen,

Welche für ihn in dem Rücken der Schlacht und des Kampfesgetümmels 430 Standen, vom Lenker gehalten zugleich mit dem prangenden Wagen.

Die nun führten den schwer aufstöhnenden Helden der Stadt zu. Als sie indeß an die Fuhrt in dem schön hinwallenden Xanthos

Kamen, dem wirbelnden Strom, den Zeus der Unsterbliche zeugte: Hoben sie ihn von dem Wagen herab an die Erd' und mit Wasser

Netzten sie ihn: da athmet' er tief, sah auf mit den Augen, Setzt' aufs Knie sich; indessen er warf schwarzschäumendes Blut aus, Sank aufs Neue sogleich an die Erde zurück, und die Augen

435

Vierzehnter Gesang.

287

Schloß ihm die dunkele Nacht: noch raubt' ihm der Wurf die Besinnung.

Als die Achäer indeß nun sahn, wie Hektor dahin ging,

440

Stürmten sie heftiger gegen den Feind und gedachten der Kampflust. Da traf AM vor Allen, der rüstige Sohn des Olleus,

Satnios, Enops Sohn, sich im Sprung mit der schneidenden Lanze Gegen ihn stürzend: ihn. hatte die liebliche Neis dem Enops An Satniois Strom beim Weiden der Rinder geboren.

445

Den traf Ajas, der Lanzengewaltige Sohn des ONeus,

Unten hinein in den Bauch:

Dcr taumelt' er hin, und die Troer

Kämpften in wildem Gefecht mit. den Danaern über dem Leichnam.

Aber der Schwinger des Speeres Polydamas kam, ihn zu rächen, 450

Panthoos Sohn, und er traf dem Are'üykiden die Schulter, Rechts, Prothoenor, es saß ihm der wuchtige Speer in der Schulter

Fest, und er stürzte zu Boden und wühlt' in dem Staub mit den Händen. Da brach laut frohlockend Polydamas aus in die Worte: Wahrlich, ich meine, der Speer des gewaltigen Pantho'i'den

Flog von der kräftigen Rechten ihm nun nicht gänzlich umsonst hin;

455

Sondern ein Danaer trägt ihn davon in dem Leib, und er wandelt,

Auf ihn gestützt, so mein' ich, hinab zu des Mdes Wohnung! Sprach's, und es hörten mit Schmerzen den pralenden Ruf die Achäer; Aber am. meisten erregt' er den Zorn dem gewaltigen Ajas,

Telamons Sohn, der jenem zunächst stand, wie er dahin sank.

460

Schnell nun, wie er hinweg ging, warf er den blinkenden Speer nach;

Aber Polydamas selber vermied sein dunkeles Schicksal, Rasch zur Seite.gewandt, und Archelochos, Sohn des Antenor, Traf sein Speer; ihm sandte der Ewigen Rath das Verderben.

Dem. durchbohret' er, wo sich der Kopf und der Nacken vereinen,

465

Oben das Wirbelgebein und zerschnitt gleich beid' ihm die Sehnen, Daß er im Fall mit dem Haupte, dem Mund und der Nase den Boden

Eher berührt', als Schenkel und. Knie an die Erde gesunken. Da rief Ajas wieder zu Panthoos herrlichem Sohne: Nun, o Polydamas, denke doch nach; dann sage mir wahrhaft,

470

Ilias.

288

Fiel der Mann hier würdig genug wohl, für Prothoenor Uns zu entschädigend

Edel erscheint er von edeler Abkunft:

Etwa ein leiblicher Bruder des Rossebezähmers Agenor Oder ein Sohn, ihm gleicht er so ganz in dem äußeren Ansehn! Sprach's, sehr wohl ihn erkennend, und Schmerz kam über die Troer. 475

Da warf Mamas Speer, der schnell hintrat vor den Bruder, Promachos hin, den Böoten, indem er am Fuß ihn davon zog.

Laut frohlockend begann nun Akamas wieder und jauchzte:

Sehet doch nun, Pfeilhelden, ihr ewigen Praler von Argos, Jetzt trifft uns nicht immer allein mehr Leid und Betrübniß;

480

Sondern ihr sollt auch selber einmal so fallen im Tode! Seht, wie Promachos ruhig, der Euere, schläft, mit dem Speere

Von mir erschlagen, damit ich die Schuld euch bald für den Bruder Wieder erstattete!

Wahrlich es wünscht sich ein Anderer auch wohl,

Daß ein Verwandter ihm blieb' in dem Haus, ihm zu Helsen im Unglück! 485 Sprach's, und es schmerzte die Danaer sehr sein jauchzender Ausruf;

Doch dem Peneleos regt' er zumeist sein muthiges Herz auf. Gegen den Akamas stürzt er; indeß der wich vor dem Angriff, Und den Jlioneus streckte Peneleos nieder, der Herrscher, Phorbas Sohn, des an Schafen gesegneten, der von Hermeiaö

490

Unter den Troern am meisten geliebt und mit Gütern beschenkt war;

Aber Jlioneus war ihm allein von der Mutter geboren. Und in die Wurzel des Auges hinein, dicht unter der Braue

Traf er ihn, stieß ihm den Stern gleich aus, und hinein in den Schädel Drang durch's Auge der Speer.

Da sank er und saß, und die Hände 495

Breitet' er aus, und Peneleos zog sein schneidendes Schwert aus,

Hieb in die Mitt' ihm des Nackens und schlug ihm das Haupt mit dem Helme

Gleich an den Boden hinab.

Noch saß ihm die mächtige Lanze

Fest in das Auge gebohrt: da hob er es auf, und ein Mohnhaupt

Nannt' er es, laut frohlockend und sprach zu den Troern die Worte: Meldet mir dieses, ihr Troer, Jlioneus Vater und Mutter,

Daß sie den herrlichen Sohn im Palast wehklagend beweinen,

500

Vierzehnter

Gesang.

289

Denn auch Promachos Gattin, des Sohns Alegenors, erfreut sich Nimmer der Heimkehr ihres Gemals, wann einst wir Achäer

Wieder in unseren Schiffen von Ilios werden nach Haus ziehn.

505

Sprach's: da zitterten Allen die Knie', und sie sahen sich zagend Ringsum Jeglicher, wo er entflöh vor dem jähen Verderben.

Saget mir jetzt, ihr auf dem Olympos wohnende Musen, Welcher Achäer zuerst bluttriefende Waffen der Männer Raubte, nachdem daö Gefecht sich gewandt mit der Hülfe Poseidons!

510

Ajas, Telamons Sohn, warf Hyrtios nieder vor Allen,

Gyrtios Sohn, den Gebieter der muthigen Mysierscharen;

Dann Antilochos raubte des Mermeros Wehr und des Phalkes; Held MerioneS schlug den Hippotion nieder und Morys;

Teukros ferner erlegte den Prothoon und Periphetes,

515

Und den Gebieter des Volks Hyperenor traf der Atride

Unten hinein in den Bauch; tief drang ihm das Erz in das Jnn're, Schneidend, so daß ihm die Seele sogleich aus offener Wunde Eilig entfloh nnd das Dunkel der Nacht ihm die Augen umhüllte.

Doch schlug Ajas die meisten, der rüstige Sohn des ONeus, Weil sich ihm keiner verglich, wo's galt, die entfliehenden Männer Rasch zu ereilen im Lauf, wann Zeus sie mit Schrecken erfüllet.

520

Fünfzehnter Gesang.

Uber nachdem sie die Pfähle hindurch und den Graben hinüber Fliehend gekommen, und Diele der Danaer Händen erlegen: Hielten sie endlich im Lauf und sie sammelten sich um die Wagen,

Bleich von dem Schreck und der Angst, und Kronion wacht' auf des Ida

Felshöhn auf, an der Seite der goldenthronenden Here.

5

Und er erhob sich und stand; und er sah die Achäer und Troer,

Die, in verworrener Flucht und die Danaerscharen vom Rücken Drängend, und mitten darunter den Meeresbeherrscher Poseidon.

Hektor sah er zugleich daliegen im Feld, und die Freunde

Saßen umher: schwer athmet' er auf, noch ohne Besinnung,

10

Blut auswerfend: ihn traf ja der kräftigste von den Achäern. Und es erbarmt' ihn zu sehen den Vater der Menschen und Götter.

Graunvoll zürnend erhob er den Blick und begann zu der Here: Ha, dein böser Betrug, arglistige, tückische Here,

Lähmte den göttlichen Hektor im Kampf und erschreckte die Völker! Wahrlich, ich sinne noch, ob du mir nicht der verderblichen Arglist Solltest zuerst dich erfreuen und ich mit Schlägen dich strafen!

Denkest du nicht, wie einst du hinabhingst, hoch? an den Füßen Hatt' ich dir zwei Ambose befestiget und um die Hände Goldene, tüchtige Fesseln gelegt!

Da hingst du im Aether

Und in den Wolken; es schmerzt' auf Olympos Höhen die Götter;

Doch sie erlösten dich nicht, aus Furcht; denn, wen ich ergriffen,

15

Fünfzehnter Gesang.

291

Ja, den hätt' ich gefaßt und hinab von der Schwelle geschleudert, Bis er die Erd' ohnmächtig erreicht!

Mich aber verließ nicht,

Da selbst nicht, der unendliche Schmerz um den hohen Herakles,

25

Den du mit Boreas Wehen, nachdem du die Stünne beredet,

Ueber die Wüste des Meeres gejagt, Unheil ihm ersinnend, Und zu der wohnlichen Insel der Koer ihn endlich getrieben. Ich dann führet' ihn wieder, nachdem ich von dort ihn errettet, Und er zuvor viel Mühen bekämpft, in die Fluren von Argos.

30

Dessen gedenke, damit du vom Trug Mässest und siehest,

Ob dein Gang von den Göttern zu mir, um in Liebesumarmuttg Mit mir im Lager zu ruhn, dir gefrommt und die listige Täuschung! Sprachs; da zitterte Here, die hoheitblickende Göttin,

Und sie begann ihm entgegnend und sprach die geflügelten Worte:

35

Zeuge die Erde mir jetzt und das Himmelsgewölbe darüber, Zeuge des tief hinwallenden Styr Flut, welches der größte,

Schrecklichste Schwur ist für die unsterblichen Himmelsbewohner,

Auch dein heiliges Haupt und daS Lager, in dem wir vereinet Ruhn als Gatten, wobei ich gewiß nicht freventlich schwöre,

40

Daß nicht mir zu Gefallen der Erderschütt'rer Poseidon

BöseS den Troern und Hektor gethan und den Andern geholfen; Sondern der eigene Wille gewiß ihn beweget und antreibt, Weil er mit Schmerz an den Schiffen Achajas Söhne bedrängt sah.

Aber ich möchte ja gern auch ihm zureden und rathen,

45

Immer zu gehn, wo du es, o Dunkelumwölkter, gebietest.

Sprach es, und lächelnd vernahm sie der Vater der Menschen und Götter. Und er entgegnet' ihr wieder und sprach die geflügelten Worte:

Möchtest du doch nur künftig, erhabene Herrscherin Here, Immer mit mir einstimmig im Rath der Unsterblichen sitzen! Wahrlich, Poseidon, und wenn er wohl auch ganz anders gesinnt wär',

Aenderte gleich, wie dir es und mir gut schiene, die Meinung.

Wenn du indeß nun wirklich die Wahrheit jetzo gesagt hast:

Nun, dann gehe sogleich zu den Göttergeschlechten und Iris 19*

50

292

Ilias.

Rufe herüber zu mir mit dem Bogenberühmten Apollon,

55

Daß sie schnell zu dem Volke der Erzumschirmten Achäer Geh' und den Auftrag bring' an den Meeresbeherrscher Poseidon, Von dem Gefechte zu ruhn und nach Hause zu gehn in die Wohnung.

Aber den Hektor treib' in das Kampfesgetümmel Apollon, Wecke den Muth ihm von Neuem und lass' ihn des Schmerzes vergessen, 60

Welcher ihn jetzt der Besinnung beraubt.

Die Achäer dagegen

Jag' er zurück, und erschreck' in der Brust sie mit feigem Entsetzen,

Bis in der Flucht sie hinein in des Peleraden Achilleus Rudernde Schiffe gestürzt.

Dann heißt der seinen Patroklos

Aufstehn, und ihn erlegt mit dem Speer der gepriesene Hektor,

65

Nahe vor Ilios, ihn, der erst von den anderen Männern Viele getödtet und mir den erhabenen Sohn Sarpedon.

Aber um jenen erzürnet erschlägt der erhab'ne Achilleus Hektor dann, und ich lasse sie heimwärts fliehn von den Schiffen, Immer und unablässig gedrängt, bis daß die Achäer

70

Durch Athenaas Rath die erhabene Troja gewinnen. Eher entsag' ich dem Zorne gewiß nicht, und ich gestatt' auch

Keinem der anderen Götter, die Danaer dort zu beschirmen, Bis mir dem Peleladen der Wunsch vollkommen erfüllt ist,

Wie ich mit winkendem Haupt es zuerst ihm gelobt und verheißen,

75

An dem Tag, als Thetis die Knie' mir umfangend, die Göttin, Flehte, den Sohn ihr zu ehren, den Städteverwüster Achilleus.

Sprach es, und willig gehorcht' ihm die lilienarmige Here, Und sie enteilte vom Jdagebirg zu den Höhn des Olympos. Wie der Gedanke des Mannes dahinfliegt, welcher die Erde

80

Weit durchzog, und er denkt in dem sinnenden Geiste beständig: Ja, dort war ich und da! und er will noch Vieles erreichen:

So flog eilig des Weges dahin die erhabene Here. Und zu den Höhn des Olympos gelangte siez alle die Götter

Fand sie versammelt im Hause des Zeus, und sie eilten ihr alle, Da sie erschien, sie begrüßend vom Sitz mit den Bechern entgegen.

85

Fünfzehnter Gesang.

293

Aber die Anderen ließ sie und nur von der- blühenden Themis

Nahm sie den Becher, indem sie zuerst ihr entgegen geeilt war. Die nun redete zu ihr und sprach die geflügelten Worte:

Weshalb kommst du, o Here?

Es scheint, als wärst du bekümmert! 90

Sicherlich drohte dir wieder Kronion, dem du vermalt bist.

Und es entgegnet' ihr Here, die lilienarmige Göttin: Frage mich dieses, o Themis, du Göttliche, nimmer, du weißt ja

Selbst, wie hart er von Herzen und voll von entsetzlichem Stolz ist. Aber beginne den Göttern im Saal das gemeinsame Mal jetzt;

95

Dieß dann sollst du nachher mit den Ewigen allen erfahren,

Was der Kronide für Greuel uns droht!

Deß werden gewiß nicht

Weder die Menschen im Herzen sich freun, noch denk' ich, die Götter,

Wenn auch jetzt noch Mancher vielleicht in Behagen am Mal sitzt! So sprach Here, die Göttin, und setzte sich.

Voller Betrübniß

100

Waren die Götter im Saale des Zeus; zwar lächelte jene

Wohl mit den Lippen, indessen ihr heiterte nie sich die Stirn auf

Ueber den dunkelen Brau'n, und sie sprach voll Zorn zu den Andern: Thöricht sind wir, uns gegen den Zeus unklug zu ereifern

Oder zu denken, wir wollen ihm nahn, ihm zu wehren mit Worten

105

Oder Gewalt: der setzet sich fern und beachtet es gar nicht,

Noch auch sorgt er darum; denn weit vor den ewigen Göttern Nennt er an Kraft und Gewalt sich den Obersten ohne Vergleichung!

Also ertraget geduldig ein Jeglicher, was er uns zuschickt; Denn schon jetzt ist Ares, so scheint es mir, Kummer bereitet,

110

Da ihm Askalaphos fiel in der Schlacht, von den Männern der liebste,

Dem als Vater sich Ares, der stürmische, rühmend bekennet. Sprach's: da schlug mit den Händen die kräftigen Schenkel sich Ares Beide, mit jammernden Klagen, und sprach die geflügelten Worte:

Nein, jetzt zürnet mir nicht, des Olympos hohe Bewohner,

Geh ich, den Sohn mir zu rächen, hinab zu den Schiffen Achajas; Träfe mich auch das Geschick, von Kronions Strale zerschmettert, Unter dem Haufen der Todten im blutigen Staube zu liegen!

115

294

Ilias.

Sprach's, und die Rosse befahl er dem Graun und dem Schreck vor den Wagen

Gleich ihm zu spannen und hüllte sich selbst in die glänzende Rüstung. 120 Da wär sicher noch mehr und verderblicher wieder Kronion

Gegen die ewigen Götter entbrannt in dem eifernden Zorne,

Wenn nicht gleich Athenäa, besorgt für die Himmlischen alle,

Aus dem Gemach hinflog von dem Sitz, aus dem sie gesessen,

Jenem vom Haupte den Helm abriß und den Schild von den Schultern, 125 Auch aus nervichter Rechte zugleich ihm den ehernen Speer nahm

Und an die Mauer ihn stellt', und sie schalt den unbändigen Ares: Rasender, renne doch nicht in daö Unglück! Toller, die Ohren zu hören?

Hast du vergeblich,

Verstandlos bist du und schamloS!

Hörtest du nicht, waS Here, die lilienarmige Göttin,

130

Eben gesagt, die jetzo von Zeus, dem Olympier, herkommt?

Möchtest du selber die Fülle des Leids auskosten und wieder Zu dem OlympoS gezwungen, gewiß voU Schmerzen! zurückgehn,

Auch uns anderen Allen entsetzliches Wehe bereiten? Denn dann käm er sogleich von dem muthigen Volke der Troer

135

Und den Achäern zu unS in der Wuth her auf den Olympos,

Daß er unS alle zumal Schuldlos' und Schuldige strafte!

Deshalb rath' ich, du lässest vom Zorn jetzt wegen des Sohnes; Denn schon sank ja so Mancher von größerer Stärke der Arme Hin, als jener und sinket nachher auch: ist's doch unmöglich,

140

Alle die Kinder und Söhne der sterblichen Menschen zu retten!

Sprach es und führt' ihn zurück zu dem Sitz, den unbändigen Ares.

Here indessen berief den 2tpollon aus dem Gemache, Ihn und die Iris, die Botin der ewigen, seligen Götter.

Und sie begann zu den beiden und sprach die geflügelten Worte:

145

Zeus will, daß ihr in Eile sogleich hinkommt auf den Ida.

Aber sobald ihr, genahet, Kronions Auge geschaut habt, Richtet ihm aus, was irgend er euch zu besorgen gebietet. Dieses gesagt, ging Here zurück, die erhabene Göttin,

Setzte sich hin auf den Thron, und die zwei, in beflügeltem Schwrnge, 150

Fünfzehnter Gesang.

295

Kamen zum Jdagebirge, dem quelligen Pfleger des Wildes, Wo sie den waltenden Zeus auf Gargaros Höhen erblickten, Sitzend, indem er ein duftend Gewölk rings um sich gehüllet.

So nun traten sie hin vor den Wolkenversammler Kronion,

Standen vor ihm, und er sah sie und zürnete nicht in dem Herzen,

155

Weil sie so eilig den Worten der theueren Gattin gehorchet. Und zu der Iris begann er zuerst die geflügelten Worte: Eile mir, flüchtige Iris, sogleich zu dem Herrscher Poseidon, Sag' es ihm Alles genau und verkünd' ihm getreulich die Botschaft.

Heiß ihn sogleich ablassen vom Kampf und Gefecht, und zurückgehn

160

Zu den Unsterblichen oder hinab in die heilige Meerflut. Wenn er mir aber das Wort nicht achtete, noch ihm gehorchte: Nun, dann soll er es wohl in dem Geist und dem Herzen bedenken, Daß er, so mächtig er ist, doch mir nicht, wenn ich hinabkäm,

Wagte zu stehn: weit mächtiger rühm' ich vor ihm mich an Stärke,

165

Bin auch älter; indeß er scheut sich in seinem Gemüth nicht,

Gleich mir selbst sich zu wähnen, vor dem auch Andere grauet. Sprach es, und willig gehorcht' ihm die windschnell eilende Iris, Daß sie vom Jdagebirg zu der heiligen Zlioö hinflog.

So wie aus dem Gewölke der Schnee fliegt oder der Hagel,

170

Kalt, vor dem stürmenden Wehen des Aethererhellenden Nordwinds: So flog schnell in dem Eifer die flüchtige Iris den Weg durch. Und zu dem Ländererschütt'rer, dem herrlichen, trat sie und sagte:

Siehe, mit Botschaft bin ich, Poseidon, dunkelgelockter,

Niedergesendet zu dir von dem Aegisbewehrten Kronion,

175

Daß du sogleich sollst lassen vom Kampf und Gefecht, und zurückgehn Zu den Unsterblichen oder hinab in die heilige Meerflut. Wenn du ihm aber das Wort nicht achtetest noch ihm gehorchtest,

Drohete jener, er würde sogleich, dir im Kampf zu begegnen,

Selbst Herkommen; er räth dir indeß, ja seiner Gewalt dich Schnell zu entziehen, er rühme ja sich weit höher an Stärke,

Sei auch älter; indeß du scheust dich in deinem Gemüth nicht,

180

296

Ilias.

Gleich ihm selbst dich zu wähnen, vor dem auch Andere grauet. Da sprach unmuthvoll der gepriesene Ländererschütt'rer:

Weh, das hat er, so mächtig er ist, hochfahrend gesprochen,

185

Wenn er den Willen.mir hemmt mit Gewalt, mir, der ich ihm gleich bin! Sind wir ja doch drei Brüder, gezeugt mit der Rhea von Kronos, Zeus und ich und der dritte, der Todtenbeherrschende Hades. Dreifach theilten wir Alles, und Jeglichem ward von der Herrschaft Sein Theil) mich traf's, immer das grauliche Meer zu bewohnen;

190

Hades erhielt beim Loosen für sich das umnachtete DunkelZeus Loos wurde der Himmel umher im Gewölk und im Aether;

Aber die Erd' ist Allen gemein und die Höhn des Olympos^

Deshalb weich' Ich dem Willen des Zeus nicht, sondem geruhig Bleib' er, so mächtig er ist, in dem Drittheil, das er erloost hat!

195

Und mit der Stärk' auch schreck' er mich nicht, als wär ich ein Feigling! Mag er die Töchter und Söhne bedrohn mit den schrecklichen Worten; Das wär wahrlich gerath'ner, indem er sie selber gezeugt hat.

Diese gehorchen ihm eher, befiehlt er, und wär es gezwungen! Und es entgegnet' ihm Iris, die windschnell eilende Göttin:

200

Also bestell' ich denn nun, fchwarzlockiger Ländererschütt'rer,

So dein Wort dem Kronion, so ganz unfreundlich und heftig?

Oder besinnst du dich?

Leicht sind Edeler Herzen zu lenken,

Und die Erinnyen folgen, du weißt es, beständig dem Aeltern.

Und es entgegnet' ihr wieder der Ländererschütt'rer Poseidon:

205

Göttliche Iris, du hast dieß Wort ganz weise gesprochen:

Wohl ist's trefflich, besitzet der Bot' ein verständiges Einsehn! Doch das gehet mir wahrlich mit bitterem Schmerz an die Seele, Wenn er mich, ihm ganz gleich an Gewalt, auch gleich von des Schicksals

Loose betheilt, will schelten und schmähn mit erbitterten Worten; Jetzo indeß nun werd' ich, obwohl es mich kränket, ihm weichen.

Doch dieß sag' ich dir und ich bewahr' in der Seel' ihm die Drchung: Wenn er, gesondert von mir und der Siegerin Pallas Athene,

Und von Here und Hermes und von dem Gebieter Hephästos,

210

Fünfzehnter Gesang. Ilios Veste, die hohe, verschont und sie nicht der Zerstörung

297 215

Preis giebt, noch dm Achäern den Sieg und die Ehre verleihet:

Za, dann wiss' er, wir hegen ihm Groll, nie mehr zu versöhnen! Dieses gesagt nun, schied von dem Volk der Achäer Poseidon, Und in die Meerflut taucht' er, vermißt von den Helden Achajas. Da sprach so zu Apollon der Wolkenversammler Kronion:

220

Geh nun, theuerer Phöbos, zum Erzumpanzerten Hektor;

Denn schon ging ja Poseidon, der mächtige Ländererschütt'rer,

Fort in das heilige Meer, mein schreckliches Zürnen zu meiden. Wahrlich, es hätten den Kampf auch Andere sicher vernommen,

Unter der Erde sogar die unsterblichen Götter um Kronos.

225

Doch dieß ist weit besser für mich, so wie für ihn selbst auch,

Daß er vor unseren Armen, obwohl unmuthig, zurücktrat, Weil es sich doch ohn' einigen Schweiß kaum hätte geendet. Doch du nimm jetzt hier in die Hand die umtroddelte Aegis, Schwinge sie mächtig und schrecke damit die Achäischen Helden.

230

Dann, Ferntreffender, sorge du selbst für den glänzenden Hektor,

Weck' ihm den mächtigen Muth in der Brust, bis daß die Achäer Fliehend die eilenden Schiff' und den Hellespontos erreichen.

Aber ich sinne nachher dann selbst auf Thaten und Worte,

Daß sich die Danaer wieder ermuthigen nach der Bedrängniß.

235

Also sprach er, und willig gehorchte dem Vater Apollon. Und von des 3da Gebirgen enteilt' er, dem flüchtigen Habicht Aehnlich, dem Mörder der Tauben, dem flüchtigsten unter den Vögeln,

Fand des gewaltigen Priamos Sohn, den erhabenen Hektor

Sitzend: er lag nicht mehr, und erwacht zum Leben von Neuem,

240

Kannt' er die Seinen umher, und der Schweiß und des Athems Beklemmung

Wich, ihn erweckte der Wille des Aegisbewehrten Kronion:

Und es begann, ihm genahet, der treffende Phöbos Apollon:

Hektor, Priamos Sohn, was hat für ein Leid dich getroffen, Daß du so schwach hier sitzest und fern von den andern Genossen?

Da sprach matt ihm entgegnend der Helmbuschnickende Hektor:

245

298

Ilias.

Wer von den Ewigen bist du und fragst mich, o Herrlicher, sichtbar? Hörtest du nicht, daß dort um Achajas Schiff' an den Steuern, Wo ich die Freund' ihm erschlug, mich der mächtige Rufer im Streite,

Ajas, traf mit dem Stein an die Brust und die stürmende Kraft brach? 250 Wahrlich, ich glaubte die Todten zu sehn in des Mdes Wohnung, Heute noch, da ich bereits mein theueres Leben verhauchte. Und es entgegnet' ihm wieder der treffende Herrscher Apollon:

Sei du getrost, da jetzt dir den mächtigen Helfer Kronion

255

Her von dem Jda gesendet, dir Schutz zu verleihen und Beistand,

Mich, den Apollon, der mit dem goldenen Schwerte dich sonst auch Selber beschirmet sowohl als JlioS mächtige Veste. Doch nun mache dich auf und der Reisigen Scharen gebiete,

Gegen die wölbigen Schiffe die flüchtigen Rosse zu lenken.

Ich selbst gehe voran: auch bahn' ich den Weg für die Rosse

260

Ganz bis hin, und ich treib' in die Flucht das Achaifche Kriegsvolk. Sprach es und hauchte dem Herrscher gewaltigen Muth in die Seele. Wie sich ein Roß in dem Stalle, genährt mit der Gerst' an der Krippe, Los von dem Band reißt und mit den stampfenden Hufen das Feld durch

Rennet, des Bades gewohnt in dem schön hinwallenden Strome,

265

Muthig und stolz; hoch trägt eS den Kopf, und .es fliegen die Mähnen Rings an dem Hals ihm empor und, erfüllt von der trotzigen Stärke, Tragen die Schenkel es leicht zu der Flur und der Weide der Sturen:

So schwang Hektor behende die Knie' und die Schenkel im Laufe, Da er die Stimme deS Gottes gehört, und die Reisigen trieb er.

270

Jene jedoch, wie wann sich den Kronhirsch oder den Gemsbock

Flurenbewohnende Männer und Hund' aufjagten, und Rettung Ihm in dem Felsengeklüft und dem schattigen Walde zu Theil wird,

Weil es vom Schicksal jenen noch nicht, ihn zu tödten verhängt war:

Weithin hallt ihr Geschrei; da tritt, langbärtig, ein Löwe

Vor in den Weg, und so eifrig sie sind, so verjagt er sie sämmtlich:

Also verfolgten in Haufen die Danaer erst sie beständig, Sie mit den Schwertern verwundend und zwiefach schneidenden Lanzen;

275

Fünfzehnter Gesang.

299

Doch sie erstarrten, indem sie den Hektor sahn in den Schlachtreihn Gegen sie stürmen: der Muth sank Jeglichem hin vor die Füße.

280

Da sprach Thoas zu ihnen, Andrämons Sohn, der Aetoler Tapferster Führer, gewandt mit dem Spieß, in dem stehenden Kampf auch Trefflich, und, sprach er, so mochten es Wenige von den Achäern

Ihm in der Jünglinge Kreis in der treffenden Rede zuvorthun. Dieser erhob wohlmeinend den Rus und begann zu den Andern:

285

Weh, da seh ich mit Augen, fürwahr, ein gewaltiges Wunder! Wie doch erstand aufs Reue, des Schicksals Keren entronnen, Hektor?

Es hoffte ja eben ein Jeglicher fest in dem Herzen,

Daß er von AjaS Händen, deS Telamoniden gefallen!

Aber es schirmt' und errettet' ein Gott nun wieder den Hektor,

290

Welcher die Kniee so Vielen im Danaervolke gelöst hat.

So wird's jetzt auch werden, befürcht' ich: er stände ja nimmer Ohne den Donn'rer Kronion so kühn in den vordersten Kampfreihn.

Aber wohlauf und gehorchet mir jetzt, so wie ich es sage:

Heißet die Menge des Volkes zu unseren Schiffen zurückziehn;

295

Selber indessen, so viel wir im Heer uns die Tapfersten rühmen,

Wollen wir fest stehn, ob wir, zuerst ihm begegnend, ihn halten. Schwinget die Lanzen! ich hoffe ja wohl, so gewaltig er anstürmt, Wird er im Herzen sich scheun, in der Danaer Scharen zu dringen.

Sprach es, und Alle vernahmen ihn wohl und gehorchten ihm willig. 300 Die um den Ajas und die um JdomeneuS auch, den Gebieter, Und um Meriones, Teukros und Meges, dem Ares im Kampf gleich, Riefen die Besten und stellten sich dicht zu dem Kampfe zusammen

Gegen die Troische Schar und den Hektor; aber im Rücken Wandte die Menge des Volkes sich um zu den Schiffen Achajas.

305

Vorwärts stürmten die Troer gedrängt, und es führte sie Hektor,

Mächtigen Schrittes, und Phöbos Apollon ging vor ihm selbst her,

Oben die Schultern mit Wolken umhüllt, und die stürmende Aegis

Schwang er, die zottige, grause, gefürchtete, welche Hephästos Schmiedet' und Zeus gab, daß er sie trüg zu der Männer Entsetzen.

310

300

Ilias.

Die hielt jener empor an dem Arm, und er führte die Völker.

Aber die Danaer standen gedrängt; laut hallte der Schlachtruf, Tönend von hier und von drüben empor, es entschwirrten den Bogen

Pfeil' und unendliche Lanzen entsandten die muthigen Arme. Einige hafteten fest in dem Leib kampfrüstiger Männer;

315

Viel' auch fuhren, bevor sie den schimmernden Körper berührten, Fest in den Boden hinein, in der Gier, sich am Fleische zu laben. Weil nun Phöbos Apollon die Aegis still an dem Arm hielt,

Traf das Geschoß von hier und von dort, und es sanken die Völker;

Aber sobald er sie dann, mit dem Blick auf die Völker Achajas,

320

Schüttelt' und selber zugleich laut aufschrie: zagt' in dem Busen Allen das Herz, daß Keiner der rüstigen Stärke gedachte. Da nun, so wie die Heerde des Hornviehs oder der Schafe

Zwei Raubthiere zerstreun in der dämmernden Stunde des Melkens, Plötzlich gekommen, indem sich der schirmende Wächter entfernt hat:

325

So stöhn gänzlich entkräftet die Danaer, weil sie Apollon

Schreckte, zu fliehn, und die Troer und Hektor ehrte mit Siegsruhm. Da nun stritt mit dem Manne der Mann in zerstreuetem Kampfe.

Hektor erlegte den Stichios erst und den Arkesilaos,

Diesen der Erzumwehrten böotischen Männer Gebieter,

330

Jenen den treuen Genossen des muthigen Helden Menestheus;

Aber Aeneas gewann sich des Jasos Wehr und des Medon. Von dem erhabenen Helden ONeus wurde der Bastard

Medon, des Ajas Bruder, gezeugt, und in Phylake wohnt' er, Fem von dem Lande der Väter, nachdem er den nahen Verwandten

335

Von Eriopiö erschlagen, der Ehegemalin OileuS'. Jasos war zum Führer bestellt Athenäischer Männer,

Sphelos Sohn in dem Volke, des Bukolionen, geheißen. Aber Polydamas schlug in den vordersten Reihn den Mekisteus,

Echios fiel vor Polites und Klonios vor dem Agenor.

Paris traf von dem Rücken De'iochoS oben die Schulter, Als er im Vorkampf floh, daß vorn ihm die Spitze herausdrang.

340

Fünfzehnter Gesang.

301

Diesen entrissen die Troer die Rüstungen, und die Achäer

Flohen die Pfähl' und den Graben hindurch, wild, ganz in Verwirrung, Hierhin und dorthin eilend, bedrängt zu der schützeuden Mauer.

345

Da rief laut zu den Troern der Helmbuschnickende Hektor: Gegen die Schiffe gestürmt!

Laßt jetzo die blutigen Waffen!

Wen ich entfernt von den Schiffen sich sonst wo sehe verweilen,

Den trifft gleich auf der Stelle der Tod, und es sollen den Leichnam Nimmer die Männer und Fraun der Verwandtschaft ehrend verbrennen; 350

Sondern ihn sollen die Hunde vor Ilios Mauer zerfleischen!

Sprach es und hieb mit der Geißel das Rossegespann um die Schultern; Immer die Reihn durch fuhr er und trieb sie, und alle die Troer Trieben zugleich, laut schreiend, die Wagenbeflügelnden Rosse.

Graunvoll tobten sie!

Ihnen voran schritt Phöbos Apollon,

355

Warf mit dem Stoße des Fußes den Wall in die Tiefe des Grabens

Mitten hinein, ganz leicht, und er schuf so jenen die Brücke, Lang und so breit, wie etwa ein Speer in dem Wurfe dahin fliegt,

Welchen ein rüstiger Mann, um die Kraft zu versuchen geschleudert. Hierauf strömten sie vor in geschloffenen Reihn, und Apollon

Mir der gepriesenen Aegis voran.

360

Und der Danaer Mauer

Stürzt' er danieder, so leicht, wie ein Kind am Gestade den Meersand, Den es im Spiele zuvor sich in kindischer Freude gethürmt har,

Wieder im Spiele nachher mit den Händen und Füßen dahinstürzt. So, ferntreffender Phöbos, verschüttetest du der Achäer

365

Mühvoll saueren Schweiß und erfülltest sie selbst mit Entsetzen.

Doch die hielten zuletzt in der Näh an den Schiffen und standen, Riefen einander sich zu, und empor zu den Himmlischen allen Flehten sie, jeder für sich int Gebet mit erhobenen Händen.

Nestor aber zumeist, der gerenische Hort der Achäer, Flehete laut und erhob zu dem stemigen Himmel die Hände: Zeus, du Vater, so Einer im Waizengesegneten Argos

Je von dem Rind und dem Schaf die gemästeten Schenkel verbrennend, Heimkehr von dir erflehet und du sie ihm winkend gelobt hast:

370

302

Ilias.

Denke daran, und bewahr' uns, Olympier, vor dem Verderben:

375

Laß nicht so die Achäer den Troischen Schaaren erliegen!

Also flehet' er laut: da donnerte Zeus, der Berather, Weil er das Flehen gehöret des Neleladischen Greises;

Aber die Troer, indem sie Kronions Donner vernahmen, Drängten das Volk der Achäer noch mehr in erneueter Kampflust.

380

So wie mächtig die Woge des weit durchfahrenen Meeres Ueber die Wände deS Schiffes hinabstürzt, wann sie des Sturmwinds

Macht drängt, welcher am meisten die wogenden Fluten emportreibt: Also stürmten die Troer mit lautem Gebrüll um die Mauer, Trieben die Ross' und bestanden den Kampf an den Steuern der Schiffe, 385

Nah mit den schneidenden Lanzen, herab von den Wagen sie selber, Jene von oben, nachdem sie die dunkelen Schiffe bestiegen,

Mit den gewaltigen Stangen bewehrt, die dort zu dem Schiffskampf Lagen, zusammengeschaftet, mit Erz an der Spitze beschlagen. Aber PatrokloS, während die Danaer sich und die Troer

390

Noch um die Mauer bekämpften, entfernt von den eilenden Schiffen, Saß dort drinnen int Zelt des Eurypylos ruhig, der edle,

Heitert' ihn auf mit Gesprächen und legt' auf die schmerzende Wund' ihm Lindernde Heilungskräuter, die dunkelen Schmerzen zu stillen.

Als er jedoch an der Mauer die stürmenden Schaaren der Troer

395

Wahrnahm, und das Geschrei und die Angst der Achäer sich anhob: Schlug er die Hüften sich beide sogleich mit den Händen und schmerzvoll

Jammert' er auf; dann sprach er zu ihm, voll Trauer, die Worte:

Nein, wie sehr du es wünschest, Eurypylos, länger vermag ich Nicht, bei dir zu verweilen: so graunvoll tobt ja der Kampf jetzt!

Schaffe der Wagengenoß dir Erheiterung; doch zu Achilleus

400

.

Eil' ich sogleich nun selber, damit ich ihn treibe, zu kämpfen. Denn wer weiß, ich beweg' ihm vielleicht durch Bitten das Herz wohl, Hilft mir ein Gott!

Gut sind ja ermahnende Bitten des Freundes.

Sprach's: dann trugen die Füß' ihn davon.

Die Achäer indessen

'

405

Hielten sich fest vor den Troern im Sturm; doch konnten sie nicht mehr

Fünfzehnter Gesang.

303

Sie, die weniger waren an Zahl, von den Schiffen vertreiben. Aber den Troern dagegen gelang's auch nicht, der Achäer Reihen zu sprengen und hin zu den Zelten und Schiffen zu dringen;

Sondern der Richtschnur gleich, wann Schiffsholz grade gehaun wird, 410 In den erfahrenen Händen des Zimmerers, welcher die Einsicht

Ganz und gehörig gewann mit Athenes helfender Weisheit:

So stand dort gleichschwebend die Schlacht in dem Kampfe der Völker; Andre bekämpften sich immer um andere Schiff' im Gefechte.

Sieh, da stellte sich Hektor dem herrlichen Ajas entgegen.

415

Um ein Schiff ging beider Bemühn, und die beiden vermochten,

Der nicht, ihn zu verdrängen, damit er die Flamm' in das Schiff würf, Noch ihn der zu verscheuchen, indem ja ein Gott ihn herantrieb. Da traf Ajas, der edle, des Klytios Sohn, den Kaletor, Da er daS Feuer erhob zu dem Schiff, in die Brust mit der Lanze,

420

Daß er im Fall hindröhnt', und der Brand aus der Rechten ihm hinfiel.

Und mit den Augen gewahrte der glänzende Hektor den Blutsfreund, Wie er zurück in den Staub vor dem dunkelen Schiffe dahinsank,

Und zu den Troern und Lykiern rief er mit mächtiger Stimme:

Troer und Lykier, ihr auch Dardaner, muthlge Kämpfer,

425

Weichet mir jetzt hier nimmer zurück von dem Kampf in der Enge;

Sondern Kaletor errettet, damit die Achäer die Rüstung Nicht ihm entreißen, nachdem er so nah vor den Schiffen dahinsank. Sprach es und gegen den Ajas entsandt' er die blinkende Lanze;

Doch er verfehlet' ihn; aber des Mastor Sohne Lykophron,

430

Ajas Genossen im Kampf, dem Kytherier, der mit ihm wohnte, Seit er einmal von den edlen Kytheriem einen erschlagen: Dem durchbohrt' er das Haupt an dem Ohr mit dem schneidenden Erze,

Ganz in der Nähe des Ajas, und rückwärts fiel er zu Boden, Von dem Verdecke deS Schiffs in den Staub, und das Leben verließ ihn. 435

Dieß sah Ajas, ergriffen von Schmerz, und er sprach zu dem Bruder: Sieh doch, TeukroS, o theurer, es sank uns der treue Genoß hin,

Mastors Sohn, der, seit er zu uns hinkam von Kythere,

Ilias.

304

Gleich wie Vater und Mutter von uns in dem Hause geehrt ward! Hektor, der muthige, hat ihn erlegt: wo hast du den Bogen,

440

Welchen dir Phöbos Apollon verlieh, und die tödtlichen Pfeile? Sprach es, und jener verstand ihn, er sprang ihm sogleich an die Seite,

Hielt in der Hand sein schnellend Genoß mit dem Pfeilegefüllten Köcher, und schoß nun rüstig die Pfeil' in die Troischen Kampfreihn.

Und er erlegte den Klitos, den herrlichen Sohn des Pisenor,

445

Welcher Polydamas Freund, des erhabenen Pantholden,

Fest in den Händen die Zäum', um die stampfenden Rosse bemüht war. Denn dort hielt er sie, wo sich die dichtesten Schaaren vor Allen Drängten, den Troern und Hektor zu Lieb: da traf ihn das Unheil

Plötzlich, und Keiner vermocht' ihn, so gern er es wollte, zu retten.

450

Denn im Genick durchbohrt' ihn der bittere Pfeil, an dem Rücken,

Daß er dem Sessel entsank, und erschreckt mit dem Wagen die Stosse Leer hinrasselten.

Aber Polydamas sah es, der Herrscher,

Gleich, und er eilte vor Allen den flüchtigen Rossen entgegen.

Und dem Astynoos gab er, dem Sohn Protiaons, die Zügel,

455

Welchen er dringend ermahnt', in der Näh ihm die Rosse zu halten, Immer die Augen auf ihn: dann eilt' er zurück in den Vorkampf.

Da hielt Teukros ein andres Geschoß auf den glänzenden Hektor,

Und er beendete sicher den Kampf an den Schiffen Achajas, Hätt' er dem tapfersten Helden das Leben geraubt mit dem Pfeile.

460

Doch er entging nicht Zeus weitschauendem Geist: er beschirnrte Hektor und raubte dem Teukros, dem Telamoniden, den Siegsruhm,

Dem er die tüchtige Senne des trefflichen Bogens entzweiriß,

Da er sie gegen ihn spannte.

Der Pfeil mit der ehernen Spitze

Flog ihm dahin zur Seit' und der Hand entsank ihm der Bogen.

Da stand Teukros in Schrecken erstarrt, und er sprach zu dem Bruder:

465 ,

Weh, es vereitelt uns wahrlich im Kampf auch jeglichen Anschlag

Irgend ein Gott, der jetzt von der Hand das Geschoß mir dahinwarf Und mir die Senne zerriß, die nur erst heute gespannt war,

Daß sie mir hielte, die Pfeil' in unendlicher Menge zu schießen.

470

Fünfzehnter Gesang.

305

Und es entgegnet' ihm Ajas, der mächtige Telamonide:

Laß denn, o Lieber den Bogen in Ruh und die fliegenden Pfeile, Da dir ein Gott, mißgünstig dem Danaervolk, ihn zerstört hat;

Auf! Mit dem mächtigen Speer in der Hand und den Schild um die Schulter,

Stehe den Troern im Kampf und den Anderen auch sprich Muth ein, 475

Daß sie doch wenigstens nicht die beruderten Schiffe so mühlos, Siegen sie auch, uns entreißen!

Beharren wir nur in der Kampflust!

Sprach es, und jener verwahrte sogleich in dem Zelte den Bogen,

Warf um die Schultern den Schild aus vierfach liegenden Platten,

Deckte das mächtige Haupt sich darauf mit dem tüchtigen Helme,

480

Mähnenumwallt, es umnickte mit Graun ihn von oben der Helmbusch, Nahm die gewaltige Lanze, gespitzt mit dem schneidenden Erze,

Eilet' und stellte sich wieder sogleich an die Seite des Ajas.

Als nun Hektor sah, wie Teukros Bogen ihm hinsank,

Rief er gewaltig sogleich zu der Troer und Lykier Scharen:

485

Troer und Lykier, ihr auch Dardaner, muthige Krieger,

Seid jetzt Männer, o Freund', und beharrt in dem stürmenden Kampfmuth An den gebogenen Schiffen!

Ich sah mit den eigenen Augen,

Wie das Geschoß jetzt Zeus dem gewaltigsten Manne zerstört hat. Leicht ja erkennen die Männer die waltende Macht des Kronion,

490

Eben sowohl die, denen er Ruhm vor den Andern verleihet,

Als auch, die er erniedrigt und nicht zu beschirmen geneigt ist:

Wie er der Danaer Muth jetzt beugt, uns aber behütet. Auf denn, all' an die Schiff' in den Kampf!

Wer immer von uns jetzt

Fällt in dem Todesgeschick von dem Speerwurf oder erschlagen:

495

Sterb' er; es ziemet der Tod sich im Kampf zu dem Schutze der Heimat! Denn dann bleibt ihm die Gattin in Sicherheit nach und die Kinder;

Auch sein Haus bleibt und das Besitzthum, wann die Achäer

Heim in den Schiffen gekehrt zu dem theueren Lande der Bäter! Also sprach er, und Allen erweckt' er die Kraft und die Kampflust.

AjaS indessen von drüben ermuthigte seine Genossen: Schänd', Arge'ssches Volk!

Jetzt gilt's, entweder zu fallen, 20

500

306

I l l a ö.

Oder uns Heil zu erringen, den Sturm von den Schiffen verdrängend. Meinet ihr, wenn uns die Schiffe der Helmbuschnickende Hektor Nähme, wir kämen ein jeder zu Fuß zu dem Lande der Heimat?

505

Höret ihr nicht, wie Hektor die feindlichen Scharen herantreibt, Alle zugleich, und die Flamme begehrt in die Schiffe zu werfen? Nicht zum Reihntanz heißt er sie vorgehn, sondern zu kämpfen! Uns bleibt jetzt kein andrer Entschluß noch besserer Rath mehr,

Als dicht an sie uns drängend, die Arm' und die Kraft zu versuchen.

510

Besser fürwahr, man erwählet den Tod gleich oder das Leben,

Als man quält und verzehrt in dem schrecklichen Kampfe sich langsam,

Gänzlich umsonst an den Schiffen, besiegt von den schwächeren Männernd Also sprach er, und Allen erweckt' er die Kraft und die Kampflust. Und vor dem Hektor sank dort Schedios hin, Perimedes

515

Sohn, der Phokäer Gebieter; Laodamas aber, des Fußvolks Führer, der glänzende Sohn des Antenor, fiel vor dem Ajas.

Ferner Polydamas nahm dem Kyllenier Otos die Rüstung,

Meges Genossen, dem Führer des muthigen Volks der Epeer.

Dieß sah Meges und stürzte sich aus ihn; Polydamas aber

520

Sprang an die Seit' und ihn fehlte der Wurf; denn Phöbos Apollon Ließ nicht PanthooS Sohn in den vordersten Reihen erliegen.

Aber dem Krösmos traf er hinein in die Brust mit dem Speerwurf: Dröhnend stürzt' er, und jener entriß von den Schultern die Rüstung.

Da sprang gegen ihn Dolops, geübt in dem Kampf mit dem Speere,

525

Lampos Sohn, den LampoS gezeugt, der gewaltigste Krieger,

Svhn des Laomedon, ihn, in den stürmischen Kämpfen erfahren. Dir traf mitten hinein mit dem Speer in den Schild ves Phyliden, Nah sich ihm drängend; indessen der tüchtige Panzer beschirmt' ihn, ;

Welchen er trug, aus Platten gefügt.

Den brachte sich Phyleus

Einst aus E-Hyre mit, von dem wallenden Strome Selles

.

Wo ihm Enphetes ihn schenkte, der Männergebietende Gastfreund, Um ihn zu träger* im Kampf, zum Schutz vor dem feindlichen Angriff:

Der hielt auch von dem Leibe des Sohns nun jetzo den Tod ab.

530

Fünfzehnter Gesang. Jenen indeß traf Meges am Mähnenumflatterten Helme

307 535

Oben die äußerste Wölbung von Erz mit der spitzigen Lanze,

Daß er den Knauf abriß mit dem Busch, und er ganz an die Erde Rollt', in dem Staube des Bodens, gefärbt nur eben mit Purpur.

So nun stand er im Kampfe mit ihm, und er hoffte den Sieg noch:.

Sieh, da kam Menelaos der Held, dem helfend, und seitwärts

540

Stand er versteckt mit dem Speer, und er traf ihm die Schulter von hinten,

Daß mit Gewalt in die Brust ihm die eherne Spitze hineinfuhr, Gradaus bohrend im Flug: da sank er dahin aufs Antlitz. Gleich nun eilten die beiden, die eherne Wehr von den Schultern

Ihm zu entreißen; indeß rief laut nach den sämmtlichen Brüdern

545

Hektor, und schalt erst noch den gewaltigen Sohn Hiketaons, Held Melanippos, der die gemach hinschreitenden Rinder

In Perkote geweidet, bevor sich die Feinde genahet. Aber nachdem die Achäer in rudernden Schiffen gelandet, .

Kam er nach Ilios heim, und er that sich hervor in den Troern,

550

Wohnend in Priamos Haus, der gleich mit den Söhnen ihn ehrte.

Den nun schalt jetzt Hektor und sprach zu ihm, rufend, die Worte:

Lassen wir so jetzt nach, Melanippos?

Fühlest du gar nicht'

Dich in dem Herzen bewegt um den niedergesunkenen Blutsfreund?. Siehest du nicht, wie die um des Dolops Waffen umher sind?

Folge mir, komm!

555

Jetzt gilt es ja nicht mehr, mit den Achäern

Rur von ferne zu kämpfen; wir tödten sie, oder vom Gipfel Stürzen sie Ilios Veste hinab und ermorden die Bürger! Sprach es und eilte voran, und es folgt' ihm der göttliche Streiter.

Und zu den Danaern rief der gewaltige Telamonide:

560

Seid nun Männer, o Freund', und gedenket der Ehr' in dem Herzen!

Ehrt euch unter einander im schrecklichen Kampfesgetümmel. Ehren sich Männer: so retten sich mehr, als fallend erliegen;

Aber den Fliehenden schwindet zugleich mit dem Ruhme die Kraft hin! Sprach's; die aber begehrten von selbst auch schon, sich zu wehren. Und sie bewahrten das Wort in der Brust und beschirmten.die Schiffe

20*

565

308

Ilias.

Mit dem Gehege von Erz; doch Zeus trieb immer die Troer. Und den Antilochos reizte der Rufer im Streit Menelaos:

Nestors Sohn, du bist in dem Volk der Achäer der jüngste;

Keiner besiegt dich im Lauf und so stark ist keiner im Kampfe:

570

Sprängst du doch gegen die Troer hinan und erlegtest dir einen! Sprach es und trat dann wieder zurück; ihn aber erregt' er,

Daß er im Kampf vorsprang mit dem blinkenden Speer und umher sah,

Welchen er traf: und die Troer im Schreck vor dem zielenden Helden, Wichen zurück; doch warf er den Speer nicht, ohne zu treffen;

575

Sondern den muthigen Sohn Hiketaons, Held Melanippos Traf er, indem er zum Kampf vorschritt, in die Brust an der Warze;

Dröhnend stürzt' er zu Boden, und Nacht umhüllt' ihm die Augen. Aber Antilochos sprang, wie ein Hund auf's blutende Rehkalb Hinstürzt, welches der Jäger, so wie es vom Lager hervorsprang,

580

Mit dem Geschosse getroffen und gleich ihm die Glieder gelöst hat: So Melanippos stürzt' Antilochos gegen dich, siegsfroh,

Um dir die Waffen zu rauben; indeß der erhabene Hektor Sah ihn und eilt' ihm entgegen im Lauf durch Kampf und Getümmel.

Aber Antilochos stand nicht gegen ihn, tapfer im Streit sonst;

585

Sondern er eilte, zu fliehn, wie ein Thier, das Böses gethan hat, Einen der Hunde gewürgt hat oder den Hirten der Rinder,

Und dann fliehet, bevor die versammelten Männer ihn drängen: So floh Nestors Sohn, und die Troischen Scharen und Hektor

Warfen die bittern Geschosse nach ihm mit entsetzlichem Toben.

590

Doch dann wandt' er sich wieder und stand, zu den Seinen gekommen. Da nun stürmten die Troer hinan, gleich gierigen Löwen,

Gegen die Schiff' und sie thaten nach Zeus des Gewaltigen Rathschluß, Der sie mit muthiger Kraft stets rüstete, doch der Achäer

Herzen betäubte, des Ruhms sie beraubt' und die Troer herantrieb. Denn er beschloß in dem Herzen, dem Hektor Ruhm zu verleihen,

Priamos Sohn, daß dieser die schreckliche Flamme des Feuers Würf' in die schnäbligen Schiff' und die unbarmherzige Bitte

595

Fünfzehnter

Gesang.

309

Gänzlich der Thetis erfüllt') es erwartete Zeus, der Berather,

Daß er den Schein erst sah von dem brennenden Schiffe mit Augen)

600

Denn dann wollt' er darauf zu der Stadt von den Schiffen Verfolgung Ueber die Troer verhängen und Ruhm den Achäern verleihen.

Dieses beschloß er und trieb zu den wölbigen Schiffen den Hektor, Priamos herrlichen Sohn, der selbst auch brannte von Kampflust.

Ares, dem Schwinger des Speerö gleich wüthet' er oder dem Feuer,

605

Das im Gebirg in den Tiefen der Waldung schrecklich umherrast.

Rings um den Mund her stand ihm der Schaum, hell blitzten die Augen Unter den düsteren Brau'n ihm hervor, und es zitterte graunvoll,

Wie er im Kampf hinstürmte, der Helm um die Schläfe des Hektor.

Denn Zeus selbst von dem Aether herab war um ihn und schirmt' ihn, 610

Und er verlieh in dem Heere der zahllos kämpfenden Männer Ihm nur einzig die Ehr' und den Ruhm.

Denn wenige Tage

Sollt' er ja leben) ihm drohte bereits mit dem Todesverhängniß

Von des Achilleus Händen die Herrscherin Pallas Athene. Und er begehrt' und versucht', in der Danaer Reihen zu brechen,

615

Wo er das meiste Gedräng und die herrlichsten Waffen erblickte.

