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German Pages [245] Year 2017
Jürgen Becker
Hoffnung Der frühchristliche Dialog zur eschatologischen Vollendung
1. Auflage 2018
Vandenhoeck & Ruprecht
Biblisch-Theologische Studien 171 Herausgegeben von Jörg Frey, Friedhelm Hartenstein, Bernd Janowski und Matthias Konradt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978–3–7887–323 6 –3 Weitere Angaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D – 37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Umschlaggestaltung: Grafikbüro Sonnhüter www.sonnhueter.com DTP: Volker Hampel / Olaf Lange ([email protected])
Vorwort
Unsere allgemeine Kultur samt ihrer religiösen Einstellungen im gegenwärtigen Europa zeigt sich wenig offen, beim persönlichen Lebensverständnis auf eine sinnstiftende Hoffnung zu setzen, wie sie z.B. im christlichen Glaubensbekenntnis von NicäaKonstantinopel einst so formuliert wurde: »Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.« Wer über solche Hoffnung für sich selbst nachdenkt, muss in jedem Fall, und erst recht wenn er auch noch gegenwärtig Hörbereitschaft bei anderen wecken will, ein mächtiges Bündel von Respekt einflößenden Problemen abklären. Das gilt erst recht, ja in einem zugespitzten Maße, wenn er die erkenntnistheoretische Aussage, die schon einst Paulus formulierte, dabei konsequent mitbedenkt, dass nämlich unser auf die Transzendenz gerichtetes Erkennen in einer grundsätzlichen Weise allenfalls »Stückwerk« sein kann (1Kor 13,9–13). Immerhin: Paulus ist dennoch in einer eingegrenzten Weise bei die gegenwärtige Wirklichkeit übersteigenden Hoffnungsaussagen geblieben. Ein in der Jetztzeit durch nicht revidierbare Begrenztheit bestimmtes Hoffen war ihm eindeutig qualitativ mehr wert, als ein Leben zu führen, das Hoffnung ganz über Bord geworfen hat. Zu diesem Problembündel, vor dem man steht, wenn man christliche Hoffnung durchdenken will, gehört nun in jedem Fall die historische Erkundung, wie diese christliche Hoffnung einst vor rund 2000 Jahren im Urchristentum entstand und dann innerhalb eines doch recht kleinen Zeitfensters eine erstaunlich vielstimmige Gestaltung annahm. Die Nachzeichnung eben dieses Vorgangs soll die folgenden Ausführungen bestimmen. Dadurch wird ein sich über die drei urchristlichen Generationen erstreckender Dialog mit zum Teil recht verschiedenen Optionen in unser Blickfeld treten. Charakteristisch für diesen Dialog ist dabei, dass alle diese Positionen einmütig
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Vorwort
in dem Glauben lebten, dass Gott Jesus nach seiner Kreuzigung von den Toten auferweckt hatte, und dass diese Erfahrung die Basis für die christliche Hoffnung war. Darüber hinaus jedoch ist die Vielfalt der sich zu Wort meldenden Positionen groß, es sei denn, man umgeht diesen Befund mittels einer biblizistischen Hermeneutik, die vorab die Einheitlichkeit der Bibel unterstellt. Dabei entstand diese Vielfalt übrigens nicht nur so, dass je verschiedene Personen als Autoren ihre eigenen Positionen entfalteten. Nein, zu dieser Komplexität gehört auch, dass z.B. Paulus selbst seine Auffassung zur christlichen Hoffnung mehrfach umgestaltete. Und auch dieses findet man vor: Das vierte Evangelium gibt den Blick auf eine diachron mehrstimmige Gemeindegeschichte frei, wobei diese Stimmen dabei auch durchaus teilweise synchron das Gemeindeleben prägten. Dieser spannungsreiche urchristliche Gesamtdialog endete auch nicht mit einem für die weitere Geschichte des Christentums ein für alle Mal gültigen Konsenses etwa in Gestalt eines Konzilsbeschlusses. Denn übergemeindliche Institutionen gab es noch überhaupt nicht. Wohl aber änderte sich nach dem Urchristentum in einem Punkt die Dialogstruktur: Die in urchristlicher Zeit entstandenen Schriften, deren allmähliche Sammlung hin zum Neuen Testament indessen auf einem guten Weg war, jedoch noch immer nicht abgeschlossen, galten nämlich fortan im allgemeinen als vorgegebene apostolische Autoritäten, von denen her man eigene Hoffnungsaussagen ausformulieren konnte. Das ist eine Dialogstruktur, die der unsrigen ähnlich ist. Denn wer im Rahmen des Christentums Hoffnung verbalisieren will, wird beim Ursprung des Christentums und seinen literarischen Hinterlassenschaften anzusetzen haben. Bei der Entstehung dieses Buches konnte ich auf wertvolle familiäre Unterstützung zurückgreifen. So bedanke ich mich gerne und herzlich bei meiner Frau für ihre Hilfe aufgrund ihres gründlichen Lesens des Manuskripts und bei meinem Sohn und der Enkeltochter, die beide dem Vater beim Umgang mit dem Computer immer wieder geduldig zur Seite standen. Ein besonderer Dank gilt auch Herrn Dr. V. Hampel für sein tatkräftiges Wirken auf der Seite des Verlages. Bad Homburg, im Juni 2017
Jürgen Becker
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1 Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2 Des Täufers Konzentration auf den nahenden Zorn Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3 Jesu Erwartung des Menschensohnes und des Heilsmahles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4 Die Ostererfahrung und ihre frühesten Folgen 44 5 Der Auferstandene als kommender Retter der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 6 Der kommende Menschensohn in der Logienquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 7 Das Problem der entschlafenen Christen im 1Thess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 8 Der Sieg über den Tod nach 1Kor 15 . . . . . . . . . 82 9 Das himmlische Bürgerrecht der Christen nach dem Phil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 10 Der lebendig machende Geist Gottes nach dem Röm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 11 Die Apokalypse in Mk 13 und der Evangelist Markus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 12 Das Ende dieses Äons nach Mt . . . . . . . . . . . . . 142 13 Das Kommen des Erhöhten nach der Zeit der Mission bei Lk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
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Inhalt
14 Die vielen Wohnungen im Hause des Vaters nach Joh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 15 Hoffnung im zweistöckigen Weltbild nach Kol, Eph und Hebr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 16 Millennium und neues Jerusalem nach der Offb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 17 Ertrag und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Literaturauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
1 Orientierung
Wer in unserer Gegenwart spontan die Frage beantworten soll, wie man am besten das Fundament für die Erörterung der Inhalte christlicher Hoffnung definiert, wird sich in der Regel so äußern, dass er auf die Auferstehung Jesu Christi, also auf die Osterereignisse verweist. Für diese Antwort kann er sich im Prinzip als frühesten Zeugen auf keinen geringeren als den Apostel Paulus berufen. Er führt nämlich in der ausführlichsten und argumentativ besonders anspruchsvollen Darlegung aus der Frühzeit des Christentums zum Thema der christlichen Hoffnung, nämlich in 1Kor 15, seinen Dialog gegenüber der korinthischen Gemeinde so, dass er als grundlegende Basis für seine Ausführungen mit dem Osterzeugnis der Christenheit einsetzt (1Kor 15,1–11). Danach, von diesem Fundament ausgehend, erörtert er dann die akuten korinthischen Probleme zur Auferstehungsthematik. In diesem Dialog stehen Sätze wie dieser: »Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig … Haben wir nur in diesem Leben auf Christus gehofft, so sind wir bejammernswerter als alle Menschen« (1Kor 15,17–19). Einer analogen, wenn auch knapperen Argumentation bediente sich der Apostel schon gleich in seinem ersten Brief, dem ältesten literarischen Dokument des Christentums (1Thess 4,14), und er bleibt ihr bis zu seiner letzten Epistel treu (Röm 6,4; 8,11). Transmortale Hoffnung ohne das österliche Zeugnis als Grundlage ist für Paulus also unvorstellbar. Damit steht Paulus nicht allein. Denn es gibt im frühen Christentum keine literarisch greifbare theologische Position, die nicht zumindest indirekt diesen Ansatz auch vertritt. Jedenfalls darf der Versuch als gescheitert gelten, die aus dem ersten und dritten Evangelium zu wesentlichen Teilen rekonstruierbare Logienquelle Q (vgl. Kapitel 6)
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dafür in Anspruch zu nehmen, es habe frühchristliche Gemeinden und Missionare gegeben, die eine Verkündigung ohne Osterglauben vertraten. Sollen wir also im Folgenden so vorgehen, dass wir unmittelbar die frühe urchristliche Osterbotschaft aufsuchen und die so erreichte Skizze zum Ausgangspunkt unserer weiteren Überlegungen zur urchristlichen Auferstehungshoffnung machen? Das ist aus mehreren Gründen nicht ratsam. Hier der erste Grund: Die Jünger Jesu, denen die Ostererfahrung zuteilwurde, hatten ja Jesu Wirken, seine Verkündigung und sein grausames Geschick noch frisch im Gedächtnis. Der Jünger Verstehen und Interpretieren der Ostererfahrung geschah gerade auf diesem Hintergrund, denn nicht irgendwer, sondern eben dieser Jesus und sein Heilsangebot der Gottesherrschaft waren der Horizont, in dem die Ostererfahrung verstanden sein wollte. Und zugleich umgekehrt: Jesu vorösterliches Wirken wollte von Ostern her neu qualifiziert, also »angemessener« als vorher verstanden werden, z.B. durch christologische und soteriologische Vertiefung. Zum Verständnis der Ostererfahrung gehört also ein spezifischer historischer Kontext: die Verkündigung Jesu. Ein zweiter Grund: Jesus hatte aus der Verkündigung des Täufers übernommen, dass das Ende der menschlichen Geschichte in Gestalt des Endgerichts bedrohlich und unmittelbar vor der Tür stand. Er lebte damit wie schon der Täufer mit dem Geschichtsverständnis der Naherwartung des Endes. Seine eigene Botschaft von der sich jetzt schon vor dem Ende durchsetzenden Gottesherrschaft sprach damit Zeitgenossen an, die die endgültige Durchsetzung der Gottesherrschaft vor ihrem Tod erleben würden. Aus diesem Grunde besaß das Thema Auferstehung der Toten in Jesu Verkündigung keine besondere Aktualität (Kapitel 3). Auch die frühen nachösterlichen Gemeinden sahen sich angesichts ihrer von Jesus übernommenen Einstellung zur Naherwartung kaum motiviert, Ostern alsbald und schnurstracks dahingehend auszuloten, dass sie einer Hoffnung auf allgemeine Auferstehung das Wort redeten. Vielmehr war die Auferweckung Jesu durch Gott zunächst eher für sie
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Anlass, aus diesem Ereignis christologische Konsequenzen zu ziehen (Kapitel 5). Denn auch sie hoffen ja weiterhin, als Lebende bei den Endereignissen dabei zu sein. Typisch ist, dass genau in dem Moment, wo eine Gemeinde wie die in Thessaloniki mit der Erfahrung von vor dem nahen Endgeschehen eingetretenen Todesfällen unter ihren Gemeindegliedern nicht zurechtkam, Paulus eine Problemlösung anbietet, die mit der Hoffnung auf Auferstehung, allerdings nun nur speziell dieser zu früh verstorbenen Christen arbeitet (Kapitel 7). Endlich ein dritter Grund: Der systematische Grundsatz, die Hoffnung der Christen auf Auferstehung basiere auf der Ostererfahrung der Jünger, besitzt jedenfalls beim Gebrauch für das Urchristentum eine sprachliche Unschärfe, die im Stichwort Auferstehung liegt. In der Gegenwart würde man, fast wie selbstverständlich, annehmen, es ginge dabei um die allgemeine Auferstehung aller Menschen, die je lebten und nun vor Gottes Gericht gestellt werden. Diese Gesamtmenschheit würde dann, formal gesprochen, im Vollzug des göttlichen Endgerichts aufgeteilt in Verurteilte und in Vollendete. Doch diese Auferstehungsvorstellung ist erst das Ergebnis einer längeren geschichtlichen Entwicklung, in der man zunächst tastend Möglichkeiten auslotete. Etwa diese zwei: Die Auferstehung z.B. betrifft nur vorzeitig entschlafene Christen. Zur Zeit der Endereignisse lebende Christen gehören jedoch ohne Veränderung zur endzeitlichen Heilsgemeinde (vgl. Kapitel 7). Oder: Tote Christen werden auferweckt, lebende werden verwandelt (vgl. Kapitel 8). Auch die Frage, welche Frommen und Gerechten aus der großen Menge der längst verstorbenen und jetzt noch lebenden Menschheit erhalten durch Auferweckung die Chance, zur Heilsgemeinde zu gehören, erhält verschiedene Antworten. Ergebnis und Folgerung: Dieses recht komplexe Gefilde bekommt man am besten unter Kontrolle, wenn man die Chronologie der geschichtlichen Entwicklung, konzentriert auf unser Problemfeld, zur Strukturierung der Darstellung wählt. Also werden wir zunächst hinter die Osterbotschaft zurückgehen und einen Blick auf den vorösterlichen Jesus und
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seine Aussagen zur letzten Vollendung werfen. Diese sind, wie zu zeigen ist, sicher recht selbständig, doch auch durch Rückgriff auf Johannes den Täufer geprägt, dessen Schüler Jesus eine unbekannte Zeit lang einst war. So kann uns der Blick auf die Botschaft des Täufers helfen, die Akzente, die Jesus setzte, besser zu verstehen. Für den Gerichtspropheten Johannes können wir allerdings keinen Lehrmeister ausfindig machen. Er trat wohl auch für seine Zeitgenossen überraschend auf, abgesondert von der jüdischen Gesellschaft (Mk 1,4: »in der Wüste«) und in Bezug auf Nahrung und Kleidung ostentativ asketisch (Mk 1,6 parr): also als ein prophetischer Einzelgänger. Unbekannt sind (und waren wohl auch schon weitgehend damals in der jüdischen Öffentlichkeit) seine Biographie und seine prophetische Berufung. Lk 1 will diese Lücke teilweise füllen, doch ist der legendenhafte Text schwerlich historisch auszuwerten. Die Schilderung seiner späteren Enthauptung (Mk 6,14–29) hingegen dürfte einen historischen Kern enthalten. Lässt es also die Quellenlage nicht zu, zurückzufragen, wie Johannes in seine Zeit verwurzelt war, so müssen wir eine Suche nach seinem biographischen Hintergrund mangels geschichtlicher Zeugnisse zurückstellen. Damit ergibt sich für das weitere Vorgehen, dass wir mit dem Dreischritt Johannes (Kapitel 2) – Jesus (Kapitel 3) – Ostererfahrung (Kapitel 4) die Untersuchung beginnen. Diesen Dreischritt wählten bekanntlich schon alle vier später kanonisierten Evangelien für ihre Darstellungen. Danach wenden wir uns dem vorpaulinischen Christentum zu. Dazu wählen wir exemplarisch das älteste urchristliche Gebet zum auferstandenen Herrn aus (Kapitel 5) und werfen einen Blick auf die Logienquelle Q (Kapitel 6), deren wesentliche Aussagen zu unserem Thema diesem Gebet recht nahestehen. Es folgen dann Ausführungen zum Apostel Paulus, konzentriert auf den 1Thess, den 1Kor, den Phil und den Röm (Kapitel 7–10). Danach wenden wir uns der urchristlichen Evangelienliteratur zu, die wir in chronologischer Reihenfolge besprechen werden (Kapitel 11–14). Es folgt ein Blick auf Kol, Eph und Hebr, die Zeugen eines Wirklichkeitsverständnisses sind, das nicht horizontal geschichtlich, sondern
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räumlich strukturiert ist (Kapitel 16). Am Ende dieser Reihe behandeln wir noch die Offb des Joh mit ihrer extrem apokalyptischen Ausgestaltung der Endzeit (Kapitel 16). Einige neutestamentliche Schriften erhalten in diesem Konzept kein eigenes Kapitel. Das liegt daran, weil sie nur am Rande und in knapper Weise auf unser Thema eingehen und auch, soweit ersichtlich, keinen weiteren eigenen Entwurf zur Thematik der Hoffnung vertreten. Doch wird innerhalb der vorgestellten Kapitel im Einzelfall von ihnen die Rede sein. Zum Abschluss soll dann versucht werden, eine Art Bilanz zu ziehen und Perspektiven für eine heutige systematische Argumentation zu gewinnen (Kapitel 17).
2 Des Täufers Konzentration auf den nahenden Zorn Gottes
Johannes der Täufer gehört zu demjenigen Zweig der israelitischen Prophetie, der ausschließlich mündlich auftrat, also in eine Reihe von Elia über Jesus bis zu Jehoschua ben Chananja (Josephus, Bell 6,300f). Von Johannes erzählt auf jüdischer Seite Josephus (Ant 18,116–119). Von frühchristlicher Provenienz sind die Aussagen in der Logienquelle (Q) sowie in den vier später kanonisierten Evangelien. Aus dem Kreis der Schüler des Täufers (vgl. Mk 6,29; Mt 11,2 par; Joh 3,25ff; Apg 19,1ff) gibt es wie von Johannes selbst überhaupt keine Originalzeugnisse, denn ihre mündliche Kultur führte zu keiner Literarisierung. Im Einzelnen bietet Josephus ein Bild vom Täufer, wie es seinen hellenistischen Lesern genehm sein will: Er zeichnet nämlich Johannes als einen hellenistisch-römischen Tugendlehrer. Dazu musste die Gerichtsbotschaft des Propheten Johannes zwangsläufig zur Gänze ausgeblendet werden. Solche Thematik wäre für die Leser des Josephus unverständlich bis abstoßend gewesen. Etwas weniger überraschend ist, dass er auch auf die Beziehung zwischen dem Täufer und Jesus nicht eingeht. Doch dieses Thema war für ihn selbst offenkundig im Unterschied zur christlichen Rezeption des Täufers ohne Eigeninteresse. Wegen dieser recht radikalen und von Eigeninteressen geleiteten Umgestaltung der Botschaft des Johannes sollten wir Josephus für unsere Zwecke jedenfalls ganz zurückstellen. Auf solche bewusste Parteilichkeit beim Erzählen, wie wir sie bei Josephus finden, stößt man formal analog allerdings ebenfalls in den Evangelien. Auch sie zeichnen nämlich alle aus christlicher Sicht den Täufer ihren Gemeinden christlich eingefärbt vor die Augen. Sie verschweigen zudem teilweise auch des Täufers Gerichtsbotschaft. Für sie ist dieser nämlich
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in erster Linie der von Gott gesandte Vorläufer Jesu (Beispiele: Mk 1,2 parr; Joh 1,15.19–23) und unter diesem Generalthema eine zugunsten Jesu dienende Figur, eben ein Wegbereiter des Christus, doch nur eingeschränkt ein Prophet mit einer selbständigen und von Jesus unterschiedenen Botschaft. Demgegenüber verstand sich der historische Johannes, wie gleich deutlich werden soll, als letzter Rufer Gottes, nach dem nur noch das schon bedrohlich nahe Endgericht kommen würde. Für einen auf ihn folgenden, noch gewichtigeren prophetischen Akteur Gottes vor der Gerichtskatastrophe war da zeitlich und sachlich gar kein Platz mehr. Auch Jesus, der sich zunächst wohl für eine gewisse Zeit in die (der Zahl nach offene) Schülergruppe des Täufers eingeordnet hatte, besaß ein anderes Urteil über seinen einstigen Lehrmeister (vgl. nur Mt 11,11 par; auch die Volksmeinung in Mt 11,18f par) als das von den späteren christlichen Gemeinden vertretene. Unter den Evangelien hat dann auch das Joh formal ähnlich wie Josephus des Täufers Gerichtsbotschaft konsequent ausgeblendet, um ihn allein aus christlicher Perspektive heraus von seiner dienenden Vorläuferrolle für Jesus zu verstehen, damit er speziell Jesus als den gesandten Sohn Gottes in aller Öffentlichkeit identifizieren konnte (vgl. Joh 1,29–34). Darum werden wir auch das vierte Evangelium im Folgenden für die historische Frage nach der theologischen Position des Täufers nicht heranziehen können. Endlich hat ebenfalls Markus vornehmlich des Täufers christlich verstandene Vorläuferrolle auf eigenständige Art herausgestellt (Mk 1,1–8). Immerhin werden bei ihm, historisch verwertbar, die Lebensweise des Gerichtspropheten gekennzeichnet, sein Ruf zur Buße und seine Tauftätigkeit. Doch die Gerichtspredigt selbst, wie sie für das Verstehen seiner Taufe grundlegend war, wird den christlichen Lesern auch in diesem Fall vorenthalten. Wir haben also historisch verlässliche Hinweise zur Gerichtsankündigung des Täufers nur bei Mt und Lk zu erwarten, die dabei beide unabhängig voneinander auf Q zurückgriffen, deren Vorgaben sich aneigneten und in ihr je eigenes Evangelienkonzept einarbeiteten. Die im Endeffekt allein dank der Logienquelle (zitiert mit Q und lukanischer Zählung), vermittelt durch seine beiden
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2 Des Täufers Konzentration auf den nahenden Zorn Gottes
Rezipienten Mt und Lk, noch erhaltene Gerichtsbotschaft des Täufers (Q 3,7–8 par; 3,16b–17) erweist sich angesichts dieser Einschränkungen durch den Überlieferungsvorgang dem Textbestand nach nicht als besonders umfangreich. Dieses Urteil gilt vor allem dann, wenn man an die alttestamentlichen Schriftpropheten denkt oder noch besser eines der Evangelien heranzieht und dabei die reichliche Überlieferung zu Jesus unwillkürlich zum Vergleich benutzt. Aber dieser Vergleich ist wohl doch eher unfair, da die Evangelien ja gerade um Jesu willen geschrieben wurden und allein um des Täufers willen niemand je zur Feder griff. Doch mag sich schon angesichts der schmalen Überlieferungsbasis zum Täufer die Frage einstellen: Wieviel ist von der Botschaft des Johannes vielleicht verloren gegangen? Eine Teilantwort bietet der schon genannte Gerichtsprophet Jehoschua ben Hananja, von dem Josephus bekundet, er habe ab 64 n.Chr. über Jahre hinweg immer mit demselben sechsfachen Weheruf (von zweimal drei knappen Zeilen) Jerusalem und Israel den Untergang angesagt. Also man konnte damals mit einem einzigen prophetischen Wort durch penetrante Wiederholung, die natürlich den allermeisten Bewohnern Jerusalems voll auf die Nerven ging, nachdrücklich alles verkündigen, was gesagt werden sollte. Macht also nicht einfach die Menge der überlieferten Worte das Gewicht eines Propheten aus, dann kann man, wenn eine nur noch knappe Überlieferung sich gut zu einem Ganzen fügt, doch davon ausgehen, im Prinzip in etwa und der Thematik nach des »ganzen« Propheten, hier des Johannes, ansichtig zu werden. Doch quantitativ bleiben wir allein auf die Angaben aus Q (noch genauer: auf ihre Übernahme durch Mt und Lk) angewiesen. Wie bei der Erstellung von Q einst aus der Gemeindeüberlieferung gesammelt und ausgewählt wurde, entzieht sich nach Lage der Dinge leider einer Überprüfung. Als eine Möglichkeit kann man andeuten, dass beispielsweise uns heute unbekannte Täuferjünger, die sich damals einer christlichen Gemeinde anschlossen (Beispiel: Apg 19,1–7), Traditionsstücke des Täufers mitbrachten, die dann in einigen christlichen Gemeinden Verbreitung fanden und so auch zu Q gelangten.
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Johannes, dessen Auftreten am besten wohl 29 n.Chr. anzusetzen ist, fokussiert seine Botschaft kompromisslos und mit beharrlicher Strenge auf ein einziges Negativum, nämlich auf den »kommenden (Gerichts-)Zorn« Gottes (Q 3,7 par). Er wird der dissonante (und von seinen Zuhörern nicht erwartete) Schlussakkord für die Menschheitsgeschichte werden. Seine Exekution wird die Gestalt ausführen, die als der »Kommende« eingeführt wird (Mk 1,7 parr). Wobei dieser die Geschichte beendende Horizont, dessen Blick sich z.B. von der innergeschichtlichen und auf Israel begrenzten Unheilsansage des Jehoschua ben Hananja unterscheidet, eigentlich nur den stillen Hintergrund abgibt. Denn er wird perspektivisch und unmittelbar konzentriert auf die jetzt um den Täufer herum lebende Generation der lsraeliten, also auf die Kinder Abrahams (Q 3,8), sodass die Völker (und auch das immer prekäre Verhältnis zwischen Israel und der römischen Besatzung) sowie alle bereits verstorbenen Menschen stillschweigend abgeblendet werden. Damit variiert der Täufer zunächst einmal eine alte prophetische Tradition vom innergeschichtlichen »Tag Jahwes«, der schon längst vor ihm auch als »Tag des Zorns« beschrieben wurde (Jes 13,3.9.13; Ez 7,3.8; Zeph 1,15 usw.) und der auch schon in der alttestamentlichen Prophetie nicht selten als »nahe« galt (Jes 13,6; Ez 7,7; Joel 2,1 usw.), ähnlich wie nun beim Täufer (Q 3,10). Dieser göttliche »Zorn« der Vernichtung wird vom Täufer allerdings nicht wie bei den Propheten Israels als ein prinzipiell wiederholbares Geschehen innerhalb der Geschichte verstanden, sondern zugespitzt als deren katastrophales Ende. Wobei dieses Ultimum, nur konzentriert auf seine Bedeutung für die jetzt lebende Generation Israels, herausgestellt wird, also diese insgesamt ausnahmslos treffen wird. Denn dass die Völker unter dem Zorn Gottes stehen, versteht sich für den Täufer von selbst. Vor diesem Ultimum gibt es keine Anlaufzeit in Gestalt von kosmischen Verwerfungen und/oder dramatisch sich steigerndem Unheil in der Geschichte wie in der Apokalyptik (Beispiel: Mk 13 in Kapitel 11). Nein, das sind überhaupt keine Themen des Täufers. Vielmehr prägen die äußerst bedrohliche und zugleich unkalkulierbare zeitliche Nähe so-
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wie die Konzentration auf den einzelnen Israeliten (vgl. Q 3,8 par) und seine Reaktion auf des Täufers Predigt die noch erhaltene Überlieferung von Johannes. So »pöbelt« Johannes sein Gegenüber summarisch an, ohne unter seinen israelitischen Zuhörern individuell oder gruppenspezifisch (etwa in Pharisäern, Sadduzäern, Essenern und Zeloten) zu differenzieren (Mt 3,7 par): »Schlangenbrut!« (oder: »Natterngezücht!«), ähnlich wie z.B. einst Amos die vornehmen Damen Samarias pauschal und beleidigend »lhr Basankühe!« titulierte (Am 4,1). Ein Blick in die Geschichte Israels belehrt schnell, dass Israels Geschichtsschreiber und Propheten immer wieder einmal davon überzeugt waren, dass das ganze Israel abermals unter dem verdienten Zorn Gottes stand. Aber immer gab es dann trotzdem noch für einen Rest aus Israel einen Ausweg, sodass Israels Geschichte doch noch weitergehen konnte. Denn Israels Gott ließ wegen seiner Zusagen an Abraham sein Volk nicht als Ganzes verderben (Gen 12; 15; Röm 11,1f.28f)! So lautete jedenfalls die allgemeine Überzeugung. Johannes wusste, dass seine Zuhörer von dieser Grundüberzeugung Israels nicht nur Kenntnis haben, sondern auch selbst in diesem Sinne denken (Beispiel: TAss 7,7). Doch diese Einstellung treibt er ihnen gründlich und provokativ aus (Q 3,8 par): »Wähnt nicht, unter euch zu sagen, wir haben Abraham zum Vater! Denn ich sage euch: Gott vermag, aus diesen (um uns herum liegenden) Steinen (also dem absolut leblosesten Material in wüstenähnlicher Landschaft) Abraham Kinder aufzurichten!«
Die Totalität des göttlichen Zorns über das gegenwärtige Israel ist also nicht nur so dahingeredet, sondern ernsthaft, ohne jede Ausnahme und mit voller Absicht so thematisiert. Gottes schwerlich bezweifelbare Fähigkeit, als Schöpfer auch zu einem für Menschen exorbitanten Extremwunder greifen zu können, wird die einst Abraham gegebene Verheißung ganz gewiss nicht unerfüllt lassen. Er steht zu seinem Wort, allerdings vorbei am gegenwärtigen Israel, das sich für erwählt hielt und darum meinte, sich auf Gottes Barmherzigkeit verlassen zu können. In dieser ausweglosen
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Situation hat Johannes immerhin noch ein göttliches Angebot, nämlich seine Taufe. Bevor wir dieses Thema aufgreifen, muss noch eine andere Radikalität des Täufers erwähnt werden. Neben der Kompromisslosigkeit des Totalgerichts zulasten Israels stellt Johannes auch noch die bedrängende Nähe dieses Geschehens einprägsam und zugespitzt heraus. Mit zwei der Landwirtschaft entnommenen Bildern gibt er zu Protokoll: Die Obstplantage ist schon daraufhin untersucht worden, welche Bäume auf ihr nichts getragen haben. Diese sollen darum unverzüglich abgeholzt werden. Darum ist dafür dem ersten fruchtlosen Baum die Axt schon an seiner Wurzel eingekerbt (Q 3,9 par). Die Abholzungsaktion ist damit komplett vorbereitet. Jeden Augenblick kann sie beginnen, denn wer lässt schon eine Axt in solchem Fall tagelang unbenutzt liegen! Auch das zweite Bild zielt auf dieselbe drohende Nähe des Gerichts: Die Halmfrucht ist schon geschnitten, ja vom Feld auf die Tenne gebracht, selbst die Ähren sind bereits ausgedroschen. Nur noch der letzte Arbeitsgang des ganzen Erntevorgangs steht an: Dafür liegt die Worfschaufel schon in der Hand eines Erntearbeiters. Der wird nicht lange herumstehen, vielmehr im nächsten Augenblick beginnen, Spreu und Weizen zu trennen, dann den Weizen in die Scheune bringen und die Spreu ins Feuer werfen (Q 3,7). Das bedeutet: Es wird gar kein Gerichtstribunal mehr geben (Beispiele für dieses: Dan 7,9f; Mt 25,31ff), auf dem man sich eventuell noch verteidigen könnte oder um Gnade bitten, sondern nur noch die Vollstreckung des schon längst gefallenen Gerichtsentscheids Gottes steht an. Eben dieser Gerichtsvollzug muss jeden Augenblick beginnen. Wenn nun die jüdischen Zeitgenossen des Täufers von ihm erfahren hatten, dass er sie insgesamt zu den Verlorenen rechnete (Q 3,7f), konnten sie entweder kopfschüttelnd ihres Weges gehen (vgl. Mt 11,18f par) oder vielleicht doch über das Taufangebot des Johannes nachdenken und sich dann gegebenenfalls taufen lassen. Die Taufe des Johannes geschah so, dass er den Täufling im Jordan untertauchte, was zu seinem Namen »der Täufer« führte (vgl. Mt 3,1; Mk 6,25; Q 7,33). Das gab es nämlich
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bisher in Israels Geschichte noch nicht: Alle Waschungen und Tauchbäder vollzog der Israelit bisher immer an sich selbst. Wahrscheinlich will Johannes so deutlich machen, dass vor dem drohenden Gericht sich ausnahmslos niemand mehr selbst von seinen Sünden reinigen kann. Das kann nur noch er als der von Gott mit der Taufe beauftragte Prophet. Unwillkürlich stellt sich dann die Frage nach dem Kult im Tempel zu Jerusalem: Ist er angesichts dieser Endzeiterwartung ein leeres, kraftloses Ritual geworden durch das keine Reinigung von Sünden mehr geschieht? Kritik am Kult im Tempel zu Jerusalem haben schon die Propheten in stattlicher Zahl geübt (vgl. nur Jes 1,10–15; Jer 7,21–23; Hos 6,6; 8,13; Am 5,21–25). Zur Zeit des Johannes waren es vor allem die Essener, die den Tempelkult als verunreinigt ansahen, und darum an seinem Vollzug nicht teilnahmen (CD 6,11–20). Selbst wenn ein spezielles Wort des Johannes zum Jerusalemer Kult fehlt, deuten seine Gerichtsposition, seine Wirkstätte abseits von Jerusalem und der Taufritus doch wohl in die Richtung einer aktuellen Abwertung des Tempelkultes. Durch ihn kann die Verlorenheit des jetzt lebenden Israels jedenfalls nicht mehr aufgehoben werden. Dazu gibt es beim Täufer selbst eine Analogie: Auch der göttliche Bund mit Abraham samt der ihm gegebenen Verheißung war für die gegenwärtig lebenden Israeliten ja wertlos geworden, wie wir schon sahen. Fragen wir weiter: Wer wird das Gericht vollziehen, von dem her der Täufer denkt und das er so eindrücklich in seiner Verkündigung in den Mittelpunkt stellt, sodass er noch nicht einmal mehr dazu kommt, daneben positiv eine endzeitliche Vollendung etwa für einen »Rest«, also für die von ihm Getauften, auszumalen? Die Antwort auf diese Frage können vorrangig Q 3,16f und Mk 1,7f geben. Hier belehrt Johannes seine Hörer so: »Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt jedoch der, der stärker ist als ich, dem gegenüber ich nicht wert bin, ihm die Riemen seiner Schuhe zu lösen (oder: »seine Sandalen zu tragen«). Er wird euch mit heiligem Geist und Feuer taufen« (Rekonstruktion aus den drei Synoptikern).
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Wer ist dieser nach Johannes kommende »Stärkere«? Bevor wir diese Frage beantworten, müssen wir allerdings noch die Worte »mit heiligem Geist und …« aus der Rede des historischen Johannes herausnehmen, um sie den christlichen Tradenten der Worte des Täufers zuzuschreiben, also etwa dem Verfasser von Q oder der vor Q liegenden Tradition. Ohne diese Worte ergibt sich jedenfalls ein sachlich sehr guter Gedankengang: Vor dem endgerichtlichen Feuer immunisiert {symbolisch) das Wasser der Taufe, die Johannes vollzieht. Löscht man nicht auch im täglichen Leben Feuer durch Wasser? Mit dem Verweis auf den heiligen Geist wird dieser glatte Zusammenhang jedoch diffus. Der Einschub wird allerdings aussagekräftig, lässt man unter dem urchristlichen Generalnenner, wie er Mk 1,2f formuliert ist, den Täufer noch intensiver als Vorbote des Christus gedeutet sein. Johannes kündigt nämlich nun die mit dem Kommen Christi im Zusammenhang stehende Geisterfahrung der späteren christlichen Gemeinden an. Der Täufer und seine Anhänger besitzen diese offenkundig nicht (vgl. Apg 19,1–7). Nach dieser Rekonstruktion des ursprünglichen Textes können wir auf die noch unbeantwortete Frage zurückkommen, wer denn für Johannes das Gericht vollstrecken soll. Man kann an Gott denken. Ist es für den Täufer nicht ausdrücklich Gott selbst, dessen Zorn brennt? Auch ist es im Frühjudentum reichlich belegt, dass Gott zum Gericht »kommen« wird, ja sogar wie beim Täufer mit »Feuer« (Beispiele: Ex 19,18; Jes 66, 15f; Ps 50,3; Dan 7,10f; äthHen 1,3–9 usw.). Aber das viel gebrauchte Verb der Bewegung (»kommen«) wird auch für Engelgestalten und z.B. für den Menschensohn (Dan 7,13; Mk 13,26 usw.) und darüber hinaus für vieles andere verwendet, wenn eine Bewegung vom Himmel zur Erde beschrieben werden soll. Auch muss der Zorn nicht von Gott selbst vollzogen werden, er kann selbstverständlich diese Tätigkeit wie andere Aufgaben in analogen Fällen auch per Auftrag übertragen. Vor allem aber gibt es eine Gegenrechnung zu dieser Deutung auf Gott selbst: Kann es nach Israels Gottesverständnis überhaupt ein Mensch erwägen, sich mit Gott zu vergleichen
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(»stärker als«), selbst wenn der Vergleich mit Gott dann im Endeffekt natürlich selbstredend zugunsten Gottes ausfällt? Ist nicht Gott immer qualitativ viel »stärker« als jeder Mensch, sodass dieser Vergleich schon im Ansatz ein falscher Zungenschlag wäre? Natürlich ist Gott »stark«. Aber diese Stärke ist einmalig wie alles bei Gott und nicht mit von ihm geschaffenen Phänomenen in eine komparative Beziehung zu setzen. Für Johannes beinhaltet Gottes Zorn den Feuertod für (fast) eine ganze Generation der Menschheit! Ein menschlich unvorstellbares Ausmaß an Stärke und Überlegenheit! Und da soll ein Mensch wie Johannes die »Stärke« zwischen dem Richtergott und sich überhaupt abwägen? Nein, das Gottesbild des Johannes steht in einer Reihe mit Ex 3,3–7; Ex 33; 1Kön 9,9–18; Jes 6; Dan 7,9f. usw. Hier dominieren der qualitative Unterschied und die große Distanz zwischen Gott und Mensch. Und weiter: Für den Täufer ist die kommende Gestalt nicht nur »stärker« als er selbst, Johannes ist auch zu gering, sich mit den Schuhen des Kommenden abzugeben. Dergleichen auf Gott hin in Erwägung zu ziehen, lässt ebenfalls analoge Fragen stellen wie zu dem eben behandelten Vergleich: Wo darf denn ein Mensch im Alten Testament so nahe an Gott herankommen, dass solche Tätigkeit überhaupt möglich würde? Ist nicht immer ein großer Abstand zwischen Gott in seiner Heiligkeit und des Menschen Unwürdigkeit gegeben und zu wahren (vgl. Ex 3,5; Jes 6,3 usw.), sodass die Idee solcher Tätigkeit niemals umgesetzt werden könnte? Jesaja meint schon zu vergehen, wo er doch nur aus angemessener Distanz den Herrn der Heerscharen »gesehen« hat (Jes 6,5)! In Gottes Nähe gehören Engelscharen (Jes 6,1f; Dan 7,10 usw.), aber keine Menschen, die z.B. von den Feuerflammen um Gottes Thron (Dan 7,9f usw.) sofort verbrannt würden (vgl. auch Ex 2,3). Allerdings kann nach Offb 1,17 die himmlische Gestalt des Menschensohnes dem apokalyptischen Seher Johannes die rechte Hand auflegen. In diesem Fall bewirkt die Berührung zwischen einer himmlischen und einer irdischen Gestalt für den Menschen nicht den Tod. Nun sagt Johannes weiter, der Kommende würde schon die Worfschaufel in seiner Hand halten und mit der restlichen Tätig-
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keit der Erntearbeit alsbald ohne Zögern beginnen (Q 3,17). Gott in Aktion wie ein menschlicher Erntearbeiter? Auch das ist schwerlich vorstellbar! Typischerweise wird auch in Offb 19,15 – hier ist ein anderer Erntevorgang im Rahmen der Endereignisse verwendet – von Christi Erntetätigkeit geredet, nicht von einem göttlichen Handeln. Ergebnis: Gleich drei Aussagen des Täufers sperren sich energisch gegen eine Deutung des Kommenden auf Gott. Zwei weitere Indizien im Text sind allenfalls ambivalent und nicht exklusiv spezifisch. Also wird man nach einer anderen Gestalt suchen, die zu des Täufers Rede möglichst problemlos passt. Eigentlich gibt es in der alttestamentlichen und früh jüdischen Literatur nur eine Gestalt, die dazu ernsthaft bedacht sein will, nämlich der »Menschensohn«. Er taucht erstmals und das im Endgerichtszusammenhang in Dan 7 auf, um dann in den (doch wohl vorchristlichen) Bilderreden des äthHen 37–71 unter Verarbeitung von Dan 7 (vgl. dazu vor allem äthHen 46) mit endgeschichtlicher Zielsetzung ausführlich zur Darstellung zu gelangen. Gut zwei Generationen nach dem Täufer werden im Strom frühjüdischer Apokalyptik 4Esr und syrBar ein je eigenes Bild vom Menschensohn, ebenfalls unter anderem im Rückgriff auf Dan, bei endgerichtlicher Zielsetzung aufzeichnen. Doch entnehmen wir diesen Zeugnissen jetzt nur den Hinweis, dass die Gestalt des Menschensohns im Frühjudentum in Endgerichtsszenarien eine nicht kleine Verbreitung gefunden hatte. Etwas komplexer stellt sich die Sachlage in der synoptischen Apokalypse in Mk 13 dar (Kapitel 11), die ebenfalls bei endgerichtlicher Thematik Dan 7 heranzieht (vgl. nur Dan 7,13 und Mk 13,26). Sie ist unter den Menschensohnaussagen der Evangelien in vielerlei Hinsicht ein Sonderling, so schon allein wegen ihres Geschichtsbildes, das sie vorträgt. Sie geht sicherlich nicht auf Jesus zurück, sondern war wohl ehedem ein selbständiges judenchristliches »Flugblatt« (vgl. Mk 13,14). Die spätere und differenzierte Analyse dieser kleinen Apokalypse wird zeigen, dass der jetzt vorliegende Text ein stufenweise gewachsener Text ist, wobei in Mk 13,7f.14–20.24–27 wohl eine jüdische Urform
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vorliegt, die sich dann Judenchristen aneigneten und weiter ausgestalteten (vgl. Kapitel 11). Auch Mk 13 (Grundstock) lebt im Blick auf den Menschensohn von einer Anleihe bei Dan 7, sodass man zur Quellenlage sagen kann, dass man für den Menschensohn aus Dan im Frühjudentum doch insgesamt eine recht gute Verbreitungsgeschichte nachweisen kann. Der Täufer hat, das muss ausdrücklich betont werden, selbstredend keinen dieser eben genannten Texte gelesen. Er lebt wie Jesus unliterarisch aus und in mündlicher Kultur, während die anderen eben herangezogenen Texte Dan 7 direkt zitieren, also literarisch mit Dan einen Dialog führen, doch zugleich ein je eigenständiges Konzept verfolgen. Jedenfalls kann man festhalten: Wenn der Täufer Johannes Dan 7 aus mündlicher Kultur rezipierte, ist das angesichts der breiten Wirkungsgeschichte von Dan keine erklärungsbedürftige Auffälligkeit. Dazu noch eine Anmerkung: Der Rezeptionsprozess von Dan 7 zeigt doch wohl recht eindeutig, dass die Rezipienten, sei es literarisch direkt oder mündlich indirekt, durchweg den jetzt vorliegenden Endtext aufgriffen. Darum können wir auf die komplexe Diskussion um die Einheitlichkeit oder Mehrschichtigkeit von Dan 7 für unsere Zwecke verzichten. Dan 7 gibt die Vorgabe, dass der Menschensohn als eine aus der himmlischen Verborgenheit heraustretende und bisher unbekannte Gestalt gezeichnet ist und zum Endgeschehen gehört, das unter der Oberhoheit Gottes steht (vgl. Dan 7,9f.13f). Diese Basisaussage gilt für die ganze Rezeptionsgeschichte. Beim Täufer ist diese Erzählstruktur so gestaltet, dass Gottes Zorn nicht hinterfragbares oder zu begründendes Ausgangsfaktum der Endgeschehnisse ist und sein Verhältnis zu Israel bestimmt, wobei der Menschensohn dann für Gott das Vernichtungsgericht vollzieht, also Gottes Zorn exekutiert. Die Aufgaben des Menschensohnes sind jedoch in den anderen Texten begrenzt variabel: Bei Dan ist Gott der Richter (Dan 7,10f) und der Menschensohn der von Gott eingesetzte Endzeitherrscher (Dan 7,14). In den Bilderreden des äthHen z.B. wird der Menschensohn als Richter und Endzeitherrscher aktiv. Beim Gerichtspropheten Johannes ist der Menschensohn allein als Vollstrecker
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des göttlichen Zorns herausgestellt. Dass er im Stillen auch als Endzeitherrscher fungieren wird, kann man, wenn auch zögerlich, vermuten. Selbst wenn Johannes das nicht direkt sagt, weil er in asketischer Weise allein auf das Gerichtsthema fixiert ist, ist diese Annahme doch zumindest eine sinnvolle Möglichkeit. Denn allgemein und durchweg gilt für das Verständnis des Heilszustandes im Frühjudentum und frühen Christentum, dass dieser keine in sich ruhende und isolierte Situation für die erlösten Menschen ist, sondern durch eine unzerstörbare Beziehung zu Gott (etwa 1Kor 15,28; Kapitel 8) oder zu einer endzeitlichen Gestalt wie dem Menschensohn (Beispiel: 1Thess 4,17) gekennzeichnet ist. So brauchen auch die Getauften des Johannes im Erlösungszustand wohl doch eine personale Relation (vgl. Dan 7,14; Mk 13,26f; 1Thess 4,17c), aus der heraus ihr Heilsstand gegeben und gesichert ist. Dieser Heilszustand bedeutet auch immer, dass die Erlösten eine Gemeinschaft bilden und nicht irgendwie isoliert existieren. Und endlich: In Dan 7,11 ist das Vernichtungsgericht (wie auch sonst sehr oft) als Feuerbrand markiert (Dan 7,11). So stellt sich das, wie wir schon sahen, auch der Täufer vor. Die Gestalt des Menschensohnes hat in Dan 7 weder einen Namen (wie ihn z.B. teilweise Engel haben), noch erhält er einen Hoheitstitel (z.B. »Messias« oder »Sohn Gottes«). Er wird vielmehr mit einem Vergleich definiert: »wie ein Menschensohn« (Dan 7,13). Diese Formulierung verdankt sich in Dan einer kontextuellen Einbindung, die einen betonten Kontrast herausstellt. Im Gegensatz stehen die vier Gewaltherrscher, die, aus der dunklen und angsterregenden Meerestiefe aufsteigend, zunächst als Raubtiere geschildert werden und dann als Herrscher die Menschen tyrannisieren (Dan 7,2ff). Demgegenüber kommt der Menschensohn aus der oberen himmlischen und guten Welt Gottes und ist, an seiner menschenartigen Erscheinung erkennbar, für die erlösten Menschen ein guter Regent. Wo die kontextuelle Bindung zu der Schilderung der Gewaltherrscher entfiel, und das ist durchweg in der frühchristlichen Rezeption der Gestalt des Menschensohnes der Fall, musste die Vergleichspartikel »wie« entfallen. Das führte dann zur
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Rede von »dem Menschensohn«. Wie das Heer der Engel so gehört der Menschensohn zu den dienstbaren Geistern Gottes, die seine Aufträge ausführen. Man kann sagen: Er ist mit ihnen verwandt (vgl. äthHen 46,1). Engel können, wie nicht nur das Buch Tob verdeutlicht, den Menschen sehr nahe sein. Also sind hier die Vergleiche mit dem »Stärkeren« und seinen Tätigkeiten (Mk 1,7 parr), wie sie der Täufer formulierte, problemlos vorstellbar. Ergebnis: Man stellt die das Endgericht ausübende Gestalt aus der Täuferbotschaft am besten in die Wirkungsgeschichte von Dan 7 ein. Der Täufer vollzieht allerdings eine recht begrenzte Übernahme: Nicht nur der ganze danielische Kontext zur Menschensohngestalt entfällt bei ihm (das geschieht auch sonst oft), sondern er lässt auch das »wie ein Menschensohn« links liegen und spricht dafür (wie kein anderer nach ihm) von »dem Stärkeren«. Wie äußert sich der Täufer zum Endgericht? Seiner bildreichen und originellen Sprache ist in jedem Fall zu entnehmen, dass er an ein endzeitliches Feuergericht denkt (Q 3,9), das immerwährend (d.h. wohl: solange, bis alles zu Asche geworden ist) brennen wird (Q 3,7). Beide Bildworte setzen dabei voraus, dass es sich um einen örtlich begrenzten Feuerbereich auf der Erde handelt (vgl. Dan 7,11), also nicht um einen Weltenbrand (dazu vgl. z.B. 1QH 3,19ff; 2Petr 3,7). Die Vernichtung der Sünder ist demnach im Blick, nicht eine Vernichtung der Schöpfung und gegebenenfalls die nachfolgende Erschaffung einer ganz neuen Welt. Beide Bildworte implizieren darüber hinaus, dass Bäume, die Frucht tragen, stehen bleiben und die Kornfrucht in die Scheune gesammelt wird. Die Schöpfung im Sinne von Gen 1 existiert also weiter. Das harmoniert mit des Täufers Auffassung, dass seine Taufe und sie allein Menschen der jetzt lebenden Generation der Nachkommen Abrahams vor dem Endgericht retten wird (vgl. Q 3,8). So trifft, dazu passend, der Verbrennungsvorgang nur die gegenwärtig abgehauenen Bäume und die jetzt anfallende Spreu. Das heißt aber auch: Eine allgemeine Auferstehung der verstorbenen Menschheit zur Teilnahme am Gericht ist in keinem Fall angedeutet. Ihr Gericht besteht wohl in dem Umstand, dass
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sie im Unterschied zu Israel gar nicht erst eine Chance erhält, um am Heil partizipieren zu können. Dies kann man damit erklären, dass für den Täufer aufgrund seiner jüdischen Sicht die Völker wohl sowieso verloren waren, vor allem, weil sie permanent gegen das erste Gebot verstießen, also Vielgötterei betrieben (vgl. 1Thess 1,9, auch Apg 15,20; 1Kor 8,7; 10,14.19–21; 12,2 und die traditionellen Aussagen in Röm 1,18ff). Natürlich gab es in Israel die Vorstellung von »Gerechten aus den Völkern« (z.B. TNaph 8,3), die im Endgericht errettet werden. An sie wird explizit auch Jesus denken (Kapitel 3). Aber solche Erwartung passt nicht recht zum besonders harten Urteil des Täufers über die Sündenschuld der Menschen. Die bereits verstorbenen Israeliten mag Johannes dann analog zu seinem Urteil über die jetzt lebende Generation im Wesentlichen auch negativ bewertet haben (vgl. Röm 2,1–11, auch Ps 90,7–9). Doch auch, wenn der Täufer die Stichworte »Auferstehung« und »ewiges Leben« mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht in den Mund genommen hat, bleibt noch die Frage, wie er sich dann z.B. das Schicksal des längst verstorbenen Abraham vorgestellt haben mag. Ist dieser Erzvater doch der einzige Israelit, den er namentlich aufruft und das, ohne ihn der Verfallenheit an das Endgericht zu bezichtigen! Man kann diese Frage noch etwas verallgemeinern: Wie steht es mit den anderen Erzvätern, Propheten und Frommen aus Israels zurückliegender Geschichte? Werden sie durch eine Auferstehung am Endheil partizipieren (vgl. z.B. die Aufzählung in TBen 10,6f)? Das darf doch wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit vermutet werden. Denn es ist kaum vorstellbar, dass der Täufer, wenn er seine Gruppe Getaufter (und doch wohl auch sich selbst) vom Feuergericht ausnahm, nicht auch in Israels zurückliegender Geschichte einige personale Beispiele hätte benennen können, die nach ihm in jedem Fall würdig waren, gerettet zu werden. Damit zeigt sich versteckt, dass der Täufer wohl mit einer Auferstehung nur der Gerechten aus Israels Geschichte rechnete (vgl. beispielhaft: Dan 12,1–3; äthHen 90,33–35), wohl verursacht durch ein Schöpferwort (Beispiel: Joh 5,28f). Doch wegen der kompromisslosen Konzentration auf den einzel-
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nen Menschen aus dem jetzt lebenden Israel sagt Johannes zu all diesen möglichen Fällen aus der Vergangenheit nichts Explizites. Er will ja auch mit seinen Zuhörern nicht diskutieren, wer von den Ahnen möglicherweise gerettet wird, sondern sie auffordern, jetzt für ihre eigene Rettung zu sorgen, bevor es für sie zu spät ist. Er reizt seine Zuhörer ja auch nicht mit einer verlockenden Heilszeit, sondern lehrt sie allein das Fürchten vor dem kommenden Zorn. Doch auch wenn er das Leben der endzeitlichen Heilsgemeinde nicht explizit qualifiziert, hat er wohl doch eine Meinung dazu besessen. Sie könnte mit seinem Zugriff auf die Gestalt des Menschensohnes aus Dan 7 gegeben sein und in der immerwährenden Gemeinschaft mit diesem »Stärkeren« bestehen (vgl. Dan 7, 14.18 und dazu oben). Das würde ergeben: Gott bleibt beim Gerichtsvollzug unsichtbar im Himmel und inaktiv. Der Menschensohn vollstreckt das Endgericht auf Erden und weilt danach bei der Heilsgemeinde auf der Erde. Auch über die konstitutionellen Bedingungen der menschlichen Personen in der Heilszeit äußert sich der Täufer mit keinem Wort. So findet sich z.B. das Stichwort »Verwandlung« (vgl. Kapitel 9) bei ihm nicht. Man kann das so erklären: Wenn Gott nach israelitischer Auffassung jedem Menschen das Maß seiner Tage zuteilt (Beispiel: Ps 39,5), dann könnte sich Johannes vorgestellt haben, dass Gott das Leben der Geretteten gleichsam unbegrenzt verlängert. Wie der Schöpfer es will, so geschieht es dann. Mit anderen Worten: Die Probleme des Paulus in 1Kor 15 (Kapitel 8) sind (noch) nicht des Täufers Sorgen. Zum Abschluss noch eine grundsätzliche Bemerkung zum Vergleich zwischen Dan 7 und dem Täufer: Dan orientiert sich in der Aufzeichnung seines Endzeitkonzeptes an der politischen Struktur seiner Gegenwart in Gestalt von Großreichen und am Verhältnis zwischen Israel und diesen Reichen. Diese Großreiche knechten in der Geschichte und der Jetztzeit Israel. In der Heilszeit wird jedoch Israel über die Völkerwelt herrschen, wobei das System der Großreiche der formalen Struktur nach erhalten bleibt (Dan 7,14.27). Genau diesen politischen Gesamtrahmen lässt der Täufer
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(wie nach ihm alle, die sich im frühen Christentum die Gestalt des Menschensohn aneignen) unberücksichtigt liegen. Auch die aktuelle Problematik zwischen Israel und der römischen Besatzung erhält keine Behandlung. Was immer die aus mündlicher Tradition entstammende Kenntnis aus Dan 7 für ihn enthielt, es findet kein Zugriff auf irgendeinen politisch-geschichtlichen Rahmen statt. Denn das Konzept des Täufers setzt völlig anders als Dan an, nämlich beim individuellen Zuhörer seiner Gerichtsbotschaft. Die bisher missratene Lebensführung aller und jedes einzelnen Israeliten ist also für ihn im Blick. Nur wenn dieser sich an des Täufers Negativurteil über die fatale Lebensführung ausnahmslos aller Israeliten orientiert und sich in Konsequenz dazu individuell für die Taufe und für einen neuen Lebenswandel entscheidet, hat er die Chance, dem Zorn Gottes zu entkommen. Diesen am Individuum orientierten Ansatz des Täufers wird Jesus als strukturelle Vorgabe übernehmen. Es wird sich im nächsten Kapitel nämlich zeigen, dass seine inhaltlichen Veränderungen gegenüber der Gerichtspredigt des Täufers innerhalb dieses Grundentscheides bleiben. Auch er ist kein apokalyptischer »Weltpolitiker« wie Dan oder der Seher der Offb (vgl. Kapitel 15). Wenn Johannes ein endzeitlicher Gerichtsprophet war, so ist Jesus ebenfalls Endzeitprophet, der allerdings angesichts des nahenden Gerichts die gegenwärtige Ankunft der heilsamen Gottesherrschaft vollzieht und dieses letzte Heilsangebot in den Mittelpunkt seiner Botschaft stellt.
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So wie für Johannes gilt auch für den Endzeitpropheten Jesus: Er hat nie den Entschluss gefasst, seiner Botschaft eine Schriftform zu geben. Dasselbe gilt ausnahmslos auch für seinen Jüngerkreis. Jesus und die Zwölf lebten in mündlicher Kultur. Wir sind also für die Erkundung seiner Botschaft auf Zeugnisse anderer angewiesen. Für das spezielle thematische Ziel, das wir uns mit der Überschrift gesetzt haben, können wir außerdem nur erwarten, dass uns spätere christliche Autoren, also vor allem die drei synoptischen Evangelien, Auskunft geben. Denn die nichtchristlichen Texte über Jesus und über die christlichen Gemeinden (Josephus, Tacitus, Sueton und Plinius d.J.) schweigen zu diesem Thema, was immer sonst man im Einzelnen bei ihnen über die Christen nachlesen kann. Auch der Apostel Paulus, der ab und an ein Wort des Herrn in seinen Briefen heranzieht, hat in seiner ältesten Darlegung zur christlichen Hoffnung (1Thess 4,13–18; Kapitel 7) zwar auf ein »Herrenwort«, wie er selbst formuliert, Bezug genommen (1Thess 4,15), das die Parusie des Herrn zum Teil in Gestalt von traditionellen Aussagen über den Menschensohn beschreibt. Doch Sprache und Konzeption des »Herrenwortes« sind urchristlich geprägt, wobei ein Rückschluss auf den vorösterlichen Jesus nicht gelingen will (vgl. Kapitel 7). Endlich ist auch das vierte Evangelium nicht zuletzt in seiner Auffassung zur Enderwartung und Vollendung ganz eigene Wege gegangen, die sich in markanter Weise von den synoptischen Aussagen unterscheiden. Darum können sie zur Kennzeichnung des Jesus von Nazaret nicht herangezogen werden. Wir befassen uns mit diesem Evangelium später (vgl. Kapitel 14). Jesu (wohl etwa einjährige) öffentliche Tätigkeit (am wahrscheinlichsten 30 n.Chr.) ist schon von seinen Zeitgenos-
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sen als Kontrast zum Täufer wahrgenommen worden (Mt 11,18f par). Auch dass Jesus nicht wie Johannes eine Taufe anbot, wird aufgefallen sein, unbeschadet der sehr vagen Möglichkeit, dass er eingangs seiner selbständigen Tätigkeit zunächst noch wie Johannes getauft haben könnte (vgl. Joh 3,22). Dazu passt, dass Jesus im geographischen Abstand zum Täufer und seinem Jüngerkreis sich im Wesentlichen auf das Wirken in Galiläa und in der Gaulanitis, dabei schwerpunktmäßig auf die Westküste des Sees Genezaret beschränkte. In diesen geographischen Gefilden hielt sich Johannes nach allem, was wir von ihm wissen, nie auf. Natürlich sollte historisch unbestritten bleiben: Jesus war einst für einige Zeit Schüler, zumindest Sympathisant des Täufers. Beide wirkten dann später wohl eine kurze Zeit lang getrennt und parallel, selbst wenn z.B. der älteste Evangelist Markus die Begegnung beider überhaupt nur gleichsam auf ein paar Minuten – eben die Zeit, die man für eine Taufe benötigt – beschränkt sehen will (Mk 1,9), um den Täufer dann schnurstracks gefangennehmen zu lassen (Mk 1,14, anders Joh 3,22f). Für ihn durfte Jesus eben kein einst untergeordneter Schüler des Täufers gewesen sein. Auch hatte dieser für ihn mit Jesu Taufe seine heilsgeschichtliche Schuldigkeit im Sinne von Mk 1,2f getan. Also hatte er in der erzählten Szenenfolge ab sofort das Reden und Handeln allein Jesus zu überlassen. Jesu selbständiges Auftreten war von einem theologischen Konzept bestimmt, dessen Entstehung man sich gut als Grund vorstellen kann, warum Jesus den Täufer verließ. Dennoch ist sofort an eine stabile Kontinuitätsbrücke zu Johannes zu erinnern: Jesus beurteilte die negative Situation des gegenwärtigen Israel vor Gott ganz genauso tief pessimistisch wie der Täufer. Er zitiert ihn dabei allerdings nicht wörtlich, sondern formuliert in eigener Diktion und inhaltlicher Variation: Wenn das zeitgenössische Israel nicht umkehrt (vgl. Mt 3,8 par), wird es ohne jede Ausnahme im Endgericht umkommen (Lk 13,1–5; vgl. Mt 3,7). Dieses göttliche Gericht steht unmittelbar vor der Tür und wird plötzlich hereinbrechen (Lk 12,16–20; 17,34f; vgl. Mt 3,10). Es wird wie beim Täufer (vgl. Kapitel 2) ein Feuer-
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gericht auf Erden unter Kontinuität der Schöpfung sein (Mt 18,8f; vgl. Mt 3,10). Zwei nicht unwichtige Variationen führt Jesus allerdings in diesen Grundkonsens ein: Er redet erstens anders als der Täufer von einem endzeitlichen Gerichtstribunal (vgl. Dan 7,9f). Zugleich öffnet er dabei zweitens – und diese Beobachtung hat Gewicht – den Horizont des Gerichtsablaufs hin zur Menschheit, deren beispielhaft genannte pagane Vertreter überraschenderweise Israel nicht gut wegkommen lassen. Denn es werden etwa die Königin des Südens und die Niniviten (also Heiden!) erstaunlicherweise sogar als Ankläger gegen das gegenwärtige Geschlecht der Israeliten auftreten (Lk 11,31f par). Ja, unerhört provokativ für seine jüdischen Zuhörer wird sich als Gerichtsergebnis dann einstellen: »Viele (!) werden von Osten (konkret: etwa aus den Ländern östlich vom Jordan bis hin zum Zweistromland) und Westen (also aus Nordafrika und der griechisch-römischen Welt) kommen« und mit Israels Erzvätern das Heilsmahl feiern (vgl. Abraham in Mt 3,9). Aber die jetzt lebende Generation der Israeliten wird abgewiesen werden und in einem Elendsleben aus Heulen und Zähneknirschen (im Gerichtsfeuer) dahinvegetieren müssen (Mt 8,11f par). Zweifelsfrei haben sich die jüdischen Zeitgenossen Jesu im Allgemeinen (vielleicht mit ganz wenigen Ausnahmen? Vgl. Lk 18,13) ihr zukünftiges Gerichtsergebnis anders vorgestellt. Doch Jesus kann im gleichen Sinne fortfahren: War nicht schon Elia von Gott beauftragt, als ganz Israel extrem schlimme Not litt, exklusiv der heidnischen Witwe in Sarepta zu helfen, ebenso auch nicht den vielen Aussätzigen in Israel, sondern allein den Syrer Naeman vom Aussatz zu befreien (Lk 4,25–27)? Ja, so wird es sein: Den heidnischen Städten Tyros und Sidon wird es im Gericht besser ergehen als den israelitischen Städten Chorazim und Bethsaida (Lk 10,13 par)! Im Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner ist es dieses von den Juden verabscheute Stiefkind der Heilsgeschichte, das mit seiner Nächstenliebe (oder besser Feindesliebe) vorbildlich im Sinne Gottes handelt, und sind es eben nicht die hohen Repräsentanten Israels (Lk 10,30ff). Auch hier ist also das göttliche Urteil über einen damals
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vom offiziellen Judentum nicht anerkannten Juden positiv und gleichzeitig über das Jerusalemer Kultpersonal im harten Kontrast dazu negativ. Während der Täufer sich auf Israel konzentrierte und eher auf die Steine kam, aus denen Gott Abraham Kinder erwecken kann (vgl. Mt 3,9), als an Menschen außerhalb Israels zu denken, ist Jesu Blick hin zur Völkerwelt geöffnet. Dafür gibt es einen gewichtigen Grund: Bei Jesus bestimmt nicht wie bei Johannes die alles beherrschende Auffassung von einem Gott, dessen Zorn brennt, die ausweglose Unheilssituation des jetzigen Israel, abgesehen von den Wenigen, die sich taufen lassen, allerdings dann doch nichts erfahren über den erhofften Heilszustand. Nicht nur, dass Jesus vom »Zorn Gottes« wohl nicht geredet hat. Entscheidend ist, dass im Sinne Jesu die jetzt ankommende Gottesherrschaft des gütigen Vaters (Lk 11,4 par) und Schöpfers (dazu gleich mehr) vor dem drohenden Gericht für alle die Möglichkeit schaffen will, wie der um- und heimkehrende Sohn aus der Parabel in Lk 15,11–32 vom Vater mit Entgegenkommen, Herzlichkeit und Freuden wieder als Sohn angenommen zu werden. Gott will nicht seinen Gerichtszorn austoben, sondern ist vorrangig durch seine Liebe zu seinen Geschöpfen bestimmt, die ihn durch ihre Lebensführung zwingen, Gericht zu halten, es sei denn, sie nehmen sich den verlorenen Sohn zum Vorbild. Dieses Evangelium rückt für Jesus an die Stelle der johanneischen Taufe. Was also lässt sich in aller Kürze zu Jesu Auffassung von der Gottesherrschaft sagen? Für ihr Verständnis ist von basaler Bedeutung, dass Jesus dabei nicht, wie es oft im Frühjudentum anzutreffen ist, an Gottes immerwährendes Weltregiment denkt. Vielmehr gestaltet er eine andere frühjüdische Vorgabe um, wonach Gottes Herrschaft als besondere Qualitätsbezeichnung für die endgültige Vollendung steht (so auch später im Urchristentum, vgl. 1Kor 6,9f; 15,50 usw.). Diesen eschatologischen, jedoch eher statischen Gebrauch dynamisiert er jedoch konsequent. Nun beginnt nämlich Gott seine endzeitliche Herrschaft schon gegenwärtig durch Jesu Wirken mit dem Ziel aufzurichten, dass dieses Geschehen bald in der absoluten Vollendung enden
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wird (Lk 11,20; Mt 13,16f usw.). Damit bleibt die Gegenwart nicht wie üblicherweise eine Fortsetzung der Vergangenheit, sondern wird entscheidende Ursprungszeit der Endzeit. Denn die Geschehnisse der Gegenwart münden in kurzer Zeit gleichsam »organisch« in der endgültigen Heilszeit (Mk 4,3–8.26–32; Mt 13,33 par usw.). Demzufolge ist die bereits zurückliegende Geschichte vor Jesu Auftreten durch eine Zäsur getrennt von der Zeit des Wirkens Jesu (Beispiel: Mt 11,11) und diese an die Zeit des sich durchsetzenden endgültigen Heils angegliedert (Mk 1,15). Darum erfüllen sich jetzt auch für die Gegenwart schon die Verheißungen auf die Endzeit (Mt 11,4–6 par; 11,12f par; 13,17 par). Also gilt für Jesu Zeitgenossen, diese Zeichen der Gegenwart zu erkennen, danach jetzt schon zu leben und für das baldige und endgültige Kommen der Gottesherrschaft zu bitten (Lk 11,2 par). Ebenso gilt: Was jetzt beim gegenwärtigen Nahen der Gottesherrschaft geschieht, zeigt auf, was auch in der Vollendung Bedeutung haben wird. Klar ist: Jesus beschreibt das zukünftige Heil eigentlich nirgends ausführlich, weil er immer (wie der Täufer) seine gegenwärtigen Zeitgenossen und ihr Leben im Blick hat. Dennoch spiegelt das Geschehen der jetzt schon ankommenden Gottesherrschaft wider, was auch in Zukunft die Gottesherrschaft auszeichnen wird: Also sind beispielsweise die Mahlzeiten Jesu in den Dörfern Galiläas ein Vorgeschmack des endgültigen Heilsmahles (Mk 2,15–17; Mt 11,19; Mt 8,11f; Mk 14,25 usw.). Oder wie jetzt Kranke und dämonisch Besessene geheilt werden, so werden in der Vollendung erst recht diese kreatürlichen Schwächen ein für alle Mal keine Existenzberechtigung mehr haben. Denn die Dämonen werden dann endgültig besiegt sein (vgl. Lk 11,20 par). Ja, Satan als Herrscher über die Dämonen ist schon, eben ablesbar an Jesu Austreibungen der Dämonen, aus der himmlischen Sphäre vertrieben (Lk 10,18) und tobt sich gleichsam nur noch kurze Zeit auf der Erde aus. Von einer satanischen Macht redet Jesus übrigens nur beim Thema Besessenheit, nie beim Verführen zu einer sündigen Lebensführung. Daraus folgt: Im Unterschied zur johanneischen Gemeinde und zur Offb (Kapitel 14 und 16) lebt Jesus in keinem dualistischen Welt-
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bild. Als ergebnissichernde Folge kann man also festhalten: Das qualifizierte Leben der Erlösten wird ein Leben ohne alle kreatürlichen Behinderungen sein. Weiter wird man aus Mk 7,15 parr schließen können, dass die Unterscheidung von rein und unrein, die für Israel eine so fundamentale Bedeutung für die gesamte Lebensführung besaß, endgültig überholt und bedeutungslos geworden sein wird. Und noch ein weiterer Aspekt: Die Sorge um die tägliche Nahrung zum Leben, wie sie damals (durch nicht selten erlebte Missernten, Familienschicksale oder Hungersnöte z.B. als Folge von Kriegen) immer wieder unliebsame Aktualität bekam, sollen die Hörer Jesu jetzt schon Gott anheimstellen. Damit ist klar: In der endgültigen Gottesherrschaft wird solche Sorge schlichtweg und rundum überflüssig sein (Lk 6,20f par; 12,22–31 par). Wichtig ist auch noch: Die soziale Struktur der Anhänger Jesu soll jetzt schon durch das Liebesgebot geprägt sein (Mt 5,44f par). Man kann sich nicht vorstellen, dass das für Jesus in der Endzeitgemeinde nicht mehr gelten würde. Die Gemeinde der Erretteten wird auch keine Analogie zu irgendeiner Art weltlicher Herrschaftsform mit der Struktur oben – unten (Regent – Untertan, reich – arm usw.) kennen. Sie wird vielmehr in der Haltung des gegenseitigen Dienens leben (Mt 18,4; 23,11; Mk 9,35; anders Dan 7). Und last not least: Die Unterscheidung vom erwählten Israel und den Völkern wird gegenstandslos werden. Denn die aus den Völkern Geretteten (Lk 11,31f par) werden sicherlich keine Geretteten zweiter Klasse sein, sind sie doch in gleicher Weise wie die Israeliten Geschöpfe Gottes. Diese sachlich-inhaltliche Kontinuität von der gegenwärtig wirkenden Gottesherrschaft bis in die endgültige Heilszeit führt auch endlich zu der Erkenntnis, dass wie das Endgericht auch die endzeitliche Gemeinschaft der Geretteten auf Erden etabliert sein wird (genau wie in Jes 25,6 und wie beim Täufer). Gottes Schöpfungswerk im Sinne von Gen 1 bleibt also erhalten. Nicht minder schwergewichtig ist die Feststellung, dass der Gott der von Jesus verkündigten Gottesherrschaft vorherrschend als Schöpfergott ins Blickfeld gerät. Der Bundesgott, der Israel zu seinem Volk erwählt hat, tritt dabei recht kon-
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sequent in den Hintergrund (vgl. nur Mt 6–13 par). Von ihm her dachte der Täufer ausschließlich (Mt 3,9 par). Doch hatte nicht schon er der jetzt lebenden Generation der Israeliten die Berufung auf Abraham als Garanten göttlicher Bundesverheißungen entrissen? Jesus, der diese Ansicht natürlich kennt und teilt, bleibt bei diesem Negativum nicht stehen. Sehen wir uns einzelne Fälle an! Da sind zunächst mit zahlreichen Beispielen aus dem Schöpfungsbereich die Gleichnisse, durch die Jesus das Geschehen der Gottesherrschaft erläutert (z.B. Mk 4,3–8.26–29.30–32; Mt 13,33 par). Entscheide zum ethischen Verhalten bekommen ihre Normativität durch einen Rekurs auf den Schöpfer und seine Schöpfung, nicht durch den Verweis auf die Tora (Mt 5, 43–48 par; Mk 2,27; 10,2–9 par; Lk 12,22–31 par usw.). Auch die Reinheitsproblematik ist indirekt als Schöpfungsthema erörtert (Mk 7,15). Das Herrengebet besitzt keine bundesgeschichtliche Note, sondern hat seinen Rahmen in der Zuordnung Gottes zur Welt und zu dem Leben der Menschen im jetzigen Weltzustand, aus dem sie erlöst werden möchten (Mt 6,9–13 par). Natürlich muss auch nochmals in diesem Zusammenhang an Jesu Mahlzeiten in den galiläischen Dörfern (gerade auch mit der Besonderheit, dass Zöllner und Sünder geladen sind) und das endgültige Heilsmahl erinnert werden. Auch die Exorzismen und Heilungen gehören ebenfalls in diesen Schöpfungshorizont. Die vermehrbaren Exempel machen endlich nochmals deutlich, wie umfassend Jesu Enderwartung mit dem Blick auf den Schöpfergott und auf die Menschheit bestimmt ist, wobei dieser Schöpfer nicht als unnahbare Majestät, sondern als fürsorglicher Vater gezeichnet ist. Kehren wir nochmals zum Gerichtsverständnis des Johannes zurück! Denn es ist noch die Frage zu beantworten, ob Jesus von ihm die Erwartung eines von Gott autorisierten Mandatsträgers für die Ausführung des Gerichts übernommen hat. Damit stehen wir vor einem recht kontrovers diskutierten Problem aus der Überlieferung der Synoptiker. Es umfassend aufzuarbeiten ist hier nicht möglich. Wir gehen von vier Rahmenbedingungen aus: Erstens hat vor Jesus, wie wir erörtert haben (Kapitel 2), Johannes, (wahrscheinlich) ohne die Bezeichnung »Men-
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schensohn« zu gebrauchen, von einem endzeitlichen Vollstrecker des göttlichen Gerichts unter mündlichem Einfluss von Dan 7 gesprochen, wobei der Täufer die Funktion des danielischen Menschensohnes innerhalb der Endereignisse selbstständig veränderte. In die frühchristliche Zeit, also nach Ostern, gehören mit Varianten der Menschensohntradition der aramäisch formulierte Gebetsruf »Marana tha« (1Kor 16,22: »Unser Herr, komm!«; vgl. Kapitel 5), das Endzeitkonzept des 1Thess (vgl. Kapitel 7) und endlich auch noch die Ausführungen in Q (Kapitel 6) und in Mk 13 (Kapitel 11), wieder aufgenommen durch Mt und Lk (Kapitele 12 und 13), in diesen Zusammenhang. Alle diese Belege sind Zeugen für Variationen der Vorstellung vom kommenden Menschensohn. Falls Jesus vom Menschensohn gesprochen hat, würden sich seine Äußerungen gut als ein Glied in diese Abfolge, die mit dem Täufer beginnt, einordnen lassen. Zweitens ist die synoptische Überlieferung vom Menschensohn, als Spruchgut Jesus zugeordnet, erstaunlich umfangreich, sodass es schon einer besonderen Erklärung bedürfte, warum die Stellen zu diesem Mandatsträger Gottes zur Durchführung des Endgerichts sich komplett erst einer nachösterlichen Arbeit an der Jesustradition verdanken sollten. Drittens lässt sich der Überlieferungsbestand in zwei Gruppen einteilen: in Überlieferungen, in denen Jesus und der Menschensohn identifiziert werden (Beispiel: Mk 8,31 parr), und in Traditionen, für die Jesus und der Menschensohn eindeutig unterschieden sind (Beispiel: Lk 12,8f par) bzw. keine Identifikation vollzogen ist, weil die Überlieferung im beschreibenden Stil noch Zukünftiges in Worte fasst, ohne die Gestalt des zukünftigen Menschensohnes mit einer gegenwärtigen Person gleichzusetzen (Beispiel: Lk 17,26–30 par). Es fällt nicht schwer, die erste Gruppe im Rahmen der allgemeinen nachösterlichen Christologisierung der Jesustradition in ihrer jetzigen Form dem historischen Jesus vorzuenthalten. Die anderen Belege wird man in einer Einzelfallprüfung teilweise Jesus zuweisen können. Viertens gibt es von Dan 7 bis über Mk hinaus für alle genannten Belegstellen mit dem Auftreten des endzeitlichen Menschensohns eine gleiche Figurenkonstellation (Gott,
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Menschensohn sowie die verlorenen und geretteten Menschen, des Öfteren noch Engel). Dieses personelle Szenario begegnet durchweg mit begrenzter inhaltlicher Variationsbreite bei den Sachaussagen (Kernbereich: Gericht auf Erden, Bestrafung der Sünder, Heilszeit der Gerechten). Dabei ist die Enderwartung in einer räumlichen Zwei-Stockwerke-Struktur vom oberen Himmel (Wohnort Gottes und Herkunft des Menschensohnes, gegebenenfalls auch der Engel) und von den Menschen bewohnter Erde (Ort des Gerichtsvorgangs, Feuergericht der Sünder, Heilsleben der Endzeitgemeinde) eingezeichnet. Der Menschensohn kommt vom Himmel auf die Erde und bleibt hier für immer bei der Heilsgemeinde (für den Täufer nicht direkt bezeugt, doch wohl erschließbar). Gott kommt allenfalls zum Strafgericht für eine kurze Zeit aus dem Himmel hervor (Dan 7,9f), falls nicht überhaupt und meistens dem Menschensohn auch das Gericht übergeben wird. Für diesen Fall verharrt Gott dauerhaft und für Menschen unsichtbar im Himmel. Ein Heilsziel, Gott zu schauen (so etwa die matthäische Formulierung in Mt 5,8 und Paulus in 1Kor 13,12), ist in diesem Konzept in der Zeit nach Dan eigentlich nicht vorgesehen, wohl aber die immerwährende Gemeinschaft der Erretteten mit dem Menschensohn (vgl. dazu etwa auch Mk 13,27; 1Thess 4,17). Nach diesem Anmarschweg können wir uns konkret Beispiele aus der Evangelientradition vornehmen, die Jesus zugesprochen werden können, weil bei ihnen Jesus und der Menschensohn als getrennte Personen auftreten. Wir wählen die beiden Stücke aus, die eben schon unter der dritten Rahmenbedingung genannt wurden. In Lk 17,26–30 par greift die gut strukturierte Einheit zwei Fälle aus dem Erzählfaden der Genesis heraus, ein Beispiel aus der vor Abraham liegenden Weltgeschichte und eines aus der frühen Geschichte Israels, die beide besonders harte, ja radikale Gerichtsmaßnahmen, vergleichbar mit dem jetzt anstehenden Endgericht schildern. Die Kenntnis beider Geschehen fußt bei Jesus auf mündlichem Wissen aus Gen 6f; 18f, wobei Jesus die Sorglosigkeit betont, mit der die Zeitgenossen Noahs und Lots ihr gewohntes Alltagsleben unbeschwert gestalteten. An ein anstehendes Gottesgericht dachte damals, so in-
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terpretiert Jesus die Erzählungen der Genesis, niemand der Zeitgenossen von Noah und Lot. Doch dann kam plötzlich die große Flut, und im zweiten Fall regnete es ohne Ankündigung Feuer und Schwefel vom Himmel – ganz unerwartet. Ebenso wird es am jetzt anstehenden Gerichtstag des Menschensohnes sein. Vom Menschensohn ist dabei so geredet, dass seine Gestalt und Aufgabe als Allgemeinwissen bekannt vorausgesetzt sind, wobei kein Zuhörer auf die Idee kommen konnte, Jesus würde sich versteckt mit dieser Person identifizieren wollen. Denn Jesus ist der Ankündiger dieser Botschaft, lebt in der Jetztzeit der Sorglosigkeit der Menschheit, während der Menschensohn in die bedrohlich nahe Zeit des Gerichtsvollzuges gehört. Beide Beispiele folgen auch darin Gen 6f; 18f ganz korrekt, wenn sie das proportionale Verhältnis der Geretteten zu den Verlorenen extrem unterschieden ausweisen. In analoger Situation, so will Jesus sagen, leben jetzt seine Zeitgenossen: Allzu viele werden leider doch umkommen. Mit Hilfe von Lk 17,26–30 par lässt sich noch ein weiterer Blick auf Jesu Geschichtsbild werfen. Zu ihm gehört nicht nur, wie oben schon besprochen, die durch die ankommende Gottesherrschaft gesetzte Zäsur zwischen seiner Gegenwart und der Vergangenheit, sondern auch Jesu besondere Einstellung zur Zukunft, an deren Ende die endgültige Vollendung stehen wird. Dass die Zukunft sehr bald diese Vollendung der Gottesherrschaft bringen wird, ist ihm zweifelsfrei gewiss (Mk 4,26–32 parr), ebenso, dass bei ihrer Durchsetzung am Schluss sich das Gericht über die abseits der Gottesherrschaft stehende Menschheit ereignen wird, und zwar, wie Lk 17,26– 30 belehrt, mit unerwarteter Plötzlichkeit. Das heißt: Jesus kennt keine Spekulation über den Zeitpunkt des Gerichts noch über mögliche Geschichtsereignisse, die ihm vorausgehen müssten. Hier werden in der frühen Christenheit unter Einfluss frühjüdischer Apokalyptik bald Wege begangen (vgl. beispielsweise die Kapitel 11 und 15), die Jesu Geschichtsauffassung ganz vergessen haben. Offen ist auch noch die Frage, wer angesichts der Aussagen in Lk 17,26–30 par aus der Zeit Jesu im nahen Gerichtsvollzug zu den Geretteten zählen könnte? Dazu äußert sich Lk 12,8f:
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»Amen, ich sage euch: Jeder, der sich zu mir vor den Menschen bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen. Wer jedoch mich vor den Menschen verleugnet, der wird auch vor den Engeln Gottes verleugnet werden.«
Der Täufer hatte gesagt: Gerettet werden kann von seinen Zuhörern, wer sich jetzt von ihm taufen lässt. Jesus sagt: Gerettet wird, wer im Sinne seiner Botschaft öffentlich lebt, also ein Lebensverständnis praktiziert, das dem Gottesbild, wie Jesus es entfaltet, zustimmt, es verinnerlicht und in seinem Lebenswandel regieren lässt. Für solche zeitgenössischen Nachfolger (beiderlei Geschlechts) wird sich der Menschensohn als Weltenrichter (vgl. Lk 11,31f par) im nahenden Gericht vor den Engeln Gottes einsetzen, damit sie gerettet werden. Seit Dan 7 sind Engelscharen sehr oft beim Erscheinen des Menschensohnes dabei. In Dan 7 gehören sie zum Hofstaat Gottes, helfen bei der Gerichtsdurchführung (Dan 7,10f) und leiten den Menschensohn vor den Thron Gottes (Dan 7,13). In Mk 13,27 sammeln sie im Auftrag des Menschensohnes die Erwählten. In 1Thess 3,13 gehören die »Heiligen« (= Engel) zum Gefolge des Herrn bei seiner Parusie. Nach Joh 1,51 steht der johanneische Menschensohn im Dauerkontakt mit dem Himmel durch die Engel Gottes (vgl. Kapitel 14; auch Gen 28,12). Diese Beispiele sind leicht vermehrbar. Mag sein, dass in Lk 12,8f die Engel nur tatenlose Zeugen sein sollen. Möglich ist auch, dass sie die Urteile des Menschensohnes ausführen werden, also die Verurteilten zur Feuergrube und die Angenommenen zum Tisch des Heilsmahles führen. Jesus selbst artikulierte übrigens anlässlich seines letzten Mahles, also kurz vor seinem Märtyrertod, die Hoffnung, am endgültigen Heilsmahl teilzunehmen und als Ausdruck dieser von Gott geschenkten Vollendung und Freude unter anderem Wein zu trinken (Mk 14,25 parr; vgl. Jes 25,6). Im Hintergrund wird die im Judentum und frühen Christentum bekannte Vorstellung stehen, nach der Märtyrer nach ihrem Tod unmittelbar zu Gott entrückt werden (vgl. nur äthHen 90,31f; Phil 1,21–23). Von dort will Jesus dann, wenn es soweit ist, zum Heilsmahl hinzustoßen. Auch bei Jesus konzentriert sich wie schon beim Täufer die Perspektive der Kommunikation auf die unmittelbare
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Gegenwart und die einzelnen Zuhörer. Denn Jesu Zeitgenossen werden nach der Auffassung Jesu den Tag des Menschensohnes erleben, steht dies Ereignis doch unmittelbar vor der Tür. Sie auf dieses Ereignis vorzubereiten, ist absolut vordringlich. Darum ist das Thema Auferstehung bei ihm überhaupt nicht behandelt, ja die Stichworte »Auferstehung« (Gestorbener) oder »Verwandlung« (Lebender in den gleichen Zustand der Auferstandenen) finden sich bei ihm ebensowenig wie inhaltliche Angaben zu beiden Stichworten. Der einzige Beleg, der dazu herangezogen werden könnte, ist das Streitgespräch Jesu mit den Sadduzäern in Mk 12,18–27 parr. Doch diese Perikope entbehrt nicht nur jedes Bezugs zur Verkündigung Jesu, sondern unterstellt auch den Sadduzäern, sie seien nicht gescheit genug, über das Thema Auferstehung nachzudenken. Dass die Sadduzäer keine Auferstehungshoffnung vertraten, ist zwar im Ansatz richtig. Aber sie würden nie so »irdisch«, wie in Mk 12,19–23 vorausgesetzt, argumentiert haben. Sie werden sich vielmehr (mit Recht) darauf berufen haben, dass die einzige von ihnen anerkannte Autorität, nämlich die Tora, keine Auferstehungshoffnung enthält, und darum ihr Standpunkt ehrwürdig und altgläubig ist und deswegen auch von nicht wenigen Gruppen im Frühjudentum geteilt wurde. Denn erst etwa seit 200 v.Chr. lassen sich frühjüdische Stimmen hören, die, zunächst noch vorsichtig, das Thema Auferstehung bearbeiten. Ohne eine Artikulation der Auferstehungshoffnung bleiben jedoch weiterhin Koh, Sir, Arist, Tob, die Zehn-Wochen-Apokalypse (äthHen 93,3– 10; 91,12–17), AssMos, 3Makk, der jüdische Grundstock in Mk 13 (vgl. Kapitel 11), das essenische Schrifttum im engeren Sinn, die Sadduzäer und last not least auch die Samaritaner. Kommen wir also zu Jesu Verkündigung zurück und halten fest: Er konzentriert seine Gerichtsandrohung allein auf die im jetzigen Alltag lebenden Menschen (Lk 16,1–8a; 17,34– 37 par) und redet beispielsweise in den Sprüchen vom »Eingehen in die Gottesherrschaft« (Mk 9,43–47; 10,15.25) nicht von einem Zugang über Tod und Auferstehung, sondern von einem unmittelbaren Eingehen der jetzt Lebenden
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in die Gottesherrschaft. Allerdings versteckt und indirekt kommt das Thema Auferstehung dann doch vor: Die längst verstorbene Königin des Südens und die nicht mehr lebenden Niniviten (Lk 11,31f par) können im Endgericht nur auftreten, wenn Gott sie vorher auferweckt hat oder schon gleich nach ihrem Tod zu sich nahm. Auch die Erzväter und Propheten bedürfen desselben göttlichen Handelns, wenn sie zur endzeitlichen Heilsgemeinde gehören sollen (Lk 13,28). Sollen diese Beispiele indizieren, dass Gott nur die frommen Menschen aus Israel und den Völkern am Ende der Geschichte auferwecken wird? Das ist sehr gut möglich und würde sich mit der wahrscheinlichen Auffassung des Täufers decken (Kapitel 2). Ein Hinweis kann diese Option noch bekräftigen: Die unmittelbare Erhöhung nach dem Tod in den himmlischen Bereich Gottes ist in der jüdischen Literatur bei Nicht-Israeliten wie der Königin des Südens (Henoch wurde vor seinem Tod entrückt!) und schon gar nicht für große Gruppen wie den Niniviten belegt. Doch abermals ist zu betonen: Diese ausnahmsweise und nur im stillen Hintergrund anwesende Auferstehungsthematik ist bei Jesus nirgends ausgebaut. Endlich noch zwei Erwägungen: Selbst wenn Jesus das Thema Auferweckung in Übereinstimmung mit dem Täufer nicht explizierte, kann man überlegen: Da schon in der Gegenwart die Gottesherrschaft auf die Gesundheit der Menschen aus ist (vgl. Lk 11,20 usw.), kann man erwarten, dass auch beim endzeitlichen Heilsmahl die Gesundheit aller Teilnehmer von Gott gewährleistet sein wird. Zur Lebenslänge der Geretteten hat sich Jesus noch nicht einmal indirekt geäußert. Diese soll man wohl der Sorge des Schöpfers anheimstellen, der seine Geschöpfe liebt und fähig ist (Mk 10,27 parr), ihr Leben zu erhalten, solange er will (vgl. Jes 65,19f). Im Übrigen gab es damals keine Hinterfragung hoher Lebensdaten wie z.B. in Gen 5, wo mehrfach Lebenslängen von über 900 Jahren angegeben sind. Im Kontrast dazu gilt für die Menschen, dass sie ihre Lebenszeit nicht verlängern können (Mt 6,28 parr). Oder darf man an Jes 25,8 erinnern, wo nach der Schilderung des Heilsmahles ausdrücklich davon die Rede ist, dass Gott sogar »den
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Tod für immer vernichten wird«? Doch bleibt ungewiss, ob Jesus diesen Zusammenhang zwischen Heilsmahl und Vernichtung des Todes bibelkundlich kannte. Jedenfalls deutet die göttliche Gewährung von Nahrung und Gesundheit auf verheißungsvoll viel Lebenszeit. Zum anderen: Das für Jesus so dominante Stichwort »Gottesherrschaft« nutzt er nicht dafür aus, wie es in Dan 7,9f geschieht, Gott als Subjekt der Gottesherrschaft visionär zu beschreiben. »Gottesherrschaft« ist gleichsam ein Beziehungswort, das das unsichtbare, aber grundlegende Wirken Gottes in seiner Schöpfung in den Blick nimmt. Gott selbst bleibt wie beim Täufer immer in der Verborgenheit des Himmels, selbst beim Heilsmahl, dessen Voraussetzungen auf Erden er als Schöpfer aller Dinge für alle Geretteten aus Israel und den Völkern selbstredend herstellen wird. Wie er jetzt als Schöpfer in unsichtbarer Weise allen Menschen täglich Nahrung verschafft (Mt 6,25ff par), so wird er auch in der Heilszeit ganz selbstverständlich vom Himmel aus, ohne dafür zu erscheinen, für das auf Erden stattfindende Heilsmahl alles arrangieren (vgl. nur Jes 25,6, auch äthHen 62,13–16; Offb 19,9). Das Heilsmahl findet also insofern unter den jetzt schon vorhandenen Lebensbedingungen statt, nur eben in besonders festlicher und ausgedehnter Qualität (vgl. dazu auch Lk 15,22ff). Da Gott und seine Engel selbstredend keine Nahrung zu sich nehmen, würde ihre Anwesenheit beim Mahl wohl auch gar nicht gut passen. Fassen wir zusammen: Für Jesus ist offenbar die Botschaft des Täufers, wie er sie selbst gehört und verinnerlicht hatte, die Ausgangsbasis seiner Verkündigung. Wie er diese Gerichtsbotschaft samt der Taufe umgestaltete, haben wir uns verdeutlicht. Dabei zeigte sich auch, dass Jesus, durch mündliche Kultur belehrt, durchaus immer wieder biblische Traditionen aktivieren konnte. Ob er allerdings wusste, dass Dan 7 im Hintergrund stand, wenn er vom Menschensohn sprach, ist nicht mehr erkennbar. Seine Aussagen zu dieser himmlischen Person lassen sich jedoch durchaus problemlos und vollständig als Variation der Botschaft des Täufers begreifen.