Doch er vermochte, so heftig er vordrang, nicht, sie zu brechen) Denn die hielten ihn dort in geschloffenen Scharen, dem Fels gleich, Der, hoch ragend nnd steil, dasteht an der graulichen Meerflut, Nicht von dem Drängen des wild hersausenden Sturmes erschüttert,

620

Noch von den schwellenden Wogen der Flut, die gegen ihn anbrüllt: So stand fest vor den Troern das Volk der Achäer und furchtlos.

Doch er sprang, von Feuer umblitzt, stets in das Gewühl ein) Stürzte hinan, wie wann sich die Wog' in das eilende Schiff stürzt,

Voller Gewalt, von den Wolken genährt und den Winden) der Meerschaum 625 Hüllet das Schiff ganz ein) das entsetzliche Wehen des Windes

Brüllt in das Segel, und Furcht durchbebt die verzagenden Schiffer) Denn um ein Weniges fahren sie nur noch entfernt von dem Tod hin: Also wurde >das Herz in der Brust der Achäer zerrissen.

Doch der, so wie ein Leu sich ergrimmt in die Rinder hineinstürzt,

630

310

Ilias.

Die in des mächtigen Sumpfes gewässerter Flur unzählig

Weiden, vom Hirten geführt, der nur erst wenig gelernt hat, Gegen des Raubthiers Mord krummhörnige Rinder zu schirmen:

Sondern er eilt nur stets, jetzt hin zu den vordersten Rindern, Dann zu den hintersten wieder; indeß der bricht in der Mitt' ein,

635

Mordet den Stier, und die Heerde zerstäubt: so stöhn die Achäer, Grauenergriffen, vor Hektor zugleich und dem Vater Kronion,

All', und den Einen erschlug er, Mykenes Held, Periphetes, Kopreus theueren Sohn, der einst von dem Herrscher Eurystheus

Pflegt' als Bote zu gehn zu der mächtigen Kraft des Herakles.

640

Diesem entstammt' er, ein Sohn, weit kräftiger als der Erzeuger, Jeglichen Ruhms voll, und in dem Kampf und dem rüstigen Laufe, Wie an Verstand auch einer der trefflichsten Männer Mykenes.

Dieser gewährte dem Hektor daselbst noch höheren Siegsruhm; Denn beim Umdrehn stieß er sich selbst mit dem Rande des Schildes,

645

Welcher ihn bis zu den Knöcheln hinab vor Geschossen beschirmte.

Daran stieß er, indem er sich wendete, strauchelt', und rückwärts Fiel er, und graunvoll tönte der Helm um des Fallendm Schläfe.

Hektor bemerkt' es sogleich; rasch sprang er hinan, und die Lanze Bohrt' er ihm tief in die Brust. Ganz nah an den theuren Genossen 650 Tödtet' er ihn, und sie konnten ihn, wohl den Genossen beklagend,

Doch nicht retten: sie bebten ja selbst vor dem göttlichen Hektor. Rah schon waren die Schiff' und die äußersten lagerten ringsher, Die sie zuerst aufzogen, und dorthin strömten die Troer.

Da wich Argos Volk im Gedräng von den vordersten Schiffsreihn;

655

Aber sie hielten sich noch um die Zelt' in geschlossenen Scharefl.

Fest und zerstreuten im Lager sich nicht; denn Scham und die Furcht selbst Hielt sie, und endlos riesen sie einer dem Anderen Muth zu;

Nestor vor Allen der Greis, der gerenische Hort der Achäer,

Flehete jedem besonders und bat bei seinen Erzeugern:

Seid nun Männer, o Freunde, gedmkt, voll Scham in dem Herzen, Aller der anderen Menschen, und dann auch denke doch Jeder.

660

Fünfzehnter Gesang.

311

An sein Weib, an die Kinder daheim, den Besitz und die Eltern, Wem sie von euch noch leben und wem sie vom Tode geraubt sind.

Sehet, für sie dort fleh ich zu euch hier, für die Entfernten: Steht!

665

Seid muthig und wende sich Niemand, um zu entfliehen!

Sprach es, und Allen erweckt' er die Kraft und die muthige Kampflust.

Da nahm ihnen Athene des schrecklichen Nebels Umnachtung Weg von den Augen, so daß in dem Licht rings Alles umher lag,

Hin nach den Schiffen und dort in dem schrecklichen Kampfesgetümmel. 670

Und sie erkannten den Hektor, den Rufer im Streit und die Seinen Alle, sowohl, die ruhend zurück von dem Kampf sich gezogen, Als die noch das Gefecht um die eilenden Schiffe bestanden.

Und es gefiel nicht mehr in dem muthigen Herzen dem Ajas, So in der Ferne zu stehn mit den anderen Männern von Argos;

675

Sondern er flog auf der Schiffe Verdeck mit gewaltigen Schritten

Immer umher, in den Händen die mächtige Stange des Schiffskampfs Schwingend, von zwanzig Ellen an Läng' und mit Ringen gefestigt. So wie ein Mann, der wohl sich geübt, mit den Rossen zu jagen,

Wann er von vielen heraus vier paffende Rosse gewählt hat,

680

Nun zu der mächtigen Stadt im Gefild, rasch treibend, dahin fliegt, Auf dem gewöhnlichen Wege des Volks, und ihn sehn mit Bewund'rung

Alle die Männer und Frau'n: fest springt er beständig, unfehlbar, Immer von einem hinweg auf's andere, während sie fliegen:

So flog auf dm Verdecken der eilenden Schiffe beständig

685

Ajas, weit ausschreitend; es scholl sein Ruf in den Aether, Und mit der schrecklichen Sümme gebot er den Söhnen Achajas, Schiff' und Gezelte zu retten.

Indeß dort weitete Hektor

Auch nicht unter dem Haufen der festumpanzerten Troer;

Sondern dem gelblichen Aar gleich, der in der flüchtigen Vögel

690

Schar sich hinabstürzt, wann sie am Strom hingehn nach der Nahrung,

Kranich' und Gans', auch Schwäne mit hochaufragenden Halsen: So sprang gegen ein dunkel geschnäbeltes Schiff jetzt Hektor, Grade hinan; ihn erhob mit gewaltiger Rechte Kronion,

312

Illas.

Schwingend am Rücken, indem er das Volk auch mit ihm Hinantrieb. 695 Also entstand aufs Neue die bittere Schlacht um die Schiffe.

Wer in dem Kampf mit einander sie sah, der meinte, der Mühsal Und der Bedrängniß erlägen sie nie: so kämpften sie muthvoll.

Aber die Fechtenden dachten im Inneren dieß: die Achäer Glaubten, der Noth nicht mehr zu entfliehn jetzt, sondern zu sterben.

700

Doch von den Troern gedacht' in der Brust schon jeder, die Schiffe

Bald zu verbrennen und alle die Danaerhelden zu morden.

Also dachten sie, während sie dort sich einander bedrängten. Da griff Hektor das Steuer des herrlichen, eilenden Schiffes, Welches den Protesilaos, das Meer durchlaufend, gen Troja

705

Führet', indeß nicht mehr zu dem Heimatlande zurücktrug. Um sein Schiff nun würgten sich jetzt die Achäer und Troer, Dicht an einander gedrängt im Gewühl, es erwartete Niemand

Fernher mehr von dem Bogen den Angriff oder den Speerwurf;

Sondem im dichten Gemenge sich nah, in demselben Verlangen,

710

Känrpften sie gegen einander mit schneidenden Beilen und Aerten, Mit den gewaltigen Schwertern und zwiefach schneidenden Lanzen. Wohl viel herrliche Schwerter mit dunkelen Scheiden und Handgriff

Sanken dahin in den Staub, von der Hand hier, dort von den Schultern Kämpfender Männer, und Blut floß hin an dem dunkelen Boden.

715

Hektor jedoch, nachdem er das Schiff an dem Steuer ergriffen, Ließ nicht los mit der Hand von dem Knauf, und er rief zu den Troern:

Bringet mir Feuer, und alle zugleich stürmt vor mit dem Schlachtruf! Jetzt giebt endlich für Alles den Tag der Vergeltung Kronion,

Daß wir die Schiff' einnehmen, die, nicht mit den Göttern gekommen, 720

UnS die unendlichen Leiden gebracht!

Feig haben die Alten

Mir, trotz meines Begehrs nach dem Kamps an den Steuern der Schiffe,

Selber beständig gewehrt und das Volk auch immer gehalten.

Doch hat früher den Sinn uns der waltende Herrscher Kronion Immer geblendet: so heißt er uns selbst jetzt stürmen und treibt und!

Sprach's: da stürzten sich jene noch heftiger auf die Achäer.

725

Fünfzehnter Gesang.

313

Ajas selbst hielt nicht mehr Stand, von den Speeren bewältigt; Sondern er trat allmälig zurück, in des Todes Erwartung, Auf das Gestell für den Steu'rer und wich von des Schiffes Verdecke. Da nun stand er und schaut', und er trieb mit der Lanze die Troer

730

Immer zurück, naht' einer mit loderndem Feuer den Schiffen. Schrecklich erhob er beständig den Ruf und gebot den Achäern: Freund', ihr Helden des Danaervolks, ihr Genossen des Ares, Jetzt seid Männer, ihr Freund' und beharrt in der muthigen Abwehr!

Meinten wir etwa, es stünden noch andere Helfer dahinten,

735

Oder ein stärkerer Wall, von dem Heer das Verderben zu wehren? Nah ist hier uns keine der Mauerumgebenen Städte, Wo wir Vertheidigung fänden und neu zutretendes Hülfsvolk;

Sondern wir sind im Gebiete der festumpanzerten Troer; Nah an dem Meer hier sitzen wir, fern von dem Lande der Heimat!

740

Heil ist nur in den Armen und sonst kein Trost in dem Kampf mehr!

Also sprach er und wüthet' umher mit der schneidenden Lanze: Sprang wo einer der Troer hinan zu den räumigen Schiffen, Lodernde Gluch in der Hand, dem gebietenden Hektor zu Liebe:

Den traf AjaS sogleich, mit dem mächtigen Speer ihn empfangend.

745

Zwölf durchbohret' er so mit dem Speer in der Hand vor den Schiffen.

Sechzehnter Gesang. Mso bekämpften sich jen' um das Schiff mit den stattlichen Borden.

Aber Patroklos trat zu dem Völkergebieter Achilleus, Thränen des Schmerzes vergießend, dem Quell gleich, welcher im Schatten Hoch von dem jähen Geklipp sein dunkeles Wasser herabgießt.

Da sah mitleidvoll ihn der göttliche Renner Achilleus,

5

Und er begann zu ihm also und sprach die geflügelten Worte: Weshalb weinest du so, wie ein Kind, wie ein Mädchen, Patroklos,

Das, mit der Mutter gelaufen, sie quält, auf den Arm sie zu nehmen, An dem Gewände sie «faßt und sie aufhält, da sie in Eil' ist,

Immer empor zu ihr siehet und weint, bis sie endlich sie mifnimmt: So weinst du voll Schmerzen, Patroklos.

10

Kommst du mit Nachricht,

Die du den Myrmidonen verkündigest, oder mir selbst auch? Hast du von Phthia herüber allein wo Kunde vernommen?

Lebt doch der Aktoride Menötios, mein' ich; es lebt auch

Peleus, Aeakos Sohn, in dem Myrmidonischen Volke,

15

Beid', um deren Verlust wir anr schmerzlichsten würden betrübt sein. Oder beweinst du das Volk von Achaja, das im Verderben

An den geräumigen Schiffen um eigene Frevel dahin sinkt? Sprich und verschließ nicht länger das Herz; dann wissen wir's beide. Da sprach tief aufseufzend der Rossebezähmer Patroklos:

Herrlichster aller Achäer, Achilleus, Pelemde! Zürne mir nicht: mich jammert es so um die Völker Achajas.

20

Sechzehnter Gesang.

315

Alle ja liegen bereits, die sonst die vortrefflichsten waren,

Hier in den Schiffen, getroffen vom Pfeilschuß oder dem Speerwurf. Wund ist Tydeus Sohn, der gewaltige Held Diomedes,

25

Wund Agamemnon und wund der gepriesene Kämpfer Odysseus; Auch Eurypylos ist von dem Pfeil in den Schenkel getroffen, Und es bemühen sich um sie die Heilungkundigen Aerzte,

Ihnen die Wunden zu heilen — und dich rührt nichts, o Achilleus!

Nimmer ergreife doch mich der Zorn, den du in der Brust hegst! Unglücköheld!

30

Wie freuet sich dein doch ein später Geborner,

Wenn du die schmähliche Noth nicht wehrst von den Völkern Achajas? Wahrlich, es hat, Grausamer, dich Peleus nimmer gezeuget,

Noch auch Thetis geboren! Dem graulichen Meer und des Felshaupts Klippen entstammest du, da dein Herz nichts weiß von Erbarmung.

35

Wenn dich jedoch in dem Herzen vielleicht wo ein Götterbescheid schreckt, Oder die würdige Mutter von Zeus dir Befehle gebracht hat:

Nun, dann sende doch mich, und das Myrwidonische Volk auch Komme zugleich mit, ob ich ein Licht für die Danaer werde.

Gieb als Wehr um die Schultern mir auch dein Waffengeschmeide,

40

Ob mich für dich ansehend vielleicht von dem Kampfe die Troer

Abstehn, und von der Noth sich die tapferen Männer Achajas Etwas erholen, und ruhten sie auch nur wenig vom Streit aus. Leicht wohl drängten wir Frischen die Kampfesermüdeten Männer

Wieder zurück zu der Stadt und hinweg von den Schiffen und Zelten. 45

Also sprach er und bat ihn, der Thörichte; denn für sich selber Sollt' er das Todesverderben erflehn und das traurige Schicksal.

Und es entgegnet' ihm seufzend der muthige Nenner Achilleus: Weh, was hast du gesprochen, o Götterentstammter Patroklos! Weder ein göttlicher Spruch wo, den ich vernommen, erschreckt mich,

Noch auch brachte von Zeus mir die würdige Mutter Befehle; Sondern entsetzlicher Grimm durchdringt mir das Herz in dem Innern, Wenn sich den ihm ganz Gleichen ein Mann zu berauben erdreistet,

Und ihm das Ehrengeschenk, als Stärkerer, wieder zll nehmen:

50

316

IliaS.

Schrecklichen Schmerz macht dieß mir und bittere Leiden ertrug ich!

55

Sie, zum Ehrengeschenk mir erwählt von den Männern Achajas, Die mein Speer mir gewann, nach der mächtigen Veste Zerstörung: Sie hat dieser mir wieder geraubt, Agamemnon, der Herrscher, Atreus Sohn, als wär' ich ein nicht zu beachtender Fremdling!

Aber Geschehenes lassen wir ruhn!

Auch dacht' ich ja niemals,

60

Unaufhörlich zu zürnen im Geist; nur hatt' ich beschlossen, Richt von dem Grolle zu lassen, bevor zu den eigenen Schiffen,

Bis zu mir selbst hierher das Gefecht vordräng' und der Schlachtruf.

Nimm denn du jetzt meine gepriesene Wehr um die Schultern, Und zu dem Kampf hin führe die tapferen Myrmidonen,

65

Da, wie ein dunkel Gewölk, machtvoll sich das Troische Kriegsvolk

Ringsher zieht um die Schiff', und die Danaer, gegen den Meerstrand Niedergedrängt, nur kaum dieß dürftige Stück von dem Lande Noch sich erhalten.

Es zieht ganz Ilios gegen uns muthvoll,

Weil in der Nähe sie nicht mein Helm mit der blitzenden Stirn schreckt. 70 Wahrlich es füllten die Fliehenden bald in dem Felde die Gräben

Mit den Erschlagenen, hätte der herrschende Fürst Agamemnon Mir sich gerechter erzeigt: nun kämpfen sie hier an dem Lager!

Denn nicht rast mit dem Speere des Tydeus Sohn Diomedes, Um von Achajas Volke den Tag des Verderbens zu wenden,

75

Auch vom Atriden vernehm' ich den Ruf nicht mehr, den verhaßten;

Sondern er hallt nur laut von dem Männervertilgenden Hektor,

Welcher die Troischen Scharen ermuthiget, die mit dem Schlachtruf RingS im Gefild herziehn und im Kampf die Achäer besiegen.

Wende jedoch die Gefahr auch so von den Schiffen, Patroklos.

80

Stürze dich unter sie, mächtig, damit nicht flammendes Feuer

Ihnen die Schiffe verbrennt und beraubt sie der Freude der Heimkehr. Aber vor Allem befolge mir dieß und beacht' es im Herzen,

Daß du den herrlichen Preis und den Ruhm für mich selber gewinnest Unter den Danaern allen, damit sie das blühende Weib mir Wieder verleihn und dazu noch erlesene Gaben verehren.

85

Sechzehnter Gesang. Treibe sie weg von den Schiffen und komm dann wieder.

317 Sogar auch,

Wenn dir der donnernde Gatte der Here ferneren Ruhm giebt, Bleibe du ohne mich ja mit den Kampfesbegierigen Troern

Nicht im Gefechte; du ließest mir selbst nur weniger Ehre.

90

Führe mir nicht, wenn in dem Gefecht Kampflust dich dahinreißt, Und du die Troer ermordest, das Volk zu den Mauern von Troja,

Daß nicht von dem Olympos vielleicht von den ewigen Göttern Einer dir nahe: sie liebt ja der treffende Phöbos Apollon!

Sondern sobald du den Schiffen das Licht der Errettung erhöht hast,

95

Kehre zurück; laß jene nachher im Gefilde sich morden!

Möchte doch, Vater Kronion und Pallas, du, und Apollon,

Auch kein einziger Troer vom Tod sich erretten von Allen, Noch von den Danaern Einer und wir dem Verderben entrinnen,

Daß wir allein dann Troja der heiligen Zinnen beraubten!

100

Also sprachen sie dieses und Aehnliches dort mit einander.

Ajas indeß hielt nicht mehr Stand, von den Speeren bewältigt; Denn ZeuS Wille bezwang ihn zugleich und der wüthigen Troer Fliegend Geschoß.

Graunvolles Getön scholl weit von den Würfen

Gegen den blinkenden Helm um die Schlaf'; an das mächtige Helmband 105

Trafen sie immer; die Schulter zuletzt auch war ihm ermattet

Von dem beständigen Schwünge des Schilds, und sie konnten ihn doch nicht Zwingen, zu weichen, so sehr sie ihn auch mit Geschossen bedrängten.

Matt von der Mühsal keucht' er, es rann ihm der Schweiß von den Gliedern Triefend herab, und sie ließen ihm nicht die geringste Erholung:

110

Unheil drängte von hier und von da sich beständig an Unheil. Jetzt nun sagt mir, o Musen, ihr Göttinnen auf dem Olympos, Wie sie die Flamme zuerst in der Danaer Schiffe geworfen.

Vor sprang Hektor: er hieb in die eschene Lanze des Ajas Mit dem gewaltigen Schwert, und er schlug ihm den 'Schaft an der Spitze 115

Mitten hindurch, daß Ajas, der mächtige Telamonide, Stumpf den verstümmelten Speer in der Hand hielt, während ihm weithin

Gegen die Erde mit Sausen die eherne Spitze dahinflog.

318

Ilias.

Und mit Entsetzen erkannt' in der Brust der gewaltige Ajas

Göttergewalt, daß jetzo der Donnerer Zeus in dem Kampfe

120

Jedes Beginnen vereitelt' und Ilios Volke den Sieg gab. Und er entwich dem Geschoß: da flog in das eilende Meerschiff

Lodernd die Flamm', und sogleich schlug unauslöschliche Gluth auf. So nun brach an dem Steuer die Flamm' aus; aber Achilleus

Schlug sich die Hüften, indem er es sah, und er sprach zu Patroklos: 125

Auf, o Patroklos und eile, du herrlicher Rossebezähmer!

Sieh, dort wüthet und bricht ja bereits an den Schiffen die Flamm' aus! Daß sie doch sie nicht nehmen und schneiden den Weg zu entfliehn ab! Rüste du dich mit den Waffen, geschwind!

Ich sammle die Kriegsschar.

Sprach's, und es waffnete schon mit dem funkelnden Erz sich Patroklos. 130

Und er umgab sich die Füße zuerst mit den herrlichen Schienen, Welche sich wohl anschlossen der silbernen Knöchelbedeckung; Dann umhüllt' er die Brust sich nachher mit dem Sternebesäten, Künstlichen Panzergeschmeide des muthigen Nenners Achilleus,

Warf um die Schultern darauf sich das Schwerdt mit den silbernen Buckeln, 135

Ganz aus Erz; dann nahm er den Schild auf, groß und gediegen;

Seinem gewaltigen Haupt dann setzt' er den tüchtigen Helm auf, Mähnenumwallet, von oben umnickt von dem schrecklichen Helmbusch;

Auch zwei mächtige Speer', ihm gerecht in den Händen, ergriff er;

Einzig den Speer nur ließ er des herrlichen Peleiaden,

140

Welchen, gediegen, gewaltig und schwer, von den andren Achäern

Keiner vermochte zu schwingen, allein nur warf ihn Achilleus: Pelions Esch', ein Geschenk an Achilleus Vater von Chiron, Hoch von Pelions Gipfel gehaun zu der Helden Ermordung,

Und den Automedon hieß er die Ross' anschirren in Eile,

145

Hoch ihm vor Allen geehrt nach dem Kampfreihnstürmer Achilleus,

Und den bewährtesten, fest im Gefecht zu bestehn vor dem Schlachtruf. Und Automedon schirrte die flüchtigen Ross' in das Joch ein,

Xanthos und Balios, die mit dem wehenden Winde dahinflohn. Diese gebar die Harpyie Podarge einst von dem Winde

150

Sechzehnter Gesang.

319

Zephyros, da sie am Strom des Okeanos werdet'.im Grünen.

Und auch Pedasos spannt' er, den trefflichen, neben die beiden, Den nach Eetions Veste Zerstörung einst sich Achilleus

Bracht', und er lief, zwar sterblich, zugleich mit unsterblichen Rossen. -Aber Achilleus eilte, die Myrmidonen zu waffnen, All' in den Zelten umher, mit den Rüstungen.

155

Gierigen Wölfen

Waren sie gleich, mit dem nimmer verzagenden Muth in dem. Herzen, Welche den Hirsch mit dem hohen Geweih sich erjagt in den Berghöhn,

Und ihn verschlingen, von Blut rings all' um die Backen geröthet. Dann nun gehn sie, in Rotten geschart, an dem schattigen Quelle

160

Dunkeles Wasser von oben mit spitzigen Zungen zu lecken, Während sie wieder das Blut von dem Mord ausspeien; von Muth schwillt

Allen das Herz in der Brust und gefüllt sind ihnen die Bäuche.

Also drängten sich dort um des muthigen Renners Achilleus Tapferen Freund die Berather und Führer der Myrmidonen.

165

Aber Achilleus selber, der muthige, stand, und zu eilen Trieb er die Rosse zugleich und die Schildegewappneten Männer.

Fünfzig eilenden Schiffen gebot der erhab'ne Achilleus,

Als er nach Ilios fuhr, und in jeglichem saßen ihm fünfzig Männer, entlang an den Rudern gereiht, als treue Genossen.

170

Und zu den Führern ernannt' er sich fünf, auf die er vertraute, Ordnung zu halten: er selbst, voll Macht, herrscht' über sie Alle. Eine der Ordnungen führte Menesthios, prächtig geharnischt, Von Spercheos gezeuget, dem Himmelentsprossenen Strome. Und Polydora gebar ihn, des Peleus liebliche Tochter,

175

Die sich, ein Weib, Spercheos, dem mächtigen Gotte, vermälte, Aber dem Namen nach, Boros, dem Perieriden, und scheinbar

Ward er ihr Ehegemal für unendliche Bräutigamsgaben.

Aber der anderen Ordnung gebot Eudoros, der tapfre, Welchen die Jungfrau, reizend im Tanz, Polymele geboren,

Phylas Tochter.

Sie liebte der mächtige Argostödter,

Da er mit Augen einmal sie gesehn, in der Singenden Reihntanz

180

320

Ilias.

Artemis feiern, die Göttin mit goldenem Pfeil, die umtobte. Und in das Obergemach kam gleich und umarmte sie heimlich

Hermes, der gnädige Gott, und den herrlichen Sohn Eudoros

185

Trug ihm ihr Schooß, der rüstig im Lauf und ein Held in der Schlacht war. Doch als Eileithyia, die Wehebereitende Göttin, Ihn zu dem Lichte gebracht, und er Helios Stralen geschämt:

Führte sie Aktors Sohn, die gewaltige Kraft des Echekles,

Mit sich in seinen Palast für unendliche Bräutigamsgaben;

190

Aber den Knaben ernährt' und erzog voll liebender Sorgfalt

Phylas indessen, der Greis, als ob's sein eigener Sohn wär. Und in der Ordnungen dritter gebot der gewalt'ge Pisandros,

Mämalos Sohn, der's Allen im Myrmidonischen Volke

Nach des Achilleus Freund' in dem Kampf mit dem Speere zuvorthat. 195

Ferner der reisige Phönir, der Greis, war Führer der vierten; Held Alkimedon endlich, der Sohn des Laerkes, der fünften. Aber nachdem nun Alle zugleich mit den Führern Achilleus

Völlig gestellt und geordnet, begann er die kräftigen Worte: Daß jetzt keiner von euch mir, o Myrmidonen, vergesse,

200

WaS ihr den Troern bisher an den eilenden Schiffen gedroht habt, Seit ich gezürnet und wie mich darum stets jeder getadelt:

Schrecklicher Peleione, mit Galle genährt von der Mutter! Grausamer, der du die Freunde mit Zwang an den Schiffen zurückhältst! Fahren wir lieber nach Haus in den Meerdurcheilenden Schiffen,

205

Gleich nun, da du ja so den verderblichen Zorn in der Brust nährst!

Also sprächet ihr in den Versammlungen: sehet, da ist nun

Mühe des Kampfes in Fülle, nach dem ihr beständig verlangt habt. Kämpfe denn hier, wer Muth in der Brust hat, gegen die Troer!

Sprach es, und Allen erweckt' er das muthige Herz, und die Schlachtreihn 210

Drängten sich enger zusammen, nachdem sie den König gehöret.

Wie sich die Mauer ein Mann fest schließt mit verbundenen Steinen Um das erhabene Haus, den gewaltigen Winden zu wehren:

Also schlossen sich Helm' und genabelte Schild' an einander,

Sechzehnter

Gesang.

321

Schild mit dem Schild, mit dem Helme der Helm, mit dem Krieger der Krieger. 215 Regten sie sich: dann stießen der Mä'hnenumwalleten Helme Glänzende Zacken sich an: so nah stand Einer dem Andern.

Allen den anderen Männern voraus in der stattlichen Rüstung

Zogen Patroklos, der Held, und Automedon, einig im Herzen,

Beide, den Myrmidonen voran im Gefechte zu kämpfen.

220

Aber Achilleus ging in das Zelt, und den künstlichen, 'schönen Kasten eröffnet' er, den ihm die Silberfüßige Thetis

Mit zu dem Schiffe gegeben, nachdem sie mit Röcken ihn sorgsam

Auch mit den schützenden Mänteln gefüllt und den wolligen Decken. In ihr lag sein schöner Pokal, und es hatte noch niemals

225

Einer der Männer daraus von dem funkelnden Weine getrunken, Roch auch sprengt' er den Göttern daraus, nur Zeus dem Kroniden.

Da nun nahm er ihn auf von der Kist', und er reinigt' ihn erstlich

Schwefelnd, und wusch ihn nachher mit dem lauteren, fließenden Wasser,

Wusch sich die Händ' auch selbst; dann schöpft' er des funkelnden Weines, 230

Trat in die Mitte des Hofs und, den Blick zu dem Himmel erhoben, Betet' und sprengt' er, gehört von dem Donnererfreuten Kronion:

Zeus, Dodonischer König, Pelasgischer, fern in Dodona

Wohnest und herrsch'st du, der kalten, in der, ringswohnend, die Sellen Dich uns verkünden, den Fuß nie waschend, am Boden gelagert:

235

Hast du ja doch mein Bitten und Flehn auch früher gehöret,

Hast mich geehret und mächtig das Volk der Achäer bedränget: O, so erfülle mir nun auch jetzt noch dieses Verlangen!

Denn wohl selbst zwar bleib' ich zurück in dem Raum an den Schiffen, Aber ich sende den Freund mit dem Myrmidonischen Kriegsvolk

240

Aus zu dem Kampfe: so gieb du ihm Zeus, hochwaltender, Siegsruhm!

Stärke mit Muth ihm das Herz in der Brust, um den Hektor zu lehren, Ob mein Waffengenoß es versteht, auch wann er allein ist,

Männer zu bändigen, oder ihm nur unnahbar die Hände

Wüthen, sobald ich zugleich auszieh' in das Toben des Ares. Aber nachdem er des Kampfes Getös von den Schiffen gedrängt hat,

21

245

32S

Ilias.

Komm' er mir ohne Verwundung zurück zu den eilenden Schiffen, Er mit der sämmtlichen Waffen Geschmeid' und den tapfern Genossen!

Also flehet' er laut, und es hört' ihn der Herrscher Kronion; Aber der Vater gewährt' ihm das Ein' und das Andre versagt' er:

350

Gab ihm, das Schlachtengetümmel zurück von den Schiffen zu drängen;

Daß er ihm aber erhalten vom Kampf heimkäme, versagt' er. Als nun so er gesprengt und gefleht zu dem Vater- Kronion,

Ging er zurück in das Zelt und verwahrt' in der Kiste den Becher; Kam dann wieder und trat vor das Zelt; noch wollt' er im Herzen

255

Sehn, wie schrecklich die Troer und Argos Volk sich bekämpften.

Jen' indeß um Patroklos, den muthigen Führer, gewappnet, Eilten, sich gegen die Troer in trotzigem Muthe zu stürzen.

Eiligen Schrittes, den Wespen am Weg gleich, strömten sie vorwärts, Welche die Knaben, so wie sie es thun, zu erbittertem Zorne,

260

Rastlos neckend, gereizt in den Wohnungen, nahe dem Heerweg,

Thöricht, indem sie so Vielen gemeinsames Uebel bereiten.

Reizt sie ein Mann nun, welcher des Wegs zufällig dahingeht, Ohn' es zu wollen, vielleicht: dann stürzt sich in muthiger Kampflust Alles im Fluge hervor und beschirmt vor Gefahren die Jungen.

265

Diesen an Muth gleich stürmten die tapferen Myrmidonen Dort von den Schiffen heraus, und unendlich tönte der Schlachtruf.

Und mit dem mächtigen Rufe begann zu den Freunden Patroklos: Myrmidonen, Genossen des Pele'iaden Achilleus, Seid jetzt Männer, ihr Freund' und beharrt in der stürmischen Kampflust, 270 Daß wir den Peleionen verherrlichen, der der Achäer

Trefflichster ist an den Schiffen, und kühn sind seine Genossen. Mag der Atrid' es erkennen, der herrschende Fürst Agamemnon, Was er verschuldet, indem er der Danaer besten beschimpft hat!

Also sprach er, und Allen erweckt' er den Muth in dem Herzen,

Daß sie auf Trojas Volk sich gedrängt hinstürzten, und ringsher

Hallten entsetzlich die Schiffe vom Kampfesgeschrei der Achäer. Als nun aber die Troer Menötios tapferen Sohn sahn,

275

Sechzehnter

Gesang.

323

Ihn und den Waffengenossen, im funkelnden Schmucke der Rüstung, Wurden sie all' in dem Herzen geschreckt, und es wankten die Schlachtreihn, 280

Fürchtend, es hab' an den Schiffen der muthige Nenner Achilleus Von sich geworfen den Groll und die Freundschaft wieder gewählet. Ringsum schauete jeder, wohin er entfiöh vor dem Unheil.

Aber zuerst nun warf mit dem blinkenden Speere Patroklos Grad' in die Mitte hinein, in der dichtesten Menge Gewimmel,

285

Hinten am Steuer des Schiffes des muthigen Protesilaos,

Und dert Pyrächmes traf er, des reisigen Volks der Päonen

Führer, von Amydon her, von des Arios breitem Gewässer.

Rechts durchbohrt' ihm die Schulter der Speer, und er sank in den Staub hin, Rücklings, seufzend, und zagend entflohn die Päonischen Freunde;

290

Denn es erfüllte sie alle mit plötzlichem Schrecken Patroklos, Weil er den Führer getödtet, den tapfersten Mann in dem Kampfe.

Und er vertrieb sie und löschte das lodernde Feuer der Schiffe.

Also verbrannte das Schiff nur halb: so blieb's, und die Troer Flohen mit schrecklichem Lärmen, verfolgt von der Danaer Scharen,

295

Durch die geräumigen Schiff', und es tobt' unermeßlicher Aufruhr.

Wie wann hoch von dem Gipfel herab des gewaltigen Berges, Blitze versammelnd, Kronion die dunkelen Wolken dahin jagt: Und es erscheinen die Warten und zackigen Gipfel und Thäler

All', es eröffnet vom Himmel sich endlos wieder der Aether:

300

Also erholtm sich, da. sie die feindliche Gluth von den Schiffen

Wieder verdrängt, die Achäer; indeß noch ruhte der Kampf nicht.

Denn noch hatten die Troer sich nicht, vor den tapfern Achäern Vorwärts fllehend, hinweg von den dunkelen Schiffen gewendet;

Rein, noch standen und wichen sie nur erst kaum von den Schiffen.

305

Einzeln erlag vor dem Männe der Mann im zerstreuten Gefecht dort,

Bonden Gebietern: zuerst des Menöüos tapferer Sprößling

Traf, wie er eben sich wandt', Arei'lykos dort in die Hüfte Mit dem gewaltigen Speer, daß ganz ihm die Spitze hineinfuhr.

Und es zerbrach ihm den Knochen der Speer: da stürzt' er zu Boden,.

21*

310

324 Auf das Gesicht.

Ilias. Und den Thoas verwundete Held Menelaos

Neben dem Schild in die Blöße der Brust, und er löst' ihm die Glieder.

Da sah Phyleus Sohn den Amphiklos, wie er daherstog,

Kam ihm zuvor, durchbohrt' ihm das obere Bein an der stärksten, Fleischigsten Stelle des Mannes, und rings um die Spitze der Lanze

315

Rissen die Sehnen entzwei, daß Nacht ihm die Augen umhüllte. Und von den Söhnen des Nestor erschlug des Antilochos Lanze Dort den Atymnios, dem er den ehernen Speer in den Bauch stieß,

Daß er nach vorn sank.

Und dem Antilochos sprang mit der Lanze,

Ganz dicht, Maris entgegen, im Zorn um den leiblichen Bruder.

320

Hin vor den Leichnam trat er; indeß ThrasymedeS, der edle, Stieß, eh jener getroffen, den Speer vor, ohne zu fehlen,

Daß ihm die Spitze des Speeres den oberen Arm an der Schulter Gleich durchschnitt in den Muskeln und ganz ihm den Knochen entzweibrach. Dröhnend stürzt' er danieder, und Nacht umhüllt' ihm die Augen.

325

Also gingen sie nun, zwei leiblichen Brüdern erlegen,

Ein zu dem EreboS, beide Sarpedons tapfre Genossen, Lanzengewaltige Söhn' Amisodaros', der die Chimära Aufzog, Vielen der Menschen zu Leid, das gewaltige Unthier.

Da sprang Ajas, der Sohn des ONeus, nach Kleobulos,

330

Der im Gedräng sich verwickelt, ergriff ihn lebendig und hieb ihm, Daß ihm die Kraft gleich schwand, mit dem mächtigen Schwert in den Nacken. Heiß ward ganz von dem Blute das Schwert, und die Augen bedeckte

Jenem der purpurne Tod und das machtvoll waltende Schicksal. Gegen Peneleos stürzte sich Lykon; denn mit den Lanzen

335

Hatten sie Einer den Andern gefehlt, sie entsandten sie fruchtlos. Also bekämpften sie nun mit dem Schwert sich einander, und Lykon Hieh in den Kegel des Helms mit'dem Roßbusch; aber am Hefte

Brach ihm das Schwert; doch unter dem Ohr, ganz tief in den Nacken, Hieb ihm Peneleos, daß ihm das Schwert durchfuhr; an der Haut nur 340

Hing noch ein wenig das Haupt: da lösten sich gleich ihm die Glieder. Und es ereilet' im Lause . Meriones Mamas eben,

Sechzehnter

Gesang.

325

Als er den Wagen bestieg und verwundet' ihn rechts in der Schulter;

Und er entstürzte dem Sessel und Nacht umhüllt' ihm die Augen.

Und des Jdomeneus Speer drang tief in des Erymas Mund ein,

345

Daß ihm die eherne Spitze des Speers durchschneidend hineinfuhr Unter dem Hirn und das weiße Gebein ihm darinnen entzweibrach. Und ihm entstürzten die Zähne; von Blut voll standen die Augen

Beid' ihm, er brach es zugleich aus dem offenen Mund und der Nase

Röchelnd hervor, und die Wolke des dunkelen Todes umhüllt' ihn.

350

So schlug jeder von diesen Achäischen Führern den Mann dort.

Wie wann grimmige Wölf' auf Zicklein oder auf Lämmer Stürzen und schnell sie entführen, indem in den Bergen die Heerde

Durch die Versäumniß der Hirten zerstreut ist; und, es erspähend,

Stürzen sich die zu dem Raube sogleich in die zagenden Thiere:

355

So stürzt' unter die Troer sich Argos Volk, und mit Angstruf Dachten sie nur an die Flucht, nicht mehr an den stürmischen Kampfmuth.

Stets sucht' Ajas, der große, den Erzumpanzerten Hektor Mit dem Geschosse zu treffen; indeß, wohl kundig des Kampfes Und die gewaltigen Schultern bedeckt mit dem Schilde von Stierhaut- 360

Wahrte sich der vor dem Schwirren der Pfeil' und dem Sausen der Lanzen Deutlich erkannt' er den Wechsel des Siegs im gewendeten Kampfe;

Aber er stand auch so, und errettete treue Genossen. Wie wann von dem Olympos Gewölk an dem Himmel herauf zieht Aus dem unendlichen Aether, so oft Zeus Stürme bereitet:

365

So drang dort von den Schiffen die Flucht mit dem wilden Geschrei her, Und in Verwirrung kehrten sie um.

Wohl führten den Hektor

Schnell mit den Waffen die Roffe davon; doch ließ er der Troer

Volk dort, das beim Fliehen der mächtige Graben zurückhielt. Da krach Manchem das schnelle Gespann vor dem Wagen im Graben 370

Bornen die Deichsel entzwei und verließ der Gebietenden Wagen. Aber Patroklos folgt', und er trieb die Achäer beständig, Unheil sinnend den Troern, und die, laut schreiend und fliehend,

Füllten die Heerweg' all' in zerstreueter Flucht; zu den Wolken

Ilias.

326

Wirbelte dunkeler Staub sich empor, und die stampfenden Rosse

375

Jagten, im Laufe gestreckt, zu der Stadt von den Schiffen und Zelten. Aber Patroklos, wo er das Volk in dem größten Gedräng sah,

Dahin eilt' er und trieb.

Auf's Antlitz stürzten die Männer

Unter die Räder vom Sessel herab, und die Wagen zerschellten.

Leicht sprang über den Graben hinweg der unsterblichen Rosse

360

Flüchtig Gespann, das ehrend die Ewigen schenkten dem Pelms. Vorwärts stürmten sie; gegen den Hektor trieb ihn der Kampfmuth,

Ihn zu erlegen; indeß ihn erretteten eilend die Rosse.

Wie mit dem Sturme der Regen mit Macht auf'S dunkele Land fällt, Wann in den Tagen des Herbstes die wüthenden Wasser Kronion

385

Ausgießt, weil er den Männern im grollenden Herzen erzürnt ist, Welche gewaltsam in dem Gericht die Gesetze verdrehen, Daß sie das Recht nicht achten und nicht der Unsterblichen Zorn scheun.

Da stießt jeglicher Strom in dem Land, voll bis zu dem Ufer Viele der Hügel zerstören die wild herstutenden Wasser,

390

Wie sie mit lautem Getös zu dem purpurnen Meer hinbrausen,

Von den Gebirgen im Sturz, und der Sterblichen Werke verschwinden: So scholl laut das Getös von den rennenden Rossen der Troer. Aber Patroklos, als er die vordersten Reihen gemähet,

Trieb zu den Schiffen sie wieder zurück, und er ließ sie nach Troja

395

Nimmer, so gern sie es wollten, hineinfliehn; sondern im Mittel, Zwischen den Reihen der Schiff' und dem Strom und der mächtigen Mauer, Mordet' er stürmend sie hin, und für Viele gewann er Vergeltung. Pronoos traf er zuerst in die Brust mit dem blinkenden Wurfspeer,

Als er sie bloß gab neben dem Schild', und er löst' ihm die Glieder.

Dröhnend erscholl sein Fall. Enops Sohn.

400

Dann stürzt' er sich gegen den Thestor,

Der saß in dem künstlichen Sessel des Wagens

Niedergebückt, der Besinnung beraubt, und es waren die Zügel Ihm aus den Händen entschlüpft: da kam er und stieß mit dem Speer ihm Rechts in dem Backen hinein, durch zwischen den Zähnen und zog ihn 405

Ueber den Sessel empor an dem Speer.

Gleichwie sich ein Fischer,

Sechzehnter

Gesang.

327

Welcher am Felshang sitzt, den gewaltigen Fisch an den Meerstrand Aus dem Gewog an der Schnur und der blinkenden Angel emporzieht:

So zog er an dem Speere den Schnappenden über den Wagen, Stürzt' aufs Haupt ihn und, wie er dahinsank, haucht' er den Geist aus. 410

Und Erylaos traf er darauf, der gegen ihn herdrang,

Grad' in die Mitte des Haupts mit dem Stein, und es borst von einander Unter dem lastenden Helm: da stürzt' er nach vorn an den Boden

Nieder, und Seelenzerstörend umfing ihn der Schauer des Todes.

Nach ihm den Erymas drauf, den Amphoteros und den Epaltes,

415

Pyris und Echios dann und Tlepolemos, Sohn des Damastor, Jpheus auch und Euippos und Argeas Sohn Polymelos,

Alle der Reihe nach streckt' er sie hin an die nährende Erde.

Da nun also Sarpedon die gurtlos kämpfenden Freunde

Sah vor den Händen erliegen des Menötiaden Patroklos,

420

Rief er mit scheltendem Wort zu der Lykier göttlicher Kriegschar:

Schänd' euch, Lykias Volk!

Wo fliehet ihr hin? zu dem Kampf eilt!

Seht, ich geh ihm entgegen dem Mann dort, daß ich erfahre,

Wer der Gewalt'ge denn ist, der jetzt viel Böses den Troern Zufügt, da er so Vieler und Tapferer Kniee gelöst hat.

425

Sprach es, und sprang mit den Waffen herab an die Erde vom Wagen.

Und auch dort sprang, wie er ihn sah, von dem Sessel Patroklos.

Wie zwei Falken sich mit den gebogenen Klauen und Schnäbeln Hoch in dem Felsengebirge mit tönendem Schreien bekämpfen: Also stürzten sich die mit dem Schlachtruf gegen einander.

430

Da sah mitleidvoll sie der Sohn des verschlagenen Kronos, Und zu der Here begann er, der leiblichen Schwester und Gattin:

Wehe mir, daß Sarpedon, der liebste mir unter den Männern,

Nach dem Geschick hinsinkt vor dem Menötiaden Patroklos.

Zwiefach theilt mir das Herz sich im Inneren bei der Erwägung,

Ob ich ihn lebend entführ' aus dem Thränenerregenden Kampfe, Und ihn nach Lykia heim in die üppigen Fluren versetze,

Oder ihn geb' in die Hände des Menötiaden Patroklos.

435

328

Ilias.-

Und es erwidert' ihm Here, die Hoheitblickende Göttin:

Was für ein Wort, o Kronion, Entsetzlicher, hast du gesprochen?

440

Willst du den Sterblichen, dem sein Loos schon lange verhängt ist,

Jetzt nun wieder erlösen vom traurigen Todesverhängniß?

Thu es; indeß nie loben wir anderen Götter es alle. Dann auch sag' ich dir dieß, und erwäg' es du wohl in dem Herzen.-

Wenn du Sarpedon lebend zurück in das eigene Haus führst,

445

Denk, ob Mancher nachher nicht auch von den anderen Göttern Gerne den eigenen Sohn wegführt' aus der heftigen Feldschlacht.

Denn noch kämpfen ja viel' um des Priamos mächtige Veste Söhne der Ewigen, die du zu heftigem Haffe dir aufregst. Wenn es dir aber gefällt, und das Herz sich dir um ihn bekümmert:

450

Nun, so gestatte doch, daß er im heftigen Kampf der Entscheidung Falle, besiegt von den Händen des Menötiaden Patroklos. Aber sobald ihm die Seele nachher und das Leben entstehn ist, Heiß ihn den Tod forrtragen von hier mit dem lieblichen Schlafe,

Bis sie zu Lykias Volk in die ebenen Fluren gelangen,

455

Wo mit den leiblichen Brüdern die Freund' ihn bestattend, das Grabmal

Dann mit der Säul' ihm erhöhn: das ist ja die Ehre der Todten. Sprach's, und der Vater der Götter und sterblichen Menschen gehorcht' ihr. Und er besprengte die Erde mit blutigen Tropfen und ehrte Also den theueren Sohn, der jetzt in der scholligen Troja

460

Sollte Patroklos erliegen, so fern von dem Lande der Heimat.

Als sie nunmehr sich einander im Lauf schon beide genahet, Traf des Menötios Sohn den gepriesenen Held Thrasymedes,

Welcher dem Herrscher Sarpedon ein muthvoll treuer Genoß war, Unten hinein mit dem Speer in den Bauch, und er löst' ihm die Glieder. 465

Aber Sarpedon fehlet' ihn selbst mit dem blinkenden Speere, Da er nachher warf; doch in des Pedasos Schulter, des Rosses,

Flog rechtshin ihm der Speer: da keucht' es und athmete röchelnd,

Stürzt' in den Staub dann ächzend dahin, und das Leben entfloh ihm. Seitwärts sprangen die zwei; laut knarrte das Joch und die Zügel

470

Sechzehnter Gesang.

329

Wirrten sich unter einander, indem ihr Genoß in dem Staub lag.

Aber Automedon fand gleich Hülfe, der Lanzenberühmte,

Riß sein schneidendes Schwert sich geschwind von der kräftigen Hüfte, Und so löst' er im Sprunge das Beiroß, ohne zu zaudern.

Da nun standen und zogen die zwei grad' aus in den Strängen;

475

Doch die rannten von Neuem im tödtlichen Kampfe zusammen. Aber es fehlt' auch jetzt mit dem blinkenden Speere Sarpedon.

Denn dem Patroklos sauste der spitzige Speer an der Schulter Linkshin, ohn' ihn zu treffen, und nun warf wieder Patroklos

Nach ihm das Erz; nicht flog ihm umsonst sein Speer von der Rechten; 480

Sondem er traf ihn, wo sich das Zwerchfell dicht um das Herz legt. Da nun sank er dahin, wie ein Eichbaum oded die Pappel Oder die stattliche Tann' umsinkt, die zimmernde Männer

Mit der geschliffenen Art im Gebirg abhaun zu dem Schiffbau. So lag niedergestreckt vor dem Rossegespann und dem Wagen

485.

Jener und knirschet', indem er im blutigen Staub um sich her griff. So wie ein Löwe den Stier, in die Heerd' einbrechend, dahin würgt,

Der, voll feuriger Kraft vor den schwer hinschreitenden Rindern, Tief aufstöhnt und entseelt hinsinkt vor den Zähnen des Löwen: Also erlag dem Patroklos der tapferen Lykier Heerfürst,

490

Noch voll Muth, schon sterbend, und sprach zu dem theuren Genossen: Glaukos, o Freund, du Held in der Schlacht: jetzt mußt du vor Allen

Muth in dem Streite bewähren und furchtlos stehn iu dem Speerkampf.

Rufe die Schrecken des Kampfes herbei jetzt, wenn du beherzt bist; Eile zuerst nun hin zu der Lykier tapferen Führern,

495

Ringsher, treib sie und fordre sie auf zu dem Kampf um Sarpedon.

Aber nachher dann kämpfe für mich du selbst mit dem Speer auch;

Denn dir wär' ich ja immer nachher ein beschimpfender Vorwurf, Unaufhörlich, für alle die Zukunft, würd' ich der Rüstung Von den Achäern beraubt, in dem Kampf um die Schiffe gefallen.

Auf denn, kämpfe mit Macht und ermuthige sämmtliches Kriegsvolk! Also sprach er zu ihm, und die Ras' und die Augen umhüllt' ihm

500

330

Ilias.

Endend der Tod: da trat mit der Fers' an die Brust ihm Patroklos,

Zog aus dem Körper die Lanze zurück, und ihr folgte das Zwerchfell, Daß er die Seele zugleich ihm entriß und die spitzige Lanze.

505

Aber die Myrmidonen ergriffen die Rosse Sarpedons,

Die schon stöhn, wildschnaubend, beraubt der Gebieter des Wagens.

Glaukos indessen vernahm mit entsetzlichem Schmerze den Zuruf, Weil er mit Angst sah, daß er den Freund zu beschirmen zu schwach war.

So nun drückt' er den Arm mit der Hand und die brennende Wunde, 510

Wo ihn, indem er die Mauer erstieg, von der Höhe des Teukros

Pfeilschuß traf, der schirmend die Noth von den Seinigen abhielt. Und er erhob sein Flehn zu dem treffenden Phöbos Apollon:

Höre mich, Herrschender! öb du in Lykias üppigen Fluren

Oder in Ilios weilest: du hörst ja von jeglichem Ort her,

515

Ruft dich ein Mann in der Noth, wie mich jetzt Schmerzen bedrängen.

Denn hier hab' ich die Wunde, die schreckliche!

Stechende Schmerzen

Schießen im Arm mir umher: nicht bin ich im Stande, des Blutlauf's Quellen zu stillen, und starrend erlahmt von der Wunde die Schulter. Kraftlos, halt' ich den Speer nicht fest; mit den Feinden zu kämpsett

52Ö

Fehlet die Macht mir, und sieh, der gewaltigste Held, Sarpedon

Fiel, Zeus Sohn; der schirmet sogar sein eigenes Kind nicht! Gieb denn du mir, o Herrscher, der schrecklichen Wunde die Heilung, Stille die Schmerzen und gieb mir die Kraft, daß, wann ich die Freunde Rief, ich den Lykiern Muth in das Herz einflöße, zu streiten,

525

Und in dem Kampf auch selbst des Gefallenen Leiche beschirme! Also sprach er in lautem Gebet, und Apollon erhört' ihn, Stillte sogleich ihm die Schmerzen, verschloß in der schrecklichen Wunde

Drinnen das dunkele Blut und erfüllt' ihm die Seele mit Kampfmuth;

Glaukos aber bemerkte sogleich voll Freud' in dem Herzen, Daß der gewaltige Gott sein Flehn so geschwind ihm erhöret. Und er enteilte zuerst zu der Lykier tapferen Führern, Rief sie von ringsher Alle herbei zu dem Kampf um Sarpedon,

Und zu den Troern nachher auch eilt' er mit mächtigen Schritten,

530

Sechzehnter

Gesang.

Nach dem Polydamas, Panthoos Sohn und dem edlen Agenor,

331 535

Auch nach Aeneas und Hektor den Panzerumgürteten eilt' er,

Trat zu ihm nahe hinan und begann die geflügelten Worte: Hektor, du hast nun gänzlich der Bundesgenossen vergessen,

Die doch um dich, von den Freunden so fern und dem Lande der Heimat,

Hier hinsinken, und du willst nicht sie mit Hülfe beschirmen.

540

Siehe, Sarpedon fiel, der gewappneten Lykier Heerfürst, Welcher das Lykische Land mit der Macht und dem Rechte beschirmte:

Unter Patroklos Lanze bezwang ihn der eherne Ares. Doch nun helfet, ihr Freunde, bedenkt in dem Herzen, ein Schimpf wär's, Wenn ihn die Myrmidonen entwaffneten, wenn sie den Leichnam

545

Schändeten, um die Achäer ergrimmt, die in Menge gefallen,

Da wir sie niedergestreckt mit dem Speer an den eilenden Schiffen.

Sprach es, und alle die Troer ergriff mit entsetzlichem Schrecken Nicht zu ertragender Schmerz, da er ja die Säule der Stadt war,

Ob zwar fremd in dem Land; denn zahlreich waren die Völker,

550

Die mit ihm kamen und er in der Schar der gewaltigste Kämpfer.

Grad' an stürmten sie gegen die Danaer wild mit dem Hektor, Der um Sarpedon erbittert voran flog; doch die Achäer

Trieb, voll Muth in dem Herzen, der Menötiade Patroklos. Und zu den Ajas rief er zuerst, die selber der Muth trieb:

555

Auf, ihr Ajanten, zu helfen herbei, hier, freudig in Kampflust, Wie ihr es sonst stets wart in der Schlacht, selbst rüstiger, kommt jetzt! Da liegt er, der über den Wall der Achäer zuerst sprang,

Seht, Sarpedon; o, könnten wir ihn herziehn und beschimpfen,

Ihm von den Schultern die Waffen herabziehn und der Genossen,

560

Die ihn vertheidigen, viel mit dem bitteren Erze vertilgen! Sprach es, und selbst auch eilten sie hin und gewährten ihm Beistand.

Aber nachdem sie von drüben und hier sich verstärkt in den Kampfreihn, Troer und Lykier, so wie Argeer und Myrmidonen,

Rannten sie an zu dem Kampf um den todt daliegenden Leichnam, Furchtbar brüllend, und Raffeln erscholl von den Waffen der Männer.

565

332

Ilias.

Aber entsetzliche Nacht goß Zeus um den schrecklichen Kampf her,

Daß um den theueren Sohn das Gefecht noch wüthender tobte. Erst nun wichen den Troern die muthigen Krieger Achajas,

Da nicht einer der Feigsten der Myrmidonen, Epigeus

570

Fiel, der erhabene Sohn des gewaltigen Helden Agakles.

Dieser gebot als Herrscher zuvor in der Veste Budeon; Aber nachdem er im Streit den gepriesenen Vetter erschlagen,

Fleht' er um Pelms Schutz und der Silberfüßigen Thetis. Und sie entsandten ihn dann mit dem Männervertilger Achilleus

575

Hin gen Ilios Stadt, mit den reisigen Troern zu kämpfen. Der nun faßte die Leich', und es traf ihn der glänzende Hektor

Grad' in die Mitte des Haupts mit dem Stein, und es borst von einander Unter dem lastenden Helm: da stürzt er nach vorn auf den Leichnam

Nieder, und Seelenzerstörend umfing ihn der Schauer des Todes.

580

Schmerz durchdrang den Patroklos, indem der Genoss' ihm dahinsank, Und in die vordersten Reihen der Kämpfenden stürzt' er, dem Habicht

Aehnlich, dem Flüchtigen, welcher die Staar' und die Raben umherjagt: Also sprangest du gegen die Lykier vor und die Troer,

Um den Genossen erzürnet, Patrokleus, Rossebezähmer.

585

Und Sthenelaos, den Sohn des Jthämenes, traf er im Nacken Mit dem geschleuderten Stein und zerriß ihm darinnen die Sehnen,

Daß mit den vordersten Kämpfern der glänzende Hektor zurücktrat. Etwa so weit, wie sausend die schmächtige Lanze dahin fliegt,

Welche der Mann zur Prüfung der Kraft wirft oder im Wettkampf,

590

Oder im Kampf auch gegen die Seelenvertilgenden Feinde: So weit wichen die Troer zurück vor den Männern Achajas. Glaukos aber, der Fürst der beschildeten Lykierscharen, Wandte sich wieder znerst und erschlug den beherzten Bathykles,

Chalkonö theueren Sohn, der Hellas Fluren bewohnte, Gütergesegnet vor Allen im Myrmidonischen Volke. Dem stieß Glaukos mitten hinein in die Brust mit der Lanze,

Plötzlich gewandt, da der ihn verfolgt' und ihn eben erreichte.

595

Sechzehnter Gesang.

333

Dröhnend stürzt er, und heftiger Schmerz durchdrang die Achäer Ueber des Tapferen Fall, und die laut aufjauchzenden Troer

600

Eilten herbei und umstanden ihn dicht; doch auch die Achäer Drängten sich muthvoll gegen sie vor und bewahrten die Kampflust. Da traf unter den Troern Meriones einen der Kämpfer, Ihn, den Laogonos, Sohn des Onetor, welcher ein Priester

War des Jdäischen Zeus und geehrt, wie ein Gott, in dem Volke.

605

Dem durchbohrt' er die Wang' an dem Ohr: da floh ihm die Seele

Schnell aus den Gliedern dahin und das traurige Dunkel umfing ihn.

Nach dem Meriones warf mit dem Speer nun zielend Aeneas,

Hoffend, er traf ihn, obwohl er bedeckt von dem Schilde daher schritt. Doch der sahe sich vor und vermied den geschleuderten Wurfspieß,

Vorwärts niedergebückt.

610

Da fuhr die gewaltige Lanze

Hinter ihm tief in den Boden hinein, und der Schaft an dem Speere Zitterte, bis dann endlich die mordende Kraft ihm entflohn war. Also stand des Aeneas geschleuderter Speer in dem Boden, Da er ihm gänzlich umsonst aus nervichter Rechten dahin flog.

615

Und, in dem Herzen erfüllt von Zorn, sprach rufend Aeneas:

Wahrlich, Meriones, bist du im Tanz auch trefflich, der Speerwurf Hätte für immer dich gänzlich beruhiget, wenn er getroffen!

Aber der Lanzenberühmte Meriones gab ihm die Antwort: Schwerlich, Aeneas, vertilgst du, obwohl du ein tapferer Held bist,

620

Jegliches Sterblichen Kraft, der mit dir zu kämpfen hervortritt,

Wohl sich vertheidigend; bist du doch auch nur sterblich geboren!

Wenn auch ich in die Mitte dich träf mit dem schneidenden Erze, Gäbst du vielleicht, so gewaltig du bist und den Armen vertrauest, Bald mir Ruhm und die Seele dem Rossegepriesenen Ms!

625

Sprach's: da tadelte jenen der tapfere Menötiade:

Weshalb sprichst du doch dieses, Meriones, herrlicher Kämpfer?

Lieber, es weichen die Troer gewiß vor den schmähenden Worten Nicht von dem Todten zurück: eh deckt wohl Manchen die. Erde!

Denn es entscheidet im Kampfe der Arm und das Wort in dem Rathe: 630

334

Ilias.

Drum nicht Worte zu wechseln geziemt jetzt, sondern zu kämpfen! Sprach es und eilte voran, und es folgt' ihm der göttliche Streiter.

Wie das Getös von den Holz umhauenden Männern emporsteigt, Tief in dem Wald des Gebirgs, und es weit in der Ferne gehört wird: So stieg dort das Getös von der weit durchwanderten Erd' auf,

635

Von der Bewaffnung, dem Leder, dem Erz und den Schilden von Stierhaut, Unter der Kämpfenden Schwertern und zwiefach schneidenden Lanzen.

Auch ein Vertrauter erkannte gewiß den erhab'nen Sarpedon Nicht mehr, wie er von Wunden und Blut und von Staub von dem Haupte,

Ueber und über, bis unten hinab zu den Sohlen bedeckt war.

640

Rastlos drängten sie sich um den Leichnam; ähnlich den Fliegen, Die im Gehöft' um die Butten mit Milch laut summend umherziehn, Während der Frühlingszeit, wann Milch an den Eimern herabträuft. Also drängten sich die um den Leichnam.

Aber Kronion

Wandte den stralenden Blick nicht ab von dem schrecklichen Kampfe;

645

Sondern er schaute beständig hinab und erwog in dem Herzen Vielfach bei sich den Tod des Patroklos.

Sollt' auch ihn schon —

Dieses bedacht' er mit sich — in dem heftigen Kampfesgetümmel

Dort um den hohen Sarpedon das Erz des erhabenen Hektor

Tödten, und sollt' er den Schultern die herrliche Wehr ihm entreißen, 650

Oder erregt' er zuvor noch Mehreren schreckliche Drangsal? So nun schien es ihm da in dem zweifelnden Herzen am besten, Daß der erhab'ne Genosse des Pele'iaden Achilleus

Wieder die Troer zugleich und den Erzumpanzerten Hektor

Sollte der Stadt zu treiben und Viele des Lebens berauben.

655

Und er erregte das Zagen zuerst in der Seele des Hektor,

Daß er den Wagen bestieg, um zu fliehn, und die sämmtlichen Troer

Fliehn hieß; denn er erkannte Kronions heilige Wage.

Da nun blieben sogar nicht Lykias Helden; sie alle Flohen, indem sie den König des Volks, in dem Herzen getroffen, Sahn daliegen im Leichengewühl; denn Viele der Männer Sanken um ihn, da wild das Gefecht von Kronion erregt ward.

660

Sechzehnter

Gesang.

335

Und die Achäer entrissen Sarpedons Schultern die Rüstung,

Blinkend von. Erz und, sie hin zu den wölbigen Schiffen zu tragen,

Gab sie den Waffengenossen der tapfere Menötiade.

665

Da sprach so zu Apollon der Wolkenversammler Kronion:

Geh nun, theuerer Phöbos hinab!

Von dem dunkelen Blute

Säubere, fern den Geschossen, Sarpedonz trag ihn nachher dann Noch viel weiter und wasch' ihn im rinnenden Wasser des Stromes. Auch mit Ambrosia salb' ihn und hüll' ihm ambrosisch Gewand um.

670

Gieb ihn darauf den Geleitern, ihn schnell mit einander zu tragen,

Beiden, dem Schlaf und dem Tode, den Zwillingen, daß sie ihn eilig

In die gesegneten Fluren der ebenen Lykia führen, Wo mit den leiblichen Brüdern die Freund' ihn bestattend, das Grabmal

Dann mit der Säul' ihm erhöhn: das ist ja die Ehre der Todten.

675

Sprach's, und gehorsam folgte Kronions Worten Apollon, Ging von des Ida Gebirgen hinab in die schreckliche Feldschlacht, Trug den erhab'nen Sarpedon sogleich fern aus den Geschossen,

Wusch ihn darauf in dem Wasser des rinnenden Stromes und salbt' ihn

Dann mit Ambrosia, hüllt' ihm nachher ein ambrosisch Gewand um,

680

Und den Geleitern vertraut' er ihn, schnell ihn zusammen zu tragen, Beiden, dem Schlaf und dem Tode, den Zwillingen, daß sie ihn eilig

In dtd gesegneten Fluren der ebenen Lykia führten.

Aber Patroklos trieb den Automedon an und die Rosse: Und er verfolgte die Troer und Lykier: selbst in das Unheil

68.5

Stürzt er in seiner Bethörung, Achilleus Wort nicht, achtend, Wo er dem bösen Geschicke des dunkelen Todes entstehn wär!

Wer es lenken beständig des Zeus Rathschlüsse die Menschen. Auch den Gewaltigsten treibt er zu fliehn und entreißt, ihm den Sregsruhm Leicht, auch wann er ihn selber zuvor antrieb zu dem Kampfe.

So nun. reget' er. jetzt auch ihm »in dem Busen das Herz auf. Wem nun nahmst du die Waffen zuerst, und zuletzt, o Patrokleu.s, Al§. dich schon zu - denk Tode die ewigen Götter gerufen? Erst dem Adrastos, Autono,os dann und- nachher, dem- Echeklos-

690

336

Ilias.

Perimos auch dem Megkden, Epistor und dann Melanippos,

695

Weiter dem Elasos dann und dem Mulios und dem Pylartes.

Alle sie tobtet’ er, und zu entfliehn nur dachten die Andern.

Da nahm fast das Achäische Volk die erhabene Troja Durch des Patroklos Arm: so stürmt' er hinein mit der Lanze, Wenn in dem mächtigen Thurm nicht er stand, Phöbos Apollon,

700

Der ihm Unheil sann und die Troischen Männer beschirmte.

Dreimal drang zu der Ecke des mächtigen Thurmes Patroklos;

Doch auch dreimal stieß ihn Apollon wieder hinunter, Ihm sein glänzendes Schild mit den göttlichen Händen berührend.

Als er jedoch zum vierten hinansprang, gleich wie ein Dämon,

705

Drohete jener ihm schrecklich und sprach die geflügelten Worte:

Ziehe dich, edler Patroklos zurück!

Noch fällt nach dem Schicksal

Dir nicht unter dem Speere die Stadt der erhabenen Troer, Noch vor Achilleus Hand selbst, dem du an Kraft weit nachstehst!

Also sprach er zu ihm, und zurück trat eilend Patroklos;

710

Denn eö erschreckt' ihn das Zürnen des fernhin treffenden Phöbos.

Und vor dem Skäischen Thor hielt Hektor die stampfenden Rosse; Denn noch zweifelt' er, trieb' er sie in das Getümmel und kämpfte, Oder geböt' er den Völkern, zurück in die Mauer zu fliehen.

Dieses bedacht' er im Geist: da trat zu ihm Phöbos Apollon

715

In der Gestalt, wie ein Mann in der kräftigen Blüthe der Jugend, Asios, welcher ein Ohm von dem Rossebezähmenden Hektor,

Bruder der Hekabe war und der Sohn des erhabenen Dymas:

Phrygia war sein Sitz an Sangarions fließendem Strome. Dem an Gestalt gleich sprach zu ihm Zeus Sohn, Phöbos Apollon:

Weshalb ruhest du, Hektor, vom Kampf?

720

Das ziemet dir nimmer!

Möcht' ich, um so viel schwächer ich bin, doch stärker als du sein!

Ja, dann solltest du bald dich betrübt von-dem Kampfe zurückziehn! Auf jetzt!

Lenke das starke Gespann dort gegen Patroklos,

Ob du vielleicht ihn erlegst und dir Ruhm von Apollon verliehn wird. 725 Dieses gesagt, schritt -wieder der Gott in der Männer Getümmel.

Sechzehnter

337

Gesang.

Aber dem tapfern Kebriones rief der erhabene Hektor, Daß er der Rosse Gespann in den Kampf trieb, während Apollon In dem Gewühl hinschreitend im Danaervolke Verwirrung

Schrecklich erregt' und den Troern und Hektor herrlichen Ruhm gab.

730

Da ließ Hektor die anderen Danaer: keinen erschlug er; Gegen Patroklos trieb er allein die gewaltigen Rosse.

Aber Patroklos dort sprang auch an die Erde vom Wagen, Hielt mit der Linken den Speer und ergriff mit der andern ein Felsstück, Blinkend und spitzig gezackt, das ganz mit der Faust er umfaßte.

735

Machtvoll schleudert' er dieß, und ein Weniges fehlt' er den Mann zwar; Doch nicht warf er vergeblich: des Hektor Wagengenossen, Held Kebriones traf er, des herrschenden Priamos Bastard,

Wie er den Zaum sesthielt, in die Stirn mit dem spitzigen Steine.

Und ihm zermalmte die Brauen der Stein; auch hielt ihm der Schädel 740 Nimmer: es fielen die Augen ihm beid' in den Staub an die Erde, Hin vor die Füß', und er stürzte herab von dem herrlichen Sessel,

Gleichwie ein Taucher, und scheidend entsteh den Gebeinen die Seele.

Da riefst du, ihn verspottend, ihm nach, Rofitummler Patrokleus: Sehet, der Mann ist rüstig, fürwahr!

Wie leicht er hinabtaucht!

745

War der irgend einmal in des Meers Fischnährenden Fluten, Wahrlich, er sättigte Viele, der Mann, mit gefangenen Austern,

Nieder vom Schiffe gesprungen, und wär's auch noch so gefahrvoll, Wie er in ebener Flur jetzt leicht von dem Wagen hinabtaucht.

Auch in dem Troischen Volke, fürwahr, giebt's treffliche Taucher!

750

Also sprach er, und gegen Kebriones stürzt' er, den Helden, Mit dem gewaltigen Sprunge des Leun, der in dem Gehöfte Wüthet, die Wund' in der Brust, und die eigene Stärke verdirbt ihn.

So sprangst du hin, gegen Kebriones stürmend, Patrokleus; Aber von dort sprang Hektor sogleich an die Erde vom Wagen.

Und nun fochten sie um den Kebriones, gleich zwei Löwen,

Die in dem hohen Gebirg um die todt daliegende Hindin, Beide von Hunger gequält, sich in trotzigem Muthe bekämpfen.

22

755

338

Ilias.

So um Kebriones Leiche begehrten die Kampfesgebieter

Beide, Patroklos, Menötios Sohn, und der glänzende Hektor,

760

Einer dem Andern den Leib mit dem grausamen Erz zu zerreißen.

Hektor hatt' ihn am Haupte gefaßt: das hielt er und wich nicht;

Dorther hielt ihn Patroklos am Fuß, und die Anderen alle, Troer und Danaer, rannten im wüthenden Kampfe zusammen. Wie wann gegen den Ost sich der West aufmacht zu dem Wettkampf, 765

In des Gebirgs Thalschluchten, den dunkelen Wald zu erschüttern, Buchen und Eschen und zäh von der Rind' umschloff'ne Kornellen.

Und die schlagen einander mit weithin ragenden Aesten:

Furchtbar dröhnt's ringshin, und es kracht von den brechenden Stämmen: Also stürzten die Troer uud Danaer gegen einander,

770

Mordend, und keiner gedacht', in verderblicher Flucht zu entrinnen.

Schneidende Lanzen umstarrten Kebriones viel, und es schwirrten Federbeflügelte Pfeile, geschnellt von der Senne des Vogens;

Zahllos schmetterten gegen die Schild' auch mächtige Steine,

Als sie um ihn dort kämpften, und er, in den Wirbeln des Staubes, 775 Lag dort, groß und gewaltig, und nicht mehr dacht' er der Rosse.

So nun, während die Sonn' an dem Mittagshimmel emporstieg,

Trafen die Würfe von hier und von dort, und es sanken die Völker. Doch als Helios nun um's Stierausspannen hinabging: Da ward Argos Volke der Siegspreis gegen das Schicksal,

780

Und sie entrissen den Helden Kebriones aus den Geschossen

Und dem Gedränge der Troer und zogen die Wehr von den Schultern.

Aber Patroklos stürzte mit Grimm in die Troischen Kampfreihn: Dreimal stürzt' er sich auf sie, dem stürmenden Ares ähnlich,

Furchtbar brüllend, und schlug dreimal neun Männer danieder;

785

Als er jedoch zum vierten hinanflog, gleich wie ein Dämon: Da, o Patroklos, nahte sich dir dein End' und das Schicksal.

Denn in dem schrecklichen Kampf trat Phöbos nun dir entgegen,

Furchtbar und er merkt' in dem Gedräng nicht, wie er daherschritt, Weil er in dunkelen Nebel gehüllt kam.

Hinter ihn trat er,

790

Sechzehnter Gesang.

339

Und da schlug er ihn aus das Genick und die mächtigen Schultern

Hart, mit der Fläche der Hand, daß wirr ihm die Augen sich drehten: Und von dem Haupt auch warf ihm den Helm an den Boden Apollon.

Tönend erklang hinrollend der Helm zu den Füßen der Rosse, Hoch mit dem Kegel geschmückt: es besudelte rings sich der Roßbusch

Ganz in dem Blut und dem Staub.

795

Das war sonst nimmer zu glauben,

Daß der buschige Helm sich im Staub einst sollte besudeln!

Sondern er schirmte daS Haupt des gepriesenen Helden Achilleus Und die erhabene Stirn; doch nun gab Zeus ihn dem Hektor, Sein Haupt ihm zu bedecken, es naht' ihm ja schon das Verderben.

800

Und in der Hand brach jenem die weithin schattende Lanze,

Mächtig und stark, sehr schwer von. dem Erz, und herab von den Schultern

Fiel mit dem Riemen zu Boden der Schild, der ganz ihn bedeckte. Dann nun löst' ihm den Harnisch des Zeus Sohn, König Apollon:

Grauen verwirrt' ihm die Sinn', und, erstarrt in den glänzenden Gliedern, 805

Stand er betäubt: da warf ihm die spitzige Lanz' in den Rücken

Zwischen die Schultern, von hinten genaht, ein Dardanischer Krieger, Panthoos Sohn, Euphorbos, gewandt vor den Altersgenossen,

Speere zu werfen, zu rennen und Ross' an dem Wagen zu lenken.

Denn schon zwanzig, der Männer erlegt' er zuvor in dem Wagen,

810

Als er zuerst auszog int Geschirr, noch lernend das Kriegswerk.

Der traf jetzt mit dem Speer dich zuerst, Roßtummler Patrokleus; Doch er erlegte dich nicht: er entsprang und verbarg sich im Haufen, Als er den- eschenen Speer von der Wund' auszog; er bestand nicht

Vor dem Patroklos, ob er entblößt auch war, in dem Kampfe.

815

Aber Patroklos, matt von Apollons Schlag und dem Speerwurf, Wich in der Freunde Gedräng, um dem Todesgeschick zu entrinnen.

Hektor indessen, so wie er den muthigen Helden Patroklos

Sahe zurückgehn, weil ihn die eherne Lanze getroffen, Eilt' in den Reihen daher, trat nah ihm und stieße ihm die Lanze

820

Tief in die Weiche des Bauchs- daß- ganz ihm die Spitze hindurchdrang.

Dröhnend erscholl sein Fall, zum Schmerz für die Völker Achajas. 22*

340

Ilias.

Wie den gewaltigen Eber der Löw' in dem Kampfe bewältigt, Streiten sie gegen einander in trotzigem Muth in den Berghöhn Wegen des dürftigen Quells, wo beide zu trinken verlanget;

825

Schwer aufstöhnend erliegt er der mächtigen Stärke des Löwen: Also entriß dem Patroklos, dem Held, der Viele getödtet,

Hektor, Priamos Sohn, mit dem Speer ihm genahet, das Leben. Und er begann frohlockend und sprach die geflügelten Worte: Meintest du doch, o Patroklos, die Stadt uns danieder zu reißen,

830

Und mit den Troischen Frauen, der Freiheit Tag sie beraubend,

Fort in den Schiffen zu ziehn zu dem theueren Lande der Heimat! Thor!

Noch strecken die Schenkel die flüchtigen Rosse des Hektor

Rasch in dem Kampfe für sie, und ich selbst bin da, in dem Speerkampf

Immer den muthigen Troern voran, der ihnen der Knechtschaft

835

Tag abwendet, und du wirst hier von den Geiern verzehret!

Nichts, Unseliger, half dir der mächtige Arm des Achilleus, Der, dort bleibend, gewiß beim Gehn den Befehl dir ertheilt hat:

Komme nicht eher mir wieder, o Rossebezähmer Patrokleus,

Her zu den räumigen Schiffen, bevor du des mordenden Hektor

840

Blutiges Waffengeschmeid um die Brust mit dem Speere zerrissen! Ja, so sprach er gewiß und bewog dein Herz zu der Thorheit!

Und du entgegnetest ihm, schon schwach, Roßtummler Patrokleus:

Prahle du jetzt frohlockend, o Hektor; denn es verlieh dir Zeus, der Kronide, den Sieg und Apollon, die mich bezwungen,

845

Leicht: sie rissen die Waffen mir selbst ja herab von den Schultern. Träten mir, dir gleich, Männer, sogar auch zwanzig entgegen:

O, sie hätte gewiß mein Speer hier alle bezwungen! Aber es tödtete mich mein böses Geschick und Apollon,

Und von den Männern Euphorbos: die Wehr raubst du mir, der dritt' erst. 850

Aber ich sage dir noch, und bewahr' es du wohl in dem Herzen: Nicht mehr wandelst du selbst noch lang' in dem Leben: es steht dir

Schon ganz nah an der Seite der Tod und das mächtige Schicksal:

Vor dem Achilleus fällst du, des Aeakos herrlichem Enkel.

Sechzehnter Gesang. Also sprach er, und dunkel umfing ihn das Ende des Todes;

341 855

Eilend entfloh aus den Gliedern die Seel' in des Aid es Wohnung, Um ihr Geschick wehklagend: sie schied ja in blühender Mannheit!

Da sprach noch, zu dem Todten gewandt, der erhabene Hektor: WaS weissagest du mir, o Patrokleus, nahes Verderben?

Wer mags wissen?

Der Sohn der unsterblichen Thetis, Achilleus

860

Läßt wohl eher das Leben, von mir durchbohrt mit dem Speerwurf! Sprach es, und zog aus der Wunde den ehernen Speer, mit der Ferse Gegengestemmt; dann stieß er ihn rückwärts ab von der Lanze.

Und zu Automedon wandt' er sogleich mit dem Speere die Schritte, Zu dem erhab'nen Genossen des Aeakidischen Renners;

Denn er begehrt', ihn zu treffen: indeß die unsterblichen Rosse

Führten ihn weg, sie schenkten die Ewigen ehrend dem Peleus.

865

Siebzehnter Gesang.

-Witt des Atreus Sohn, der gewaltige Held Menelaoö, Sah den Patroklos, wie er erlag in der Schlacht vor den Troern.

Und mit dem funkelnden Erze bewehrt, durcheilt' er den Vorkampf, Schritt um ihn immer im Kreise, so wie um das Kälbchen die Mutter

Blökend, den Erstling, da sie zuvor noch nimmer geboren:

5

Also umschritt den Patroklos der bräunliche Held Menelaos,

Vor sich die Lanze gestreckt und den Schild von gerundeter Wölbung,

Den zu erschlagen bereit, der nah zu dem Todten herankäm.

Doch auch Panthoos Sohn, der gewaltige Schwinger des Speeres, Ließ nicht von dem erhab'nen Patroklos; dicht zu dem Leichnam

10

Trat er hinan, und er rief zu dem tapferen Held Menelaos:

Atreus Sohn, Menelaos, du Göttlicher, Völkergebieter, Weiche zurück von dem Todten und laß mir die blutige Rüstung!

Keiner vor mir von den Troern und rühmlichen Bundesgenossen

Hat den Patroklos verletzt mit dem Speer in der wüthenden Feldschlacht: 15

Laß denn unter den Troern den herrlichen Ruhm mich gewinnen, Daß ich dir nicht mit dem Speere das theuere Leben entreiße.

Und es entgegnet' ihm zürnend der bräunliche Held Menelaos: Zeus, du Vater, es ist nicht schön, unmäßig zu prahlen!

Siebzehnter

Gesang.

Ist doch weder der Pardel und Leu so gewaltigen Muths voll,

343 20

Noch in dem Walde der Eber, der grimmige, welchem vor Allen Trotzig das Herz aufschwillt in der Brust, im Gefühle der Stärke,

Wie sich Panthoos Söhne, die Lanzenberühmten, vermessen. Dennoch freute sich nimmer die reisige Kraft Hyperenors

Lange der Jugend, nachdem er mich schmäht'und im Kampfe mirStand hielt, 25

Weil er gewähnet, ich sei von der Danaer Kriegern der schwächste.

Der wird nimmer, nach Hause gekehrt auf den eigenen Füßen, Mein' ich, die theuere Gattin erfreun und die würdigen Eltern! Also brech' ich die Kraft auch dir jetzt, wenn du im Kampf dich

Gegen mich stellst: drum rath' ich dir, daß du in Eile zurück weichst

30

Unter den Haufen des Volks: tritt nicht mir entgegen im Kampfe, Eh eS dir schlimm geht: Thoren allein lehrt nur die Erfahrung.

Sprach's; doch jenen beredet' er nicht; er begann ihm entgegnend: Nun, jetzt sollst du denn büßen, erhabener Held Menelaos, Daß du mir also den Bruder erschlugst und es prahlend erzähltest,

35

Wie du das Weib zur Wittw' ihm gemacht in dem neuen Gemache,

Und in unsägliche Trauer die jammernden Eltern gestürzt hast. Wahrlich, ich stillte den Armen vielleicht den unendlichen Wehruf,

Käm' ich zu ihnen zurück, dein Haupt in der Hand und die Rüstung, Daß ich sie Panthoos legt' in die Händ' und der göttlichen Phrontis!

40

Aber wohlauf, ich verschiebe den Kamps nicht mehr, ich versuch' ihn

Und die Entscheidung, ob mir der Sieg, ob Flucht mir zu Theil wird. Also sprach er und traf in den Schild von gerundeter Wölbung; Aber er drang nicht durch in dem Erz, ihm verbog sich die Spitze

Zn dem gewaltigen Schild, und es warf nun ihn mit dem Erze

45

Atreus Sohn Menelaos, indem er Kronion anrief.

Da wich jener; indeß er zerschnitt ihm die Wurzel des Schlundes, Selbst nachstoßend, indem er der nervichten Rechten vertraute, Daß queer durch in dem zarten Genick ihm die Spitze hinausfuhr. Dumpf hin dröhnt' er im Fall, und es rasselten um ihn die Waffen;

Blut floß nieder vom Haare, der Chariten Locken vergleichbar,

50

344

Ilias.

Und dem Gestechte, von gold'nen und silbernen Ringen gehalten. So wie ein Mann sich den kräftig gewachsenen Sproß von dem Oelbaum

Pstegt am entlegenen Ort, wo reichliches Wasser hervorquillt; Prachtvoll grünen die Zweige, gewiegt von dem Athem der Winde,

55

Die ihn im Wechsel umwehn, und er prangt in den schimmernden Blüthen: Da kommt plötzlich ein Sturm; der dreht in gewaltigem Wirbel

Ganz ihn heraus von dem Graben und streckt ihn dahin an den Boden: So warf Panthoos Sohn, den gewaltigen Kämpfer Euphorbos Atreus Sohn, Menelaos dahin und beraubt' ihn der Rüstung.

60

So wie ein Löw', im Gebirge genährt, voll trotziger Kühnheit,

Sich in der weidenden Heerde die trefflichste raubt von den Kühen: Und er ergreift sie und bricht ihr Genick mit den mächtigen Zähnen

Erst, dann schlürft er ihr Blut und das Innere gierig hinunter, Ganz sie zerfleischend, und rings um ihn stehn mit den Hunden die Hirten, 65

Schreien und toben gewaltig von fern; doch keiner getraut sich, Ihm sich entgegen zu stellen: sie sind ganz bleich vor Entsetzen: So trieb dort auch Keinen das muthige Herz in dem Busen,

Mit Menelaos, dem Rufer im Streit, sich im Kampf zu begegnen.

Leicht entführte sich also Euphorbos herrliche Rüstung

70

Atreus Sohn, wenn Phöbos Apollon nicht ihn geneidet,

Der ihm den Hektor, ähnlich dem stürmenden Ares, daher trieb, Selber dem Mentes gleich von Gestalt, der Kikonen Gebieter. Und er begann zu ihm also und sprach die geflügelten Worte:

Hektor, du läufst jetzt hin und verfolgst, was nicht dir zu Theil wird, 75

Aeakos Enkels, des Edlen, Gespann; schwer fände sich sonst wohl Irgend ein sterblicher Mann, es zu bändigen oder zu lenken,

Außer Achilleus, den die unsterbliche Mutter geboren. Aber indessen vertheidigt der mächtige Held Menelaos

Dort den Patroklos, er fällte den tapfersten unter den Troern,

Panthoos Sohn, Euphorbos, und raubt' ihm für immer die Kampflust. Djeses gesagt, schritt wieder der Gott zu der Männer Gewühl hin;

Aber dem Hektor erfüllte mit dunkelem Schmerz sich die Seele.

80

Siebzehnter Gesang.

345

Und in den Reihn rings schaut er umher: da sah er den Einen, Wie er die herrlichen Waffen sich nahm und den Andern am Boden

85

Niedergestreckt, und es strömt' ihm das Blut von der klaffenden Wunde. Und mit dem funkelnden Erze bewehrt, durcheilt' er den Vorkampf,

Laut aufbrüllend, der nimmer verlöschenden Glut des Hephästoö Aehnlich, und zu dem Atriden erscholl der gewaltige Schlachtruf.

Da sprach der unmuthig sogleich zu dem tapferen Herzen: Wehe mir!

90

Weich' ich von hinnen, zurück von der herrlichen Rüstung

Und dem Patroklos, der ja allein mich rächend, dahinsank:

Ja-, dann zürnte mir, wer in dem Danaervolke mich ansäh. Wenn ich dagegen allein in dem Kampf mit den Troern und Hektor Bleib' aus Scham: dann werden mich Einzelnen Viele bedrängen,

95

Da ja die sämmtlichen Troer der glänzende Hektor daherführt.

Aber wozu doch kämpft mir das Herz mit diesen Gedanken? Wann sich,demDämon zuwider, ein Mensch mit dem Mann in denKampf wagt,

Welchen ein Gott ehrt, woget ihm gleich das Verderben entgegen.

Deshalb zürnet mir auch kein Danaer, wenn er mich siehet

100

Weichen vor Hektor; denn der kämpft in der Ewigen Obhut.

Wenn ich den Ajas nur, den gewaltigen Rufer im Streit säh: Gingen wir zwei wohl gegen ihn vor, in erneueter Kampflust, Gegen den Dämon sogar, und wir retteten sicher den Leichnam

Für den Peliden; es wäre der kräftigste Trost in dem Unglück!

105

Während er dieß voll Sorg' in dem inneren Herzen bedachte,

Kamen die Troischen Scharen heran, und es führte sie Hektor. Da wich jener nach hinten zurück, fernab von dem Leichnam. Immer noch einmal wandt' er sich um, wie ein bärtiger Löwe,

Welchen die Hund' und die Männer mit Schrein und geworfenen Lanzen 110 Von dem Gehöfte vertreiben; das muthige Herz in dem Innern Schaudert ihm, und er entweicht nur ungern von dem Gehege: So ging von dem Patroklos der bräunliche Held Menelaos.

Aber er wandte sich wieder und stand, zu den Freunden gekommen, Spähte nach Ajas umher, dem gewaltigen Telamoniden,

115

346

Ilias.

Und er gewahrt' ihn sogleich linksab im Getümmel der Feldschlacht, Die er den Muth der Genossen belebt' und zu kämpfen sie antrieb;

Denn mit Entsetzen und Grauen erfüllte sie Phöbos Apollon. Hin zu ihm eilt' er sogleich, und begann die geflügelten Worte:

Ajas, hierher, Theuerer, komm!

Für den todten Patroklos

120

Wollen wir kämpfen; wir bringen vielleicht dem Peliden den Leichnam,

Obzwar nackt; ihm entriß ja der glänzende Hektor die Rüstung.

Sprach's und erregte dem Ajas das muthige Herz in dem Busen,

Und in den Vorkampf folgt' er dem bräunlichen Held Menelaos. Hektor zog den Patroklos, nachdem er die herrliche Rüstung

125

Nahm, ihm das Haupt von den Schultern mit schneidendem Erze zu hauen, Aber die Leiche, geschleift, vor die Troischen Hunde zu werfen:

Da kam Ajas hinzu mit dem Schild, das hoch wie ein Thurm war, Und es entwich schnell Hektor und trat in die Schar der Genossen, Sprang in den Sessel und reichte sogleich die gepriesene Rüstung

130

Troern, sie heim in die Stadt, ihm zu herrlichem Ruhme zu tragen. Ajas indeß hielt hoch den gewaltigen Schild um Patroklos,

Und da stand er vor ihm, wie ein Leu vor die Zungen sich hinstellt, Wann er die Kleinen im Walde hinausführt, und ihm die Männer, Wild austreibend, begegnen.

Er steht, der gewaltigen Kraft voll,

135

Zieht die gerunzelten Brauen herab und umdüstert die Augen: So trat Ajas hin vor den göttlichen Helden Patroklos,

Und von der anderen Seite zugleich trat auch Menelaos, Atreus tapferer Sohn, in der Brust voll schmerzlicher Trauer. Da sprach finsteren Blickes der Lykischen Männer Gebieter

140

Glaukos, Hippolochos Sohn, und er schmähete bitter den Hektor:

Schön, wie Keiner, o Hektor, von Ansehn, taugst du im Kampf nicht!

Wahrlich, sie nennen dich fälschlich den Tapferen, zagender Feigling! Denke darauf jetzt, wie du die Stadt und die Veste beschirmest,

Du mit den Völkern allein, die hier aus Ilios stammen. Denn von den Lykiern wird kein Mann mehr mit den Achäern Streiten um euere Stadt, da nie ja uns irgend ein Dank ward,

145

Siebzehnter Gesang.

347

Daß wir die feindlichen Männer so rastlos immer bekämpfen. Sprich, wie rettetest du den' geringeren Mann im Gedräng wohl,

Unglückseliger, da du den Freund und Genossen Sarpedon

150

Konntest verlassen, die Beut' und der Raub der Achäer zu werden, Der dir selber so oft und der Stadt ein gewaltiger Schirm war,

Während er lebt', und du zagtest, ihn jetzt vor den Hunden zu schützen?

Deshalb nun, wer mir jetzt folgt von den Lykischen Männern, Ziehen wir heim, und es naht bald Ilios grauses Verderben!

155

Denn wär jetzt in den Troern die furchtlos muthige Kühnheit,

Welche die Männer beseelt, die gern für den Boden der Heimat Gegen die feindlichen Männer des Kriegs Drangsale bestehen:

Würden wir gleich den Patroklos in Ilios Mauern hineinziehn. Käm nür dieser hinein in des Priamos mächtige Veste,

160

Der hier todt liegt, und wir entführeten ihn von dem Kampf hier: Gäben gewiß die Achäer Sarpedons herrliche Rüstung Lösend sogleich, und wir führten wohl ihn auch selber nach Troja. Denn hier liegt ja des-Mannes Genoß, der herrlich vor allen Danaern ist an den Schiffen und muthvoll sind die Genossen.

165

Doch d u wagest -es nicht, dem gewaltigen Telamoniden

Fest in die Augen zu schaun und zu stehn in dem feindlichen Angriff, Daß du im Kampf ihn träfest, vor dem du an Stärke zurückstehst!

Da sprach finsteren Blickes der Helmbuschnickende Hektor: Wie nur redet ein Mann, gleich dir, so frevel, o Glaukos!

170

Wahrlich, ich meinte beständig, du seist an Verstände von Allen, Die in den üppigen Fluren von Lykia wohnen, der Erste;

Doch nun nenn' ich dich gänzlich verstandlos, wie du gesprochen: Daß du mir vorwirfst, Ajas, den übergewaltigen, meid' ich.

Niemals zittr' ich fürwahr vor dem Kampf und dem Stampfen der Rosse; 175 Aber gewaltiger ist stets Zeus, des Erhabenen, Nathschlu'ß,

Welcher den tapfersten Mann in die Flucht jagt und ihm den Sieg raubt, Ohne Beschwer, und ihn selber nachher antreibt zu dem Kampfe.

Doch nun halte dich zu mir und sieh, Freund, was ich verrichte,

348

Ilia«.

Ob ich den Tag durch werde so feig sein, wie i>u gesagt hast,

180

Oder noch manchen Achäer, so stürmisch er immer herandringt, Zwingen, vom Kampfe zu ruhn um den Leichnam hier des Patroklos.

Also sprach er und rief mit gewaltiger Stimnie den Troern: Troer und Lykier, auf und ihr tapferen Dardaner, ihr auch,

Seid jetzt Männer, ihr Freund' und beharrt in dem freudigen Kampftnuth, 185 Bis ich mich rüst' in des hohen Achilleus herrlicher Rüstung, Die ich der Kraft des Patroklos, nachdem ich ihn tobtet’, entrissen.

Dieses gesagt, flog Hektor, der Held mit dem wallenden Helmbusch, Durch den erbitterten Kampf; schnell rannt' er mit kräftigen Schenkeln, Und er ereilt' in der Nähe daselbst noch bald die Genossen,

190

Die er entsandt zu der Stadt mit Achilleus herrlicher Rüstung.

Fern von dem traurigen Kamps nun stand er, die Waffen zu wechseln, Gab kampflustigen Troern die seinigen, um sie nach Trojas,

Heiliger Veste zu tragen und zog des Peliden Achilleus Göttliche Wehr an, welche die himmlischen Götter dem Pelms

195

Früher geschenkt, der alternd nachher sie dem theueren Sohn gab; Aber es wurde der Sohn nicht alt in den Waffen des Vaters!

Als nun diesen von ferne der Wolkenversammler Kronion

Sahe die Wehr anlegen des göttlichen Peleiaden, Schüttelt' er ernst sein Haupt, und er sprach zu sich selber im Herzen: 200

Unglückseliger, der du im Geist noch nicht an den Tod denkst,

Welcher dir naht, und du waffnest dich da mit der göttlichen Rüstung

Jenes gewaltigen Mannes, vor dem auch Andere zittern! Dem hast du den Genossen, den freundlichen, starken, erschlagen,

Und ihm die Waffen mit Schmach von demHauptundden Schultern gerissen.205 Doch zum wenigsten rüst' ich dich jetzt mit gewaltiger Kraft noch, Dich zu entschädigen, weil du vom Kampf doch nimmer zurückkehrst,

Noch des Achilleus Waffengeschmeid dir Andromache abnimmt. Also sprach mit dem Winke der dunkelen Brauen Kronion. Aber die Rüstung schloß um deS Hektor Leib; von des Ares

Kriegsmuth ward er erfüllt; in dem Inneren schwellt' ihm die Glieder

210

Siebzehnter Gesang.

349

Kraft und Gewalt, und hinan zu den rühmlichen Bundesgenossen Schritt er mit mächtigem 8hif: da schien er dem sämmtlichen Kriegsvolk

Gleich dem erhab'nen Achilleus selbst in dem Glanze der Rüstung.

Und er ermuthigte jeden, indem er zu ihnen herantrat,

215

Mesthles dort und den Medon, Thersilochos auch und den Glaukos,

Ferner Hippothoos, dann Disenor und Asteropäos, Ennomos, kundig der Vögel, den Chromiotz auch und den Phorkys, Alle sie mahnt' er, zu kämpfen und sprach die geflügelten Worte:

Hört, unzählige Stämm' uns umwohnender Bundesgenossen,

220

Nicht, weil Menge des Volkes ich sucht' und nach ihr mich verlangte,

Hab' ich zu uns euch all' aus eueren Städten versammelt; Sondern damit ihr die Frau'n und die lallenden Kinder der Troer

Freudigen Muthes beschirmtet vor Argos muthigem Kriegsvolk. Dieses begehrend erschöpf' ich das Volk mit Geschenken und Nahrung, 225

Daß ich in Jedem von Euch mir den rüstigen Eifer erhalte.

Vorwärts wende sich also ein Jeglicher jetzo: er sterbe, Oder erhalte sich auch; das ist ja der Wandel des Krieges. Wer mir von Euch nun hier den PatrokloS, todt, wie er daliegt, Zieht zu den reisigen Troern, und Ajas von ihm zurückdrängt:

230

Dieser empfängt von den Waffen die Hälft', und ich selber bewahre Halb sie für mich; auch ehret ihn Ruhm, wie mich in der Zukunft. Sprachs: da stürzten sich jene mit Macht gleich auf die Achäer,

Alle, die Lanzen erhoben und voll in der Brust von der Hoffnung, Sicher entrissen sie Ajas, dem Telamoniden, den Leichnam.

Thoren!

235

Fürwahr, noch Viele beraubt' er um jenen des Lebens!

Da sprach Telamons Sohn zu dem Rufer im Streit Menelaos:

O Menelaos, Geliebter, Erhabener, nimmer, besorg' ich,

Kehren wir selbst noch beide zurück aus diesem Gefecht hier. Nicht so quälet mich jetzo die Furcht für den todten Patroklos,

Der wohl bald dem Gevögel und Troischen Hunden ein Raub wird, Als ich für mein Haupt selber in Furcht bin, was ihm bevorsteht, Und für das deinige, da mit des Kampfs Unwetter uns Hektor

240

350

JltaS.

Gänzlich umschließet, und gegen uns jach das Verderben heraufzieht.

245

Auf denn, rufe die Helden der Danaer, ob sie es hören! Sprach es, und willig gehorcht' ihm der Rufer im Streit Menelaos,

Und zu den Danaern rief er mit laut durchdringender Stimme: Freunde, des Danaervolkes erhabene Führer und Pfleger, Die ihr um Atreus Söhn' Agamemnon und Menelaos Trinkt von dem Weine des Volks und den eigenen Scharen ein jeder 250,

Herrschend gebeut, da Zeus ihm den Ruhm uno die Ehre verliehn hat: Schwer nur könnt' ich ja jeden der sämmtlichen Führer erspähen, Da so entsetzlich die Flamme des Kriegesgetümmels entbrannt ist;

Aber von selbst kommt All' und die Schmach fühlt in dem Gemüthe,

Würde Patroklos hier zum Fraß für die Hunde der Troer!

255

Sprach es, und Ajas vernahm ihn, der rüstige Sohn des O'ileus, Gleich, und er eilte, der erste, herbei durch Kampf und Getümmel,

Nach ihm Jdomeneus und des JdomeneuS Waffengenoß auch, Held Meriones, ähnlich dem Menschenvertilgenden Ares.

Doch wer nennt' in dem Geiste die Anderen alle mit Namen,

260

Welche, zugleich nachfolgend, den Kampf der Achäer erweckten?

Vorwärts, stürzten die Troer, gedrängt, und es führte, sie Hektor. Wie wann mächtig die Wog' an des himmelentsprossenen Stromes Mündung gegen die Flut herbraust, und der äußerste Meerstrand RingShin aufbrüllt, während das Meer anstürzend herausschäumt:

265

So scholl laut von den Troern der. Angriff; doch die Achäer, Stellten sich um den PatrokloS umher, einmüthigen Herzens, Dicht mit den ehernen Schilden gedeckt, und es senkte Kronion

Ueber sie mächtigen Nebel herab um die blitzenden Helme.

Hatt' er ja doch den Patroklos zuvor auch nimmer gehasset,

270

Während er noch am Leben Achilleus Waffengenoß war. Deshalb ließ ex ihn nicht zum Raub für die Troischen Hunde; Sondern er trieb die Genossen herbei, von dem Feind ihn zu retten. Aber die Troer verdrängten zuerst die beherzten. Achäer,

Daß sie den Todten verließen und flohn; doch keinen von ihnen

275

Siebzehnter Gesang.

351

Fällte der muthigen Troer Geschoß, so gewaltig sie stürmten;

Sondern sie zogen den Todten, von dem sich die Danaer auch nur

Wenig entfernten, indem mit Gewalt gleich Ajas sie aufhielt,

Welcher att Thaten und schöner Gestalt vorragte vor allen

Söhnen Achajas., nach dem untadligen Sohne des Peleus.

280

Und in dem Vorkampf stürmt' er daher, wie ein mächtiges Waldschwein,

Das im Gebirge die Scharen der Hund' und der blühenden Männer

Leicht vor sich herjagt, wie es sich dreht in der waldigen Bergschlucht. So trieb Ajas, der edle, des herrlichen Telamon Sohn, dort

Leicht, mit Gewalt einstürmend, die Troischen Reihn von einander,

285

Die um Patroklos kämpften, indem sie am meisten begehrten, Mit sich hinein in die Stadt ihn zu ziehn und den Ruhm zu gewinnen.

Und der erhabene Sohn des Pelasgischen Königes Lethos, Held Hippothoos, zog ihn am Fuß in dem schrecklichen Kampfe,

Als er die Sehnen am Knöchel zuvor mit dem Riemen umschlungen,

290

Hektor zu Lieb und den Troern; indeß ihn ereilte das Unglück, Und ihn errettete keiner, so sehr sie es Alle begehrten.

Gegen ihn stürzte sich Telamons Sohn in den Haufen und stieß ihm,

Ganz von der Nähe, hinein in den Helm mit den ehernen Wangen, Daß um die Spitze des Speeres der buschige Helm ihm entzwei borst, 295

Von der gewaltigen Lanz' und der nervichten Rechten getroffen.

Blutroth schoß von der Wunde das Hirn vor neben dem Speerschaft; Alle die Kraft schwand gleich ihm dahin, und ihm fiel aus den Händen Hin an den Boden der Fuß des erhabenen Helden Patroklos.

Da sank er auch selbst aufs Antlitz über den Leichnam,

Fern von den üppigen Fluren Larissas,

300

und er belohnte

Nimmer die Pflege den Eltern, den theueren; denn noch ein Jüngling

War er, indem er vor Ajas, des muthigen, Lanze dahin sank. Und mit dem blinkenden Speer warf Hektor gegen den Ajas;

Doch der sahe sich vor und vermied nur eben die Lanze;

Aber des Jphitos Sohn, den erhabenen Schedios traf er,

Welcher, der tapferste Mann des Phokäischen Volks, in Panopeus

305

352

Ilias.

Wohnte, dem herrlichen, wo er mit Macht viel Männer beherrschte. Dem durchbohrt' er die Mitte des Schlüsselbeins, und die Lanze

Fuhr mit der ehernen Spitze hindurch, dicht unter der Schulter.

310

Dröhnend erschcll sein Fall, und es rasselten um ihn die Waffen. Phänops Sohn traf Ajas darauf, den gewaltigen Phorkys, Der zu Hippothoos trat und ihn schirmt', in die Mitte des Bauches,

Stieß ihm die Wölbung des Panzers hindurch, und es bohrte der Speer ihm

In das Gekrös: hin sank er und wühlt' in dem Staub mit den Händen. 315

Alle die Tapfersten wichen zurück mit dem glänzenden Hektor,

Und die Achäer gewannen mit hallendem Jauchzen des Phorkys Und des Hippothoos Leich', und entrissen den Schultern die Rüstung. Da nun flohen die Troeer, besiegt von den tapfern Achäern,

Sicher in Ilios Veste zurück, sie erlagen in Ohnmacht

320

Und die Achäer gewannen den Ruhm auch gegen den Rathschluß

Zeus, durch eigene Kraft und Gewalt; doch Phöbos Apollon Selbst trieb jetzt den Aeneas, dem Periphas gleichend, dem Herold,

Epytos Sohn, an Gestalt, der Heroldsdienste dem greisen Vater verrichtete, selber ergraut, mit ergebenem Herzen.

325

Dem an Gestalt gleich, sagte der Sohn des Kronion, Apollon: Wie doch errettetet ihr, o Aeneas, gegen den Gott selbst,

Ilios Burg, wie sonst ich an anderen Männern gesehen, Welche der Stärke vertrauten, 'der Macht und der rüstigen Mannheit Und der gehorchenden Menge des Volks, das nimmer verzagt war.

330

Euch gönnt Zeus viel lieber den Siegsruhm, als den Achäern;

Aber ihr selbst seid immer in Furcht und verzaget, zu kämpfen. Sprach's, und Aeneas erkannte den treffenden Phöbos Apollon,

Da er ihn sah, und er rief mit gewaltiger Stimme zu Hektor: Hektor und all' ihr Führer der Bundesgenossen und Troer,

335

Schmachvoll wär es ja wahrlich für uns, vor den tapfern Achäern Jetzt in die Mauern von Troja zu fliehn und zu weichen in Ohnmacht.

Aber es sagt auch Einer der Ewigen, der mir genahet,

Zeus, der erhabenste Herrscher beschirm' uns im Kampfe mit Beistand.

Siebzehnter Gesang. Also hinan jetzt gegen die Danaer, daß sie Patroklos

353 340

Leichnam nicht so geruhig hinab zu den Schiffen entführen! Also sprach er und sprang weit hin vor die vordersten Kampfreihn, Und sie ermannten sich, gegen die Danaer wieder zu stehen.

Aber Aeneas streckte Leokritos hin mit dem Speerwurf,

Welchen Arisbas gezeugt, Lykomedes edlen Genoffen.

345

Schmerz durchdrang Lykomedes den Held, als dieser dahinsank;

Nahe zu ihm hin trat er und warf mit der blinkenden Lanze,

Und Apisaon, des Hippasos Sohn, dem Gebieter der Völker, Löst' er die Kniee, die Leber zerschnitt er ihm unter dem Zwerchfell. Aus den gesegneten Fluren Päonia's war er gekommen,

350

Unter den Seinen der Erste nach Asteropäos im Kampfe. Und sein Fall traf schmerzlich den muthigen Asteropäos,

Daß er gerad' an gegen die Danaer stürzt' in der Kampfwuth.

Aber er drang nicht durch; denn rings von den Schilden umgeben, Standen sie um den Patroklos umher mit den drohenden Lanzen.

355

Stets flog Ajas zu Allen und trieb sie mit mächtigem Zuruf, Keinem gestattet' er, daß er vom Leichnam weichend zurückging,

Oder allein vorschritt zu dem Kampf vor den andern Achäern; Sondern er hieß sie von nah und im Kreis ihn umstehen uud kämpfen. Also gebot dort Ajas, der mächtige; aber das Blut floß

360

Purpurn hin an der Erd', und es taumelten über einander

Todte, sowohl von den Troern und muthigen Bundesgenossen, Als von den Danaern: sie auch bluteten in dem Gefecht wohl;

Doch weit seltener fielen sie, weil sie beständig einander Gegen den Mord sich beschirnlten und retteten in dem Getümmel.

365

So nun kämpften sie dort gleich brennendem Feuer, und Niemand

Hätte geglaubt, noch scheine des Helios Stral und das Mondlicht, Weil dicht Nebel sich über den Kampf und die Tapfersten alle

Hinzog, die dort standen im Kreis um den todten Patroklos. Aber die anderen Troer und wohlumschienten Achäer

Kämpften getrost in der Helle des Tags; scharf brennende Stralen

370

354

Ilias.

Flogen von Helios her, und Gewölk war nirgend im Lande,

Noch an den Höhn des Gebirgsz auch ruhten sie von dem Gefecht oft, Und sie vermieden die Einen der Anderen bittre Geschosse,

Weit wegtretend; indeß die drängt' in der Mitte der Nebel

375

Und das Gefecht, und es waren vom unbarmherzigen Erze Alle die Tapfersten matt.

Nur zwei noch hörten den Ruf nicht,

Beide gepriesene Helden, Antilochos und Thrasymedes, Von des Patroklos Tode, des trefflichen; sondern sie glaubten,

Daß er noch leb' und die Troer bekämpf' in den vordersten Schlachtreihn. 380 Sorgsam wahrten die zwei vor dem Tod und der Flucht die Genossen,

Fern von den Andern im Kampf, weil Nestor es also empfohlen, Als er hinaus zu der Schlacht sie entließ von den dunkelen Schiffen.

So nun tobte den Tag ganz durch der gewaltigen Feldschlacht Wildes Gefecht, und es wurden vom Schweiß und der Mühe beständig 385

Jedem von ihnen die Schenkel und Knie' und die Füße von unten, So wie Augen und Hände der kämpfenden Männer besudelt, Um den erhab'nen Genoffen des muthigen Renners Achilleus.

So wie öfter ein Mann vom gewaltigen Rinde die Stierhaut

Giebt an die Leute, zu dehnen, nachdem sie mit Fette gesalbt ist;

390

Und sie ergreifen sie, stellen sich weit von einander und ziehn sie

Ringshin, bis sich die Nässe verliert und das Fette hineindringt Von dem gewaltigen Ziehn, und sie dehnt sich die Läng' und die Breite:

So auch zogen sie dort auf dem wenigen Raume den Leichnam

Hierhin und dahin; sie waren erfüllt in der Brust von der Hoffnung,

395

Diese, nach Ilios Stadt ihn zu ziehn, die Achäer dagegen, Hin zu den wölbigen Schiffen, und rings umtobte der Kampf ihn

Fürchterlich; selbst nicht Ares, der Wütherich, oder Athene Tadelt' ihn, wenn sie ihn sahen, sogar in dem schrecklichen Zorn nicht.

So nun schuf an dem Tage Kronion um den Patroklos

400

Männern und Rossen verderblichen Kampf, und es wußte noch gar nichts Von des Patroklos Tode der göttliche Renner Achilleus.

Denn sie bekämpften einander so fern von den eilenden Schiffen

Siebzehnter

Gesang.

355

Unter der Mauer der Troer; ihm ahnete nicht in dem Herzen,

Daß er gefallen; er meinte, nachdem er den Thoren genahet,

405

Kehret' er lebend ihm wieder, indem es ihm nicht in den Sinn kam,

Daß er die Burg sollt' ohn'-ihn, sogar selbst mit ihm zerstören; Denn dieß hört' er ja oft im Geheim von der theueren Mutter, Wann sie mit ihm wohl sprach von dem Rath des erhab'nen Kronion.

Doch da hatte die Mutter ihm nie das Leiden verkündet,

410

Das ihn erwartete, als der geliebteste Freund ihm dahin sank.

Und um den Leichnam fochten sie dort mit den spitzigen Lanzen,

Immer in dichtem Gedräng und ermordeten Einer den Andern, So sprach da wohl Mancher der Erzumwehrten Achäer:

Freunde, fürwahr, uns ist's kein Ruhm, zu den wölbigen Schiffen

415

Wieder zu kommen; o, schlänge doch hier uns die dunkele Erde Sämmtlich hinab!

Das wäre für uns bei weitem am besten,

Wenn wir den Mann hier lassen den Rossebezähmenden Troern,

Zu sich hinein in die Stadt ihn zu ziehn und den Ruhm zu gewinnen!

Also indeß sprach Mancher der muthigen Troer dagegen:

420

Freund', und wenn eS uns Allen verhängt wär, hier um den Leichnam

Sollten wir fallen: so lasse doch Niemand ab von dem Kampfe! So sprach Mancher und spornte den Muth in der Brüst des Genossen

Also kämpften sie dort, und das klirrende Rasseln des Eisens

Stieg zu dem ehernen Himmel empor in die Leere des Aethers.

425

Aber es standen die Rosse des Aeakiden Achilleus

Fern von dem Kampf, und sie weinten, so wie sie vernahmen, ihr Führer Liege daniedergestreckt von dem Männervertilgenden Hektor.