4 Die Ostererfahrung und ihre frühesten Folgen
Nach dem Märtyrertod des Täufers (Mk 6,27–29) hatten einige seiner Jünger überraschenderweise nicht das Weite gesucht, wie es in analogen Fällen meistens geschah, sondern die Verkündigung und Taufe ihres Meisters fortgesetzt (Apg 19,1–7). Sie taten es offenbar aus eigenem Entschluss und ohne des Täufers Botschaft in ihren Grundzügen zu verändern. Denn die Gerichtsbotschaft des Johannes hatte für sie sachlich weiterhin Gültigkeit, wie man doch wohl recht zuversichtlich aus ihrer Tauftätigkeit erschließen kann. Nach Jesu Tod verliefen die Ereignisse jedoch für die Jünger und sonstigen Anhänger Jesu überraschend und extrem anders: Petrus, der Kreis der Jünger, eine größere Gruppe von Anhängern Jesu und Jesu Bruder Jakobus hatten (zum Teil mehrfach) in einem begrenzten Zeitrahmen visionäre Erfahrungen, die sie als Bekundungen des auferstandenen Jesus interpretierten. Davon zeugt eine alte (wohl gewachsene) Tradition, die dank Paulus in 1Kor 15,3–7 nachzulesen ist. Da Paulus seine eigene Berufung (1Kor 15,8–10) dieser ihm vorgegebenen Tradition (vgl. 1Kor 15,3) mit der Aufzählung der genannten Erscheinungen anfügte, darf man schließen, dass er sie der Art nach wie seine eigene Erfahrung einschätzte, nämlich als geistlich-visionäre Erfahrungen des auferstandenen Jesus (vgl. 1Kor 9,1; Gal 1,15f; 2Kor 12,2–5; auch Phil 3,7–10). Dieser Schluss ist auch darum valide, weil Paulus ausdrücklich seine Leser darauf hinweist, dass die Mehrzahl der Osterzeugen gegenwärtig noch befragt werden könne (1Kor 15,7). Hinzugefügt sei: Das lukanische Verständnis der paulinischen Berufung (Apg 9,1ff; 22,3ff; 26,9ff) sollte man für diese Frage zur Art der Ostererfahrung besser nicht heranziehen, da es von der Typik aus 2Makk 3; 3Makk 1f; 4Makk 4 nicht unwesentlich, sondern
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massiv beeinflusst ist. Auch alle narrativen am Osterthema ausgerichteten Abschlüsse der vier Evangelien wird man als Verbalisierung einer späteren Vorstellungsweise der Ostererfahrung einzuschätzen haben. Sind sie doch alle von Autoren konzipiert worden, die selbst keine Osterzeugen mehr gewesen sein konnten und die auch keine Osterzeugen mehr befragen konnten. Wir wollen jedoch dieses Thema jetzt nicht in extenso behandeln, sondern nur gezielt nach theologischen Folgen und allgemeinen Veränderungen suchen, die sich damals bei der Aufarbeitung der Ostererfahrungen einstellten. Bevor wir uns die spezielle theologische Seite der Folgen vornehmen, werfen wir einen (zugegebenermaßen) kurzen Blick auf einige Veränderungen, die die institutionelle, geographische und personelle Basis für die theologischen Folgen der österlichen Erfahrung abgaben. Der Wanderprophet Jesus und sein vorösterlicher Jüngerkreis zogen von Ort zu Ort schwerpunktmäßig im überschaubaren ländlichen Galiläa. Gründungen von Ortsgemeinden fanden dabei nicht statt. Jesus suchte keine Institutionalisierung seiner Botschaft von der sich durchsetzenden Gottesherrschaft, sondern überließ es dem Einzelnen, sein Leben im Sinne der Gottesherrschaft zu gestalten. Auch gab es für Jesus keinen mittelfristigen Reiseplan, schon gar nicht einen, den die Bewohner der Dörfer kannten. Denn sie erhielten in der Regel von Jesus und seinen Jüngern unerwarteten Besuch, der aus Jesu Predigt, möglicherweise aus einer Heilung und aus gemeinsamen Mahlzeiten bestand. Übernachtet wurde in der Regel im Freien wie beim Täufer und seinem Kreis. Bald zog Jesus mit seinen Jüngern dann aufgrund eigenen Entschlusses weiter. Und das verlassene Dorf setzte sein Eigenleben fort, bereichert um eine neue Erfahrung, über die man wohl noch lange sprach. Man hoffte auch nicht selten, Jesus würde noch einmal wieder vorbei kommen. Diese Hoffnung wurde des Öfteren erfüllt. Das alles änderte sich unmittelbar mit der Ostererfahrung, und zwar grundlegend. Durch sie wurde nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit gleich in Jerusalem, dem am besten kalkulierbaren Ort für die frühesten Ostererfahrungen, eine
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4 Die Ostererfahrung und ihre frühesten Folgen
neue feste Lebensgemeinschaft zunächst aller Christen, die damals in Jerusalem und Umgebung lebten, ins Dasein gerufen (idealisierend: Apg 2,42–47; 4,32–37). Sie wurde sehr früh »Kirche« (Ekklesia) genannt und war konstitutiv von dem je persönlichen Glauben der einzelnen Christen an den Auferstandenen geprägt (1Thess 1,6–10; Röm 1,8; Gal 1,23; typisiert Apg 2; 24,24). So verkündigten die Missionare alsbald »den Glauben« (Gal 1,23), d.h. das »Evangelium«, das zum Glauben führte (1Thess 1,8; 3,7; 5,8; Mk 1,15b), weil es durch die innere Kraft des heiligen Geistes die Hörer neu konstituierte (1Thess 1,2–10; Röm 8,1–16; Apg 10,44–48; 15,7–11). Das führte zu einem christlichen Leben, das durch Glaube, Liebe und Hoffnung geprägt war (1Thess 1,3; 1Kor 13,13), und zu einzelnen Gemeinden, die sonntäglich zum Gottesdienst in Privathäusern zusammenkamen (vgl. Apg 2,42; 20,7; 1Kor 16,2; Offb 1,10). Man praktizierte Taufe und Herrenmahl als neue kirchliche Handlungen und lebte ein Gemeinschaftsverständnis aus, wie es die Umwelt so nicht kannte (vgl. vor allem das Liebesgebot Jesu aus Mt 5,44f par, pointiert als Gebot, die Feinde zu lieben, und speziell noch für die paulinischen Gemeinden 1Thess 4,3–12; Gal 3,26–28; 2Kor 9f). Neu ist auch, dass die Ausbreitung dieses Christentums den geographischen Horizont des Wirkens Jesu ganz erstaunlich schnell überschritt. Der ehemalige Kreis des Jünger, die sog. Hellenisten, Barnabas, Paulus und andere Missionare (Beispiele: 1Kor 9,5f; die paulinischen Gegner im 2Kor und Gal usw.) sorgten alsbald dafür, dass in einer ersten Etappe vor allem in Syrien und Kleinasien, dann auch in Europa nicht nur, jedoch mehrheitlich städtische Gemeinden entstanden. Die nicht ganz kleine Zahl der (teilweise uns unbekannten) mobilen Mission fand dabei in den christlichen Häusern Unterkunft (Apg 18,1–3; 21,4.17; Röm 16,23; 1Kor 16,5–9; Did 12,1f usw.). In eng bebauten antiken Städten kann man schlecht im Freien schlafen. Die Gemeinden selbst pflegten, insbesondere bei geographischer Nähe (Beispiele: Jerusalem und Antiochia je samt Umgebung), doch nicht nur in solchen Fällen untereinander ungeregelte Gemeinschaft (Beispiel: 1Clem 65,1). Dabei galt durchweg: Für ihr christliches
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Gemeindeleben in Glauben, Gottesdienstgestaltung und Alltag waren die Gemeinden selbstverständlich ganz allein für sich selbst verantwortlich (1Thess 4,9; 5,21f). So differenzierte sich im Unterschied zur vorösterlichen Zeit, in der der Täufer und Jesus allein und persönlich für ihre Lehre geradestanden, aufgrund der Lebendigkeit und Selbständigkeit der Gemeinden (vgl. nur 1Kor 14) eine gewisse Vielfalt in der christlichen Einheit heraus. Feste Ämter in den Ortsgemeinden oder gar übergemeindliche Ämter oder Synoden (Apg 15 und Gal 2,1–10 schildern eine einvernehmlich arrangierte Ad-hoc-Versammlung), die hier eventuell gegensteuern konnten, gab es noch gar nicht. Sie wurden auch noch nicht vermisst. In diesem Terrain entfalteten sich die theologischen Folgen der Ostererfahrung. Dazu wollen wir nun die großen theologischen Linien beleuchten und das uns Wesentliche hervorheben. Erstens: Initiiert durch die Ostererfahrung wurden alsbald neue Akzente beim Gottesverständnis gesetzt. Seit Ostern prädizierten die Gemeinden nämlich nun Gott als den, »der Jesus von den Toten auferweckt hat« (Röm 4,24; 8,11; 2Kor 4,14; Gal 1,1 usw.). Diese Prädikation Gottes im Partizipialstil, der im Deutschen nur als Relativsatz wieder gegeben werden kann, lässt nicht von ungefähr an Israels grundlegende und stilistisch deckungsgleiche Prädikation seines Gottes denken, nach der Gott Israel aus Ägypten geführt hatte (vgl. nur Ex 6,7; Lev 19,36; Num 15,41; Ps 81,11 usw.). Wie Israel damit eines seiner maßgeblichen Ursprungsgeschehen ausformulierte, das dauerhaft für sein Selbstverständnis festgehalten sein wollte, so definierte nun die frühe nachösterliche Gemeinde ganz analog konstitutiv für ihr Selbstverständnis, wie sie sich nach Jesu Tod diese neue Erfahrung aneignete, nämlich als neuen Akt des mit Jesu irdischem Wirken einsetzenden endzeitlichen Ursprungsgeschehen göttlicher Heilszuwendung. Also war die Zeit der sich durchsetzenden endzeitlichen Gottesherrschaft nicht mit Jesu Tod abgebrochen, nein: Sie hatte im Gegenteil einen neuen und wesentlichen Akzent hinzubekommen. Indem sich Gott als Retter des gekreuzigten Jesus erwies, bekundete er nämlich für die Osterzeugen und die
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nachösterlichen Gemeinden insgesamt, dass er weiterhin, wie Jesus es verkündigt hatte, der Gott sein wollte, der Verlorenes – nun auch Jesus – aus dem Tode rettet, ja trotz Jesu Tod dieses Ziel der Vollendung keineswegs aus den Augen verloren hat. Damit war klar: Mit dieser Auffassung blieb die Naherwartung und die Vollendung der Gottesherrschaft in Kontinuität zu Jesu Wirken vorerst hoch aktuell. Darum blieb überhaupt die Verkündigung Jesu, ausformuliert von ihm in vielen Einzeltraditionen, als lebendige Überlieferung erhalten und führte später zur Literarisierung zunächst in Gestalt der Logienquelle (Kapitel 6), doch dann auch der Evangelien (Kapitel 11–13). Zwei weitere Bestimmungen Gottes lassen sich unmittelbar dazustellen. Der Glaube an Gott, der Jesus von den Toten aufgeweckt hat, schuf über diese grundlegende, auf Christus als Einzelperson zielende Bekenntnisaussage hinaus eine langsam sich durchsetzende und nicht mehr aufgebbare Überzeugung: Gott ist überhaupt derjenige, »der Tote lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft« (Röm 4,17; 2Kor 1,9; vgl. auch 1Kor 15,12–15). Zugegeben, in der Zeit hochgespannter Naherwartung war das Thema Auferstehung der Toten nicht sofort ein aktuelles Basisthema der Gemeinden. Denn man hoffte ja noch, zu Lebzeiten die endgültig aufgerichtete Gottesherrschaft zu erleben. Doch schon in 1Kor 15 arbeitet dann Paulus, und das gleich intensiv, an dieser Thematik (vgl. Kapitel 8). So ließ es der Gottesglaube des frühen Christentums wegen Gottes österlicher Tat an Christus bald nicht mehr zu, dass ein Christ auch Gott verehren konnte, ohne damit eine Hoffnung auf Auferstehung zu verknüpfen (vgl. 1Kor 15,12–19; Röm 10,8–13), was im gleichzeitigen Judentum für einen Juden durchaus problemlos möglich gewesen wäre (vgl. Kapitel 3). Weiter ist auch die Bezeichnung Gottes als »Vater Jesu Christi« (Röm 15,6; 2Kor 1,3; 11,31) eine Folge dieses von Ostern geprägten Gottesbildes. Gott hat sich Ostern in exzeptioneller Weise des verlorenen Jesus angenommen, wodurch erkennbar wurde, wie Gott gerade auch Herr des Todes ist (vgl. 1Kor 15,50–57). Ebenso findet Jesu Betonung des Schöpfergedankens in seinem Verständnis der Gottesherrschaft eine nachösterliche
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Variante etwa in der Glaubensformel, die Paulus 1Kor 8,6 zitiert: »Einer ist Gott, der Vater, aus dem alles ist und wir auf ihn hin. Und einer ist Herr: Jesus Christus, durch den alles ist und (auch) wir durch ihn.« Überhaupt: Jesu Zurückstellung der Bundestheologie zugunsten des Schöpfungsgedankens und des darauf aufbauenden neuen Gesetzesverständnisses werden geholfen haben, dass erstaunlich schnell wie etwa durch die Hellenisten Gemeinden auch außerhalb des »gelobten Landes« gegründet wurden. Auch dass Gemeinden wie Antiochia bald gänzlich auf Gesetzesobservanz verzichteten oder gleich durch gesetzesfreie Mission z.B. in der Person des Paulus, aber auch durch andere Missionare wie etwa Barnabas neu gegründet wurden. Jedenfalls zeigen die paulinischen Begründungen in Röm 14,14.20; 1Kor 10,30f, wie das jüdische Ritualgesetz christlich aufgekündigt wurde, weil es dem Gedanken der von Gott kommenden guten Schöpfung widersprach. Damit war der Weg frei, dass jüdische und pagane Christen volle Gemeinschaft pflegen konnten, wie es sich für eine christliche Gemeinschaft unter dem Schöpfergott gehörte (Gal 3,26–28). Zweitens: Die Ostererfahrung hatte natürlich auch tiefgreifende Konsequenzen für die Qualifizierung der Person des Auferstandenen. Sie führte dazu, dass ein dynamischer und vielschichtiger Prozess der Christologisierung der Person Jesu begann. Die Ausarbeitung seiner soteriologischen Funktion kommt als damit eng verwobener Aussagebereich hinzu. Es sollte nicht verwundern, dass man in diesem Bereich die dynamischsten und umfassendsten Bemühungen der frühen Gemeinden beobachten kann. Diese Entwicklung war auch zunächst eindeutig vorrangig gegenüber der Frage, welche Folgen die Ostererfahrung für die allgemeine Auferstehungshoffnung besaß. Denn zunächst glaubten die Christen ja, vor der nahen Wiederkunft ihres Herrn nicht zu sterben (vgl. Kapitel 7). Bei der christologischen Entfaltung bildeten sich schon in der ersten frühchristlichen Generation zwei Basisentscheide heraus: Einmal christologisierte man die mündlich weitergegebene Jesustradition, was im Endeffekt zur Entstehung der Logienquelle und der Evangelien führte. Daneben entstand ein eigenständiger
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weiterer Strang der Christologie, der als Basis die Heilsbedeutung von Tod und Auferstehung Jesu wählte. Das war der Weg, der literarisch als erstes von den Paulusbriefen dokumentiert wird. Beide Entwicklungslinien verlaufen nicht ohne gegenseitige Beeinflussung, jedoch auch mit erkennbaren Signalen der Selbständigkeit (vgl. Kapitel 5). Diesen Schwerpunkt als geschichtlichen Prozess nachzuzeichnen, gelingt allerdings leider nur noch begrenzt und lückenhaft, da die mündliche Kultur der Gemeinden und ihre möglicherweise einst vorhandenen Entwicklungen gar nicht mehr oder im besten Fall nur noch durch hypothetische Rückschlüsse aufgedeckt werden können. Dank Paulus und der Apg des Lukas sind wir eigentlich für die erste urchristliche Generation nur über die antiochenische Gemeinde und über die Gemeinden, mit denen Paulus korrespondierte, etwas besser, allerdings immer noch nur begrenzt, informiert. Vorsichtige Skizzen mag man z.B. auch noch für die Jerusalemer Gemeinde(n) und für die Mission der Hellenisten erstellen können. Doch werden wir uns jetzt nicht auf eine Panoramafahrt zu diesem schwierigen, wenn auch wichtigen Arbeitsfeld begeben, sondern halten hier nur thetisch ein zu erwartendes Ergebnis fest: Nichts weniger als praktisch so gut wie alle späteren frühchristlichen Themen der Christologie und Soteriologie leuchten in der ersten Generation des Urchristentums bereits zumindest ansatzweise auf. Drittens hat die Ostererfahrung eine Zwillingsschwester in Gestalt der Geistbegabung zunächst der Osterzeugen selbst, bei denen Geisterfahrung und österliche Visionen zusammenfielen, und dann der Gemeinden überhaupt. Aus der Zeit vor Ostern gibt es jedenfalls keine Zeugnisse dafür, dass der Kreis der Jünger geistbegabt war. Das vierte Evangelium schließt das explizit aus (Joh 7,39; 20,2 usw.). Apg 1–2 unterstützt auf selbständige Weise diese johanneische Auffassung nachdrücklich, denn die Jünger müssen nach Ostern erst warten, bis ihnen die Geistgabe zuteilwird (Apg 1,5). Auch die speziellen Angaben zu Jesu Wirken in Galiläa und Jerusalem mit den ihn selbst kennzeichnenden Geistaussagen (vgl. Mt 12,28; Mk 1,10 parr; Joh 1,32–34)
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sind als nachträgliche Rückqualifizierungen anzusehen, also als geistliche Christologisierung des vorösterlichen Jesus: Jesus wurde so zu seinen Lebzeiten als der einzige Geistträger hervorgehoben mitten im Jüngerkreis, in der Anhängerschaft und unter den sonstigen Zuhörern. Man kann diese Belege im Einzelnen durchdiskutieren, doch mag hier nur ein Fall erörtert werden. In Mt 12,28 lässt der Evangelist Jesus Dämonen »mit dem Geist Gottes« austreiben. In der Parallele Lk 11,20 geschieht das »mit dem Finger Gottes«. Das ist innerhalb der evangelischen Überlieferung origineller und konkreter, darum recht sicher die älteste Fassung. Wer sich bei der Diskussion um die Art der Ostererfahrung an Paulus hält, dem einzigen Autor, der in Selbstzeugnissen von seiner Ostererfahrung spricht, wird die Annahme, dass Ostern (Auferstehung) und Pfingsten (Geist) zwei Seiten ein und derselben neuen Erfahrung waren, nur zustimmen können (vgl. 1Kor 2,12; 12,3). Phänomenologisch ist schnell zusammengetragen, wie sich im Kontrast zur Jesuszeit jetzt in nachösterlicher Zeit Geistaussagen häufen. Mag auch hier Einiges spätere Interpretation sein, wo Paulus, die Apostelgeschichte und vielleicht auch noch das johanneische Schrifttum gemeinsam gehen, wird man auf Typik für die frühe Christenheit dann schließen können, wenn es sich dabei um Aussagen handelt, die nicht nur einmal und analogielos auftreten. So gelten etwa Missionare in der Regel als Geistträger (Apg 4,8; 6,5; 8,29; 13,9; 1Kor 7,40 usw.). Durch ihre Verkündigung wirkt der Geist, sodass Hörer dadurch zum Glauben kommen und selbst geistbegabt werden (Apg 10,44–47; 1Thess 1,4–7). Natürlich sind die Gemeinden, die sich so bilden, überhaupt geistdurchwirkt (Joh 14,19f; Röm 5,5; 8,4–6.9; 1Kor 14; 1Thess 1,5; 4,8; 5,19f), bilden den Tempel des heiligen Geistes (1Kor 3,16f). Dabei gehörten zu dieser Geisterfahrung auch Phänomene wie die Prophetie (Apg 11,28f; 1Kor 14), Visionen (2Kor 12) und das Zungenreden (1Kor 14). Dieser Geist führt weiter immer tiefer in die Wahrheit des Christentums hinein (Joh 14,20–22.26; Apg 15,8; 1Kor 2,6–15; 1Thess 5,19f). Durch die Leitung des Geistes haben Apostel, Missionare und Gemeinden die Kompetenz zu ent-
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scheiden, wie man christlich zu leben hat (Joh 14,26; Apg 10,44–47; 15,8; 1Thess 4,7–10; Gal 5,16–26). Allerdings gibt es angesichts dieses grundsätzlichen Konsenses unter allen Gemeinden auch Unterschiede. Z. B. gehören zum Wirken des Geistes für viele Gemeinden Wundertaten (1Thess 1,5; Apg 5,12–16 usw.). Doch der johanneische Gemeindeverband blickt nur auf Jesus als besonders spektakulären Wundertäter zurück, wie die erzählten Wunder im Joh aufzeigen. Von den Jüngern und den nachösterlichen Gemeinden des johanneischen Kreises gibt es kein Zeugnis für Wunder. In Korinth schätzte man das Zungenreden extrem hoch ein (1Kor 14). Sonst war es in der Christenheit wohl nicht durchweg aktuell, denn Belege dafür sind vergleichsweise spärlich (z.B. Apg 10,46; 19,6; 1Kor 14,18). Auch ekstatische Phänomene und Visionen gehören wohl nur bei manchen Missionaren und Gemeinden zur eigenen Erfahrung (vgl. Apg 7,36; 13,2; 1Kor 14,18; 2Kor 12,1–5; Gal 2,2; Offb 1). So kann man vielleicht die Gesamtlage so zusammenfassen: Im Bereich der Kommunikation des verstehbaren Evangeliums und seiner geistlichen Qualifikation herrscht große Einmütigkeit. Bei den außergewöhnlichen Geistesgaben stehen wir allerdings vor einem differenzierteren Gesamtbild. Diese Geisterfahrung zeitigte übrigens auch zu unserem Hauptthema neue Aussagen wie z.B. die in Röm 8,11 (dazu Kapitel 10): »Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen aufgrund seines Geistes, der in euch wohnt«.
Der vierte Evangelist kann sachlich ähnlich formulieren (vgl. Joh 3,5; 6,63). Viertens: Was bedeutet die Ostererfahrung für das eschatologische Verständnis der nachösterlichen Gemeinden? Die Antwort auf diese Frage beginnt am besten mit der Feststellung, dass die Jünger natürlich Jesu Einschätzung seines Wirkens zugunsten der sich durchsetzenden Gottesherrschaft so kurz nach seinem Tod noch nicht vergessen hatten. Indem nun Gott sich durch sein auferweckendes Handeln an
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Jesus auch eindeutig zugunsten von Jesu zurückliegendem Wirken ausgesprochen hatte, war die österliche Erfahrung gewiss eine außergewöhnliche Bekräftigung für Jesu Wirken zugunsten der Gottesherrschaft. Gott zeigt, dass er weiterhin Verlorenes retten will und an der nahen Aufrichtung seiner endzeitlichen Herrschaft festhält. Ja, Gottes österliches Handeln ist ein weiteres endzeitliches Ursprungsgeschehen auf dem Weg zur Vollendung. Nimmt man hinzu, dass die Geistbegabung der Gemeinde in Apg 2,17–21 mit Joel 2,28–32 interpretiert wird, sodass die Geistbegabung als Gemeindegeschenk für die letzten Tage der Weltgeschichte zu deuten ist, dann wird sichtbar: Die eschatologische Auffassung Jesu von der Gottesherrschaft wird durch Jesu Auferweckung und durch die Geistbegabung der Gemeinde auf unerwartete Weise zugespitzt.
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Die älteste Gebetsbitte an den Auferstandenen, hochwahrscheinlich sogar die älteste christologische Qualifizierung dieser Person aufgrund der Ostererfahrung, liegt in 1Kor 16,22 und Did 10,6 in aramäischer Sprache vor und lautet: »Maranatha«. Warum zitieren zwei griechisch schreibende Autoren an Gemeinden, die griechisch inkulturiert waren, vom Kontext her unvorbereitet und ohne Übersetzung einen aramäischen Satz? Sicherlich, Paulus wird des Aramäischen kundig gewesen sein. Doch das war wahrscheinlich auch der Verfasser der Offb des Johannes, der dennoch in Offb 22,20 eine griechische Version dieses Gebets wählte, sei es, um besser verstanden zu werden, oder sei es, weil eben diese Übersetzung seinen Gemeinden (vgl. Offb 2–3) vertraut war. Wir fragen weiter, warum geschieht in 1Kor 16,22; Did 10,6 nicht dasselbe wie in Offb 22,20? Die Antwort lautet: Paulus und der Verfasser der Did setzen wie selbstverständlich voraus, dass der Satz und sein Verständnis ihren Gemeinden geläufig war, da er in ihren in griechischer Sprache abgehaltenen Gottesdiensten regelmäßig in aramäischer Form Verwendung fand. Damit gehört dieses Gebet zu den aramäischen Worten wie »Abba« (Röm 8,15; Gal 4,6) oder »Amen« (Röm 1,25; 1Kor 14,16; Offb 22,20), die die griechisch sprechenden Gemeinden von den judenchristlichen Gemeinden aus dem Umfeld Jerusalems übernommen haben. Dann gehört »Maranatha« wie die anderen Aramaismen in die ganz frühe Zeit der ersten judenchristlichen Gemeinden, die vor der Aufgabe standen, überhaupt erst gottesdienstliche Formelemente für einen christlichen Gottesdienst zu erstellen. Theoretisch lässt sich der aramäische Satz in zweifacher Weise übersetzen: Entweder: »Unser Herr, komm!« oder:
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»Unser Herr ist gekommen«. Meistens wird mit Recht die zweite Variante zurückgestellt. Die Anredeform passt viel besser in die gottesdienstliche Situation. Auch der Kontext in Offb 22,7.12.20 bekräftigt diesen Entscheid. Der 1Kor bietet noch ein Argument dazu: Das imperativische Verständnis korrespondiert nämlich nun sehr gut mit dem eschatologischen Wunsch für die Gemeinde am Briefanfang (1Kor 1,7f). Denn es entsteht nun ein vom Autor doch wohl geplanter literarischer Bogen. Darf man voraussetzen, dass die frühen Jerusalemer Gemeinden, schon wegen der Anwesenheit der Jünger Jesu unter ihnen das Vaterunser, das diese bei Jesus gelernt hatten und nun weitergaben, gottesdienstlich benutzten (Mt 6,9ff; Lk 11,2ff), dann konkretisiert das »Unser Herr, komm!« in nachösterlicher Zeit die zweite Bitte dieses Gebets (»Es komme deine Herrschaft«). Der Auferstandene wird zum personalen Inbegriff der göttlichen Herrschaft. Doch wie ist die Bitte zu deuten? Sie kann theoretisch Gott anreden wollen, der zur endzeitlichen Epiphanie kommen soll, und zwar, weil in der Form der Gebetsbitte gesprochen, mit positiven Folgen für die Gemeinde. Doch diese Interpretation ist ganz unwahrscheinlich, da es aus der Frühzeit des Christentums für ein »Kommen« Gottes zugunsten der Gemeinde keinen Beleg gibt. Auch beim Gerichtshandeln Gottes (Beispiel 1Thess 1,10) ist durchweg nicht von seinem Kommen gesprochen, sondern offenkundig gemeint, dass Gott das Gericht vom Himmel aus vollstreckt (so wohl auch Dan 7,9ff). Vom »Kommen« redet das frühe Christentum ausnahmslos nur, wenn es um die Parusie des Herrn geht (Beispiele: 1Thess 4,15f; Mk 13,26f). Von einem endzeitlichen Kommen Gottes auf die Erde ist dann überhaupt erst Offb 21,1ff geredet. Übrigens hatte auch Jesus dergleichen nicht im Sinn (Kapitel 3). Also wird das Gebet den auferstandenen Jesus im Blick haben. Diese Deutung harmonisiert auch ganz problemlos mit den frühen paulinischen Aussagen im 1Thess (Kapitel 7). Dann setzt diese Bitte den Osterglauben der ersten Christen voraus: Jesus ist Ostern auferweckt worden. Diese Tat Gottes an ihm war dabei nicht einfach nur »Belohnung« für sein irdisches Wirken
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5 Der Auferstandene als kommender Retter der Gemeinde
und Bekräftigung der großen und bleibenden Bedeutung seines irdischen Tuns, sondern war zugleich seine Erhöhung (vgl. innerhalb anderer christologischer Konzepte Röm 1,4; 1Kor 15,25–27; Phil 2,9). Das bedeutete, dass er damit eine weitere und spezielle Aufgabe von Gott zugewiesen bekam, nämlich die endzeitliche Rettung der Gemeinde vor dem allgemeinen Zornesgericht Gottes (vgl. 1Thess 1,10; 4,16f). Also zielt sein von der Gemeinde erwünschtes »Kommen« (vgl. 1Thess 4,16) auf sein Erscheinen aus dem Himmel auf die Erde, wo ja auch nach Jesu Verständnis das endzeitliche Heilsmahl mit ihm als dem Auferstandenen stattfinden sollte (Mk 14,25; Kapitel 3). Die Gemeinde erbittet sein Kommen und »synchronisiert« sich damit gleichsam mit dem himmlischen Geschehen der »Erhöhung«, denn sie möchte den Erhöhten so bald wie möglich wieder sehen (Naherwartung), ist doch das immerwährende Zusammensein mit ihm ihr Lebensziel (1Thess 4,15c). Je eher dieses Ziel erreicht wird, desto besser. Die Anrede des Kurzgebetes bedarf noch zweier Bemerkungen: Einmal wird es sich anfangs um eine respektvolle Anrede handeln, bei der »Herr« noch nicht als Hoheitstitel (Kyrios) Verwendung findet, sondern die Anrede der Jünger an den Irdischen fortsetzt (Mt 8,2.6.21; 17,15). Auch für den Auferstandenen kann sie in der Evangelientradition so gebraucht werden (Mt 25,37.44 usw.), wie sie ja auch als Anrede für Engel geläufig ist (Apg 10,4; Offb 7,14 usw.). Zum anderen ist es für jüdische Ohren unerträglich, zu einem anderen zu beten außer zu Gott selbst (1. Gebot!). Wenn die ersten Judenchristen neben den Abba-Gebeten zu Gott (Röm 8,15; Gal 4,6) dennoch so beteten, schufen sie Distanz zum Judentum und zogen zwangsläufig von dort her Ärger auf sich. Man kann dieses Bittgebet sachlich als Variation innerhalb der frühjüdischen und urchristlichen Überlieferung vom Menschensohn von Dan 7 (vgl. das »Kommen« des Menschensohnes in Dan 7,13) bis hin zu Jesus verstehen. So kann man jedenfalls diesen Schritt des jungen nachösterlichen Christentums recht gut nachvollziehen: War nicht schon seit Daniel der Menschensohn durchweg eine Himmelsgestalt,
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die im hoheitlichen Sinne göttliche Funktionen wahrnahm? Und wenn Jesus sehr bald sein Kommen wahrmacht, werden sie ihn nicht dann auch wie früher mit »Herr« anreden? Was spricht sonst noch für die Einordnung des Gebetes in die Tradition vom Menschensohn? Sicherlich das erwartete »Kommen« des Menschensohnes zur Gemeinde auf die Erde zur Rettung und Leitung derselben (Dan 7; 1Thess). Vor allem belehrt noch die synoptische Tradition, dass die Gemeinden sehr bald mündliche Einheiten, in denen zunächst zwischen Jesus und dem Menschensohn unterschieden wurde, recht konsequent identifikatorisch ausgestalteten, also Jesus und den Menschensohn als ein und dieselbe Person ansahen. Warum sollte der Gebetsruf dazu nicht sogar der Anfang gewesen sein? Allerdings wird man vorsichtig sein, eine direkte und beabsichtigte Bezugnahme auf Dan 7 dafür in Rechnung zu stellen. In der mündlichen Kultur dieses frühen Christentums liegt es viel näher, in diesem Fall auf ein neues Verständnis der Verkündigung Jesu zum Kommen des Menschensohnes zu setzen. Diese Verkündigung war in der Gemeinde in Gestalt mündlicher Tradition aufgrund der in ihr wirkenden Jünger Jesu bekannt. Dabei hat die Gemeinde nicht nur den Personalentscheid der Identifikation von Jesus und Menschensohn getätigt und damit die Tradition vom Menschensohn, wie Jesus sie verkündigte, umgeschrieben. Sie vollzog noch eine weitere Umdeutung: Jesus verstand im Gefolge des Täufers den Menschensohn als endzeitlichen Richter. Doch da ihr Jesus als Auferstandener dieser Menschensohn geworden war, wurde er nun selbstverständlich zu ihrem Retter (vgl. 1Thess 1,10). War er nicht schon als Irdischer innerhalb der sich durchsetzenden Gottesherrschaft sachlich ein Retter gewesen? Später im Verlauf der frühchristlichen Geschichte wird dann der Auferstandene durchaus auch wieder zusätzlich die Richterfunktion übernehmen (Beispiele: Q, Kapitel 6; Mt, Kapitel 12). Vielleicht besaß das Gebet Maranatha in der ganz frühen Zeit des Christentums sogar noch eine besondere Aktualität. Zu diesem Gebet gehört nämlich sachlich und zeitlich die Vision des ersten christlichen Märtyrers Stephanus (Apg 7,54–59). Zunächst gilt allerdings ganz allgemein:
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Mit Recht ist man zögerlich, in der lukanischen Visionserzählung über Stephanus allzu schnell Einzelheiten als gesicherte historische Überlieferung anzusehen. Denn schon ein Blick auf die analoge Situation der lukanischen Darstellung zur visionären Berufung des Paulus (Apg 9; 22; 26) belehrt sehr schnell, wie Lukas zur Ausgestaltung der Vision Konzeption und Motivik aus 2Makk 3; 3Makk 1f; 4Makk 4 in dominierender Weise entlehnt hat und auch mit den paulinischen Selbstaussagen dabei keineswegs im Einvernehmen steht. Und außerdem: Wurden nicht Märtyrerschicksale in der Antike gern ohne Rücksicht auf historische Fragen zur Erbauung der Leser intensiv ausgestaltet? Fraglich ist endlich noch, ob beim Tod des Stephanus christliche Zeugen zugegen waren. Die Anwesenheit des damals noch nicht christlichen Paulus dürfte jedenfalls von Lukas konstruiert sein (Apg 7,58). Paulus selbst erwähnt auch Stephanus nirgends. Weitere Beobachtungen zur historischen Problematik stellen wir jetzt einmal zurück. Denn es lässt sich nämlich auch eine Gegenrechnung aufmachen. Stephanus, so erzählt Lukas, blickte kurz vor seiner Steinigung, erfüllt vom heiligen Geist, zum Himmel auf und »sah die Herrlichkeit Gottes und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen« (Apg 7,56). Wo hat Lukas sonst in der Apg noch einmal vom Menschensohn gesprochen? Kann diese Beobachtung nicht Anlass sein zu fragen, ob Lk in Apg 7,54–60 nicht doch Tradition verarbeitet hat? Dafür spricht doch wohl auch die Zurückhaltung beim Schildern des Visionsinhaltes. Wer dem gerade vorgetragenen Verständnis zum Maranatha zustimmt, hat jedenfalls keine Schwierigkeiten, historisch dem Stephanus solche Vision zuzusprechen, wie sie Apg 7,55–58a (bei Annahme eines durch Lk weggebrochenen Anfangs) erzählt wird. Die Überlieferung dazu könnte in etwa so ausgesehen haben: »… Erfüllt vom heiligen Geist blickte Stephanus gen Himmel und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und sprach: Siehe, ich sehe den Himmel geöffnet und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen! Sie jedoch brüllten mit lauter Stimme, hielten sich die Ohren zu und stürzten sich gemeinsam auf ihn, stießen ihn aus der Stadt hinaus und steinigten ihn.«
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Selbstredend ist dabei dieser Menschensohn mit dem erhöhten Herrn wie im Maranatha identisch. Und gerade das empört die Juden. Denn die Stellung, die der vor kurzem verurteilte und gekreuzigte Jesus damit erhält, ist für sie eine eklatante Gotteslästerung, genau wie der Gebetsruf Maranatha, den die christliche Gemeinde regelmäßig in ihren Gottesdiensten betete. Was bei den Christen in ihren Gottesdiensten im privaten Kreis geschah, hörte man nun sogar ärgerlicherweise in aller Öffentlichkeit! Daraufhin erfolgt, erzählerisch ganz konsequent, die Steinigung. Wer die Szene so versteht, wird in dem von Stephanus geschauten stehenden Menschensohn den als Retter zur Gemeinde kommenden Herrn sehen, wie es der Gebetsruf der Gemeinde erhofft. Dann jedoch steht dieses Naherwartungssignal konträr zur lukanischen Ansicht einer schon deutlich gestreckten Zeit bis zum Ende (vgl. Kapitel 13). Also musste Lk umgestalten. Er liefert darum mit Apg 7,59f dem Leser seine Deutung nach, was dazu führte, dass er die Steinigung nun doppelt erzählt (Apg 7,58b.59a). Für ihn versteht jetzt Stephanus die visionäre Zuwendung des Herrn nicht ekklesiologisch und eschatologisch, sondern martyriologisch als Einholung seiner Seele, wenn diese seinem sterbenden Körper entweicht (vgl. Ps 31,6; 104,29; Hi 34,14f; zur Sache auch Ps 49,16; 73,23f; 1Petr 4,19). Dass speziell Märtyrer im Tod unmittelbar zu Gott aufgenommen werden, war damals eine verbreitete Auffassung sowohl im Judentum als auch im frühen Christentum (vgl. nur Phil 1,23; 1Clem 5,4.7; IgnEph 11,2; IgnRöm 4,3 usw.). Dieser vorgetragenen Auslegung der Vision stellen jedoch einige Exegeten ein konkurrierendes Verständnis entgegen. Es wird nämlich auch diskutiert, ob man nicht Apg 7,55f von Ps 110,1 (vgl. Mk 12,35–37 und Kapitel 11) her deuten soll. Doch steht dieser christlichen Interpretation entgegen, dass der Psalm vom »Thronen« und nicht vom »Stehen« des Erhöhten spricht. Gerade diese Besonderheit in Apg 7 wird bei dieser Deutung vernachlässigt. Und endlich: Visionäre Erfahrungen nach den Osterereignissen gab es in der Frühzeit des Christentums durchaus, wie am eindeutigsten die Selbstzeugnisse des Paulus (2Kor
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12,1ff) und des apokalyptischen Sehers Johannes (Offb 1) belegen. Die Märtyrerverehrung wird später in der Alten Kirche sicherlich zu einem umfangreichen Thema mit Folgen für die Ausgestaltung von Märtyrerlegenden. Doch im frühen Christentum ist davon noch gar nichts zu spüren. Bei Stephanus fällt dazu unter anderem die knappe Bemerkung zur einfachen Bestattung auf, wobei, ähnlich wie bei Jesu Grab, noch nicht einmal für spätere Besucher die Lokalität angegeben wird (Apg 8,2; ähnlich Mk 6,29; Apg 12,1f). So ist von Grabbesuchen durch Gemeindemitglieder zu Ehren eines Märtyrers in frühchristlichen Zeugnissen auch noch kein Sterbenswörtchen auszumachen. Paulus z.B. ging anlässlich seines Besuches bei Petrus in Jerusalem (Gal 1,18f) offenkundig eben nicht mit Petrus und dem Herrenbruder Jakobus zum noch recht frischem Grab des ersten christlichen Märtyrers Stephanus. Das christologische Konzept, das im Gebetsruf Maranatha zutage tritt, hat in der frühen Christenheit und auch noch später (vgl. nur die Glaubensbekenntnisse der Alten Kirche) weitere Verbreitung und Variation gefunden. Gewiss, die Menschensohnchristologie bleibt mitnichten das einzige christologische Konzept in der frühen Christenheit. Doch ist sie das zunächst wohl dominante, wenn es um die Ausgestaltung speziell der eschatologischen Hoffnung der Christen ging. Dieser sich fortpflanzenden Entwicklungslinie gilt nun unsre weitere Aufmerksamkeit. Mit Röm 8 (Kapitel 10) werden wir dann auf die erste Unterbrechung dieser Linie stoßen.
6 Der kommende Menschensohn in der Logienquelle
Die Logienquelle (Q, zitiert nach lukanischer Kapitel- und Verseinteilung) gehört zur Gruppe rekonstruierter Quellen (Parallelbeispiele: die Passionserzählung in den Evangelien und die Semeiaquelle im Joh). Ihre Existenz ist jedoch durch Mt und Lk prinzipiell gesichert, da beide unabhängig voneinander Q in ihre Evangelien einarbeiteten. Dabei haben beide Evangelien, wie ein Vergleich zeigt, im Wesentlichen die Reihenfolge der Stücke in Q und recht oft ebenso ihre wörtliche Fassung erhalten. Dieses Doppelphänomen lässt sich kaum anders erklären, als dass beide Evangelien dieselbe Quelle benutzten. Auch der Einstieg mit Johannes dem Täufer (vgl. Q 3,2ff), der so auch in gleicher Funktion in allen vier Evangelien zu finden ist, und der typische Abschluss mit den Endereignissen in Q 17,23ff (vgl. nur das Ende der Bergpredigt, der Offb und der Did) sprechen für eine literarisch gestaltete Vorlage für Mt und Lk. Allerdings steht man dann bei genauerer Rekonstruktion dieser Quelle leider doch vor unliebsamen Problemen: Mt und Lk veränderten nämlich auch immer einmal aufgrund ihrer je eigenen literarischen und theologischen Ziele den ihnen vorliegenden Text. Endlich ist bei ihnen hier und da mit Auslassungen und Umstellungen zu rechnen. Überhaupt gilt: Der Text war den beiden Evangelien ebenso wenig heilig und sakrosankt wie der Mk-Text den Seitenreferenten Mt und Lk. Und diese beiden hatten wohl auch ein jeweils leicht variierendes Exemplar von Q vor sich liegen. Festzuhalten ist natürlich weiter, dass bereits schon der Autor von Q die ihm zugängigen Überlieferungen seinem Gestaltungswillen unterworfen hatte. Möglicherweise stammt Q sogar gar nicht nur von einem Autor, der mündliches Traditionsgut in einem Arbeitsgang in eine literarische Ge-
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6 Der kommende Menschensohn in der Logienquelle
stalt brachte, sondern ist das Ergebnis eines mehrstufigen Wachstumsprozesses, war also durch Bearbeitungsvorgänge während des Verlaufs der Überlieferung geprägt. Das alles ist im Einzelnen nicht mehr mit wünschenswerter Zurückhaltung bei der dann zwangsläufig oft mehrstufigen Hypothetik aufzuklären. Darum ist es ratsam, bei der diachronen Erforschung von Q eher asketische Zurückhaltung zu üben. Enthält doch schon die Rekonstruktion der Texte, die jeweils Mt und Lk vorgelegen hatten, hinreichend Probleme und offene Fragen. Der Text von Q fußt auf einem innerjüdischen Standpunkt einer christlichen Gemeindegruppe (vgl. nur Q 22,28–30) und einigen Wandermissionaren (vgl. nur Q 10,2–16). Er setzt Verfolgungen durch die Ortssynagogen im Missionsterrain voraus (vgl. nur Q 6,22f; 11,49–51). Diese Verfolgungssitua tion ist sachlich vergleichbar mit 1Thess 2,14 und Mk 13,9–12 (vgl. Kapitel 11). Beim Stichwort »Steinigung« (Q 13,34) wird man als Beispiele an Stephanus und Paulus denken können (Apg 7,58f; 2Kor 11,25). Die Q-Gemeinden lebten also in einer wenig harmonischen synagogalen Umwelt. Sie pflegten jedoch dennoch einen Jesus ähnlichen positiven Blick auf das pagane Umfeld (vgl. Q 7,1–10; 10,13–15; 16.16–24, vgl. Kapitel 3). Eine programmatische Völkermission, wie sie die antiochenische Gemeinde initiierte (Gal 2,1–10; 3,26–28; Apg 15), ist jedoch nicht in Sicht. Vielmehr lebten die Gemeinden gesetzestreu (Q 11,42). Vom Jerusalemer Konventsbeschluss ist kein Echo auszumachen. Das Gerichtswort über Jerusalem (Q 13,34f), das auf die heikle innerjüdische Situation der Gemeinde reagiert, hat von der römischen Zerstörung der Stadt 70 n.Chr. noch gar keine Vorstellung. Darum wird Q in jedem Fall vor diesem Desaster entstanden sein, ja bevor der Krieg überhaupt am Horizont auftauchte. Außerdem fällt auf, dass Erfahrungen mit verstorbenen Christen in der gegenwärtigen Zeit der Naherwartung (vgl. Q 3,16f; 12,39f; 17,20f.26f) etwa analog zu 1Thess 4,13 (Kapitel 7) oder gar zu Mk 9,1 (Kapitel 11) noch nicht aufgearbeitet werden. Auch das spricht dafür, die Entstehung von Q nicht zu dicht an 70 n.Chr. heranzurücken, sondern eher in Richtung auf die Mitte der ersten nachösterlichen Generation zu positionieren.