Wahrlich, es trieb sie genug der gewaltige Sohn des Diores, Held Automedon, bald mit dem Schlag der geschwungenen Geißel,

430

Bald auch mild zuredend und bald mit dem drohenden Zuruf: Weder zurück zu den Schiffen am mächtigen Hellespontos

Wollten sie gehn, noch auch in den Kampf zu den Männern Achajas; Sondern sie standen, der Säule vergleichbar, ohne Bewegung, Die auf dem Grabe der Todten, des Manns steht oder des Weibes: 23*

435

356

Ilias.

Also standen sie da, ganz still vor dem herrlichen Wagen,

Beide, das Haupt zur Erde gesenkt, und es stossen die Thränen Heiß an den Boden hinab von der Trauernden Wimpern; den Führer Klagten sie schmerzlich, es sanken die üppigen'Mähnen am Joch hin,

Unter den Riemen hervor und besudelten sich in dem Staube.

440

Da sah voller Erbarmen die trauernden Rosse Kronion,

Schüttelte ernst sein Haupt, und er sprach zu sich selber int Herzen: Aermste!

Warum doch gaben wir euch dem gebietenden Peleus?

Ihm, der stirbt, euch, denen die ewige Jugend verliehn ist?

Etwa, damit ihr den Schmerz mit den unglückseligen Menschen Duldetet?

445

Denn nichts ist ja so elend, als es der Mensch ist,

Was auch sonst auf Erden sich regt mit lebendigem Odem. Aber es fährt nie, wahrlich! mit euch und dem herrlichen Wagen Hektor, Priamos Sohn; das werd' ich ihm nimmer gestatten!

Oder genügt's nicht, daß er. so stolz schon prahlt in der Rüstung?

450

Doch euch rüst' ich die Schenkel mit Kraft und die Seele mit Muth auö, Daß ihr Automedon auch zu den wölbigen Schiffen zurückführt

Aus dem Gefecht; denn jenen verleih' ich so lange den Ruhm noch,

Bis sie mit mordenden Armen den rüstigen Schiffen genaht sind, Und bis Helios sinkt und das heilige Dunkel heraufzieht.

455

Sprach es und hauchte den Rossen gewaltigen Muth in die Herzen, Daß sie den Wagen, nachdem sie den Staub von den Mähnen geschüttelt,

Eilenden Laufs forttrugen zu Ilios Volk und Achajas. Und Automedon drang in den Kampf, voll Schmerz um Patroklos,

Wie auf Gänse der Geier sich stürzt, mit den stürmenden Rossen.

460

Denn er entflöhe sowohl leicht aus dem Getümmel der Troer, Als er im Angriff leicht in die kämpfenden Haufen hineindrang.

Doch nicht schlug er die Männer, obwohl er im Sturm sie verfolgte, Weil er unmöglich, indem er im heiligen Wagen allein war,

Konnte den Speer abschleudern zugleich und die Rosse regieren. Endlich indeß doch sah ihn ein Mann, ein Genoß, mit den Augen, Held Alkimedon, Sohn von dem Aemoniden Laerkes.

465

Siebzehnter Gesang.

857

Der trat hinter dm Wagen Automedons zu ihm nnd sagte: Aber, Automedon, wer von den Himmlischen senkt dir die Thorheit

Doch in das Herz und beraubt dich so ganz der gerühmten Besinnung, 470

Daß du die Troer bekämpfst, so allein, in dem vordersten Haufen? Sank dein Kampfesgenosse doch hin, und die Schultern bedeckt sich

Hektor selbst voll Stolz mit dem Wassengeschmeid des Achilleus!

Und ihm entgegnet' und sprach Automedon, Sohn des Diores:

Wer, o Alkimeden, that' es dir gleich von den Männern Achajas,

475

Dieser unsterblichen Rosse gewaltigen Muth zu bezähmen, Außer Patroklos, welcher den Himmlischen gleich an Verstand war,

Da er noch lebte.

Der Tod hat jetzt ihn ereilt und das Schicksal!

Auf denn! komm, nimm du mit den prangenden Zügeln die Geißel, Nimm sie, damit ich vom Wagen sogleich absteige, zu kämpfen!

480

Sprach's: da schwang sich Alkimedon schnell in den Wagen des Kampfes, Nahm mit den Händen die prangenden Zäum' und die Geißel, dagegen

Sprang Automedon ab, und es sah ihn der glänzende Hektor.

Und zu Aeneas begann er sogleich, der nahe dabei stand:

Auf, o Aeneas, Berather der Erzumpanzerten Troer, Komm!

485

Dort seh' ich die Rosse des mächtigen Nenners Achilleus,

Die zu dem Kampf hereilen mit ganz unkriegrischen Lenkern.

Deshalb hoff' ich, wir nehmen sie, wenn es dir selbst in der Brust nur Also gefällt.

Denn machen wir beid' auf jene den Angriff,

Wagen gewiß die nimmer, im Kampf uns entgegen zu traten.

490

Sprach es, und willig gehorcht' ihm der tapfere Sohn des Anchises.

Grad' an stürmten sie vor, um die Brust mit den Schilden von Stierhaut,

Welche, getrocknet und hart, viel eherne Ränder umzogen. Und auch Chromios folgt' und, den Himmlischen ähnlich, Aretos; Denn es vermeinten die beiden gewiß in der Brust, sie erschlügen

Jen' erst selbst und entführten nachher das Gespann mit den hohen

Hälsen: die Thoren!

Sie sollten sich nicht unblutig zurückziehn

Von dem Automedon; der rief auf zu dem Vater Kronion,

Daß mit gewaltigem Muth sein dunkeles Herz ihm erfüllt ward,

495

358

Ilias.

Und zu Mimedon sprach er sogleich, dem getreuen Genossen:

500

Nun, Alkimedon, halte so nah mir beständig die Rosse,

Daß mir den Rücken ihr Athem bestreicht; denn Hektor, besorg' ich,

Priamos Sohn, läßt nimmer zuvor mehr ab von dem Angriff, Eh' er Achilleus Rosse, die Mähnenumwallten, davon treibt,

Wann er uns beide gewürgt und der Danaer Scharen verjagt hat,

505

Oder vielleicht er selbst in den vordersten Reihen dahinsinkt. Sprach's, und die Ajas rief er und Atreus Sohn, Menelaos:

Ajas, ihr beiden Gebieter der Danaer, und Menelaos, Laßt für den Leichnam jetzo den Tapfersten allen die Sorge, Daß sie, um ihn vortretend, die feindlichen Männer verdrängen;

510

Uns, die lebendigen, schirmt vor dem unbarmherzigen Schicksal. Denn hier stürmet daher zu dem Jammererregenden Kampfe

Hektor mit dem Aeneas, die Tapfersten unter den Troern. Doch dieß ruhet ja noch in dem Schoß der unsterblichen Götter; Denn ich werfe ja auch, und des Anderen walte Kronion!

515

Sprach es und schwang und entsandte die weithin schattende Lanze,

Und dem Aretos traf er den Schild von gerundeter Wölbung. Der hielt gegen den Speer nicht; ganz durchbohrte das Erz ihn,

Daß es, den Gürtel hindurch, in den Bauch ihm nach unten hineindrang. So wie ein Mann, in der Blüthe der Kraft, das geschliffene Beil schwingt, 520

Und dem gewaltigen Stier dicht hinter den Hörnern hineinhaut, Daß er die Sehn' ihm zerschneidet: er springt noch, aber er stürzt dann:

So sprang jener nach vorn; dann fiel er zurück, und die Lanze Löst' ihm die Glieder, indem sie im Schwung das Gekrös ihm entzweischnitt. Und mit dem blinkenden Speer warf nach dem Automedon Hektor;

525

Doch der sahe sich vor, und gebückt mit dem Haupte nach vornen, Mied er den ehernen Speer; da flog der gewaltige Wurfspieß

Hinter ihm tief in den Boden hinein, und der Schaft des Geschosses Zitterte, bis dort endlich die mordende Kraft ihm entflohn war. Jetzt nun rannten die beiden gewiß mit den Schwertern zusammen,

Hätten die Ajas nicht die Erbitterten eilig geschieden;

530

Siebzehnter Gesang.

359

Denn die kamen daher im Gedräng, als jener sie anrief.

Und es entwichen vor ihnen, von plötzlichem Schrecken ergriffen, Hektor sogleich und Aeneas und Chrvmios, ähnlich den Göttern,

Und den Aretos ließen sie, der mit gespaltenem Herzen

535

Da lag; aber Automedon, gleich dem vertilgenden Ares, Raubte das Waffengeschmeid' ihm und sprach frohlockend die Worte: So!

Nun ist mir die Brust doch ein Weniges um des Patroklos

Tod von dem Kummer erleichtert, obwohl ich den schwächeren Mann schlug! Sprach es und trat zu dem Sessel hinan mit der blutigen Rüstung, 540

Legte sie ein und bestieg ihn, die Händ' und die Füße von oben

Ganz voll Blut, wie ein Leu sich erhebt von dem Fraß an dem Rinde. Und es erhob sich von Neuem der heftige Kampf um Patroklos,

Schrecklich und Thränenerregend; Athene fachte den Streit an, Welche dem Himmel entstiegen, gesandt von dem Herrscher Kronion,

545

Muth den Achäern zu machen; indem sein Herz sich gewendet. Wie wann purpurn den Bogen den sterblichen Menschen Kronion Ausspannt über den Himmel, die Kriegsnoth ihnen verkündend,

Oder das winternde Jahr, deß starrende Kälte die Arbeit

Hemmt in den Feldern der Menschen und kümmerlich ist für die Heerden: 550 Also umhüllte sich selbst mit der purpurnen Wolke die Göttin,

Eilt' in dem Volk der Achäer umher und ermuthigte jeden. Und zu des Atreus Sohne, dem tapferen Held Menelaos, Sprach sie zuerst, antreibend — er stand ihr gerad' in der Nähe — Aehnlich dem Phönir, so an Gestalt wie an mächtiger Stimme:

555

Wahrlich, es wäre für dich, Menelaos, schimpflich und schmachvoll, Sollten den treuen Genossen und Freund des erhab'nen Achilleus Unter den Mauern der Troer die flüchtigen Hunde zerreißen. Auf denn, halte dich tapfer und treib' auch sämmtliches Volk an!

Und Menelaos, der Rufer im Streit, sprach jener entgegnend:

Phönir, würdiger Greis, du Theuerer, wenn Athenäa

Kraft nur wollte mir geben und vor dem Geschoß mich bewahren: Ja, dann trät' ich gewiß gleich hin zu Patroklos und schützt' ihn,

560

360

Ilias.

Da fein Tod mir das Herz in der Brust wohl schmerzlich bewegt hat. Aber den Hektor beseelet ja Muth, gleich Feuer, und rastlos 565 Würgt sein Erz; denn ihm giebt Zeus, der Kronide, den Siegsruhm. Sprach's, und es freuete Zeus helläugige Tochter Athene, Daß er sie selber zuerst von den sämmtlichen Himmlischen anrief. Deshalb senkte sie Kraft ihm sogleich in die Knie' und die Schultern, Und in dem Herzen belebte sie ihn mit dem Muthe der Fliege, 570 Welche, so eifrig sie immer der Mann auch von sich hinweg scheucht, Doch ihn zu stechen beharrt, in der Gier nach dem Blute des Menschen. Also erfüllte sie jenen im dunkelen Herzen mit Kühnheit. Und zu Patroklos eilt' er und warf mit der blinkenden Lanze. Da war unter den Troern der Sohn des (Setion, Podes, 575 Tapfer und reich und am meisten geehrt in dem Volke von Hektor, Da er ihm werth als Freund und am Mal fein lieber Genoß war. Den traf unten am Gürtel der bräunliche Held Menelaos, Da er sich wandte, zu fliehn, und der eherne Speer durchbohrt' ihn. Dröhnend erscholl sein Fall, und des Atreus Sohn Menelaos 580 Zog von den Troern den Todten hinweg zu der Schar der Genoffen. Und zu dem Hektor trat, ihn ermuthigend, Phöbos Apollon, Phänops gleichend, dem Sohne des Asios, der ihm von allen Fremden der theuerste war und ein Haus in Abydos bewohnte. Dem an Gestalt gleich sagte der treffende Phöbos Apollon: 585 Wer von den Danaern möchte dich wohl noch fürchten, o Hektor, Da dich ja nun Menelaos zurückschreckt, welcher beständig Schwach in dem Kampf sonst, jetzt sich allein von den Troern den Leichnam Raubt und dahin geht, und er erschlug dir den treuen Genossen, Immer den Ersten im Kampfe, den Sohn des Eetion, Podes! 590 Sprach es, und jenen umhüllte die dunkele Wolke des Schmerzes, Und, mit dem funkelnden Erze bewehrt, durchschritt er den Vorkampf. Da nahm Zeus, der Kronide, die Troddelbehangene, glanzvoll Stralende Aegis, umhüllte mit dunkelen Wolken den Ida, Blitzte mit mächtigem Donner, indem er sie schwingend emporhob, 595

Siebzehnter Gesang.

361

Und, die Achäer erschreckend, verlieh er den Troern den Siegsruhm. Und der Böotier Führer Peneleos flöhe der erste,

Weil ihm ein Speer in die Schulter hineinflog, da er nach vorn drang,

Zwar nur streifend, es ritzt' ihn jedoch des Polydamas Lanze Bis an den Knochen, indem er sie ganz von der Nahe geworfen.

600

Ferner dem Le'i'toö traf, des Alektryon Sohne, des edlen, Hektor von nah in den Knöchel der Hand und benahm ihm die Kampflust. Angstvoll schaut' er umher, und ihm schwand in dem Herzen die Hoffnung, Jemals wieder, den Speer in der Hand, mit den Troern zu kämpfen.

Aber den Hektor, indem er den Le'üos stürmend verfolgte,

605

Traf des Jdomeneus Speer an der Warze der Brust an den Harnisch;

Doch es zerbrach an dem Oehre der Speer: da schrieen die Troer, Und nach dem Deukalione-r Jdomeneus, der in dem Wagen

Stand, warf jener; indeß um ein Weniges fehlt' ihn der Speerwurf;

Aber dagegen den Lenker und Freund des Meriones traf er,

610

Köranos, der ihm von Lyktos, der wohnlichen Veste, gefolgt war —

Erst war jener zu Fuß von den rüstigen Schiffen gekommen, Und er gewährte den Troern gewiß jetzt herrlichen Siegsruhm, Wenn nicht Köranos eilig die flüchtigen Ross' ihm Herantrieb —

Ihn nun rettet' und wahret' er so vor dem Tage des Schicksals;

615

Aber er selbst sank nieder, entseelt von dem mordenden Hektor. Denn der traf in die Back' ihn am Ohr, und er stieß ihm die Zähn' aus

Mit dem gewaltigen Speer und zerschnitt ihm die Zung' in der Mitte.

Also entsank er dem Wagen, indem ihm die Zügel entfielen. Aber Meriones bückte sich, hob mit den Händen die Zügel

620

Schnell von der Erd' auf, und zu Jdomeneus rief er die Worte: Geißle sie, bis du hinab zu den eilenden Schiffen gelangest,

Da du ja selbst siehst, daß sich der Sieg von Achaja gewandt hat.

Sprach's, und Jdomeneus trieb das Gespann schönmähniger Rosse

Hin zu den wölbigen Schiffen, indem er im Herzen verzagte. Und es entging nicht Ajas, dem muthigen, und Menelaos,

Daß Zeus wieder den Troern in schwankendem Wechsel den Sieg gab.

625

Ilias.

362

Da rief Ajas, der große, gewaltige Telamonide: Weh uns!

Jetzt sieht jeder, und wer auch wenig Verstand hat,

Daß Zeus selber, der Vater, dem Troischen Volke den Sieg giebt!

630

Treffen doch Aller Geschosse von dort, wer immer sie schleudert,

Sei es ein Schwächling oder ein Held; Zeus lenket sie alle;

Aber von uns hier fallen sie kraftlos alle zu Boden.

Auf denn, sinnen wir selber uns nun den geeignetsten Rath aus, Wie wir den Todten zugleich uns hinwegziehn, aber wir selbst auch

635

Unsere theuren Genossen erfreun durch unsre Zurückkunft. Denn die schaun wohl jetzo mit Angst her, weil sie besorgen,

Daß wir die schrecklichen Hände des Männerermordenden Hektor Nicht mehr bändigen, sondern entfliehn zu den dunkelen Schiffen.

Eilte doch einer der Freunde sogleich nun hin mit der Botschaft

640

Zu dem Achilleus, da er die traurige Kunde, vermuth' ich,

Noch nicht weiß, daß hier der Genoß ihm, der theure, dahinsank. Doch ich erspähe dazu hier Niemand von den Achäern, Da von dem Dunkel ja Alles, sie selbst und die Rosse bedeckt sind.

Vater Kronion, befreie doch du von der Nacht die Achäer!

645

Schaff' uns den heiteren Tag und vergönn' uns, zu sehn mit den Augen!

Ja, und im Lichte vertilg' uns nachher auch, willst du es also! Sprach's, und der Vater erbarmte sich, wie er mit Thränen ihn anrief, Und er zerstreute das Dunkel sogleich und verscheuchte den Nebel. Helios leuchtete hell, und die Schlacht war rings zu erkennen.

650

Da sprach Telamons Sohn zu dem Rufer im Streit Menelaos: Siehe dich um, Menelaos, du Göttlicher, siehst du vielleicht wo

Lebend Antilochos jetzo, den Sohn des erhabenen Nestor: Treib du ihn, daß er sogleich sorteilt zu dem hohen Achilleus,

Ihm zu verkünden, der Freund, der geliebteste, sei ihm gefallen!

655

Sprach es, und willig gehorcht' ihm der Rufer im Streit Menelaos, Daß er dahin ging.

So wie ein Leu vom Gehege hinweggeht,

Wann er sich müde gekämpft mit den Hunden und Männern im Angriff,

Die ihm beständig verwehren, das Fett von den Rindern zu schmausen,

Siebzehnter Gesang. Immer die Nacht durchwachend.

Indeß, nach Fleische begierig,

363 660

Stürzt er hinein; doch kommt er zu nichts; denn schneidende Lanzen

Fliegen in Meng' ihm entgegen, von muthigen Armen geschleudert, Lodernde Brand' auch, denen er scheu ausweicht, in der Wuth selbst; Und in der Dämmerung geht er davon mit erbittertem Herzen: So ging von dem Patroklos der Rufer im Streit Menelaos

665

Gar nicht gern, weil Furcht ihn bekümmerte, daß die Achäer In der entsetzlichen Angst zum Raub ihn den Feinden verließen.

Und den Meriones bat er noch sehr und die beiden Ajanten:

Höret mich, Ajas, ihr beid' und Meriones, Fürsten Achajas, Denket mir jetzt an die Milde des unglücksel'gen Patroklos,

670

Wie er im Leben es immer verstand, wohlwollend und freundlich Allen zu sein, und der Tod hat nun ihn ereilt und das Schicksal! Also sprach und enteilte der bräunliche Held Menelaos.

Ringsum warf er die Augen, dem Aar gleich, welcher vor allen Vögeln des Himmels, so sagen sie, scharf in die Ferne hinausspäht.

675

Hoch zwar schwebt er, indessen den flüchtigen Hasen erblickt er,

Der int belaubten Gebüsch daliegt, und er schießet von oben

Nieder auf ihn, und ihn packend entreißt er sogleich ihm das Leben:

So warfst du, Menelaos, erhabener, auch in dem Kreis dort Spähend die glänzenden Augen umher in der Schar der Genossen,

680

Ob du den Nestoriden vielleicht noch lebend erblicktest.

Und er gewahrt' ihn sogleich linkshin, an dem Ende der Felvschlacht,

Wie er die Freund' antrieb und ermuthigte, wacker zu kämpfen. Ihm nun nahet' und sagte der bräunliche Held Menelaos:

Komm, o Antilochos, näher, damit du die traurige Botschaft

685

Hörest, du Edler, — o, möchte doch dieß uns nimmer geschehn sein! — Zwar du erkennst auch, mein' ich, es selbst mit den eigenen Augen, Daß jetzt Leiden ein Gott dem Achäischen Volke daherwälzt,

Aber den Troern den Sieg; es erlag den Argeern der beste, Unser Patroklos, schmerzlich vermißt von den Männern Achajas!

Auf nun, eile du schnell zu den Schiffen hinab, zu Achilleus,

690

364

Ilias.

Sag' es ihm, ob er den Todten sogleich zu den Schiffen errette,

Nackt zwar; denn ihm entriß ja der glänzende Hektor die Rüstung. Sprach's, und Entsetzen ergriff den Antilochos, wie er es hörte.

Lange verstummt' er, der Worte beraubt; voll standen die Augen

695

Ganz ihm von Thränen, und gänzlich versagt' ihm die tönende Stimme. Dennoch versäumet' er nicht Menelaos dringenden Auftrag;

Sondern er eilt' und dem edlen Laodokos, seinem Genossen, Der mit den stampfenden Rossen ihm nah war, gab er die Rüstung. So nun trugen die Schenkel den Weinenden aus dem Gefechte

700

Mit dem entsetzlichen Wort zu dem Peleiaden Achilleus.

Doch auch dir, Menelaos, du Göttlicher, wollte das Herz nicht Hier die bedrängten Genossen vertheidigen, als sie des Nestor

Sohn, wegeilend, verließ und die Pylier sehr ihn vermißten; Sondern er sandte zu ihnen den göttlichen Held Thrasymedes;

705

Eilte darauf selbst wieder zurück zu dem edlen Patroklos,

Wo er die Ajas sogleich anredete, wie er hinantrat:

Wohl zwar sendet' ich jenen hinab zu den eilenden Schiffen, Zu dem gewaltigen Nenner Achilleus; aber er kommt doch Jetzt nicht, glaub' ich, obwohl voll Grimm auf den göttlichen Hektor; 710

Denn er vermag ja die Troer, so wehrlos, nicht zu bekämpfen. Sinnen wir selber zusammen daher den geeignetsten Rath aus,

Wie wir den Todten zugleich uns hinweg ziehn, aber wir selbst auch Aus dem Gefecht mit den Troern dem Todesverderben entrinnen. Und es entgegnet' ihm Ajas, der mächtige Telamonide:

715

Wahr ist, was du gesprochen, gepriesener Held Menelaos! Bücke dich selber und nimm mit Meriones eilig den Leichnam,

Traget ihn fort hier aus dem Gefecht; wir aber, im Rücken, Wollen im Kampfe die Troer bestehn und den göttlichen Hektor,

Wir, mit demselbigen Namen und Muth, so wie wir ja sonst auch,

720

Immer vereint, ausharren und stehn in der wüthenden Feldschlacht.

Sprach's, da hoben die zwei mit Gewalt in den Armen den Leichnam Hoch von dem .Boden empor, und es schrie laut hinten der Troer

Siebzehnter Gesang.

365

Kriegsvolk, da sie die Leich' in der Danaer Armen erblickten. Vorwärts stürmten sie, Hunden vergleichbar, die auf das Waldschwein, 725

Wann es der Speer traf, stürzen, voraus vor den rüstigen Jägern. Und sie verfolgen es immer, in Wuth, es in Stücke zu reißen; Aber so wie es, der Kraft sich bewußt, dann gegen sie umkehrt,

Stürzen sie zagend zurück und verlaufen sich hierhin und dorthin:

Mfo verfolgten die Troer zuerst sie beständig in Haufen,

730

Gegen sie stoßend mit Schwertern und zwiefach schneidenden Lanzen; Aber sobald die Ajanten sich dann umdrehten und standen

Ihnen entgegen: so wurden sie bleich im Gesicht, und es sprang nicht

Einer von ihnen hervor, voll Muth zu dem Kampf um den Leichnam.

So nun trugen sie rüstig den Leichnam aus dem Gefechte

735

Zu den geräumigen Schiffen, und Kampfesgetümmel umgab sie,

Wild, gleich Brand, der gegen der Sterblichen Stadt sich heranwälzt, Plötzlich entstammt; hoch lodert er auf, es verschwinden die Häuser

In dem entsetzlichen Schein, und hinein saust mächtiger Sturmwind: Also erscholl von den Rossen und Lanzenbewaffneten Männern

740

Unaufhörliches Tosen, indem sie die Weichenden drängten. Diese jedoch, wie Mäuler, mit kräftiger Stärke gerüstet,

Von des Gebirgs Anhöhn auf steinigem Pfade den Balken Oder das Schiffsholz ziehn, das gewaltige, und in dem Herzen

Werden sie matt von dem Schweiß und der lastenden Mühe der Arbeit: 745 Also entführten sie muthig den Leichnam; aber die Ajas

Schirmten den Rücken.

Es wehrt so strömendem Wasser ein Hügel,

Welcher, mit Walde bewachsen, sich weit in der Ebene hinzieht

Und die verderbliche Flut, selbst mächtiger Ströme, zurückhält, Daß er sie alle sogleich mit dem Sturz' in die Eb'ne hinabdrängt,

750

Und sie den Durchbruch nimmer, mit Macht herströmend, erzwingen: So auch hielten vom Rücken die Ajas immer die Schlacht auf,

Als sie die Troer verfolgten, und zwei vor den Andern am meisten, Mit dem Aeneas, Anchises Sohn, der erhabene Hektor.

Wie ein Gewölk von Staaren dahinfliegt oder von Dohlen,

755

366

3 lias.

Schreckliches Schreien erhebend, sobald sie von Weitem den Habicht Sehen herannahn, welcher den kleineren Vögeln den Tod bringt: So auch flohn vor Aeneas und Hektor da die Achäer, Fürchterlich schreiend, sie harten der Kampflust alle vergessen. Herrliche Waffen entsanken den fliehenden Danaern viele Längs an dem Graben, und von dem Gefecht gab's nimmer Erholung.

Achtzehnter Gesang. xDo nun kämpften sie dort gleich lodernden Flammen des Feuers, Als zu Achilleus eilend Antilochos kam mit der Botschaft.

Und er begegnet' ihm vorn an den hoch ausragenden Schiffen; Denn er befürchtete schon im Gemüth, was eben geschehn war. Voller Bekümmerniß seufzt' er und sprach zu dem muthigen Herzen:

Weh!

5

Was drängen denn wieder die Hauptumlockten Achäer

Sich in der Eb'ne daher, in verworrener Flucht, zu den Schiffen? Wenn nur nicht mir die Götter den schrecklichen Jammer bereitet,

Wie mir die Mutter es immer verkündiget und mir gesagt hat, Daß noch, während ich lebe, der tapferste Myrmidone

10

Sollte, den Troern erliegend, des Helios Stralen verlassen! Ja, der gewaltige Sohn des Menötios ist mir gefallen! Armer! ich rieth ihm doch, wann er der feindlichen Flamme gewehret,

Heim zu den Schiffen zu kehren und nicht mit'dem Hektor zu kämpfen!

Während er dieß unruhig im Geist und dem Herzen bedachte:

15

Sieh, da nahet' ihm eilend der Sohn des erhabenen Nestor, Schmerzliche Thränen vergießend, und bracht' ihm die schreckliche Botschaft: Wehe mir, Peleutz Sohn, des Gewaltigen: traurige Kunde,

Wahrlich, vernimmst du — o, möchte doch dieß nur nimmer geschehn ftin! —

Unser Patroklos fiel, und der Kampf tobt über dem Leichnam, Der dort nackt liegt: Hektor, der glänzende, raubt' ihm die Rüstung!

Sprach es, und jenen umhüllte die dunkele Wolke des Schmerzes. Und von der Erd' auf rafft' er den schmutzigen Staub mit den Händen,

20

368

ZliaS.

Warf ihn sich über das Haupt und entstellte das herrliche Antlitz.

Voll war rings sein göttlich Gewand von der dunkelen Asche;

25

Aber er selbst lag da, lang niedergestreckt, in dem Staube, Und er entstellt' und zerraufte das §Haar mit den eigenen Händen.

Alle die Mägde, geraubt von Achilleus und dem Patroklos, Schrien laut auf, voll Schmerz in der Brust, und heraus zu dem Zelte Rannten sie, zu dem gewalt'gen Achilleus hin: mit den Händen

30

Schlugen sich alle die Brust, und es lösten sich ihnen die Glieder.

Aber Antilochos jammert' und weint' an der anderen Seite, Und des Achilleus Hände, des schmerzvoll Schluchzenden, hielt er,

Weil er befürchtete, daß er den Hals mit dem Eisen sich durchschnitt. Furchtbar jammerte der!

Da hört' ihn die göttliche Mutter,

35

Die in der Tiefe des Meers da saß mit dem Vater, dem Greise.

Klagend erhob sie die Stimm' und die Göttinnen kamen zusammen, Alle, so viel Nereiden des Meers Abgründe bewohnen. Da kam Glauke zu ihr und Kymodoke kam und Thalia,

Speo, Nesäa und Thoe und Halia, herrschenden Blickes,

40

Limnorea und mit ihr Kymothoe mit der Aktäa,

Melite kam und Zära, Amphithoe auch und Agaue, Doto zugleich mit der Proto, Dynamene mit der Phernsa,

Auch Deramene kam und Amphinome, Kallianira, Doris nnd Panope mit Galatea, der herrlichen Göttin,

45

Dann Nemertes und mit ihr Apseudeö und Kallianassa; Da war Klymene mit Janira und mit Janassa,

Lieblich gelockt Amathea mit Orithyia und Mära: Sie und so viel Nereiden des Meers Abgründe bewohnen,

Alle sie füllten die Grotte, die silberne; gegen den Busen

50

Schlugen sich all', und die Klage begann die erhabene Thetis: Höret, ihr Schwestern, ihr Kinder des Nereus, daß ihr es alle

Wißt und vernehmet, worüber das Herz mir im Busen betrübt ist. Wehe mir Unglücksmutter des Herrlichsten, wehe mir Armen,

Die ich das Kind mir geboren, den Sohn, den untadligen, besten,

55

Achtzehnter Unter den Helden den ersten!

Gesang.

369

Er wuchs wie ein Reis in die Höhe,

Und ich erzog ihn, so wie in dem üppigen Acker die Pflanze, Sandte nachher ihn hinaus in den schnäbligen Schiffen nach Troja,

Gegen die Männer zu kämpfen, und er kehrt nie zu der Heimat Wieder zurück; nie werd' ich in Pelms Haus ihn empfangen.

60

Jetzo indeß nun, weil er mir lebt und des Helios Licht schaut, Härmt er sich ab; ich besuch' ihn umsonst: nichts kann ich ihm helfen.

Aber ich geh', ihn zu sehen, den theueren Sohn, und zu hören,

Was für ein Leid ihn betroffen, nachdem er vom Kampfe zurückblieb.

Sprach's und die Grotte verließ sie; zugleich mit ihr gingen die andern, 65 Thränenvergießend, und rings trat hoch aufwogend die Meerstut Um sie zurück.

Dann, als sie gelangt zu der scholligen Troja,

Stiegen in Reihen sie aus an den Strand, wo lagernd die Menge

Myrmidonischer Schiffe sich zog um den Renner Achilleus.

Hin zu dem tief aufschluchzenden trat die unsterbliche Mutter,

70

Und sie umfing laut weinend das Haupt des erhabenen Sohnes,

Jammerte klagend, und sprach zu ihm dann die geflügelten Worte:

Kind, was weinest du? Was für ein Schmerz durchdringt dir die Seele?

Sag' es; verhehl' es mir nicht!

Schon ist ja dir Alles erfüllet,

Von dem Kronion, was du zuvor im Gebet dir erfleht hast,

75

Daß um die Steuer der Schiffe die Danaer alle gedrängt sind, Und sie, verlassen von dir, die entsetzlichen Leiden erdulden.

Und zu ihr sprach tief seufzend der mächtige Renner Achilleus: Mutter, gewiß, das hat der Olympier wohl mir erfüllet!

Doch-wie freut' ich mich dessen, nachdem mein Freund mir, Patroklos

80

Fiel, er, den ich am meisten geliebt vor den andern Genossen,

Wie mein eigenes Haupt!

Der fiel, und ihm raubte die Rüstung

Hektor, der ihn erschlug, die gewaltige, Wunder zu schauen,

Prachtvoll, welche die Götter dem Pelms ehrend verliehen An dem Tag, als dich sie dem sterblichen Manne vermälten.

Möchtest du doch da drunten, den Meergöttinnen gesellet, Wohnen, und Pelms hätte der Sterblichen eine gefreiet!

24

85

370

Ilias.

Daß auch dir nun jetzo die Brust der unendliche Schmerz trifft,

Wann dein Sohn stirbt, den du ja niemals bei der Zurückkunst Wiederempfängst; denn nimmer erlaubt mein eigenes Herz mir,

90

Unter den Männern zu leben, bevor mit dem Speer ich den Hektor Erst durchbohrt, so daß er die Seel' aushaucht und die Sühnung

Für des Patroklos Beraubung, des Menötiaden, bezahlet. Und es entgegnete Thetis und sprach zu ihm, Thränen vergießend:

Kurz wird dann dein Leben, o Kind, sein, wie du gesprochen-

95

Denn es erwartet dich selber sogleich nach Hektor das Schicksal! Und es entgegnet' ihr seufzend der mächtige Renner Achilleus:

Stürb' ich sogleich nur, da ich ja nicht dem geliebten Genossen Sollte den Tod abwehren! —

So fern von dem Lande der Väter

Sank er dahin- ich fehlt' ihm, ich hätt' ihn bewahrt vor dem Unheil! 100

Jetzt nun, da ich gewiß nie mehr in die theuere Heimat Komm' und Patroklos nicht und die anderen Freunde gerettet, Deren so viel hinsanken, gewürgt von dem göttlichen Hektor,

Sondern geruht an dem Schiff, nur Last für den Boden, so nutzlos, Ich, dem Keiner von allen den Erzumwehrten Achäern

105

Gleichet im Kampf — sind auch in dem Rath wohl Andere besser! — Möchte der Streit doch unter den Göttern und Menschen vertilgt sein, Möcht' es der Zorn sein, der den Verständigsten selber in Wuth bringt,

Da er, im Anfang lieblich und mild, wie träufelnder Honig, Bald in der Männer Gemüth, gleich dampfendem Feuer, emporschießt,

110

Wie jetzt mich der Gebieter des Volks Agamemnon erzürnt hat. Aber Geschehenes lassen wir ruhn, selbst, wenn es uns weh thut, Daß wir das Herz in dem Busen, der Noth nachgebend, bezwingen.

Jetzt nun geh' ich, den Mörder des theueren Hauptes zu treffen,

Hektor- ich nehme den Tod dann selbst hin, wann es Kronion

Mir ihn zu senden gefällt und den anderen ewigen Göttern.

Denn es entging ja sogar des Herakles Kraft dem Geschick nicht, Der wie Keiner von Allen von Zeus, dem Kroniden, geliebt ward; Sondern er fiel dem Geschick und dem schrecklichen Zorne der Here.

115

Achtzehnter

Gesang.

So werd' ich auch, wenn mir ein Loos gleich diesem verhängt ist,

37t 120

Fallen und todt sein; jetzo indeß noch sammt’ ich mir Siegsruhm, Und von den Troischen und den Dardanischen busigen Frauen

Soll mit den Händen sich manche den blühenden Wangen der Thränen

Rinnenden Strom abtrocknen um mich, mit unendlichem Seufzen: Sehn jetzt sollen sie, daß von dem Kampf ich lange zurückblieb!

125

Halt drum nicht von der Schlacht aus Liebe mich ab: du erlangst nichts. Und es entgegnet’ ihm wieder die silberfüßige Thetis:

Wohl sehr wahr ist dieses, o Kind; nicht kann man eS tadeln, Wenn wir die Freund’ in der Noth vor dem drohenden Tode beschirmen.

Doch dein Waffengeschmeide, so prachtvoll schimmernd in Erzglanz

130

Haben die Troer: es pranget der Helmbuschnickende Hektor Selker damit, um die Schultern geschmückt; doch, glaub’ ich, er glänzt wohl Nicht mehr lange darin, weil nah sein Tod ihm bevorsteht.

Doch du gehe mir jetzt noch nicht in des Kampfes Getümmel, Bis du mich hierher wieder gekehrt mit den Augen gesehn hast.

135

Denn mit dem Frührotb komm’ ich, sobald nur Helios aufsteigt,

Dir von dem Herrscher Hephästos die herrlichen Waffen zu bringen. Also sprach sie zu ihm, und sie schied von dem herrlichen Sohne, Wandte sich gegen die Schwestern, die Meergöttinnen, und sagte:

Taucht ihr jetzo hinab in den Schoß der unendlichen Meerflut,

140

Daß ihr den Vater in seinem Palast dort sehet, den Meergreis,

Und es ihm Alles erzählet; ich selbst will auf deö Olympos Höhn zu Hephästos gehn, dem gepriesenen, ob er geneigt ist, Herrliche Waffen dem Sohne, von Glanz hellstralend, zu geben.

Sprach's: da tauchten sogleich sie hinab in die Wogen der Meerflut, 145

Und zum Olympos eilte die silberfüßige Göttin Thetis, dem theueren Sohne die herrlichen Waffen zu bringen. So nun eilte sie auf den Olympos; doch die Achäer

Kamen, mit lautem Geschrei vor dem Männervertilgenden Hektor Fliehend, hinab zu den Schiffen und hin zu dem Hellespontos.

Selbst den Patroklos konnten die wohlumschienten Achäer 24*

150

37L

S l la S.

Nicht den Geschossen entziehn, den erschlagenen Freund des Achilleus;

Denn es erreicht' ihn von Neuem bereits mit den Rossen das Kriegsvolk,

Hektor, der Priamide, zumal, gleich stürmendem Feuer.

Dreimal faßt' ihn von hinten am Fnß der erhabene Hektor,

155

Ihn mit Gewalt zu entführen, und trieb laut rufend die Troer: Und es verdrängten die Ajas, die stürmenden, starken, ihn dreimal

Wieder vom Todten; indeß er stets, in der trotzigen Kühnheit, Stürzte sich bald im Getümmel heran; bald wiederum stand er,

Mächtig dem Volk zurufend, und rückwärts wandt' er sich gar nicht.

160

Wie Lorn getödteten Thiere die wachenden Hirten den gelben,

Hungergetriebenen Löwen umsonst sich bemühn zu verjagen: Also vermochten die Ajas, die zwei Kampfmuthigen, nimmer

Hektor^ Priamos Sohn- von dem Leichnam dort zu verdrängen. Und er entführt' ihn gewiß und gewann sich unendlichen Nachruhm,

165

Wenn nicht zu dem Peliden die windschnell eilende Iris

Schnell vom Olympos kam und ihn aufrief, sich zu bewaffnen,

Zeus und,den anderen Göttern geheim: sie entsendete Here. Nahe zu ihm nun trat sie und sprach die geflügelten Worte: Mache dich auf, o Pelide, du schrecklichster unter den Mannern,

Rette Patroklos!

170

Es woget um ihn der entsetzliche Kampf dort

Vorn an den Schiffen, indem sie sich unter einander ermorden.

Denn die kämpfen mit Macht, des Erschlagenen Leiche zu retten; Aber sie an sich zu reißen zu Ilios luftigen Höhen

Stürmen die Troer hinan, und "zumeist der erhabene Hektor

175

Strebt, ihn hinüber zu ziehn; er begehrt in der Wuth, sein Haupt dort, Ihm von dem blühenden Nacken gehau'n, auf Pfähle zu spießen.

Auf!

Nicht liege du länger: eS muß dich ja schaudern im Herzen,

Würde Patroklos ein Raub und ein Spiel für die Hunde der Troer. Dir wär's Schmach, wenn also beschimpft der Erschlagene herkäm.

Und es entgegnet' ihr fragend der göttliche Renner Achilleus:

Wer von den Himmlischen sandte dich mir als Botin, o Iris? Und zu ihm sagte dagegen die windschnell eilende Iris:

180

Achtzehnter Gesang.

373

Here sandte mich her, Zeus würdige Lagergenossin. Weder Kronion, der Herrscher, noch sonst von den ewigen Göttern

185

Weiß es ein Anderer, die des Olympos Höhen bewohnen.

Uud ihr entgegnet' und sprach der gewaltige Nenner Achilleus:

Wie nur geh ich hinein in die Schlacht? die haben die Rüstung,

Und es verbot mir die Mutter, die theuere, mich zu bewaffnen, Th ich sie selber mit Augen gesehn und sie wiedergekehrt ist;

190

Denn von Hephästos versprach sie mir, herrliche Waffen zu bringen. Aber ich weiß auch Keinen, von dem ich die prangende Rüstung Anlegt', außer von Ajas den Schild, von des Telamon Sohne.

Doch der steht, so hoff ich ja, selbst in den vordersten Kampfreihn, Sie mit dem Speere vertilgend, und schirmt den erschlag'nen Patroklos. 195

Und es entgegnet' ihm wieder die windschnell eilende Iris: Wir auch wissen es, daß dir die herrlichen Waffen geraubt sind; Doch auch so tritt vor und erschein' an dem Graben den Troern, Ob in dem Schrecken vor dir von dem Kampf sich die Troer zurückziehn Und sich die tapferen Söhne der Danaer von der Bedrängniß

200

Etwas erholen, und wär's von dem Kampf nur wenig Erholung.

Also sprach und entschwebte die windschnell eilende Iris. Aber Achilleus stand von der Erd' auf, und Athenäa

Warf um die mächtigen Schultern die Troddelumhangene Aegis, Und ihm umgab sie das Haupt mit Gewölk, die erhabene Göttin,

205

Goldenen Scheins, und entflammte daraus hell leuchtendes Feuer.

So wie wallender Rauch von der Stadt in den Aether emporsteigt, Fern in der Insel im Meer, die feindliche Männer bedrängen. Während des Tages bestehen den schrecklichen Kampf der Entscheidung

Die von der Stadt; dann aber, sobald sich die Sonne hinabsenkt,

210

Lodern geflochtene Bündel empor, und der flammende Glutschein Fliegt hoch auf, so daß ihn die ringsum Wohnenden sehen,

Ob sie mit Schiffen vielleicht in dem Unglück kämen, zu helfen: Also stieg in den Aether der Glanz von dem Haupt des Achilleus.

Und zu dem Graben den Wall durch ging er; indeß den Achäern

215

374

Ilias.

Nahet' er nicht: so ehrt' er die sorgliche Warnung der Mutter.

Dort nun stand er und rief, und zugleich rief Pallas Athene,

Von ihm entfernt, und den Troern erregt' er unendlichen Aufruhr. So wie es weithin tönt von dem hallenden Ruf der Drommete, Wann um die Stadt sich die Feind' in verheerenden Scharen gesammelt: 220 Also erscholl's da weit von dem hallenden Ruf des Achilleus.

Und als jene den ehernen Oluf des Peliden vernahmen, Zitterten All' in der Brust, und die Mähnenumwalleten Rosse

Wendeten um mit den Wagen: sie ahneten Böses im Herzen. Und es gewahrten die Lenker, entsetzt, den unendlichen Glutschein,

225

Graunvoll über dem Haupt des erhabenen Peleionen,

Flammend entbrannt von des Zeus helläugiger Tochter Athene. Dreimal rief an dem Graben mit Macht der gewalt'ge Achilleus,

Und es verwirrten die Troer und Bundesgenossen sich dreimal, So, daß zwölf hinsanken daselbst von den tapfersten Helden

Unter dem eignen Gespann und Geschoß.

230

Doch die von Achaja

Trugen erfreut nun aus dem Gedräng der Geschosse Patroklos, Legten ihn hin auf's Lager; es sammelten um ihn sich schmerzvoll Alle die Freund' und darunter der muthige Nenner Achilleus, Brennende Thränen vergießend, indem er den treuen Genossen

235

Sah auf die Bahre gestreckt, von dem schneidenden Erze gemordet. Eben entsandt' er ihn nur zu dem Kampf mit den Rossen und Wagen:

Und ihn empfing sein Gruß nicht mehr bei seiner Zurückkunft! Helios aber, den nimmer ermattenden, sendete Here,

Sträubt' er sich auch wohl, herrschend hinab in Okeanos Fluten.

240

So sank Helios hin, und die herrlichen Danaer ruhten

Von dem gewaltigen Streit und dem schrecklichen Kampfesgetümmel. Aber die Troer von drüben, nachdem sie die wüthende Feldschlacht

Weichend beendiget, lösten die flüchtigen Rosse vom Wagen, Und sie versammelten erst sich, bevor sie des Males gedachten.

Aufrecht standen sie all' in dem Kreis da; niederzusitzen Traute sich Keiner von ihnen: sie zitterten, weil sich Achills

245

Achtzehnter

Gesang.

375

Wieder gezeigt, der lange geruht von dem schrecklichen Kampfe. Und -es begann mit den Reden Polydamas, PanthooS Sprößling,

Welcher, verständig, allein das Vergangene sah und die Zukunft,

250

Hektors Freund, in derselbigen Rächt, wie dieser geboren, Jener der Erste von Allen im Wort, doch dieser im Speerkampf.

Und er begann wohlmeinend und redete vor der Versammlung:

Ernstlich bedenkt und erwäget es, Freund': ich meine, wir ziehn uns Gleich in die Veste zurück und erwarten das heilige Frühroth

255

Richt im Gefild an den Schiffen; wir sind weit ab von der Mauer! Weil der Mann noch gegen den göttlichen Held Agamemnon

Zürnete, war eS uns leichter im Kampf mit den Söhnen Achajas,

Und ich erfreute mich selbst an dem Schlaf an den eilenden Schiffen, Weil ich ja hoffte, wir würden die rüstigen Schiffe gewinnen;

260

Doch nun fürcht' ich gewaltig den mächtigen Nenner Achilleus.

Wie sein Herz in der Brust voll Trotz ist, will er gewiß nicht In dem Gefild mehr bleiben, in dem die Achäer und Troer

Beide sich gegen einander versucht in dem wilden Gefechte; Sondern er eilet sogleich zu dem Kampf um die Stadt und die Frauen. 265 Folget mir also und kommt in die Stadt; denn glaubt, es geschieht so!

Rur die ambrosische Nacht hielt jetzt den gewalt'gen Achilleus;

Trifft er uns aber, sobald sich der Tag zeigt, noch im Gefild hier, Wann er bewehrt herstürmt: dann lernt wohl Mancher ihn kennen;

Denn es erreicht voll Freude der heiligen Ilios Mauern,

270

Wer ihm entrinnt, und es werden die Hund' und die Geier der Troer

Viele zerfleischen: o, möcht' ich es nie mit den Ohren vernehmen! Wenn ihr indessen, so sehr es uns schmerzt, thut, wie ich es rathe:

Bleiben wir Nachts mit dem Volk auf dem Markt: es beschützen die Veste

Thürm' und die mächtigen Thore mit hochaufragenden Flügeln,

275

Welche sich fest einfügen und glatt zu dem Schluffe gepaßt sind.

Gleich mit dem grauenden Morgen sodann, in dem Schmucke der Rüstung,

Treten wir hin auf die Mauer und weh ihm! wenn es ihm einfällt, Sich zu dem Kampf von den Schiffen an unsere Thürme zu wagen.

376

Ilias.

Fort zu den Schiffen entweicht er, nachdem er die schnaubenden Rosse 280

Immer im Laufe, genug und umsonst um die Veste gejagt hat. Wahrlich, hinein wird nimmer der Muth ihm zu dringen gestatten) Nimmer zerstört er sie; eher zerfleischen ihn flüchtige Hunde!

Da sprach finsteren Blickes der Helmbuschnickende Hektor: Mir kann nimmer gefallen, Polydamas, was du gesprochen,

285

Der du uns räthst, auf's Neu in die Stadt uns zusammen zu drängen. Wäret ihr noch nicht lange genug von den Mauern umschlossen? Sonst ward Priamos Stadt von der redenden Menschen Geschlechtern

Weithin immer die reiche genannt, voll Erzes und Goldes;

Doch nun sind sie geschwunden, die köstlichen Güter der Häuser,

290

Weil nach Phrygia hin und Mäonias lieblichen Fluren Viel Gut geht zum Verkauf; denn Zeus, der Gewaltige, zürnt' uns.

Jetzo indeß, da Ruhm mir der Sohn des verschlagenen Kronos

Gab an den Schiffen und daß ich Achajas Söhn' an das Meer trieb: Thor, jetzt äußere nimmer im Volk mehr diese Gedanken;

295

Denn dir folgt kein Troer und niemals werd' ich es dulden!

Also wohlauf, ihr Alle, so wie ich rede, gehorcht mir! Nehmet das Nachtmal jetzt in den Ordnungen ein in dem Heere,

Denket der Hut auch wohl, und ein Jeglicher halte sich wachsam.

Wer von den Troern sich aber zu sehr härmt um das Besitzthum:

300

Nun, der nehm' und vertheil' es doch bald in dem Volk, zu verschmausen! Besser, es laben sich diese daran, als Männer Achajas. Früh mit dem grauenden Morgen indeß, in dem Schmucke der Rüstung,

Laßt an den wölbigen Schiffen uns Ares wecken, den wilden. Wenn in der That an den Schiffen der hohe Pelide sich aufmacht,

Nun, so erkor er sich selber das Schlimmere!

305

Werd' ich vor ihm doch

Nicht von dem schrecklichen Kampfe zurückfliehn; gegen ihn tret' ich,

Ob der erhabene Ruhm dann mir, ob jenem zu Theil wird; Jegliches Freund ist Ares: den Mordenden mordet er wieder!

Hektor sprach's: da riefen die Troischen Scharen ihm Beifall, Thöricht: sie waren der Sinne beraubt durch Pallas Athene,

310

Achtzehnter

Gesang.

377

Daß sie dem Hektor jauchzten, indem er Verderbliches vorschlug,

Und dem PolydamaS keiner, obwohl er den trefflichen Rath gab. Dann nun nahmen im Heer sie das Nachtmal.

Doch die Achäer

Jammerten, laut wehklagend, die Nacht durch um den Patroklos.

315

Und der Pelide begann in dem Kreis die unendliche Klage, Legt' auf die Brust des Genossen die Männerermordenden Hände, Bitterlich tief aufstöhnend vor Schmerz, wie ein bärtiger Löwe,

Welchem die Jungen ein Jäger, dem Hirsch nachgehend, geraubt hat AuS dem verwachs'nenGebüsch, und es schmerzt ihn, wann er zurückkommt. 320 Jegliches Thal durchläuft er und spähet dem Mann und der Spur nach, Ob er ihn irgend erblick' in dem grimmigen Zorne des Herzens:

Also seufzete jener und sprach zu den Myrmidonen: Weh mir, ein eiteles Wort war's, das ich geredet des Tages,

Als ich im Hause dem Helden Menötios Muth in das Herz sprach!

325

Heim nach Opus verhieß ich den herrlichen Sohn ihm zu bringen, Wann er nach Ilios Falle der Beut' Antheil sich erlooset.

Doch nicht jeden Gedanken erfüllt ja den Menschen Kronion, Da uns verhängt ward, beiden, dieselbige Erde zu röthen,

Hier in dem Troischen Land.

Denn mich auch wird ja der Greis nicht 330

Wiedergekehret empfangen im Haus, der gewaltige Peleus, Noch auch Thetis, die Mutter: es deckt einst hier mich die Erde. Doch nun, da ich nach dir, o Patroklos, hin zu dem Ms Gehe, bestatt' ich dich nimmer, bevor ich die Waffen des Hektor

Und sein Haupt dir gebracht, des Gewaltigen, der dich erschlagen.

335

Auch zwölf Jünglinge will ich am brennenden Haufen erwürgen, Edele Söhne der Troer, im Zorn ob deiner Ermordung.

Ruhe so lange mir denn hier so, an den schnäbligen Schiffen! Busenumgürtete Frauen des Dardanervolks und der Troer Sollen die Nächte hindurch und des Tags dich beweinen und klagen, Welche wir selbst mit Gewalt und dem mächtigen Speer uns erbeutet,

Als wir die blühenden Städte der redenden Menschen zerstörten. Sprach es, und seinen Genossen befahl der erhab'ne Achilleus,

340

378

Ilias.

Eilig ein groß, dreifüßig Geschirr an das Feuer zu stellen,

Um von dem blutigen Staub des Patroklos Leiche zu säubern.

345

Und zu dem Bad nun setzten sie gleich an das Feuer den Dreifuß, Gossen mit Wasser ihn voll und entzündeten Scheite darunter. Da schlug Gluth um den Bauch des Geschirrs, und es kochte das Wasser.

Als nun aber das Wasser im ehernen Kessel erhitzt war, Wuschen sie jenen und salbten ihn dann mit dem schmeidigen Oele,

350

Füllten die Wunden ihm aus mit der neun Jahr stehenden Salbe,

Und dann legten sie ihn aufs Bett mit der köstlichen Leinwand Und mit dem schimmernden Teppich bedeckt von dem Kopf zu den Füßen.

Aber die Nacht ganz durch um den muthigen Nenner Achilleus

Klagten die Myrmidonen mit jammerndem Ruf den Patroklos.

355

Da sprach Zeus zu der Here, der leiblichen Schwester und Gattin: Nun, jetzt hast du ja doch es erreicht, hochwaltende Here, Daß sich Achilleus wieder erhebt, der gewaltige: sicher

Hast du sie selber geboren, die Hauptumlockten Achäer!

Da sprach Here dagegen, die Hoheitblickende Göttin:

360

Was für ein Wort, o Kronion, Entsetzlicher, hast du gesprochen! Sucht ja der Mensch doch selbst, mit dem Mann sein Ziel zu erreichen, Der, nur sterblich geboren, sich auch weit weniger Rath weiß:

Wie sänn' tch nun, die ich der Göttinnen höchste mich rühme, Zwiefach, durch die Geburt und zugleich auch, weil ich die Gattin

365

Heiße von dir, der allen unsterblichen Göttern gebietet: Wie sänn' ich nicht, zürnend, dem Troischen Volke Verderben?

Also sprachen sie dieses und Aehnliches dort mit einander. Und zu Hephästos kam in das Haus die erhabene Thetis, Welches, von ewiger Dauer, gestirnt, vor den himmlischen prachtvoll,

370

Ganz aus Erz sich selber der Hüftengelähmte gebaut hat. Den nun fand sie im Schweiß um die blasenden Bälge beschäftigt, Eifrig bemüht, Dreifüße zu fertigen, zwanzig in Allem,

Um in dem herrlichen Saal ringsum an den Wänden zu stehen. Goldene Räder befestigt' er jeglichem unten am Boden,

375

Achtzehnter Gesang.

379

Daß sie von selbst hinliefen sowohl in die Götterversammlung, Als in das Haus heimkehrten, bewunderungswürdig zu sehen! So tveit waren sie fertig bereits; nur fehlte der Henkel

Kunstwerk noch: die setzt' er daran, und er schmiedete Nägel.

Als er dabei nun eben mit sinnigem Geiste bemüht war:

380

Da kam zu ihm die Göttin, die silberfüßige Thetis. Und rs erblickt' und empfing sie, von köstlichen Schleiern umwallet, Charis, die schöne Gemalin des herrlichen Hüstengelähmten,

Gab ihr die Hand, sie begrüßend und sprach zu ihr freundlich die Worte:

Wie kommst du in die Wohnung zu uns, o gefeierte Thetis, Theuere, Schleierumwallte?

385

Du Pflegst sonst nimmer zu kommen!

Aber hinein nun folge mir, daß ich dich gastlich empfange. So die erhabene Göttin, und führte sie ein in die Wohnung, Reicht' ihr darauf zum Sitzen den Stuhl mit den silbernen Buckeln,

Künstlich und schön, mit dem Schemel daran, um die Füße zu stützen, 390 Und den Hephästss rief sie, den herrlichen Meister, und sagte: Komm doch herein, o Hephästos, zu uns hier, Thetis bedarf dein! Und es erwiderte jener der herrliche Hüstengelähmte:

Ei, da ist sie ja hier, die erhabene, mächtige Göttin, Die mich erhielt, als einst mich der Schmerz des unendlichen Falls traf 395

Durch die Verschuldung der Mutter, der schrecklichen! Weil ich gelähmt war, Wünschte sie mich zu verbergen, und Klägliches duldet' ich damals, Nahm nicht Thetis mit der Eurynome mich in dem Schoß auf,

Jener Eurynome, die des Okeanos Tochter sich rühmet. Neun Jahr war ich mit diesen und schmiedete mancherlei Kunstwerk,

400

Nadeln, gewundene Spangen und Ning' in die Ohren und Ketten,

Unter der Grotte Gewölb, und Okeanos flutende Strömung Brausete rastlos schäumend umher; kein Anderer wußt' es,

Keiner der Götter und keiner der sterblichen Erdenbewohner; Thetis wußt' es allein und Eurynome, die mich gerettet.

Diese besuchet uns nun in dem Haus!

Da muß ich ja, wahrlich,

Thetis, der lieblich gelockten, die Lebenserrettung vergelten!

405

380

3lia-.

Aber so reiche doch du ihr die gastliche Liebesbewirthung,

Bis ich die Bälg' an die Seite gesetzt und das andere Werkzeug!

Also der rusige Ries', und er stand gleich auf von dem. Ambos,

410

Hinkend, und unten bewegten die schwächlichen Füße sich mühsam. Schnell nun nahm er vom Feuer die Bälg' und das andere Werkzeug,

Das er gebraucht, und er warf's in die silberne Kiste zusammen. Wusch mit dem Schwamme darauf das Gesicht rings ab und die Hände

Beide, den mächtigen Nacken zugleich und die zottige Brust auch,

415

Warf sich den Rock um, nahm den gewaltigen Stab, und heraus nun

Kam er gehinkt, und es stützten den Mächtigen dienende Mädchen,

Ganz aus Golde gebildet und gleich wie lebende Jungfraun. Diese besitzen Verstand in der Brust und die Gabe der Rede, Kraft auch und von den Göttern in Kunstarbeiten Erfahrung.

420

Sie nun stützten besorglich den herrschenden Gott, der mühsam

Näher zu Thetis kam und sich setzt' auf den blinkenden Sessel. Und er begann zu ihr also, indem er ihr grüßend die Hand gab:

Wie kommst du in die Wohnung zu uns, o gefeierte Thetis, Theuere, Schleierumwallte?

Du pflegst sonst nimmer zu kommen!

425

Sage mir, was du verlangst, und es soll dir von Herzen gewährt sein, Kann ich es nur dir gewähren und ist's sonst irgend gewährbar. Und es erwiderte Thetis und sprach zu ihm, Thränen vergießend:

Litt wohl auf dem Olympos der Göttinnen eine, Hephästos, Irgend in ihrem Gemüthe so viel Herznagenden Kummer,

430

Als auf mich vor den Andern Kronion Schmerzen gehäuft hat?

Denn mich gab er von allen den Meergöttinnen dem Manne, Pelms, Aeakos Sohn, und des Mannes Umarmung ertrug ich

Ungern, wahrlich! er liegt jetzt da in dem traurigen Alter,

Kraftlos, in dem Palast, und ein anderer Gram quält jetzt mich. Denn er verlieh es mir, daß ich des Sohnes genaß und ihn aufzog,

Unter den Helden den ersten: er wuchs wie ein Reis in die Höhe. Diesen erzog ich mir, wie in dem üppigen Acker die Pflanze,

Sandte nachher ihn hinaus in den schnäbligen Schiffen nach Troja,

435

Achtzehnter

Gesang.

Gegen die Männer zu kämpfen, und er kehrt nie zu der Heimat

381 440

Wieder zurück; nie werd' ich in PeleuS Haus ihn empfangen. Jetzo indeß nun, weil er mir lebt und des Helios Licht schaut,

Härmt er sich ab; ich besuch' ihn umsonst: nichts kann ich ihm helfen. Die als Ehrengeschenk ihm die Danaer gaben, die Jungfrau, Nahm auS den Händen ihm wieder der herrschende Fürst Agamemnon. 445

Und er verzehrte sich um sie in Schmerz; da drängten die Troer

Argos Volk an die Steuer zurück, und sie ließen sie nimmer

Wieder hervor; und ihn baten mit Flehn die Gebieter Achajas, Viele Geschenk' aufzählend und köstliche, die sie ihm boten.

Da nun weigert' er selber sich zwar, dem Verderben zu wehren;

450

Doch den Patroklos bewaffnet' er drauf mit der eigenen Rüstung, Sandt' in den Kamps ihn hinaus und vertraut' ihm die Menge des Kriegsvolks.

So nun kämpften den Tag sie hindurch an dem Skäischen Thore, Und sie zerstörten des Tages die Stadt wohl; aber Apollon Tödtet' im vordersten Kampf des Menötios tapferen Sohn dort,

455

Der sie verderbend bedrängt', und dem Hektor gab er den Siegsruhm.

Deshalb komm' ich und flehe zu dir jetzt, ob du geneigt wärst,

Schild mir und Helm für den bald hinscheidenden Sohn zu verleihen, Panzer und herrliche Schienen und schließende Knöchelbedeckung; Denn sein treuer Genosse verlor ihm die seinen: er sank ja

460

Hin vor den Troern, und er liegt, Schmerz in der Seel', an dem Boden.

Und es entgegnet' ihr wieder der herrliche Hüftengelähmte:

Sei du getrost und bekümm're dich deshalb nicht in dem Herzen. Könnt' ich ihn nur vor dem Tod, dem entsetzlichen, also verbergen,

Ferne von hier, wann künftig das Schicksal schrecklich ihn antritt,

465

Wie er die herrlichen Waffen sich anlegt, die in der Zukunft

Jeder im Volke der Menschen erstaunt soll sehn mit Bewund'rung! Sprach es und ließ sie daselbst, und er eilete hin zu den Bälgen, Wandte sie gegen das Feuer und trieb sie zu schaffender Arbeit.

Da nun bliesen ihm zwanzig der Bälg' in die Essen zusammen, Allerlei Hauch ausstoßend und lodernde Flammen erregend,

470

382

Ilias.

Daß sie dem Eilenden dienten und dann auch ruhiger bliesen,

Wie es Hephästos wollt' und das Werk vorschritt in Vollendung. Der nun warf in die Gluthen unbändiges Eisen und Zinn dann,

Preisliches Gold auch, Silber zugleich; dann hob er den großen

475

Ambos auf zu des Blockes Gestell; mit der Rechten ergriff er

Seinen gewaltigen Hammer und nahm mit der Linken die Zange. Erst nun macht' er den Schild, den gediegenen, großen, und schmückt' ihn Ringsum künstlich, indem er den blitzenden Rand um ihn her zog,

Dreifach, stralend von Glanz, mit dem silbernen Schildesgehänge.

480

Fünffach waren die Lagen des Schilds, und er bildete drinnen Viel kunstherrliche Werke mit einsichtsvoller Erfindung.

Auf ihm macht' er die Erd' und das Meer und darüber den Himmel, Helios, der nie rastet, nachher und die Scheibe des Vollmonds,

Dann die Gestirn' auch alle, von denen der Himmel erfüllt ist,

485

So des Orion Gewalt, das Plejadengestirn, die Hyaden,

Ferner die Bärin, zugleich von den Sterblichen Wagen geheißen, Welche sich stets dort drehet und hinsieht nach dem Orion,

Aber allein niemals in OkeanoS Bad sich hinabtaucht.

Dann auch bildet' er drauf zwei Menschenbewohnete Städte,

490

Herrlich: es waren in einer der Hochzeit festliche Schmäuse: Bräut' aus ihren Gemächern im glänzenden Scheine der Fackeln,

Führten die Stadt sie hindurch mit der Hochzeit lautem Gesänge;

Jünglinge drehten sich wirbelnd im Tanz, und dazwischen erhoben Flöten und Lauten ihr helles Getön, und es standen die Frauen,

495

Voller Bewunderung, jed' in der Thür an der eigenen Wohnung.

Dann stand dort im Gedränge das Volk auf dem Markt um den Streit her, Da zwei Männer sich stritten und haderten wegen der Sühnung Für den. erschlagenen Mann: der schwur und behauptet' im Volke,

Daß er sie völlig gezahlt: der sprach, nichts hab' er empfangen.

500

Beide begehreten nun von dem Kundigen laut die Entscheidung, Während dem Einen und Andern das Volk zujauchzt' und ihm beistand.

Herold' endlich bezähmten die Meng', und es saßen die Alten

Achtzehnter Gesang.

383

Auf -en geglätteten Steinen umher im geheiligten Kreise.

Jeglicher nahm in die Hände den Stad von dem rufenden Herold,

505

Trat dann vor, und so wie er daran kam, sprach er das Urtheil. Aber es lagen im Kreise des Volks zwei gvld'ne Talente,

Dem zu verleihn, der jenen im Streit am geradesten Recht spräch.

Und um die andere Stadt her lag ein gedoppeltes Kriegsheer, Glänzend in Waffen, und ihnen gefiel Eins oder das Andre:

510

Daß sie entweder sie völlig verwüsteten, oder die Habe,

Welche die liebliche Veste verschloß, ganz unter sich theilten.

Dieses verweigerten jene; sie rüsteten nun ein Versteck aus, Und es bewachten die Mauer die theuerm Frau'n und die jungen

Kinder zugleich, als Wache gestellt mit den alternden Greisen.

515

Doch die gingen; es führte sie Ares an mit Athene,

Beide von Gold, — ganz golden umgab sie auch beide die Kleidung — Herrlich und groß in dem Waffengeschmeid', als ewige Götter, Hoch vorragend vor Allen; das Volk war kleiner gestaltet. Dann, zu dem Orte gelangt, der wohl dem Verstecke bequem schien,

520

Nahe dem Strom, aus welchem das Vieh dort alles getränkt ward, Lagerten diese sich nieder, bewehrt mit der funkelnden Rüstung.

Hier dann setzten von ihnen sich fern zwei Wächter des Kriegsvolks, Harrend, sobald sie die Schaf' und gehörneten Rinder erblickten.

Bald auch nahten sich diese mit zwei sie geleitenden Hirten,

525

Die, von der List nichts ahnend, am Syrinrspiel sich ergötzten. Doch die hatten von fern sie gesehn, und sie stürzten sich auf sie, Fingen die Heerden der Rinder sogleich und die herrlichen Triften

Glänzender Schaf' und erwürgten die hütenden Hirten der Heerden. Als nun jene das laute Getös um die Rinder vernahmen,

530

Welche die heiligen Thore belagerten, stürmten sie alle

In den beflügelten Wagen herbei und ereilten sie plötzlich. Da nun standen sie fechtend im Kampf an dem Ufer des Strome-,

Und sie ermordeten sich mit den ehernen Speeren einander. Eris flog im Getümmel umher und die schreckliche Möra,

535

3liat.

384

Die den lebend erhielt, der wund war, jenen vor Wunden

Schirmt' und den Anderen todt im Gewühl an den Füßen daherzog: Und ihr Gewand war roth um die Brust von dem Blute der Männer.

So nun tobten sie gleich wie lebende Menschen und kämpften, Und der Gefallenen Leichen entrissen sie Einer dem Andern.

540

Dann auch macht' er darauf ein ergiebiges, üppiges Brachfeld,

Breit, das dreimal trägt, und darauf viel ackernde Männer, Welche die Joch' in dem Kreis stets hierhin trieben und dahin.

Immer, so oft sie, gewendet, des Fruchtlands Grenzen erreichten,

Nahte der Mann, den Pokal mit dem lieblichen Wein in den Händen, 545 Gab.ihn den Pflügern, und diese, zurück zu den Furchen gewendet, Strebten von Neuem, die Grenze der üppigen Flur zu erreichen.

Die war hinter dem Pflug ganz schwarz, wie eben geackert, Ob zwar golden, es war ein bewunderungswürdiges Kunstwerk! Dann auch macht' er ein Feld, wo Saat tief wallt', und die Schnitter 550

Mäheten, jeder die Hand mit der schneidenden Sichel bewaffnet.

Hier sank üppig die Menge der Halm' an der Furche zu Boden, Während die Binder mit Seilen .sie dann aufnahmen zu Garben.

Drei Mann waren zu binden bestellt, und im Rücken derselben Sammelten Knaben die Aehren im Arm, um sie jenen geschäftig Immer zu reichen.

555

Und unter der Schar stand schweigend der Hausherr

Neben der Furche, den Stab in der Hand, voll Freud' in dem Herzen. Fern dann unter der Eiche bereiteten Schaffner die Malzeit, Um den geschlachteten Stier, den gewaltigen, thätig, und Frauen

Machten ein reichliches Mal von dem schimmernden Mehl für die Schnitter. 560 Dann auch bildet' er drauf voll schwellender Trauben ein Weinfeld,

Schön aus Gold und die Trauben darin schwarz an dem Gelände, DaS er, von silbernen Pfählen erhöht, ganz durch das Gefild zog.

Rings dann führt' er den Graben von Stahl, und um diesen die Zäunung Macht' er von Zinn.

Ein einziger Pfad nur war in dem Weinland: 565

Auf dem gingen, indem sie den Wein ablasen, die Träger.

Blühende Mädchen und Knaben mit jugendlich fröhlichem Herzen,

Achtzehnter Gesang.

385

Trüglen die Frucht voll Süße davon in geflochtenen Körben, Wählend ein Knab' in der Mitte des Zugs auf tönender Laute Reizwoll spielte, dazu mit der lieblichen Stimme des LinoS

570

Schönen Gesang anstimmt', und die Anderen alle zugleich auch Singend und jauchzend ihm folgten mit hüpfendem Sprunge der Füße. Uwd eine Heerd' auch bildet' er drauf Hochhörniger Rinder.

Einige macht' er darunter von Gold und von Zinne die andern, Welche mit lautem Gebrüll zu der Flur hineilten vom Hosraum,

575

Neben dem rauschenden Strome dahin und dem säuselnden Schilfgras.

Und es geleiteten Hirten von Gold, nachschreitend, die Rinder, Vier an der Zahl, von neun schnellfüßigen Hunden begleitet.

Doch zwei schreckliche Leu'n, in dem vordersten Haufen der Rinder,

Hatten den brummenden Farren gepackt — weit scholl das Gebrüll hin — 580 Schleppten ihn mit sich hinweg, von den Hunden verfolgt und den Männern, Riffen zuerst dann beide dem mächtigen Stiere das Fell auf,

Schlürften die inneren Theil' und das dunkele Blut, und die Hirten Scheuchten umsonst sie und hetzten die schnell hereilenden Hunde.

Doch die scheuten sich immer, die Leu'n mit den Zähnen zu packen;

585

Sondern sie standen umher mit Gebell, doch scheu vor dem Angriff.

Und eine Trift dann machte der herrliche Hüftengelähmte,

Weit in dem lieblichen Thale, von silbernen Schafen beweidet, Ställ' auch drinnen mit Dächern und Hirtengeheg' und Gezelte.

Dann einen Reihntanz schuf der gefeierte Hüftengelähmte,

590

Dem gleich, welchen vordem in der weithin ebenen Knossos

Dädalos für Ariadne, die lockenumwallte, sich aussann.

Jünglinge tanzten darinnen und Freierumworbene Jungfraun, Welche sich unter einander die Händ' an dem Knöchel umfaßten:

Diese mit feinen Gewänden von Leinwand, jene mit Röcken, Künstlich gewebten, umhüllt, die schimmerten, blinkend von Oelglanz.

Köstliche Blumen bekränzten die Jungfraun; aber den Knaben Hingen die goldenen Dolch' an dem silbernen Gürtel herunter. Bald nun eilten sie flüchtig, mit künstlichem Schwünge der Füße,

25

595

386

3 lias.

Schwebend dahin, wie wann die befestigte Scheibe der Töpfer

600

Sitzend, mit prüfenden Händen herumdreht, ob sie ihm laufe; Bald dann hüpften sie wieder geschart zu den Einen die Andern.

Zahlreich stand die Versammlung umher um den lieblichen Reihntanz,

Fröhlich; es sang zu der Laute der göttliche Sänger im Kreise, Während sich, wie er zu singen begann, zwei gaukelnde Springer

605

Mitten darin um einander in wirbelnden Kreisen bewegten. Und des Okeanos Strom, den gewaltigen, bildet' er endlich Rings als äußersten Rand um den künstlich bereiteten Schild her.

Aber nachdem er den Schild, den gediegenen, großen, beendet, Macht' er darauf ihm den Harnisch von hellerem Glanz, wie Feuer,

610

Macht' ihm den wuchtigen Helm, der wohl an die Schläfe sich anschloß, Künstlich und schön, und er schmückt' ihn darauf mit dem goldenen Helmbusch. Dann nun macht' er die Schienen zuletzt von geschmeidigem Zinne.

Als nun alle die Waffen der herrliche Meister gefertigt,

Rahm er und legte sie hin vor Achilleus göttliche Mutter,

Und wie ein Habicht schoß sie hinab den beschneiten Olympos Mit des Hephästos Gabe, der weithin stralenden Rüstung.

615

Neunzehnter Gesang. xLos im Safrangewand stieg auf von Okeanos Fluten, Daß sie ihr Licht für die Ewigen brächt' und die sterblichen Menschen: Da war jen' an die Schiffe gelangt mit des Gottes Geschenken.

Und sie erblickte den Sohn: der hielt in den Armen Patroklos,

Schmerzlich um ihn laut klagend, und viel der getreuen Genossen

5

Jammerten rings z da trat zu ihm hin die erhabene Göttin,

Reicht' ihm die Hand, ihn begrüßend und sprach zu ihm freundlich die Worte:

Lassen wir Kind nun diesen, so schwer wir im Herzen betrübt sind,

Ruhen, indem er einmal nach göttlichem Willen dahinsank. Nimm von HephästoS jetzo du hier die gepriesene Rüstung,

10

Kostbar, wie sie zuvor kein Mann um die Schultern getragen.

So sprach zu ihm die Göttin und legt' an den Boden die Rüstung

Vor den Achilleus hin: da rasselte dröhnend das Kunstwerk. Schrecken ergriff in dem Kreise die Myrmidonen: eS wagte Keiner den Blick zu erheben: sie zitterten; aber Achilleus

15

Zürnete mehr nur, als er sie sah, und ihm blitzten die Augen

Furchtbar unter den Wimpern hervor, gleich loderndem Feu^r: Voller Entzücken ergriff er die herrliche Gabe des Gottes.

Aber nachdem er das Herz sich erfreut an der Waffen Betrachtung, Wandt' er sich gleich zu der Mutter und sprach die geflügelten Worte: 20 Mutter, mir gab hier Waffen der Gott, die wahrlich es werth sind,

Ewiger Werke zu sein: kein Sterblicher könnte sie schaffen!

25*

388

2 lLaS.

Jetzt denn will ich mich rüstet; indeß mich quält die Besorgniß, Daß mir dem tapferen Sohn des Menötios etwa die Fliegen

Während der Zeit in die Wunden, vom Erz ihm geschlagen, geschlüpfet,

25

Brut einlegen und so mir den Leichnam schmählich entstellen — Da sein Leben entfloh — und der Lei- dann geh' in Verwesung.

Und es entgegnet' ihm Thetis, die silberfüßige Göttin: Kind, laß dieses dich nicht in dem inneren Herzen bekümmern;

Selber versuch' ich, von ihm die verderblichen Fliegen zu wehren,

30

Deren Gezücht ja die Leiber der Kampfeserschlagenen aufzehrt. Denn auch, wenn er beständig ein ganz umlaufendes Jahr läg,

Wird sein Leichnam nimmer versehrt, er gewinnet an Schönheit. Doch du rufe die Helden der Danaer in die Versammlung, Und von dem Zorn ablassend auf Atreus Sohn Agamemnon,

35

Gürte mit Kraft dich und wappne dich schnell zu dem Kantpf mit der Rüstung.

Sprach es und senkt' in das Herz ihm die niemals zagende Kühnheit. Und Ambrosia tropfte sie ein und den röthlichen Nektar In des Patroklos Nase, dem Leib zum Schutz vor Entstellung.

Doch er trat zu dem Ufer des Meers, der erhab'ne Achilleus,

40

Furchtbar rufend, und weckte den Muth in den Helden Achajas. Selbst, die früher beständig im Schiffsumkreise geblieben,

Führer der Steuer und Männer, bestellt zu den Rudern der Schiffe, So auch Schaffner, von denen das Brot an den Schiffen vertheilt wird: Sie auch eileten jetzt zu dem Markt hin, weil der Pelide

45

Wieder erschien, der lange geruht von dem schrecklichen Kampfe. So auch kamen die zwei noch hinkenden Freunde des Ares, Tydeus muthiger Sohn mit dem göttlichen Helden Odysseus, Beid' auf die Lanze gestützt, voll Schmerz noch von der Verwundung;

Und ganz vorn hin gingen und setzten sie sich in den Kreis hin;

Aber zuletzt erst kam der gebietende Fürst Agamemnon Mit der Verwundung, indem auch ihn in der wüthenden Feldschlacht

Koon, Antenors Sohn, mit der ehernen Lanze getroffen. Aber nachdem nun alle die Danaer dort sich versammelt,

50

Neunzehnter Gesang. Da stand auf und begann der gewaltige Renner Achilleus:

389 55

DaS wär beiden, Atride, fürwahr, heilsamer gewesen,

Dir, wie mir, als beide wir uns mit erbittertem Herzen 3n dem verderblichen Hader entzweieten wegen der Jungfrau. Hätte sie Artemis doch mit dem Pfeil an den Schiffen getödtet,

An dem Tag, an dem ich sie nahm und zerstörte Lyrnessoß!

60

Ja, dann knirschten so viele der Danaer nicht in dem Sande

Unter der Feinde Gewalt, weil ich in dem Zorne beharrte.

Hektor bracht' es Gewinn und den Troern; doch die Achäer Denken gewiß noch lange daran, daß wir uns entzweiet!

Aber Geschehenes lassen wir ruhn, auch wenn es uns weh thut,

65

Unseren Zorn in dem Herzen bewältigend, weil ja die Noth drängt. Ich denn also entsage dem Zorn jetzt; denn mir geziemt nicht, Unaufhörlich zu grollen und endlos.

Aber wohlauf nun,

Rufe sogleich zu dem Kampfe die Hauptumlockten Achäer, Daß ich den Troern begegnend versuch', ob auch in der Zukunft

70

Ihnen der Schlaf an den Schiffen gefällt; doch glaub' ich, es beugt wohl

Mancher von ihnen mit Freude das Knie, wann Flucht ihn gerettet Von dem entsetzlichen Morden des Kampfs und dem Speer des Achilleus!

Sprach's: da freuten sich alle die wohlumschienten.Achäer, Daß er vom Zorn nun ließ, der gewaltige Peleione.

75

Und es begann zu dem Volk der gebietende Fürst Agamemnon, Gleich dorther von dem Sitz', und er trat nicht vor in die Mitte: Freund', ihr Helden des Danaervolks, ihr Genossen des Ares,

So wie ein Mann aufstehet, gebührt ihm Gehör und es ziemt nicht, Ihm in die Rede zu fallen; sogar den Geübtesten stört es;

80

Denn in dem lauten Getöse des Volks, wer wäre, zu hören

Oder zu reden im Standes den mächtigsten Redner verwirrt es. Zu dem Peliden indeß nun wend' ich mich; aber ihr andern

Danaer achtet darauf, und ein jeglicher höre die Rede! Oester vernahm ich ja wohl dieß Wort von den Söhnen Achajas, Wie sie mich pflegten zu tadeln; indeß ich trage die Schuld nicht;

85

390

Ilias.

Zeus und die Möra vielmehr und die Nachtunholdin Erinnys,

Die so entsetzlich den Geist mir verblendeten in der Versammlung,

An dem Tag, an dem ich Achilleus selbst das Geschenk nahm. Doch wie konnt' ich es ändern?

Es schafft dieß Alles die Göttin,

90

Zeus ehrwürdige Tochter, die Schuld) sie bethöret verderblich Jeden: ihr Fuß ist zärtlich und niemals naht er dem Boden;

Sondern sie schreitet daher, hoch über der Sterblichen Häuptern,

Schaden den Menschen zu bringen und wenigstens einen bestrickt sie. Denn sie bethört' einst selber den Zeus, den doch sie den höchsten

95

Nennen von Menschen und Göttern, und ihn auch täuschete dennoch Here, obwohl nur Göttin und Weib, durch trügliche Arglist,

An dem Tag, an dem den gewaltigen Helden Herakles Sollt' Alkmene gebären, in Thebe's herrlichen Mauern.

Da sprach jener, sich rühmend, das Wort in der Götterversammlung:

100

Höret mich, all* ihr Götter und ihr auch, Göttinnen alle,

Denn ich eröffn' euch, was mir das Herz in dem Innern gebietet: Heut noch bringet den Helden die ringende Eileithyia Dor an das Licht, der alle die Nachbarvölker beherrschet, Aus dem Stamme der Männer, in dem mein eigenes Blut rinnt.

105

Da sprach listigen Sinnes zu ihm die erhabene Here:

Unwahr redest du, und du erfüllst nicht, was du gesprochen. Oder beschwör' es, Olympier, gleich mit dem mächtigen Eidschwur, Daß in der That der alle die Nachbarvölker beherrschet,

Wer der Gebärerin Schoß an dem heutigen Tag sich entringet,

110

Aus dem Stamme der Männer, in dem dein eigenes Blut rinnt.

Also sprach sie und Zeus, in der Brust nichts ahnend von Arglist, Schwur den gewaltigen Eid; dann büßt' er nachher die Verblendung.

Gleich schwang Here sich auf und verließ das Geklipp des Olympos,

Daß sie nach Argos kam, dem Achäischen, wo sie die edle Gattin des Sthenelos kannte, des Sohns des erhabenen Perseus. Die trug da in dem Schoß in dem siebenten Monat ein Knäblein.

Dieß nun brachte sie vor an das Licht, unzeitig, Mmenes

115

Neunzehnter Gesang.

391

Weh'n aufhaltend, indem sie die Eileithyia zurückhielt. Und sie verkündete selber darauf dem Kroniou die Botschaft:

120

Blitzender Zeus, du Vater, ich will an ein Wort dich erinnern: Sieh, schon ist er geboren, der Held, der Beherrscher von Argos,

Perseus Enkel, des Sthenelos Sohn, und er heißt Eurystheus, Deines Geschlechts: ihm ziemet im Volk der Argeer die Herrschaft.

Sprach es, und schneidenderSchmerz drang tief in dieBrustdemKronion. 125 Gleich ergriff er die Schuld an den glänzenden Locken des Hauptes, Grimmig erzürnt in dem Herzen, und schwur den gewaltigen Eidschwur, Niemals sollte sie mehr in den sternigen Himmel und niemals

In den Olympos kommen, die Schuld, die Alle bethöret. Also sprach er und warf sie hinab von dem sternigen Himmel,

130

Schleudernd, im Schwung mit derHand, und sie kam zu den Werken der Menschen. Nm sie seufzt' er beständig, so oft er den theueren Sohn sah

Mit des Eurystheus Kämpfen bemüht in der schimpflichen Arbeit.

So auch ich, als eben der Helmbuschnickende Hektor Argos Söhn' an den Steuern der rüstigen Schiffe vertilgte,

135

Mußt' ich beständig der Schuld mich erinnern, die mich verblendet.

Da ich indessen bethört und von Zeus der Besinnung beraubt war, Will ich es nun ausgleichen und reichliche Sühne bezahlen; Nur steh auf zu dem Kampf und die anderen Männer beweg' auch.

Alle die Gaben verleih' ich dir jetzt noch, die dir Ovysseus

140

Gestern, der edle, versprochen, indem er zu dir in das Zelt kam.

Willst du indeß, so verziehe, so sehr du verlangest, zu kämpfen, Daß die Genossen von mir, von dem Schiff her, gleich die Geschenke Bringen und du es erkennest, Erfreuliches will ich dir geben.

Und ihm entgegnet' und sprach der gewaltige Nenner Achilleus: Atreus Sohn, ruhmvoller, gebietender Fürst Agamemnon,

Gieb mir die Gaben, so fern du geneigt bist, wie sich gebühret, Oder behalt sie, es steht bei dir; jetzt laß an den Kampf nur Eilig uns denken, es ziemt nicht, hier viel Worte zu machen

Oder zu zaudern; gethan will noch ein gewaltiges Werk sein,

145

392

Ilias.

Daß in den vordersten Reih'n den Achilleus wieder so Mancher Sehe mit ehernem Speere die Troischen Scharen vertilgen: Also gedenk auch jeder von euch an den Kampf mit den Männern.

Und es entgegnete jenem und sprach der verschlag'ne Odysseus: Nein, nicht treibe, so tapfer du bist, gottgleicher Achilleus,

155

Nüchtern Achajas Söhne gen Ilios, so mit der TroerScharen zu kämpfen.

Es währt ja die Schlacht nicht wenige Zeit nur,

Wann sich die Haufen der Männer einmal im Getümmel getroffen

Und dann beiden die Herzen ein Gott anfüllet mit Kampflust. Sondern befiehl den Achäern, zuvor an den eilenden Schiffen

160

Speise zu nehmen und Wein; denn das macht muthig und kraftvoll.

Nimmer vermag ja ein Mann, bis Helios sinket, den Tag durch, Wann er sich nicht durch Speise gestärkt, zu bestehn in der Feldschlacht. Denn auch, wenn in dem Herzen ihn wohl die Begier zu dem Kampf treibt, Werden die Glieder ihm doch bald schwer, und es kommt ihm allmälig 165

Hunger und Durst an, daß beim Gehn ihm die Kniee versagen. Hat sich am Weine dagegen ein Mann und an Speise gesättigt: Kämpft er den Tag wohl leicht ganz durch mit den feindlichen Männern;

Muthvoll ist sein Herz in der Brust, und die Glieder ermatten Nicht ihm, bevor dann alle sich aus dem Gefechte zurückziehn.

170

Laß sich daS Volk denn also zerstreun und gebiete das Frühmal Allen zu rüsten; die Gaben indeß mag Fürst Agamemnon

In die Versammlung bringen, damit sie die Danaer alle Sehen mit Augen, und du auch selbst dich im Herzen erfreuest.

Ferner beschwör' er dir eidlich, vor Argos Volk sich erhebend,

175

Daß er im Lager sich nicht ihr genaht und in Liebe vermält hat,. Wie es geschieht in der Menschen Geschlecht von den Männern und Frauen, Und dir neige sich selbst dein Herz in der Brust der Versöhnung.

Endlich bewirth' er dich dann mit dem köstlichen Mal in dem Zelte, Daß dir im Mindesten nicht dein Recht dann weiter gekränkt sei.

Doch du selbst bist künftig, Atrid', auch Andern gerechter;

Denn es erwächst niemals für den herrschenden König ein Vorwurf,

180

Neunzehnter Gesang.

393

Wamn er den Mann sich versöhnet, nachdem er zuerst ihn gekränkt hat.

Umd es entgegnete jenem der herrschende Fürst Agamemnon: Wahrlich, es hat mich gefreut, dein Wort zu vernehmen, Odysseus,

185

Weilt du mit Recht dieß Alles erwähnt und geziemend gesprochen ! Auch zu dem Eidschwur bin ich bereit: mir verlangt eS die Seele:

Wahrhaft ruf' ich die Götter im Eid an.

Aber Achilleus

Mag; hier weilen indessen, so sehr er sich auch in den Kampf sehnt.

Weillt auch alle zusammen, ihr Anderen, bis die Geschenke

190

Vom dem Gezelte gekommen und treu wir beschworen das Bündniß.

Dir nun selber ertheil' ich die Weisung jetzt und den Auftrag, Daß du dir von den Achäern die edelsten Jünglinge wählest,

Und die Geschenke von mir von dem Schiff bringst, die wir Achilleus

Gestern zu geben verheißen, und auch ihm die Frauen herbeiführst.

195

Aber Talthybios such' in der Danaer mächtigem Lager Gleich mir den Eber, damit wir ihn Zeus und dem Helios opfern. Und es entgegnet' ihm drauf der gewaltige Renner Achilleus:

AtreuS Sohn, ruhmvoller, gebietender Fürst Agamemnon, Möchtet ihr doch dieß lieber in anderen Zeiten besorgen,

200

Wann wir einmal von dem Kampfe vielleicht nachlassen und ausruhn,

Und mich des Zornes Gewalt nicht so in dem Herzen beweget.

Doch nun liegen ja dort die Erschlagenen alle, von Hektor,

Priamos Sohne gewürgt, da Zeus ihm die Ehre des Siegs gab. Ihr treibt jetzt zu dem Male: fürwahr, ich wäre der Meinung,

205

Daß wir Achajas Söhne sogleich aufriefen, zu kämpfen, Nüchtern und ohne zu speisen, und dann mit der sinkenden Sonne

Herrlich ein Mal zu bereiten, nachdem wir gerächt die Beschimpfung.

Mir kommt wenigstens sicher zuvor nichts über die Lippen,

Weder Getränk noch Speise, nachdem der Genoß mir dahinsank,

Der im Gezelte mir dort, von dem schneidenden Erze zerrissen,

Daliegt, gegen die Thüre gewandt, und es klagen die Freunde Rings um ihn her.

So kümmert mich dieß jetzt nicht in dem Herzen z

Mord nur will ich und Blut und das Schmerzengestöhne der Männer!

210

394

Ilias.

Und es entgegnet' ihm wieder und sprach der verschläg'ne Odysseus: 215

Herrlichster aller Achäer, Achilleus, Pelei'ade, Weit zwar steh' ich dir nach an Gewalt und der Kraft zu dem Speerwurf;

Aber an Einsicht dürst' ich es dir bei weitem zuvorthun, Da ich ja, früher geboren, bereicherter bin an Erfahrung:

Laß dir daher nun jetzt mein Wort in dem Herzen gefallen.

220

Sehr schnell werden die Menschen vom Kampfesgetümmel gesättigt. Wo, gleich Halmen, so viele das Erz an den Boden dahinstreckt. Aber die Erndt' ist kurz, wann Zeus, der Kronide, die Wage

Senkt, der über die Kämpfe der Sterblichen waltend entscheidet. Nicht durch Hunger ja können die Danaer Todte betrauern;

225

Denn in unzähliger Menge gehäuft und an jeglichem Tage

Fallen sie: wann sollt' einer denn wohl ausruhn von der Mühsal? Nein, es geziemet sich, den zu beerdigen, welcher dahinsank,

Hart in dem Herzen, indem wir den Tag ihn mit Thränen beklagen;

Alle jedoch, die übrig nachher von dem schrecklichen Kampf sind,

230

Müssen mit Speis' und Getränke sich sättigen, daß sie beständig NastloS, nur noch tapfrer die feindlichen Männer bekämpfen,

Fest mit dem Erze den Körper bewehrt: dann zaudr' in dem Kriegsvolk Keiner nachher und erwarte vielleicht den erneueten Aufruf. Denn dann wär der Befehl ihm ein Unglück, wenn er zurückblieb

235

Hier an den Schiffen des Volks; nein, gleich dann brechen wir all' auf Gegen die reisigen Troer, den wüthenden Kampf zu beginnen.

Sprach's und gesellte sogleich sich des herrlichen Nestor Söhne, Meges dazu, den Phyliden, Meriones auch und den Thoas, Dann Melanippos, den Held, und des Kreon Sohn, Lykomedes.

240

In Agamemnons Zelt, des Gebietenden, eilten die Männer,

Und mit der That vollzogen sie nun gleich also den Auftrag. Dreifüß' aus dem Gezelt, die versprochenen, brachten sie, sieben, Blinkende, nebst zwölf Rossen und zwanzig schimmernden Becken; Brachten der Frau'n schnell sieben, geschickt in untadliger Arbeit,

Auch als achte mit ihnen die blühende Tochter des Brises.

245

Neunzehnter Gesang.

395

Aber Odysseus wog von dem Gold zehn volle Talent' ab,

Und dann ging er, ihm folgten die Jünglinge mit den Geschenken. Die nun stellten sie auf in dem Kreis; dann trat Agamemnon Vor, und Talthybios, einem der Himmlischen ähnlich an Stimme,

250

Hielt mit den Händen den Eber und trat zu dem Hirten der Völker.

Da nun zog mit den Händen den Dolch der Arrid' Agamemnon, Der an der mächtigen Scheide des Schwerts ihm beständig herabhing, Weihte vom Eber die Borsten des Haupts und erhob zu Kronion

Flehend die Händ', und es saßen die Danaer all' in dem Kreise

255

Schweigend, so wie es sich ziemet, des Königes Wort zu vernehmen.

Da nun betet' und sprach er, den Blick zu dem Himmel erhoben: Miss' eö zuerst jetzt Zeus, der Unsterblichen höchster und bester, Gäa und Helios und die Erinnyen, welche die Menschen

Unter der Erde bestrafen, verletzt hier einer den Eidschwur,

260

Daß ich an Brises Tochter die Hand nie habe geleget,

Sie zu dem Lager zu führen, noch Anderes auch zu verlangen;

Sondern sie saß, von Keinem berührt, stets in dem Gezelt dort. Ist wo ein Wort nicht wahr in dem Schwur: dann treffe mich endlos Leid von den Ewigen, wie es des Meineids Frevel verhängt ist.

265

Sprach's, und die Kehle des Ebers zerschnitt er mit grausamen Erze, Den Talthybios dann in deS Meers grau wogende Fluten

Schleudernd, den Fischen zum Fraße hinauswarf.

Aber Achilleus

Sprach, von dem Sitz sich erhebend, zu Argos tapferen Kriegern:

Zeus, du sendest, o Vater, den Sterblichen schwere Verblendung!

270

Niemals hätte ja sonst mir den Zorn in dem innersten Herzen

Atreus Sohn so entsetzlich erregt, und er hätte die Jungfrau Nie mit Gewalt mir genommen, unbeugsam; aber Kronion

Wollt' in Achajas Völkern den Tod wohl Vielen bereiten! Doch nun geht zu dem Male, damit wir das Treffen beginnen. Also sprach er und trennte sogleich der Achäer Versammlung. Und sie zerstreuten sich, jeglicher hin zu dem eigenen Schiffe;

Aber die Gaben umstanden die muthigen Myrmidonen,

275

396

Ilias.

Nahmen und trugen sie hin zu dem Schiff des erhab'nen Achilleus,

Legten sie in die Gezelt' und bereiteten Sitze den Frauen;

280

Doch zu dem Weidplatz trieben die stattlichen Diener die Rosse. Als nun aber Brise'i's, der goldenen Aphrodite

Aehnlich, Patroklos sah, wie schneidendes Erz ihn zerrissen, Warf sie mit schluchzenden Klagen sich auf ihn; zerriß mit den Händen

Ganz sich ihr schönes Gesicht und den lieblichen Hals und den Busen, 285 Und es begann laut jammernd das Weib, den Unsterblichen ähnlich:

O du, Patroklos, mir Armen so lieb in dem Herzen vor Allen, Lebend verließ ich dich, als ich von euerem Zelte hinweg ging, Und nun komm' ich und finde dich todt hier, Völkergebieter!

Also verfolgt ohn' Ende mich Unglück immer auf Unglück!

290

Meinen Gemal, den erst mir die würdigen Eltern gegeben,

Sah ich vor unserer Mauer zerfieischt von dem schneidenden Erze, Sah drei Brüder, mit mir von derselbigen Mutter geboren, Theuere, sämmtlich erliegen dem Tag des verderblichen Unheils;

Doch du ließest mich, als den Gemal mir der Renner Achilleus

295

Niedergestreckt und die Stadt des erhabenen Mynes zerstöret, Niemals weinen: du sprachest zu mir, zu des hohen Achilleus Gattin machtest du einst mich, geleitetest mich in den Schiffen

Heim nach Phthia, und gäbest den Myrmidonen das Brautmal. Deshalb jammer' ich, daß du mir starbst, du Freundlicher, ewig!

300

Also sprach sie und weint', und es jammerten alle die Frauen,

Um den Patroklos schien's, doch jed' um ihr eigenes Unglück.

Doch um ihn selbst her standen Achajas Fürsten und baten, Daß er ein Mal einnähm; er verweigert' es aber und sagte: Will noch einer mir folgen der theueren Freunde, so bitt' ich,

305

Heißet mich nimmer zuvor, mein Herz mit der stärkenden Nahrung Und mit Getränk mir erquicken, indem mich der schreckliche Schmerz quält;

Bis zu der sinkenden Sonne beharr' ich und werd' es ertragen. Also sprach er, und alle die anderen Fürsten entließ er;

Atreus Söhne jedoch nnd Odysseus blieben, der edle,

310

Neunzehntel

Gesang.

397

Nestor, JdonieneuS auch und der Rossebezähmende Phönix,

Ihn zu erheitern bemüht in dem Gram; doch ward ihm das Herz nicht Froh» mehr, bis er sich stürzt' in des Kampfs bluttriefenden Rachen. Seim nur dacht' er beständig, und tief aufseufzend begann er:

Jcr, sonst brachtest du auch, Unglücklicher, unter den Freunden

31S

Mir der Geliebteste, selbst mir im Zelt das erquickende Frühmal, Schnell und geschäftig bemühet, so oft das Achäische Kriegsvolk

Eilte den reisigen Troern im traurigen Kampf zu begegnen. Jetzo indeß nun liegst du zerfleischt da, und es erquickt mir Weder Getränk noch Speise das Herz von dem reichlichen Vorrath;

Denn mich verlangt nach dir!

320

Nichts Schlimmeres konnte mich treffen,

Selbst nicht, wenn ich erfahren, mir sei mein Vater gestorben, Welcher in Phthia gewiß jetzt bittere Thränen vergießet,

Weil ihm der Sohn fehlt, ich, der hier, in dem Lande der Fremden,

Wegen der Helena kämpfet, der schrecklichen, gegen die Troer,

325

Oder es starb mein Sohn, der dort mir in Skyros heranwächst,

Wenn er mir sonst noch lebt, Neoptolemos, ähnlich den Göttern. Denn sonst hegte mir immer das Herz in dem Busen die Hoffnung, Daß ich allein hinsänk, von der Rossegesegneten Argos

Fern, in dem Troischen Land, doch du kämst wieder nach Phthia,

330

Daß du den theueren Sohn in dem eilenden, dunkelen Schiffe

Brächtest zurück aus Skyros und dort dann Alles ihm zeigtest, Meinen Besitz und die Knecht' und die hochaufragende Wohnung. Denn schon starb mir entweder gewiß, wohl ahn' ich es, Peleus, Oder ein Weniges lebt er vielleicht auch noch in Betrübniß

335

Und in dem lästigen Alter, zumal in der steten Erwartung,

Daß er die traurige Kunde vernimmt, ich sei ihm gestorben. Also sprach er und weint', und es seufzeten um ihn die Fürsten: Jeglicher dachte daran, was er in dem Hause zurückließ.

Da sah voller Erbarmen die traurenden Männer Kronion,

Und zu Athene begann er sogleich die geflügelten Worte:

TheuereS Kind, jetzt hast du ja ganz dich entfernt von dem Helden:

340

398

3 liaS.

Kümmerst du dich in dem Herzen denn gar nicht mehr um Achilleus?

Sieh, dort sitzt er und klagt vor den hoch aufragenden Schiffen Um den geliebten Genossen, indeß zu dem Male die Andern

345

Alle geeilt; er enthält des Getränks sich ganz und der Nahrung. Gehe denn, träufele mild ihm Ambrosia gleich in den Busen Und auch Nektar, daß ihn nachher nicht Hunger befalle.

Sprach es nnd trieb Athenäa, so wie sie es lange gewünschet. Und wie ein schreiender Adler mit weithin ragenden Schwingen

350

Fuhr sie vom Himmel den Aether hindurch; die Achäischen Scharen Legten die Rüstungen gleich in dem Heer an, und dem Achilleus

Tröpfle sie milde Ambrosia ein in den Busen und Nektar, Daß ihm die Kniee der Hunger nachher nicht lästig befiele.

Drauf dann eilte sie selbst zu des weithin herrschenden VaterS

355

Festem Palast, und sie strömten hinaus von den eilenden Schiffen.

Wie wann dichtes Gestöber des Schnees von Kronion herabfliegt, Kalt, vor dem stürmenden Hauche des Aethererhellenden Nordwinds: Also kamen daselbst dicht Helm', umfunkelt von Lichtglanz,

Her von den Schiffen gezogen und Nabelgerüstete Schilde,

360

Eschene Lanzen und, mächtig gewölbt, anschließende Panzer. Glanz stieg auf zu dem Himmel und ringsum lachte die Erde Unter den Blitzen des Erzes; Getös von dem schreitenden KriegSv.olk Hallt', und die Rüstung nahm in dem Volk der erhab'ne Achilleus,

Knirschend vor Grimm mit den Zähnen; ihm leuchteten blitzend die Augen, 365

Gleich hell flammender Gluth, und von nicht zu ertragendem Schmerze War ihm der Busen erfüllt: voll Kampfwuth gegen die Troer Waffnet' er sich mit dem Göttergefchenk von der Kunst des Hephästos.

Und er umgab sich die Füße zuerst mit den herrlichen Schienen, Welche sich wohl anschlossen der silbernen Knöchelbedeckung;

370

Dann umgab er die Brust sich darauf mit dem ehernen Harnisch,

Warf um die Schultern das Schwert sich nachher mit den silbernen Buckeln,

Ganz aus Erz, und ergriff den gewaltigen, tüchtigen Schild dann,

Der in dem stralenden Glanz weit leuchtete, ähnlich dem Vollmond.

Neunzehnter

399

Gesang.

Wie wann draußen im Meere der Glanz hell lodernden Feuers

375

Schiffern erscheint, daS in dem Gebirg mit den Flammen emporschlägt, In der entlegenen Hürd', und es treibt mit Gewalt sie der Sturmwind Weiü von den Freunden, hinaus in die fischdurchwimmelte Meerflut:

So sstieg auch von dem schönen, gepriesenen Schild des Achilleus Glanz in den Aether empor.

Dann nahm er den mächtigen Helm auf, 380

Setzte sich ihn auf's Haupt, und es funkelte buschig der Helmschmuck, Wie ent Gestirn; rings wallten die goldenen Mähnen hernieder,

Die mm den Kegel in Fülle Hephästos künstlich gefüget. Und es versucht' in den Waffen sich selbst der erhab'ne Achilleus, Ob sie ihm paßten und leicht er die herrlichen Glieder bewegte.

385

Fittigen waren sie gleich, uud sie hoben den Hirten der Völker.

Dann entzog er des Vaters gewaltigen Speer dem Gehäuse,

Welchen, so schwer und so stark, kein Anderer von den Achäern Schwang, es besaß, ihn zu schwingen die Kraft nur einzig Achilleus, Pelio-ns Esche, von Chiron dem theueren Vater verliehen,

390

Hoch von des Pelion Haupt, zu des Heldengeschlechtes Ermordung.

Und Automedon giyg mit dem Alkimos hin zu den Nossen,

Führte sie unter das Joch, und die prangenden Riemen, die Stangen

Legten sie ein in die Mäuler, und zogen die Zügel nach hinten

Ueber des Sessels Gestell, und die glänzende Geißel, dem Griff recht,

395

Nahm Automedon auf; dann sprang er hinein in den Wagen. Hinter ihn stellte sich nun in der völligen Rüstung Achilleus, Glänzend im Waffengeschmeid, wie Stralenumblitzt Hyperion,

Und zu den Rossen des Vaters begann er mit schrecklicher Stimme:

XanthoS und Balios, nun, ihr gepriesenen Kinder Podarges,

400

Anders gedenket mir jetzo den Wagengebieter zu retten,

Heim zu der Danaer Heere, sobald wir vom Kampfe zurückziehn; Daß ihr ihn nicht todt laßt im Gesild dort wie den Patroklos!

Da sprach unter dem Joche zu ihm der geflügelte Renner Xanthos, indem er das Haupt tief neigt', und die wallende Mähne Neben den Riemen hervor an dem Joch zu dem Boden hinabsank,

405

400

Ilias.

Und es verlieh ihm die Rede die lilienarmige Here:

Ja, wohl retten wir dich noch dießmal, starker Achilleus; Doch dir naht der verderbliche Tag, und wir sind schuldlos; Nur der gewaltige Gott ist Schuld und die waltende Möra.

410

Nicht, weil wir in dem Laufe gesäumt und dem flüchtigen Rennen, Raubte das Troische Volk von Patroklos Schultern die Rüstung; Sondern der mächtigste Gott, von der lockigen Leto geboren,

Schlug ihn im vordersten Kampf, und dem Hektor gab er den Siegsruhm. Wir wohl liefen ja beide sogar mit des Zephyros Wehen,

415

Den sie den flüchtigsten nennen; indeß dein eigenes Schicksal

Ist's, dem unsterblichen Gott und des Mannes Gewalt zu erliegen. Sprach's: da hemmten ihm gleich die Erinnyen wieder die Stimme;

Aber mit Unmuth sprach der gewaltige Nenner Achilleus: Was weissagst du den Tod mir, o Xanthos!

Dessen bedarf's nicht! 420

Selbst auch kenn' ich ja wohl mein Schicksal, hier zu erliegen,

Fern von den theueren Eltern; indeß nie werd' ich, gewißlich, Ruhen, bevor ich die Troer genug in dem Kampfe bedränget! Sprach es, und trieb laut jauchzend die Noss' in die vordersten Kampfreihn.

Zwanzigster Gesang. Wo standen in Waffen, geschart, an den schnäbligen Schiffen Argos Männer nm dich, kampfgieriger Pele'iade,

Und von der anderen Seit' auf den Höhn des Gefildes die Troer. Und eS gebot Zeus Themis, der Ewigen Rath zu berufen Von des Olympos Haupte, dem zackigen; und sie enteilte

5

Ringshin gleich und beschied sie hinauf in das Haus deö Kronion. Da blieb außer Okeanos sonst kein anderer Strom aus, Keine der Nymphen, so viele die lieblichen Haine bewohnen

Oder die Quellen der Ström' und die grasreich blühenden Fluren.

Und zu Kronions Hause, des Wolkenversammlers, gekommen,

10

Setzten sie sich in den Hallen, den blinkenden, welche Hephästos Einst für den Vater Kronion erbaut voll sinniger Weisheit.

Also versammelten die sich um Zeus, und der Ländererschütt'rer Selbst auch folgte der Göttin; er kam von dem Meer zu den Andern,

Setzte zu ihnen sich nieder und frug nach dem Willen Kronions:

15

Weshalb riefst du die Götter, o Blitzender, in die Versammlung?

Sinnst du auf Rath für das Troische Volk und die Männer Achajas, Da für sie eben die Flamme der Schlacht und des Kampfes emporschlägt?

Da sprach jenem erwidernd der Wolkenversammler Kronion:

Ländererschütt'rer, du kennest ja, was ich im Herzen beschlossen Und der Versammlung Grund: sie bekümmern mich auch im Verderben.

Doch ich selbst will bleiben und hier auf den Höhn des Olympos Sitzend, im Herzen mich freun an dem Anblick; aber ihr andern Gehet hinab zu den Troern und Danaern, daß ihr den Beistand

26

20

402

3 1 i ö s.

Beiden gewährt, wie's jedem im eigenen Sinne genehm ist.

25

Denn so Achilleus jetzo allein mit den Troern kämpfte,

Stünden sie nicht im Geringsten dem rüstigen Peleionen. Bebten sie doch auch früher, sobald sie ihn sahen und flohen: Und nun, da er dazu um den Freund so entsetzlich ergrimmt ist,

Fürcht' ich, er stürmte die Mauer, sogar auch gegen das Schicksal.

30

Also sprach der Kronid', und er sacht' unermeßlichen Streit an. Und es enteilten, getheilt in dem Sinn, zu dem Kampfe die Götter,

'Here mit Pallas Athene hinab zu dem Kreise der Schiffe, Mit dem Erschütt'rer der Erde Poseidon und dem Hermeias, Welcher das Heil giebt und an verständigem Rathe so reich ist.

35

Und es gesellte sich ihnen die trotzige Kraft des Hephästos, Hinkend, indem sich ihm schwankend die schwächlichen Füße bewegten.

Aber den Troern gesellte mit buschigem Helme sich Ares,

Phöbos, der lockige, mit ihm und Artemis, froh der Geschosse, Leto und Xanthos, und endlich die lächelnde Aphrodite.

40

Während die Himmlischen nun noch fern von den Sterblichen waren,

Prangten die Danaer herrlich in Ruhm, weil wieder Achilleus

Auszog, welcher so lange geruht von dem schrecklichen Kampfe,

Und es erzitterten jedem im Troischen Volke die Glieder Von dem Entsetzen, indem sie den mächtigen Nenner Achilleus

45

Sahn von den Waffen umglänzt, gleich Ares, dem Menschenvertilger. Aber nachdem zu der Männer Gewühl die Olympier kamen,

Wüthete Eris gewaltig, die Treiberin, und Athenäa Trat bald, hin an den Graben- und rief dort außer der Mauer,

Bald auch rief sie mit Macht von dem tobenden Meeresgestad' aus:

50

Ares indeß rief drüben, dem dunkelumnachteten Sturm gleich,

Laut von der obersten Zinne der Stadt .und ermahnte die Troer, Dann^ zu. dem< Simms rennend, von Kallikolone hernieder. Also erregten.' und trieben die seligen Götter die Heere Beide zusammen und rissen sie hin zu entsetzlicher Kampfwuth. Graunvoll dröhnte der Donner des Vaters der Menschen und Götter

55

Zwanzigster Gesang.

403

Hochher, aber von unten erschütterte Poseidaon Weit die unendliche Erd' und die steil aufragenden Berghöhn.