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Zum Entstehungsort gibt es viele Angebote aus der gegenwärtigen Diskussion. Doch ehrlicherweise muss man sagen, dass sie leider alle keineswegs klopffest sind. Die Option für Syrien ist dabei vielleicht diejenige, die am wenigsten Probleme macht. Gegen Galiläa spricht der allgemeine Quellenbefund, dass es für die Existenz galiläischer Gemeinden aus der gesamten Zeit des frühen Christentums keine sicheren Belege gibt. Auch ist die Originalsprache von Q das Griechische, nicht das Aramäische, wie es Jesus und die Jünger in Galiläa benutzten. Zudem werden alttestamentliche Texte nach der Septuaginta zitiert (vgl. Q 4,4.8.10f.12). Das sind jedenfalls Beobachtungen, die eher zugunsten von Syrien optieren lassen. Hier gab es z.B. doch wohl genügend Synagogen, die als Umgangssprache das Griechische pflegten. Q ist nun Zeuge eines frühjudenchristlichen Typs der Menschensohnchristologie. Denn der Text ist dadurch gekennzeichnet, dass das Stichwort »Menschensohn« in Aufnahme und Erweiterung der Aussagen Jesu nun nachösterlich interpretiert wird. Das bedeutet zugleich: Eine direkte Beziehung zu Dan 7,13f ist nicht aufgebaut. Dabei redet Q vom »Menschensohn« (wie Jesus und die Apokalypse Mk 13; vgl. Kapitel 3 und 11) ganz selbstverständlich im Sinne eines Hoheitstitels und übersetzt den Gebrauch nicht durch Ersatzbezeichnungen. Nur nebenbei kann die Logienquelle mehr randständig auch den Titel »Sohn Gottes« verwenden (Q 4,3.9; 10,22), dessen Vorkommen jedoch in die Aussagen zum Menschensohn nicht eingedrungen ist. Das bestätigt das Urteil, dass die Q-Gemeinden in hellenistisch-frühjüdischer Kultur zuhause waren. Das christologische Konzept von Q lässt sich so beschreiben: Das für die Gemeinden zugrunde liegende und abgeschlossene Leben Jesu wird zum Zeitabschnitt, in dem Jesus als der gekommene Menschensohn wirkte. Er vollzog mit seiner Tätigkeit die Ankunft der endzeitlichen Gottesherrschaft (Q 7,34; 9,58; 11,20). Während seiner derzeitigen kurzen Abwesenheit setzt sich die Gottesherrschaft weiter durch (Q 11,20). Die neue Gabe des Geistes (Q 3,16; 12,11f) ist dabei eine geschätzte göttliche Hilfe. Doch unerwartet und sehr bald wird Jesus als der wiederkommende Menschensohn
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in der Funktion des endzeitlichen Richters noch einmal erscheinen (Q 12,8f.40; 17,26–30). Diese Erscheinung wird für alle Menschen analog zu einem Stern am Himmel sichtbar sein (Q 17,23f). Hatte Jesus vom Menschensohn als dem von ihm selbst unterschiedenen endzeitlichen und richterlichen Mandatsträger Gottes gesprochen, so haben die Gemeinden und Missionare von Q in Harmonie mit den anderen judenchristlichen Gemeinden (vgl. die Kapitel 4 und 5) gleichfalls die Identifikation des Auferstandenen mit dem Menschensohn vollzogen. Dies setzt selbstredend auch für Q den Osterglauben voraus, der allerdings nirgends eigens thematisiert wird. Ebenso fehlen in Q Hinweise auf Jesu letzten Besuch zum Passafest in Jerusalem und zu seiner Kreuzigung. Die Passionserzählung der vier Evangelien (oder etwas Analoges) glänzt durch Abwesenheit. Diese und noch andere Fehlanzeigen sind offenkundig bedingt durch das strukturelle Konzept von Q, das auf der Basis von Jesu Wirken ausschließlich in Galiläa nur Jesu eigene Verkündigung gelten lässt, um so für die Leser unter anderem deren Zukunft zu beschreiben. Der Irdische kannte danach bereits sein volles Programm als jetzt wirkender und dann kommender Menschensohn. So konnte Q den Lesern die Hoffnung der Christen allein mit Jesu autoritativer Lehre fundieren. Da Jesu Autorität in den Gemeinden unbestritten galt, stand damit für sie die Hoffnung auf einem soliden und verlässlichen Fundament. Dazu passt die Beobachtung, dass vom österlichen Geist (vgl. Q 3,16; 12,10) nur knappe Hinweise anzutreffen sind. Mit dieser Gabe das Christentum weiter zu entfalten, war kein besonderes Ziel (vgl. Mt 28,20a). Welche Inhalte der Zukunftserwartung hebt Q hervor? Da Q sie fast komplett durch vorgegebene Traditionen aus der Jesusverkündigung beschreibt, bleibt die Nähe zu dieser eigentlich durchweg erhalten (vgl. dazu Kapitel 3). So ist Gott wie bei Jesus der unsichtbare Schöpfer, der alles vermag (Q 3,8), als »Vater« (Q 11,13) seine Schöpfung dauerhaft erhält (Q 6,35; 12,24.28f) und auch in der Endzeit verborgen bleibt. Dennoch ist seine göttliche Herrschaft das Heil für die Geretteten. Sie wird wie in der Jesusverkündigung durch das Heilsmahl konkretisiert (Q 13,28f; vgl. auch 6,21), ohne dass
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damit die angedeutete Fülle des Lebens näher ausgewiesen wird. Dass dabei die Gesundheit der Menschen eingeschlossen ist, zeigen Q 7,22; 10,9. Dieses Heilsmahl findet natürlich auf der Erde statt (vgl. nur Q 13,28f). Gott der Schöpfer wird es richten, ohne dass es dazu erklärender Ausführungen bedarf. Er hat ja schon bisher der Menschheit die Lebensmöglichkeit gewährt. Die Stichworte »Auferstehung« und »Verwandlung« werden überhaupt noch nicht aufgegriffen. Die jetzt Lebenden bedürfen offenkundig keiner Veränderung. Vorzeitig verstorbene Gemeindeglieder sind noch gar kein Thema. Im Übrigen bleibt Jesu Position auch darin erhalten, dass z.B. die Erzväter (und andere Größen aus der Geschichte Israels) wie selbstverständlich am Heilsmahl teilnehmen werden (Q 10,23f; 13,28f). Auch Personen aus den Völkern, die sich nach alttestamentlicher Auffassung besonders gut benommen haben (Q 10,14; 11,31f), dürfen wie bei Jesu Verkündigung an der Endvollendung partizipieren. Es wird geradezu eine Wanderung von Osten und Westen hin zur Gottesherrschaft geben (Q 13,28f). Allen anderen zur Zeit des Endgerichts Lebenden droht das Elend des Gerichts durch Feuer im Hades (vgl. Q 3,9.17; 10,15; 13,28). Von einer Auferstehung Verstorbener, deren Schicksal der Hades wird, ist keine Rede. Indirekt ist nur die Auferstehung derer vorgesehen, die am Heilsmahl teilnehmen werden, doch bereits verstorben waren. Auch hierbei besteht Kontinuität zur Verkündigung Jesu. Hatte Jesus den von ihm unterschiedenen Menschensohn als Richter vorgesehen, so ist nach Q Jesus als kommender Menschensohn nun selbst derjenige, der die Treue seiner Gemeinde überprüft (Q 6,38; 7,23; 12,8f; ähnlich Paulus im 1Kor; vgl. Kapitel 8). Darum gilt für sie, bereit und wachsam zu sein (Q 12,39f; 12,42–46), zumal am Ende der Geschichte Verführer auftreten werden, die zum Abfall aufrufen (Q 17,1f), und die die Gemeinde schmähen werden um des Menschensohnes willen (Q 6,22f). Q setzt, so sei man Schluss festgehalten, das innerchristliche und zeitlich gestreckte Gespräch zur Gestalt des Menschensohnes fort. Ein unmittelbarer Zugriff auf Dan 7 ist dabei nicht erkennbar. Umso auffälliger ist (trotz zeitlichen Abstands) die besondere Nähe zur Verkündigung Jesu.
7 Das Problem der entschlafenen Christen im 1Thess
Paulus, der Autor des 1Thess, verlässt 49 n.Chr. Antiochia, also die Gemeinde, in der er deutlich über ein Jahrzehnt (zusammen mit Barnabas, vgl. Apg 13f) vor Ort und im Umland wirkte, und ist auf seiner ersten selbständigen Missionsreise indessen in Korinth angekommen (50/51 n.Chr.). Von hier aus schreibt er seiner Gemeinde in Thessaloniki, die er vor kurzem auf dieser Reise gründete, den ersten Gemeindebrief der Christenheit (50/51 n.Chr.). Er lobt sie nachdrücklich und erfreut sich mehrfach an ihrer gelungenen Selbständigkeit in ihrer Lebensführung, bietet ihr jedoch auch zu einem Problem, von dem er wohl von seinem Mitarbeiter Timotheus Kenntnis erhielt (vgl. 1Thess 3,5f) und das innerhalb der Parusieerwartung lokalisiert war, eine Lösung an, um eine Verwirrung und Ratlosigkeit in der Gemeinde zu beseitigen (1Thess 4,13–18). Durch die gerade erst zur Vergangenheit gewordene lange Verweildauer des Paulus in Antiochia ist der Brief auch geeignet, in ihm nach dem theologischen Geist Antiochias Ausschau zu halten. Gerade auch die Hoffnungsaussagen können wohl dafür ein ertragreiches Terrain sein. Kein Brief des Apostels (auch sonst kein urchristliches Zeugnis außer dem Bittgebet Maranatha) ist so intensiv durch die Erwartung der nahen Parusie des Herrn geprägt wie der 1Thess. Der Absender selbst und alle Adressaten in Thessaloniki haben ihr gesamtes Tun und Lassen daran ausgerichtet. Paulus lobt wiederholt und nachdrücklich die Gemeinde, dass und wie sie dieses Lebensverständnis unter einander praktiziert (1Thess 1,6–9; 2,13; 3,6–8; 4,9f; 5,1f). Dabei versteht der Apostel selbst sein eigenes missionarisches Wirken so: Er verkündigt angesichts des nahen Gerichts (1Thess 4,13; 5,1–8) das Evangelium Gottes (1Thess
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1,5; 2,2.4.8f; 3,2). Dieses ist durch den heiligen Geist (1Thess 1,5f; 4,8) wirkmächtig hin zu einer christlichen Existenz in Glaube, Liebe und Hoffnung (1Thess 1,2.8; 3,6f; 5,8), sodass die Christen schon jetzt Geschwister des (göttlichen) Lichtes und des (Parusie-)Tages (ihres Herrn) sind (1Thess 5,5). Dieser Gesamtvorgang gilt als göttliche Erwählung (1Thess 1,4; 2,12), die darauf abzielt, dass Gottes Sohn unmittelbar vor dem nahen »zornigen« Gerichtvollzug Gottes diese Erwählten als Retter vor dem Zorn zum endgültigen Zusammensein mit sich vereint (1Thess 1,10; 3,13; 4,17). In dieses allgemeine Endgerichtsgeschehen Gottes werden die christlichen Gemeindeglieder also (wie beim Täufer und beim Hintergrund des Gebetsrufes Maranatha) nicht inkludiert sein. Versteckt mag jedoch in 1Thess 4,6 angedeutet sein, dass Christen am Ende der Geschichte vom Herrn beurteilt werden (vgl. dazu Kapitel 8). Das wird jedoch nicht zum Heilsverlust führen (vgl. 1Kor 5,5). Denn dem allgemeinen Gericht sind Christen entronnen aufgrund ihres gegenwärtigen Entscheids zur Annahme des Evangeliums. Das entspricht sachlich der Position Jesu, insofern er das Bekenntnis zu ihm selbst im Sinne der Annahme seiner Botschaft von der nahenden Gottesherrschaft zum entscheidenden Verhalten seiner Zuhörer erhebt, damit sie vor dem kommenden Menschensohn bestehen können (Lk 12,8f). Später wird der vierte Evangelist diesen Ansatz pointiert aus- und umgestalten (vgl. Kapitel 14). Im Blick auf die Gemeinde ist festzustellen: Die einzelnen Gemeindeglieder haben aufgrund des paulinischen Evangeliums ihre Verehrung der antiken Götterwelt aufgegeben (1Thess 1,9; vgl. 4,4). Sie sind also Völkerchristen geworden, sodass sie nun nicht mehr zu den Übrigen (d.h. zu der großen Mehrheit der Menschheit) gehören, die endgültig keine Hoffnung mehr haben (1Thess 4,13), da diese ohne Annahme des Evangeliums endgültig unter dem kommenden Zorn Gottes stehen (1Thess 1,10; 5,9; vgl. aus dem letzten Paulusbrief Röm 1,18–3,20). Im Unterschied dazu sind die Christen »Söhne« (= Geschwister aufgrund des antiochenischen Entscheids nach Gal 4,26–28) »des Lich-
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tes« (1Thess 5,5), da sie das Evangelium als Wort Gottes angenommen haben (1Thess 2,13). Sie wissen darum, dass Gott sie nicht für das allgemeine Zornesgericht bestimmt hat, sondern zum Erwerb des Heils (1Thess 5,9), das in dem immer währenden Zusammensein mit dem Herrn bestehen wird (1Thess 4,17; vgl. sachlich Röm 8,17). Darum gehen sie den Weg der Heiligung (1Thess 4,3f.7) und geschwisterlichen Liebe (1Thess 4,9f; 5,8). Gegenüber denen, die »draußen sind« und sie anfeinden (1Thess 2,14; 3,3f), verhalten sie sich korrekt und vermeiden Abhängigkeiten (1Thess 4,11f). Mit dieser Einstellung, so hält der Apostel fest, ist die Gemeinde in Thessaloniki Vorbild für die Christen in Mazedonien und Achaia geworden (1Thess 1,8f). Man kann hinzufügen: Mit dieser Auffassung steht die Gemeinde in voller theologischer Harmonie zum Gebetsruf Maranatha (Kapitel 5). Die Gemeinde lebt also angesichts des in Kürze erwarteten für sie heilvollen Tages des Herrn (1Thess 5,11) auf der einen Seite, und der damit einhergehenden bedrohlichen Zukunft für alle anderen Menschen angesichts des nahenden Zornes Gottes auf der anderen Seite (1Thess 1,10). Dennoch hat die Gemeinde trotz ihrer grundsätzlich hoffungsvollen Lage (1Thess 5,9f) ein internes und sie quälendes Problem, das nach der Abreise des Paulus aufgekommen ist: Sie muss, für sie ganz unerwartet, einige wenige entschlafene Christen beklagen (1Thess 4,13; 5,9). Diese Entschlafenen waren integrierte Gemeindeglieder. Doch ruhen sie nun in ihren Gräbern (indirekt: 1Thess 4,16c, sachlich: Dan 12,2.13 usw.). Ihr Tod ließ es (leider) nicht zu, sie als Märtyrer zu verstehen, wodurch sie das Privileg hätten erhalten können, mit ihrem Tod zum Herrn erhöht zu werden (vgl. Apg 7,59; Phil 1,23; vgl. Kapitel 5). Man kann eventuell auch noch erwägen, ob die Gemeinde mit ihrem pagan-hellenistischen Hintergrund vielleicht hätte annehmen können, dass ganz allgemein die Seelen Verstorbener in die himmlische Sphäre erhoben werden. Doch wenn die Gemeinde sich damit getröstet hätte, hätte sie ja eigentlich gar keinen Grund gehabt, sich durch das Los der Verstorbenen irritieren zu lassen. Denn dann hätten die Verstorbenen es jetzt schon
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besser gehabt als die Gemeinde. Und wie der Herr bei seinem Kommen eine Engelschar um sich haben wird (1Thess 3,13), so könnte er dann auch diese »Erhöhten« in seinem himmlischen Gefolge mitbringen. Doch diese Lösung des Problems hat die Gemeinde offenkundig nicht erwogen, denn die paulinische Argumentation in 1Thess 4,16 setzt voraus, dass die Toten in Christus »auferstehen werden«, also jetzt in ihren Gräbern ruhen. Damit blieben quälende Fragen: Gehörten die Verstorbenen vielleicht nicht zu den »Berufenen« (1Thess 1,4)? Und umgekehrt: Hatten sie etwa nicht den heiligen Geist besessen und sich in großer Zuversicht auf die Ankunft des Herrn ausgerichtet (1Thess 1,6.9)? Waren nicht auch sie bekleidet mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil (1Thess 5,8f)? Warum sollten sie trotzdem nun wieder zu denen gezählt werden, die definitiv hoffnungslos verloren sind (1Thess 4,13; 5,9)? Bevor wir die Antwort des Paulus auf dieses Problemfeld bedenken, erinnern wir uns nochmals daran, dass sowohl der Täufer als auch Jesus (Kapitel 2 und 3) ihre Verkündigung so ausgerichtet hatten, dass das Thema »Auferstehung« für uns nur allenfalls im abgedunkelten Hintergrund schwach und indirekt erkennbar war. Denn die rhetorische Ausrichtung ihrer Verkündigungen war konzentriert auf die gegenwärtig lebende Generation zugeschnitten. In demselben Modus werden auch die frühen Gemeinden gedacht und verkündigt haben (vgl. das Maranatha in Kapitel 5). So hat man von Jerusalem und Antiochia und anderen Orten aus missioniert, und so verkündigte bisher auch Paulus. Immer dominierte die unmittelbare Nähe der Parusie autokratisch die Verkündigung. Das wird auch, nachdem Paulus 1Kor 15 verfasst und in diesem Kapitel die Auferstehungsproblematik ausführlich besprochen hatte (Kapitel 8), nicht gleich überall anders geworden sein. Dafür gibt es ein aufschlussreiches Beispiel: In der kleinen (im Grundstock einst selbständigen) Apokalypse Mk 13 kommt vom Ausgangstext bis hin zum Evangelisten Mk das Thema Auferstehung überhaupt nicht vor (vgl. Kapitel 11). Und das, obwohl in ihr so Schrecken einflößend von Kriegen, gerichtlichen To-
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desstrafen und Naturkatastrophen (Mk 13,7f.9–13.24f) die Rede ist, durch die auch die »Erwählten« (Mk 13,20.27) zum Teil tödlich getroffen werden. Dennoch sammeln die Engel des Menschensohnes bei seiner Ankunft ganz selbstverständlich nur die gerade noch lebenden Auserwählten zur endzeitlichen Heilsgemeinde zusammen (Mk 13,27)! Die verstorbenen Christen scheinen dabei schlicht erzählerisch »vergessen« zu sein. Es dürfte also schon so gewesen sein, dass der Apostel in der Tat wie sein damaliges christliches Umfeld die nahe Parusie zum alles beherrschenden Rahmen seiner Missionspredigt gewählt hatte, und bei seinem nicht sehr langen Aufenthalt in Thessaloniki keinen besonderen Anlass sah, auch von der Auferstehung gestorbener Christen zu reden. Denn in diesem deutlich begrenzten Zeitabschnitt starben offenbar in Thessaloniki keine Gemeindemitglieder eines natürlichen Todes. Der zeitlich nächste Beleg für diesen Fall steht 1Kor 15,6 (vgl. Kapitel 8). Die Erfahrung gestorbener Christen ereignete sich dann allerdings nach des Paulus Abreise aus Thessaloniki. Darum nimmt Paulus den Brief zum Anlass, dieses Problem der Gemeinde einer Lösung zuzuführen. Damit wird er, im Nachherein betrachtet, zum ersten Christen, der literarisch festhält, wie er zugunsten einer Auferstehungshoffnung für verstorbene Christen plädiert. Grundlegend ist dabei der Schluss von Gottes auferweckendem Handeln an dem gekreuzigten Jesus auf die auferweckende Zuwendung an gestorbene Christen (1Thess 4,14; vgl. Kapitel 1 und 4). Diesen Argumentationsgang wird er dann bei der nächsten Gelegenheit noch viel grundsätzlicher weiter ausbauen (1Kor 15; vgl. Kapitel 8). Paulus plädiert im 1Thess also nicht für eine allgemeine Auferstehung aller Menschen, sondern hat ausschließlich eine Auferstehung nur derjenigen durch die Annahme des Evangeliums Erwählten im Blick, die überraschenderweise doch noch vor der Ankunft des Herrn gestorben waren. Die Auferstehung betrifft demnach nur ganz Wenige und ist für sie ein Eingangsgeschenk mit überaus positiven Folgen. Doch ist sie z.B. nicht als eine Ermöglichung gedacht, um in einer für eine danach angesetzten gerichtlichen Bestrafung zum ewigen Verderben
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verurteilt zu werden. Damit reiht Paulus sich ein in eine Reihe, die vom Täufer über Jesus bis zu den Gemeinden, die den Herrn mit dem Maranatha anrufen, erkennbar ist. Das hat zur Folge: Alle toten Nicht-Christen bleiben für immer in ihren Gräbern. Und alle lebenden Nicht-Christen stehen pauschal unter dem Vernichtungszorn Gottes (1Thess 1,10; 4,13; 5,9). Wie sie zugrunde gehen werden, bleibt unbeschrieben. Denn Paulus schreibt kein allgemeines Kompendium zur Eschatologie, sondern äußert sich nur im Blick auf die Gemeinde zum Wichtigsten. Nahe liegt es immerhin, an ein Feuergericht zu denken, dem wir in den voranstehenden Ausführungen beim Täufer (Lk 3,17f) und Jesus (Mt 18,8f) begegneten und vom dem auch Paulus wenig später sprechen wird (1Kor 3,13–15). Jedoch das Schicksal der dem göttlichen Zorn Verfallenen interessierte nur insoweit, als sie vom Heil endgültig ausgeschlossen waren. Wer an Röm 4 denkt, wird für Paulus darüber hinaus wohl auch schon für seine erste selbständige Missionsreise annehmen können, dass natürlich Abraham und andere fromme Israeliten (welche ist nicht mehr abzuklären) zu den Menschen gehören werden, die Gott auferwecken wird. Auch diese Position ist uns schon von Johannes und Jesus her bekannt (Kapitel 2 und 3). Gegen Ende seines Lebens wird der Apostel sich dann in Röm 9–11 (Kapitel 10) des endzeitlichen Schicksals Israels in einer so ausführlichen und differenzierten Weise annehmen, wie sie im frühen Christentum nicht mehr ihres Gleichen findet. Nach der grundsätzlichen Abklärung, dass auf den Gott, der Jesus auferweckt hat, begründet gehofft werden kann, wenn es gilt, das Schicksal zu früh verstorbener Christen zum endgültig Guten zu wenden, widmet sich Paulus der Frage, wann das auferweckende Handeln Gottes im Verlauf der Parusie des Herrn stattfinden wird (1Thess 4,15–17). Diese Frage ist für die Gemeinde alles andere als unwichtig. Das hängt mit ihrem Verständnis des eschatologischen Gesamtgeschehens zusammen, wie Paulus es ihr beim Gründungsbesuch vermittelt hatte und aus Antiochia kannte (s.u.). Sie versteht nämlich die Parusie des Herrn in Analogie zu üblichen und offiziellen Besuchen hoher Amtsträger z.B.
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in Provinzstädten wie etwa Thessaloniki (oder Antiochia, Korinth usw.). Solcher hochrangige Besuch, der, reichlich in der politischen Sprache der damaligen Zeit belegt, neben dem Alltagsgebrauch von Parusie (vgl. z.B. 1Kor 16,17; 2Kor 7,6f) im Besonderen offiziell-politischen Sinn als »Parusie« firmierte, wurde in der Regel vorher geplant. Gegebenenfalls wurde auch das Besuchsprogramm abgestimmt, und – darauf bezieht sich die Gemeinde in Thessaloniki speziell – eine Delegation von der Stadt bestimmt, die dem hohen Gast bis zu einigen Kilometern entgegengeht, um diesen samt seinem Gefolge festlich in die Stadt zu geleiten. In dieses diplomatische Ritual, dessen Nicht-Befolgung einem Affront dem Gast und seinem Gefolge gegenüber gleich käme, spannt Paulus ganz im Sinne seiner Adressaten das Ereignis des Kommens des Herrn ein. Das ist für die vor dem 1Thess und nach ihm liegenden und uns noch zugängigen Äußerungen zum endzeitlichen Kommen des Herrn (abgesehen von der Verwendung eines Hochzeitsrituals in Mt 25,1ff) insofern singulär, als Christen sonst ausnahmslos dadurch gekennzeichnet werden, dass sie dieses Kommen absolut passiv erleben (Beispiele: Mk 13,27; Jak 5,7; 1Joh 2,28). In diesen Fällen fehlt auch der Rede von der Parusie des Herrn der Bezug auf die speziell politische Zeremonie bei der Parusie. Eine Reise an den Himmel, dem Herrn entgegen (1Thess 4,17), ist also eine konzeptionelle Singularität, die aufgrund der üblichen Szenerie einer politischen Parusie ausgearbeitet ist, wobei natürlich aus dem horizontalen Entgegengehen ein vertikaler Transport auf Wolken geworden war. Dazu passt eine zweite Feststellung: Das Stichwort »Parusie« fand (soweit wir noch sehen können) vor dem 1Thess noch keine christliche Verwendung, wenn Jesu endzeitliches Kommen zur Sprache kam. Paulus geht auf diese Bezeichnung im 1Thess, verstreut über den gesamten Brief, gleich viermal ein (1Thess 2,19; 3,13; 4,15; 5,23). Ein Echo davon liest man bei ihm dann nur noch einmal in 1Kor 15,23, ohne dass an dieser Stelle noch eine Szene des Entgegengehens der Gemeinde angedeutet wird (Kapitel 8). Danach übt Paulus dem Stichwort gegenüber in seiner weiteren Kor-
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respondenz vollständige Askese. Beim Täufer, bei Jesus, in Mk 13, in der Logienquelle, im markinischen Evangelium, im Doppelwerk des Lk und im vierten Evangelium sucht man nach ihm überhaupt vergeblich. In diesen Fällen ist z.B. davon die Rede, dass der Menschensohn »kommen« (Ursprung: Dan 7,13) oder, von der Gemeinde her formuliert, diese ihn »sehen« wird (Beispiel für beides: Mk 13,26). So stellt sich die Frage: Wer führte die Deutung von Jesu Erscheinen als »Parusie« in die christliche Theologie ein? Das ist angesichts der schwachen Quellenlage nicht mehr eindeutig zu entscheiden. Einige Vorzüge hat allerdings der Vorschlag, Antiochia das Erstgeburtsrecht zuzugestehen. Von hier hätte dann Paulus diese Deutung mit auf seine erste eigenständige Missionsreise genommen, und so wurde sie der Gemeinde in Thessaloniki vertraut. Auf diese Weise erklärt sich jedenfalls am besten, dass Paulus in 1Thess 4,13–18 bei der Besprechung des Problems der Gemeinde in Thessaloniki das Stichwort nicht nur einmal aufgreift (dann wäre es am ehesten in Thessaloniki aufgekommen). Nein, er verwendet es gleich mehrfach im Brief und das in zentralen Aussagen und wie selbstverständlich. Das geschieht im Wissen, dass seiner Gemeinde in Thessaloniki diese Sprache aufgrund seiner Mission bei ihr geläufig war. Das Stichwort ist natürlich auch zur Zeit des 1Thess immer noch seine eigene Sprache, selbst wenn er sie wenig später wieder fallen lässt. Auch die Thematik der Einholung zur Ehrung hoher Besuche verschwindet aus des Apostels Deutung der Wiederkunft Christi (wie immer diese sprachlich ausgedrückt ist) nach dem 1Thess komplett. Darum ist es nicht verwegen zu vermuten, Paulus habe nach dem 1Thess dieses spezielle wohl antiochenische Erbe recht bald abgelegt. Auf der Basis dieser historisch guten Möglichkeit kann man nun noch eine weitere Veränderung in den frühchristlichen Hoffnungsaussagen bedenken: Der 1Thess ist das älteste Zeugnis der Christenheit dafür, dass der zur Parusie kommende Auferstandene nicht mehr als »Menschensohn« auftritt, sondern nun als »Kyrios« (Herr) oder »Sohn Gottes«. Allgemein gilt für das frühe Christentum: Die Rede Jesu vom »Menschensohn« bleibt in den Evangelien erhalten (freilich
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mit unterschiedlichen Variationen). Das wird man mit dem frühen judenchristlichen Hintergrund der Jesusüberlieferung erklären, der noch lange in den Gemeinden, denen die Evangelien zuzuordnen waren, erhalten blieb. Wo allerdings hellenistische Kultur dominant wurde wie im städtischen Milieu Antiochias (doch auch Philippis, Thessalonikis und Korinths usw.), da erzeugte diese Redeweise Schwierigkeiten im Verständnis: »Menschensohn« konnte für hellenistische Ohren eigentlich keine Art von Hoheitstitel werden, sondern stand für den Menschen im Allgemeinen. Man behob dieses Problem, indem man andere personale und eindeutige Hoheitsaussagen mit ursprünglich anderem Hintergrund auch für den kommenden Menschensohn Jesus nahm, also vom Kyrios und Sohn Gottes sprach. Das kontextuelle Ensemble der Motive der Menschensohngestalt (Ausgangstext Dan 7) konnte und wollte man trotzdem weiter verwenden und, wie bisher schon immer geschehen, variieren. Dafür ist auch der 1Thess ein Beispiel: So bleibt hier als stabiler Gesamtrahmen das Denken in zwei Stockwerken von Himmel und Erde. Gott selbst gehört der Himmel, dort bleibt er oben und unsichtbar (so noch nicht Dan 7, aber dann ab dem Täufer). Vom Himmel her regiert er (etwa durch sein Wort, vgl. 1Thess 4,16) alles auf der Erde. So wird auch sein unsichtbarer Zorn die sündige Menschheit vernichten ohne eine Theophanie, denn dazu reicht sein Entschluss aus, dann geschieht es (1Thess 1,10). Zunächst aber wird er sehr bald den auferstandenen Herrn, also eine exzeptionelle Gestalt mit wichtiger menschlicher Vorgeschichte, mit eschatologischem Auftrag auf die Erde senden. Dieser wird die Erwählten zu ihrer Rettung sammeln und danach sich mit ihnen dauerhaft auf der Erde vereinen (1Thess 4,17c; vgl. 1,10). Er kommt von oben aus dem Himmel, angekündigt mit Posaunenschall (1Thess 4,16) und begleitet von einem Engelheer (1Thess 3,13). Es fällt nicht schwer, dies als eine weitere eigenständige und innerchristliche Variante der Tradition zu verstehen, die von Dan 7 ihren Ausgang nahm, wobei man noch die nachwirkende Weichenstellung vom Täufer in Rechnung stellen (Kapitel 2) und das danielische Konzept der politischen Weltreiche und die visionäre Gottesschau ganz zurückstellen muss.
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Kehren wir zum Gedankengang von 1Thess 4,15–17 zurück! In V. 15 setzt Paulus an, ein »Wort des Herrn« zu zitieren. Doch ehe er es anführt, fasst er das für die Thessalonicher wichtige Ergebnis im Wir-Stil zusammen: Die zur Zeit der Parusie lebenden Christen werden gegenüber den (leider schon) verstorbenen Gemeindegliedern keinen Vorteil haben. Das soll heißen: Es gibt ausschließlich und nur eine Gleichbehandlung beider Gruppen. Keiner kommt bei der Parusie und Einholung zu kurz. Genau solche Lösung erhoffte sich die Gemeinde! Nach dieser Lesehilfe folgt das bereits angekündigte Zitat, das zunächst im beschreibenden Stil der dritten Person daher kommt, um dann wieder in den Wir-Stil einzumünden, der nun den ganzen Abschnitt rahmt. In dieser vorliegenden Gestalt kann V. 16f allerdings trotz der Einführung als »Wort des Herrn« kein einst eventuell vom historischen Jesus formuliertes Wort sein, weil das »Wir« Paulus und die Gemeinde zusammenschließt (vgl. stilistisch: 2Kor 5,10; Röm 14,10–12). In der Verkündigung Jesu ist der Gebrauch eines solchen »Wir« nicht nachweisbar. Der Befehl des Erzengels mit der Posaune und das Thema der Auferstehung verstorbener Anhänger sind ebenfalls für Jesus nicht belegt. Von einem »Erzengel« spricht er nirgends. Das tut auch Paulus fortan nicht mehr. Weiter ist die Wolke als Fahrzeug für Menschen ein der Verkündigung Jesu unbekanntes Motiv, das wiederum auch Paulus nicht mehr anführen wird. Darum wird die paulinische Bezeichnung der Überlieferung als »Wort des Herrn« (V. 15) eine andere Bedeutung haben. Sie gilt, weil »das Wort des Herrn« sich nach Paulus dem Wirken des heiligen Geistes in der Gemeinde (hier wohl der antiochenischen) verdankt (Apg 11,27f; 13,1–3; 1Kor 14,29–32), der im Sinne des erhöhten Herrn ankündigt, wie die Gemeinde sich das Kommen ihres Herrn vorstellen soll. Weiter ist offenkundig, dass Paulus in den traditionellen Bestand des ihm vorgegebenen Wortes mit eigener geistlicher Autorität (vgl. 1Kor 7,40) eingegriffen hat. Weniger klar und unterschiedlich diskutiert ist, wie man beide Ebenen in dem Zitat voneinander unterscheiden kann. Wir machen dazu folgenden Vorschlag: Alles, was die spezielle
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Problematik der Thessalonicher auf der Stirn trägt, stellen wir auf die Seite des Apostels. Das Übrige erklären wir zur Tradition. Sie sah dann so aus: »Der Kyrios wird durch ein (göttliches) Befehlswort, (eingeleitet, d.h.) mit dem (Signal-)Ton des Erzengels, (geblasen) auf der Posaune Gottes (vgl. 1Kor 15,52), vom Himmel herabsteigen … Danach werden wir … auf Wolken entrückt werden zur Begegnung des (= mit dem) Kyrios in der Luft.«
Paulus versteht das »Wir« (ganz im Sinne der Tradition) als Gesamtgemeinde vor Ort. Darum lässt er durch seine Ergänzungen des traditionellen Wortes die verstorbenen Gemeindeglieder gleichsam mit dem Posaunenstoß von Gott auferweckt werden. Vereint mit der lebenden Gemeinde, können sie alle nun gemeinsam von den Wolken emporgehoben werden, also gemeinsam an der Einholung des Herrn teilnehmen. Das bedeutet stillschweigend: Die Einholung endet (analog einer politischen Einholung) mit der Rückkehr auf die Erde. Hier ist der Heilsort, hier werden die Geretteten »immer mit dem Herrn zusammen sein« (V. 17c). Zu notieren ist dabei, dass das »immer« zu verstehen gibt, dass die Anleihe aus dem Vorstellungsbereich einer politischen Parusie umgestaltet wird: Bei solchem Ereignis endet der Besuch üblicherweise nach ein paar Tagen. Jesus als Herr der Gemeinde wird jedoch dauerhaft bei ihr bleiben. Doch ist die Aussage leider trotzdem noch mit einem verengten Blickwinkel formuliert, und zwar schon in der ältesten Form der Überlieferung, also bereits in Antiochia. Es ist nämlich abgeblendet, dass es längst eine Ökumene mehrerer, geographisch schon recht verstreuter, christlicher Gemeinden gab, wie sie 1Thess 1,8f in einer durch die Situation begrenzten Weise auch anklingt. Sollen etwa stillschweigend alle Gemeinden, die es bis dahin gibt, gleichzeitig das Ritual der Einholung auf Wolken vollziehen, und sich dann alle beim kommenden Herrn in der Luft treffen? Und zu welchem Gemeindeort sollen sie dann zurückkehren, ohne dass Rivalitäten aufkommen? Solches testweise erdachte Szenario kann man sich doch schwer vorstellen.
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Sachgemäßer äußert sich z.B. Mark 13,27 (Kapitel 11). Auch 1Thess 1,10 ist angemessener formuliert, so sicher jetzt diese Aussage ihre Interpretation im Briefganzen durch 1Thess 4,17 erhält. Doch Mk 13,37 und 1Thess 1,10 haben gemeinsam, dass sie das Protokoll einer Einholung in die eigene Stadt nicht benutzen. So zeigt die stille und sicherlich ungewollte Ausblendung der anderen christlichen Gemeinden, dass diese Blickverengung dem übernommenen Ritual geschuldet ist, und damit erweist sich dieses im Endeffekt als ungeeignet, Jesu eschatologisches Kommen auszumalen. Ist es darum in den frühchristlichen Quellen nicht mehr zu finden? Endlich sei noch angemerkt, dass kein Wort andeutet, was Jesus und die Gemeinde(n) in der Vollendung dauerhaft machen. Eigentlich wäre ein Festessen ganz im Sinne der politischen Parusie angebracht. Doch Jesu Vorstellung vom Heilsmahl (Mt 8,11f; Kapitel 3) wird bei Paulus überhaupt nicht aktiviert. Im 1Thess kümmert sich Paulus auch noch nicht wie im 1Kor um das Thema der Verwandlung der lebenden Christen. Die verstorbenen und nun auferweckten Christen dürften darum wohl auch nur die Existenz der noch Lebenden erhalten. Das passt zu den beim Täufer und Jesus gemachten Beobachtungen (vgl. Kapitel 2 und 3). Doch wird sich hierzu sehr bald und erstmals in 1Kor 15 vieles ändern (Kapitel 8). Doch bevor wir uns dem 1Kor zuwenden, wollen wir zwischenzeitlich noch eine Nachgeschichte des 1Thess erwähnen. Dabei geht es um den 2Thess. Er gehört zur pseudepigraphischen Literatur des frühen Christentums und entstand etwa am Ausgang des 1. Jahrhunderts n.Chr. Der unbekannte Autor benutzte dabei den 1Thess als seine literarische Vorlage (Beispiele: 2Thess 1,1f = 1Thess 1,1; 2Thess 2,16 = 1Thess 3,11 usw.). Er richtete den Brief an eine uns unbekannte Gemeinde, die zu der nicht ganz kleinen Zahl an Gemeindegründungen des Paulus zählte (2Thess 3,10). Auch sie besaß den 1Thess in Gestalt einer Abschrift (2Thess 2,15). Nun gab es in der Gemeinde offenbar aktuell eine geistbegabte prophetische Gruppe (2Thess 2,2), die sich unter anderem auf Paulus und seinen 1Thess berief (vgl. 1Thess
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5,19). Dabei vertrat sie in etwa folgenden Standpunkt: Die Gemeinde ist schon durch die Annahme des Evangeliums wie aufgrund der Taufe und der Geistbegabung »Licht«, also nicht mehr »Finsternis« (1Thess 5,5). Und die Nähe der Vollendung, also »der Tag des Herrn« (vgl. 1Thess 5,2.4) stehe unmittelbar vor der Tür. Oder soll man hier übersetzen: »Der Tag des Herrn ist schon da«? Das ist nicht ratsam. Denn zum Tag des Herrn gehörte die öffentliche Erscheinung des Herrn für jedermann (1Thess 4,16f). An diesem Tag wäre es auch ganz selbstverständlich, dass alle Christen sich sofort voll und ganz auf den ankommenden Christus konzentrierten. Doch solche und weitere Phänomene könnten die Propheten ihrer Gemeinde gar nicht vorweisen. Also werden die Propheten eine hochgespannte Naherwartung vertreten haben. Ihretwegen sollte man, nun möglichst wörtlich genommen, wachsam und nüchtern (1Thess 5,6) leben und außerdem auch konsequenterweise die weltlichen Bindungen einschließlich der gewerbsmäßigen und regelmäßigen Arbeit schon jetzt aufgeben (2Thess 2,2; 3,6–12). Denn für den unmittelbar vor der Tür stehenden Tag bereit zu sein, ist jetzt die einzige angemessene Haltung. Nur so könne man sich weltabgewandt und konzentriert allein auf das Ende der Geschichte vorbereiten. Also sollte das örtliche Gemeindeleben möglichst weitgehend wie schon das Leben der Wandermissionare gestaltet werden (vgl. nur 1Kor 9,3– 6). Dass das Paulus widersprach (1Thess 4,11f), überlas man. Also gab es in der 2./3. Generation des Urchristentums wohl doch hier und da weiterhin die Naherwartung der Parusie, hier sogar verbunden mit einer Radikalisierung der Lebensführung. Dieses skizzierte Bild der prophetischen Gruppe ist allerdings nur eine stichwortartige Transponierung der polemischen Beschreibung vom Autor des 2Thess in die damalige geschichtliche Wirklichkeit. Eingedenk der Erfahrung, dass Polemiker, also auch der Autors des 2Thess, immer schnell dabei sind, sich parteilich im Fortlassen, Verzeichnen und Bewerten von Gegnern zu betätigen, wird man mit dem Ausbau solcher Rekonstruktionen immer vorsichtig und maßvoll umgehen. Darum unterlassen wir weitere Hypothesen bei der Gegnerkennzeichnung.
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Der Autor des 2Thess nun vertritt die damals wohl mehrheitlich verbreitete Position, dass die Parusie sich in der Tat erkennbar verzögert hat. Doch dies, so sein Urteil, ist gottgewollt und hat einen triftigen Grund: Es gibt nämlich ein »Muss« für diesen Tatbestand. Unter der Voraussetzung, dass der Geschichtsablauf vor dem Ende eine von Gott zuvor geplante Struktur besitzt, ist es heilsgeschichtlich notwendig, dass zunächst noch ein Verführer auftreten muss (formale Analogie: Mk 13,14–23). Dessen Aufgabe ist es, in den Gemeinden wahre Christen und nicht ernsthafte Christen offenkundig zu machen, also schon einmal in einer ersten Runde vor dem Endgericht einige Spreu vom Weizen zu trennen. Wenn dieses Geschehen seinem Höhepunkt zutreibt, wird der Herr erscheinen und diesen Verführer durch »den Hauch seines Mundes« töten (2Thess 2,8f). Man sieht: das ist eine typisch apokalyptische Position (vgl. zur Struktur Kapitel 11 und 15). So kann man sagen: Ein apokalyptisch orientierter Autor bekämpft einen enthusiastischen Standpunkt. Geistesverwandt mit den 2Thess ist in gewisser Weise der Autor des 2Petr, der wie der Autor des 2Thess auch mit einem Pseudonym arbeitete. Auch er benutzte andere Briefe, nämlich den 1Petr (2Petr 3,1) und noch viel intensiver den Judasbrief. Wann der Brief geschrieben wurde, lässt sich nur mit um 100 n.Chr. ungefähr angeben. An welche Gemeinden er sich richtete, sagt er nicht. Wegen 2Petr 3,1 kann man vielleicht an die asiatischen Gemeinden denken, die 1Petr 1,1, genannt sind. Der Verfasser traut sich nur eine schwache eigene Autorität zu, umso mehr stellt er den großen Petrus als Vertreter der christlichen Wahrheit heraus. Er begründet dies damit, dass Petrus Zeuge der Verklärung Christi gewesen sei, also ein herausgehobener und dem christlichen Ursprung verbundener Offenbarungsträger von besonders hoher Qualität (2Petr 1,16–21). Zu kämpfen hat der Verfasser, versteckt hinter diesem großen Petrus, gegen eine Gruppe von nach seiner Auffassung falschen Propheten und Lehrern (2Petr 2,1), die die traditionelle Endzeiterwartung skeptisch einschätzen (vgl. 2Petr 1,16.20f; 2,1; 3,3–5.9) und darum ein
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Lotterleben führen (2Petr 2,1ff). Sie lassen sich wohl auch für ihre Reden bezahlen (2Petr 2,3). Leider sind diese Andeutungen des Briefautors zur Skepsis der Gegner gegenüber der geltenden Eschatologie in den Gemeinden knapp und darum wenig hilfreich, um sie präzisieren zu können. Eine Möglichkeit wäre die Auffassung: Sich immer mehr dehnende Verzögerung der Parusie ist de facto ein Ausbleiben derselben. Ob sie vom späten Paulus (Kapitel 10) oder dem vierten Evangelisten (Kapitel 14) etwas wussten, kann nicht überprüft werden. Doch wie immer, es wird die Erfahrung der Verzögerung der Endereignisse bei ihnen eine wesentliche Bedeutung gespielt haben, weil Pseudopetrus dieses Thema polemisch und engagiert behandelt, wie gleich deutlich wird. Im Unterschied dazu beschreibt der Autor dann die Ausschweifungen der Propheten umso beredter und intensiver. Denn nach seiner Meinung gilt offenbar: Wer so liederlich lebt, diskreditiert sich selbst und kann keine christliche Wahrheit vertreten. Jedenfalls sind die Gegner des 2Petr so ungefähr das Gegenteil der Gegner im 2Thess. Etwas deutlicher ist, was der Autor dem inhaltlich entgegensetzt, und dabei entstehen indirekte Konvergenzen zum Verfasser des 2Thess. Zunächst einmal ist der Autor des 2Petr der festen Überzeugung, auf der Seite der christlichen Wahrheit zu stehen (2Petr 1,19). In diesem Sinn vertritt der den erwarteten Tag des Herrn als die entscheidende wahre Lehre. Die »Verzögerung« dieses Ereignisses sieht auch er. Allerdings besitzt sie für ihn einen tiefen Sinn. Einmal ist dieses Erlebnis des Ausbleibens ein allzu menschliches Urteil von einem falschen Maßstab her. Denn, von Gottes Seite her betrachtet, gilt: Bei Gott ist ein Tag wie tausend Jahre (2Petr 3,8). Zum anderen: Es ist Gottes Langmut, die geduldig zur Umkehr aufruft (2Petr 3,9), und Gott nimmt sich dankenswerterweise für seine Langmut bewusst viel Zeit. Dieser Inhalt der Verzögerung hat also für die Menschen etwas Gutes. Außerdem drittens: Das Ende kommt in jedem Fall für die Menschen plötzlich und unerwartet, wer weiß, vielleicht schon morgen (2Petr 3,5–7.10). Damit werden inhaltlich indirekt Jesu Aussagen zur Plötzlichkeit des En-
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des aufgerufen (vgl. Kapitel 3). Und letztlich: Der Autor erinnert im apokalyptischen Sinne an Gottes Geschichtsplan, in dem vorgesehen ist, dass in den letzten Tagen Spötter kommen werden (2Petr 3,3; vgl. sachlich 2Thess). Mit dieser Ankündigung werden die falschen Lehrer und Propheten (2Petr 2,1) identifiziert und zugleich demaskiert. Gott hat sie vorgesehen als Bewährung für die Gemeinde. Aber sie stehen auf der falschen Seite. Wie stellt sich der Verfasser nun selbst das Ende vor? Bei der Antwort geht es weiter apokalyptisch zu. Das Ziel ist »der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn Jesus Christus« (2Petr 1,11). Der endzeitliche Geschehensablauf dahin beginnt mit der Wiederkunft Christi (2Petr 1,16). Dieses Ereignis hat zur Folge: Es wird ein Gericht über alle Sünder stattfinden (2Petr 2,4–11). Außerdem werden Himmel und Erde (also die Schöpfung im Sinne von Gen 1,1) sich im Feuer auflösen und ein neuer Himmel und eine neue Erde werden entstehen, in der Gerechtigkeit wohnen wird (2Petr 3,10.12f). Das ist der erste christliche Beleg für einen umfassenden endzeitlichen Weltenbrand. Aus dem zunächst lokalen Gerichtsfeuer auf der Erde in der Verkündigung des Täufers und seiner Nachfahren ist nun ein Universalbrand geworden (vgl. auch die Diskussion zu Offb 21,1 in Kapitel 15). Zum Thema Auferstehung äußert sich der Verfasser des Briefes ähnlich wie Mk 13 (Kapitel 11), nämlich gar nicht. Das mag dem Schwerpunkt des Briefes geschuldet sein, denn verstorbene Christen werden er und seine Gemeinde aus Erfahrung kennen und für sie eine Lösung gefunden haben. Das Stichwortpaar »neuer Himmel« und »neue Erde« signalisiert wohl, dass die Heilsgemeinde auf der erneuerten Erde leben wird, eben dafür wird die Erde erneuert.