Ringsum bebten die Wurzeln des Quellausströmenden Ida

60

Bis zu den Höhn, und die Troische Stadt und der Danaer Schiff' auch. Und in den Tiefen erschrak der Gestorbenen Fürst Ai'doneus,

Sprang von dem Thron, laut rufend, in Angst auf, daß ihm von oben

Gänzlich die Erd' aufrisse der Ländererschütt'rer Poseidon,

Daß sein Reich vor den Menschen und Ewigen sichtbar daläg,

65

Furchtbar, dumpfig und wüst, für die Himmlischen selber entsetzlich: Solch ein Getös war's, da in den Kampf die Unsterblichen traten. Denn dort stand nun gegen den Meeresbeherrscher Poseidon

Phöbos Apollon und hielt in der Hand die befiederten Pfeile,

Gegen den Ares aber die herrschende Göttin Athene;

70

Gegen die Here trat mit den goldenen Pfeilen, Geräuschvoll

Artemis, froh der Geschosse, des fernhin Treffenden Schwester;

Leto begegnete Hermes, der rettende Bringer der Wohlfahrt,

Und dem Hephästos der Strom mit den machtvoll wallenden Strudeln,

Xanthos im Kreise der Götter genannt, von den Menschen SkamandroS. So schritt ein Gott gegen den anderen; aber Achilleus

75

Wünschte, dem Hektor vor Allen im Männergewühl zu begegnen, Priamos Sohn; sein Blut vor den Anderen trieb ihn die Seele

Ares, dem nimmer im Kampf zu ermüdenden Gott, zu vergießen. Und den Aeneas spornte der Völkerbeweger Apollon

Gegen den Peleionen und haucht' ihm gewaltigen Muth ein,

80

Aehnlich am Tone der Stimme des Priamos Sohne Lykaon. Dem glich Phöbos Apollon, der Sohn des Kronion, und sagte: Wie, du Gebieter der Troer, Aeneas, ist's mit der Drohung,

Die du erhobst beim Trunk in der Troischen Fürsten Versammlung, Daß du des Peleus Sohn, den Achilleus, wolltest bekämpfen?

Und es entgegnet' ihm wieder Aeneas und gab' ihm die Antwort:

Priamos Sohn, was treibst du mich an, selbst wider die Neigung,

Gegen den Peleionen, den trotzigen Helden zu kämpfen?

26*

85

404

Ilias.

Denn ich begegne ja nicht dem gewaltigen Renner Achilleus Heute zuerst; er verjagte mich sonst auch schon mit dem Speere

90

Dort von dem Ida, indem er nach unseren Stieren dahin kam,

Und Lyrneffos. zerstöret' und Pedasos; aber Kronion

Rettete mich, der Kraft mir verlieh und geschmeidige Schenkel. Wahrlich, ich fiel sonst unter Achilleus Hand und Athenes, Welche die Fackel ihm trug und voran stets schreitend ihn antrieb,

95

Daß er mit ehernem Speere die Lel^ger schlug und die Troer. Denn nie mag wohl ein Mann dem Achilleus stehen im Kampfe, Weil stets einer der Götter, ihm nah, das Verderben ihm abwehrt,

Ihm, dem sonst auch, ohne zu ruhn und gerade der Speer fliegt, Bis in des Mannes Gebein er hinein dringt.

Stellte der Gott nur

100

Gleiche Bestimmungen für das Gefecht: dann sollt' er so leicht mich

Nimmer besiegen, und rühmt' er sich auch, ganz sei er von Eisen!

Und es entgegnet' ihm drauf Zeus Sohn, der Gebieter Apollon: Nun, Held, rufe mit Flehn auch du zu den ewigen Göttern. Du auch heißest ja Sohn Aphrodites, welche Kronion

105

Selber gezeuget, und er stammt von der geringeren Göttin.

Jen' ist Tochter des Zeus und vom Meergreis diese gezeuget. Also gerad' aus schwinge den mächtigen Speer ihm entgegen, Und es erschrecke dich nicht sein Drohn und die gräßlichen Worte! Sprach's und erfüllte den Hirten des Volks mit gewaltigem Muthe,

110

Daß er, bewehrt mit dem funkelnden Erz, hinschritt in den Vorkampf. Und den Aeneas gewahrte die lilienarmige Here, Wie er im Männergewühl hinschritt nach dem Sohne des Peleus:

Und, die Unsterblichen rufend, begann sie zu ihnen und sagte: Wollet doch jetzo erwägen, Poseidon und du, Athenäa,

115

Beid' in der inneren Brust, wie soll der Kampf sich entscheiden?

Dort geht eben Aeneas, bewehrt mit der funkelnden Rüstung, Gegen den Peleionen; ihn sendete Phöbos Apollon.

Treten denn wir auch vor, um ihn rückwärts wieder zu treiben, Oder es stellet sich einer von uns auch gleich dem Achilleus

120

Zwanzigster Gesang.

405

Nah an die Seit' und erhöht ihm die Kraft noch, daß ihm der Muth nicht Fehl' und er seh', ihn beschirmen die mächtigsten unter den Göttern,

Diese dagegen vergebens sich abmühn, welche zuvor auch

Immer die Troer beschirmet im Kampf und der Waffen Entscheidung. Kamen wir alle doch von dem Olympos hier zu dem Kampf her,

125

Daß nicht irgend ihm etwas im Troischen Volke begegne, Heut nur; künftig erleid' er nachher, was immer die Möra,

Als ihn die Mutter geboren, dem Kind in den Faden gesponnen.

Hört der Pelide jedoch dieß nicht von dem Munde der Götter: Zagt er nachher, wann irgend ein Gott in dem Kampf ihm begegnet.

130

Denn wohl graunvoll sind die Unsterblichen, nahen sie sichtbar. Da sprach, jener entgegnend, der Ländererschütt'rer Poseidon: Here, ereif're dich nicht zu dem Wahnsinn; nimmer geziemt dir's!

Nie möcht' ich, daß wir zu dem Kampf die Unsterblichen trieben, Wir hier, da sie vor uns an Gewalt um so Vieles zurückstehn.

135

Nein, wir wollen sogleich zu dem Sitz dort außer dem Fußweg Gehn, zu der Warte hinauf, und der Kamps sei Sache der Manner. Finge jedoch dann Ares die Schlacht an oder Apöllon, Oder sie hinderten etwa und drängten vom Streit den Achilleus:

3a, dann bräche von uns auch gleich das Getümmel der Schlacht aus, 140

Und ich vermuthe, sie kehrten geschwind, nach des Kampfes Entscheidung,

Auf den Olympos zurück zu der anderen Götter Versammlung, Wann wir mit unserem Arm und der mächtigen Kraft sie gezwungen. Also redet' und führte der Dunkelgelockte die Andern Zu dem geschütteten Walle des göttlichen Helden Herakles,

145

Den ihm mit Pallas Athene die Troischen Männer erhöhet,

Daß er, dem Meerscheusal zu entgehn, dort Sicherung fände, Wem es ihn zwänge, zu fliehn von dem Meeresgestad in das Blachfeld.

Dorthin setzte sich nun mit den anderen Göttern Poseidon, Als sie ein undurchdringlich Gewölk mit die Brust sich gehüllet. Und auf Kallikolones Erhöhung saßen die Andern, Treffender Phöbos, um dich und den Städteverwüstenden Ares.

150

Ilias.

406

So nun saßen die Götter getrennt und beriethen sich sinnend Unter einander im Rath; den entsetzlichen Kampf zu beginnen Zauderten all', es befahl ihn jedoch hochthronend Kronion.

155

Voll war nun ringshin das Gefild und es blitzten von Erzglanz

Männer und Wagen; es dröhnte der Grund von der Eilenden Fußtritt, Da sie einander sich nahten.

Und zwei, die erhabensten Helden,

Rannten, begierig zu känrpfen, hervor in die Mitte des Schlachtfelds, Held Aeneas, der Anchisiad' und der hohe Achilleus.

160

Erst schritt drohend Aeneas heran: hoch nickte der Helmbusch

Oben vom wuchtigen Helme herab; den gewaltigen Stierschild

Hielt er sich vor um die Brust, und er schwenkte die eherne Lanze. Aber Achilleus stürmte von dorther gegen ihn, grimmvoll,

So wie ein Leu', den Männer vereint zu ermorden begehren —

165

Sämmtliches Volk — und er schreitet daher, anfangs sie verachtend; Traf ihn jedoch dann Einer der muthigen Schar mit dem Wurfspieß:

Ha, dann gähnt er, gekrümmt zum Sprung; rings stehn ihm die Zähne Ganz voll Schaum, und ihm stöhnet das mächtige Herz in dem Innern.

Rastlos peitscht er umher mit dem Schweif, um die Seiten und Schenkel 170 Immer sich geißelnd, indem er sich selbst anspornet zu kämpfen. Funkelnden Blicks dann springt er in Wuth vor, ob er der Männer

Einen erwürg' ob selbst hinsink' in dem vordersten Haufen: So auch drängte der Muth und das männliche Herz den Achilleus,

Gegen Aeneas zu eilen, den muthigen Sohn des Anchises.

175

Aber nachdem sie einander sich nun anrennend genahet,

Da sprach also zuerst der gewaltige Renner Achilleus: Weshalb trittst du, Aeneas, so weit in der Menge des Kriegsvolks Allen voran?

Dir gebietet das Herz wohl, mich zu bekämpfen,

Weil du die Herrschaft hoffest der Rossebezähmenden Troer,

Gleich mit dem Priamos selber geehrt? Doch schlügst du mich wirklich, Legte dir Priamos seine Gewalt drum nicht in die Hände.

Denn noch hat er ja Söhn' und die Kraft auch selbst und die Einsicht.

Oder verliehn dir die Troer ein Landstück, trefflich vor andern,

;L80

Zwanzigster Gesang. Passend zu Ackergefild und Bepflanzungen, daß du es baun sollst, Wenn du mir obsiegst?

407 185

Schwerlich indeß wohl, hoff' ich, gelingt dir's,

Da ich dich sonst auch, denk' ich, bereits mit dem Speer in die Flucht schlug. Oder vergaßest du, wie ich einmal dich allein von den Rindern,

Von dem Gebirge des Ida mit rüstigen Schenkeln Hinabtrieb, Eiligen Laufs?

Da mochtest du nicht, mir entfliehend, zurückschaun!

190

Nach Lyrneffos entflohst du von da; doch macht' ich den Angriff, Und ich zerstörte sie, weil mir Athene half und Kronion.

Mit mir führt' ich die Frau'n als Beut' und beraubet der Freiheit;

Doch dich selber errettete Zeus und die anderen Götter. Doch sie erretten dich heute gewiß nicht, wie du im Herzen

195

Wähnest; ich rathe dir, daß du entfliehst und in Eile zurückweichst

Unter die Haufen des Volks; tritt nicht mir entgegen im Kampfe, Eh es dir schlimm geht: Thoren allein lehrt nur die Erfahrung!

Da sprach also Aeneas und gab ihm erwidernd die Antwort: Hoffe doch, Peleus Sohn, nicht, gleich als ob ich ein Kind wär,

Mich durch Worte zu schrecken!

200

Ich selbst auch könnte ja leicht wohl

Dir mit kränkenden Reden und frevelen Worten entgegnen;

Aber wir kennen ja Einer den Stamm und die Eltern des Andern, Da wir gehört, was lange die sterblichen Menschen erzählen, Sähest du auch nie Meine noch ich auch Deine mit Augen.

205

Denn sie erzählen, du seiest der Sohn des untadligen Peleus, Und rs gebar dich ihm Thetis, des Meers schönlockige Göttin;

Doch ich preise mich selber den Sohn des beherzten Anchises, Der mich gezeugt mit der Mutter, der goldenen Aphrodite. Bald wohl jammern von ihnen am heutigen Tage die Einen

210

Ueber den theueren Sohn; denn nicht mit den kindischen Worten

Trenren wir uns so, mein' ich, und kehren zurück von dem Schlachtfeld.

Wenr es dir aber gefällt, so vernimm auch, daß du ihn kennest, Unserm Stamm, der vielen der sterblichen Männer bekannt ist. Dardmos stammte zuerst von dem Wolkenversammler Kronion, Er, Oardanias Gründer, indem die geheiligte Troja

215

408

Ilias.

Noch nicht stand im Gefilde, die Stadt der verkehrenden Menschen,

Sondern sie wohnten noch unten am quelligen Fuße des Ida. Dardanos aber erzeugt' Erichthonios, welcher der reichste Herrschende Fürst war unter den Erdebewohnenden Menschen.

220

Denn ihm weideten in der bewässerten Flur dreitausend Weibliche Rosse mit Stolz auf schlank aufwachsende Füllen.

Und zu den weidenden kam da Boreas selber in Liebe, Daß er sich ihnen vereint', als Roß mit dunkeler Mähne.

Und sie empfingen und brachten von ihm zwölf muthige Füllen.

225

Wann die liefen im Sprung in dem Feld mit den nährenden Halmen:

Flogen sie über die Spitzen hinweg nnd zerknickten die Saat nicht;

Liefen sie aber im Sprunge dahin auf dem Rücken der Meerflut: Flogen sie über die Spitzen der graulichen Wogen des Meeres.

Und Erichthonios zeugte den Tros zum Herrscher den Troern;

230

Tros dann wieder entstammten die drei untadligen Söhne: 3los, Assarakos dann und, den Himmlischen gleich, Ganymedes,

Welcher der lieblichste war an Gestalt von den sterblichen Menschen. Diesen entführten die Götter, dem Zeus die Pokale zu füllen —

Weil er so schön war — daß er im Kreis der Unsterblichen lebte.

235

Und den Laomedon zeugte darauf, den untadligen, Jlos; Aber Laomedon zeugte den Priamos und den Tithonos,

Lampos und Klytios, und Hiketaon, des Ares Genossen; Kapys, Assarakos Sohn, dann zeugte darauf den Anchises; Mich dann zeuget' Anchises und Priamos Hektor den edlen.

240

Sieh, dieß ist das Geschlecht und das Blut, aus dem ich entstammt bin;

Aber die Tugend der Männer vermehrt und vermindert Kronion, Wie es ihm gut dünkt, da er die Macht ja besitzet vor Allen.

Doch nun stehen wir so nicht mehr, gleich thörichten Kindern, In demGespräch, inderMitte derSchlacht und des Kampfs der Entscheidung. 245

Denn wohl könnten wir beide beschimpfender Worte die Menge Sagen; es trüge sie schwerlich ein hundertrudriges Lastschiff, Da ja die Zunge der Menschen gewandt ist, Wort' es genug giebt,

Zwanzigster Gesang.

409

Mamchcrlei Art, und für Reden das Feld ohn' Ende sich hinstreckt: Was für ein Wort du gegen mich sagst: das hörest du wieder!

250

Doch was nöthiget uns, in Gezänk und erbitterten Worten

Einer -en Andern zu lästern im Streit, wie Weiber es pflegen, Welche, getrieben vom Zorn in der Herzaufzehrenden Zwietracht,

Hingehn und in den Straßen der Stadt sich einander beschimpfen, Wahr und mit Unrecht öfter, es treibt auch dazu die Galle.

255

Doch r.ie schreckst du mit Worten mich ab von dem muthigen Angriff, Ehe du mich mit dem Erze bekämpft: drum laß uns sogleich nun Einer den Andern versuchen im Streit mit den ehernen Lanzen.

Sprach es und warf in den grausen, entsetzlichen Schild mit des Wurfspeers Macht, daß rings von der Spitze des Speers der gewaltige Schild klang. 260 Aber Achilleus hielt sich den Schild mit der nervichten Rechten

Fern ab, weil er besorgte, die weithin schattende Lanze

Dränge vielleicht ihm hindurch von dem Arm des beherzten Aeneas, Thöricht, indem er daran nicht dacht' in dem Sinn und dem Herzen,

Daß die gepriesenen Gaben der ewigen Götter so leicht nicht

265

Unter der sterblichen Männer Gewalt nachgeben und weichen.

So auch brach der gewichtige Speer des erhab'nen Aeneas Richt sein Schild ihm, gehemmt von dem Gold, dem Geschenk des Hephästos;

Sondern er drang zwei Lagen hindurch, und es blieben nachher noch Drei nach, da fünf Lagen der hinkende Künstler verbunden:

270

Erft aus Erz zwei, dann zwei zinnerne drinnen und endlich

Eine von Gold noch, welche die eschene Lanze zurückhielt. Jetzt nun warf der Pelide die weithin schattende Lanze, Und dcm Aeneas traf er den Schild von gerundeter Wölbung

Oben am Rand, da, wo sich das Erz am dünnsten umherzog

Und am dünnsten die Haut von dem Stier war.

275

Gänzlich hindurch fuhr

Pelions Esch', und es krachte der Schild dumpf tönend darunter.

Da hielt, niedergebückt in dem Schreck, sich Aeneas den Schild vor,

Weit von dem Leib, und es sauste der Speer ihm den Rücken hinüber Tief in den Boden, nachdem er am deckenden Schilde die Ränder

280

410

Ilias.

Beid' ihm zerschellt; und er selber, entstehn dem gewaltigen Speerwurf,

Stand und, die Augen umdunkelt von unnennbarem Entsetzen, Zittert' er, weil das Geschoß ihm so nah kam.

Aber Achilleus

Sprang zu ihm wüthend hinan mit gezogenem schneidendem Schwerte, Graunvoll brüllend.

Aeneas indeß hob nun den gewalt'gen

285

Felsblock auf mit der Hand, den nicht zwei Männer erhüben,

Wie nun Sterbliche sind; doch leicht schwang der ihn allein auch.

Wohl traf jetzo Aeneas des Stürmenden Helm mit dem Felsstück Oder den Schild, der doch ihn geschützt vor dem grausen Verderben,

Und ihm entriß der Pelide von nah mit dem Schwerte das Leben,

290

Wenn nicht schnell sie gesehen der Ländererschütt'rer Poseidon.

Und er begann gleich also im Kreis der unsterblichen Götter: Weh, mich jammert's fürwahr um den muthigen Helden Aeneas, Der bald, von dem Peliden besiegt, zu dem Ais hinabsteigt,

Weil er Apollons Worten, des treffenden Gottes, gefolgt ist,

295

Thöricht! denn er beschirmet ihn nicht vor dem grausen Verderben. Aber warum soll dieser das Leid unschuldig und grundlos

Tragen um Anderer Noth jetzt, da er gefällige Gaben Stets den Unsterblichen bringt, des unendlichen Himmels Bewohnern?

Also wohlauf, wir wollen ihn von dem Verderben erretten;

300

Daß nicht Zeus sich erzürne vielleicht, wenn diesen Achilleus Tödtete; denn ihm bestimmt das Verhängniß, daß er entfliehn soll,

Weil sonst Dardanos Saam' und Geschlecht spurlos sich verlöre, Den der Kronide vor allen den anderen Söhnen geliebt hat,

Welche von ihm abstammen, von sterblichen Frauen geboren.

305

Denn schon hasset des Priamos ganzes Geschlecht der Kronide,

Und des Aeneas Macht soll Ilios waltend beherrschen, Er und die Söhne der Söhne, so viel einst von ihm entstammen. Und es entgegnete jenem die Hoheitblickende Here:

Ländererschütt'rer bedenke du selbst in dem eigenen Herzen, Ob du ihn rettest, den Sohn des Anchises, oder ihn lässest

Vor dem Peliden erliegen, obwohl er ein tapferer Held ist.

310

Zwanzigster Gesang.

411

Denm wir beide beschwuren, fürwahr, es genug mit dem Eidschwur

Vor den Unsterblichen allen, ich selbst und Pallas Athene, Niemals einem der Troer den Tag des Verderbens zu wehren,

315

Selbst wenn Ilios ganz aufbrennt' in des rasenden Feuers Gluühen, entstammt von den Scharen der tapferen Männer Achajas. Alls der Erschütt'rer der Erde Poseidon dieses vernommen, Macht' er in Eile sich auf, durch Kampf und Gewimmel der Lanzen,

Hin,, wo Aeneas war mit dem herrlichen Helden Achilleus.

320

Und er umhüllte darauf dort gleich dem Peliden Achilleus Ganz mit Nebel die Augen, indem er die eschene Lanze Wieder vom Schild des Aeneas, des muthigen Helden, zurückzog.

Sie nun legt' er dem hohen Achilleus hin vor die Füße;

Doch den Aeneas hob er im Schwung hoch über die Erd' auf.

325

Ueber unendliche Reihen des Volks und unendliche Rosse,

Flog Aeneas, indem mit der Hand ihn Poseidon emporschwang, Bis er der Gränze genahet des tobenden Schlachtengetümmels, Wo Kaukonisches Volk zu dem Kampf in den Waffen daherzog.

Da nun trat zu ihm nahe der Ländererschütt'rer Poseidon,

330

Und er begann zu ihm also und sprach die geflügelten Worte:

Wer von den Himmlischen trieb dich so ganz in Verblendung, Aeneas, Peleus Sohn zu begegnen im Kampf, dem entsetzlichen Helden, Der ja gewaltiger ist als du und den Himmlischen werther? Nein, dem weiche du künftig, so oft du ihm wieder begegnest;

335

Denn sonst gehst du zu Ais hinab, selbst gegen das Schicksal. Aber nachdem den Peliden das Todesverhängniß ereilt hat:

Dann tritt immer getrost zu dem Kampf in die vordersten Schlachtreihn! Denn kein Anderer unter den Danaern raubt dir die Rüstung.

Sprach's und verließ ihn daselbst, als dieß er ihm alles verkündet. Und von Achilleus Augen zerstreut' er den göttlichen Nebel Wieder sogleich; da sahe sich der hell um mit den Augen,

Seufzete tief, unmuthig und sprach zu dem tapferen Herzen:

Weh!

Da seh ich mit Augen, fürwahr, ein gewaltiges Wunder!

340

412

Ilias.

Vor mir liegt an dem Boden der Speer hier, aber der Mann ist

345

Nirgend zu sehn, auf den ich ihn warf und ihn dachte zu morden. Wahrlich, so lieben die Götter, die Ewigen, auch den Aeneas,

Da ich geglaubt, er berühme sich deß nur eitel und grundlos.

Fahr' er dahin!

Nie wünschet er mehr, sich an mir zu versuchen,

Da er gewiß auch jetzo dem Tod wohl freudig entstohn ist.

350

Aber wohlan, nun treib' ich der Danaer muthige Scharen

Und an den anderen Troern versuch' ich die Kraft in dem Kampfe. Sprach es und stürzt' in die Reihn und ermuthigte jeglichen Streiter: Steht nicht länger den Troern so fern jetzt, edle Achäer!

Schreite der Mann vor gegen den Mann, voll rüstiger Kampflust!

355

Schwer ist's, wahrlich, für mich, so gewaltig ich bin und so kraftvoll,

Dieses unzählige Volk zu bestehn und mit Allen zu kämpfen. Ares sogar nicht, der doch ein Gott ist, oder Athene

Stünd hier gegen den Rachen der schrecklichen Schlacht und bekämpft' ihn. Aber so viel ich es selber vermag mit den Armen und Schenkeln

360

Und mit der Stärke, versäum' ich gewiß auch nicht im Geringsten;

Sondern ich dringe beständig hinein in den Schwarm, und es soll sich Keiner, so hoff' ich, der Troer erfreu'n, der mir vor den Speer kommt! Sprach es und trieb sie, indeß der erhabene Hektor den Troern

Muth einsprach und verhieß, mit Achilleus geh' er zu kämpfen.

365

Muthige Troer, verzaget doch nicht vor denr Sohne des Pelms!

Ich auch möchte mit Worten sogar mit Unsterblichen kämpfen,

Schwerlich jedoch mit dem Speer; denn mächtiger sind sie um Vieles. Und der Pelid' auch führet gewiß nicht jegliches Wort aus;

Sondern erfüllt eins, während das andere nichtiger Hall bleibt.

370

Ihm stell' ich mich entgegen und hätt' er die Arme von Feuer, Hätt' er die Arme von Feuer und Muth gleich funkelndem Eisen! Sprach's, sie ermuthigend: hoch auf hoben die Troer die Lanzen,

Stürmend, sie trafen mit Macht sich im Kampf, und es hallte der Schlachtruf. Da trat Phöbos Apollon hinzu und begann zu dem Hektor:

Hektor, dränge dich nicht zu dem Kampf vor gegen Achilleus;

375

Zwanzigster

Gesang.

413

Sondern erwart' ihn vielmehr in der Meng' und der Mitte des Haufens,

Daß er dich nicht mit dem Speer trifft oder von nah mit dem Schwerte.

Also sprach er, und Hektor entwich in den Haufen der Männer, Als er mit Schrecken die Stimme des warnenden Gottes vernommen.

380

Aber Achilleus sprang voll Kraft in die Troischen Schlachtreihn, Fürchterlich brüllend, und streckte zuerst den Jphition nieder, Welchen Otrynteus zeugte, den mächtigen Völkergebieter.

Und die Najade gebar ihn dem Städteverwüster Otrynteus, Unten am schneeigen Tmolos, in Hydas fettem Gefilde.

385

Der drang vor; da traf ihn der Speer des erhab'nen Achilleus

Mitten hinein in das Haupt, und es borst gleich ganz von einander. Dumpfhin stürzt' er, und jauchzend begann der erhab'ne Achilleus:

Siehe, du fielst, von den Männern der schrecklichste, Sohn des Otrynteus,

Starbest vor Ilios, fern an dem See von Gygäa geboren,

390

Wo dein Länderbesitz und das Erbgut siegt von den Vätern, Welches, so fischreich Hyllos bespült und der wirbelnde Hermos! So frohlockt' er, und jenem umnachtete Dunkel die Augen,

Und ihn zermalmten der Danaer Ross' und beschlagene Räder Vorn in dem Kampf; doch er stieß drauf dem Demoleon nach ihm,

395

Welcher, Antenors Sohn, ein gewaltiger Held in der Schlacht war, Mitten hinein in den Schlaf, in die eherne Wange des Helmes. Gar nicht hemmte die Spitze der eherne Helm; sie zerbrach ihm,

Tief einbohrend, des Schädels Gebein, und es mischte das Hirn sich. Ganz mit dem Blute darin: so schlug er ihn, als er daherflog.

400

Und dem Hippodamas, welcher in Hast von dem Wagen heräbsprang Und vor ihm floh, durchbohrt' er darauf mit dem Speere den Rücken,

Daß er mit dumpfem Gestöhne den Geist aushauchte, dem Stier gleich, Welcher, um Helikes Herrscher geschleppt, dumpf stöhnet und aufbrüllt,

Wann ihn die Jünglinge ziehn, und es freut sich an ihnen Poseidon. So stöhnt' er, und der muthige Geist floh aus den Gebeinen.

Nun schritt jener hinan mit dem Speer zu dem Held Polydoros, Prianos Sohn, den immer vom Kampf sein Vater zurückhielt,

405

414

Ilias.

Weil er, von sämmtlichen Söhnen zuletzt ihm geboren, ihm lieb war,

Mehr als all', und im Laufe gewann er beständig den Siegspreis.

410

Da nun tobt' er bethört, um die kräftigen Schenkel zu zeigen,

Vor in den Kampf, bis daß ihm das theuere Leben geraubt ward. Als er vorbeilief, warf ihm der göttliche Renner Achilleus, Mitten hinein in den Rücken den Speer da, wo sich des Gürtels

Goldene Spangen vereinten, und doppelt der Panzer ihn aufhielt.

415

Aber die Spitze des Speers drang durch, dicht neben dem Nabel, Und auf'S Knie hin sank er und ächzt', und das Dunkel umfing ihn

Nächtlich, indem er gekrümmt das Gedärm mit den Händen zurückhielt. Als nun Hektor da Polydoros sahe, den Bruder, Mit dem Gedärm in den Händen, zusammengekrümmt an dem Boden: 420

Da schoß dunkele Nacht ihm herab auf die Augen; er trug's nicht, Länger so ferne zu stehn: vor stürzt' er sich auf den Peliden

Mit dem geschwungenen Speere, dem Blitz gleich; aber Achilleus,

Als er ihn sah herstürzen, erhob frohlockend die Stimme:

Ha, nun kommt er ja, der mit dem bittersten Leid mich gekränkt hat, 425 Der den geliebtesten Freund mir geraubt!

Nein, länger gewiß nicht

Meiden wir Einer den Andern im wogenden Kampfesgetümmel! Sprach es und rief, voll Grimm in dem Blick, zu dem göttlichen Hektor:

Komm jetzt näher, damit du sogleich das Verderben erreichest! Da sprach furchtlos also der Helmbuschnickende Hektor:

430

Hoffe doch, Peleus Sohn, nicht, gleich als ob ich ein Kind wär,

Mich durch Worte zu schrecken; ich selbst auch könnte ja leicht wohl Dir mit kränkenden Reden und frevelen Worten entgegnen. Du bist stark, das weiß ich und ich bin schwächer um Vieles;

Aber, fürwahr, das ruhet ja noch in dem Schoße der Götter,

435

Ob ich dir, wenn schon schwächer, vielleicht dein Leben entreiße,

Mit dem Geschoß, da mein Speer auch an der Spitze geschärft ist. Sprach es und schwang und entsandte den Speer; doch Pallas Athene

Haucht' ihm entgegen und wandt' ihn vom herrlichen Helden Achilleus Leicht, nur athmend, so daß er zurück zu dem göttlichen Hektor

440

Zwanzigster Gesang.

415

Flog und ihm dicht vor die Füße dahinfiel; aber Achilleus Stürzte sich gegen ihn voller Begier, in der Wuth, ihn zu tüdten, Fürchterlich brüllend; indeß da führete Phöbos Apollon

Leicht,, als Gott, ihn hinweg und verbarg ihn in mächtigem Nebel.

Dreimal stürzte sich auf ihn der göttliche Renner Achilleus,

445

Aber meinem Gespann gleicht keines an Raschheit.

Sind es ja doch unsterbliche.Ross', einst von dem Poseidon, Peleus, meinem Erzeuger, geschenkt, der mir sie nachher gab.

Dreiundzwanzigster Gesang.

463

Doch nun bleib' ich selber zurück und die stampfenden,Rosse.

Denn sie verloren ja ihn, den gepriesenen, trefflichen Führer,

280

Der voll freundlicher Sorge so oft mit dem schmeidigen Oele

Ihnen die Mähnen gesalbt nach dem Bad in dem schimmernden Wasser. Jetzt nun stehn sie und trauern um ihn; zu dem Boden hinunter

Fallen die Mähnen den beiden, sie stehn voll Gram in dem Herzen. Also, ihr Anderen, kommt in dem Heer, wer von den Achäern

285

Seinem Gespann und dem tüchtig gebaueten Wagen vertraun mag! So der Pelid', und es traten die rüstigen Lenker zusammen.

Weit vor den Andern erhob sich der Männergebieter Eumelos, Sohn des Admetos, vor Allen geschickt, mit den Rossen zu fahren.

Dann trat gleich der Tydide hervor, Diomedes, der starke,

290

Spannte die Troischen Ross' in das Joch ein, die er Aeneas

Neulich entführt: und es rettet' ihn selbst nur Phöbos Apollon.

Dann kam auch der Atride, der bräunliche Held Menelaos, Göttlichen Stammes: er spannte die flüchtigen Ross' an den Wagen,

Von Agamemnon die Aethe, gesellt zu dem eignen Podargos.

295

Sie schenkt' einst Echepolos, Anchises Sohn, Agamemnon, Daß er ihm nicht nachfolgte vor Ilios luftige Höhen,

Sondern daheim sich erfreut' in dem Haus, da Fülle des Reichthums

Zeus ihm verliehen; er wohnet' in Sikyons weitem Gefilde. Die nun spannt' er in's Joch und sie schnob vor Begier nach dem Wettlauf. 300 Auch Antilochos schirrt', als vierter, die stampfenden Ross' an, Nestors trefflicher Sohn, des gebietenden muthigen Herrschers,

Neleus Sohns, und es zogen die muthigen Rosse von Pylos

Rennend den Wagen herbei; da sprach, sich ihm nahend, der Vater, Um ihm zu rathen; verständig indeß war jener von selbst auch:

305

Nun, o Antilochos, jung schon haben dich Zeus und Poseidon,

Wahrlich, geliebt, und dir Lehren ertheilt in der Rosse Behandlung Mancherlei Art; drum brauch' ich dich jetzt nicht Vieles zu lehren.

Trefflich verstehst du die Lenkung am Ziel wohl; aber die Rosse

Sind dir die trägsten im Lauf; drum fürcht' ich verderblichen Ausgang. 310

464

Ilias.

Jener Gespann ist schneller; indeß sie verstehen es selbst nicht,

Besseren Rath, als du es gelernt hast, gleich zu ersinnen. Auf denn, o Theuerer, nimm in dem Inneren alle Besinnung

Jetzt dir zusammen; es möchte der Kampfpreis sonst dir entgehen! Selbst beim Holzhaun geht ja Verstand weit über die Stärke;

315

Mit dem Verstand auch steuert der Mann auf dunkeler Meerstut

Immer das eilende Schiff grad' aus in der Stürme Bedrängniß: Und so kommt ein Lenker dem Anderen durch den Verstand vor. Denn wo einer, den Rossen allein und dem Wagen vertrauend,

Ohne Bedacht in das Weite hinausjagt, hierhin und dahin:

320

Nun, da rennen die Noss' in der Bahn; doch lenkt er sie nicht mehr. Kennt er den Vortheil aber/und führt selbst schwächere Rosse,

Schauet er nur aufs Ziel, lenkt kurz d'ran um und vergißt nicht,

Wie er die ledernen Riemen zuerst nachläßt und sie anzieht; Sondern er führet sie sicher und merkt, wo einer voraus will.

325

Aber das Mal auch sag' ich dir deutlicher; nimmer entgeht's dir.

Sechs Fuß hoch, ganz trocken erhebt sich ein Block von der Eiche Oder der Tanne daselbst, der nicht in dem Regen verwittert.

Bei dem stehen von hier und von da zwei schimmernde Steine, Dicht an der Enge deS Weges, und glatt läuft um sie die Rennbahn. 330

Sei es ein Denkmal nun für den Mann, der lange gestorben,

Oder ein Rennziel auch, von den früheren Menschen errichtet: Dieß macht jetzt zum Ziele der göttliche Renner Achilleus. Halt dich an dieses, so nahe du kannst, mit den Rossen und Wagen,

Während du selbst ganz leicht im geflochtenen Sessel dich linkshin

335

Beugst nach deinem Gespann; dann treib das an zu der Rechten,

Geißelnd und rufend, und laß ihm zugleich mit den Händen die Zügel.

Doch zu der Linken berühre das Roß ganz nahe das Rennziel, Daß beinahe die Nabe dir scheint an des tüchtigen Rades

Kranz sich zu streifen; den Stein nur nimm dich in Acht zu berühren; 340 Denn du verwundest die Rosse dir sonst und zertrümmerst den Wagen.

Lachen und Lust gab das für die Anderen; doch dir selbst wär's

Dreiundzwanzigster Gesang.

465

Schmachvoll: hüte dich also und sei du mir, Lieber, behutsam!

Wann du nachher nur erst um das Ziel hinjagend gelenkt hast:

Dann holt Keiner im Nennen dich ein, noch kommt er vorüber,

345

Selbst nicht, wenn er Arion, den edelen, hinter dir Hertrieb,' Welcher den Göttern entstammet, das flüchtige Roß deS Adrastos,

Oder Laomedons Rosse, die herrlichen, hiesigen Stammes. So sprach Nestor, der Neleiad' und er setzte sich wieder

Hin an die Stelle, nachdem er dem Sohn dieß Alles bedeutet.

350

Endlich Meriones schirrt', als fünfter, die muthigen Stoss' an.

Und sie bestiegen die Sessel sogleich; dann warfen sie Loose. Aber Achilleus schüttelt', und steh, des Antilochos Loos fiel. Dann kam Fürst EumeloS sogleich nach dem Sohne des Nestor; Diesem zunächst der Atride, der Held mit dem Speer / Menelaos;

355

Nach ihm zu fahren erlooste Meriones; aber zuletzt dann Traf den Tydiden, den besten, das Loos, mit den Rossen zu fahren.

So nun stellten sie sich, und das Ziel wies ihnen Achilleus

Fern in der ebenen Flur;

dann hieß er, zu schauen, daneben

Phönix, den göttlichen, sitzen, den Kampfesgenoffen des Vaters,

360

Daß er des Laufs wohl achtend, den Ausspruch that nach der Wahrheit.

Und sie erhoben die Geißeln zugleich nun all' auf die Rosse, Schlugen sie auch mit den Riemen, und schrie'n, zuredend und treibend,

Voller Begier, und sie rannten in flüchtigem Lauf in dem Feld hin, Weg von den Schiffen, im Fluge: der Staub stieg unter den Bäuchen, 365

Hochaufwirbelnd, empor, dem Gewölk gleich oder dem Sturmwind, Und es umflogen die Mähnen sie wild mit dem Wehen des Wirkdes.

Bald jetzt nahten die Wagen der Allesernährenden Erde,

Bald auch sprangen sie fliegend empor, und die Lenker der Wagen Standen gerad' in den Sesseln: das Herz schlug jedem im Busen,

370

Weil nach dem Sieg sie verlangt', und ein Jeglicher schrie auf die Rosse

Treibend; indeß die flogen in stürmender Eil' in dem Feld hin.

Doch als nun zu dem Ende des Laufs die beflügelten Rosse Eilten^ zum graulichen Meer: da sah man in Jedem die Kraft erst.

30

466

Ilias.

Denn nun streckten sie lang sich im Lauf, und die ersten von dort an 375

Waren die flüchtigen Stuten des Pheretiaden Eumelos. Gleich drauf kamen nach ihnen mit Tydeus Sohne die Hengste, Troischer Zucht, nicht weit, nur Weniges, blieben sie hinten.

Denn fast schien's, als sprängen sie jetzt in den Sessel des Wagens, Daß des Eumelos Rücken und mächtige Schultern vom Hauche

380

Ganz sich erwärmten: sie lagen darauf mit den Köpfen im Laufe.

Da nun kam er ihm sicher zuvor, zum Wenigsten mit ihm: Wenn nicht Phöbos Apollon erzürnt war auf Diomedes, Daß er die glänzende Geißel ihm weit aus den Händen dahinwarf. Thränen entstürzten den Augen des schmerzvoll zürnenden Helden;

385

Denn die, sah er, enteilten ihm jetzt noch schnelleren Laufes, Aber die Seinigen blieben zurück bald, ohne die Geißel.

Doch Athenäa sah, wie Apollons List Diomedes

Schadete, eilet' im Fluge hinan zu dem Hirten der Völker, Gab ihm die Geißel und weckte den Muth in den Rossen von Neuem. 390 Aber sie eilte zugleich, voll Zorn, des Admetos Sohn nach,

Und sie zerbrach ihm, die Göttin, das Joch.

Da rannten die Stuten

Gleich ihm hinaus von der Bahn; hinschleift' an dem Boden die Deichsel;

Aber er selbst ward neben das Rad von dem Sessel geschleudert, Daß er die Arm' an der Biegung, den Mund und die Nase sich aufschlug, 395

Und an den Brauen die Stirn sich zerstieß.

Da füllten die Augen

Sich ihm mit Thränen, und stockend versagt' ihm die tönende Stimme.

Doch Diomedes lenkte die stampfenden Rosse vorüber,

Weit vor den Anderen allen voraus; denn Pallas Athene Stärkte mit Muth ihm die Ross' und verherrlicht' ihn selber mit Siegsruhm. 400 Dann gleich kam der Atride, der bräunliche Held Menelaos;

Aber Antilochos trieb, laut rufend, die Rosse des Vaters: Streckt euch, ihr auch! Greifet mir auS jetzt, was ihr vermöget!

Nimmer mit jenen verlang' ich ja, daß ihr mir laufet im Wettstreit,

Mit Diomedes Rossen, des Muthigen, denen Athene Jetzo die Schnelle verliehn und ihn selbst mit dem Ruhme verherrlicht;

405

Dreiundzwanzigster Gesang.

467

Doch des Atriden Gespann holt ein, bleibt nimmer dahinten! Nennt mit Gewalt, daß Aethe, die Stut', euch beide mit Schmach nicht Heute bedeckt!

Was lasset ihr nach, ihr vortrefflichen Rosse?

Denn das sag' ich und, wahrlich, es wird auch also geschehen:

410

Nie mehr pflegt euch künftig der Völkergebietende Nestor; Sondern er würgt euch beide, fürwahr, mit dem schneidenden Erz gleich,

Säumet ihr mir, und wir haben nachher den geringeren Kampfpreis. Auf denn!

Was ihr vermögt, rennt nach!

Jetzt strenget die Kraft an;

Aber ich selbst will sehen: gewiß, mir gelinget das Kunststück!

415

Hier in dem Hohlweg fahr' ich vorbei: das fehlt mir gewiß nicht!. Sprach es, und jene, geschreckt von des drohenden Königes Zuruf,

Sprangen noch heftiger an, nur kürzere Zeit, und der Rennbahn Enge beachtete wohl des Antilochos muthige Seele.

Denn einen Erdspalt hatte gesammeltes Wintergewässer

420

Dort in dem Wege gewühlt, daß ringsum Alles vertieft war: Da nun fuhr Menelaos, besorgt vor der Wagen Verwirrung;

Aber Antilochos lenkte die stampfenden Rosse daneben, Außer den Weg, ganz wenig, und fuhr dann jagend vorüber.

Dessen erschrak der Atrid', und er rief zu dem Sohne des Nestor:

Toll, o Antilochos, fährst du!

So halt doch die Rosse!

425

Der Weg hier

Ist ja zu enge; nachher, in dem breiteren jage vorüber,

Daß du mir nicht in den Wagen hineinrennst, Beiden zu Schaden! Sprach es: Antilochos trieb sie jedoch nur immer geschwinder Mit der geschwungenen Geißel und that, als hört' er ihn gar nicht.

430

Etwa, so weit von dem Arm die geschleuderte Scheibe dahin stiegt,

Welche der blühende Mann, um die Kraft zu versuchen, geworfen:

So weit rannten sie beide zugleich; dann blieb Menelaos

Nach mit den Nossen: er hörte mit Fleiß selbst auf, sie zu treiben, Daß sich im Weg nicht etwa die stampfenden Rosse verrennend,

Beider geflochtene Wagen im Sturz umwürfen, und sie dann Selbst in den Staub hinrollten, gespornt von der Siegesbegierde.

Da sprach scheltend zu jenem der bräunliche Held Menelaos: 30*

435

468

Ilias.

Wahrlich, der schrecklichste bist du, Antilochos, unter den Menschen! Geh!

Dich haben wir fälschlich verständig genannt, wir Achäer)

440

Aber du schwörest mir erst: so laß ich dir nimmer den KampfpreiS! Also sprach er zu ihm; dann rief er und sprach zu den Nossen:

Bleibt jetzt nicht mir dahinten und steht nicht trauernd im Herzen!

Eher ermüdet ja diesen die Kraft in den Knieen und Schenkeln; Ihr seid rüstig, und jenen gebricht es an blühender Jugend!

445

Also sprach er, und diese, geschreckt von des Königes Zuruf, Rannten gewaltiger, daß sie im Lauf bald jenen sich nahten.

Und in dem Kreis dort saßen und sahn die Achäer die Rosse,

Wie sie gestreckt Herstogen, in stäubendem Laufe, das Feld durch. Aber Jdomeneus sahe zuerst, der Beherrscher von Kreta,

450

Weil er sich außer dem Kreise gesetzt und am höchsten, die Rosse; Ihn auch hört' er und kannt' ihn sogleich in der Fern' an dem Zuruf,

Sahe das Roß auch, welches, voran, leicht war zu erkennen,

Weil es ein Rothfuchs sonst an dem Leib war, aber ein weißes,

Rundliches Zeichen am Kopf trug, vorn, ganz ähnlich dem Vollmond. 455 Und er erhob sich vom Sitz und begann zu den Danaern, aufrecht: Hört, ihr Freunde, des Volkes von Argos Fürsten und Psteger,.

Seh' ich allein nur oder erkennt auch ihr das Gespann dort? Andere Rosse, bedünket es mich, sind jetzo die ersten;

Auch ihr Führer erscheint mir ein anderer.

Schaden genommen

460

Haben im Feld wohl, welche, hinaus, vor waren im Wettlauf.

Denn erst sah ich ja doch um das Ziel umwendend die Stuten; Doch nun kann ich sie nirgend erspähn mehr, wie mir der Blick auch In dem: Gefilde der Troer, in jeglicher Richtung umher schweift. Wären dem Führer die Zügel entschlüpft, und er konnte die Stuten

465

Nicht an dem Ziel recht halten und traf's nicht, als er herumbog?

Ja, dann stürzt' er, besorg' ich, herab, sein Wagen zerbrach ihm,

Und die gingen ihm durch in der Wildheit, die sie befallen.

Aber, so sehet und stehet doch selbst auch auf; ich vermag's nicht Recht zu erkennen; indeß mir scheint's, als wäre der Mann dort

470

Dreiundzwanzigster Gesang.

469

Unser AeLoler, der Herrscher im Volk des Arge'i'schen Stammes, Tydeus Sohn, des Gewaltigen, der tapfere Held Diomedes.

Da schalt Ajas ihn schmähend, der rüstige Sohn des ONeus: Weshalb schwatzest du schon, o Jdomeneus?

Gänzlich entfernt noch,

Nennen mit flüchtigen Füßen die Ross' in dem weiten Gefild her!

475

Bist Lu ja doch nicht, wahrlich! im Danaervolke der jüngste,

Noch auch sehn dir die Augen so scharf in dem Haupt vor den Andern. Aber du führest beständig Geschwätz!

Wahrhaftig, du solltest

Nicht so schwatzen; es giebt ja genug hier bessere sonst auch.

Noch sind eben die Rosse die vordersten, die es gewesen;

480

Selbst noch steht Eumelos und hält in den Händen die Zügel.

Da sprach zürnend zu ihm der gebietende Herrscher von Kreta: Ajas, im Zanke der Erste, du Lästerer, sonst der Achäer

Letzter in Allem, indem dein Herz unfreundlicher Art ist! Komm jetzt, wetten wir!

Sei es ein Dreifuß oder ein Kessel,

485

Und eö entscheid' als Richter des Atreus Sohn, Agamemnon, Wessen das erste Gespann sei, daß du es hörest und büßest! Sprach's, und empor fuhr Ajas, der rüstige Sohn des ONeus,

Zornig, um Jenem von Neuem mit kränkendem Wort zu entgegnen.

Und eS entstand jetzt zwischen den Zwei'n wohl heftiger Zwiespalt;

490

Aber Achilleus selber erhob sich und wehrte den Beiden: Nicht doch wechselt, ihr beide, mir mehr noch kränkende Worte,

Zürnend, o Ajas, du und Jdomeneus, nimmer geziemt's euch; Wenn es ein Anderer thäte, gewiß, dem zürntet ihr selber!

Deshalb sitzet ihr lieber im Kreis und beachtet die Rosse,

495

Welche ja selber in Kurzem, gespornt von der Siegesbegierde, Hier sein werden, und dann mag Jeglicher deutlich erkennen,

Welches Gespann der Argeer zurückblieb, welches voraus ist. Also sprach er, und sieh, herjagte der Held Diomedes,

Immer im Schwung um die Schultern die Peitsch', und es flogen die Rosse 500

Leicht mit gehobenen Hufen, in eilendem Laufe den Weg durch. Unaufhörlich besprützte der Staub mit den Tropfen den Lenker,

470

Ilias.

Aber der Wagen, mit Golde geschmückt und des Zinnes Verzierung, Rollte daher mit dem schnellen Gespann, und es blieb von den Rädern

Und dem Beschlag kaum leise die Spur in dem lockeren Sande

505

Hinter ihm nach: so rannten in fliegender Eile die Rosse.

Jetzt nun stand er im Kreis in der Mitt', und der tropfende Schweiß fiel Dicht von der Brust und dem Nacken der Ross' an den Boden hernieder. Selbst dann sprang er sogleich von dem glänzenden Sessel zur Erde,

Lehnte die Geißel darauf an das Joch, und es zauderte jetzt nicht

510

Sthenelos länger, der Held: er ergriff voll Freude den Kampfpreis, Gab, es hinweg zu geleiten, das Weib an die muthigen Freunde

Mit dem gehenkelten Kessel zugleich; dann spannt' er die Noss' aus.

Nächst ihm kam mit den Rossen Antilochos an, der Nelide,

Der Menelaos allein durch List, nicht Schnelle, zuvorkam.

515

Dennoch war Menelaos ihm nah mit den flüchtigen Nossen. Etwa so weit von dem Wagen das Roß ist, das den Gebieter

Durch das Gefild in dem Wagen in eilendem Laufe dahinführt; Hinten berührt es des Rades Beschlag mit dem Ende des Schweifes:

So dicht rollet der Wagen ihm nach, und es ist ein geringer

520

Raum nur zwischen ihm, wie es im ebenen Felde dahinrennt:

Eben so weit von dem edlen Antilochos war Menelaos Auch nun, da er zuvor auf den Wurf mit der Scheibe zurückblieb. Aber er kam bald nach; denn muthiger immer und schneller

Rannt' Agamemnons Stute, die Mähnenumflatterte Aethe,

525

Daß er gewiß, wenn länger der Lauf für die Beiden gedauert, Wieder vorbeifuhr oder ihm doch zum wenigsten gleichkam.

Aber Meriones dann, des Jdomeneus tapferer Kriegsfreund, War auf Speerwurfsweite zurück nach dem Held Menelaos,

Weil sein Mähnenumwallet Gespann weit weniger feurig,

Und in dem Kampf mit den Wagen er selbst auch minder geschickt war. Endlich zuletzt kam dann des Admetos Sohn nach den Andern, Schleppte den herrlichen Wagen und trieb zum Schritte die Rosse.

Und es bedauert' ihn, wie er ihn sah, der erhab'ne Achilleus,

530

Dreiundzwanzigster

Gesang.

471 535

Trat in den Kreis der Achäer und sprach die geflügelten Worte: Seht, der Geschickteste kommt mit den stampfenden Rossen zuletzt an!

Aber wohlauf denn, geben wir ihm, wie's ziemet, den Kampfpreis, Ihm, als zweitem; indeß Diomedes nehme den ersten. Sprach's; da gaben die Andern ihm Beifall, wie er es vorschlug, Und nun gab er die ©tut' ihm mit sämmtlicher Danaer Beifall,

540

Wettn Antilochos nicht, des erhabenen Nestor Erzeugter, Gleich sich erhoben und so zu Achilleus rechtend gesprochen:

Wahrlich, ich zürnte dir bitter, Achilleus, thätest du also, Wie du gesagt!

Mir denkst du den Kampfpreis jetzt zu entreißen,

Weil du erwägst, daß Wagen und Ross' ihm zu Schaden gekommen, Ihm, dem Geschicktesten sonst?

545

Ei, möcht' er die Ewigen anflehn!

Wahrlich, er kam dann nimmer zuletzt wohl hier in dem Lauf an. Wenn4)U ihn aber bedauerst, und er in dem Herzen dir lieb ist: Nun, dann hast du ja Goldes genug, hast Erz in dem Zelt auch,

Hast auch Schafe darinnen und Mägd' und stampfende Rosse:

550

Nimm dir von diesem und gieb ihm nachher wohl schöneren Kanrpfpreis,

Oder sogleich auch jetzo, damit die Achäer dich loben. Aber das Roß hier geb' ich ihm nicht; will's einer, versuch er's,

Wem eS gefällt von den Männern; erheb' er die Arme, zu kämpfen! Sprach's, und ihn hörte mit Lächeln der göttliche Renner Achilleus, 555

Freute sich über Antilochos, der ihm ein werther Genoß war, Und er entgegnet' ihm also und sprach die geflügelten Worte: Nun, o Antilochos, willst du, ich soll von dem Zelte noch Andres

Jetzt dem Eumelos geben?

Wohlan, auch dieses gewähr' ich,

Schenke den Panzer ihm, den ich dem Asteropäos genommen,

560

Ganz aus Erz sonst, aber ein Guß hellschimmernden Zinnes

Zieht sich umher um den Rand, und gewiß, viel wird er ihm werth sein. Sprach's und er hieß ihn Automedon gleich, den geliebten Genossen, AuS dem Gezelt herbringen, und fort ging dieser und bracht' ihn, Gab in die Hand ihn Eumelos, und froh nahm dieser den Panzer. Und es erhob sich im Kreis, voll Schmerz in der Brust Menelaos,

565

Ilias.

472

Auf dm Antilochos heftig erzürnt, und es reichte der Herold Gleich ihm den Stab in die Hand; er befahl Stillschweigen dem andern

Volke der Danaer, und es begann der erhabene Held nun: Was nur hast du gethan, o Antilochos, sonst so verständig?

570

Hast zum Spotte die Kunst mir gemacht und die Rosse zu Schanden,

Mir vorfahrend mit deinen, fürwahr, viel schlechteren Rossen!

Aber wohlauf, der Argeer erhabene Fürsten und Pfleger, Sprechet uns, wie es sich ziemet, das Recht, und begünstiget keinen,

Daß nicht Einer vielleicht dann sag' im Achäischen Volke:

575

An dem Antilochos übte mit List Menelaos Gewalt aus, Daß er die Stute sich nahm.

Wohl hatt' er geringere Rosse;

Aber er selbst stand höher an Macht und gebietendem Ansehn.

Oder wohlan, ich schlichte den Streit gleich selber, und Niemand Tadelt mich, hoff' ich, darum; denn einfach ist die Entscheidung.

580

Tritt du, Antilochos, her, du erhabener, wie es der Brauch ist. Stelle dich hier vor der Rosse Gespann, in den Händen die schlanke

Geißel, mit der du zuvor sie gepeitscht; dann rühre die Noss' an, Und beim Ländererschütt'rer Poseidon leiste den Eidschwur, Daß du mich nicht beim Fahren mit List absichtlich gehemmt hast.

585

Und der verständige Jüngling Antilochos sagte dagegen: Laß eS genug sein!

Bin ich ja doch weit jünger an Jahren

Gegen dich, Fürst Menelaos, und du bist älter und höher.

Weißt du es doch, leicht ist bei den jüngeren Männern Verirrung; Vorschnell sind sie beständig im Geist und bedenken sich wenig!

590

Also besänftige jetzt dein Herz, und ich gebe die Stute Selbst dir, die ich gewonnen und, wenn von dem Zelte du mehr noch

Anderes etwa begehrest, so möcht' ich es lieber dir geben, Als dir beständig im Herzen, o Göttlicher, mich in der Zukunft Gänzlich entfremden, und gegen die Himmlischen Frevel begehen. Sprach's und das Roß nahm jetzo der Sohn des erhabenen Nestor,

Und Menelaos führt' er es zu.

Dieser erfreut.

Da war in dem Herzen

Wie wann auf blühende Halme der Thau fällt

595

Dreiundzwanzigster Gesang.

473

In dem Gefild, wo üppig die Saat, dicht wachsend, emporsprießt: Also erfreute sich dir in der Brust dein Herz, Menelaos.

600

Und er entgegnete jenem und sprach die geflügelten Worte: Jetzt, obwohl ich dir zürnt', o Antilochos, geb' ich dir selbst nach,

Da du ja niemals früher so leichthin thöricht gehandelt,

Dießmal aber die Jugend dir nur die Besinnung geraubt hat. Hüte dich aber, und täusche den Besseren nimmer in Zukunft!

605

Keiner der Danaer hätte so leicht wohl sonst mich besänftigt;

Doch du hast ja so Vieles gethan und so Vieles geduldet, Mir zu Gefallen, und auch dein trefflicher Vater und Bruder.