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Paulus schreibt den 1Kor aus Ephesus (1Kor 16,8) wohl 54/55 n.Chr., nachdem er seinen knapp zweijährigen Aufenthalt in Korinth (vgl. Apg 18,11) beendet und die Gemeinde wieder verlassen hatte. Der 1Kor ist damit der nächste Gemeindebrief des Apostels, der auf den 1Thess (Kapitel 7) mit rund vierjährigem Abstand folgte. Die zeitweilig diskutierte Aufteilung des 1Kor auf mehrere Briefe hat sich mit Recht nicht durchsetzen können. Immerhin ist der 1Kor jedoch über viermal so umfangreich wie sein Vorgänger nach Thessaloniki. Das hängt jedoch vor allem damit zusammen, dass Paulus sich im 1Thess nur einem einzigen aktuellen Problem zu stellen hatte. Im 1Kor sind es aufgrund der besonderen Lebendigkeit der Gemeinde jedoch erstaunlich viele Kontroversfälle, die Paulus zur Reaktion und gemeindeleitenden Hilfe herausforderten. So entstand ein Brief, den man auch innerhalb der antiken Briefkultur bei den recht umfangreichen einordnen wird. Glücklicherweise können wir uns angesichts unseres Themas hauptsächlich auf die Aussagen zu den Endereignissen im Brief konzentrieren, also liegt in jedem Fall unser Schwerpunkt auf 1Kor 15. Dieses Kapitel enthält dabei, wenn man die Aussagen mit 1Thess 4,13–18 vergleicht, schon auf den ersten Blick eine größere Zahl neuer Akzente, bei näherem Hinsehen durchaus auch nicht unwichtige thematische Innovationen. Liegt vielleicht sogar ein neuer Ansatz vor, von dem her Paulus die Thematik neu aufgearbeitet hat? Bei der Bewertung dieser Phänomene ist in jedem Fall zu prüfen, ob und wie Paulus sich selbst möglicherweise seit dem 1Thess in seiner theologischen Position weiter entwickelt und umorientiert hat. Man liest zwar immer wieder die allerdings ausschließlich als Postulat geäußerte Meinung, Paulus kön-
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ne sich in so kurzer Zeit von etwa vier Jahren eigentlich nicht in Grundfragen wie der Auferstehungsthematik in markanter Weise verändert haben. Aber dieses pauschal gesetzte und allein an dem (kleinen) Zeitfaktor orientierte Argument, ist nur wenig bis gar nichts wert. Grundsätzlich gibt es nämlich (oft glücklicherweise) die Möglichkeit, dass ein Mensch sich in erstaunlich kurzer Zeit verändern kann. Vor allem aber: Der Entscheid, ob und wie Paulus sich vom 1Thess bis zum 1Kor weiter entwickelt hat, kann im Übrigen nur über den konkreten und inhaltlichen Vergleich beider Texte geführt werden. Genau das wollen wir uns vornehmen. Wir nähern uns den Ausführungen in 1Kor 15 so, dass wir uns zunächst in zwei Arbeitsgängen auf die Aussagen dieses Kapitels zubewegen. Dazu betrachten wir als erstes die Proömien und die Briefabschlüsse des 1Thess und des 1Kor. Im 1Thess ist vom Proömium bis zum Briefschluss ein literarischer Bogen gespannt, der das Thema Erwartung des kommenden Herrn zur Rettung der Gemeinde als Inhalt besitzt (1Thess 1,10; 5,23f). Genau dasselbe geschieht nun auch im 1Kor, wenn man 1Kor 1,7–9 und 16,21 betrachtet. Denn mit dem Zitat des gottesdienstlichen Gebetes Maranatha an den erhöhten Herrn am Schluss des Briefes (vgl. Kapitel 5) wird der Abschluss des Proömiums in Erinnerung gerufen, wo der Wunsch artikuliert ist, dass die Gemeinde bis zum »Tag des Herrn« von Gott gestärkt werden möge. Die Zuversicht, dass dieser Wunsch in Erfüllung gehen wird, ist damit begründet, dass Gott treu ist, also die Berufung durch das Evangelium zur eschatologischen Gemeinschaft mit dem Herrn verwirklichen wird. Diese Parallelität in der Briefstruktur sagt unmissverständlich aus, dass Paulus und seine beiden Gemeinden durch die Hoffnung bestimmt waren, dass der Herr recht bald kommen wird (vgl. 1Kor 7,29.31; 10,11). Diese Naherwartung hat sich allerdings im Unterschied zu 1Thess 4,13 nach den Aussagen im 1Kor etwas entspannt. Denn nach 1Kor 15,6.18.29.51 ist die unerwartete Ausnahme zu früh verstorbener Gemeindeglieder bereits zu einer Dauererfahrung geworden, die schon problemlos geworden ist, selbst wenn Paulus und die Korinther immer
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noch annehmen, dass sie selbst als Lebende an der Parusie teilnehmen werden (1Kor 1,8; 10,11; 15,51f). Diese Tendenz in Richtung auf eine Langzeitlösung setzt sich bei Paulus nach dem 1Kor weiter durch, wie seine letzte Formulierung in dieser Sache in Röm 13,11 belegt. Bald darauf wird dann der Evangelist Mk (Kapitel 11) formulieren, dass nur noch einige gegenwärtig lebende Christen, also eine Minderzahl aus den Gemeinden, das machtvolle Kommen der Gottesherrschaft als Lebende erfahren werden (Mk 9,1). Damit hat sich das Verhältnis von gestorbenen und lebenden Christen zur Zeit der Parusie gegenüber dem 1Thess umgekehrt. Der Weg in die »Fernerwartung« ist nun inhaltlich vorbereitet und nicht mehr fern. Wo das Leben der Gemeinden sich in die Länge zieht, mehren sich recht schnell die Probleme mit der christlichen Lebensführung. Darum muss man sich nun nicht wundern, wenn Paulus den kommenden Herrn nach einem kleinen, mehr nebenbei anfallenden Hinweis in 1Thess 4,6 nun sehr oft und pointiert zum endzeitlichen Beurteiler der Christen erklärt, der die Taten derselben einzeln prüfen wird (vgl. Q in Kapitel 6). Allerdings wird solche Verteilung von Lob und Tadel nicht zum Heilsverlust führen (1Kor 3,15; 5,5). Auf diese Tätigkeit des kommenden Herrn geht der Apostel im 1Kor, wie gesagt, eigentlich permanent ein (1Kor 3,13–16; 4,4f; 5,5; 9,24–27; 11,29–32; vgl. auch 2Kor 1,14; 5,10). Weiter zeigt die besprochene Rahmung der beiden Briefe neben der Intensität der Naherwartung die perspektivische Orientierung beider Briefe auf die Gemeinden und ihr Lebensverständnis. Das hat beispielsweise zur Konsequenz, dass über das Schicksal der Völker und Israels nur hier und da und dann mehr nebenbei ein knappes Wort fällt. Dabei kann man die Position des Apostels im 1Thess so zusammenfassen (vgl. Kapitel 7): Das Urteil über die Völker war einhellig und pauschal negativ. Darum gab es für die Verstorbenen dieser Völker keine Auferstehung und für die Lebenden nur die göttliche Zorneshandlung, also das Vernichtungsgericht (1Thess 1,10c; 4,13). Auch über das gegenwärtige Israel als Heilsvolk war das Urteil nicht positiv (1Thess 2,16). Über das nicht mehr lebende Israel äußerte sich Paulus gar
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nicht. Doch wird man hier schon wegen Abraham (Gal 3; Röm 4) daran denken, dass ausgewählte Gerechte zum Endheil auferweckt werden. Dass die Vorgeschichte dieser Gesamtposition mit dem Täufer Johannes beginnt, haben wir kontinuierlich beobachtet. Nun kann man auch den 1Kor als ein weiteres Beispiel dieser Auffassung dazu stellen. Wiederum fallen nur wenige karge Worte mehr nebenbei. Die Grundregel lautet: Christen, durch das Evangelium zur endgültigen Gemeinschaft mit Christus berufen, werden aufgrund der Treue Gottes am Endheil teilnehmen (1Kor 1,7–9), d.h. auferweckt oder (so erstmals bei Paulus in 1Kor 15) verwandelt werden. Demgegenüber fällt das Urteil über die Völker pauschal und wiederholt negativ aus (1Kor 1,23; 2,8.14; 5,13; 6,9f; 10,14; 11,32 usw.). Dass hierbei vornehmlich die Verehrung der Götter zu diesem Urteil führt, kann aus 1Kor 8,4–6 erschlossen werden und wird durch die letzte Äußerung des Paulus in Röm 1,18–32 bekräftigt. Wegen dieses eindeutigen Urteils ist anzunehmen, dass Paulus sich in diesem Fall gegenüber seiner Position aus dem 1Thess nicht verändert hat. Israel wird nur einmal etwas ausführlicher als Negativbeispiel herangezogen (1Kor 10,1–11). Ein Wort über die verstorbenen Erzväter und Gerechten aus Israel sucht man auch im 1Kor vergeblich. Aus 2Kor 11,4–26 kann jedoch erschlossen werden, dass Paulus auf seinen Missionsreisen auch Synagogen zur Gewinnung für Christus aufgesucht hat, sonst wäre er wohl kaum so oft mit synagogalen Strafen bedacht worden. Er hat sein Volk (vgl. Phil 3,5f) also nicht einfach unbeachtet gelassen, sondern versucht, Israeliten für den Glauben an Christus zu gewinnen. Aber zu einer eigenständigen Thematik (wie in Röm 9–11) ist das Schicksal Israels noch nicht geworden. Wir kommen nun zu dem zweiten Arbeitsgang, mit dem das Verständnis von 1Kor 15 vorbereitet werden soll. Es geht dabei um eine grundsätzliche Äußerung des Apostels, die die konstitutionellen Bedingungen anspricht, unter denen seiner Auffassung nach eschatologische Zukunftsaussagen besprochen und bewertet werden sollten. Auf solche grundsätzliche Problemstellung stießen wir bisher bei keinem der Autoren und Texte, die wir in den Kapiteln 2–7 besprachen,
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selbst im paulinischen 1Thess nicht. Auch beim Fortgang unserer Untersuchung werden wir auf keine wirklich analoge Ausführung eines christlichen Autors stoßen (vgl. auch die Kapitel 11ff). Diese grundsätzliche Äußerung steht 1Kor 13,8–13 (vgl. dazu auch 2Kor 4,17f und Röm 8,24–28) und lautet: »(8) Die Liebe fällt niemals in sich zusammen. (Doch) seien es Prophezeiungen – sie werden zunichtewerden; (oder) seien es Zungen(reden) – sie werden sich auflösen; (oder) seien es Erkenntnisse (des Glaubens) – sie werden zunichtewerden. (9) Denn nur in Beschränktheit (können) wir (überhaupt in der Jetztzeit) erkennen, und nur in eingeschränkter Weise können wir (unter gegenwärtigen Bedingungen) prophezeien. (10) Wenn jedoch das Vollkommene sich einstellt, dann wird die Eingeschränktheit zunichtewerden. (11) Als ich ein Kind war, urteilte ich (in eingeschränkter Weise) wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. (12) Denn jetzt sehen wir durch einen Spiegel ein (gebrochenes oder undeutliches) Bild, dann jedoch (sehen wir) von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist meine Erkenntnis von begrenztem Maß (analog der Urteilsfähigkeit eines Kindes), dann aber werde ich vollständig erkennen, wie ich auch (von Gott selbstverständlich längst) vollständig erkannt worden bin. (13) Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die Größte von diesen ist jedoch die Liebe.«
Die Trias in der Reihenfolge »Glaube, Liebe, Hoffnung« war für Paulus schon im 1Thess (vgl. 1Thess 1,3; 5,8) wichtig und diente ihm sogar zur Strukturierung seines Briefes nach Thessaloniki. Man darf zuversichtlich vermuten, dass sie dem Apostel aus seiner antiochenischen Zeit vertraut war. Dass er in 1Kor 13,13 die Liebe an das Ende der Reihung stellt, hängt mit dem »hohen Lied der Liebe« zusammen, das er 1Kor 13 anstimmt: Der Liebe sollte im endgerichtlichen Zusammenhang (1Kor 13,1–3) das letzte Wort zustehen. Der eben zitierte Schlussabschnitt dieses Lobes führt nun in eine Thematik, die im 1Thess noch nicht anzutreffen war. Nun wird nämlich unter dem Licht der Vollendung abgeklärt, dass die Liebe aus der Trias allein und ausschließlich auch im Eschaton maßgeblich und beherrschend sein wird. Denn ohne Liebe gibt es nach Paulus keine vollkommene Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch (2Kor 13,11.13;
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Röm 5,5), Christus und den Menschen (2Kor 5,14; Röm 8,35) und zwischen den Menschen untereinander (1Thess 3,12; 1Kor 16,14; Gal 5,13.22). Nun wird man freilich Paulus nicht so verstehen dürfen, dass er das, was seine christlichen Gemeinden jetzt an Prophetie (Hoffnungsinhalten), Zungenreden und Erkenntnissen (des Glaubens) in der Zeit vor der Parusie erleben (1Kor 15,23), als ganz unbefriedigend einstuft und damit für nahezu nutzlos einschätzt. Nein, Paulus kann z.B. in 1Kor 2,6–12 die durch Gottes Geist in der Jetztzeit kurz vor dem Ende geoffenbarte soteriologische Erkenntnis aufs höchste preisen! Ja, er versteht solche Erkenntnis als Einblick in die »Tiefen Gottes«, wo dessen Heilswille, bezogen auf das Geschick Jesu Christi, zuhause ist. Aber in der Vollendung, also nach dem Übergang aus der »Kindheit« in den Status des Erwachsenen (1Kor 13,11), werden diese Gaben durch die Zueignung der neuen Existenzweise (vgl. die Rede vom »geistlichen Leib« 1Kor 15,46) und das dadurch ermöglichte direkte Schauen Gottes »von Angesicht zu Angesicht« (1Kor 13,12) ihre Werthaltigkeit verlieren und qualitativ übertroffen werden. In der adamitischen Lebenszeit (1Kor 15,45.47) sind sie jedoch für das Gemeindeleben unbedingt wichtig, da sie wenigstens in begrenzter Weise erahnen lassen, wie und was Vollendung sein wird. Aber trotz aller hochgeschätzten Geistesgaben fällt alle gegenwärtige christliche Erkenntnis etwa über Gottes Heilsplan und seine Vollendung ausnahmslos unter das ärgerliche Reizwort der qualitativen »Begrenztheit« gegenüber dem »Vollkommenen« (1Kor 13,10). Dieses Urteil signalisiert zweierlei: Solcher Erkenntnisweg ist nicht nur durch die nahe Parusie terminiert, sondern vor allem der Qualität nach »Stückwerk« oder – um 1Kor 13,10f aufzugreifen – »kindlich« unvollkommen. Das liegt daran, dass selbst die geistbegabten Glaubenden in Korinth niemals die auf die Christen wartende himmlische Vollendung unmittelbar durch einen direkten Blick wahrnehmen können, sondern unter irdischen Bedingungen allenfalls fähig sind, wie durch einen (antiken und nicht modernen) Spiegel, der nur ein gebrochenes und indirektes Bild abgeben kann, zu sehen und zu erkennen. Diese paulinische Einschätzung der
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antiken Spiegel aus Kupfer, Bronze, Silber und auch Obsidian wird verständlich, wenn man bedenkt, dass das auf sie fallende Licht von diesen Materialien nur mit etwa 20% reflektiert wurde. Mit dem Jahrhunderte späteren Aufkommen der Glasspiegel war sehr schnell klar: Die alten Spiegel verloren auf der ganzen Linie. Wir verlassen für einen kleinen Augenblick 1Kor 13 und werfen einen kurzen Blick auf die Ausführungen des Apostels zu seinen eigenen geistlichen Erfahrungen, auf die er in seinen Briefen zu sprechen kommt. Alle diese Äußerungen, also seine ausführlichen Angaben zu seiner Berufung (1Kor 15,8–11; Gal 1,11–17; Phil 3,2–14) und zu seinen sonstigen visionären Erlebnissen (2Kor 12,1–10; Gal 2,2), haben eines gemeinsam. Sie sind ganz im Sinne von 1Kor 13 nie darauf aus, die himmlische Welt oder himmlische Gestalten zu beschreiben, schon gar nicht Gott (wie z.B. in Jes 6,1–4; Ez 1–3; Dan 7,9–10) oder den erhöhten Herrn (wie z.B. in Offb 1,12–18). Sie konzentrieren sich nämlich auf die worthaften Inhalte und auf die irdischen Folgen für das Leben des Apostels (1Kor 15,9–11; 2Kor 12,7–10; Gal 1,11–16; Phil 3,7–12). Paulus kann sich also über die Grundgewissheiten seiner apostolischen Existenz auslassen, wie sie sich nach seiner Auffassung aufgrund von Transzendenzerfahrung einstellten, aber Gemälde der himmlischen Welt sind ganz gewiss nicht seine Sache. Man wird nicht fehl gehen, dass dies mit den Grundansichten zusammen hängt, die er in 1Kor 13,8–13 entfaltet hat. Man darf außerdem diese Ausführungen getrost die älteste theologische Erkenntniskritik nennen, die das Christentum besitzt. Hätte sich etwa der Apokalyptiker Johannes beim Abfassen seines Werkes danach gerichtet (Kapitel 15), wären seine Ausführungen zur himmlischen Welt sicherlich erheblich zurückhaltender ausgefallen, um es sanft zu formulieren. Kehren wir zu 1Kor 13 zurück, so wird man urteilen: Mit der Formulierung, erst in der eschatologischen Endgültigkeit Gott »von Angesicht zu Angesicht« schauen zu dürfen (1Kor 13,12), wird von dem Paulus des 1Kor das Heilsziel der christlichen Erlösung gegenüber dem 1Thess offenkundig grundlegend neu bestimmt. Ausnahmslos alle bisher
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besprochenen Traditionen und Texte einschließlich 1Thess 4,13ff orientierten sich nämlich bei der Enderwartung an der Vorstellung, dass Gott unsichtbar im Himmel weilt und auch in der Vollendungszeit dort für immer bleiben wird, ohne von seinen irdischen Geschöpfen je geschaut werden zu können. Mag die Vision des Stephanus (Kapitel 5) dabei eine begrenzte Ausnahme sein, so gilt doch auch für sie: Gott wird nicht beschrieben, und statt von Gott erwartet Stephanus ein Eingreifen des Menschensohnes zugunsten der Gläubigen. Diese durch Dan 7,13f vorgegebene Gestalt des Menschensohnes wird an Gottes Stelle jeweils der personale Bezugspunkt der eschatologischen Heilsgemeinde sein (für den Täufer nur indirekt erschließbar), mit dem diese face to face kommunizieren kann. Die Hoffnung im Eschaton Gott selbst von Angesicht zu Angesicht schauen zu dürfen, entstammt hingegen einem ganz anderen Traditionszusammenhang als Dan 7, nämlich einigen Varianten der alttestamentlichen Interpretation der Mosegestalt. So bekundet etwa Gott nach einem Text, nämlich nach Num 12,6–8, dass er sich den Propheten Israels nur durch Visionen und Träume offenbarte (vgl. 1Kor 13,8f), jedoch ausschließlich mit Mose »von Mund zu Mund, und nicht nur in Schauungen und Rätseln (d.h. dunklen Worten)« geredet habe (vgl. 1Kor 13,12). Ja, Mose durfte sogar die göttliche Gestalt sehen (Num 12,8), also erstaunlich unmittelbar mit Gott verkehren. Zieht man im Sinne dieses Textes und im Sinne des Paulus aus dieser Aussage die Folgerung, dass das ganze Volk Israel, bzw. die Christen ausnahmslos nur zu gebrochener Gotteserkenntnis fähig waren und sind, dann befindet man sich sachlich in unmittelbarer Nähe bei einem wesentlichen Grundgedanken unseres Ausgangstextes in 1Kor 13,8f. Eine zweite Tradition zu Mose (Ex 33,12–23) besagt, dass Mose die Gestalt des Herrn zwar nicht sehen durfte, denn kein Mensch, der Gott sieht, bleibt am Leben. Aber Mose durfte unter bestimmten Vorsichtsmaßnahmen dann doch Gott wenigstens hinterher schauen. Als Mose dann vom Berg Sinai zu seinem Volk zurückkam, strahlte sein Angesicht so kräftig, dass sich Israel vor ihm fürchtete, sodass Mose eine »Hülle« auf
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sein Gesicht legen musste. Diese traditionellen und nicht einheitlichen Gesamtaussagen über Mose hat Paulus auch in 2Kor 3,4–18 verarbeitet. Auf eine weitere eigenständige Gestaltung der Mosetradition stößt man übrigens noch im vierten Evangelium. Nach Joh 1,17f gab Mose Israel das Gesetz, jedoch Jesus Christus brachte Gnade und Wahrheit, weil er allein (also trotz Num 12,8 auch nicht Mose) Gott gesehen hat (vgl. Joh 5,37), und aus der unmittelbaren Nähe Gottes kommt (Joh 5,19–23), ja mit Gott so eins ist, dass wer ihn sieht, den Vater sieht (Joh 14,9–11). In 1Kor 13,12 wählt Paulus eine abermals andere Weise, Grundgedanken der Mosetradition zu verwenden: Waren die alttestamentlichen Aussagen zu Mose, die eben zur Sprache kamen, Begründungen zur besonderen Autorität des Mose, und die johanneischen Aussagen die Fundamentierung der exzeptionellen Autorität Jesus, so geht Paulus nochmals einen eigenständigen und neuen Weg beim Gebrauch der Mosetradition. Er eschatologisiert Stichworte derselben, um sich zur Vollendungssituation der christlichen Gemeinden zu äußern: Kein irdischer Mensch kann Gott schauen, ohne zu sterben (Ex 33,20, vgl. auch 1Kön 19,11–13; Jes 6,5; Offb 1,17). Doch im Eschaton nach der Auferstehung, wenn die Menschen einen »geistlichen Leib« erhalten haben (1Kor 15,45f), werden die Erlösten, ohne tödlichen Schaden zu nehmen, (wie die Engel und natürlich der auferstandene Herr) Gott »von Angesicht zu Angesicht« schauen dürfen (1Kor 13,12). Ja, in diesem Schauen besteht ihre Vollendung. Das ist nun in der Tat ein neuer Ansatz nicht nur gegenüber 1Thess 4, sondern auch im Blick auf die bisher nachgezeichnete Linie vom Täufer Johannes bis zum ältesten Paulusbrief. Mit diesem Hintergrundwissen lohnt es sich, das theologische Konzept in den Ausführungen von 1Kor 15 aufzusuchen und dabei immer wieder auch zurück auf 1Thess 4 zu blicken. Eindeutig ist zunächst, dass der Apostel in 1Kor 15,1–19 wie in 1Thess 4,14 die christliche Ostererfahrung zum Ausgangspunkt seiner Ausführungen macht. Aber diese ist in 1Thess 4 dann doch nur für wenige entschlafene Christen persönlich relevant (1Thess 4,14b). Denn zu einer
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analogen »Verwandlung« der gegenwärtig lebenden Christen, fällt kein einziges Wort. Darum muss man schließen, die entschlafenen Christen werden analog zum Geschehen am Grab des Lazarus in Joh 11 in dieselbe Existenzweise zurück versetzt, wie sie die zur Zeit der Parusie lebenden Christen noch immer besitzen (vgl. Kapitel 3.5–7). Nur dem Auferstandenen eignet eine himmlische Existenzweise, die ihm durch seine Erhöhung zuteilwurde. Das ist in 1Kor 15 grundlegend anders geworden. Hier geht es um das Ziel für alle Christen, dass sie ausnahmslos einen »geistlichen Leib« erhalten (1Kor 15,44). Darum werden die verstorbenen Christen »auferweckt« und die lebenden Christen »verwandelt« (1Kor 15,50f), damit alle in gleicher Weise je in einem neuen geistlichen Leib wandeln und insoweit wie der Auferstandene und die Engeln in Gottes Nähe treten können. Unbeschadet der aktuellen Diskussionslage über die Position der korinthischen Gruppen, die wir hier nicht diskutieren wollen, ist Paulus zur Zeit des 1Kor positionell bestimmt durch ein gegenüber dem 1Thess neuem Heilsziel, nämlich dem Schauen Gottes »von Angesicht zu Angesicht« (1Kor 13,12; impliziert in 1Kor 15,28). Dieses erklärte Heilsziel hat für ihn zur zwingenden Folge, dass Gott zuvor die irdische Leiblichkeit der an Christus Glaubenden (nicht die der Menschheit) so verändern muss, dass sie beim Schauen seiner Herrlichkeit keinen tödlichen Schaden nehmen. Mit dieser Thematik von Auferweckung und Verwandlung beschäftigt sich der Apostel in einer bisher im Frühjudentum und frühen Christentum nicht bekannten Ausführlichkeit (1Kor 15,12–42). Damit reagiert der Apostel sicherlich auch auf die Diskussion in Korinth. Doch die Gedankenführung und der positionelle Standort, den er offen legt, sind dabei sein eigenes Konzept. Dazu gehört vor allem: Jeder Christ muss entweder in toto sterben oder vollständig verwandelt werden, und nicht nur sein Leib muss sterben, wobei dann seine Seele als Kontinuitätsbrücke dienen würde, die damit die persönliche Identität über den Tod hinaus gewährleisten kann (1Kor 15,35–38.42–48). Die Kontinuität ist vielmehr mit dem Gedächtnis Gottes gegeben, der alles weiß und kennt. Es mag gut sein, dass die Korinther Pau-
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lus noch gerne folgten, als er 1Kor 6,13 festhielt, dass »die Speisen für den Bauch und der Bauch für die Speisen« geschaffen wurden, jedoch Gott beide zunichtemachen wird (vgl. auch 1Kor 7,31). Denn sie setzen bei der Soteriologie, recht wahrscheinlich neuplatonisch beeinflusst, auf die Seele als Kontinuum. Wenn nun aber Paulus ihnen in 1Kor 15 erklärt, dass der ganze Mensch durch den Tod oder durch die Verwandlung endgültig und ganzheitlich sterben muss, dann wird ihnen diese Auffassung gewiss nicht unbedingt gefallen haben. Sicherlich: Die biologischen und astronomischen Analogien, die Paulus zugunsten seiner Position aufführt (1Kor 15,35–41), stellen für heutiges naturwissenschaftliches Wissen ohne Zweifel kein Erklärungspotential mehr bereit. Man kann auch ruhig offen lassen, wieweit sie in der Antike zustimmungsfähig waren. Doch das ändert nichts an der theologischen Position des Apostels, auf die er abzielt: Er tritt angesichts der ganzheitlichen Sterblichkeit des Menschen für die ganzheitliche Neuschöpfung ein (1Kor 15,36.40.42–49). Gott wird jeden Glaubenden zu einem »geistlichen Leib« (1Kor 15,44–49) auferwecken oder verwandeln, sodass dieser Mensch dann »das Bild des Himmlischen« (d.h. des auferstandenen Herrn) tragen wird (1Kor 15,49). Damit gehört der auferstandene oder verwandelte Mensch zur himmlischen Welt (vgl. 1Kor 13,12; 15,47f; auch Phil 1,23; 3,14.20). Hier ist damit seine neue Heimat (1Kor 15,47; 2Kor 5,1), und nicht mehr auf Erden, wohin alle bisher besprochenen Texte die endgültige Heilszeit lokalisierten. Paulus dürfte also der erste gewesen sein, der diesen Wandel vollzog. Nur damit ist für ihn die notwendige Voraussetzung für den Menschen gegeben, überhaupt Gottes Nähe von Angesicht zu Angesicht erfahren zu können, und zwar ohne dabei zu vergehen. Mit dieser Auffassung hat Paulus übrigens auch, ohne es wohl zu wissen, Jesu Erwartung eines endzeitlichen, doch eben irdischen Heilsmahles beiseite gestellt (vgl. Kapitel 3). Lässt sich trotz der beharrlichen Ausführlichkeit, mit der in 1Kor 15 die positive Zukunft der Christen besprochen ist, vielleicht noch etwas mehr über die Nicht-Christen und ihr Schicksal ausfindig machen, wo doch in den sonstigen
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Ausführungen im 1Kor, wie wir schon sahen, nur wortkarge Hinweise anzutreffen sind. Dabei geht es gezielt um die Ausführungen bei der Gegenüberstellung von Adam und Christus (1Kor 15,20–22). Dieser Text lautet: »Nun jedoch ist Christus von den Toten auferweckt worden als Erstling der Entschlafenen. Denn wie durch einen Menschen der Tod (kam), kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle (Menschen) sterben (müssen), so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.«
Steckt in diesen Ausführungen nicht die Vorstellung einer menschheitlichen Totenauferweckung (vgl. das doppelte »alle«), sodass nach diesem Geschehen alle auferweckten und alle lebenden Menschen gemeinsam durch ein göttliches Gericht in Sünder und Gerechte eingeteilt werden mit der Folge, dass nur die letzte Gruppe am eschatologischen Heil teilnimmt, die erste jedoch etwa durch Vernichtung bestraft wird? Wer Paulus so deutet, hat zwar das apostolische Glaubensbekenntnis auf seiner Seite, aber Paulus wohl doch falsch verstanden. Natürlich kann sich der Apostel gegenüber seinen Ausführungen im 1Thess (Kapitel 7) auch in diesem Fall umorientiert haben. Aber auch der 1Kor selbst spricht gegen ein solches Verständnis. Die von Gott bewirkte Auferstehung (und Verwandlung) ist nämlich eine Existenz mit einem »geistlichen Leib« (1Kor 15,44), ist ein neues Leben in »Unverweslichkeit« und »Herrlichkeit« (1Kor 15,42f), also Partizipation an der himmlischen Vollendung. Sie ist auch immer Hoffnungsgut speziell für die Glaubenden, die das Evangelium von Jesu Geschick angenommen haben. Damit beginnt Paulus seine Ausführungen eingangs von 1Kor 15 (vgl. auch 1Kor 1,7–9 usw.). Allein Christen dürfen auf die eschatologische Gabe des »geistlichen Leibes« hoffen, weil ihnen zugedacht ist, Gott zu schauen. Nirgends im 1Kor konnotiert die Vorstellung der Auferstehung je bei der Frage, in welchem Zustand (lebendig oder tot) sich die übrige Menschheit befindet, die von Gott gerichtet wird. Hier hat sich seit dem 1Thess bei Paulus nichts verändert. Dann wird man folglich 1Kor 15,20–22 (nicht ohne Seitenblick auf Röm 5,12ff) im Sinne des Paulus so
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verstehen: Adam hat durch seine sündige Tat den Tod als Folge in der gesamten Menschheit zur Herrschaft gebracht (vgl. 1Kor 15,56), weil alle Adamiten wie ihr Stammvater sündigten. Christus hat sündlos für die Menschen den Tod erlitten (1Kor 15,3). Darum kommen durch ihn für alle, die an ihn glauben, die Gaben der Gerechtigkeit und des ewigen Lebens. Die in knapper Formulierung daherkommende Antithese in 1Kor 15,20–22 ist also eine thetische Abbreviatur, die man in differenzierender Weise auslegen muss. So liegt dann auch keine Veranlassung mehr vor, die Abfolge in 1Kor 15,23: »Jeder wird (von Gott lebendig gemacht) in seiner eigenen (d.h. ihm zugewiesenen) Reihenfolge: Als Erstling Christus, danach die, die zu Christus gehören, bei seiner Parusie, dann das Ende (telos), wenn …«
unkonventionell zu verstehen. Nämlich so, dass mit Hilfe einer Sonderbedeutung von telos aus der Militärsprache (»die Legion der übrigen Soldaten«, d.h. die letzte Schlachtreihe, die noch in den Kampf geworfen werden kann) von Paulus die restliche, also die nicht-christliche Menschheit aufgerufen wird. Die nächste Parallele für den Gebrauch von telos liegt vielmehr in 1Kor 1,8 (vgl. auch 1Kor 10,11) vor, wo telos das (eschatologische) Ende meint. Also kann man festhalten: Paulus kennt überhaupt kein allgemeines Gericht Gottes über die Gesamtmenschheit, die je lebte. Vielmehr bleiben tote Nicht-Christen tot. Lebende NichtChristen unterliegen der Vernichtung (1Kor 2,6; 15,24–26). Mehr sagt Paulus nicht, denn sein Blick richtet sich nicht auf das Gericht, sondern auf die Erfüllung der christlichen Hoffnung für die Glaubenden. Werfen wir als letzten Arbeitsgang zu 1Kor 15 einen Blick auf die christologischen Aussagen! Die paulinischen Ausführungen beginnen mit dem Kernbereich des Evangeliums, dass nämlich der gekreuzigte und von Gott auferweckte Christus (1Kor 15,3–4) zahlreichen Zeugen erschienen ist (1Kor 15,5–11). Mit diesem göttlichen Handeln an ihm ist er »Erstling der Entschlafenen« (1Kor 15,20). Diese paulinische sprachliche Neuschöpfung avisiert, dass das göttliche auferweckende Handeln weiter gehen wird. Doch zeitlich
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muss der Erhöhte vor dem nächsten auferweckenden Handeln Gottes einen von Gott mit seiner Auferweckung erhaltenen Herrschaftsauftrag ausführen. Er soll »alle (nicht göttliche) Herrschaft und alle Kraft und Macht zunichtemachen« (1Kor 15,24). Und dabei soll er als Letzten den Tod besiegen (1Kor 15,26). Diese Aufgabe des Auferstandenen ist gegenüber dem 1Thess eine Novität. Ja, bisher zeigten alle urchristlichen Interpreten der Auferstehung Christi und seiner Parusie an einer speziellen Tätigkeit des Erhöhten gegenüber außermenschlichen Wesen zwischen Ostern und Parusie überhaupt kein Interesse. Es mag sein, dass die hoch gespannte Naherwartung dafür Verantwortung zu tragen hat, denn sie enthielt ja kein nennenswertes Zeitfenster für Aufgaben zwischen Christi Erhöhung und seiner Wiederkunft. Jedenfalls hilft nun die neue Aufgabe für den Auferstandenen, den sich dehnenden Zeitablauf mit Inhalt zu füllen: Die Gemeinde muss noch auf die Parusie warten, weil die Aufgabe Christi noch nicht abgeschlossen ist. Die inhaltliche Füllung dieser Aufgabe geschieht mit Zugriff auf Ps 110. In eigenständiger Weise wird dann als nächster der Christushymnus in Phil 2,5–11 von einer Selbstunterwerfung der kosmischen Mächte unter die Hoheit des Erhöhten reden (Phil 2,10). In 1Kor 15 geht es etwas kämpferischer zu: »alle Gewalt und alle Macht und alle Kraft« werden niedergerungen. Dabei darf man Paulus wohl nicht befragen, was das konkret für Gegenspieler Gottes sind (ist es eine formelhafte Wendung?), denn er will auf die Aussage hinaus, dass als letzte mythische Macht der Tod vernichtet wird (1Kor 15,26). Wenn diese Aufgabe erledigt ist, dann wird sich Jesus selbst Gott unterordnen, sodass Gott »alles in allem sein« kann (1Kor 15,28). Damit ist der Zeitpunkt erreicht, dass die Parusie stattfinden kann (vgl. 1Kor 15,24a.52). Als ihr Auftakt erfolgt (wie in 1Thess 4,16f) die Auferstehung und Verwandlung der Christen (1Kor 15,23b). Allerdings lesen wir dann von den Ausführungen in 1Thess 4, 16f nur noch das Einstiegssignal des Posaunenstoßes (1Thess 4,16; 1Kor 15,52), mit dem die Auferweckung und Verwandlung einsetzt (1Kor 15,52). Neu ist dabei, dass nicht nur wie in 1Thess 4 wenige entschlafene Christen
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auferweckt werden, sondern alle Christen, sei es durch Auferweckung oder sei es durch Verwandlung, die »Unsterblichkeit« erhalten (1Kor 15,54). Damit ist der Tod auch anthropologisch für die Christen insgesamt besiegt (1Kor 15,54f). So verdrängt die für Paulus aktuelle Aufarbeitung der Auferstehungsthematik die Schilderung der Parusie. Wie müsste sie angesichts der zu 1Kor 15 beobachteten Veränderungen gegenüber 1Thess 4 im Sinne des Paulus ausgesehen haben? Von der »Einholung« des kommenden Herrn durch die Gemeinde hat Paulus nie mehr gesprochen (vgl. Kapitel 7). Doch Paulus könnte in umformulierter Weise eine Bewegung zum Himmel beibehalten haben. Etwa so: Die Gemeinde vollzieht keine Einholung, um dann mit dem Herrn auf Erden zu leben, sondern der Herr geleitet sie in die himmlischen Sphären, wofür sie gerade von Gott durch sein auferstehendes Handeln fit gemacht wurde. Möglicherweise helfen dabei als Begleitpersonen die Engel (Mk 13,27; vgl. 1Thess 3,13). Mit etwas Fantasie kann man hinzufügen: In dieser so entstehenden himmlischen Gemeinschaft werden die geretteten Menschen sinngemäß dankbar bejubeln, was Paulus in 1Kor 15,54b–55 als Abschluss seiner Ausführungen formuliert: »Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« Wir beenden die Ausführungen zum 1Kor mit einem nur kurzen Blick auf den 2Kor. An keine seiner Gemeinden hat Paulus häufiger geschrieben als an die korinthische. Dieses Urteil gilt erst recht, wenn man im 2Kor eine redaktionelle Vereinigung mehrerer Briefe des Apostels diagnostiziert, die in den Jahren um 55/56 n.Chr. geschrieben wurden. Sie sind Zeugen dafür, dass die lebendige bis unruhige Gemeinde in Korinth den Apostel weiterhin intensiv beschäftigte. Doch sind nun die vom Apostel bearbeiteten Problemfelder ganz andere geworden. So ist etwa die christliche Erlösungshoffnung, konkret die Auferstehungsthematik, im Unterschied zum 1Kor überhaupt kein kontroverses Problem mehr. Nur einmal geht der Apostel auf sie etwas ausführlicher ein, indem er das Thema der endzeitlichen Verwandlung aus 1Kor 15 in 2Kor 5,1–10 anspricht, das er selbst als erster in die christliche Diskussion um die Auferstehung eingebracht
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hatte. Das geschieht, ohne die Stichworte Auferstehung und Verwandlung aufzurufen. Paulus arbeitet vielmehr mit einem neuen Sprachfeld, das anschaulich ist, aber auch seine Grenzen besitzt. Der Grundgedanke ist dabei dieser: Paulus begreift das irdische Leben als »Wandern« »fern von dem Herrn« (2Kor 5,6.9) in einer »irdischen Zelt(-Wohnung)«, dem Leib (2Kor 5,1). Dieses Zelt lebt dem Abbruch entgegen. In diesem Zustand sehnt sich der Apostel danach, »überkleidet zu werden« (2Kor 5,2.4) mit einer von Gott zubereiteten »ewigen Behausung aus dem Himmel« (2Kor 5,1f), damit »das Sterbliche vom Leben verschlungen wird«, und er »daheim beim Herrn« leben kann (2Kor 5,8). Auf der gegenwärtigen irdischen Wanderung will er, bis das Verschlingen seiner Sterblichkeit geschieht, so leben, dass es dem Herrn gefällt (2Kor 5,8), damit er, wenn er wie alle Menschen vor »dem Richtstuhl Christi« erscheint, mit dem Empfang von Lob rechnen kann (2Kor 5,10; vgl. 1Kor 1,8; 5,5). Diese persönliche Hoffnung formuliert er etwas zurückhaltender als gerade zusammengefasst. Doch zeigen Stellen wie z.B. 1Kor 9,17f; 15,10, wie er sein persönliches Geschick im Endgericht einschätzt. Dieses von Paulus nur einmal verwendete Bildfeld hat den Nachteil, dass der totale Bruch zwischen irdischer und himmlischer Existenz, wie er in 1Kor 15 so markant herausgearbeitet wird, jetzt im dunklen Hintergrund bleibt. Da im 2Kor sonst keine neuen Aspekte zum Thema Hoffnung aufgearbeitet werden, mag es genügen, nur knapp auf diese eine Stelle einzugehen und im Übrigen weiter die großen Entwicklungslinien zur Auferstehungsthematik in den Blick zu nehmen.
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Vor dem letzten und großen Brief des Apostels, dem Röm, gibt es nach der korinthischen Korrespondenz unter den echten Paulusbriefen nur noch den Phil, der sich auf unser Thema ausführlicher einlässt. Denn im Gal und Phlm stehen je andere Themen so beherrschend im Vordergrund, dass es in beiden Briefen außerhalb der paulinischen Aussageziele lag, in etwas ausführlicherer Darstellung über die Hoffnung nachzudenken. Doch werden wir auf die wenigen Aussagen zum Thema im Gal nach der Besprechung des Röm noch eingehen, weil, vom Röm her zurückblickend, sich diese besser zu einem Gesamtbild fügen (Kapitel 10). Beim Phil selbst steht allerdings noch das Problem an, dass er nämlich wohl doch nicht einheitlich ist, sondern aus zwei (weniger wahrscheinlich drei) Briefen des Apostels nachträglich zusammengesetzt wurde. Doch soll diese Thematik jetzt nicht in extenso ausdiskutiert werden. Denn ob man z.B. Phil 3,2–21 (+ 4,1.8f) als selbständigen Brief (Phil B) auffasst (dies ist der für unser Thema relevante Textzusammenhang), oder als einen thematisch eigenständigen Kapitel im jetzigen Phil, ist für unsere Fragestellung praktisch ohne Relevanz. Bedeutung gewinnt die Frage der Briefaufteilung erst, wenn man die geschichtliche Situation und den (zeitlich gestreckten) Gesamtdialog mit der Gemeinde begreifen will. Als Abfassungszeitraum für den einen oder (besser) für die zwei Briefe wird man am ehesten an ein Datum nach dem 1Kor und vor dem Gal und dem Röm denken. Eine präzisere Datierung bleibt sehr hypothetisch und bietet keinen Zugewinn für die inhaltliche Textinterpretation. Wer den Phil in seiner jetzigen Gestalt liest, tritt, von Phil 1,27–3,1 herkommend, mit Phil 3,2ff in eine ganz andere Welt, nämlich aus einer durch Freude, Harmonie und E inig
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keit geprägten Atmosphäre in eine übergangslos einsetzende harte Polemik mit unerwartet neuer Thematik. Dieser Vorstoß will die Gemeinde vor einer drohenden Gefahr judaistischer Agitation warnen, wie Paulus sie offenbar gerade mit der galatischen Gemeinde durchlebte. Inhaltlich spielt bei dieser verbalen Attacke in Phil 3 das aus der paulinischen Lebensgeschichte aufgebaute Selbstverständnis seines Christseins eine paradigmatische Rolle. Außerdem ist dabei dem Apostel die Ausrichtung seines und jedes christlichen Lebens auf das eschatologische Heilsziel sehr wichtig. Während den »Feinden des Kreuzes Christi« das »Verderben« droht (Phil 3,18), hofft Paulus für sich und die Gemeinde, aufgrund ihres gemeinsamen Glaubens an Christus zur »Auferstehung von den Toten« zu gelangen (Phil 3,11). Dieses Ziel beschreibt er dann Phil 3,20f so: »Unser Bürgerrecht ist in den Himmeln, von dort erwarten wir den Retter (d.h. den Herrn Jesus Christus), der den Leib unserer Niedrigkeit verwandeln wird, gleichgestaltet dem Leib seiner Herrlichkeit, gemäß der Kraft, sich das All unterwerfen zu können.«
Dieses Zitat hat formal ähnlich wie der Hymnus in Phil 2,5–11 in seinem Kontext sprachliche und sachliche Eigenheiten, die zu der Frage führen, wieweit Paulus hier selbst formuliert hat, oder ob er sich einer traditionellen Formulierung anschließt. Wir beschränken uns auf eine Kurzfassung dieser Erörterung. Ein erster wichtiger Punkt ist dabei die Beobachtung, dass nach Phil 3,21 nicht Gott, sondern in der christlichen Überlieferung überhaupt erstmals der »Retter«, also Christus, derjenige ist, der hier die Verwandlung/ Auferweckung der Christen vornimmt. In allen bisher erörterten Texten, einschließlich aller echten Paulusbriefe bis hin zu seinem letzten Brief, dem Röm (Kapitel 10), gehören Auferstehung und Verwandlung ohne Ausnahme allein zur Schöpfermacht Gottes. Besonders eindrücklich sagt das Röm 4,17. Auch Stellen wie Phil 1,6.11.28; 2,9.13.27; 3,9.11 sprechen eher dafür, dass Paulus genau diese Auffassung auch sonst in der Korrespondenz mit Philippi vertritt. Eine zweite Beobachtung: Nie verwendet Paulus das Verb, das Phil 3,21 für den Verwandlungsvorgang verwendet wird,
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irgendwo sonst für diesen Zweck, wobei mit diesem Stichwort doch wohl inklusiv die Auferstehung der Toten und die Verwandlung der lebenden Christen gemeint ist. Überhaupt gilt: Paulus redet von der Verwandlung neben der Auferstehung nur 1Kor 15,51f (Kapitel 9). Er dürfte diese Unterscheidung weiterhin im Kopf haben. Doch spricht er durchweg nur noch zusammenfassend von der Auferstehung (Sonderfall: 2Kor 5,1ff). Das geschieht auch vor dem obigen Zitat in Phil 3,11. So formuliert er Phil 3,11, dass er zur »Auferstehung der Toten« gelangen möge. Drittens: Die anthropologische Unterscheidung von einem »Leib der Niedrigkeit« und einem »Leib der Herrlichkeit« (Phil 3,21) erinnert eher an die Ausführungen des vorpaulinischen Hymnus in Phil 2,7f als an die paulinischen Äußerungen in Phil 3,3.8–11 unmittelbar vor Phil 3,20f. Und ein letzter Befund: Wahrscheinlich stammen das im Neuen Testament singuläre Stichwort des himmlischen »Bürgerrechts« und der von Paulus sonst nicht gebrauchte Hoheitstitel »Retter« gemeinsam aus einem im Hintergrund stehenden politischen Zusammenhang: So werden etwa römische Herrscher mit ihm geehrt, weil sie sich des Wohles der Bürger einer Regierungseinheit (z.B. eines Stadtstaates) annahmen. Ebenso kommt nun Christus als Retter aus dem Himmel, um die sterblichen Christen zu verwandeln, damit sie ihre Himmelsbürgerschaft antreten können. Dieses Verständnis legt es dann nicht nahe, den Titel Soter (Retter) mit Jesu Tätigkeit in 1Thess 1,10 in Verbindung zu bringen, wo der Sohn Gottes die Christen vor dem anstehenden Zorn (Gottes) »rettet«. Denn diese Aussage gehört in die Weiterentwicklung des seit dem Täufer Johannes angekündigten Zornesgerichts Gottes, von dem Phil 3,20f gar nichts gesagt ist. Der Soter bewirkt vielmehr, dass Christen aus einer durch Niedrigkeit gekennzeichneten Existenzweise heraus so verwandelt werden, dass sie das ihnen zugesprochene himmlische Bürgerrecht wahrnehmen können. Der Sohn Gottes in 1Thess 1,10 sammelt hingegen die Christenschar, ohne ihre Existenzweise zu verändern, zur Endzeitgemeinde mit sich selbst auf Erden (vgl. Kapitel 7). 1Thess 1,10 verdankt sich im Übrigen einer Variation der hellenistisch-christli-
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chen Menschensohntradition. Zu dieser gehören auch die Formulierungen in Phil 1,6.10f; 2,16; 3,11.14; 4,5. Nur Phil 3,20f lebt, wie gezeigt, von einem anderen Hintergrund. Damit ist schon die entscheidende Verstehungshilfe für Phil 3,20f herausgestellt. Dieses Traditionsstück, wie wir nun sagen können, besitzt im Phil eine markante Eigenständigkeit. Es steht zunächst in Bezug auf den endgültigen Heilsort von der Erde in den Himmel in Einklang mit dem Apostel, wie durch 1Kor 15 und 2Kor 5 bezeugt wird. Es besteht also in diesem Punkt eine klare paulinische Schülerschaft, da es vor diesen beiden Paulustexten aus dem frühen Christentum vor Phil 3 dafür überhaupt noch keine Analogien gab. Von Paulus zehrt natürlich auch außerdem die Verwandlungsthematik (1Kor 15), die Paulus gerade erst wenige Jahre zuvor in die frühchristliche Ausgestaltung der Hoffnung einbrachte. Mit etwas Fantasie kann man sich ausmalen, dass diese Tradition aus Phil 3,20f vielleicht sogar in Philippi entstanden ist. Paulus erfreut mit dem Aufgriff derselben dann seine Gemeinde, indem er sich ihre lebendige Eigenständigkeit aufweisende Konkretion der Hoffnung aneignet. Dabei mag offen bleiben, wie genau er das Gemeindeprodukt zitiert. Jedenfalls nimmt er sich beispielsweise bei Zitaten aus dem Alten Testament immer wieder Freiheiten bei der Textübernahme heraus. In solchen Fällen ist das allerdings in der Regel gut an der Septuaginta überprüfbar. Hingegen fehlt uns im Falle mündlicher Traditionsübernahme diese Möglichkeit. Theologiegeschichtlich ist, was die Gemeinde in Philippi noch nicht erahnen konnte, mit Phil 3,20f der erste Schritt getan, der zur johanneischen Christologie führen wird (Kapitel 14), wenn nämlich in Joh 5,19–23.26; 11,25; 14,6 allerdings schon der auf Erden wirkende Sohn Gottes beansprucht, Tote aufzuerwecken. Christologisch ist damit der Sohn Gottes seinem Vater gleich geworden (vgl. Joh 20,28). Auch verheißt der johanneische Christus mit einem zu Phil 3,20f sachlich zum Teil konvergenten Traditionsstück, dass im (himmlischen) Haus seines Vaters für alle Glaubenden Wohnungen bereit stehen, und dass er kommen wird, um die Gemeinde zu sich zu holen: Wo er ist, sollen sie ebenfalls leben (Joh 14,2f, vgl. Kapitel 14).
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Der Röm dürfte trotz seines respektablen Umfangs im Wesentlichen ein einheitlicher Brief sein, dessen strukturierter Aufbau zudem recht gut erkennbar ist. Nur über einige kleinere Ergänzungen aus der Zeit der Verbreitung des Briefes durch Abschriften mag man diskutieren. Später angefügt wurde jedoch in jedem Fall die Schlussdoxologie (Röm 16,25–27). Aus Röm 1,8–15; 15,22–29; 16,21–23 erfährt man recht Konkretes über die Briefsituation zu diesem letzten uns bekannten Schreiben des Apostels. Davon hier nur in knapper Form so viel: Die Sammlung der Kollekte für die Jerusalemer Gemeinde ist abgeschossen. Paulus weilt noch in Korinth, will aber nach Jerusalem aufbrechen, um die Geldspende aus seinen Gemeinden dort zusammen mit verschiedenen Gemeindegliedern abzuliefern. Er schreibt der römischen Gemeinde, um sein baldiges Kommen zu ihr anzukündigen, und um für seine Weiterreise nach Spanien von ihr Unterstützung zu erbitten. Diese Reise nach Rom und dann weiter gen Westen plant er, nach Ablieferung der Kollekte zu beginnen. Das führt, in die Biographie des Paulus eingezeichnet, etwa ins Jahr 56 n.Chr. Dass der Apostel bei seinem Besuch in Jerusalem dann in Haft genommen und nach einigem Hin und Her als römischer Gefangener nach Rom abtransportiert werden würde, konnte zur Zeit der Abfassung und auch des Empfangs des Röm natürlich noch keiner erahnen. Nur dass in Jerusalem die Gefahr bestand, es könnten bei den Abnehmern der Kollekte Probleme auftauchen, äußert der Apostel dann doch recht offen und besorgt (Röm 15,30f). Mit Hilfe von Apg 15,5 kann man diese Sorge vielleicht etwas mit Inhalt füllen: Judenchristen, die die Völkermission im antiochenischen und paulinischen Sinn ablehnten, könnten möglicherweise trotz der in der
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Christenheit allgemein bekannten Armut in den Jerusalemer Ortsgemeinden die Kollekte zurückweisen wollen, weil für sie Geld aus völkerchristlichen Händen aufgrund ihres Verständnisses der Tora kultisch unrein war. Damit wird der Röm zum letzten Brief des Apostels und, wie gerne zutreffend geäußert wird, zu seinem endgültigen Vermächtnis. Längst vor der Entstehung christlicher Gemeinden in Rom gab es in der Hauptstadt des römischen Reiches eine nicht ganz geringe Zahl an Synagogen. Sie entstanden als Nebeneffekt des regen Handelsverkehrs zwischen Rom und dem übrigen Reich. Auf dieselbe Weise kamen überhaupt immer einmal wieder Kulte aus dem östlichen Mittelmeerbecken nach Italien. Wohl auf dieselbe Weise und schon in der ersten urchristlichen Generation werden auch Christen den Weg nach Rom gefunden haben. Sie waren zunächst Judenchristen und blieben darum anfangs in die Synagogen eingegliedert. Doch das führte bald zu innersynagogalen Auseinandersetzungen und im Endeffekt zur Entstehung selbständiger christlicher Gemeinden. Für diese war damit auch (wie in Antiochia) der Weg frei, bei den Gottesfürchtigen an den Synagogen, jedoch ebenso unter der römischen Bevölkerung für das Christentum zu werben. Als Paulus den Röm schrieb, war indessen die Mehrzahl der Gemeindeglieder bereits völkerchristlich, doch die Zahl der Judenchristen immer noch beträchtlich (vgl. Röm 16). Auch gab es wohl Spannungen zwischen beiden Gruppen mit dem Schwerpunkt beim Gesetzesverständnis (vgl. beispielsweise Röm 14f). Darum wird es kaum zufällig sein, dass Paulus immer wieder im Verlauf seines Briefes auf das Gesetz und sein Verständnis zu sprechen kommt, ohne jedoch dabei die polemisch aufgeladene Diktion aus dem Gal fortzusetzen. Auch die eingangs des Röm in zwei Großabschnitten (Röm 1,18–32; 2,1–3,20) ausführlich ausgebreitete Erörterung, nach der die Völker und Israel zusammen unter dem »Zorn Gottes« stehen (Röm 1,18; 2,5.16; 3,9ff), und nur das Evangelium von Jesus Christus aus dieser Situation retten kann, wird die Zusammensetzung der römischen Gemeinden mit im Blick haben. Umgekehrt gibt es im Unterschied zum 1Thess und 1Kor auf römischer Seite offenkundig keinen
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akuten Gesprächsbedarf, sich über Inhalte der christlichen Hoffnung auszutauschen. Darum klingt dieses Thema im Röm meistens nur hier und da stichwortartig an und wird nur in zwei Fällen, nämlich in Röm 8 und 11,25–32, aus paulinischem Antrieb heraus ausführlicher behandelt, hier dann auch gleich zweimal mit unerwartet neuen Ausführungen. In Röm 1,1–17 stellt sich der Apostel den römischen Gemeinden vor, indem er sich als »Knecht Jesu Christi« ausweist, berufen als Völkerapostel zur Verkündigung des Evangeliums Gottes (Röm 1,1.5). Dieses Evangelium erfüllt die Verheißungen der Propheten. Es hat zum Inhalt Gottes Handeln am Ende der Geschichte durch seinen Sohn zugunsten der Menschheit. Es bezieht seine Kraft durch den in und mit ihm wirkenden heiligen Geist (Röm 1,4.9; 5,5; 8,2–6) und zielt auf die glaubende Annahme dieses Evangeliums durch die Menschen (Röm 1,3–5). Ohne die Annahme des Evangeliums stehen sie nämlich ausnahmslos alle weiterhin unter dem »Zorn Gottes« (Röm 1,18; 2,5). Durch das Evangelium erlangen die Glaubenden jedoch Frieden mit Gott und ewiges Leben (Röm 8,2ff). Damit hat der Apostel die Perspektive offen gelegt, unter der er den Brief zu schreiben gedenkt. Mit der Ausführung dieses Vorhabens beginnt er dann in Röm 1,18–3,20: Alle Adressaten des Evangeliums haben diese Heilsbotschaft bitter nötig, stehen sie doch ausnahmslos unter dem »Zorn Gottes« (Röm 1,18) und sammeln sich auf den Tag des Zorns, d.h. den Tag der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, Zornesreaktionen Gottes an (Röm 2,5). Damit bleibt sich der Apostel in der Einschätzung des Zustandes der Menschheit treu, blickt man beispielhaft nur zurück in seinen ersten Brief (1Thess 1,10; 2,16; 4,12). Ebenso bleibt es dabei, dass Paulus weiterhin durchweg nirgends ein Interesse zeigt, das Gericht und die endgerichtlichen Sanktionen auszumalen. Nur ausnahmsweise hatte er bereits in 1Kor 3,13–15 angedeutet, dass er an ein Gerichtsfeuer denkt. Gottes Zorn und das Gerichtsfeuer standen nicht nur schon, wie wir bereits sahen, beim Täufer als traditionelle Geschwister zusammen (Kapitel 2), sondern diese Vorstellung war offenkundig überhaupt weit verbreitet. Im deutlichen Unterschied zur Besprechung der
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positiven Seite der Enderwartung, d.h. der Ausführungen zur Auferstehung und zum ewigen Leben, bleibt Paulus also lebenslang bei der negativen Seite der Endereignisse wortkarg und traditionell. Er hat an dieser Frage durchweg kein spezielles Interesse, weil er die Aufmerksamkeit der Gemeinden auf das Heilsziel lenken will. Darum liegen auch Angaben, ob und wer aus der Zeit vor der Verkündigung des Evangeliums eventuell zu den Geretteten gehören könnte, außerhalb seiner Blickrichtung. Doch gibt es gleich mit Röm 1,18–3,20 dennoch eine Neuerung: Paulus hatte bisher immer nur mit wenigen Worten die selbstverschuldete Hoffnungslosigkeit der Menschheit anklingen lassen (ältestes Beispiel: 1Thess 1,10; 4,13). Im Röm macht er allerdings nun doch zur Begründung dieses Standpunktes breitere und differenzierte Ausführungen, beginnend mit dem endzeitlichen Geschick, das die Völker erwartet (Röm 1,18–2,16). Was er zu ihnen dann inhaltlich ausführt, ist in weitem Maße übernommene Kritik, wie sie aus dem Frühjudentum bekannt ist, nämlich Kritik an den polytheistischen Religionen und der dazu gehörenden negativen Lebensgestaltung. Die zu verurteilende Vielgötterei gehörte dabei durchweg an die vorderste Stelle. Mit ihr beginnt auch Paulus: Seit der Erschaffung der Welt kann nämlich nach dem Apostel des einen Gottes unsichtbares Wesen, also seine ewige Kraft und Gottheit, an seinen Werken ausnahmslos von allen Menschen erkannt werden (Röm 1,20). Doch haben die Völker erstens diese Erhabenheit des einen unvergänglichen Gottes herunterdividiert zu menschlichen und tierischen Quasigottheiten, die sie verehren (vgl. dazu 1Kor 8,5; 10,19f). Dies wiederum hatte zweitens dauerhaft und nachhaltig negative Folgen für ihr geschlechtliches und soziales Verhalten untereinander. Die Krönung dieses Verhaltens ist für Paulus schlussendlich, dass sie an diesen zu verurteilenden zweifachen Veränderungen auch noch bis heute ihre Freude haben (Röm 1,18–32). Hinter diesem Zweischritt steht wohl die unausgesprochene Auffassung, dass es für Paulus ohne wahre Gotteserkenntnis keine lebensdienlichen Regeln für gelungene Lebensentwürfe geben kann. In jüdischer Tradition formuliert: Der Gott Abrahams und die Inhalte der Tora des Mose gehören zusammen.
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Also stehen die Völker mit Recht vor ihrer selbstverschuldeten Bestrafung. Gott der Schöpfer wird ihnen allen darum nach ihren Werken vergelten (Röm 2,7f). Dann kommt Paulus zu seinen leiblichen Geschwistern (Röm 2,17–3,20). Sie haben für ihn den Vorzug, aus dem ihnen offenbarten Gesetz den Willen des einen und wahren Gottes zu kennen, und sind deshalb auch davon überzeugt, als Lehrer aller Unverständigen auftreten zu können. Doch schließt sich die paulinische Kritik unmittelbar an: Ihr Rühmen, Gottes Willen zu kennen, in allen Ehren! Allerdings entehren sie Gott durch ihre fortwährenden Übertretungen des Gesetzes (Röm 2,23). Mit diesem Zustandsbefund sind dann also alle, die Völker und die Juden, Sünder vor Gott, wie Paulus in Röm 3,10–18 mit einem Zitat aus Ps 14,1–3 seine Ausführungen zusammenfasst. Und in diesem Zustand sind sie alle verloren und ohne Hoffnung auf ein Leben in der Vollendung. Das Evangelium (Röm 1,1–4.16f) stößt also auf eine ausnahmslos erlösungsbedürftige Menschheit. So meldet sich die Frage: Mit welchem Inhalt und welcher Überzeugungskraft bewirkt dieses Evangelium, dass Menschen von ihrer sündigen Existenz gerettet werden können, um in diesem Leben Gott wohlgefällig zu leben und dann an der Vollendung teilnehmen zu können? Das entfaltet der Apostel in verschiedenen Gedankenschritten in Röm 3,21–8,29 und verwendet dabei die schon aus dem Gal und Phil bekannte Rechtfertigungssprache: »Alle (Menschen) sind Sünder (vor Gott) … und werden von ihm gerecht gesprochen ohne Verdienst durch seine Gnade aufgrund der Erlösung, die durch Jesus Christus geschah« (Röm 3,23f; vgl. weiter Röm 5,1f; 8,11; 10,9).
Nur wer dieses verkündigte Evangelium aufgrund seiner inneren Kraft, also dem heiligen Geist (Röm 5,5f; 7,6; 8,2ff), im Glauben annimmt, hat begründete Hoffnung, nach dem durch das göttliche Gericht herbeigeführten Ende der jetzigen Geschichte mit dem Herrn und in der Gemeinschaft mit allen Glaubenden für immer und in besonderer Lebensqualität zusammenzuleben. Das ist für Paulus seit 1Thess 4,17;
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5,9f die Kernaussage zum Verständnis des ewigen Lebens. Von dieser Vollendung redet dann auch der letzte Abschnitt aus Röm 3,21–8,39, nämlich Röm 8,1–39, an erwarteter Stelle und in ausführlicher Weise. Wer nun allerdings sich darauf eingestellt hat, Paulus werde wie bisher mit begrenzter Variationsbreite letztmalig seinen Standpunkt zur Frage nach der Hoffnung der Christen in immer noch erkennbarer Kontinuität, wenn auch mit Variationen zu seinen Ausführungen von 1Thess 4 bis Phil 3 (Kapitel 7–9) aufzeichnen, wird nur Weniges wahrnehmen, was solche Fortsetzung zum Ausdruck bringt. Denn der Apostel formuliert mit Hilfe eines neues Ansatzes und zeigt dabei (ohne es selbst wissen zu können) erstaunliche Nähe zum Evangelisten des vierten Evangeliums (Kapitel 14). Eine grundlegende Beobachtung ist dabei, dass ein kosmisches Erscheinungsgeschehen des Auferstandenen vor aller Welt, also seine Parusie aus der paulinischen Darstellung von Röm 8, ja aus dem Röm überhaupt, ganz herausgedrängt ist. Man erinnere sich beispielsweise nur, wie Paulus im 1Thess und 1Kor (Kapitel 7–8) am Anfang und Schluss dieser beiden Briefe das Hoffen auf die nahe Parusie des Herrn als Zentralaussage der Hoffnung hervorhob und dann jeweils innerhalb dieser Briefe ausführlich auf dieses kosmische Geschehen vom Himmel her einging. Im Röm muss man schon etwas beharrlicher suchen, ehe man überhaupt einen einzigen und zumindest auf den ersten Blick möglicherweise diskutablen Hinweis auf ein endzeitliches Kommen des Herrn vom Himmel her auf die Erde ausfindig machen kann. Denn es gibt dafür nur einen vagen und indirekten Beleg im paränetischen Zusammenhang von Röm 13,11–14. Dieser Text lautet: »Und das (nämlich das Liebesgebot aus Röm 13,8–10) lasst uns tun im Wissen um den Kairos, dass für uns die Stunde, aus dem Schlaf aufzustehen, schon da ist. Denn jetzt ist unser Heil näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist genaht. Darum lasst uns die Werke der Finsternis ablegen …«
Das ist dem Typ und zum Teil der Motivik nach eine Paränese, wie wir sie z.B. auch in 1Thess 5,1–11 nachlesen können.
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Es ist zudem die einzige Äußerung im Röm, die, freilich nur noch recht verhalten, Naherwartung thematisiert. Diese ist in den Dienst gestellt zur Motivation der Gemeinde, den göttlichen Willen in ihrer jetzigen christlichen Lebensführung beharrlich zu erfüllen. Ein selbständiges Eigenproblem, das dringend wie in 1Thess 4,13.15 (vgl. Kapitel 7) mit ihr gelöst sein will, trägt dieses Anklingen der Naherwartung jedenfalls nicht im Gepäck. Nun ist außerdem vom nahenden »Tag« nur ganz formal und inhaltsarm gesprochen. So ist speziell vom Kommen »des (auferstandenen) Herrn« und »seinem« Tag in diesen Versen gar nichts zu lesen. Nur mit einem Seitenblick z.B. auf 1Thess 1,10, wo Gottes endzeitlicher Zorn allen Götzendienern und Sündern angedroht wird, jedoch sich der Parusiechristus gleichzeitig als Retter speziell der Glaubenden betätigt, könnte man, auch in Röm 13,11f an diesen kommenden Retter denken und ihn stillschweigend im Hintergrund dieses Textes anwesend sehen. Dieses exegetischen Weges, also auf die Parusieaussagen der anderen Paulusbriefe zu verweisen, bedienen sich natürlich vor allem diejenigen Ausleger, die vorab entschieden haben, der Apostel könne sich nicht hier und da auch einmal theologisch ganz neu orientiert haben (vgl. Kapitel 8). Zu dieser Position würde in diesem konkreten Fall und im Blick auf 1Thess 1,10 sogar auch passen, dass im Röm ausnahmslos nur der Schöpfergott derjenige ist, der alle Sünder im Endgericht aburteilen wird (Röm 1,18; 2,2–11; 3,4f.23; 5,9; 9,15–18; 12,19 usw.). Allerdings ist nun nach dem Röm neu, dass im Unterschied zu 1Thess 1,10 jetzt auch die Christen vor Gottes (!) Gericht erscheinen müssen (Röm 14,10–12), selbst wenn sie im Endeffekt das ewige Leben erhalten werden (Röm 8,19ff). Vor allem im 1Kor war solche Beurteilung der Christen noch dem Sohn Gottes bei seinem endzeitlichen Kommen zugeordnet (Kapitel 8). Dazu gibt es im Röm jedoch überhaupt keine Entsprechung mehr. Damit ist dann allerdings konsequenterweise auch die Deutung von Röm 13,11–14 auf die Parusie Christi schon im Ansatz in Frage gestellt. Denn allein die Auslegung dieses Textes auf den allgemeinen Gerichtstag Gottes passt zum Gesamtbefund des Röm problemlos. Also wird man als Mei-
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nung des Paulus annehmen: Gott der Schöpfer (Röm 1,20; 4,17) beurteilt am Ende der Geschichte (vom Himmel aus?) ausnahmslos alle seine Geschöpfe, indem er wie einst bei der Erschaffung das erste so auch nun am Ende der Geschichte das letzte Wort über sie ausspricht. Im Übrigen: Auch die Vernichtung Satans (Röm 16,20) wird im Röm zu Gottes erwartetem Werk. In 1Kor 15,23f z.B. entmachtete noch der Auferstandene die mythischen Mächte. Im Röm dürfte der Apostel also recht konsequent den vollen Umfang des Endgeschehens auf Gottes Seite kumuliert haben. Da Gott außerdem alleiniger Geber des irdisch-geschöpflichen und des ewigen Lebens ist, ist die Beteiligung des Sohnes am Endgericht auch gar nicht erforderlich. Also sollte der Leser des Röm nicht erstaunt sein, wenn er in ihm keinen Beleg für eine Parusie des Auferstandenen findet. Wo und wie dann das ewige Leben von den Erlösten gelebt wird, bleibt weiterhin unanschaulich. Klar ist jedoch, dass die jetzt schon gegebene Gabe des Geistes Glaubende zu »Kindern Gottes« macht, und dass der, der Christus von den Toten auferweckte, auch diese Kinder Gottes lebendig machen wird durch seinen Geist, der in den Glaubenden wohnt, sodass sie zu »Erben Gottes« und »Miterben Christi« werden (Röm 8,11.14.17.23–25). Die im Röm also überhaupt nicht mehr thematisierte Parusie des auferstandenen Herrn lässt fragen, welches christologische Konzept Paulus dann im Röm entfaltet. Dazu sammeln wir wenigstens einige Stichworte: Der von Gott gesandte Sohn gehört seiner irdischen Herkunft nach zum Geschlecht Davids (Röm 1,3). Besonders gewichtig ausgearbeitet ist sein von Gott inszenierter Heilstod (Röm 3,21–26; 5,12–21; 8,3f usw.). Aspekte seines sonstigen irdischen Lebens bleiben (wie auch sonst bei Paulus) unerwähnt. Seine Auferweckung durch Gott (Röm 1,4; 10,9 usw.) und seine Einsetzung zum himmlischen Sohn Gottes (Röm 1,4) sind für Paulus die nächsten soteriologisch relevanten Etappen seines Lebens. Der Tod hat nun keine Herrschaft mehr über ihn (Röm 6,9f). Kraft seiner Erhöhung wirkt der Erhöhte dann etwa bei der Ausrichtung der paulinischen Mission mit (Röm 15,18), tritt vor Gott zugunsten der Glaubenden ein
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(Röm 8,34) und ist den christlichen Gemeinden überhaupt verbunden (Röm 14,7–9). Mit diesem unsichtbaren Wirken unterstützt er den Erfolg des Evangeliums, dessen Inhalt er ja selbst ist, und auch den Weg der Gemeinden unter diesem Evangelium. Christus ist endlich nicht nur Herr über die gegenwärtig lebenden Gemeindeglieder, sondern auch über die Christen, die vor dem Gerichtstag Gottes sterben. Sie gehen nicht verloren, sind vielmehr in seiner Obhut (Röm 14,7–12). Christi Herrschaft ist also konsequent und ohne Ausnahme gemeindeorientiert beschrieben, nicht aber als ein kosmisches Herrschen z.B. über die Mächte in der Schöpfung (Phil 2,10; vgl. auch 1Kor 15,25–28). Nach dem göttlichen Endgericht endlich bleiben die Erlösten und ihr Erlöser auf besondere Weise verbunden (Röm 8,29ff). Dieses in sich schlüssige Modell ist ein christologisches Konzept, das strukturell der Paulus vorgegebenen und vom ihm zitierten Bekenntnistradition in Röm 1,3f entspricht. Denn vor allem: auch sie spricht ebenfalls nicht von einer Parusie des Herrn (das tut übrigens auch der Hymnus in Phil 2,6– 11 nicht). Endlich erweist sich das christologische Konzept des Römerbriefes auch gegenüber der johanneischen Christologie des vierten Evangelisten eben wegen der nicht mehr thematisierten Wiederkunft Christi strukturell als ähnlich (Kapitel 14), ohne dass es zwischen beiden Christologien damals direkte inhaltliche Kenntnisnahmen gab. Nach diesen Abklärungen wenden wir uns nun dem Hauptthema aus Röm 8 zu. Für den Apostel stehen seine Darlegungen dazu unter einem Vorbehalt, den Paulus innerhalb seiner Ausführungen, nämlich in Röm 8,24f, selbst anspricht, wenn er hier schreibt: »Denn (nur) auf Hoffnung hin sind wir gerettet worden. Eine Hoffnung jedoch, die man sieht (die also wie ein gegenwärtiges Objekt betrachtet werden kann), ist gar keine Hoffnung. Denn was jemand sieht, warum sollte er es noch erhoffen (denn er sieht es ja schon vor sich)? Wenn wir dagegen hoffen, was wir (gegenwärtig) noch nicht sehen (können), so warten wir darauf mit Geduld.«
Das lässt die Erinnerung an 1Kor 13,8–13 wach werden (vgl. dazu Kapitel 8; vgl. noch 2Kor 4,18), wo Paulus sich erstmals
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in prinzipieller Weise über mögliche Erkenntnisse auslässt, die die Transzendenz und Zukunft betreffen. Nach diesem Urteil hat der Apostel offenbar auch aktuell Röm 8 gestaltet. Darum sind selbstredend Gott (vgl. Röm 1,20) und der Auferstandene auch nicht ansatzweise als literarisch im Voraus zu betrachtende Objekte beschrieben (stärkster Kontrast: Offb; vgl. Kapitel 15). Auch eine Geschehensabfolge, die eventuell neu interpretiert wird, ist nicht vorgeführt. Zu dieser paulinischen Askese gehört selbstredend auch der ebenfalls nicht anschaulich gemachte Zustand der Erlösten. Umgekehrt: Gegenwärtig noch unsichtbare zukünftige Beziehungsverhältnisse werden z.B. für diesen Endzustand aufgeboten (Röm 8,17.29), wie auch traditionelle Stichworte, die eigentlich nur formal benutzt sind (ewiges Leben, Herrlichkeit). Ebenso ist gesagt, dass die Erlösten »gleichgestaltet« sein werden »dem Bild« des göttlichen Sohnes (Röm 8,29), das allerdings in der Jetztzeit gerade noch nicht betrachtet werden kann. So bleibt für die Augen der noch irdisch-menschlichen Geschöpfe wegen ihrer konstitutionellen Begrenzung alle himmlische Zukunft bewusst ohne Anschaulichkeit. Oder anders ausgedrückt: Röm 8 eignet sich nicht als Vorlage für einen Maler oder für eine Malerin, den Himmel der Erlösten auf die Leinwand zu bringen. Und was motiviert bei solcher »Unanschaulichkeit« dann überhaupt Menschen dennoch dazu, jetzt schon auf eine solche Vollendung zu hoffen? Antwort: Die erfahrene »Liebe Gottes« (Röm 5,5; 8,35.39), die durch den heiligen Geist und das Evangelium in die Herzen der Gläubigen ausgeschüttet ist (Röm 8,6.10f). Damit ist auch das Stichwort gefallen, dem nun unsere Aufmerksamkeit gehören soll. In Röm 8 ist nämlich die Gottesgabe des heiligen Geistes, die die Gemeinde als ganze und jedes einzelne Gemeindeglied erhalten hat, als Ausgangsbasis benutzt, um der Hoffnung auf ewiges Leben ein tragfähiges Fundament zu geben. Aufgrund der Durchführung dieses Zieles wird Röm 8 innerhalb der paulinischen Briefsammlung zu demjenigen Textzusammenhang, in dem mit deutlichem Abstand am häufigsten das Stichwort »heiliger Geist« begegnet. Das hat Paulus bereits mit Röm 1,4; 5,5;
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7,6 vorbereitet, wobei Röm 5,5 der Sache nach auch in Röm 8 stehen könnte, wenn dort zu lesen ist: »Die Hoffnung lässt nicht zuschanden werden, weil die Liebe Gottes in unsere Herzen durch den uns geschenkten heiligen Geist ausgegossen ist.« Wir machen uns mit diesen Geistaussagen in Röm 8 vertraut, indem wir uns vier besonders markante Textstellen vergegenwärtigen. Die erste steht Röm 8,1f: »Also gibt es keine Verurteilung für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes.«
Röm 8,11 lautet: »Wenn jedoch der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckte, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen aufgrund seines Geistes, der in euch wohnt.«
In Röm 8,14.17 liest man: »Denn die von Gottes Geist getrieben werden, sind Söhne (= Kinder) Gottes… Sind wir Kinder (Gottes), sind wir auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, wenn anders wir mit ihm leiden, auf dass wir auch mit (ihm) verherrlicht werden.«
Endlich das vierte Beispiel (Röm 8,23f): »… Wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes empfangen (haben), seufzen in uns und warten auf die (endgültige) Erlösung unseres Leibes. Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet.«
Solche durchaus noch vermehrbaren Zitate aus Röm 8 zeigen den neuen Ansatz des Apostels an. Bisher galt für die Erwartung der Zukunft die Devise: Achtet auf die Geschehnisse am Himmel! Denn der endzeitliche Geschehensablauf, der dort seinen Anfang nehmen wird, und euch bereits durch die Tradition bekannte Einzelheiten vorweist, wird das beginnende Endgeschehen sein. Harret aus und seid vorbereitet auf dieses Ereignis! Jetzt in Röm 8 lautet die Devise:
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Schaut in euch! Bedenkt die mit dem Evangelium gemachte Erfahrung des heiligen Geistes, der in euch wirkt. Diese Grundgewissheit jedes Gemeindegliedes soll eure Hoffnung begründen und zugleich inhaltlich füllen. Ist doch das Evangelium Explikation des Heilswerkes Christi. Und der heilige Geist, der des Evangeliums innere Kraft ist, hat bei euch Befreiung von Sünde und Tod bewirkt, und damit begründete Hoffnung auf endgültige Erlösung (Röm 8,1f.11). Mit dieser Tätigkeit ist er Ausschüttung der Liebe Gottes in eure Herzen (Röm 5,5). Von dieser Liebe kann euch nichts, aber auch gar nichts mehr trennen (Röm 8,35.39). Das reicht als Basis und Inhalt eurer Hoffnung aus. Denn die objektivierende Darstellung der ausstehenden Hoffnungserfüllung ist wegen der begrenzten Erkenntnisfähigkeit aller menschlichen Geschöpfe sowieso nur ganz schemenhaft möglich (1Kor 13,9ff). Die Geisterfahrung jedoch macht gewiss, dass Christen Gottes Erben und Christi Miterben sein werden. Diese Gewissheit gilt es zu pflegen. Dann ist die konstitutionelle Erkenntnisbeschränktheit ein Mangel, mit dem man jetzt und bis zum Ende der Geschichte immer noch recht gut leben kann. Aus diesem Ansatz folgt: Wo Auferstehung und Geist in der geschilderten Weise zusammen gehören und wo zugleich unabhängig von Christi Erlösungswerk alle dem Gesetz der Sünde und des Todes unterliegen (vgl. Röm 8,2.6), kann Auferstehung exklusiv nur als Auferstehung ausnahmslos aller Gerechten begriffen werden. Bedeutet doch das Trachten des Fleisches Tod (Röm 8,6), weil es Feindschaft gegen Gott ist (Röm 8,7f). Nur das Trachten des Geistes ist (endgültiges) Leben und (immerwährender) Friede mit Gott (Röm 8,6). Nur der Mensch, in dem also Gottes Geist wohnt, bzw. – was sachlich dasselbe ist – in dem Christus lebt, gehört auf die Seite Gottes und Christi (Röm 8,9f). Nur von diesem Menschen gilt: Er gehört zu Christus (Röm 8,9), und zwar so: Sein Leib ist um der Sünde willen dem Tod geweiht. Jedoch Gott, der Jesus von den Toten auferweckt hat, wird den, in dem Christus wohnt, ebenfalls lebendig machen (Röm 8,11). Dabei wird man zum genaueren Verständnis an 1Kor 15,22.35ff zu denken haben. Das
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soll heißen: Der irdische Leib vergeht total. Die Lebensgabe Gottes ist ein neuer »himmlischer Leib« (Röm 8,29f; vgl. 1Kor 15,43f). Wenn Paulus in Röm 8 von einer Kontinuität zwischen beiden Existenzweisen spricht, dann so, dass er die jetzt schon geschenkte unsichtbare Gabe des heiligen Geistes dem Tod gegenüber als resistent bezeichnet: Gottes Geist ist selbstredend immer »Leben«, unterliegt also nicht der Sterblichkeit. Dieser Ansatz bei der Gabe des heiligen Geistes hat dann zur Folge, dass bereits gestorbene Menschen, ohne diese Gabe erhalten zu haben, gar nicht erst zu ihrem Gericht auferweckt werden. Denn es gibt ja nur eine Auferweckung kraft der zuvor geschenkten Gabe des Geistes. Die ungläubigen, z.Z. noch lebenden Zeitgenossen der Christen werden entweder gleichsam aus Geistermangelung im Verlauf der Geschichte sterben (Röm 8,6.13), oder in jedem Fall dann, wenn Gott ihr Ende verfügt in Gestalt des Endgerichtes (vgl. Röm 2,12.16; 3,6 usw.), durch das Gott überhaupt die Weltgeschichte aufhören lässt. Das ist im Denkansatz vom Geist her ganz konsequent. Darum geht Paulus auch auf ein Gerichtsfeuer im Röm gar nicht mehr ein (anders im 1Kor, Absatz 8). Dieser Ansatz in Röm 8 erweist sich vom Konzept her als analog zum vierten Evangelisten (vgl. nur Joh 3,1–21 und Kapitel 14). Denn vor allem: in beiden Fällen vollzieht sich gegenwärtig beim Hören des Evangeliums die Entscheidung über Leben oder Tod jedes Menschen. Oder: die jetzige Antwort des Menschen auf das Evangelium ist für ihn die endgültige Entscheidung über seine Vollendung oder seine Nichtung. Wir deuteten schon kurz an: Spezifisch für Röm 8 ist die reichliche und konsequente Verwendung von Stichworten aus den familiären Beziehungsverhältnissen, um das gegenwärtige und zukünftige Verhältnis der Geistbegabten zu Gott zu beschreiben. Dieses Sprachfeld ist sonst im Röm nur noch in Röm 9,7f in einem anderen Zusammenhang zu finden. Doch eine glatte Innovation ist der Gebrauch in Röm 8 für Paulus dann doch nicht. So wird aus antiochenischer Tradition das von Paulus aufgegriffene Zitat in Gal 3,26–28 stammen. In dieser gut geformten und in sich ge-
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rundeten Einheit ist davon die Rede, dass alle Gemeindeglieder beiderlei Geschlechts »Söhne Gottes« sind, weil sie auf Christus getauft wurden, wodurch alle vorher geltenden heilsgeschichtlichen, gesellschaftlichen und anthropologischen Unterscheidungen innerhalb der christlichen Gemeinschaft aufgehoben sind. Damit ist klar, dass unter anderem die Gleichstellung von Mann und Frau innerhalb der Gemeinden Ordnungsprinzip geworden ist. Dies wird man auch für das Verständnis von Röm 8 als stillen Hintergrund ansetzen, selbst wenn hier vorherrschend maskuline Formulierungen gebraucht werden. Weiter dürfte ebenfalls in Gal 4,6; Röm 8,15 eine geprägte mündliche Tradition vorliegen. Sie hält fest, dass der von Gott der Gemeinde gesandte Geist der Sohnschaft Gott mit »Abba« anrufen lässt, beschreibt also ein innig-vertrautes Verhältnis zwischen den glaubenden »Söhnen« und dem himmlischen Vater (vgl. auch Mt 5,45f; 1Joh 3,1). Auch der von Paulus formulierte Kontext dieser Tradition in Gal 4,4–7 ist natürlich als Vorbote von Röm 8 von besonderem Interesse. Nach ihm geschah die Sendung des Sohnes, um die Glaubenden an Sohnes statt anzunehmen. Also besteht die Gemeinde aus »Söhnen Gottes«, also Geschwistern, denen Gottes Geist gesandt ist, der »Abba« ruft. Ebenso gilt: Wer »Sohn« ist, ist nicht mehr »Sklave« von Naturmächten, sondern »Erbe«. Diese paulinische Ausführung darf als direkter Vorbote für Röm 8 gelten, wo Paulus sie nur im großen Stil aktuell auf die Perspektive der Hoffnung und Vollendung ausgeweitet hat. Dass der Apostel auch in Phil 2,15 ebenfalls von der Gemeinde als den »Kindern Gottes« spricht, sei noch vermerkt. Dieser Sprachgebrauch (Söhne/Kinder Gottes) war wohl überhaupt im Urchristentum mehr oder weniger gut verbreitet, wie Mt 5,9.45; Joh 1,12 (Logoshymnus); 11,52; 1Joh 3,10; 5,2 zeigen können. Außerhalb der paulinischen Briefliteratur zeigt noch 1Joh 3,1–3 Nähe zu Röm 8, wenn es dort heißt: Die Vaterliebe Gottes schenkt der Gemeinde die Kindschaft Gottes, was leider die Welt nicht wahrnimmt. Denn noch ist ja nicht offenbar geworden, dass die Gemeinde diese Qualifikation besitzt. Wenn es im Endgericht sicht-
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bar werden wird, werden die Gemeindeglieder Gott gleich sein, denn die Gemeinde wird ihn sehen, wie er ist, d.h. doch wohl durch solches Schauen selbst verwandelt werden. Schauen wir uns an, wie Paulus in Röm 8, diese eben besprochenen Fäden aufgreifend und weiterführend, nun Hoffnung und Zukunft beschreibt! Dabei setzt Paulus mit der Heilstat Christi und deren Folgen für die Gemeindeglieder in der Jetztzeit ein (Röm 8,1–11) und endet dabei mit einem Zwischenergebnis, das sich auf die Innenverhältnisse der einzelnen Glaubenden konzentriert (Röm 8,11): In den Gläubigen wohnt der Geist des Gottes, der Christus von den Toten auferweckt hat. Weil dieser Geist in den Glaubenden wohnt, ist die Hoffnung begründet, dass Gott auch die Gemeindeglieder ins ewige Leben führen wird. Im Sinne von z.B. 1Thess und 1Kor (Kapitel 7 und 8) erwartet man, dass der Apostel sinngemäß etwa so formuliert hätte: Dieser von Gott auferweckte Christus ist nicht von ungefähr auferweckt worden, sondern damit er (bald) als Parusiechristus erscheinen kann. Gott wird dann anlässlich dieses Ereignisses tote Christen auferwecken, und der Herr die Seinen zu sich führen, um mit ihnen immer zusammen zu sein (1Thess 4,17c). Im nächsten Gedankenschritt (Röm 8,12–17) folgt dazu, konsequent zum neuen paulinischen Ansatz, dass die Gemeindeglieder als solche, die vom Geist Gottes beschenkt wurden, »Söhne Gottes« sind, wobei der Geist dieser Sohnschaft sie Gott vertraulich mit »Abba« anreden lässt und zugleich ihrem (menschlichen) Geist bezeugt, dass sie Gottes Kinder sind. Das ist wiederum, neu formuliert und inhaltlich weiter ausgeführt, derselbe Ansatz wie in Röm 8,11. Und wiederum steht dann am Schluss wie in Röm 8,11 die Folgerung für die Hoffnung: Sohnschaft, bzw. Kindschaft, bedeutet Erbberechtigung, nämlich Erbe Gottes sein zu dürfen, also auch Miterbe Christi, also auch »Verherrlichung«. Dabei inkludiert dieses Stichwort die Auferstehung, ohne jedoch dass diese eine weitere inhaltliche Erklärung erhält. Wir überspringen für einen Augenblick die nun folgenden Ausführungen zur Erlösungsbedürftigkeit der Gesamtschöpfung (Röm 8,19–22) und nehmen den paulinischen