Deshalb, da du mich bittest, so laß ich es; nimm dir die Stut' auch, Hier, die mein sonst wäre, damit auch sie es erkennen,

610

Daß ich gewiß nicht trotzig und lieblos bin von Gemüthe.

Also sprach er, und ließ von Antilochos Freunde Noemon Willig das Roß wegführen und nahm sich das schimmernde Becken.

Aber Meriones drauf dann nahm sich die beiven Talente

615

Gold, als vierter im Kampf, und es blieb von den Preisen der fünfte.

Diesen, daS Doppelgefäß, trug hin zu dem Nestor Achilleus Durch der Achäer Versammlung; er naht' ihm und sprach zu ihm also: Nimm auch du jetzt dieses, o Greis, und bewahre das Kleinod, . An des Patroklos Grab als Erinnerung: siehst du ihn selbst doch

Unter den Danaern nimmer!

Indeß dir geb' ich den Kampfpreis

620

So nur, da du ja doch nicht kämpfst mit der Faust und im Ringen,

Auch an dem Wurf mit dem Speer nicht Theil nimmst, noch in dem Wettlauf Rennest, indem du ja schon von dem lästigen Alter beschwert wirst. Sprach es und reicht' in die Hand es ihm hin, und er nahm es erfreuet,

Redete zu ihm entgegnend, und sprach die geflügelten Worte:

625

Wahrlich, o Sohn, das hast du mit Wahrheit Alles gesprochen! Nicht mehr sind mir die Glieder, o Freund, voll Kraft und die Füße, Noch auch regen von oben die Arm' in den Schultern sich leicht mehr.

Daß ich so jung noch wär, und die Kraft auch wär mir geblieben, Wie in Buprasion, als die Epeer den Held Amarynkeus

630

474

Ilias.

Ehrend begruben und Preise des Königes Söhne gestellet! Da war keiner der Männer mir gleich, nicht von den Epeern,

Noch von den Pyliern selbst, noch von den beherzten Aetolern. Denn Klytomedes besiegt' ich, des Enops Sohn, in dem Faustkampf,

Dann in dem Ringen den Gegner nachher, Ankäos, von Pleuron,

635

Und dem Jphiklos kam ich, dem tüchtigen Renner, im Lauf vor,

Warf mit dem Speer auch über den Phyleus und Polydoros.

Nur in dem Roßlauf jagten die Aktorionen vorüber; Wegen der Zahl schon kamen sie vor, in Begier nach dem Siege, Weil von den Preisen des Kampfes daselbst der erlesenste nachblieb.

640

Die nun waren zu zweien, und fest hielt Einer die Zügel,

Fest hielt Einer die Zügel, der Andere trieb mit der Geißel.

Also war ich vordem; doch jetzt mag jüngere Männer

Solches erfreun!

Ich muß mich, dem traurigen Alter gehorsam,

Fügen, nachdem ich mich einst wohl unter den Helden hervorthat.

645

Geh nun, ehre mit Kämpfen des theueren Freundes Bestattung!

Dieß hier aber empfang' ich, erfreut in dem Herzen und dankbar,

Daß du an mich, der's wohl meint, denkst und es nimmer vergissest, Wie es mit Ehre mich ziemt in der Danaer Volke zu ehren. Lohnen die Götter es dir mit erfreuender Wiedervergeltung!

650

Sprach's, und Achilleus kehrte zurück zu der Danaer Kampfkreis,

Als er die lobenden Worte des Nestor alle vernommen. Und für den schrecklichen Kampf mit der Faust nun setzt' er die Preis' aus, Führet' und band in dem Kreise das Arbeitkräftige Maulthier Fest, ganz roh, sechsjährig, von schwer zu bezähmendem Trotze.

655

Für den Besiegten dagegen bestimmt' er den doppelten Becher.

Dann nun trat er hervor und begann zu den Männern Achajas: Atreus Sohn und ihr anderen wohl umschienten Achäer, Lassen wir nun zwei Männer um dieß, die gewaltigsten beide,

Jetzo die Fäust' aufheben im Kampf.

Wem aber Apollon

Giebt, als Sieger zu stehn nach der sämmtlichen Danaer Ausspruch:

Der führt heim zu dem Zelte das Arbeitkräftige Maulthier;

660

Dreiundzwanzigster Gesang.

475

Doch der Besiegte gewinnet sich hier den gedoppelten Becher.

Sprach es, und schleunig erhob sich ein Mann, hochwüchsig und kraftvoll, Panopeus Sohn, wohl kundig des Kampfs mit den Fäusten, Epeos.

665

Der rief laut, mit der Hand an dem Arbeitkräftigen Maulthier: Komm' er doch her, der Gewinner des doppelten Bechers! Das Maulthier,

Mein' ich ja wohl, führt keiner hinweg von den andern Achäern, Der in dem Faustkampf sieget'; in ihm nenn' ich mich den Besten!

Oder genügt's nicht, daß in der Schlacht ich so wenig geschickt bin?

670

Ein Mann kann ja unmöglich in jeglichem Dinge geübt sein! Denn das sag' ich voraus und, gewiß, so wird es geschehen:

Gänzlich zerschmettr' ich den Leib ihm und brech' ihm die Knochen zusammen! Bleiben die Leichenbestatter für ihn ja hier miteinander,

Daß sie den Mann wegtragen, nachdem mein Arm ihn gezähmt hat!

675

Sprach's: da saßen sie alle verstummt rings um ihn und schwiegen;

Einzig Euryalos nur stand auf, der erhabene Kämpfer, Welcher, Mekisteus Sohn, des Taläonidischen Herrschers, Einst nach Thebe gezogen, nachdem dort Oedipus hinschied,

Zu der Bestattung, und alle die Kadmeonen bezwungen.

680

Und es bemühte sich um ihn der Speeresberühmte Tydide,

Redet' ihm zu, ihn ermunternd, er wünscht' ihm von Herzen, zu siegen;

Legte den Gurt ihm zuerst um den Leib und die Riemen nachher dann Gab er ihm, passend geschnitten vom mächtigen Stiere der Heerde.

Dann nun traten die Männer, versehn mit dem Gurt, in den Kampfkreis. 685 Und sie erhoben sich beide zngleich mit den nervichten Armen,

Stießen zusammen und trafen sich schwer mit den. fliegenden Fäusten.

Furchtbar schallte der Backen Getön, und es floß von den Gliedern Strömend der Schweiß: da traf ihn im Sprung der erhab'ne Epeos,

Während er selbst noch zielt', an die Wang', und er konnte sich nicht mehr 690

Aufrecht halten: ihm brachen die herrlichen Glieder zusammen. Wie vor des Boreas Schauern ein Fisch in den Fluten emporspringt, An dem Gestad', in dem Tang, und die dunkele Wog' ihn bedecket:

So sprang jener empor von dem Schlag, und der edle Epeos

476

Ilias.

Hielt mit den Armen ihn auf.

Da kamen die treuen Genossen,

695

Führten ihn aus der Versammlung hinweg, und ihm schleppten die Füße, Seitwärts neigt' er das Haupt, und er warf viel dunkeles Blut aus, Gänzlich betäubt: ihn setzten die Führenden neben sich nieder;

Aber die Anderen gingen, den doppelten Becher zu holen. Jetzt, zum dritten bestimmte den Danaern wieder Achilleus,

700

Allen ihn zeigend, den Preis in dem schwer zu bestehenden Ringkampf,

Erst für den Sieger den großen, in Gluth zu erhitzenden Dreifuß, Den zwölf Rinder an Werthe die Danaer unter sich schätzten; Und dem Besiegten bestimmt' er ein Weib, und er zeigt' es im Kampfkreis,

Welches in mancherlei Künsten geschickt, vier Rinder geschätzt ward.

705

Dann nun trat er hervor und begann zu den Männern Achajas:

Auf ihr, denen es jetzo gefällt, den Kampf zu versuchen!

Sprach es, und Ajas erhob sich, der mächtige Telamonide, Und eS erhob sich zugleich der verschlagene, weise Odysseus.

Also traten sie vor, mit den Gürteln versehn, in den Kampfkreis,

710

Und sie umschlangen einander mit kräftigen Armen und Händen, Wie daS Gebälk, das fest von dem zimmernden Meister verschränkt wird,

In dem erhabenen Hause, den stürmenden Winden zu wehren. Hörbar knackten die Rücken, indem sie die mächtigen Arme

Packten und zogen mit Macht, und der Schweiß rann tropfend zu Boden, 715 Schwielen erhoben in Menge sich hoch an den Seiten und Schultern,

Dunkel geröthet von Blut, und in unablässigem Kampfmuth Rangen sie beid' um den Sieg und den Dreifuß, köstlicher Arbeit. Weder Odysseus konnt' ihn im Fall hinwerfen zu Boden,

Noch ihn Ajas, umfaßt von der mächtigen Kraft des Odysseus.

720

Schon langweilten die beiden die hellumschienten Achäer;

Da sprach Ajas zu jenem, der mächtige Telamonide: Götterentstammter, Laertes Sohn, listreicher Odysseus,

Schwinge du mich aus, oder ich dich: dann walte Kronion!

Sprach es und schwang ihn empor, und Odysseus dachte deö Vortheils, 725 Stieß ihm von hinten gerad' in das Knie, und er löst' ihm die Glieder.

Dreiundzwanzigster

Gesang.

477

Rücklings stürzt' er zu Boden dahin-, und es fiel ihm Odysseus

Vorn auf die Brust: da staunten die Danaer voller Verwund'rung.

Dann nun hob auch jenen der herrliche Dulder Odysseus; Doch von der Erde bewegt' er ihn kaum: nicht konnt' er ihn schwingen; 730

Aber er beugt' ihm das Knie: da fielen sie beide zusammen, Neben einander dahin und besudelten sich in dem Staube.

Wohl nun sprangen sie wieder empor, zum dritten zu ringen;

Aber Achilleus selbst stand auf von dem Sitz, und er hielt sie: Kämpfet ihr nun nicht länger und quält euch noch in der Mühsal!

735

Beiden gebühret der Sieg: so empfangt von demselbigen Werth auch Beide den Preis; doch gehet, damit auch Andere kämpfen! Sprach es, und jene vernahmen ihn gern und gehorchten ihm willig,

Reinigten sich von dem Staub und bekleideten sich mit den Röcken.

Und der Pelide bestimmte sogleich nun Preise des Wettlaufs:

740

Erst, aus Silber bereitet, den Mischkrug, welcher der Maße

Sechs hielt, aber vor allen an Schönheit stralet' auf Erden, Da ihn, erfahren in Künsten, Sidonische Männer gefertigt.

Drauf dann führten Phöniker ihn mit sich auf dunkeler Meerflut,

Stellten ihn aus in den Häfen und schenkten nachher ihn dem Thoas; 745 Aber zuletzt,' um Lykaon, des Priamos Sohn zu befreien,

Gab ihn dem Helden Patroklos der Sohn des Jason, Euneos.

Den nun setzte der hohe Pelid' als Preis für den Freund aus, Wer der geschwindeste wär in dem Lauf mit den kräftigen Füßen. Dann für den zweiten bestimmt' er darauf den gewaltigen Maststier,

750

Endlich ein goldenes halbes Talent als niedrigsten Kampfpreis. Dann nun trat er hervor und begann zu den Männern Achajas:

Auf ihr, denen es jetzo gefällt, den Kampf zu versuchen! Sprach es, und Ajas erhob sich, der rüstige Sohn des Oileu's,

Nach ihm Odysseus, listig im Rath, und Antilochos endlich, Nestors Sohn; denn unter den Jüngeren war er der schnellste.

Also stellten sie sich, und das Ziel wies ihnen Achilleus. Kraftvoll liefen sie nun von dem Mal, und der flüchtige AjaS

755

478

Ilias.

Kam bald vor; dann rannte sogleich der erhab'ne Odysseus

Ganz dicht hinter ihm.

Wie an der Brust des gegürteten Weibes

760

Etwa das Webschiff, das sie geschickt mit den Händen dahinwirst,

Wann sie den Einschlag ziehet von Garn, und es nah an die Brust hält:

So dicht rannte nach jenem Odysseus; hinter ihm trat er

Stets in die Spur mit den Füßen, bevor sie mit Sande sich füllte, Und mit dem Athem behaucht' ihm das Haupt der erhab'ne Odysseus, 765

Immer in rüstigem Lauf: zujauchzt' ihm das Volk der Achäer,

Wie er sich müht' um den Sieg, und er rannt', und sie trieben ihn mehr noch! Aber sie nahten dem Ende des Laufs: da flehet' Odysseus Auf zu Athene, des Zeus helläugiger Tochter, im Herzen:

Höre mich, Göttin und stehe mir huldvoll bei in dem Wettlauf!

770

Also sprach er und fleht', und Athene, gnädig ihn hörend, Machte die Füß' und die Glieder ihm leicht und die Arme von oben.

Aber indem sie so eben den Kampfpreis wollten ergreifen: Da, von Athene geirrt, glitt Ajas, indem er dahin lief, Dort in deni Unrath von den geschlachteten, brüllenden Rindern,

775

Zu des Patroklos Ehre gewürgt von dem hohen Achilleus,

Und von dem Kothe der Rinder bekam er die Ras' und den Mund voll.

So nahm also den Krug der erhabene Dulder Odysseus, Weil er ihm vorkam; aber den Stier nahm Ajas, der edle.

Da nun stand er, die Hand an dem Horn des geweideten Stieres,

780

Koth ausspeiend, und sprach zu der Danaer Volke die Worte: Wahrlich, mich irrte die Göttin im Lauf, die immer ja sonst auch

Ueber Odysseus waltet und mütterlich helfend ihm beisteht! Sprach's; da lachten sie über ihn all' in dem Kreise von Herzen;

Aber Antilochos nun nahm jetzo den niedrigsten Kampfpreis

Lächelnd, indem er zugleich so sprach zu den Männern Achajas: Wißt ihr es, Freund' auch alle, so sag' ich es doch: es verleihen

Auch noch jetzo die Götter den älteren Menschen die Ehre!

Ajas zwar ist nur um ein Weniges vor mir geboren; Aelter indeß ist der und gehört zu den früheren Menschen.

785

Dreiundzwauzigster Gesang.

479

Frisch noch nennen sie ihn als Greis, und die Männer Achajas

Rennten mit ihm wohl schwerlich im Wettlauf, außer Achilleus.

Also sprach er nnd lobte den rüstigen Peleionen. Da sprach gleich zu ihm wieder die Wort', ihm entgegnend, Achilleus:

Nun, o Antilochos, daß du mich doch nicht gänzlich umsonst lobst,

795

Will ich ein anderes halbes Talent zu dem Golde dazuthun!

Sprach es, und reicht' es ihm dar in die Händ', und er nahm es mit Freuden.

Aber Achilleus brachte die weithin schattende Lanze, Brachte den Schild und den Helm in den Kampfkreis her, des Sarpedon

Waffengeschmeid, das jüngst des Menötios Sohn ihm entrissen,

800

Trat vor die Anderen hin und begann zu den Männern Achajas:

Lassen wir jetzt zwei Männer um dieß, die gewaltigsten beiden, Wohl mit den Waffen bewehrt, und das schneidende Schwert in den Händen,

Vor dem versammelten Volke sich hier an einander versuchen. Welcher den Andern zuerst in dem stattlichen Körper verwundet,

805

Daß er die inneren Theil' ihm berührt, und das dunkele Blut fließt:

Der soll hier dieß Schwert mit den goldenen Buckeln empfangen, Das ich, ein thrakisches, schönes, gewann von dem Asteropäos;

Doch dieß Waffengeschmeide gehört dann Beiden gemeinsam,

Und ich bewirthe nachher sie mit köstlichem Mal' in dem Zelte.

810

Sprach es, und Ajas erhob sich, der mächtige Telamonide,

Und der Tydide zugleich, der gewaltige Held Diomedes. Als nun die sich, entfernt vom versammelten Volke, bewaffnet,

Traten sie beid' in die Mitte zugleich, voll muthiger Kampflust, Furchtbar blickend, und Staunen ergriff ringsum die Achäer.

815

Aber nachdem sie einander sich nun vorschreitend genahet,

Griffen sie dreimal beide sich an und versuchten sich dreimal. Da traf Ajas jenem den Schild von gerundeter Wölbung; Aber er drang nicht durch in den Leib: da hemmt' ihn der Harnisch.

Doch Diomedes sucht' ihm, vorbei an dem mächtigen Schilde,

Stets in den Hals mit der Spitze der blinkenden Lanze zu treffen.

Und eS geriethen um Ajas die Danaer all' in Besorgniß,

. 820

480

Ilias.

Hießen sie endigen und ganz gleich hinnehmen den Kampfpreis;

Doch es ertheilte der Held das gewaltige Schwert dem Tydiden, Das er zugleich mit der Scheid' und der tüchtigen Kuppel ihm hintrug. 825

Und es erhob der Pelide darauf die gegossene Scheibe, Von der gewaltigen Kraft des Eetion früher geschleudert;

Doch es erschlug ihn im Kampfe der göttliche Renner Achilleus,

Und sie bracht' er zugleich mit dem anderen Gut in den Schiffen. Dann nun trat er hervor und begann zu den Männern Achajas:

830

Tretet hervor jetzt, die ihr den Kampf hier wollet versuchen.

Wenn auch weit wohl Einem das üppige Feld sich dahinzieht: Hieran hat er gewiß auf fünf umkreisende Jahre,

Was er bedarf, und es geht ihm nachher, aus Mangel an Eisen,

Nimmer der Pflüger und Hirt in die Stadt: die reichet ihm ganz aus. 835 Sprach'S; da kam von dem Sitze der muthige Held Polypötes,

Und eS erhob sich der edle, gewaltige Kämpfer Leonteus,

Ajas, der Telamonide zugleich und der hohe Epeos. Alle sie stellten sich auf, und Epeos faßte die Kugel,

Schwang sie und warf: da lachte der Danaer ganze Versammlung.

840

Dann warf Ares Genoß sie, Leonteus; aber der dritte

Schleuderte Telamons Sohn sie darauf, der gewaltige Ajas, Mit der gewaltigen Faust, und er warf weit über die Zeichen.

Als nun aber die Kugel der Held Polypoetes emporhob — Etwa so weit, wie ein Hüter des Hornviehs wirst mit dem Krummstab, 845

Welcher in wirbelndem Schwung in der weidenden Heerde dahinfliegt: So weit warf er sie über den Kreis; da jubelten Alle.

Und es enteilten Genossen sogleich von dem Held Polypoetes

Zu den geräumigen Schiffen hinab mit des Königes Kampfpreis. Aber den Schützen bestimmt' er darauf blau schimmerndes Eisen:

Zehn zweischneidige Beil' und dazu zehn Aerte bestimmt' er, Stellte den Mastbaum dann von dem dunkelgeschnäbelten Schiff auf,

Fern auf kiesigem Grunde, nachdem er die schüchterne Taube

Leicht mit dem Faden am Fuße daran festband, und gebot nun,

850

Dreiundzwanzigster Gesang.

481

Nach ihr zu schießen: der Schütz, der selbst sie, die schüchterne Taube, 855

Trifft, der nehme sich alle die doppelten Aerte nach Hause;

Wer in den Faden jedoch nur trifft und den Vogel verfehlet — Denn das ist ein geringerer Schuß —- der nimmt sich die Beile! Sprach es, und sieh, es erhob sich die Kraft des gebietenden TeukroS

Und Meriones mit ihm, Jdomeneus tapfrer Genosse.

860

Gleich nun nahmen und schwangen sie Loos' in dem ehernen Helme, Und es erloosete Teukros den Vorschuß, schnellte den Pfeil ab, Heftigen Sinnes, sogleich, und verhieß als Opfer dem Herrscher Nicht von den Erstlingslämmern die herrliche Dankhekatombe.

Und er verfehlte den Vogel: es gönnt' es ihm nimmer Apollon;

865

Aber er traf in den Faden am Fuß des gebundenen Vogels,

Daß er gerade den Faden zerschnitt mit dem bitteren Pfeile. Da flog der zu dem Himmel empor, und es schwebte der Faden Gegen die Erde herab: laut jauchzten die Männer Achajas.

Aber der Rechten entriß ihm Meriones eiligst den Bogen —

870

Längst schon hatt' er den Pfeil sich zuvor, scharf zielend, gerichtet — Weihete schnell in dem Herzen dem treffenden Phöbos Apollon Opfer, von Erstlingslämmern die herrliche Dankhekatombe,

Und in dem hohen Gewölk schon sah er die schüchterne Taube: Da durchschoß er sie, wie sie im Kreis flog, unter dem Flügel.

875

Scharf durchschnitt sie der Pfeil; dann fuhr er zurück, in den Boden Tief, vor Meriones Füßen, hinein; und es setzte der Vogel Sich auf den Mastbaum nieder des dunkelgeschnäbelten Schiffes,

Senkte den Hals, dann lösten sich bald die gefiederten Flügel,

Eilig entfloh ihm den Gliedern der Geist und, entfernt von dem Mastbaum, 880 Fiel er herab.

Da staunte das Volk ringsum in Bewund'rung.

Aber Meriones nahm sich die zehn zweischneidigen Aerte, Während sich Teukros die Beile hinab zu dem wölbigen Schiff trug.

Aber Achilleus stellte den mächtigen Speer und das Becken, Nimmer von Feuer berühret, ein Rind werth, Blumenverzieret, Jetzt in dem Kampfkreis auf.

885

Da kamen die Männer des Speerwurfs:

31

482

Ilias.

Arreuß Sohn stanv auf, der gebietende Fürst Agamemnon, Unv Meriones auch, des Jvomeneus tapfrer Genosse;

Doch da sagte zu ihnen der göttliche Nenner Achilleus: Atreus Sohn, wohl wissen wir, weitvor gehest du Allen,

890

Weit auch bist du an Kraft und im Wurf mit dem Speere der erste; Geh zu den wölbigen Schiffen daher jetzt hier mit dem Kampfpreis!

Aber den Wurfspeer laß uns Meriones geben, dem Helden, Wenn es dir so in dem Herzen gefällt: ich wenigstens rath' es.

. Also sprach er, und willig gehorcht' ihm der Fürst Agamemnon,

An den Meriones reicht' er den ehernen Speer, und der Held dann Legte den köstlichen Preis in Talthybios Hände, des Herolds.

895

Bierunbzwanzigster Grsang, Und tbie Versammlung löste sich auf; zu den eilenden Schiffen Gingen zerstreuet die Völker, ein Jeglicher wollte der Malzeit

Und des erquickenden Schlafes sich sättigen) aber Achilleus Dachte des theuren Genossen; er weint', und es naht' ihm der Schlaf nicht,

Der sonst Alle bezwinget: er warf sich umher in dem Lager.

5

Seinen Patroklos vermißt' er, den wüthigen, nimmer verzagten; Was er zusammen mit jenem gethan und gelitten für Drangsal, Kämpfe der Männer und, wie sie des Meers Abgründe befahren: Dessen gedacht' er im Herzen, und häufige Thränen vergoß er,

Warf auf die Seite sich bald, dann bald auf den Rücken im Lager,

10

Bald auch auf das Gesicht; dann sprang er empor und erhob sich, Schweift' an dem Ufer des Meeres umher, voll Kummer, und Eos

Fand ihn, indem sie sich über dem Meer und den Ufern emporhob. Und er bespannte den Wagen sogleich mit den flüchtigen Rossen,

Band an den Sessel von hinten den Hektor, um ihn zu schleifen, Und so fuhr er mit ihm dreimal um des todten Patroklos Denkmal rings; dann ruht' er im Zelt und verließ in dem Staub ihn,

Auf sein Antlitz niedergestreckt.

Doch Phöbos Apollon

Schirmte den Körper vor jeder Verstümmelung, auch in dem Tod noch

Sein sich erbarmend, und über ihn hielt er die goldene Aegis, Daß er ihm, wie er ihn schleifte, die Haut doch nimmer verletzte. 31 *

15

484

Ilias.

Also schändete jener im Zorn den erhabenen Hektor.

Und e6 erbarmten sich seiner die Ewigen, als sie es sahen, Daß sie den Argostödter beredeten, ihn zu entführen.

Allen den anderen Göttern gefiel dieß; aber der Here

25

Und dem Poseidon nicht, noch Zeus helläugiger Tochter; Sondern den Priamos und sein Volk und die heilige Troja

Haßten sie, wie sonst immer zuvor, um die Schuld Alerandros,

Welcher die Göttinnen tadelt', indem sie im Hof ihn besuchten, Jene dagegen erhob für den Lohn der verderblichen Buhlschaft.

30

Doch als Eos darauf nun schon zwölfmal sich erhoben, Da sprach also im Kreis der Unsterblichen Phöbos Apollon:

Grausam seid ihr und hart, ihr Unsterblichen!

Brannte für euch nicht

Hektor vordem sonst Schenkel der Stier' und erlesener Ziegen? Und jetzt weigert ihr ihm, dem Erschlagenen selbst, die Errettung,

35

Daß sein Weib und die Mutter ihn sah' und das Kind und der Vater

Priamos auch, mit den Völkern zumal, die eilig gewiß ihn Würden in Flammen verbrennen, in ehrendem Leichenbegängniß.

Doch dem Achilleus wollt ihr, dem schrecklichen, helfen, ihr Götter,

Dem in der Brust kein Sinn für das Billige wohnt und das Herz sich 40 Niemals beuget; er kennt, wie ein Leu, nichts, außer der Wildheit,

Wann pon der mächtigen Kraft und dem trotzigen Muth er getrieben, Sich in der Sterblichen Heerden, ein Mal sich zu rauben, hineinstürzt.

So ist Achilleus gänzlich erbarmungslos, und die Scham auch Kennet er nicht, die Schaden den Sterblichen bringet und Wohlthat.

45

Hat ja doch sonst auch Mancher Geliebtere selber verloren,

Mancher den Sohn wohl oder von selbiger Mutter den Bruder, Und sich vom Jammern und Weinen zuletzt doch wieder beruhigt;

Denn es verlieh das Geschick ja den Sterblichen Muth zum Ertragen.

Dieser indessen, nachdem er den göttlichen Hektor gewürgt hat,

Schleift, ihn am Wagen, gefesselt, umher um . des theuren Genossen Grabmal: was ihm, fürwahr, nicht Ruhm bringt oder Erleicht'rung! Daß wir zuletzt nicht, gut, wie er sonst ist, gegen ihn zürnen;

50

Vierundzwanzlgster Gesang.

485

Denn er beschimpft ja den nichts mehr fühlenden Staub in dem Wahnsinn!

Und es entgegnet' ihm zürnend die lilienarmige Here:

55

Billigen könnte man, was du gesagt, ferntreffender Phöbos, Stellte man gleich sie an Ehre, den Hektor und den Achilleus.

Hektor indeß ist sterblich, gesäugt an dem Busen des Weibes;

Aber Achilleus stammt von der Göttin, welcher ich selbst einst Nahrung und Pflege gewährt, und dem sterblichen Mann sie vermälet,

60

Peleus, dem in dem Herzen die Himmlischen alle geneigt sind. Und zu der Hochzeit kämet ihr all', ihr Unsterblichen, du auch

Warst beim Schmaus mit der Laut', Abtrünniger, Freund der Verworf'nen! Da sprach, jener entgegnend, der Wolkenversammler Kronion: Sprich doch, o Here, nicht so erbitterte Worte zu Göttern!

65

Nicht zwar sind sie an Ehre sich gleich wohl; aber den Hektor

Lieben die Götter ja auch vor den Sterblichen allen in Troja, Wie auch ich; denn nimmer versäumt' er gefällige Gaben, Niemals fehlet' es meinem Altar an dem ziemenden Schmause, Nie an dem Wein und dem Duft; was uns als Ehre zu Theil ward.

70

Aber des muthigen Hektor Entführung — nimmer geschäh sie

Vor dem Peliden geheim — die lassen wir, da ja beständig Bei .ihm die Mutter die Nächte sowohl, wie am Tage sich aufhält.

Wenn mir die Thetis indeß von den Himmlischen Einer herauf rief,

Redet' ich mit ihr verständig ein Wort, ob nicht der Pelide

75

Priamos Lösungsgaben empfängt und den Hektor zurückgiebt.

Sprach es, und Iris erhob sich, die windschnell eilende Botin. Zwischen den felsigen Klippen von Jmbros Höhen und Samos Schoß sie hinab in das dunkele Meer, und es ächzte die Flut auf.

So wie ein Senkblei fuhr sie hinab in die Tiefe des Meergrunds,

80

Das, an der Spitze des Hornes vom weidenden Stiere befestigt, Einsinkt und das Verderben den gierigen Fischen hinabbringt.

Dort in der Grotte Gewölb nun fand sie die Thetis, und um sie

Saßen die anderen Nymphen des Meers, und sie weinte mit ihnen

Ueber des Sohnes Geschick, des untadligen, welchem bestimmt war,

85

486

Ilias.

Daß er in Troja erläge, der scholligen, fern von der Heimat.

Da trat zu ihr und sagte die windschnell eilende Iris: Auf nun, Thetis, es ruft dich der ewige Herrscher Kronion.

Da sprach, jener entgegnend, die silberfüßige Thetis: Weshalb rufet er mich, der gewaltige Gott?

Es beschämt mich,

90

Unter die Götter zu treten, unendlichen Kummer im Herzen; Aber ich komme sogleich, und geschehn soll, was er mir sage. So die erhabene Göttin, und warf ein verhüllendes Kleid um,

Ganz tiefdunkeler Farbe, das schwärzeste von den Gewändern. So nun ging sie, geführt von der windschnell eilenden Iris,

95

Und es zertheilten sich um sie die flutenden Wogen des Meeres.

Dann, zu dem Strande gelangt und empor zu dem Himmel geeilet, Fanden sie Zeus, den Berather, und rings um ihn her in dem Kreise Saßen versammelt die andern unsterblichen, seligen Götter.

Dort nun setzte sich jene zu ZeuS, und ihr wich Athenäa.

100

Here reichte sogleich ihr den goldenen, schönen Pokal hin,

Redete freundlich ihr zu, und sie trank; dann gab sie ihn jener.

Und es begann zu den Andern der Vater der Menschen und Götter: Zu dem Olympos kamst du, im Gram selbst, göttliche Thetis,

Mit dem unendlichen Schmerz in der Brust; wohl weiß ich es selbst auch; 105 Aber ich sage dir dennoch, warum ich dich zu mir herauf rief.

Schon neun Tag ist Streit in dem Kreis der unsterblichen Götter

Ueber des Hektor Leich' und den Städteverwüster Achilleus, Da sie den Argostödter beredeten, jene zu rauben.

Doch ich wendete dieß wohl gern zu dem Ruhm des Achilleus,

110

Daß ich mir Achtung und Liebe von dir auch künftig bewahre.

Gehe denn eilig hinab in das Heer zu dem Sohn mit dem Auftrag:

Sag' ihm, es seien ihm Götter erzürnt, und am meisten von allen

Ewigen zürn' ich ihm selbst auch, daß er den Hektor in Wahnsinn Hält an den schnäbligen Schiffen und nicht ihn für Lösung zurückgiebt, 115

Ob er vielleicht mich scheuet und Lösung nimmt für den Hektor. Iris will ich indeß, zu dem herrlichen Priamos senden,

Vierundzwanzigster

Gesang.

487

Daß er den theueren Sohn auslös' an den Schiffen Achajas, Gaben Achilleus bringend, womit er den Zorn ihm versöhne. Sprach es, und willig gehorcht' ihm die sitberfüßige Thetis,

120

Eilet' im Schwünge hinab von den felsigen Höhn des Olympos,

Und trat ein in des Sohnes Gezelt.

Da fand sie ihn schmerzvoll

Seufzend in Trauer und um ihn die Freund' und Genossen, geschäftig

Jeden bemühet, indem sie das Frühmal eben besorgten,

Da sie ein Schaf, dickwollig und groß in dem Zelte geschlachtet.

125

Nahe zu ihm nun setzte sich jetzt die erhabene Mutter, Streichelt' ihn sanft mit der Hand und begann zu ihm also und sagte:

Theueres Kind, wie lange verzehrst du mit Jammer und Klagen Noch dir im Innern das Herz und gedenkst nicht, weder an Nahrung

'Noch an das Lager?

Es wäre dir gut, dich in Liebe dem Weib' auch 130

ÄLieder zu nahen; du lebst mir ja doch nicht lange: gewiß, schon Stehet dir nah an der Seite der Tod und das harte Verhängniß!

Doch nun höre mich eilig: ich komm' als Botin Kronions. Zornig auf dich sind, sagt' er, Unsterbliche, aber vor allen

Ewigen zürn' er dir selbst auch, weil du den Hektor im Wahnsinn

135

Hältst an den schnäbligen Schiffen und nicht ihn für Lösung zurückgiebst. Laß ihn denn also und nimm für den Leichnam Gaben der Lösung.

Und ihr entgegnet' und sprach der gewaltige Renner Achilleus: Sei es denn so: wer Lösung erlegt, der nehme den Leichnam,

Da es mit ernstem Beschluß der Olympier selber gebietet.

140

Also sprachen sie Manches, der Sohn und die Mutter im Schiffsheer

Noch mit geflügelten Worten im Wechselgespräch mit einander. Iris entsendet' indeß der Kronid' in die heilige Troja: Gebe mir, eilende Iris, hinab von dem Sitz des Olympos,

Bring' an des Priamos Macht in der Troischen Veste die Botschaft: Daß er den theueren Sohn auslös' an den Schiffen Achajas, Gaben Achilleus bringend, womit er den Zorn ihm versöhne,

Aber allein; sonst gehe mit ihm kein anderer Troer, Außer ein Herold folg' ihm, ein älterer, welcher dft Mäuler

145

488

Ilias.

Lenk' an dem rollenden Wagen, und so auch führ' er den Todten,

15o

Welchen der hohe Pelid' ihm erschlug, in die Mauern von Troja. Denk' er im Geist nur nicht an den Tod, noch wandel' ihn Furcht an;

Denn wir gesellen ihm ihn als Führer, den Argostödter, Welcher Geleit bis hin ihm gewährt und ihn führt zu Achilleus.

Aber nachdem er ihn in das Gezelt des Peliden geführt hat,

155

Tödtet ihn der nicht selbst, und er wehrt auch allen den Andern;

Denn nicht sinnlos ist er und unklug oder ein Frevler; Sondern er wird voll Sorge des flehenden Mannes verschonen. Sprach es, und Iris erhob sich, die windschnell eilende Botin,

Kam in des Priamos Haus, und sie fand dort Jammer und Wehruf. 160 Rings um den Vater im Innern des Vorhofs saßen die Söhne,

Naß die Gewände geweint, und der Greis selbst saß in der Mitte,

Fest das Gesicht in den Mantel gehüllt, und der schmutzige Staub lag Dicht auf Nacken und Haupt des gebietenden Greises: er warf ihn

Ueber sich selbst mit den Händen, indem er sich wälzt' an dem Boden. 165 Und in den Wohnungen klagten die Töchter und Frauen der Söhne;

Denn sie gedachten der vielen und tapferen Helden im Geiste, Die schon lagen, des Lebens beraubt vdn den Söhnen Achajas. Und zu dem Priamos trat ganz nah Zeus Botin, und leise

Sprach sie die Worte zu ihm — da zitterten jenem die Glieder: Fasse dich Priamos, Enkel des Dardanos!

170

Fürchte dich nimmer;

Denn nicht bin ich gekommen, damit ich dir Böses verkünde, Sondern dir freundlich gesinnt und von Zeus her komm' ich mit Botschaft, Welcher, entfernt zwar, dein sich erbarmt und im Herzen dir wohl will.

Denn der Olympier heißt dir, den göttlichen Hektor zu lösen,

175

Gaben Achilleus bringend, womit du den Zorn ihm versöhnest,

Aber allein; sonst gehe mit dir kein anderer Troer, Außer ein Herold folg', ein ergraueter, welcher die Mäuler

Lenk' an dem rollenden Wagen, und so auch führe den Todten, Welchen ^Achilleus Hand dir erschlug, in die Mauern von Troja.

180

Denk' in dem Geist nur nicht an den Tod, noch wandle dich Furcht an;

Vierundzwanzigster Gesang.

489

Da ja, dich führend, sich er dir, der Argostödter gesellet,

Welcher Geleit bis hin dir gewährt und dich bringt zu Achilleus. Aber nachdem er dich in das Gezelt des Peliden geführt hat, Tödtet dich der nicht selbst, und er wehrt auch allen den Andern;

185

Denn nicht sinnlos ist er und unklug oder ein Frevler;

Sondern er wird voll Sorge des flehenden Mannes verschonen. Also sprach und enteilte die leicht hinschwebende Iris.

Da hieß jener die Söhne sogleich ihm den rollenden Wagen Rüsten mit Mäulergespann und den Korb auch droben befest'gen.

190

Aber er selbst stieg eilig hinab in die duftende Kammer, Hoch, aus Zedern gebaut, die Viel und Erlesenes einschloß, Rief auch Hekabe mit sich hinab, die Gemalin, und sagte:

Unglücksel'ge, von Zeus her kam die Olympische Botin, Daß ich den theueren Sohn auslös' an den Schiffen Achajas,

195

Gaben Achilleus bringend, womit ich den Zorn ihm versöhne.

Komm denn, sage mir du: was meinst du dazu in dem Herzen?

Denn es verlanget mir selber das Herz und die Seele gewaltig,

Hin zu den Schiffen zu gehn, zu dem mächtigen Heer der Achäer. Sprach's; da schluchzte die Gattin und gab ihm, entgegnend, dieAntwort: 200 Wehl

Wie schwand dir doch aller Verstand, um welchen die Menschen

Früher dich immer, die Fremden und die du beherrschest, erhoben? Wie nur willst du hinab zu der Danaer Schiffen allein gehn,

Unter die Augen des Mannes, vor dem dir der tapferen Söhne Viele gefallen! er hat ja ein eisernes Herz in dem Busen!

205

Hat er dich nur erst in der Gewalt und er sieht dich mit Augen,

Er, nach Blut so begierig und treulos! wird er dich nichts mehr Achten und dein sich erbarmen: so laß uns lieber von fern jetzt

3n dem Gemach wehklagen.

Ihm hat es die mächtige Möra,

Als ich ihn selber geboren, gewiß in den Faden gesponnen,

Einst schnellfüßige Hunde zu sättigen, fern von den Eltern,

Bei dem gewaltigen Mann.

O, könnt' ich mich ihm in die Leber

Fest einbeißen: ich schlänge sie auf und erhielte Vergeltung

210

490 Für mein Kind!

Ilias. Denn, wahrlich, der Schwächlinge keinen erschlug er,

Sondern den Mann, der stand für die Busenumgürteten Frauen

215

Und für die Männer der Stadt, der niemals zagend zurückwich! Da sprach Priamos wieder, der göttliche Greis, ihr entgegnend:

Halte mich nicht von dem Gange zurück, noch sei mir des. Unheils

Drohender Vogel im Hause du selbst: ich gehorche dir doch nicht! Ja, wenn sonst es mir einer der Erdebewohner geboten,

220

Einer der Seher, ein Opferprophet auch, oder ein Priester:

Möchten wir Täuschung es nennen und mehr uns dagegen verwahren; Jetzo indessen — ich sahe ja selbst sie und hörte die Göttin — Geh ich; es soll nicht eitel ihr Wort sein.

Wenn mir verhängt ward,

Daß ich erlieg' an den Schiffen der Erzumwehrten Achäer:

225

Will ich es: morde sogleich mich Achilleus, wenn ich den Sohn nux

Halt' in den Armen, nachdem ich noch einmal satt mich geweinet! Sprach es und öffnete gleich von der stattlichen Kiste den Deckel,

Nahm sich daraus dann zwölf von den köstlichen Feiergewanden, Zwölf einfachere Mäntel dazu, und der Decken so viel' auch,

230

Eben so viel dann Röck' und der prächtigen Decken so viele; Dann noch bracht' er und wog von dem Gold zwölf ganze Talent' ab,

Nahm vier Becken, und zwei dreifüßige, schimmernde Kessel,

Endlich den schönen Pokal, den einst ihm die Thraker gegeben, Als er entsandt sie besuchet, ein Kleinod; seiner sogar nicht

. 235

Schont' in dem Hause der Greis jetzt, da er den theueren Sohn nur

Wünscht' in dem Herzen zu lösen.

Darauf dann scheucht' er die Troer

Unter der Halle hinweg, und er schalt sie mit drohender Schmähung: Fort, ihr klägliches Volk/Nichtswürdige!

Habt ihr daheim nicht

Selbst auch Trübsal, daß ihr zu mir kommt, mich zu beschweren?

240

Achtet ihr es für gering, daß Zeus mir den Jammer gesandt hat,

Ihn zu verlieren, den herrlichen Sohn?

Bald seht ihr es selbst ein!

Denn viel leichter ermoxden, fürwahr, die Achäischen Männer

Euch, da jener gefallen; — o, möcht' ich selber doch auch nur, Eh ich die Veste genommen mit Sturm und das Graun der Verwüstung 245

Sehe mit eigenen Angen, hinab in des Aldes Hans gehn!

Sprach's und vertrieb mit dem Stabe das Volk, nnd sie eilten von dannen Vor dem erbitterten Greis, nnd er rief nun scheltend die Söhne,

Helenos zn sich nnd Paris und Agathon, der wie ein Gott war,

Pammon, Antiphonos auch und Deiphobos und den Polites,

250

Tapfer im Streit, und Hippothoos rief er und Dios,, den edlen:

Alle die neun rief laut sich der Greis, nnd mit Schelten gebot er:

Eilt, nichtsnutzige Söhn', ihr erbärmlichen! Möchtet doch all' ihr Liegen an Hektors Statt, vor den eilenden Schiffen erschlagen! O, ich Unseliger, der ich die tapfersten Söhne genüget,

255

Weit im Gebiete der Troer, und nun ist keiner mir übrig!

Mestor, den göttlichen Helden und TroNos, herrlich zu Wagen, Und dann Hektor, welcher ein Gott war unter den Männern —

Wahrlich, es schien ja, ein Gott, kein Sterblicher, hab' ihn genüget — Sie hat Ares vertilgt und die Kläglichen blieben mir alle,

260

Lugner und Tänzer, erfahren allein in dem gaukelnden Reihntanz, Ihr da, die ihr die Lämmer für euch und die Böck' in dem Volk raubt!

Werdet ihr jetzo den Wagen mir nicht anschirren und dieß hier Alles darauf thun, daß wir den Weg dann eilig beenden?

Sprach es, und diese, geschreckt von den scheltenden Worten des VaterS, 265

Trugen den rollenden Wagen, den köstlichen her, für die Mäuler Eben gebanet, und banden den Korb fest auf dem Gestell an,

Hoben das Buchsbaumjoch von dem Pflock für die Mäuler herunter, Welches, mit Buckeln geziert, mit den nöthigen Ringen versehn war,

Brachten zugleich mit dem Joche das Band, neun Ellen an Länge,

270

Legten es eilig und fest an die künstlich geglättete Deichsel,

Vorn an dem End', und den Ring dann legten sie an um den Nagel,

Wanden das Band um den Buckel darauf dreimal, und zuletzt dann

Banden sie Alles, von unten geschleift, an dem Haken zusammen. Aus dem Gemach dann trugen sie auf den geglätteten Wagen,

Ueber einander gehäuft, die unendliche Lösung des Hektor,

Spannten die Maulthier' ein, voll Kraft und gewöhnt zu der Arbeit,

275

492

Ilias.

PriamoS einst von den Mysern geschenkt als herrliche Gabe;

Jochten die Ross' auch ein für den Priamos, welche der Greis sich Selber mit Sorgfalt nähret' und pflegt' an der glänzenden Krippe.

280

Doch sie spannt' in dem hohen Palast sich Priamos selbst an, Er und der Herold, beid' in dem Geist voll tüchtiger Einsicht. Da trat Hekabe zu ihm heran mit bekümmertem Herzen,

Brachte für sie in der Rechten, im goldenen, schönen Pokale, Seelenerfteuenden Wein zu der Spendung, ehe sie führen,

285

Und vor der Rosse Gespann hin trat sie und sagte die Worte: Nimm hier, sprenge dem Vater Kronion! bitt' ihn um Heimkehr In dein Haus von dem Heere der feindlichen Männer, verlangt's dich

So in der Brust, zu den Schiffen zu gehn, da wohl ich es abrieth.

Doch du flehe zu ihm, zu dem Wolkenumhüllten Kronion,

290

Jda'S Gott, der rings auf Ilios Fluren herabschaut. "Bitte du ihn um den Vogel, den flüchtigen Boten, ihm selber Unter den Vögeln den liebsten und der die gewaltigste Kraft hat;

Rechtsher send' er ihn, daß du, ihn selbst mit den Augen gewahrend,

Seiner getrost, zu den Schiffen der reisigen Danaer gehest.

295

Sendet der Donnerer Zeus dir jedoch nicht seinen Gesandten: -Wahrlich, so würde dazu niemals mein Rath dich ermuntern,

Daß du, so gern du es willst, hingingst zu den Schiffen Achajas. Da sprach Priamos also, der göttliche, jener entgegnend:

Theueres Weib, wohl will ich dir, wie du es wünschest, gehorchen;

300

Gut ist Flehen zu Zeus, ob vielleicht er sich unser erbarme. Also der Greis, und er ließ von der Schaffnerin lauteres Wasser

Ueber die Hände sich gießen, und hin zu ihm. trat sie und hielt ihm

Dienend das Becken mit Wasser zugleich mit der Kann' in den Händem So nun wusch er sich erst; dann nahm er den Becher der Gattin,

Trat in die Mitte des Hofes und betete, sprengte den Wein aus, Hob zu dem Himmel die Augen und sprach laut flehend die Worte: Zeus, du Herrscher vom Ida, Gewaltigster, Herrlichster, Vater! Gieb du,-daß der Pelide mich mild, mit Erbarmen empfange;

305

Vierundzwanzigster Gesang. Sende den Vogel mir aber- den flüchtigen Boten, dir. selber

493 310

Unter den Vögeln den liebsten und der die gewaltigste Kraft hat;

Rechtsher send' ihn, damit ich, ihn selbst mit den Augen gewahrend,

Seiner getrost, zu den Schiffen der reisigen Danaer gehe. Also betet' er laut, und es hört' ihn der Herrscher Kronion. Und er entsandte den Adler sogleich, den bedeutendsten Vogel,

315

Der auch Perknos heißet, von dunkeler Farbe, den Jäger. Weithin, wie in dem hohen Gemach des begüterten Mannes Wohl einpassend die fest zu verschließenden Thüren sich aufthun:

So weit spannt' er die Schwingen im Flug aus, und er erschien dort Rechtshin, da er sich über der Stadt aufschwang: an dem Anblick

320

Freuten sie sich, und das Herz in der Brust ward Allen erleichtert.

Aber der Greis stieg eilend sogleich in den Wagen und trieb nun Fort durchs äußere Thor und die weithin tönende Halle.

Vor ihm fuhr mit der Mäuler Gespann vierrädrig der Wagen, Von dem Jdäos gelenkt, dem verständigen, aber die Rosse

325

Hinter ihm, welche der Greis mit der Stimm' und der Geißel die Stadt durch Trieb zu beständigem Lauf, und es folgten die sämmtlichen Freunde, Laut wehklagend ihm nach, als ob er gewiß in den Tod ging. Als sie jedoch von den Höhen der Stadt in die Ebene kamen,

Kehrten die Söhne nach Troja zurück mit den Männern der Töchter.

330

Doch der Beiden vergaß nicht Zeus weitschauende Vorsicht, Da sie im Feld hinfuhren: er sahe den Greis mit Erbarmen,

Und zu Hermeias gewendet, dem theueren Sohne, begann er: Hermes, da du am meisten es liebst, dich dem Mann zu gesellen, Und du ein willig Gehör dem gern leihst, dem du geneigt bist:

Geh und den Priamos führe mir so zu den Schiffen Achajas, Daß kein einziger von dem Achäischen Volk ihn bemerke

Oder ihn sehe, bevor er zu Peleus Sohne gekommen. Sprach's, da folgt' ihm sogleich der bestellende Argostödter,

Band sich in Eile die Sohlen, die stattlichen, unter die Füße,

Göttliche, goldene, welche ihn über die Flut hintrugen

335

494

Ilias.

Und die unendliche Erde dahin mit dem Wehen des Windes.

Dann auch nahm er den StaL, mit dem er die Augen der Menschen Zuschließt, welcher er will und die Schlummernden wieder erwecket: Den in den Händen entschwebte der mächtige Argostödter.

345

So nun kam er nach Troja sogleich und dem Hellespontos, Und dann schritt er dahin, von Gestalt wie ein fürstlicher Jüngling,

Welchem der Bart noch keimt in der holdesten Blüthe der Jugend. Da nun fuhren die Beiden am mächtigen Male des Jlos

Eben vorbei, und sie hielten, damit sie die Ross' und die Mäuler

350

Tränkten im Strom, weil Dunkel bereits auf die Erde herabsank. Da sah ganz in der Nähe mit spähenden Augen der Herold Dort den HermeiaS und sprach zu dem Priamos also und sagte:

Sieh doch, o Dardanione!

Gewiß, klug mußt du dir rathen;

Denn hier kommt ja ein Mann: der wird uns ermorden, besorg' ich.

355

Auf denn, laß mit den Rossen uns wegfliehn, oder sogleich auch

Bittend die Knie' ihm umfassen; er mag ja vielleicht sich erbarmen. Sprach's; da wurde der Greis ganz irr von der Angst und Bestürzung;

Aufrecht stand ihm das Haar an den schmeidigen Gliedern, und rathlos, Stand er betäubt: da nahte sich ihm der Verleiher des Guten,

360

Reichte dem Greise die Hand und begann das Gespräch mit der Frage:

Sprich, wo treibest du, Vater, die Ross' und der Mäuler Gespann hin Durch die ambrosische Nacht, wo andere Sterbliche schlafen?

Hattest du denn nicht Furcht vor den Kampflustvollen Achäern, Welche, dir feindlich gesinnt und erbitterten Herzens, so nah sind?

365

Sähe dich einer von ihnen in flüchtiger, dunkeler Nachtzeit Hier mit denr köstlichen Gut: wie wär dann wohl dir zu Muthe?

Bist du doch selbst nicht jung, und ein Greis ist hier der Begleiter, Daß du dich wehrtest, sobald dich ein Mann, dich beleidigend, angriff.

Doch ich füge dir nimmer ein Leid zu; schütze dich selbst auch Sicher vor Andern: du gleichst ja dem eigenen theueren Vater. Da sprach PriamoS also, der göttliche Greis, ihm entgegnend: Ja, mein theuerer Sohn, wohl ist's so, wie du gesagt hast;

370

Vierundzwanztgster

Gesang.

495

Doch es beschirmt auch mich noch ein Gott mit der waltenden Rechten, Welcher mir dich hersandte, mir hier auf dem Weg zu begegnen,

375

Mir zum Heil, dich, der du, so schön von Gestalt und von Ansehn

Und so verständigen Sinnes, gesegneten Eltern entstammest. Und es entgegnet' ihm drauf der bestellende Argostödter: Wahrlich, du sagst dieß Alles, o Greis, so wie es sich ziemet.

Doch, nun sage mir doch auch dieß noch offen und wahrhaft:

380

Führest du etwa die Menge der herrlichen Güter im Wagen Fern in die Fremde, damit du dir dieß doch sicher erhaltest, Oder verlasset ihr alle die heilige Mos jetzt schon,

Schreckenergriffen, nachdem dein Sohn, der gewaltigste Held fiel? Denn der wich in dem Kampfe ja nie vor den Männern Achajas.

385

Da sprach Priamos also, der göttliche Greis, ihm entgegnend:

Sprich, wer bist du, o Lieber, und was für Erzeugern entstammst du, Der du so schön von dem Tode des unglückseligen Sohns sprichst? Und es entgegnet' ihm drauf der bestellende Argostödter:

Greis, du versuchst mich, wenn du mich fragst nach dem göttlichen Hektor. 390 O, den hab' ich ja wohl in der Männererhebenden Feldschlacht

Ost mit den Augen gesehn, auch als er Im Sturm an den Schiffen Argos Männer ermordet' und schlug mit dem schneidenden Erze.

Fern nur standen wir dort in Bewunderung, weil uns Achilleus Nicht zu der Schlacht ließ gehen im Zorn auf den Atreionen.

395

Denn, sein Waffengenoß, kam ich mit demselbigen Schiff her,

Myrmidonischen Stamms, und es heißt mein Vater Polyktor.

Reich an Besitzthum ist er und alt schon, wie du es selbst -bist, Hat sechs Söhne daheim, und den siebenten nenn' ich mich selber.

Da beim Loos traf's mich, daß ich mit dem Volke daherzog.

400

Und in das Feld nun ging ich vom Schiffsheer; denn mit dem Frühroth

Ziehn zu dem Kampf um die Veste die muthigen Männer Achajas, Da sie mit Unmuth sitzen, und kaum sie der Danaer Fürsten

Länger zu halten vermögen, so wie sie verlanget zu kämpfen. Da sprach Priamos also, der göttliche Greis, ihm entgegnend:

405

Ilias.

496

Bist du denn wirklich ein Kampfesgenoß des Peliden Achilleus:

Nun, dann sage mir dieß doch ganz aufrichtig und wahrhaft, Ob mein Sohn noch liegt an den Schiffsreihn, oder Achilleus

Schon ihn den Hunden, in Stücke zerhaun, an dem Zelte dahinwarf. Und es entgegnet' ihm drauf der bestellende Argostödter:

410

Nein, noch ward er, o Greis, nicht Fraß für die Hund' und die Vögel; Sondern er liegt noch dort an dem Schiff des erhab'nen Achilleus So in dem Zelt; wohl hat er bereits zwölf Morgen gelegen;

Doch sein Leib ist nimmer verwest, noch haben die Würmer

An ihm genagt, die sonst der Erschlagenen Leichen verzehren.

415

Auch zwar schleifet er ihn um das Mal des geliebten Genossen,

Sonder Erbarmen, sobald sich die heilige Eos emporhebt; Aber er schändet ihn nicht, und, gewiß, selbst wärst du verwundert,

Kämst du und sähest ihn liegen, so frisch, von dem Blute gereinigt, Nirgend entstellt.

Auch haben sich sämmtliche Wunden geschlossen,

420

Die ihn zerfleischet, indem mit dem Erz ihn so Viele getroffen.

Sieh!

So schirmen mit Huld dir den Sohn die unsterblichen Götter

Selber im Tod noch, weil sie ihn stets hochhielten im Herzen. Also der Gott.

Da freute der Greis sich und sprach, ihm entgegnend:

Wohl ist's gut, Kind, daß wir mit schuldigen Gaben die Götter,

425

Opfernd verehren, so wie mein Sohn auch, während er lebte,

Nimmer im Hause die Götter vergaß, des Olympos Bewohner: Deshalb denken sie sein auch, da ihm zu sterben verhängt ward.