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Gedankengang mit Röm 8,23–30 wieder auf. Hier erfährt man: Die Gemeinde hat die Erstlingsgabe des Geistes erhalten. Sie wartet darum seufzend auf die letzte Erlösung. Denn sie weiß, sie ist bisher nur auf Hoffnung hin gerettet. Da Hoffnung, die man sieht, keine Hoffnung ist, wartet sie gegenwärtig mit Geduld auf die abschließende und endgültige Realisierung ihrer Sohnschaft. Dabei kommt ihr der Geist zur Hilfe, der vor Gott für sie mit unaussprechlichen Seufzen eintritt. Weil Gott vorherbestimmt hat, die Gemeindeglieder zu erlösen, können diese gewiss sein, dass sie dem Bilde seines Sohnes gleichgestaltet werden und die himmlische Herrlichkeit geschenkt bekommen, und endlich auch so Christus der Erstgeborene unter vielen Brüdern wird. Zweimal überschreitet Paulus in seinen Ausführungen im Sinne des Ansatzes aus Röm 8,1–11 den Horizont des einzelnen Glaubenden und der Gemeinde. Im ersten Fall (Röm 8,19–22) blickt er von den menschlichen Geschöpfen Gottes, die glauben und hoffen, auf die Gesamtschöpfung. Ihr wird analog der Erfahrung der Glaubenden auch ein »Seufzen« zugeordnet, das als Signal der Erwartung und Hoffnung auf Erlösung aus der Knechtschaft des Verderbens, analog der Hoffnung der Glaubenden, gedeutet wird. Was damit inhaltlich konkret gemeint ist, bleibt für den Leser offen. Eindeutig ist nur das Ziel dieser allzu knappen Ausführungen: Die glaubenden Menschen stehen als Gottes Geschöpfe mit ihrer Hoffnung innerhalb der Schöpfung nicht allein da. Paulus beendet Röm 8 mit einem fast hymnisch formulierten Lob auf Gott, indem er im Blick auf die hoffenden Christen Gottes unabänderlichen Heilswillen zu ihrer Rettung herausstellt, dessen Kehrseite die Zuversicht ist, dass, was Christen erhoffen, von Gott auch zubereitet werden wird. Dabei fällt die Formulierung, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Kräfte, weder Hohes noch Tiefes, noch irgendeine andere Kreatur das Vermögen besitzen, die Glaubenden von der Liebe Gottes zu scheiden, die in Christus Jesus, dem Herrn, erschienen ist. Diese aufgezählten möglichen Gefahren, die Gott unter seiner Kontrolle hat, sind for-
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mal ähnlich wie in Röm 8,19–22 zur jetzigen geschöpflichen Gesamtwirklichkeit gehörende Phänomene und sollen die ganze gegenwärtige Wirklichkeit umfassend beschreiben. Sie überschreiten damit, von Paulus gewollt, die sonst so bewusste Konzentration des Paulus auf die Glaubenden und gehören wie das Geschaffene in Röm 8,19ff zur Welt, in der die Glaubenden leben. Allerdings: Sie werden aufgezählt, um die Hoffnung der Glaubenden zu stärken. Sie sollen gerade nicht als apokalyptische Bedrohung am Ende der Geschichte verstanden werden wie vergleichbare Phänomene, die z.B. in Mk 13 (Kapitel 10) inszeniert werden. Vielmehr soll Gottes Herrschaftsverhältnis zu dieser geschöpflichen Wirklichkeit die innere Einstellung der Glaubenden zu Gott und der auf sie wartenden Erlösung festigen. Zu den im Röm behandelten Zukunftsthemen mit besonderer und neuer Note, so notierten wir eingangs der Behandlung des Röm, gehören die gerade besprochenen Ausführungen in Röm 8 zur Zukunft der Glaubenden und die Aussagen über die Zukunft Israels in Röm 11,25–32. Diesen zweiten Text wollen wir nun noch bedenken. Röm 9–11 stellt den bei weitem ausführlichsten Beitrag des Apostels (und des frühen Christentums) zum Thema Israel und Christentum dar. Dabei enthält der Abschluss Röm 11,25– 32 eine ganz unerwartete Aussage über Israels Zukunft, auf die niemand kommen würde, selbst wenn er alle Briefe des Apostels gelesen hätte. Leider kann man sich Röm 9–11 insgesamt nur zögerlich nähern, denn der Text selbst stellt vor einige harte Interpretationsprobleme. Auch die Forschungsgeschichte sowie die gegenwärtige theologische Diskussionslage über ihn geben ein hoch komplexes Bild ab, das auf kurzem Raum gar nicht skizziert werden kann. Wir können darum nur einige Aspekte kurz anschneiden. Die von Paulus (und den Gemeinden) erfahrene Ablehnung und Zurückhaltung der jüdischen Mehrheit gegenüber dem Evangelium interpretiert der Apostel als Gottes teilweise Verstockung Israels mit dem beabsichtigten Sinn, der Völkermission vor dem kommenden Gericht Gottes (Röm 2,1–11; 3,19f) auf diese Weise noch mehr Zeit einzuräumen (Röm 11,1f.7–9.12–16.25). Diese Deutung seiner Zeit-
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geschichte (vgl. Röm 9,30–33) durch einen ihm bekannten Plan Gottes könnte Paulus bei Nachfrage vielleicht mit 1Kor 2,10 begründet haben, dass nämlich der auch ihm geschenkte Geist Gottes die Tiefe der göttlichen Gedanken und Pläne erforschen kann. Aber damit wird die Verstockungstheorie sachlich nicht einsichtiger. Gott will prinzipiell, dass allen Menschen das Evangelium angeboten wird und sie zum Glauben kommen. Aber dass dann kontraproduktiv dazu Israel jetzt das Angebot noch nicht in größerer Zahl annehmen darf, sodass es für einige zu spät sein könnte, wenn diese Sperre wieder aufgehoben wird, ist doch eine nicht gerade einsichtige Verkoppelung mit dem allgemeinen Grundsatz göttlicher Zuwendung zu allen Menschen. Sollte man diese paulinische Erkenntnis nicht vielleicht doch von seinem in 1Kor 13,9f aufgestellten Grundsatz nur begrenzter Erkenntnis in der Jetztzeit verstehen, also nicht zum sicheren Faktum erheben? Stellen wir diese nur angetippte und erweiterungsfähige Kritik zurück und nehmen den paulinischen Gedankengang wieder auf! Diese Verstockung ist für den Apostel nur ein zeitlich beschränktes Übergangsgeschehen. Es soll nicht für immer gelten, weil die Erwählung Israels und die damit gegebenen Verheißungen Gottes dagegen stehen. Es wird also einen Zeitpunkt geben, wenn die zeitliche Länge der Verstockung Israels ihren positiven Effekt bei der Völkermission erreicht hat (Röm 11,25). Dann wird Gott die Verstockung zurückfahren (Röm 11,28–32) mit dem Ergebnis, dass dann die Gnadenverheißungen Gottes zugunsten Israels positive Folgen zeitigen werden. Dazu ein kurzer Nebengedanke: Wer mit so gestreckten Geschichtsabläufen arbeitet, hat die akute Naherwartung aus 1Thess 4,13f (Kapitel 7) gewiss hinter sich gelassen, sodass wir gut daran taten, die Formulierung in Röm 13,11 verhalten und moderat, nicht aber spitz zu verstehen. Kehren wir zu unserem Hauptweg zurück, so gilt es nun, Röm 11,25–27 noch etwas genauer anzusehen. Paulus lenkt zunächst seine Leser auf ein »Mysterium« (1Kor 15,51; Mk 4,11 parr; zur Sache: 1Kor 2,10f), d.h. wohl auf ein anonym umlaufendes Prophetenwort, das Paulus auch als seine Mei-
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nung übernimmt und das wahrscheinlich so lautete: »Verstockung (vgl. Röm 11,7) ist Israel teilweise widerfahren, bis die volle Zahl aus den Völkern eingegangen ist.« Dem fügt der Apostel für seinen Gedankengang erklärend hinzu: »Und so (die zweite Hälfte des Prophetenspruchs zusammenfassend) wird ganz Israel gerettet werden«. Damit spricht er aus, was der Spruch schon dem Sinne nach indirekt andeutete. Diese Rettung erläutert Paulus sodann abschließend mit einem von ihm zusammengestellten Mischzitat aus Jes 59,20f und Jer 31,33f: »Aus Zion wird der Rettende kommen. Er wird die Gottlosigkeit von Jakob wegnehmen. Und dies wird der Bund von mir für sie sein, wenn ich ihre Sünden fortnehme.«
Aus dem Prophetenwort lässt sich ganz gut die Ausgangsituation erkennen. Das bisherige Ergebnis der Israelmission war für die christliche Mission unbefriedigend. Im Unterschied dazu nahmen völkerchristliche Gemeinden erfolgreicher zu. Die Israelmission war also ein ganz hartes Brot geworden (vgl. Röm 9,18–21; 11,1–10.15). Diese Situation wollte erklärt werden, waren doch die Juden Gottes erwähltes Volk. Die Erklärung lautete: Gott hat Israel verstockt, und zwar nicht alle (es gab ja Judenchristen), sondern einen größeren Teil Israels. Er tat es auch nicht überhaupt, sondern setzte als Zielvorgabe eine zeitliche Begrenzung. Erst soll nämlich die von Gott ins Auge gefasste Zahl der Christen aus den Völkern, deren Umfang Gott allein kennt (vgl. formal Mk 13,32; Apg 1,7), erreicht sein. Dann, so kommentiert Paulus den Prophetenspruch sinngemäß, wird Gott die Verstockung Israels beenden, sodass so viele Israeliten gerettet werden, dass sie »ganz Israel« repräsentieren können. Paulus beendet den Gedankengang mit einem Mischzitat, das syntaktisch am Schluss aus dem beschreibenden Futur in die Ich-Rede Gottes fällt. Damit ist der Weg gewiesen, auch die Sätze davor so zu verstehe, dass nach Auffassung des Paulus Gott der Erlöser »aus Zion« ist. Das ist auch die konkurrenzlose Deutung, die für die Vorlage in Jes 59,20f allein in Frage kommt. Nämlich so: Der Gott Israels hat seinen
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Tempel auf dem Zion. Damit ist seine besondere Stellung zu Israel definiert. Dieser Gott Israels wird sich als Retter Israels erweisen. Das passt auch am besten zum Gedankengang in Röm 9,18.24–29; 11,17–24.28–32: Immer ist Gott der Verstockende und der, der ebenso wiederum in Gnaden annimmt. Beide Vorgänge sind dabei unsichtbare Eingriffe Gottes in den Geschichtsverlauf. Diese Auflösung der aktuellen Verstockung müsste sachlich im angemessenen Abstand vor dem Ende der Geschichte erfolgen. Denn die von der Verstockung befreiten Kinder Israels müssten, hörwillig geworden, nun von der Predigt des Evangeliums erfasst werden und, ihr zustimmend, zum Glauben kommen. Dies geschieht sicherlich nicht auf wunderbare Weise in einem kurzen Augenblick. Erst wenn diese zeitlich gestreckte und nun von Erfolg gekrönte Mission an Israel beendet ist (vgl. formal: Mk 13,10), wird der Gerichtstag Gottes erfolgen. So ist denn auch in Röm 9–11 weder vom göttlichen Gericht, noch von Christi Parusie als dem entsprechenden Zeitpunkt der Auflösung der Verstockung gesprochen. Wer dennoch den Eingangssatz des Zitates: »Aus Zion wird der Rettende kommen« auf die Parusie Christi deuten will, steht vor selbstgemachten Problemen. Er muss das Stichwort »Zion« entgegen seines Gebrauchs (wiederum in einem Zitat) kurz vorher (Röm 9,33) als himmlisches Jerusalem verstehen. Er kann zwar auf Gal 4,25f verweisen, wo vom »oberen Jerusalem« im Unterschied zum »jetziges Jerusalem« gesprochen ist. Doch ein solches definierendes Adjektiv fehlt gerade Röm 9,33 und 11,26. Außerdem behandelt Gal 4 ein ganz anderes Thema mit einem zu Röm 9 ganz unterschiedlichen Wortfeld. Im Wortfeld von Parusieaussagen ist demgegenüber im ganzen Neuen Testament immer nur so die Rede, dass der Erhöhte aus dem »Himmel« kommt. Von allen schon genannten Gründen abgesehen, macht die Deutung auf Christi Parusie auch noch sachliche Probleme: Israel müsste dann nämlich gar nicht mehr das Evangelium glaubend annehmen, sondern nur von der eschatologischen Erscheinung des Christus überwältigt sein. In keiner weiteren urchristlichen Parusiebeschreibung ist sonst etwas Vergleichbares vorgesehen. Außerdem hat
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sich nach unserer Auffassung der Paulus des Röm von der Parusieerwartung Christi überhaupt verabschiedet. Mit einer so unsicheren Deutung von Röm 11,26 sie ihm dennoch zu unterstellen, ist exegetisch zu kühn. Mit diesen Ausführungen zu Röm 11 könnten wir eigentlich diesen ganzen Abschnitt zum Röm abschließen. Doch lohnt es sich, im Blick auf die erreichten Ergebnisse doch noch einmal inne zu halten und einen Augenblick auf den Gal zu schauen. Wohl ungefähr etwa ein Jahr vor dem Röm (eine genaue Datierung ist leider nicht möglich) schrieb Paulus den Gal, auf den wir schon kurz blickten, als wir Röm 8 bedachten. Dabei reagiert sein galatisches Schreiben auf eine Gemeindesituation, die der Apostel für hochgefährlich einstuft: Mobile judaistische Wandermissionare waren dabei, die von ihm gegründeten Gemeinden wieder unter die Gesetzesobservanz zu bringen. Also konzentriert sich Paulus denn auch darauf, sein Evangelium von Jesus Christus mit der Pointe der Rechtfertigungsbotschaft und damit der Freiheit vom Gesetz den galatischen Lesern erneut vor die Augen zu malen. Darum verwundert es nicht, wenn er auf die christliche Hoffnung nur indirekt, selten und kurz eingeht. Doch ein paar wenige Worte sind zu diesen knappen Hinweisen doch angebracht. Dazu gehört die allgemeine Beobachtung, dass im Unterschied zum 1Thess und 1Kor zur Naherwartung des Kommens Christi und damit des Endes aller Geschichte überhaupt kein Wort mehr fällt. Jedenfalls hätte Paulus auch unter dem Vorzeichen solcher Naherwartung eigentlich schon sein Hauptanliegen (knapp formuliert: Eine Rückkehr zur Gesetzesobservanz ist fatal) vortragen können. Das harmoniert mit der Feststellung, dass jedenfalls wie im Röm auch im Gal von der Wiederkunft des Herrn keine Andeutung zu finden ist. Umgekehrt ist die Struktur der Christologie klar zu erkennen, nämlich die Sendung des Sohnes durch Gott (Gal 4,4), das stark herausgearbeitete Heilswerk in der Sprache der Rechtfertigung (Gal 2,15–21; 3,1–14; 4,1–7 usw.), seine Auferstehung durch Gott und das Wirken des Auferstandenen zugunsten der Gemeinde (Gal 1,12; 2,20, 4,19 usw.). Nicht grundlos erkennt man darin den gleichen christologischen
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Ansatz wie im Röm. Auch die Pneumatologie (Gal 3,2f.5.14; 4,6; 5,5.16.25; 6,1.8 usw.) ergibt im Blick auf den Röm ein Bild großer Nähe. Im Übrigen ist es Gott, der gerecht spricht und sprechen wird (Gal 3,8.11.16.18). Vom Geist wird der Christ ewiges Leben ernten (Gal 6,8; auch 5,5), wer jedoch »fleischlich« lebt, wird »Verderben ernten«. Da der Geist Gottes Gabe ist (Gal 4,6), liegt dabei keine Konkurrenz zu Gottes Gerechtsprechung vor. Ziel des christlichen Lebens ist es überhaupt, das »Reich Gottes« zu erben (Gal 5,21; vgl. dazu 1Thess 2,12; 1Kor 15,50). Doch wer nun dazu eine christologische Füllung wie die aus der Parusie-Tradition des 1Thess (Kapitel 7), also etwa 1Thess 4,17 erwartet, findet nichts Entsprechendes. Ohne den Röm würde man vielleicht sagen, das Fehlen der Parusie sei zufällig und vor allem dem Thema des Gal geschuldet. Doch die zeitliche und sachliche Nähe des Gal zum Röm legt doch wohl eher die Hypothese nahe, nach der Paulus schon zur Zeit der Entstehung des Gal bereits Naherwartung und Parusie aus seiner Hoffnungsbeschreibung ausgeklammert hatte. Mit diesen letzten Nachzeichnungen paulinischer Gedanken aus dem Röm und Gal haben wir überhaupt die Darlegungen des Paulus zu unserem Gesamtthema im Überblick besprochen. In der Rückschau stehen wir vor einem denkfreudigen Apostel, der unser Gesamtthema immer wieder neu durcharbeitete. Solche individuelle denkerische Leistung werden wir im Urchristentum nicht nochmals antreffen. Wir setzen den Gang durch das Urchristentum so fort, dass wir uns nun die synoptischen Evangelien ansehen.
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Die endzeitliche Gestalt des kommenden Menschensohnes, wie sie der Täufer, Jesus und die frühen Gemeinden (Kapitel 2, 3, 5 und 6) sowie Paulus vor allem im 1Thess und 1Kor (Kapitel 7 und 8) modellierten, entstammte über den mündlichen Traditionsweg frühjüdischer und frühchristlicher Provenienz letztlich dem Buch Dan, dessen anonymer Verfasser als ein Paradefall eines Apokalyptikers (vgl. Kapitel 16) gelten darf. Gleichwohl waren alle diese rezipierenden christlichen Personen und Gruppen selbst keine Apokalyptiker. Sie verstanden sich als Propheten, Apostel, Lehrer oder als geistgeleitete Gemeinden. Sie übernahmen dabei Dan 7, wie schon mehrfach angesprochen, selektiv, und zumindest vornehmlich über den mündlichen Traditionsweg. So blieben etwa durchweg und ausnahmslos die visionäre Beschreibung der Theophanie und die Geschichtsdarstellung mit ihrer gestreckten Abfolge verschiedener Herrschaftsperioden samt deren Ende aus Dan 7, man könnte fast meinen, wie verabredet, unbenutzt. Den Apokalyptiker mag es verlocken, die für Menschen unsichtbare göttliche Himmelswelt und den geheimen Weltgeschichtsplan Gottes aufzudecken. Doch für die genannten Personen, die in unserer bisherigen Darstellung die Tradition vom Menschensohn immer wieder aktualisierten, waren das offenkundig keine attraktiven Themen. Für den Täufer war es viel zu spät, sich noch durch Rückschau und Voraussicht mit der Weltgeschichte zu befassen. Für ihn ging es nur noch um die Entscheidung des einzelnen Israeliten. Dieser Ansatz bleibt bei Jesus im Prinzip erhalten. Ja, er überbietet sozusagen den Täufer noch: Die eschatologische Gottesherrschaft ist dynamisiert aufgefasst, sie beginnt jetzt schon, sich in Jesu Wirken durchzusetzen. Darum ist es höchste Zeit, dass
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sich jeder zu ihren Gunsten entscheidet (Mt 11,2–6 par). Im unmittelbar anstehenden Weltgericht kann er dann damit rechnen, zu den Geretteten zu gehören. Auch die so variantenreiche Theologie des Paulus fußt auf dem Ansatz, dass »jetzt« dank des angebotenen Evangeliums für jedermann »der Tag des Heils ist« (2Kor 6,2), und daraus in Kürze die Vollendung wird (Röm 8,23–39). Allerdings hat es in der frühen Christenheit dann doch auch den jüdischen Apokalyptikern nahe stehende (Juden-) Christen gegeben. Sie wollten die Erfahrung der sich für sie indessen dehnenden Geschichte durch apokalyptische Einlassungen mit Sinn füllen, um nachzuweisen, dass trotz der Parusieverzögerung Gott Herr der Geschichte ist und bleibt, und es für Christen sinnvoll ist, diese unerwartete »Verspätung« des Endes zu nutzen, um sich zu bewähren. Das setzte irgendwann in der zweiten Generation des Urchristentums ein. Dafür liefert Mk 13, nochmals aufgenommen in Mt 24 und Lk 21, ein illustratives Beispiel mit der Abfolge und dem Inhalt des Weltgeschehens in der letzten Zeit der Geschichte und mit dem anschließenden grauenvollen Abschluss der Jetztzeit, der die Heilszeit mit einem neuen initiativen Impuls aus der himmlischen Welt folgen wird. Damit nimmt Mk 13 in der Überlieferung der Evangelien insofern eine Sonderstellung ein, als die durch die Evangelisten bewahrte Verkündigung Jesu von solchen apokalyptischen Ausführungen noch gar nichts wissen wollte (vgl. Q in Kapitel 6). Erst die spätere Offb wird sich dann im vollen Sinne als eine selbständige christliche Apokalypse präsentieren (Kapitel 15), so sicher immer wieder einmal ausgewählte apokalyptische Motive in die Erwartung der Zukunft innerhalb der urchristlichen Briefliteratur eingearbeitet wurden (Beispiele: 2Thess 2,5ff; 1Petr 4,6; 2Petr 2; 3,11–13; 1Joh 4,1–3; Jud). Die Did als älteste christliche Gemeindeordnung unter den sog. apostolischen Vätern wird sich dann ebenfalls mit einem veritablen apokalyptischen Schluss zu Worte melden (Did 16, vgl. Kapitel 12). Wurde also der Stoff der Apokalypse in Mk 13 innerhalb der Überlieferung von Jesus als ein Novum eingeführt, so hat Mk diese apokalyptische Thematik doch nicht randstän-
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dig behandelt, vielmehr recht professionell in sein Evangelium integriert, nämlich an einer dafür ganz typischen Stelle. Dazu braucht man beispielsweise nur an die jüdischen TXII zu erinnern. Hier sind in den einzelnen Testamenten der Söhne Jakobs Zukunftsaussagen apokalyptischer Art durchweg vor den Angaben zum Tod des jeweiligen Jakobsohnes eingestellt, also genau dort, wo es auch Mk tat, der nach Mk 13 mit der Passion Jesu fortfährt (Mk 14f). Damit erhält dieser apokalyptische Stoff testamentarischen Rang. Bevor wir uns die Inhalte von Mk 13 ansehen, muss allerdings noch ein unbequemes Problem zur Sprache kommen. Der jetzt vorliegende Text in Mk 13 ist nämlich keine Darstellung aus einer Hand, sondern hat seine Prägung durch eine zeitlich gestreckte Interpretationsgeschichte erhalten. Denn so wie, für uns kontrollierbar, Mt und Lk interpretierend mit dem Mk-Text umgingen, indem sie ihn für ihre je eigenen Zwecke bearbeiteten, so muss man auch damit rechnen, dass andere am Traditionsprozess beteiligte Personen bis zur Aufnahme von Mk 13 ins älteste Evangelium am Ersttext dieser Apokalypse gestaltet haben. Das tat natürlich dann am Schluss in jedem Fall auch der Verfasser des Mk. Jedenfalls wird man das einfache Erklärungsmodell, hier der Erstautor einer in der Ursprungsform erhaltenen Vorlage und danach allein noch der Evangelist als behutsamer und konservativer Bearbeiter, angesichts der Komplexität des Textes als wirklichkeitsfremd einzuschätzen haben. Aber wie viele Personen z.B. noch in den Ausgangstext eingegriffen haben und welche Spuren ihnen zugewiesen werden sollten, bevor Mk diese mehrfach gestaltete Tradition in sein Evangelium hineinkombinierte, wird in der Forschung, wen sollte es verwundern, recht kontrovers diskutiert und bleibt wohl für immer zumindest teilweise auch im Dunklen der Geschichte verborgen. Möglich ist jedoch wohl in diesem Fall, die Abschnitte, die einst den Ausgangsbestand bildeten, insoweit recht sicher zu definieren, als ihr Umfang und Inhalt, ihre Stellung in der gesamten Komposition und recht häufig auch ihr Wortbestand und die Syntax der Sätze mit Erfolg bestimmt werden können. Das führte in der Forschungsgeschichte zu
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einem gewissen Konsens, den wir hier übernehmen wollen. Denn dies mit den abwägenden Wahrscheinlichkeitsurteilen nochmals ausführlich nachzuweisen, würde schon fast zu einer monographischen Arbeit führen, sprengt also unseren Darstellungsrahmen. So versuchen wir, einen abgekürzten Weg zu gehen. Er behält dabei insbesondere auch im Blick, dass vom Inhalt her der Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit in Mk 13,24–27, dem Schlussabschnitt des Ausgangstextes, liegen muss, und zum Verständnis dieser Stelle dann vornehmlich die Textelemente zu berücksichtigen sind, die das Verständnis dieses Schlussteils der Apokalypse fördern. Der Ursprungsbestand aus Mk 13 lässt glücklicherweise eine sachlich und syntaktisch durchsichtige Komposition aus drei (diese Zahl ist sicher kein Zufall) Ereignisabfolgen mit gradlinigem und zielorientiertem Zeitablauf erkennen. Diese Beobachtung dürfte der Hauptgrund sein, warum in diesem Fall ein relativer Konsens der Forschung entstand. Wir stellen zur besseren Orientierung eine Übersetzung der markinischen Vorlage an den Anfang unserer weiteren Erwägungen. Sie lautete so: »(7) Wenn ihr von Kriegen und Kriegsgeschrei hören werdet, so erschreckt nicht! Dies muss geschehen. Doch das Ende ist dies noch nicht. (8) Denn erheben wird sich Volk gegen Volk und ein Reich gegen ein (anderes) Reich. Erdbeben werden an verschiedenen Orten auftreten. Hungersnöte wird es geben. Dies (alles) ist (allerdings erst) der Anfang der Wehen. (14) Wenn ihr dann das Gräuel der Verwüstung stehen seht, wo es nicht sein soll – wer es liest, merke auf! – sollen die in Judäa (wohnen) in die Berge fliehen. (15) Wer auf dem Dach ist, steige ja nicht herab, um (noch schnell) etwas aus seinem Haus zu holen! (16) Und wer auf dem Feld ist, kehre nicht zurück (in sein Haus), um seinen Mantel zu holen! (17) Wehe den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! (18) Betet jedoch, damit (dies alles) nicht im Winter geschieht! (19) Denn in jenen Tagen wird eine Drangsal sein, wie es sie von Anfang der Schöpfung, die Gott geschaffen hat, bis jetzt nicht gegeben hat. (20) Und wenn der Herr die Tage nicht verkürzt, würde kein Fleisch gerettet werden. Aber um der Erwählten willen, die er ausgewählt hat, hat er die Tage verkürzt. (24) Jedoch in jenen Tagen nach jener Drangsal wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird seinen Schein nicht (mehr) geben. (25) Und die Sterne werden vom
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Himmel fallen, und die Kräfte am Himmel werden Erschütterungen haben. (26) Und dann wird man den Menschensohn auf den Wolken kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit. (27) Und dann wird er die Engel aussenden und die Auserwählten (von ihnen) zusammenführen (lassen) von den vier (Richtungen der) Winde (und) vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.«
Sehen wir uns diesen Text etwas genauer an! Ob gleich am Anfang Mk einen einleitenden Satz seiner Vorlage abschnitt, um seine eigene Einleitung in Mk 13,1–6 zu positionieren, kann offen bleiben, selbst wenn die Bejahung dieser Frage eine valide Hypothese ist. Jedenfalls beginnt jetzt der älteste Textbestand inhaltlich mit V. 7f. Beide Verse verstehen sich als den ersten Akt, der auch ausdrücklich mit dem »Anfang der (apokalyptischen) Wehen« markiert wird (Mk 13,8c). Diese Einstiegsereignisse tangieren die Leser allerdings noch nicht unmittelbar. Sie werden nur zu gegebener Zeit davon »hören« (Mk 13,7a), also noch nicht selbst physisch involviert sein. Dieses Grollen am Horizont kommt mit zwei Gruppen von Unheilsereignissen daher: Die Leser erlangen Kenntnis von Kriegen unter den Völkern und von Unheil in der Natur, nämlich von Erdbeben (vgl. Jes 6,4; Offb 16,18) sowie Hungersnöten (z.B. aufgrund von Dürre auf den Äckern). Das sind alles Geschehnisse mit tödlicher Bedrohung für alle Menschen, die dies erleben werden. Mit V. 14–20, dem zweiten Akt des apokalyptischen Dramas, kommt dann das Unheil mit atemberaubender Wucht unmittelbar auf die Adressaten der Apokalypse zu. Ein »Gräuel der Verwüstung« (vgl. Dan 9,27; 11,31; 12,11) wird in ihrer Nähe dort aufgestellt werden, wo es absolut nichts zu suchen hat. Damit ist gleichsam das Startsignal gegeben, dass es nun für die Menschen »in Judäa« todernst wird (Mk 13,14b). Auch entsteht für sie selbst nun erstmals unaufschiebbarer Handlungsbedarf, ja sofort lebensentscheidender. Sie sollen nämlich in das judäische Hügelland (vgl. Lk 1,39) um ihres Lebens willen fliehen, da ihnen eine »Drangsal« droht, wie es sie noch nie gegeben hat und auch nicht mehr geben wird. Niemand würde aus diesem superlativischen Desaster gerettet, wenn Gott nicht diese Zeit korrigierend verkürzen würde (Mk 13,20b). Dieser Eingriff
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Gottes in die Unheilsgeschichte ist zugleich die Überleitung zum dritten und letzten Akt (V. 24–27). Dieser beginnt mit einer furiosen Ouvertüre (vgl. als szenische Analogie vgl. Dan 12,1). Denn nun kommt die Welt der Gestirne in Unordnung. Unter dem Himmelszelt, wo im damaligen Weltbild die Gestirne ihre Bahnen ziehen und das den Himmel Gottes von der Erde der Menschen trennt (vgl. Gen 1,6f.14–17), entstehen supernervöse Bewegungen. Damit geraten zugleich die ganzen fundamentalen Vorgaben der menschlichen Lebensordnung durcheinander (vgl. Gen 1,14–19). Dies nun ist das Einführungsgeschehen für das Erscheinen des »Menschensohnes« (Dan 7,13) aus der Welt Gottes hin zur Erde »auf den Wolken des Himmels« (Mk 13,26, vgl. Dan 7,13). Der Menschensohn hat dann zielorientiert schnellstens einen einzigen Befehl zu erteilen: Er schickt seine Engel aus (zum Motiv vgl. Dan 7,10; 1Thess 3,13), von der gesamten bewohnten Welt die »Auserwählten« (Mk 13,20.27) zusammenzuführen (vgl. 1Thess 1,10). Damit ist dann überhaupt die allgemeine Menschheitsgeschichte auf einen Schlag und für immer beendet. Bedrängnisse wird es ab jetzt für die Auserwählten ebenso stillschweigend wie selbstverständlich nicht mehr geben. Die endgültige Heilszeit kann für sie beginnen. Und damit endet auch die kleine Apokalypse, die für die einleitenden Drangsale superstarke Worte wählen kann, doch über die Inhalte der Heilszeit sich völlig ausschweigt. Kennen wir diese Strategie nicht schon z.B. aus der Gerichtsbotschaft des Täufers (Kapitel 2)? Auch vom Schicksal der verlorenen Menschheit wird nicht gesprochen. Ihre Qual ist zwar bekanntes Allgemeingut, muss aber nicht mehr ausgemalt werden. Denn der Erzähler konzentriert sich bewusst auf seine Leser: Ihre zu erwartende Rettung soll sie beim Ausharren festigen. Dieser Durchgang durch das apokalyptische Drama zeigt eindrücklich die Unterschiede zu Dan 7. Wieder einmal werden die Weltreiche mit den vier Gewaltherrschern sowie die politischen Strukturen nach dem Endgericht vollständig ausgeblendet. Im Grundstock von Mk 13 sind zwar mehrere Bezüge zu Dan 7 erkennbar, so z.B. in Mk 13,14 (vgl.
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Dan 9,27; 11,31; 12,11), in Mk 13,19 (Dan 12,1) und in Mk 13,25b (Dan 8,10 LXX), sodass es nicht verwundern kann, wenn man zum Stichwort Menschensohn (und dessen Kommen) in Mk 13,26 als direkte Quelle auf Dan 7,13f verweist. Auch scheint der Verfasser in seinem Schlussteil den Dialog mit alttestamentlichen Aussagen intensiv gesucht zu haben (vgl. noch Mk 13,24 mit Jes 13,10, Mk 13,25a mit Jes 34,4, Mk 13,27 mit Dt 30,4 und last not least Mk 13,26 mit Dan 7,13f). Dabei hat der Autor durchweg diese Beziehungen seiner Syntax und seinen inhaltlichen Zielen angepasst und die Ursprungskontexte wenig bis gar nicht beachtet. Ein Teil dieser Beziehungen werden darum wohl auch keine schriftgelehrten Zitate sein, sondern angeeignete biblische Sprache und in persönliches Grundwissen übergegangene Vorstellungen. Dabei wird gerade auch die Gestalt des Menschensohnes in ganz neue Zusammenhänge eingebunden, und nichts aus Dan 7,13f wird direkt als literarisches Zitat ausgewiesen. Der damalige bibelkundige Leser soll die Anspielungen jedoch offenbar erkennen. Endlich fällt noch auf: Erstmals in unserer bisherigen Recherche wird nicht einfach Apokalyptik unbeachtet weggeblendet, sondern mit Eifer, offenkundig aufgrund einer ganz anderen politischen Situation als bei Dan, ein völlig neues, aber eben auch ein apokalyptisches Drama aufgebaut. Wie lässt sich diese schriftlich (Mk 13,14b) etwa auf einem Pergamentblatt verbreitete Apokalypse geschichtlich einordnen? Einen einzigen konkreten Fingerzeig dazu gibt der Imperativ zur Flucht in die judäischen Berge (V. 14b). Aus dieser Angabe darf man schließen, dass die Gemeinden in Jerusalem und Umgebung wohnen und aus dieser Stadt fliehen sollen. Das Signal für die Flucht gibt das »Gräuel der Verwüstung«, das leider ohne weitere Erklärung letztlich aus Dan entlehnt ist, aber dem (heutigen) Leser kaum Hilfen zu seinem Verständnis anbietet. In Dan ist damit die Errichtung eines Altars für Zeus Olympos im Jerusalemer Tempel wach gerufen (vgl. 1Makk 1,54; 6,7). Aber kennt der Verfasser des Ausgangstextes in Mk 13 diesen geschichtlichen Hintergrund? Jedenfalls ist dieser Religionsfrevel für den Autor von Mk 13 und für seine Leser schon längst Ver-
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gangenheit. Nach Mk 13 erwartet der Leser jedoch mit diesem Hinweis ein noch ausstehendes Ereignis. Unbestritten sollte sein, dass der Evangelist Mk aufgrund seines Vorbaus in Mk 13,1–6 auch für Mk 13,14 an die Eroberung Jerusalems durch Titus (70 n.Chr.) denken wird. Ist doch die Weissagung der Eroberung und Zerstörung Jerusalems in Mk 13,2 eine prophetische Ankündigung, die nachträglich Jesus in den Mund gelegt wurde. Die knappe Beschreibung der eroberten Stadt lässt sich dabei gut als Ist-Zustand nach der Katastrophe verstehen: Sie ist ein einziger Trümmerhaufen. Doch zielt auch die Vorlage des Mk in Mk 13,14 ursprünglich auf dieses Ereignis? Das ist eher nicht der Fall, denn dieser Text deutet überhaupt keine Stadteroberung und ihre Zerstörung an. Vielmehr wird angekündigt, dass etwas aufgestellt werden soll, was Empörung hervorruft, weil es ein Religionsfrevel sein wird. Will die markinische Vorlage den Leser dann etwa auf den Versuch Caligulas verweisen, der 40 n.Chr. den Entschluss fasste, im Jerusalemer Tempel seine Statue aufzurichten? Der entscheidende Schönheitsfehler ist nur, dass diese Absicht aufgrund der Umsicht des römischen Statthalters Petronius nie in die Tat umgesetzt wurde. Der Imperativ, in die Berge zu fliehen, setzt jedoch ausdrücklich als Anlass die erfolgte Aufstellung des Gräuels der Verwüstung voraus (Mk 13,14). Außerdem: Da Caligula schon im Januar 41 ermordet wurde, hätte sich die kleine Apokalypse aus Mk 13 spätestens dann auch schon selbst entwertet, denn ein toter Caligula konnte seinen Plan sicherlich nicht mehr in die Tat umsetzen. Ein anderes Ereignis steht angesichts der Quellenlage leider nicht zur Verfügung. Doch das besagt nicht allzu viel. Allerdings hat das zur Konsequenz, dass wir darauf verzichten müssen, eine Konkretion für den Ausgangstext zu Mk 13,14 anzugeben. Dann kann man nur festhalten: Wenn Mk sein Evangelium bald nach der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes gegen die Römer verfasste, wird die älteste Gestalt seiner Vorlage, die von diesem Ereignis noch gar nichts wusste, zumindest einige Jahre eher entstanden sein. Wenn man mit mehreren zwischenzeitlichen Bearbeitungen rechnet, wird man diesen Zeitraum nicht ganz klein einzuschätzen haben.
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Zur weiteren Kennzeichnung des Textes der kleinen Apokalypse ist nun die Beobachtung entscheidend, dass er so, wie er jetzt im Mk eingearbeitet ist, kein einziges christliches Element enthält. Von Jesu Vorstellung von der sich jetzt schon durchsetzenden endzeitlichen Gottesherrschaft, deren Wirken jetzt schon geschieht und erfahrbar ist, zeigt der Verfasser der Apokalypse absolut keine Kenntnis, lebt er doch im strengen Dualismus von elender Jetztzeit und erst noch kommender Heilswende. Christliche Merkmale in verschiedener Form treten erst in der nachfolgenden Bearbeitungsgeschichte regelmäßig und unübersehbar auf (Mk 13,1–5.9–13.21–23.28ff). Gerade auch der Menschensohn in Mk 13,26 ist (wie beim Täufer) nicht christologisch qualifiziert. Die Erzählung von ihm geschieht unabhängig von der bis dahin ausgeprägten christlichen Variation der Menschensohngestalt und unter anderem im bibelkundlichen Rückgriff auf Dan 7 und in eigenständiger Umgestaltung dieser Vorgabe. Auch »die Auserwählten« (Mk 13,20.27; vgl. Apg 13,17; Röm 9,4f) haben keine christliche Konnotation erhalten. Diese bekommen sie erst mit dem Einschub Mk 13,21–23, also durch diesen neuen Kontext. Insgesamt lässt sich sagen: Der Text blickt (etwas versteckt) auf Jerusalem (Mk 13,14) als dem entscheidenden Zentrum des Judentums und auf die jüdische Diaspora in Gestalt der weltweit zerstreuten »Auserwählten« (Mk 13,27), die zu Beginn der Heilszeit wieder miteinander (in Jerusalem) vereint sein werden. Noch eine weitere Beobachtung ist zur Einschätzung des Ausgangstextes hilfreich: Er bietet kein Übersetzungsgriechisch, ist also offenkundig bereits als griechischer Text entworfen worden. Auch die biblischen Zitate in der Apokalypse entstammen sehr wahrscheinlich einer griechischen Version der Septuaginta. Lässt man einmal probeweise den jüdischen Autor der kleinen Apokalypse auch selbst in Jerusalem weilen, kann man an Apg 6,9 erinnern, dass es nämlich in Jerusalem längst vor 70 n.Chr. synagogale Gemeinden gab, in denen sich jeweils hellenistische Diasporajuden verschiedener Herkunft sammelten. In diesem Terrain könnte unsere kleine Apokalypse entstanden sein. Aus diesem Milieu gingen nun auch die
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christlichen »Hellenisten« hervor (Apg 6f), und zwar bald nach Ostern und vor dem Konvent 48 n.Chr. Für sie war es darum sicherlich nicht übermäßig schwer, irgendwann an diesen Text heranzukommen. Und damit konnte er sich überhaupt in den christlichen Gemeinden Jerusalems und dann weiter verbreiten. Dass Christen auch etwas größere Texte vom Frühjudentum übernahmen, ist durchaus auch sonst vorgekommen, wie z.B. die Zwei-Wege-Paränese in Did 1–6 und Barn 18–20 dokumentieren kann. Sich den jüdischen Grundstock aus Mk 13 anzueignen, dafür war in jedem Fall das christliche Interesse gegeben. Hatte doch, dokumentiert mit dem Gebetsruf Maranatha (Kapitel 5), in den christlichen Gemeinden Jerusalems die Menschensohnchristologie bereits Wurzeln geschlagen. Zu erinnern ist dazu auch noch einmal an die Vision des Hellenisten Stephanus (Kapitel 5). Diese christliche Rezeption der jüdischen Apokalypse führte dann recht zwangsläufig zur Christianisierung dieses Textes. Es mag sein, dass dazu die Einfügung in Mk 13,9–13 (im Grundbestand, vor allem noch ohne V. 10) die erste Kandidatin war, an die man dabei denken wird (vgl. dazu 1Thess 2,14–16; Apg 4; 5,17ff; 6f). Am Schluss der Apokalypse musste man jedenfalls nicht unbedingt etwas verändern. Den Menschensohn konnte man ganz einfach stillschweigend mit Jesus identifizieren. Mit den »Auserwählten« konnte man in gleicher Weise mit stiller Selbstverständlichkeit verfahren und sie als Christen verstehen (vgl. z.B. 1Thess 1,4; 1Kor 1,27f; Röm 8,33). Klar ist, dass der betont weltweite Horizont in Mk 13,27 (vgl. Ps 19,7) vom Christentum in seiner Frühzeit erst ansatzweise eingelöst war, nämlich erst nachdem man begonnen hatte, den Jerusalemer Konventsbeschluss (Apg 15; Gal 2) in die Tat umzusetzen. So kommt man für die erste christliche Redaktion der Apokalypse etwa auf die Zeit um 60/65 n.Chr, ist also in etwa in der Zeit, als Paulus in Rom wirkte oder vor kurzem dort das Martyrium erlitten hatte. Werfen wir nun einen Blick auf die Inhalte von V. 24–27! Wie bisher schon mehrfach bei der Verarbeitung der Tradition vom Menschensohn beobachtet, lenkt Gott zwar die Geschichte (V. 20) wie in Dan 7, doch bleibt er in Mk 13
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ohne jede Ausnahme immer unsichtbar im Himmel (anders Dan 7,9f). Aus dem Himmel kommend, lässt sich jedoch der Menschensohn sehen, wie er »auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit« auf der Erde erscheint. Das soll wohl bedeuten: mit einer großen Schar an Engeln (wohl doch übertrieben: Dan 7,10), denen er alsbald befiehlt, die Erwählten von der ganzen Erde zu sammeln (und wohl nach Jerusalem zu führen). Das erinnert z.B. an 1Thess 1,10, wo der Auferstandene auch allein diese eine Aufgabe hat: die Christen nach Gottes Willen vor dem Gericht Gottes zu bewahren und zur Heilsgemeinde zusammen zu bringen (Kapitel 7). So fehlt Mk 13 jedes Wort zur Durchführung des Gerichtes, denn die Gestaltung der Apokalypse ist ausschließlich wie etwa 1Thess 1,10 an den Erwählten ausgerichtet. Dasselbe gilt von der Auferstehungsthematik. Bedenken wir im Blick auf den vom Ursprung her jüdischen Text, dass sich alles auf das gegenwärtige Israel konzentriert, käme sogar alsbald die Frage auf, ob nicht die Apokalypse zu den der Zahl nach nicht kleinen frühjüdischen Zeugnissen zu stellen ist, die (noch) keine Auferstehungshoffnung vertraten (vgl. Kapitel 3). Doch ist zu bedenken, dass auch Dan 7 ein eigener Hinweis zur Auferstehungshoffnung fehlt, und das Thema erst Dan 12,1–4 gleichsam nachgetragen ist. Formal ähnlich handelt der Evangelist Markus: Er ergänzt das fehlende Thema nicht durch Eingriffe in Mk 13, sondern erörtert es vorher in Mk 12,18–27. Also mag es so gewesen sein, dass der Ursprungstext in Mk 13 (formal ähnlich wie bei Johannes dem Täufer) auf eine bestimmte Thematik exklusiv fixiert war, nämlich hier auf die Rettung der zerstreuten und durch die Wehen der Endzeit hart gequälten Erwählten, und darum das Thema Auferstehung nicht anschnitt. Schlussendlich ist auch der Inhalt der Heilszeit nicht besprochen. Doch hierzu ist die Richtung, in die zu denken ist, zumindest angedeutet: Jerusalem wird das Zentrum für die Auserwählten und der Menschensohn hier der Endzeitherrscher über sie (vgl. Dan 7,15ff; auch Offb 21). In diesem Sinne könnte auch die erste judenchristliche Rezeption der Apokalypse sich den Text angeeignet haben.