Doch du nimm nun jetzo von mir den erles'nen Pokal an, Daß du mich selber beschützest und mich mit den Göttern geleitest,

430

Bis ich nachher zu dem Zelt des Achilleus werde gelangt sein. Und es entgegnet' ihm drauf der bestellende Argostödter: Greis, du versuchest mich, weil ich so jung bin; aber vergeblich

Bietest du mir das Geschenk hier an im Geheim vor Achilleus;

Denn ihn fürcht' ich und trage mit Scheu in dem Herzen Bedenken, Ihn zu berauben: eö möchte mir Unheil bringen in Zukunft.

Koch ich geleitete gern dich sogar zu dem herrlichen Argos

435

Vierundzwanzigster

Gesang.

497

Treulich im eilenden Schiff, und ich ging auch mit dir zu Fuße, Daß, den Geleiter verachtend, gewiß wohl Keiner dich angriff!

440

Also der Geber des Heils, und er sprang in den Wagen der Rosse,

Faßte die Geißel geschwind und ergriff mit den Händen die Zügel, Und mit gewaltigem Muthe beseelt' er die Ross' und die Mäuler.

Aber nachdem sie die Mauer der Schiff' und den Graben erreichet,

Fanden sie eben die Wächter bemüht um des Males Bereitung. Und es versenkte sie alle der Argostödter in Schlummer,

445

Stieß von dem Thore die Riegel zurück, dann, eilig es öffnend,

Führt' er den Priamos ein mit den herrlichen Gaben im Wagen,

Und sie gelangten darauf zu dem hohen Gezelt des Achilleus. Dieses erbaute dem Herrscher das Myrmidonische Kriegsvolk,

450

Tannengebälk abhauend, und hochhin legten sie oben

Flockiges Schilf auf, das sie in sumpfiger Wiese gemähet. Ringsum bauten sie dann den geräumigen Hof des Beherrschers, Dicht mit Pfählen umzäunt, und ein einziger fichtener Riegel

Sperrte die Thür: drei hoben ihn ein von den andern Achäern, Und dann öffneten wiederum drei das gewaltige Thürschloß,

455

Andere Männer; indessen Achilleus legt' ihn allein vor. Da schloß Hermes, der Geber des Heils, vor dem Greise daö Thor auf,

Führte die köstlichen Gaben hinein zu dem Renner Achilleus,

Stieg an den Boden herab vom Gespann; dann sprach er und sagte: Sieh, Greis, ich, ein unsterblicher Gott, bin selber gekommen,

460

Hermes, zu dir von dem Vater, um dich zu geleiten, gesendet. Aber ich will nun wieder zurückgehn, daß ich Achilleus Nicht vor den Augen erscheine: zu viel wär's, und es geziemt nicht,

Daß ein unsterblicher Gott so sichtbar Sterblichen wohl thut.

Doch du gehe hinein und, das Knie des Peliden umfangend, Flehe zu ihm beim Vater, dem Sohn und der lockigen Mutter,

Daß du gewiß ihm mit Bitten das Herz in dem Busen bewegest. Also Hermeias, und kehrte zurück zu dem hohen Olympos.

Da stieg Priamos eilend herab an die Erde vom Wagen;

32

465

498

JliaS.

Doch den Zdäos ließ er daselbst: der blieb und bewahrt ihm

470

Mäuler und Rosse, der Greis nur ging grad' ein in die Wohnung,

Wo der Geliebte Kronions, Achilleus saß.

Und er fand ihn

Drinnen; die Seinigen saßen entfernt, und es waren die zwei nur, Held Automedon um ihn und Alkimos, Ares Genosse,

Dienend geschäftig; er hatte die Malzeit eben beendet,

475

Speise genossen und Trank, und der Tisch stand noch vor Achilleus.

Keiner von ihnen gewahrte des mächtigen Priamos Eintritt, Der ihm die Kniee, sich ihm nahend, umfing, und die schrecklichen Händ' ihm

Küßte, die mordenden, welche der Söhn' ihm so viele getödtet. Wie wann schweres Verschulden den Mann drückt, der in der Heimat 480

Einen der Bürger erschlug und in anderer Männer Gebiet kam, In des Begüterten Haus, und sie rings mit Erstaunen ihn ansehn:

So sah auch der Pelide den göttlichen Priamos staunend,

Und die Genossen erstaunten, indem sie einander sich ansahn. Da sprach Priamos also mit flehenden Worten und bat ihn:

485

Denk' an den eigenen Vater, den Himmlischen gleicher Achilleus,

Welcher, bejahrt, auch steht an der traurigen Schwelle des Alters! Ihn auch drängen vielleicht die benachbart wohnenden Männer Während er Niemand hat, in der schrecklichen Noth ihn zu schützen;'

Aber er hört doch wenigstens noch und erfahret, du lebest,

490

Daß er darüber sich freut in der Brust, und von Tage zu Tage

Hofft, des geliebtesten Sohns Heimkehr zu erleben von Troja. Ganz unglücklich dagegen bin ich!

Mein waren die besten

Söhn' in der Troer Gebiet, und es ist fast keiner mir übrig!

Fünfzig waren es, ehe der Danaer Söhne gekommen,

495

Deren mir neunzehn hatte dieselbige Mutter geboren;

Aber die anderen zeugt' ich mit anderen Frauen im Hause: Davon lösete vielen der stürmische Ares die Kniee; Doch mein einziger, welcher der Hort für die Stadt und das Volk war, Diesen erschlugst du mir jetzt, da er stand in dem Kampf für die Heimat, 500

Hektor, und sieh, nun komm' ich um ihn zu der Danaer Schiffen,

Vierundzwanzigster Gesang.

499

Daß ich ihn löse von dir, und ich bring' unermeßliche Gaben.

Scheue die Götter, und mein auch laß dich erbarmen, Achilleus! Denk an den eigenen Vater: und ich bin mehr zu beklagen;

Denn ich ertrug, was Keiner der sterblichen Erdebewdhner:

505

Die mir die Kinder erschlug, die Hand an die Lippen zu drücken! Sprach's, und erregt' um den Vater in ihm das Verlangen der Klage, Daß er die Hand ihm ergriff und den Greis sanft von sich zurückschob.

Also gedachten sie, dieser des Männervertilgenden Hektor,

Vor des Achilleus Füßen im Staub, mit unendlichen Thränen;

510

Aber Achilleus weint' um den eigenen Vater und dann auch Um den Patroklos wieder; ihr Schmerz durchhallte die Wohnung.

Aber nachdem an den Klagen Achilleus nun sich gesättigt,

Und sich das Sehnen ihm auch in der Brust und dem Herzen gestillet: Sprang er sogleich von dem Seffel und hob mit den Händen den Greis auf, 515

Mitleidsvoll mit dem grauen Gelock und ergraueten Barte.

Und er begann zu ihm also und sprach die geflügelten Worte: Wahrlich, o Armer, du hast viel Leid in dem Herzen erduldet!

Wie nur wagtest du dich zu der Danaer Schiffen allein her,

Mir vor die Augen, dem Mann, der viel' und so tapfere Söhne

Schon dir erschlug?

520

Wohl hast du ein eisernes Herz in dem Busen!

Doch nun setze dich hier auf den Stuhl.

Komm! lassen wir allen

Gram jetzt ruhn in dem Herzen, obwohl wir so bitter betrübt sind;

Denn nichts richten wir aus mit dem Seelenerstarrenden Wehruf, Weil es einmal von den Göttern den kläglichen Menschen verhängt ist, 525

Traurig zu leben; sie selber indeß rührt nimmer der Schmerz an.

Denn da stehn zwei Fässer gefüllt, an der Schwelle Kronions, Beide mit Gaben, das eine mit Weh und das andre mit Wohlthat;

Giebt's nun Einem gemischet der Donnererfreute Kronion: Nun, so begegnet ihm heute das Schmerzliche, morgen das Gute! Giebt er jedoch wo Einem das Weh; dann macht er ihn schmachvoll, Daß ihn die klägliche Noth auf die heilige Erde hinaustreibt, Und er umherirrt, keinem geehrt, nicht Göttern noch Menschen.

32*

530

5 Li a s.

500

So auch schenkten die Götter dem Pelms herrliche Gaben Von der Geburt an.

lieber die sämmtlichen Menschen erhob ihn

535

Segen und Reichthum, unter den Myrmidonen gebot er,

Und sie vermalten sogar ihm, dem sterblichen Manne, die Göttin. Doch auch ihm gab Böses ein Himmlischer, daß in dem Haus ihm

Nimmer der Söhne Geschlecht, sein Volk zu beherrschen, emporwuchs; Sondern den einzigen Sohn, der früh hinsinket, erzeugt' er,

540

Und ich verpflege sogar ihn, den Greis, nicht, da ich in Troja, Fern von der Heimat dir und den Deinigen Kummer bereite.

Dich auch hörten wir früher, o Greis, als Glücklichen preisen.

Denn, was Lesbos oben begränzt, die Besitzung des Makar,

Phrygia drüben und hier der unendliche Hellespontos:

545

Da, Greis, nannten sie reich dich und Söhnegesegnet vor Men.

Aber nachdem dieß Leid dir die Uranionen gesendet, Siehst du den Kampf hier stets um die Stadt und der Männer Ermordung.

Duld' es und quäle dich nicht im Gemüth mit unendlichem Kummer; Denn nichts hilft es, beständig den herrlichen Sohn zu bejammern:

550

Nimmer erweckst du ihn, eher ereilt dich ein anderes Unheil.

Da sprach Priamos also, der göttliche Greis, ihm entgegnend:

Nein, nicht setz' auf den Stuhl mich, o Göttlicher, während mir Hektor Ohne Beerdigung noch in dem Zelt liegt; gieb ihn sogleich mir

Wieder, damit ich mit Augen ihn seh', und empfange die Lösung, Die wir dir reichlich gebracht.

555

O, mögst du dich ihrer erfreuen

Und in die Heimat kommen dereinst, da mir du das Leben

Selber gelassen und Helios Licht mir zu schauen vergönnt hast! Da sprach finsteren Blicks der gewaltige Renner Achilleus: Reize du mich jetzt nimmer, o Greis: ich gedenke ja selbst auch,

560

Hektor zu lösen; mir kam von dem Zeus als Botin die Mutter, Die mich geboren, sie selber gezeugt von dem Greise des Meeres. Wohl auch merk' ich im Geist es, o Priamos, nimmer entgeht's mir,

Daß dich ein Gott herführt zu den eilenden Schiffen Achajas;

Denn kein Sterblicher wagte den Gang, kein rüstiger Züngling,

565

Vierundzwanztgster Gesang.

501

Hier in das Heer; nie täuscht' er der Wachenden Schar und gewiß nicht

Möcht' er so leicht wohl den Riegel von unserem Thore zurückziehn.

Deshalb rege mir jetzt in dem Schmerz nicht mehr das Gemüth auf; Denn sonst schon' ich, o Greis, dein selber sogar in dem Zelt nicht, Nahest du mir auch flehend, und Zeus Aufträge verletz' ich!

570

Sprach's; da bebt' in dem Herzen der Greis und gehorchte dem Worte. Aber Achilleus sprang wie ein Löw' aus der Pforte der Wohnung, Nicht allein, ihm folgten zugleich zwei Waffengenossen,

Held Automedon folgt' ihm und Alkimos, die der Pelide Ehrte vor allen Genossen, nachdem ihm Patroklos dahinsank.

575

Die nun spannten dte Rosse sogleich und die Mäuler vom Joch aus, Führten des Greises Begleiter, den Herold, in das Gezelt ein, Reichten den Stuhl ihm und hoben darauf vom geglätteten Wagen

All die unendliche Lösung herab für die Leiche des Hektor;

Zwei der Gewände jedoch nebst einem der köstlichen Röcke

580

Ließen sie, daß er die Leich' ihm verhüllt gäb, mit sich zu führen.

Mägd' auch rief er und hieß sie, ihn sorgsam waschen und salben, Fern hintretend, damit nicht Priamos etwa den Sohn säh,

Dann im erbitterten Herzen den Zorn nicht könnte verschließen,

Säh er die Leich', und den Grimm aufregt' in der Brust des Achilleus, 585 Daß der dann ihn erschlüg' und des Zeus Aufträge verletzte.

Aber nachdem ihn gewaschen die Mägd' und mit Oele gesalbet, Auch mit dem schönen Gewände nachher und dem Rock,ihn umhüllet,

Nahm ihn Achilleus selber und legt' auf's Lager ihn nieder, Und dann hoben die Freund' ihn hinauf in den blinkenden Wagen.

590

Da wehklagete jener und rief den geliebten Genossen: Wolle du mir nicht zürnen, Patroklos, wenn es dir kund wird,

Auch beim Aides, daß ich den göttlichen Hektor zurückgab, Da sein Vater für ihn mir die würdige Lösung gegeben;

Denn auch hievon empfängst du den Antheil, welcher dir zukommt. Also sprach der erhab'ne Achilleus, ging in das Zelt dann

Und zu dem herrlichen Stuhle zurück, von welchem er aufstand,

595

502

Ilias.

Dort an der anderen Wand, und begann zu dem Priamos also: Greis, nun ist dein Sohn dir gelöst, so wie du verlangt hast,

Auch in das Lager gelegt, und sogleich mit der Eos Erscheinung

600

Siehst du und führest ihn heim; jetzt laß uns des Males gedenken. Denn auch Niobe selber, die lockige, dachte der Nahrung,

Da ihr doch in den Gemächern zugleich zwölf Kinder gestorben: Sechs schön blühende Töchter und sechs vollkräftige Söhne.

Diese beraubte des Lebens mit silbernem Bogen Apollon,

605

Artemis jene mit ihrem Geschoß, auf Niobe zürnend,

Weil sie der Leto sich wagte, der reizenden, stolz zu vergleichen, Die zwei Kinder gebar und sie selbst, so sprach sie, so viele.

Aber es tödteten jetzt ihr die zwei nur, alle die Kinder. So nun lagen sie da, neun Tag', in dem Blut, und es war auch

610

Niemand, der sie begrub; Zeus schuf ja das Volk zu Gestein um; Doch an dem zehnten begruben die himmlischen Götter sie selber, Und sie gedachte der Speise, nachdem sie sich müde geweinet.

Jetzt auch noch in dem Fels, auf den einsam liegenden Berghöhn

Sipylos, wo sie erzählen, es ruhen die göttlichen Nymphen,

615

Wann sie die Reigen geschlungen umher um den Strom Acheloos, Dort auch fühlt sie, sogar als Stein, der Unsterblichen Hand noch.

Laß denn, o göttlicher Greis, auch uns jetzt beide der Nahrung Denken und weine nachher um den Sohn, den geliebten, von Neuem, Wann du nach Ilios heim ihn gebracht: viel Thränen verdient er!

620

Sprach es, erhob sich, ein wolliges Schaf schnell schlachtend, und eilig Zogen Genossen es ab und verrichteten Alles gehörig, Schnitten darauf es verständig und steckten es auf an die Spieße,

Brieten es wohl mit Bedacht; dann zogen sie Alles herunter. Brot nahm drauf und vertheilt' es in zierlichen Körben am Tische

Held Automedon; aber Achilleus legte das Fleisch vor, Und sie erhoben die Hände, das fertige Mal zu genießen.

Aber nachdem das Verlangen des Tranks und der Speise gestillt war, Da sah Priamos voller Bewunderung auf zu Achilleus,

625

Vierundzwanzigster Gesang. Wie er gewaltig und schön, gleich wie ein unsterblicher Gott war.

503 630

Aber den Dardanionen bewunderte wieder Achilleus, Als er den Redenden höret' und sah sein herrliches Antlitz.

Aber nachdem sie einander genug voll Freude betrachtet, Da sprach Priamos also, der göttliche Greis, zu Achilleus:

Sende mich nun zu dem Lager, o Göttlicher, daß wir uns jetzo,

635

Niedergelagert zu ruhn, des erquickenden Schlummers erfreuen.

Denn mir schloffen die Augen sich nicht mehr unter den Wimpern,

Seit durch deine Gewalt mein Sohn sein Leben verloren; Sondern ich seufze beständig und quäl' in dem Kummer mich endlos,

In dem Gehege des Hofs, auf schmuziger Erde mich wälzend.

640

Jetzt erst kostet' ich wieder die Speis' und mit funkelndem Weine Netzet' ich wieder den Gaum; nichts hab' ich vor heute genossen.

Sprach's, da hieß den Genossen sogleich und den Mägden Achilleus, Unter der Halle den Beiden das Bett aufstellen, von Purpur

Schöne Gewand' einlegen und Teppiche über sie breiten,

645

Aber zu Decken darauf noch wollige Mäntel hinzuthun.

Und es enteilten die Mägde dem Saal, in den Händen die Fackel, Und sie bereiteten eilend sogleich für die Beiden das Lager.

Da sprach scherzend zu jenem der muthige Nenner Achilleus: Draußen, o theuerer Greis, nun schlaf, daß von den Achäern

650

Keiner der Fürsten vielleicht noch herkommt, welche beständig

Sich zu Berathungen bei mir vereinigen, wie es der Brauch ist. Sähe dich einer von ihnen im nächtlichen, eilenden Dunkel, Sagt' er gewiß es sogleich dem gebietenden Held Agamemnon,

Und es verzögerte dann sich vielleicht die Erlassung des Leichnams.

655

Doch nun sage mir noch auch dieß aufrichtig und wahrhaft, Wie viel Tage du willst zu des göttlichen Hektor Bestattung, Daß ich die Zeit selbst bleib' und das Volk abhalte vom Angriff. Da sprach Priamos also, der göttliche Greis, ihm entgegnend:

Willst du denn, daß ich geziemend den göttlichen Hektor bestatte,

Würdest du sehr mich erfreun, o Achilleus, thätest du also:

660

504

Ilias.

Weißt du ja doch, eng schließt ihr die Stadt ein, aber von fern her Holen wir Holz im Gebirg, und verzagt sind gänzlich die Troer. Gern wohl klagten wir um ihn daheim neun Tag' in der Wohnung;

Dann an dem zehnten begrüben wir ihn, und es schmausten die Völker, 665 Drauf an dem elften erhöhten wir dann des Bestatteten Denkmal,

Und an dem zwölften erneu'n wir den Kampf, da so uns die Noth zwingt.

Da sprach, jenem entgegnend, der göttliche Renner Achilleus: Dieß auch möge denn also geschehn, Greis, wie du es wünschest;

Denn ich verwehre so lange den Kampf, wie du es begehrt hast.

670

Also sprach er zu ihm, und er faßt' an der Rechten des Greises

Knöchel, damit von der Furcht nichts mehr in der Brust ihm zurückblieb.

Dann nun ruheten jen' in der vorderen Halle der Wohnung, Beide verständigen Sinnes, mit Priamos selber der Herold;

Aber Achilleus schlief in dem inneren tüchtigen Zelte,

675

Und an der Seit' ihm ruhte des Brises rosige Tochter.

Da nun schliefen die Götter und Rossebezähmenden Männer Alle die Nacht durch, von dem erquickenden Schlummer gefesselt,

Nur dem Verleiher des Heiles, Hermeias, nahte der Schlaf nicht,

Weil er im Herzen erwog, wie er Priamos sollte, den König,

680

Wieder vom Schiffsheer führen, geheim vor den heiligen Wächtern. Und zu dem Haupt hin trat er zu ihm, und begann zu ihm also:

Greis, nichts Arges besorgst du, indem du so ruhig im Schlaf liegst, Unter dem feindlichen Volk, da Achilleus deiner geschont hat.

Nun zwar hast du den Sohn dir gelöst für unendliche Gaben;

685

Aber für dich, der lebt, wär selbst dreifältige Lösung Nicht für die Söhn' in der Veste zu hoch, wenn dich Agamemnon, Atreus Sohn, hier wüßt', und es wüßten es alle Achäer.

Sprach's; da bebte vor Schrecken der Greis, und er weckte den Herold.

Aber Hermeias schirrte die Noss' und die Mäuler sogleich an, Fuhr dann selbst sie das Heer schnell durch, und es sahe sie Niemand.

Als sie jedoch an die Fuhrt in dem schön hinfließenden Xanthos Kamen, dem wirbelnden Strom, den Zeus der Unsterbliche zeugte,

690

Vierundzwanzigster Gesang.

505

Schied Hermeias und eilte hinauf zu dem hohen Olympos. Und ihr Safrangewand hielt Eos über den Erdkreis,

695

Als sie die Noss' eintrieben in Ilios, jammernd und klagend, Und mit der Leiche die Mäuler zugleich, und es sahe sie Niemand

Früher von allen den Männern und Busenumgürteten Frauen; Einzig Kassandra, der goldenen Aphrodite vergleichbar,

Stieg auf Pergamos Höhn, und den theueren Vater im Sessel

700

Sahe sie stehen und mit ihm den Stadtvurchrufenden Herold; Sah dann ihn auch liegen, im Maulthierwagen gebettet,

Und sie erhob, laut über die Stadt aufjammernd, den Wehruf:

Seht doch, Troer, o, kommt!

Seht, Troische Frauen, den Hektor,

Da ihr ja sonst auch, wann er vom Kamps uns lebend zurückkam,

705

Froh wart — o, wohl war er die Freude der Stadt und der Völker!

Also sprach sie, und da blieb auch kein Mann in der Veste, Blieb kein Weib; denn Jeden ergriff der unendliche Jammer. Und sie begegneten schon ganz nah an dem Thore dem Leichnam.

Aber die liebende Gattin zuerst und die würdige Mutter

710

Rauften die Locken sich aus, auf den rollenden Wagen gestiegen, Ihm sein Haupt anrührend, und rings stand weinend die Menge.

Und sie bejammerten bis zu der sinkenden Sonne den Tag durch Hektor gewiß vor dem Thore mit strömenden Thränen und Klagen, Wenn da nicht von dem Sessel der Greis zu dem Volke gesprochen:

715

Tretet zurück! Laßt jetzt mich hindurch mit den Mäulern; nachher dann Sättiget euch an Thränen, nachdem ich nach Haus ihn geführet. Sprach's; da traten sie alle zurück an die Seite vom Wagen.

Aber nachdem sie darauf ihn geführt zu der herrlichen Wohnung,

Legten sie ihn auf's Lager, das köstliche, riefen die Sänger,

720

Daß sie die Klage begannen, und die, mit den Tönen des Jammers, Sangen den Trauergesang, und es jammerten um sie die Frauen. Da sein Haupt ihm umfangend, dem Männervertilgenden Hektor,

Rief Andromache klagend, die lilienarmige Gattin: O, mein Gatte, du schiedest so jung von dem Leben, und einsam

725

506

Ilias.

Lassest du mich als Wittw' in dem Haus!

Und der Knabe, so jung noch,

Welchen wir beide, wir Armen gezeugt, blüht nimmer er, besorg' ich,

Nun zum Jüngling heran; eh stürzt von dem Gipfel die Veste Nieder, nachdem d u starbst, ihr Vertheidiger, der du sie selbst ja Schirmtest und wahrtest der züchtigen Frau'n und der stammelnden Kinder. 730

O, die fahren gewiß bald hin mit den wölbigen Schiffen, Ich mit ihnen und du, mein Kind, du folgst mir entweder,

Daß du dich dort abmühest in schmachvoll lästiger Arbeit, Unter dem harten Gebieter im Frohndienst, oder ein Feind auch Wirft dich, am Arme gepackt, von dem Thurm, graunvoll zu verderben, 735 Noch voll Grimm, weil etwa den Sohn einst oder den Bruder,

Oder den Vater ihm Hektor erschlug, da viel der Achäer Haben den Staub mit den Zähnen geknirscht vor dem Arme des Hektor. Denn nicht sanft wohl war dein Vater im Kampf und der Feldschlacht,

Und es beweinet darum ihn das Volk auch nun in der Veste.

740

Unaussprechliches Leid und Bekümmerniß schufst du den Eltern,

Hektor, und doch bleibt mir der entsetzlichste Jammer vor Allen!

Denn nicht hast du mir sterbend die Hand von dem Lager gereichet, Auch kein tröstendes Wort mir gesagt, daß sein ich beständig

Hätte gedacht mit Thränen des Nachts und am Tag' in der Zukunft! 745 Also sprach sie und weint', und es jammerten um sie die Frauen.

Und es erhob in dem Kreis nun Hekabe klagend den Wehruf: Hektor, den ich im Herzen geliebt vor den anderen Kindern

Allen, so lange du lebtest, o, lieb auch warst du den Göttern,

Und sie erbarmten sich deiner mit waltender Sorg' in dem Tod auch!

750

Denn es verkaufte die Söhne ja sonst mir der Renner Achilleus, Die er ergriff, weit über das nie Fruchttragende Meer hin,

Fern nach Samos und Jmbros und Lemnos trauriges Eiland;

Doch als dir er die Seele mit schneidendem Erze geraubet, Schleift' er dich immer umher um das Mal des Genossen Patroklos,

755

Den du erschlugst, und erweckt' ihn damit doch nimmer — und du jetzt Liegst, wie eben erschlagen vor mir, so thauig, im Haus hier,

Vierundzwanzigster Gesang.

807

Ganz, als wäre dir nur mit dem silbernen Bogen Apollon Nahe getreten und hätte mit sanftem Geschoß dich getödtet!

Also sprach sie und weint' und erweckt' unermeßlichen Jammer.

760

Und als dritte begann nun Helena klagend den Wehruf:

Hektor, den ich im Herzen geliebt vor den sämmtlichen Schwägern, Ja, wohl bin ich die Gattin des göttlichen Held Alerandros,

Der mich gen Troja geführt — o, wär ich doch früher gestorben! Denn nun eilet in Kurzem bereits mir das zwanzigste Jahr hin,

765

Seit ich, entfliehend von dort, wegschied von dem Lande der Heimat; Aber ich hörte von dir nie bitteren, schmähenden Vorwurf!

Ja, wenn irgend ein Andrer mich schalt in dem Haus von den Schwägern,

Oder den Schwestern des Manns und die stattlichen Frauen der Schwäger Oder die Mutter des Manns

mild ist wie ein Vater der König! — 770

Da warst du's, der immer besänftigend jene zurückhielt

Durch dein freundliches Herz und die mild zuredenden Worte. Deshalb wein' ich um dich und um mich, voll Schmerzen, ich Aermste!

Denn kein anderer ist mir in Ilios weitem Gefilde Jetzt mehr freundlich und mild, sie vermeiden mich alle mit Abscheu!

775

Also sprach sie und weint', und es schluchzt' in dem Kreise die Menge; Priamos aber, der Greis, hob an und begann zu dem Volke:

Fahrt jetzt, Troer, das Holz in die Stadt und besorget im Herzen

Nichts von geheimen Verstecken der Danaer, da mir Achilleus Bei der Entsendung verhieß von den dunkelen Schiffen Achajas,

780

Nichts uns Leides zu thun, eh zwölfmal Eos emporstieg.

Sprach's, und sie spannten die Mäuler und Ross' an die Wagen, und eilig Kamen sie alle herbei und versammelten sich vor der Veste.

So nun fuhren sie da neun Tag' unermeßliches Holz an; Aber nachdem an dem zehnten die leuchtende Eos emporstieg,

Führten sie weinend den Hektor hinaus, den erhabenen Helden,

Hoben die Leiche hinauf in den Stoß und entflammten das Feuer. Doch als Eos am Morgen mit rosigen Fingern emporstieg, Sammelte rings sich das Volk um den Brand des gepriesenen Hektor.

785

508

3 l i a s.

Als sie daselbst nun alle zumal sich in Scharen versammelt,

Löschten sie rings erst gänzlich die Gluth mit dem funkelnden Weine, Wo die gewaltige Flamme gehaust, und es lasen sogleich dann Seine gebleichten Gebeine die leiblichen Brüder und Freunde

Klagend zusammen und netzten mit reichlichen Thränen die Wangen.

Dann nun nahmen und legten sie jen' in die goldene Kiste,

795

Die sie mit Purpurgewanden und schmeidigen Decken umhüllten,

Senkten sie eilig sodann in die Gruft, und gewaltige Steine

Legten sie dicht an einander darauf zur festen Bedeckung, Warfen das Mal schnell auf, und im Kreis rings saßen die Späher, Daß nicht etwa gerüstet das Volk von Achaja sie angriff.

Als sie das Grabmal aber erhöht: da gingen sie heimwärts, Und sie genossen im Hause des Götterentstackmenden Herrschers

Priamos dann, in der Ordnung vereint, das gepriesene Gastmal. Also besorgten die Troer des reisigen Hektor Bestattung.

800

Inhalt -er einzelnen Gesänge der Ilias.

Erster Gesang. Apollons Priester, Chryses, kommt In das Achäische Heer, seine gefangene Tochter zu lösen.

Gegen die Geneigtheit der andern Achäer verweigert sie ihm mit Dro­

hungen Agamemnon, dem sie als Ehrengeschenk zu Theil geworden, und Chryses fleht zu Apollon, ihn zu rachen.

Der Gott sendet eine Seuche unter das Heer,

und Kalchas, durch Achilleus ermuthigt, erklärt, sie werde nur aufhören, wann

Chryses seine Tochter wieder erhalten.

Darüber entsteht ein heftiger Streit zwi­

schen Agamemnon und Achilleus, dem nun jener sein Ehrengeschenk, die Briseis, neh­

men läßt.

Chrise'is wird ihrem Vater zurückgesendet, und die Krankheit hört auf;

allein auf die Bitten des zürnenden Achilleus erfleht Thetis von Zeus so lange

Sieg für die Troer, bis ihr Sohn Genugthuung erhalten.

Ueber die Gewährung

entsteht Streit zwischen Here und Zeus, der durch HephästoS beschwichtigt wird.

Zweiter Gesang. Zeus, seinem Versprechen zu genügen, bewegt Agamemnon durch einen täu­ schenden Traum, die Achäer zum Kampfe zu führen.

Agamemnon befiehlt, um

da- Volk zn versuchen, die Heimkehr; dieses drängt sich dazu, und den Aufruhr stillt nur mit Athene's Hülfe Odysseus, welcher den schmähenden Thersites züchtigt. OdyffeuS und nach ihm Nestor bereden das Volk, in dem Kampf auszuharren.

Das Frühmal wird genommen, geopfert und das Heer zur Schlacht geordnet. Auf­ zählung der Schiffe und Männer des Achäischen Heers.

Die Troer hören von dem

Anzuge der Achäer und gehn ihnen entgegen. Aufzählung der Troischen Streitmacht.

510

Inhalt.

Dritter Gesang. AlerandroS tritt aus dem Heere der Troer und fordert die tapfersten Achäer

zum Kampf; als jedoch Menelaos ihm entgegen eilt, weicht er zurück.

Hektor

schmäht ihn, und nun wird zwischen jenen der Zweikampf zur Beendigung des Krie­ ges angeordnet.

Iris ruft Helena dazu auf die Mauer,

Priamos auf seine Fragen einzelne Helden der Achäer.

und diese nennt dem

Der Zweikampf wird vor­

bereitet, auch PriamoS mit Antenor auf den Kampfplatz zu dem Opfer gerufen; aber jener kehrt mit diesem vor dem Anfänge des Gefechts zurück.

Der Kampf

beginnt; zuletzt zerspringt Menelaos Schwert aus AlerandroS Helme; diesen ergreift MenelaoS am Busch, um AlerandroS zu den Achäern hinüber zu ziehn; allein durch

Aphrodite- Fügung reißt der Riemen, so daß Menelaoö den leeren Helm hinüber­

schleudert.

AlerandroS dagegen wird von Aphrodite in sein Gemach entrückt, wo­

hin sie ihm sogleich auch Helena führt, welche ihn Anfangs schmäht, dann aber ihm zum Lager folgt.

Menelaos sucht vergeblich nach AlerandroS, und Agamem­

non verlangt, weil jener gesiegt, die bedungene Auslieferung der Helena, die Er­ stattung der geraubten Schätze und die Zahlung der Buße.

Vierter Gesang. Im Rathe der Götter bewilligt Zeus dem Verlangen der Here TrojaS Zer­ störung. ßen.

Demnach reizt Athene den PandaroS, seinen Pfeil auf Menelaos zu schie­

Dieser wird von Machaon gehellt und die Troer rücken an.

Agamemnon

geht zu den einzelnen Scharen seines Heers; dann gehen die Achäer still, die Troer mit Geschrei zur Schlacht vor.

Die Troer weichen und werden von Apollon, die

Achäer von Athene ermuthigt; zuletzt ist der Kampf gleich.

Fünfter Gesang. DiomedeS, von Athene gestärkt, thut es Allen zuvor.

Von PandaroS verwun­

det, erlegt er diesen und verwundet dann den Aeneas, welchen Aphrodite entführt.

DiomedeS verwundet auch sie, und sie flieht auf Ares Wagen zu dem OlympoS,

wo ihre Mutter durch die Erzählung der Leiden anderer Götter durch Sterbliche sie

zu trösten sucht und sie heilt, Athene dagegen mit Here sie verspottet und Zeus ihr weitern Kampf abräth.

Apollon trägt den Aeneas in seinen Tempel auf Perga-

moö, wo er geheilt wird und in den Kampf zurückkehrt.

Auf Apollons Wunsch

ermuthigt Ares die Troer, und die Achäer weichen; Sarpedon erlegt den TlepolemoS.

Da fahren Here und Athene vom Olympos, den Achäern zur Hülfe gegen

Inhalt. Ares.

511

Dieser, von Diomedes, mit Athenes Beistand, verwundet, kehrt jammernd auf

den Olympos zurück, wo Zeus ihn schilt, doch sogleich heilen läßt und ihm folgen

auch die beiden Göttinnen.

Sechster Gesang. Die Achäer siegen und Hektor eilt auf HelenoS Rath in die Stadt zur Hekabe, damit sie, begleitet von den edelsten Troischen Frauen, Athene in ihrem Tem­

pel auf der Burg Opfer bringe und sie um Schuh für die Stadt, besonders gegen

Diomedes, anrufe.

Unterdessen erkennen sich int Kampfe Glaukos und Diomedes

als Gastfreunde und wechseln ihre Waffen.

Hektor fordert die Hekabe zum Opser

und den Paris in seiner Wohnung zur Rückkehr in die Schlacht auf.

In seinem Hause

sucht er umsonst seine Gattin; er findet sie mit dem Astyanar auf der Mauer, sucht

die Traurige zu beruhigen und eilt dann in den Kampf; sie kehrt nach Hause zurück und Pari- ereilt voll Kampflust den Hektor.

Siebenter Gesang. Athene und Apollon bewegen, um die Schlacht für heute zu enden, Hektor,

den tapfersten Achäer zum Zweikampfe zu fordern.

Da diesen alle scheuen, erbietet

sich dazu MenelaoS, welchen Agamemnon zurückhält.

Nun zeigen sich dazu neun

Helden bereit, von welchen das Loos Ajas, Telamons Sohn trifft.

Für ihn neigt

sich der Sieg: da endigen Herolde, weil es dunkelt, den Kampf, und die Helden trennen sich freundlich.

Die Achäischen Fürsten beschließen bei dem Mal in Aga-

memuons Zelt auf Nestors Rath die Bestattung der Todten und die Errichtung

einer Mauer um das Schiffölager.

In Zlios dagegen rath Antenor in der Troer

Versammlung, Helena mit den Schätzen den Achäern zurückzugeben; Paris aber

verweigert jene und bietet nur diese, vermehrt durch andere.

PriamoS also läßt

nun das Heer zu dem Male gehen; morgen solle der Herold den Achäern Alerandroö Vorschlag kundthun und sie zugleich fragen, ob sie Waffenruhe zur Bestattung

der Todten zugestehen wollen.

Die Achäer verwerfen nach Diomedes Entscheidung

jenen Vorschlag und genehmigen die ruhige Bestattung.

Am folgenden Tag er­

folgt diese von beiden Seiten, und am nächsten Tag umgeben die Achäer ihre Schiffe

mit Mauer und Graben.

Eifersüchtig sieht diese Poseidon; allein Zeus beruhigt

ihn, indem er sie ja nach der Heimfahrt der Achäer vertilgen könne.

Die Achäer

tauschen nun von Lemnischen Schiffern Waaren ein; im Lager und in Troja wird

geschmaust, Zeus aber donnert, Unheil verkündend, die ganze Nacht durch.

512

Inhalt.

Achter Gesang. Zeus verbietet am folgenden Morgen in der Götterversammlung, mit Hervor­

hebung seiner weit überlegenen Macht, den Himmlischen jede Theilnahme an dem Kampfe; dann fährt er auf den Ida.

Die Schlacht schwebt bis zum Mittage: da

nimmt Zeus die Wage, und sie neigt sich zum Verderben der Achäer.

Wie Dio-

medes dennoch wieder vordringt, schreckt ihn Zeus mit dem Blitzsiral und cs fliehn alle Danaer. wiesen.

Here's Aufforderung, ihnen zu helfen, wird von Poseidon zurückge­

Nun erregt die Göttin den Agamemnon, den Kampf herzustellen; er fleht

Zeus um Erbarmen, und dieser sendet ihm ein günstiges Zeichen.

Darauf verwun­

det Teukroö Viele, bis er selbst, durch Hektor an der Hand gelahmt, hinweggetragen wird und die Troer von Neuem vordringen.

Jetzt besteigt Here mit der gegen

Zeus unmuthigen Athene den Wagen, um den Achäern zu helfen; schreckt sie mit Drohungen durch Iris zurück.

dieser aber

Indeß kommt die Nacht, und Hek­

tor lagert sich, nachdem er für Stadt und Heer alles Nöthige angeordnet, mit den Troern vor der Stadt an dem Skamandros.

Neunter Gesang. Die Achäer wachen vor Furcht, und Agamemnon räth in der Fürstenversamm­ lung, zu fliehen.

Heftig tadelt diesen Vorschlag Diomedes; Nestor entsendet darauf

Wachen an den Graben außerhalb der Mauer und räth bei dem folgenden Male der Fürsten die Versöhnung des Achilleus.

Dazu erbietet sich Agamemnon sogleich

mit Verheißung großer Sühnungögaben und Odysseus wird mit dem Telamonier Ajas, Phönix und einem Herold zu jenem abgesandt.

Achilleus empfangt sie freund­

lich, weist aber auf Odysseus Rede jeden Antrag Agamemnons bitter zurück. des greisen Phönix Bitten und zuletzt Ajas Zureden ist fruchtlos.

Auch

Mit dieser Bot­

schaft kommen sie außer Phönir, welcher bei Achilleus geblieben, zu den harrenden Fürsten zurück, welche durch sie gänzlich enimuthigt werden; nur Diomedes heißt

sie den Kampf mit aller Macht fortsetzen.

Zehnter Gesang. Agamemnon und Menelaoö, beide schlaflos, wecken die Fürsten und halten mit ihnen

und

Einigen

von

der

Lagerwache Rathsversammlung.

In

dieser

wünscht Nestor Nachrichten über die nächsten Absichten der Troer, und Diomedes erbietet sich, in ihr Lager zu gehen.

Auch

Ihn begleitet Odysseus; beide beschützt Athene.

Hektor verlangt nach Kunde von dem nächsten Vorhaben der Achäer und

Inhalt.

513

Dolon verspricht, ihm diese in ihrem Lager zu erspähen.

Ihn treffen auf dem

Wege die beiden Helden, erfahren von ihm die Anordnung des Lagers 'und die

Ankunft des RhesoS mit seinen schönen Rossen, und todten ihn darauf. DiomedeS er­

mordet im Schlafe zwölf Thraker und den Rhesos, während Odysseus dessen Rosse hinauszieht und sie eilen auf diesen aus dem Lager, wo man bald mit Schrecken

das Geschehene wahrnimmt, zurück zu den Schiffen.

Freudig empfangen, setzen sich

beide, nachdem sie gebadet, zum Male.

Elfter Gesang. Beide Heere rücken zum Kampf aus.

Agamemnon wird besonders verherrlicht,

und Zeus läßt dem Hektor durch Iris gebieten, sich so lange von dem Kampfe zurückzuziehn, bis jener verwundet die Schlacht verlassen werde.

Hektor dringt vor, wieder zudück.

Dieß geschieht;

weicht jedoch, betäubt von einem Speerwurse des Diomedes

Da wird auch Diomedes von einem Pfeil des Paris getroffen und

verläßt die Schlacht.

Nun wird Odysseus verwundet und bedrängt, aber von Me-

nelaos und dem Telamonier Ajas bei seinem Rückzüge beschützt. vor, meidet jedoch den Ajas.

Hektor dringt

Paris verwundet den Machaon, welchen Nestor auf

seinem Wagen aus der Schlacht führt.

Den allmälig weichenden Ajas unterstützt

Eurypylos, wird aber selbst ebenfalls durch Paris verwundet und verläßt das Tref­ fen.

Achilleus bemerkt von seinem Schiff aus den Nestor, wie er Machaon zu­

rückführt und sendet den Patroklos zu jenem in das Zelt,

der Verwundete sei.

sich zu erkundigen, wer

Dort ermahnt Nestor den Patroklos, Achilleus zur Theilnahme

an dem Kampfe zu bewegen oder selbst, in dessen Rüstung, die Myrmidouen in die

Schlacht zu führen.

Patroklos begegnet auf seiner Rückkehr zu Achilleus dem ver­

wundeten Eurypylos, begleitet ihn in sein Zelt und verbindet und pflegt ihn.

Zwölfter Gesang. Künftige Vertilgung der Mauer durch die Götter, da sie ohne ihre Befragung erbaut ist.

Hektor dringt mit den Troern bis zu dem Graben; da räth Polyda-

mas, sie sollen von den Wagen steigen und zu Fuß hinübergehcn; dieß thun sie;

nur AsioS stürmt in dem Wagen gegen das linke Thor, welches die Lapithen ver­ theidigen.

Ein Unglückszeichen schreckt die Troer, Polydamas räth zum Rückzug,

aber Hektor schilt ihn und dringt wieder vor. derstand.

Die beiden Ajas hefeuern den Wi­

Sarpedon bestürmt mit dem Glaukos den Thurm des Menestheus; Glau­

kos muß sich, von Teukros verwundet, zurückziehn; aber Sarpedon reißt die Brust­ wehr herunter, und Hektor sprengt mit einem Steinwurfe das Thor, in welches er

sogleich eindringt.

Ihm folgen die Troer und Andere steigen über die Mauer.

33*

Inhalt.

514

Dreizehnter Gesang. Nun wendet ZeuS den Blick von der Schlacht und sogleich eilt ^Poseidon den

Achäern zu Hülfe.

Gegen den stürmenden Hektor kämpfen an dem Thore des Me-

nestheus am tapfersten die beiden Ajaö; zur Linken thun sich gegen AeneaS, Paris

und Andere, besonders Idomeneus und Meriones hervor.

Polydamas räth dem

Hektor, die Fürsten zur Berathung darüber zu versammeln, ob sie die Schiffe mit vereinter Macht erstürmen oder sich zurückziehn sollen.

Sie dringen von Neuem

vor, obwohl den Achäern ein günstiges Zeichen erscheint.

Vierzehnter Gesang. Nestor hört in seinem Zelte den nahen Schlachtlärm und begegnet draußen den verwundeten Fürsten Agamemnon, DiomedeS und Odysseus, die auf Diomedes

Rath ihr kämpfendes Herr aus der Ferne ermuthigen wollen.

Poseidon treibt die

Achäer zu dem Kampf und Here begiebt sich, geschmückt und

mit dem Gürtel der

Aphrodite, zu Zeus auf den Ida.

Dieser entschlummert dort neben ihr und nun

werden die Troer zurückgedrängt; Hektor muß, von Ajas mit einem Stein getrof­ fen, aus der Schlacht getragen werden und die Flucht der Troer wird allgemein.

Fünfzehnter Gesang. Als die Troer eben von dem Graben zurückfliehn, erwacht Zeus, sieht sie in voller Verwirrung, Hektor ohnmächtig

und Poseidon an der Spitze der Achäer.

Zornig bedroht er Here; allein sie entschuldigt sich und Zeus heißt sie ihm den Phöbos und die Iris von dem Olympos senden.

Mißmuthig klagt Here unter den

Göttern über Zeus Gewaltsamkeit und reizt den Ares durch die Nachricht von dem Tode seines Sohnes; doch Athene hält ihn; Here sendet den Phöbos und die Iris zu Zeus, und diese soll nun den Poseidon von dem Kampf abrufen.

Unwillig ent­

fernt sich Poseidon und nun sendet Zeus den Phöbos zu Hektor, den er stärkt und

in den Kampf zurückführt.

Auf Thoas Rath stellen sich die Tapfersten dem Sturm

entgegen; allein Apollon wirft einen Theil der Mauer in den Graben, die Troer gehen hinüber und drängen die Achäer au die Schiffe.

Patrvklos eilt bei dem Ge­

tümmel von Eurypylos zu Achilleus; Ajas mit dem TeukroS leistet den kräftigsten

Widerstand; dennoch dringen die Troer mit Hektor vor; dieser erfaßt das Schiff des ProtesilaoS und ruft nach Feuer; nur Ajas wehrt ihm noch.

Inhalt.

515

Sechzehnter Gesang. PaLroklos bittet den Achilleus, ihn in seiner Rüstung mit dem Volke den Achäern zur Hülfe ziehn zu lassen.

Dieser erlaubt es ihm, bittet ihn aber, zurückzukehren,

sobald er die Troer von den Schiffen verdrängt.

Wahrend sich Patroklos mit den

Myrmidonen bewaffnet, wird auch Ajas gezwungen, zu weichen und Hektor wirst

Feuer in das Schiff.

Achilleus fleht für Patroklos zu Zeus; dieser zieht aus, löscht

das Feuer und ein heftiger Kampf beginnt.

Hektor weicht vor Ajas, und Patro-

klos erlegt den Sarpedon, Zeus Sohn, den dieser von dem Schlaf und dem Tod in

seine Heimat tragen läßt.

Glaukos, von seinem sterbenden Freunde Sarpedon zur

Rettung seines Leichnams gerufen, fleht zu Apollon um Stärkung seines verwun­ deten Arms.

Diese verleiht ihm der Gott und es entsteht ein heftiger Kampf um

den Leichnam.

Endlich drangt Patroklos die Troer, gegen Achilleus Ermahnung,

bis zur Stadt zurück und nur Apollon selbst verscheucht den Stürmenden von der

Mauer.

Da treibt Apollon den Hektor gegen Patroklos, dieser wird betäubt, durch

die Schläge des Gottes entwaffnet, zuerst von Euphorbos verwundet und dann von

Hektor getödtet.

Sterbend verkündet Patroklos diesem seinen baldigen Tod von der

Hand des Achilleus.

Siebzehnter Gesang. Menelaoö erlegt, indem er Patroklos Leichnam vertheidigt, den Euphorbos;

darauf indeß beraubt Hektor, von Apollon hingetrieben, jenen der Waffen und es entsteht ein erbitterter Kampf um den Todten, nachdem Hektor dessen Rüstung ange­

legt hat.

Zeus umhüllt den Kampf dort mit Dunkel, während es sonst hell ist.

Die Rosse des Achilleus trauern weinend über Patroklos Tod und stehen fest, ohne

der Lenkung mehr zu folgen.

Da giebt Zeus ihnen von Neuem Muth und sie

führen ihren Lenker Automedon in den Kampf.

Dieser dauert fort; da zerstreut

Zeus, auf Ajaö Flehen, das Dunkel, das sie umhüllte.

tilochoS aus, den er mit der Nachricht von Patroklos

Menelaos sucht den Au-

Tode zu Achilleus sendet.

Darauf heben Menelaos und MerioneS den Leichnam auf und tragen ihn, von Ajas

beschützt, aber von Hektor und Aeneas bedrängt, nach den Schiffen.

Achtzehnter Gesang. Achilleus ahnt bei dem sich nähernden Schlachtlärm Patroklos Tod, als Antilochos ihn von demselben benachrichtigt, und er wird von dem heftigsten Schmerz ergriffen.

Thetis hort in der Meeresgrotte sein Jammern und kommt zu ihm mit den Nere'ü-

Inhalt.

516

den, sagt ihm, nach Hektors Falle werde er selbst bald erliegen; indeß Achilleus

verlangt nach dem Kampf und hält sich nur noch so lange zurück, bis ihm Thetis von Hephästoö neue Waffen gebracht.

Unterdessen werden die Achäer immer mehr

von den Troern bedrängt und Hektor hat den Todten schon am Fuße ergriffen, als Iris den Achilleus aussordert, wenigstens an den Graben zu treten und die Troer zu schrecken. Da, von Pallas begleitet, rüst er dreimal, und nun überlassen die Troer

den Achäern den Leichnam.

Polydamas räth dem Hektor, jetzt, da Achilleus wieder

erschienen, sich in die Stadt zurückzuziehn, aber Hektor bleibt mit dem Heer vor den Thoren.

In Achilleus Zelte wird Patroklos beklagt und Thetis kommt zu He-

phästos, welcher für jenen die herrlichen Waffen schmiedet.

Thetis eilt damit zu

Achilleus.

Neunzehnter Gesang. Achilleus, voll Freude über die Waffen, rüst das Volk in die Versammlung und alle, auch die verwundeten Fürsten mit Agamemnon kommen.

Achilleus sagt sich

von seinem Zorn loS und verlangt sogleich Aufbruch zur Schlacht.

Agamemnon

entschuldigt seine Beleidigung des Achilleus mit seiner Bethörung durch die Schuld, die einst, bei Herakles Geburt, selbst den Zeus verblendet habe, und erbietet sich aufs Neue zu den Gaben, die er schon früher dem Achilleus verheißen.

Dieser

fordert jetzt nur den Anfang des Kampfes; indeß auf Odysseus Rath soll das Heer zuvor das Mal einnehmen und nun empfängt Achilleus die Gaben.

stet und Athene stärkt ihn mit Nektar und Ambrosia. ten Patroklos.

Er selbst fa­

Briseis klagt um den tod­

Dann zieht das Heer in die Schlacht und Achilleus Roß Xanthos

weissagt ihm seinen nahen Tod.

Zwanzigster Gesang. Zeus erlaubt in der Versammlung der Götter Allen, an dem Kampfe Theil

zu nehmen. scheinen, und

Dieser neigt sich schon zum Nachtheile der Troer, als die Götter er­

der Nahenden Getös erschreckt selbst den Hades im Todtenreich.

Apollon reizt darauf den Aeneas zum Kampf gegen Achilleus und jener wird nur

durch Poseidon vom Tode gerettet.

Achilleus erlegt Viele und auch Hektor wäre

vor ihm gefallen, hätte nicht Apollon ihn entrückt.

Einundzwanzigster Gesang. . Achilleus erschlägt fortwährend viele Troer und fängt in dem SkamandroS

zwölf Troische Jünglinge zu einem Todtenopfer für Patroklos lebendig.

Nachdem

517

Inhalt.

er auch den Asteropäos erlegt und Skamandros Strom auf des

Gottes Auffor­

derung verlassen, springt er von Neuem in diesen hinein, und nun bekämpft der

Den bedrängten Achilleus ermuthigen Poseidon und Athene; da­

Gott ihn selbst.

rauf aber, als er beinah erliegt, sendet Here den Hephästos zum Kampf gegen ben

Dieser, durch die fürchterliche Gluth gequält, bittet Here, sein zu

Skamandros.

Da läßt ihn Hephästos

schonen und verspricht, nie mehr den Troern beizustehn.

und nun treten Athene und Ares, Athene und Aphrodite, Poseidon und Apollon,

Here und Artemis, Hermes und Leto gegen einander, trennen sich aber zum Theil

Dann kehren die Götter zu dem Olympos zurück; nur Apollon regt,

ohne Kampf.

um die Troer gegen Achilleus zu schirmen,

den Agenor zum Kampf mit ihm auf,

entrückt ihn jedoch bald der Gefahr, nimmt selbst dessen Gestalt an und lockt den Achilleus, indem er vor ihm flieht, von der Stadt, so daß die Troer sich unter­

dessen in ihre Mauern retten können.

Zweiundzwanzigster Gesang. Alte Troer sind jetzt in der Stadt, außer Hektor.

Apollon giebt sich dem

Achilleus als Gott zu erkennen und nun eilt dieser gegen die Stadt.

PriamoS

sieht ihn kommen und bittet den Hektor flehend, Achilleus nicht zu erwarten.

Allein

Hektor hört eben so wenig ihn als das Flehen seiner Mutter; sondern bleibt, ob­ wohl er schwankt, doch stehn, um mit Achilleus zu kämpfen.

Hektor, und Achilleus verfolgt ihn dreimal um die Stadt.

Dieser naht: da flieht Zeus wünscht, den Hek­

tor zu retten; aber Athene mißbilligt es, und Zeus gestattet ihr nun, zu thun, was ihr genehm sei.

Kampfe.

So beredet die Göttin unter Dei'phobos Gestalt, den Hektor zum

Dieser erfolgt, Hektor sieht sich von der Göttin getäuscht und fällt, bittet

nochmals vergeblich um die Zurückgabe seines Leichnams an die Seinen und weis­ sagt sterbend dem Achilleus seinen Tod durch Paris und Apollon.

Den Erschla­

genen verwunden die Achäer und Achilleus schleift ihn am Wagen zu den Schiffen.

Jammer der Troer, des Priamos, der Hekabe und der Andromache.

Dreiundzwanzigster Gesang. Achilleus bejammert mit den Myrmidonen den Patroklos und schleift dreimal den todten Hektor um ihn her.

Nach gehaltenem Todtenschmause verlangt er von

Agamemnon Holz zum Scheiterhaufen für Patroklos.

Dieser wird errichtet, der

Todte verbrannt, während Hektors Leiche durch die Götter vor der Verwesung ge­ schützt wird,

und nun werden von Achilleus dem Patroklos zu Ehren die Leichen­

kämpfe gehalten.

Inhalt.

518

Vierundzwanzigster Gesang. Die Achäer gehen auseinander und Achilleus schleift den Hektor nochmals um PatrokloS Grabmal.

Da erbarmen sich sein die Götter, besonders Apollon, und

ZenS bescheidet Thetis zu sich und sendet sie dann zu Achilleus mit dem Auftrage, er solle Hektors Leichnam zurückgeben.

Lösung des Sohnes auffordern.

Darauf läßt er durch Iris auch Priamos zur

Gegen die Bitten der Hekabe, fährt Priamos mit

herrlichen Gaben, indem ein günstiges Zeichen Alle

beruhigt, in das Lager der

Achäer, und Hermes geleitet ihn zu Achilleus Zelte.

Dieser wird durch die Bit­

ten des Greises bewegt, empfängt die Gaben, läßt den Leichnam schmücken, ladet

den PriamoS mit dem Herold zum Male und läßt für beide Lager zur Ruhe be­ reiten, nachdem er dem Priamos elf Tage zu HektorS Bestattung gewährt hat. Indeß in der Nacht räth Hermes dem Priamos, geleitet selbst ihn aus dem Lager.

in die Stadt zurückzukehren und

Die Kommenden sieht Kassandra.

Hekabe und Helena klagen um Hektor; dann wird er bestattet.

Andromache,