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Nach dieser bewusst an den Anfang des Abschnitts gestellten Erörterung von Mk 13, ist es nun an der Zeit, auf den Evangelisten Mk zu schauen. Er ist der Schöpfer der literarischen Gattung des Evangeliums (vgl. dazu Mk 1,14f; 13,10; 14,9), sodass man ihn mit Recht den ersten Evangelisten nennen kann. Er schreibt an Gemeinden, deren Umgangssprache das hellenistische Griechisch war. Die Gemeindeglieder stammen überwiegend aus paganer Volkszugehörigkeit. Die Diskussion um die Reinheitsfrage in Mk 7 wird wohl ein Indiz dafür sein, dass auch christlich gewordene Juden zur Gemeinde zählten, sodass man den Personalbestand der Gemeinde strukturell mit Antiochias Gemeinde vergleichen kann. Der Name »Markus« ist in der Antike gut verbreitet. Ihn mit einer bekannten Person gleichen Namens aus der frühen Christenheit in Verbindung zu bringen, ist darum riskant und stößt auf größere Hindernisse (vgl. nur Apg 12,25; 15,37.39). Dieser uns also unbekannte Markus, der nach 70 n.Chr. (vgl. Mk 13,2.14) sein Werk verfasste und bald zum literarischen Vorbild von Matthäus und Lukas wurde, konnte auf nicht geringe Gemeindeüberlieferung zugreifen, unter anderem auf eine Passionserzählung und eben auf die kleine Apokalypse in Mk 13. Doch das muss jetzt hier nicht präzisiert werden. Wir fragen vielmehr im unmittelbaren Zugriff: Wie sieht die eschatologische Hoffnung aus, die der Evangelist, abgesehen von Mk 13, zerstreut in seinem Evangelium vertritt? Auf diese Frage ist nicht ganz einfach zu antworten. Die Hinweise dazu müssen nämlich aus dem ganzen Evangelium gesammelt werden und sind meist nur kurze Angaben, wobei durchweg zu fragen ist, ob diese, innerhalb einer Traditionsvorgabe stehend, auch immer noch die markinische Meinung treffen. Fest steht zunächst: Mk hat dazu mit großem Abstand in Gestalt von Mk 13 die ausführlichste Ausarbeitung der Enderwartung aus seiner Tradition in sein Evangelium eingestellt. Schon darum darf man doch wohl schließen, dass er im Wesentlichen und weitgehend mit dem apokalyptischen Weltbild des Textes in Harmonie lebte. Dafür spricht auch, dass er es nicht für nötig hielt, in Mk 13,24–27 redigierend einzugreifen, denn der Textinhalt
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stimmte offenkundig im Wesentlichen mit seiner eigenen Auffassung überein. Ein besonders starkes Argument für diese Annahme liefert die markinische Ergänzung in Mk 13,28–37. Dieser jetzige Abschluss der Apokalypse zeigt, wie wichtig Mk die Schilderung des endzeitlichen Kommens des Menschensohnes, d.h. für ihn die Ankunft des auferstandenen Herrn, war, hat Mk doch mit Mk 8,38 und 14,62 vor und nach Mk 13 die Bedeutung dieses Themas unübersehbar herausgestellt. Dabei wird insbesondere auch die zeitliche Nähe der Endereignisse hervorgehoben (Mk 13,28f): Noch in der jetzt lebenden Generation wird sich dies Ende der Geschichte ereignen (Mk 8,30), selbst wenn nur Gott diesen Zeitpunkt kennt (Mk 8,32; vgl. Apg 1,7). In Mk 9,1 hat Mk so formuliert: »Einige« der gegenwärtigen Christen werden nicht sterben, bevor die endzeitliche Gottesherrschaft kommt. Das ist eine gewisse Akzentverschiebung gegenüber 1Thess 4,13.15, wonach die Gemeinde in Thessaloniki die Erfahrung nur weniger toter Christen gemacht hatte, doch die große Mehrheit der Gemeinde das Erscheinen des Herrn zu erleben hoffte (Kapitel 7). Das bedeutet: Die Zeit bis zum Ende hat sich für Mk indessen ein weiteres Stück in die Länge gezogen. Etwas über 20 Jahre sind nämlich seit der Abfassung des 1Thess bis zur Gegenwart des Mk vergangen. Aber noch immer ist das markinische Zeitverständnis grundsätzlich von der Naherwartung her definiert. Darum fordert Mk auch typischerweise wie schon Paulus nach seiner eschatologischen Belehrung (1Thess 5,1–11 folgt auf 4,13–18) von seiner Gemeinde, wachsam zu sein (Mk 13,28–37, speziell V. 33.35.37), also Mk 13,24–27 ernst zu nehmen und die Lebensführung daran auszurichten. Eine weitere Akzentuierung zu den Ausführungen in der Apokalypse steuert Mk noch bei, indem er (traditionsgebunden) von der Gehenna als Ort des Gerichtsfeuers spricht (Mk 9,43.45.47f) und den Heilszustand als »Leben«, bzw. als »ewiges Leben« bezeichnet (Mk 9,43.45; 10,17.30). Der geschichtliche Ort des Mk nach 70 n.Chr. bedingte wohl auch, dass er und seine Gemeinden den Ort für die Ankunft des Herrn und für die Sammlung der Heilsgemeinde, der, in
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seiner Vorlage etwas versteckt, in Jerusalem lag (Mk 13,14; vgl. Lk 1,65), wegen des nur noch übrig gebliebenen Trümmerhaufens dieser Stadt (Mk 13,2) neu bestimmen mussten. Hat Mk sich dann aufgrund des urchristlichen Hintergrundes (vgl. Kapitel 3, 5, 6 und 7), wonach der eschatologische Heilsort allgemein und ohne geographische Präzision mit der Erde bezeichnet wurde, für diese Option entschieden? Jedenfalls wird ihm die paulinische Wahl des Himmels als Heilsort seit dem 1Kor (Kapitel 8) kaum bekannt gewesen sein. Denn dieser besondere Weg des Apostels mit dieser Option in 1Kor 15 passt zur traditionellen apokalyptischen Orientierung von Mk 13 weniger gut bis gar nicht. Allerdings verwendet Mk in Mk 13 ausdrücklich eine Jesus in den Mund gelegte Weissagung, nach der »Himmel und Erde« vergehen werden, Jesu Worte jedoch nicht (Mk 13,31 = Mt 24,35; vgl. Mt 5,19 = Lk 16,17). Mit »Himmel und Erde« ist dabei offenkundig die gesamte Schöpfung gemeint, wie Gott sie nach Gen 1 schuf. Sollte das Vergehen dieser Schöpfung als ein kommendes und reales Ereignis gemeint sein, dann kann der Heilsort für die erlöste Gemeinde nur in Gottes ewiger Welt liegen. Aber Mk 13,31 ist keine selbständige Ansage eines weiteren Aktes im apokalyptischen Drama, sondern bekräftigt nach dem Kontext die Naherwartungsaussage in V. 30. Dieses Wort des Herrn, so soll V. 31 klar machen, wird nicht hinfällig werden, selbst wenn niemand außer Gott Tag und Stunde des Kommens des Herrn kennt (Mk 13,32). Die Aussage zu »Himmel und Erde« ist dabei eine Verstärkung für die Qualität der Aussage Jesu in V. 30. Dann wird man V. 31 so deuten: Selbst wenn man sich die Unmöglichkeit einmal vorstellt, dass Himmel und Erde vergehen könnten, Jesu Worte werden dennoch nicht hinfällig. Mk 13,31 versperrt also keineswegs die Möglichkeit anzunehmen, dass Mk das Endheil auf der Erde situiert hat. Doch wie ist es dann um das Streitgespräch Jesu mit den Sadduzäern (Mk 12,18–27) bestellt, wenn in ihm die Auferstandenen, den Engeln im Himmel gleich, keine Ehen mehr führen werden (Mk 12,26). Werden sie dann, so taucht abermals die Frage auf, auch im Himmel mit ihnen
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wohnen? Stellen wir zunächst fest: Mk 12,26 enthält zwei bemerkenswerte Akzente. Einmal kann ganz selbstverständlich von der Auferstehung der Toten gesprochen werden, weil gestorbene Christen zur Zeit des Mk bereits zum Alltag der Gemeinden gehörten. Zum anderen bleiben sie nicht in irdischer Weise Menschen, sondern werden den Engeln gleich (vgl. 1Kor 15,50 und Kapitel 9). Damit entsteht die Anfrage: Soll man dann im Sinne des Mk interpretieren, dass die Welt unter dem Himmelszelt nach der Sammlung der Christen im entstandenen Chaos von Mk 13,24f soweit zerstört sein wird, dass sie nur noch als Strafstätte der dem Gericht verfallenen Menschheit taugt (vgl. Mk 9,43.45.48)? Und dass nur die oberhalb des Himmelszeltes situierte Welt Gottes unbeschädigt weiter existieren wird? Werden für Mk dorthin die erlösten Christen von den Engeln geführt und mit dem Menschensohn immer zusammen leben, dazu beispielsweise auch auf die bereits als Himmelsbewohner dort weilenden Elia und Mose (und andere) stoßen (Mk 9,4)? Doch da eine Aufnahme der Erlösten in den Himmel szenisch überhaupt nicht angedeutet ist, und nur bei den Engeln sicher ist, dass sie mit dem Menschensohn aus dem Himmel kommen, kann sehr gut gemeint sein, dass die Christen auf der Erde weiterhin verweilen, und der Menschensohn bei ihnen bleiben wird (vgl. z.B. 1Thess 4, 17). Die Erde und der Himmel (im Sinne von Gen 1) könnten dann von Gott wieder wie selbstverständlich hergestellt werden, wie ja auch bei Jesu Erwartung des endzeitlichen Heilsmahles stillschweigend vorausgesetzt ist, dass Gott es ausrichten wird (Kapitel 3). Die Gleichheit der erretteten Menschen mit den Engeln bestünde dann allein darin, dass auch die Erlösten unsterblich und ehelos werden. Dieses Szenario ist wohl die beste Option. Für sie lässt sich noch möglicherweise ein weiteres Argument anführen: Mk erhält durch die mündliche Tradition seine Passionserzählung. In ihr steht im Rahmen des Abschiedsmahles Jesu Wort, nach dem er hofft, in der Gottesherrschaft erneut Wein zu trinken (Mk 14,25). Das ruft die Erwartung Jesu wach, dass nach ihm das Endheil in einem Heilsmahl auf Erden bestehen wird (Kapitel 3). Wenn Mk den Vers auch so verstanden hat, ist
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klar, dass auch er die Erde als Ort der Heilszeit ansieht. Eindeutig ist in jedem Fall, dass Mk keine Gerichtsszene für die Christen vorsieht und von der »Auferstehung« nur dort spricht, wo es um verstorbene Christen geht (vgl. dazu die Kapitel 3, 7 und 8). Mk vorgegeben, so deuteten wir schon kurz an, ist auch eine Passionserzählung, die der Evangelist in Mk 14–16 verarbeitete. Die nicht ganz seltenen Gemeinsamkeiten der Überlieferungsvarianten (Mt 26–28; Lk 22,22–24; Joh 18–20) in Aufbau und Inhalt zeigen an, dass es einst eine alte und mündlich tradierte Passionserzählung gab, die sich durch je eigenständige Tradierung ausfächerte. Allerdings ist die Variationsbreite so groß, dass es an sehr vielen Stellen nur lückenhaft gelingt, die wahrscheinlichen Konturen des Ersttextes im Groben zu rekonstruieren. Einer Stelle, nämlich der Antwort Jesu im Verhör durch den Hohenpriester, soll jedoch um unseres Themas willen die Aufmerksamkeit gelten. Der Text in Mk 14,61f lautet: »Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten? Jesus sprach: Ich bin (es). Und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der (himmlischen) Macht sitzen sehen (Ps 110,1) und Kommen mit den Wolken des Himmels (Dan 7,13).«
Wenn diese Antwort Mk schon vorgelegen hatte, und damit ein hohes Alter beanspruchen dürfte, dann läge möglicherweise nicht nur ein alter Bezug aus dem frühen Christentum zu Dan 7,13 vor wie analog im frühjüdischen Text Mk 13,26, sondern möglicherweise auch der älteste christliche Beleg dafür, dass Ps 110,1 und Dan 7,13 um der Christologie willen im Verbund auftreten. Unsere Argumentation setzt damit ein, dass erstens klar sein sollte: Dieses Bekenntnis ist keine Aussage Jesu im historischen Sinn. Alle unsere bisherigen Beobachtungen (vgl. die Kapitel 3–5) sprechen nämlich eindeutig dafür, dass die Themen Erhöhung und Parusie Jesu christliche Aussagen nachösterlicher Provenienz sind. Zweitens zeigt ein Vergleich der synoptischen Passionserzählungen mit dem vierten Evangelium unter anderem gerade an dieser Stelle erhebliche Unterschiede. Das macht es nicht leicht, auf die Suche nach einer älteren
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gemeinsamen Vorform dieses Verhörs zu gehen. Drittens: Lud nicht auch die erzählte Situation des Verhörs geradezu dazu ein, Christus ein letztes programmatisches Selbstbekenntnis in den Mund zu legen? Und endlich viertens: Es sieht so aus, dass Markus mit dieser christologischen Ankündigung seinen Lesern sowohl Mk 12,36 mit Ps 110,1 als auch Mk 13,26 mit Dan 7,13 in Erinnerung rufen wollte. Er arrangierte dies, indem er nun beide Zitate zusammenband zu einem öffentlichen und abschließenden Bekenntnis Jesu, das noch dadurch einen besonderen Akzent bekam, weil es zur Ursache für seine Verurteilung wurde (Mk 14,63ff). Wer diese redaktionelle Linie ernst nimmt, wird urteilen, dass die jetzige Gestalt des Verhörs sich markinischer Redaktion verdankt. Da Mt und Lk diese Gestalt des Verhörs gerne akzeptierten, übernahmen sie unabhängig voneinander ihre markinische Vorlage. Ohne es ahnen zu können, hat Mk damit dem späteren apostolischen Glaubensbekenntnis die Vorlage erstellt, wenn es in ihm heißt: »Er sitzt zur Rechten Gottes, von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten«. Wir blicken am Schluss unserer Ausführungen noch einmal auf die markinische Neuheit zurück, dass nämlich Mk in der Geschichte der Weitergabe der Jesusüberlieferung gleich recht massiv apokalyptische Weltsicht in die Verkündigung Jesu einbaute. Dabei fiel auch noch auf, dass er sie sogar betont an eine prominente Stelle setzte, nämlich als Abschluss des öffentlichen Auftritts Jesu und vor den Beginn seiner Passion. Mt wird ihm darin bald folgen (Mt 24f; Kapitel 12). Er verhält sich in derselbe Weise auch dort, wo er wie vor ihm Mk auch an den Anfang des Wirkens Jesu ihm eine programmatische Redekomposition in den Mund legte (Mk 4; Mt 5–7). Bei Mk geschieht das in der Form, dass Gleichnisse aus der Verkündigung Jesu zusammenkomponiert werden. Mit Gleichnissen die Gottesherrschaft zu erklären, gehörte zweifelsfrei zu den wesentlichen Merkmalen von Jesu Wirken. Mit dieser Kompositionsidee hat Mk also insoweit einen guten Griff getan. Lassen wir einmal beiseite, dass die Allegorisierung von Gleichnissen wie in Mk 4,10–20 sicherlich nicht Jesu Art war, so werden
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das Säemannsgleichnis ohne seine markinische Auslegung und die beiden Gleichnisse von der selbstwachsenden Saat und dem Senfkorn (Mk 4,26–32) Jesu Botschaft angemessen repräsentieren. Dann darf man an Mk die Sachfrage stellen: Sind Mk 4 und Mk 13 mit ihren impliziten Verständnissen der gegenwärtigen Welt und Geschichte und des Gottesbildes miteinander vereinbar? Eben das wird man verneinen. Gerade Jesu Gleichnisse machen deutlich, dass er die durch sein Wirken zugunsten der Gottesherrschaft bestimmte Jetztzeit nicht als Anfang einer gestreckten und katastrophalen Prüfungs- und Horrorzeit vor dem Ende der Geschichte verstand, sondern als heilsamen Anfang einer unter den Menschen sich ausbreitenden Zuwendung Gottes in Gestalt der sich durchsetzenden Gottesherrschaft. In diesem Geschehen lebt das Gottesbild aus Lk 15,11–32, wie Gott auf verfehlte Lebensentwürfe reagiert.
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Der Autor des Mt griff auf Mk und Q als seinen literarischen Vorlagen zurück (Kapitel 11 und 6) und hatte außerdem Zugang zu verschiedenen mündlich umlaufenden Traditionen. Er wollte dabei die von Mk inaugurierte Gattung des Evangeliums beibehalten, allerdings mit zwei Erweiterungen: Während Mk und Q mit dem Täufer als dem Vorläufer Jesu einsetzten, greift er auf ein mündliches Arrangement von Kindheitserzählungen und einem (konstruierten) Stammbaum für Jesus zurück als neuem Anfang seines Evangelium. Auch baut er am Schluss das Ostergeschehen aus Mk 16 weiter aus, weil er wohl unzufrieden war mit dem nur indirekten Osterzeugnis des Mk und speziell dem Abschluss in Mk 16,8, über den auch andere haderten, wie die Textüberlieferung des Mk zur Stelle ausweist. Mt setzt wie Mk ausdrücklich die Zerstörung Jerusalems 70 n.Chr. voraus (Mt 22,7; 23,38; 24,2). Schon verhältnismäßig früh benutzen die Did (vgl. z.B. Did 8,2; 15,3f usw.) und Ignatius (Eph 19,1f; Phld 3,1 usw.) gleich eingangs des 2. Jahrhunderts das Evangelium, das recht schnell zum verbreitetsten Evangelium der christlichen Antike wird. Damit ist das Zeitfenster markiert, innerhalb dessen Mt entstanden sein muss. Meistens grenzt man diese Zeitspanne noch etwas ein, etwa auf 80–90 n.Chr. Dieser Vorschlag besitzt jedenfalls recht hohe Wahrscheinlichkeit. Der Apostel Matthäus ist erst nachträglich zum Autor erkoren worden, um dem Evangelium die Qualität eines apostolischen Augenzeugen zu geben. Doch ein solcher würde sein eigenes Erleben zumindest durchschimmern lassen und nicht nur schriftliche Vorlagen zusammenfügen, Gemeindetraditionen aufgreifen und das alles dann in seinem Sinne redigieren. Auch muss Matthäus längst gestorben
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gewesen sein, als das Evangelium entstand. Das Mt besitzt eine starke judenchristlichen Einfärbung, die im Vergleich zu den anderen Evangelien in die Augen springt. Zugleich wird jedoch eine polemische Position gegenüber dem Judentum und speziell den Pharisäern kontinuierlich aufgebaut. Außerdem kommt auch noch die Völkermission als zu erfüllender Auftrag des Erhöhten in den Blick (Mt 28,19f; vgl. weiter: Mt 10,18; 21,34; 24,14; 25,32; 26,13). So wird man urteilen: Mt und seine Gemeinden gehörten zunächst ins hellenistische Judentum, von dem sie sich jedoch einige Jahre vor der Entstehung von Mt getrennt haben (vgl. in Mt 23,34 die distanzierende Formulierung »eure Synagogen«). Allerdings zeigt Mt von Paulus, seinen Briefen und seiner Theologie keine Kenntnis. Diese in groben Grundzügen erkennbare Gemeindegeschichte passt vielleicht am ehesten nach Syrien, aber nicht gerade nach Antiochia, wo Paulus sicherlich nicht ganz vergessen war. Die Aussagen über »das Ende des Äons«, wie mit Ausnahme von Hebr 9,26 überhaupt nur Mt im ganzen frühen Christentum formuliert (Mt 13,39f.49; 24,3; 28,20), und über die Aufnahme »der Gerechten ins Reich ihres Vaters« (Mt 13,43) stehen teilweise recht zerstreut im Evangelium. Nicht selten greift sein Verfasser dabei auf Traditionsmaterial zurück (Mk, Q, mündliche Tradition), das kaum immer ganz harmonisch zu seiner eigenen Meinung positioniert war, und bei dem dann auch noch häufig nur aspektweise und stichwortartig etwas zu unserem Thema anklingt. Dieses Phänomen kann man sich beispielhaft gut und schnell an folgendem Vergleich verdeutlichen: Mt 8,11 zielt mit knappen Worten auf das eschatologische Heilsmahl auf Erden, wie es Jesus erwartete (Kapitel 3). Nach Mt 22,30 werden jedoch am Ende der Weltgeschichte die Menschen den »Engeln« gleich gestaltet sein, brauchen also doch wohl dann wie diese keine Nahrung mehr. Was soll in diesem Fall für Mt Geltung haben? Oder soll sich die Gleichheit mit den Engel nur begrenzt auf die Unsterblichkeit beziehen? Nun hat Mt allerdings die Seligpreisung der real Hungernden und Dürstenden, die im Gottesreich satt werden sollen (Mt 5,6), also auf das Heilsmahl hoffen dürfen, so verändert,
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dass sich Hunger und Durst für ihn auf die »Gerechtigkeit« als Heilsziel beziehen. Damit bekundet er wohl doch, dass er in der Tat einem Heilsmahl nicht mehr das Wort reden möchte. Doch so relativ glatt lösen sich inhaltliche Verwerfungen zwischen traditionellen Vorgaben und der Auffassung des Evangelisten selbst nicht immer auf. Wir werden jedenfalls nicht damit einsetzen, alle verstreuten Einzelaussagen zu sammeln und gleichsam zu einer Gesamtschau zusammenmixen, sondern auf zwei größere Abschnitte zugehen, in denen sich Mt ausführlicher zum Thema äußert. Der eine Text ist Sondergut des Mt, nämlich das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen und vor allem dazu seine Auslegung im engeren Jüngerkreis (Mt 13,24–30.36–43). Der andere Textabschnitt im Mt ist die breite Ausgestaltung der markinischen Apokalypse aus Mk 13 in Mt 24f. Auch hier sind speziell die Jünger die Adressaten. Das heißt: In beiden Fällen sollten wir gezielt auf Unterweisung für die Gemeinde stoßen: Die für sie angemessene Zukunftserwartung wird ausgebreitet. Zu beachten ist außerdem, dass Mt den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu mit der Bergpredigt besetzt, um der Gemeinde zu zeigen, worin der Kern von Jesu Verkündigung besteht und mit welchem Lebensverständnis sie ihr Leben gestalten soll (Mt 5–7). Wir werden auf diese Einschätzung der Bergpredigt bei der Besprechung von Mt 25,31ff zurückkommen. Die letzte große Rede Jesu, eben Mt 24f, schließt demgegenüber das Programm der Unterweisung der Gemeinde mit der für sie wichtigen und darum auch weit ausholenden Ansage der Zukunft ab. Beginnen wir mit der matthäischen Interpretation des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen! Es erhält in Mt 13,36ff seine Auslegung im Rahmen eines weltweiten Horizonts (Mt 13,38; vgl. 24,27.30f). Das entspricht dem umfassenden Missionsfeld, das der Auferstandene den Jüngern vorgibt (Mt 28,18). Zu diesem die damals bekannte Welt umgreifenden Horizont gehört auch, dass der Menschensohn und die christliche Mission einen ebenfalls universalen Gegner besitzen, der ebenso umfassend wirkt: den Diabolos (Mt 13,39; vgl. auch Mt 4,1–11; 25,41), bzw. den
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Satan (Mt 4,10; 12,26; 16,23). Durch sein antithetisches Wirken zum Menschensohn und zur Gemeinde entstehen unter anderem die »Söhne des Bösen« (Mt 13,38f), sodass es zu einem permanenten Rivalitätskampf zwischen beiden Seiten kommt. Auf diese Dualität werden wir in etwas anderer Form auch in Mt 25,31ff stoßen, allerdings trifft man hier auffälliger Weise auf keine Satanologie. Ohne dass es in Mt 13,24ff direkt gesagt wird, sollte es für die matthäische Gemeinde klar sein, dass nicht nur die Söhne des Bösen, sondern gerade auch Satan selbst und seine Dämonen (Mt 12,26) im Gerichtsfeuer enden werden (Mt 13,41; ein etwas anderes Bild: Mt 25,30), wie es auch später (Mt 25,41) ausdrücklich formuliert wird (vgl. 1Kor 15,24). Dass das Motiv des Gerichtsfeuers (vgl. Dan 7,11) seit dem Täufer (Kapitel 2) in dem von uns untersuchten Überlieferungszusammenhang immer wieder auftauchte, bedarf keines erneuten Nachweises mehr. Das christologische Konzept der Auslegung des Gleichnisses steht der Christologie von Q nahe (Kapitel 7). Das Wirken des (aus der Perspektive der jetzt lebenden Gemeinde) gekommenen Menschensohnes bewirkte die Entstehung der christlichen Gemeinde als den »Söhnen des Reiches« (Mt 13,38). Diese missionarische Tätigkeit Jesu setzen die Missionare der Gemeinden nach Tod und Auferstehung Jesu fort (Mt 28,19f). Diese Gemeinden warten dabei zugleich auf Jesus als den zum Weltgericht wiederkommenden Menschensohn (13,41). Dieses Ereignis bedeutet »das Ende der Welt« (Mt 13,39f) im Sinne des Endes der jetzigen Weltgeschichte. Dabei wird der Menschensohn aufgrund seiner weltumspannenden, doch zurzeit noch verborgenen Herrschaft über Himmel und Erde (Mt 28,10) mit »seinen Engeln« (Mt 13,39f; 16,27f; 27,31) wieder auf die Erde kommen. Die Aufgabe der ihn begleitenden Engel besteht dann in der 1Thess 1,10 Gott selbst vorbehaltenen Zusammenführung aller »Gesetzlosen« (Mt 13,41), die sie in den Feuerofen werfen werden. Hier werden »Heulen und Zähneknirschen« vorherrschen (Mt 13,42.50). Die »Gerechten« hingegen werden ebenfalls von den Engeln zusammengeführt (Mt 24,31) und im Reich ihres Vaters »wie die Sonne« leuchten, also
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wohl doch eine Art »Verwandlung« erleben, ohne dass dies näher entfaltet wird (vgl. Mt 17,2; 22,30). Dieses Reich des Vaters wird man sich als Herrschaft des Menschensohnes auf der Erde vorzustellen haben (Mt 5,5; vgl. Mt 25). Dabei bleibt Gott selbst im verborgenen Hintergrund, wie wir es schon mehrfach für die Zeit vor Mt feststellen konnten. Es verwundert allerdings, dass nach Mt 16,28 (aus Mk 9,1 übernommen) und 24,34 (Mk 13,30 entnommen) Mt nur noch damit rechnet, dass einige, besser: wenige gegenwärtig lebende Christen die endzeitliche Ankunft des Menschensohnes erleben werden, er jedoch auf das Geschick dieser verstorbenen Christen, also auf ihre Auferstehung gar nicht eingeht. Das Problem kennen wir schon aus Mk 13 (Kapitel 8) und werden es später nochmals ansprechen. Wenden wir uns nun dem letzten großen Redekomplex im Mt zu, also seinen apokalyptischen Ausführungen in Mt 24f. Schon Mk hatte seine apokalyptische Rede unmittelbar vor die Ereignisschilderung der letzten Tage Jesu gestellt (Mk 13), gleichsam als Jesu letztes Vermächtnis. Mt folgt diesem Entscheid und übernimmt damit auch gerne diese markinische Novität, innerhalb der Jesusüberlieferung ein dramatisches apokalyptisches Szenario aufzubauen (Kapitel 11), das, wie wir schon bei der Besprechung von Mk sahen, sachlich eigentlich gar nicht zur Verkündigung Jesu passt. Dabei freut sich Mt über Mk 13 so, dass er zunächst mit wenigen kleineren Veränderungen Mk 13,1–27 übernimmt. Nach der Schilderung des apokalyptischen Ablaufs platziert Mk dann Äußerungen zur Terminfrage der letzten Ereignisse und einen paränetischen Aufruf zur Wachsamkeit (Mk 13,28–37). Hierbei nun greift Mt umfassender in seine Vorlage ein (Mt 24,32–25,30), weil er sich herausgefordert sieht, seine Gemeinden nachhaltig und energisch aufzurütteln angesichts ihrer wohl verbreiteten Ansicht, dass der in die mittlere Ferne gerückte Zeitpunkt der Ankunft des Menschensohnes sie dazu einlädt, etwas weniger konzentriert und zielorientiert zu leben (Mt 24,43f.48; 25,5.19 usw.). So droht die Gemeinde in Schläfrigkeit zu sinken (Mt 25,5), wo es doch gilt, zu »wachen« und immer »bereit zu sein« (Mt 24,44). Denn das plötzliche Kommen des Herrn
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sollte in keinem Fall ein Gemeindeglied überraschend treffen (Mt 24,32–41.43.50; 25,3.10.19). Sonst droht die Gehenna (Mt 24,51; 25,12.30.41)! Kein anderes Thema aus der christlichen Lebensgestaltung ist im Mt so extensiv und zugleich an so herausgehobener Stellung im Evangelium zur Sprache gebracht. Mit diesem eindringlichen und lang gedehnten Appell endet die apokalyptische Rede allerdings immer noch nicht. Es folgt nämlich noch als Abschluss die im Blick auf das Neue Testament ausführlichste Darstellung des Weltgerichts (Mt 25,31–46). Sie ist matthäisches Sondergut, ja dürfte wohl doch überhaupt von ihm gestaltet worden sein. Auf diesen Abschnitt wollen wir uns nun konzentrieren. Für die Schilderung der »Parusie« des Menschensohnes (Mt 24,3.27.37.39; vgl. 1Thess 2,19 und Kapitel 7), also für sein »Kommen« in »seiner Herrlichkeit« mit den »Engeln« (Mt 25,31; vgl. 1Thess 3,13, 2Thess 1,7 usw. und Dan 7,9– 14) benutzt Mt wohl selektiv Motive und Stichworte aus Dan 7. Ganz neu ist jedoch, dass sich nun bei Mt statt Gott der Menschensohn »auf den Thron seiner Herrlichkeit« (Mt 25,31) setzt. Damit ist das in Dan 7,9 Gott zugeordnete Richten von seinem Thron aus auf den Menschensohn übergegangen. Dieser Wechsel besitzt Methode: In Dan ist der göttliche Thron der Regierungssitz für das göttliche Richten der Menschheit. Diese richterliche Funktion ist in Mt 25 von Gott zum Menschensohn gewandert, präziser: Der Menschensohn tritt damit das Erbe »seines Vaters« an (Mt 25,34). Gott selbst bleibt darum im Unterschied zu Dan 7,9f in der Verborgenheit des Himmels, wie wir es in der christlichen Rezeptionsgeschichte des danielischen Menschensohns schon des Öfteren beobachtet haben. Neu ist außerdem, dass in Mt 25,34.40 der Menschensohn als »König« bezeichnet wird. Auch das lässt sich recht gut mit Dan 7 erklären. In Dan wird dem Menschensohn vom »Hochbetagten« (Dan 7,9) nach dessen Gerichtsvollstreckung gleichsam in Gestalt einer Erbfolge die Herrschaft über »die Völker aller Nationen« übertragen. Diese Reichsübergabe führt zu einem weltweiten Herrschaftsreich des Menschensohnes, das nie »zerstört werden« wird
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(Dan 7,14). Diese danielische Aussage korrespondiert nun haargenau mit der Kennzeichnung Jesu als »König« in Mt 25,34.40 (vgl. auch 22,1ff). Dazu wird man an Mt 28,18 erinnern, wenn der Auferstandene hier den Jüngern bekundet, dass ihm, natürlich von Gott, »alle Gewalt im Himmel und auf Erden übergeben ist« (vgl. Dan 7,14). Damit ist für Mt die Macht und Aufgabe des Königtums Jesu definiert: Er ist an Gottes Stelle Endzeitrichter und Endzeitherrscher in einer Person. Das Gericht des Menschensohnes in Mt 25 ist darum auch ein globales Weltgericht über die gesamte Menschheit. Das ist eine weitere Neuheit gegenüber der bisher gesichteten Tradition zum Menschensohn im frühen Christentum, korrespondiert jedoch im Kern mit Jesu Auffassung (Kapitel 3). Allerdings entsteht damit zugleich eine Spannung zu der von Mk im Wesentlichen übernommenen Parusieszene in Mt 24,30f. Zum Thema des Königtums Jesu kann man noch ergänzen: Wenn nach Mt 19,28 (vgl. Lk 22,30; Mt gleicht unübersehbar an Mt 25,31 an) in der Endzeit der Zwölferkreis die zwölf Stämme Israels regieren wird, ist diese begrenzte Beteiligung an dem weltweiten Endzeitregiment Jesu möglicherweise eine Variation von Dan 7,22.27. Endlich steht Dan 7 doch wohl auch hinter der Vorstellung in Mt 25,31ff zur Lokalisierung des Gerichts, nämlich als einem Vorgang auf der Erde (Dan 7,14.17f.22.26). So »kommt« bei Mt der Menschensohn mit seinem Hofstaat, und »alle Völker« werden vor ihm »versammelt« (Mt 25,32). Nach Dan 7,27 befindet sich dann nach vollendetem Gericht das Reich der Heiligen des Höchsten »unter dem Himmel«, also auf der Erde. So meint es auch Mt: Die Völker, alle lebenden Menschen (die paganen Völker; die Israeliten und die Christen) die sich zum Gericht auf der Erde versammeln müssen, werden auf der Erde in zwei Gruppen eingeteilt. Davon wird die eine »weggehen« zur ewigen Bestrafung, die andere »zum ewigen Leben« (Mt 25, 32f.46). Das wird man im Sinne horizontaler Bewegungsabläufe zu verstehen haben. Von einem Versetzt-Werden aufwärts in den Himmel ist absolut keine Rede. Man kann noch hinzufügen: Das Regiment der Jünger über die zwölf Stämme
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Israels wird man geographisch (stillschweigend, jedoch selbstverständlich) im Land Israels angesiedelt sein lassen. Zu erinnern ist nochmals daran, dass wie bei Mk 13 in Mt 24f kein Sterbenswörtchen zum Thema Auferstehung zu finden ist, wo man doch bei so viel apokalyptischer Szenerie eigentlich voraussetzen kann, dass eine wenigstens kleine Auferstehungsszene erwartet werden dürfte (Beispiel dafür 1Thess 4,13ff; Kapitel 7). Zu diesem Schweigen passt, dass Mt In Mt 8,11f; 12,42f vorgegebene Tradition übernimmt, die die Auferstehung Verstorbener voraussetzt, ohne das versteckte Thema explizit anzugehen. Auch an der Art des Auferstehungsleibes Jesu ist Mt gar nicht interessiert (vgl. dagegen: Lk 24,36–43; Joh 20,24–28). Immerhin kann er mit Hilfe vorgegebener Tradition die Verheißungen zu den Seligpreisungen in Mt 5,3–11 so gestalten, dass ein hochwertiger und endgültiger Zustand des menschlichen Wohlbefindens zu erwarten ist. Allerdings übernimmt Mt auch aus Mk 22,18–27 die Perikope zur Sadduzäerfrage nach der Auferstehung, wobei er in diesem Fall keine eigenen Akzente hinzu setzt. Ja, er kann vom »ewigen Leben« in für ihn traditioneller Terminologie sprechen (Mt 19,16.29; 25,46) oder nur abgekürzt vom »Leben« (Mt 7,14; 18,8; 19,17). Aber außer der nicht sonderlich originellen Angabe in Mt 17,2, der Beschreibung Jesu bei seiner Verklärung auf dem Berg, versucht Mt nirgends, zur Auferstehung nähere Angaben zu machen. Natürlich will Mt nicht den Eindruck hinterlassen, die verstorbenen Christen hätten Pech gehabt, dass sie zu früh gestorben sind. Aber wann und wie sie auferstehen, ist ihm im Unterschied zu Paulus (Kapitel 7 und 8) keine Bemerkung wert. Halten wir also fest: Mt ist in diesem Fall ein recht treuer Nachfolger des Mk. Ist damit zum Szenario in Mt 25,31ff wohl alles Nötige gesagt, kann nach dem erzählerisch stark betonten Gerichtsmaßstab geschaut werden. Die zwei Dialoge zwischen dem Menschensohn-König und denen, die beurteilt werden sollen, sind dabei genau parallel strukturiert, jedoch mit gegensätzlichem Ausgang versehen. Aufgezählt werden sechs typische Elendssituationen, wie sie Menschen in der Antike bei sich und in ihren Großfamilien und Stämmen
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z.B. in Kriegszeiten doch auch sonst immer wieder erlebten. Da geht es zunächst um das leibliche Wohl: Hunger und Durst (z.B. bei Belagerungen oder Naturkatastrophen, zur Sache etwa: Lk 21,11.34). Dann um Unbehaustheit: Obdachlosigkeit und Bekleidungsmangel (z.B. durch Vertreibung oder Flucht nach einer militärischen Niederlage oder durch gesellschaftlichen Ausstoß von Leprakranken). Endlich um Elendssituationen, die den Körper schwächen: Krankheit und Gefängnis (z.B. aufgrund von Unterernährung und Infektionen oder Inhaftierungen ohne hinreichende Nahrung). Inneres Ziel der Aussage ist: Eigentlich niemand kann sich herausreden, bisher keine Chance gehabt zu haben, um in solchen eigentlich immer wieder und überall anzutreffenden Notsituationen tatkräftig helfen zu können, wenn er denn wollte und nicht wegsah. So ist die individuell tätige Mitmenschlichkeit, die Hilfe von Mensch zu Mensch als entscheidendes Maß im Gericht ausgewiesen. Zusammenfassend hatte Mt schon Mt 16,27 formuliert: »Der Menschensohn wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln kommen, und dann wird er jedem nach seinem Tun vergelten.« Auch Mt 19,16ff ist dazu einschlägig, wenn Jesus dem reichen Jüngling eingangs ihres Gespräches antwortet: »Willst Du ins Leben eingehen, so halte die Gebote«. Bei diesem Grundsatz ist das frühjüdische Erbe des Mt offensichtlich: Die göttliche Tora ist der Weg zum Leben, und einen anderen Weg gibt es nicht. Sie ist durch Mose Israel gegeben (Mt 5,17–20; 7,12), gilt aber für die ganze Welt. Mt fügt hinzu: Die dazu gehörige verbindliche Auslegung der Tora kommt von Jesus und wird von ihm gleich in seiner ersten Rede (Mt 5–7) programmatisch vorgeführt. Dabei sieht sein Toraverständnis im Ansatz etwa so aus: Wie der Schöpfer sich allen seinen Geschöpfen gegenüber als sorgender Vater betätigt (Mt 6,25–34), so sollen alle Geschöpfe ohne Ausnahme darin Gott nachahmen bis hin zur Feindesliebe (Mt 5,34–48). Damit ist der Hintergrund für den Gerichtsmaßstab aus Mt 25,31ff insofern freigelegt, als die Konkretionen, die der König benennt, pars pro toto zu deuten sind, denn die bunte Fülle der Handlungsfelder z.B. aus
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der Bergpredigt sind natürlich nicht überflüssig geworden. Darum gilt: Was der gekommene Menschensohn insgesamt als Ziel menschlicher Lebensgestaltung aufgrund seiner Torainterpretation verkündigte, wird der kommende Menschensohn in seinem Gericht zur Urteilsbegründung nehmen. Diese seine Lehre und Lebensführung wird bekräftigt und als Lebensverständnis bewahrheitet durch jeden, der in seine Nachfolge tritt (Mt 25,40). Dieser Ansatz bedingt, dass erst das Endgerichtsurteil des Menschensohnes Menschen rechtskräftig zu »Gerechten« macht (Mt 25,27) und erst damit ihnen der Weg zum Leben offen steht (Mt 25,46). Christen können dieses Ziel wie alle anderen aber auch immer noch verfehlen (Mt 24,50f; 25,11f.30). Ihr Vorteil ist, dass sie den Willen Gottes kennen. Entsprechen sie dem nicht, sind auch sie verloren. Mt steht damit in relativer Kontinuität zur damaligen Synagoge und gleichzeitig in sachlicher Spannung etwa zu Paulus und dem vierten Evangelisten. Paulus setzt auf den Glauben an den Gott der Verheißungen und des Evangeliums (Röm 4,1–12; Gal 3,1–14) und auf die Gabe des heiligen Geistes (Röm 8,12–17). So gibt es für ihn aufgrund der Treue Gottes Heilsgewissheit im jetzigen Leben (Röm 5,1f.15). Auch für ihn wird das Tun der Christen im Endgericht beurteilt (1Kor 5,1–5). Doch die im jetzt verkündigten Evangelium zugesprochene und glaubend angenommene Gnade Gottes bleibt in Geltung, auch wenn das christliche Leben nicht ohne Tadel ist (vgl. Kapitel 7 und 8). Auch der vierte Evangelist (vgl. Kapitel 14) setzt auf den Glauben an den Sohn Gottes (Joh 3,14–18.36; 5,24f; 6,47; 11,25; 20,31). Die Tora hat mit dem Kommen des Sohnes ihre soteriologische Bedeutung verloren (Joh 1,16; 9,24–38; 12,34f). Sie bleibt nur noch das Gesetz der Juden (Joh 7,19.51; 10,34 usw.). Das traditionell erwartete Endgericht fällt mit dem Wirken des gekommenen Sohnes zusammen (Joh 8,16; 12,31 usw.), der dann im Tode des Christen diesen zu sich ziehen wird (Joh 12,32). Die Gerichtszene ist für christliche Leser geschrieben. Sie ist auch kein vorweg genommenes Gerichtsprotokoll. Sondern sie verfolgt ein paränetisches Ziel für die Zeit vor der Parusie. Damit steht die Gerichtsszene in Kontinuität zum Ab-
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schnitt Mt 24,32–25,30: Die christlichen Gemeinden sollen jetzt und im Blick auf die kommende Ankunft des Herrn ermuntert werden, im Sinne des Lebensverständnisses, wie es sich unter anderem in den beiden Dialogen des Gerichtsverlaufs beispielhaft zeigt, ihr Leben in der Nachfolge Jesu beharrlich zu führen. Diese Zielgerichtetheit lässt in Bezug auf die paganen Völker allerdings ein Problem im Dunkeln. Nach Mt 22,34–40 gehört zum essenziellen Kernbestand der Tora das Doppelgebot der Liebe, also unbedingt und fraglos die positive Beziehung zu dem einen Gott. Und der Bergprediger fordert die Menschen auf, sich an dem einen Schöpfergott zu orientieren (z.B. Mt 6,25ff). Doch die pagane Welt zeichnet sich für das Frühjudentum und für die Kirche gerade dadurch negativ aus, dass sie viele Götter verehrt, aber nicht den einen Gott Abrahams und Jesu. Dazu passt, dass auch Mt sonst pauschal abwertend über die nicht-christliche Völkerwelt reden kann (Mt 5,46f; 6,32; 10,5.17ff). Selbstverständlich (vgl. 1Thess 1,9 und Kapitel 7) müssen die Völker missioniert werden. Sie werden getauft unter anderem auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes und sollen alles halten, was Jesus gelehrt hat (Mt 28,18–20). Auch Mt 12,41f (entlehnt aus Q) nehmen die Niniviten die Predigt des von Israels Gott gesandten Jona an, und die Königin des Südens lauscht der von Gott kommenden Weisheit Salomos. Darum werden sie im Endgericht bestehen können. Mt will doch wohl in keinem Fall mit Mt 25,31ff aus diesen urchristlichen Konsens ausbrechen und für die Völker ein Christentum propagieren, das auf ein allgemeines Ethos reduziert ist und die theologische Frage im engeren Sinn ausblendet. Im Übrigen gibt er Mt 25 auch nicht an, ob oder wie viele Menschen ungefähr aus den Völkern und sonst zu den Geretteten zählen werden. Nach Mt 22,14 deutet er überhaupt an, dass er ein eher pessimistisches Gesamtergebnis erwartet. Und noch haben die Völker ja auch die Möglichkeit, das ganze Evangelium anzunehmen, denn bis dahin werden die Missionare aufgrund des Auftrags ihres Herrn in der ganzen Welt aktiv sein (Mt 28,19). Eingangs dieses Abschnitts wurde bereits erwähnt, dass Mt eine recht gute und frühe Verbreitungsgeschichte vorwei-
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sen kann. Als ein Beleg dafür aus dem Anfang des zweiten Jahrhunderts wurde auch die Didache angeführt. Sie endet in Did 16 stilgemäß mit einer kleinen Apokalypse, die gehäuft Beziehungen zur Apokalypse in Mt 24 erkennen lässt: Zu Did 16,1 vgl. Mt 24,42.44; 25,13; zu Did 16,3 vgl. Mt 24,10–12; zu Did 16,4 vgl. Mt 24,10.21.24; zu Did 16,5 vgl. Mt 24,13; zu Did 16,9f vgl. Mt 24,30f; 16,64. Darum wollen wir nach der Besprechung von Mt noch einen kurzen Blick auf Did 16 werfen, also an einem Beispiel die Rezeptionsgeschichte von Mt betrachten. Der Text besteht aus zwei Teilen: Did 16,1–5, also der erste Teil, behandelt das notwendige Verhalten der Gemeinde in der Schreckenszeit vor dem Ende und die sich verschärfenden Unheilsereignisse in dieser letzten Zeit der Geschichte. Der zweite Teil, also Did 16,6–8, kommt dann auf die Endereignisse selbst zu sprechen. Im ersten Teil geht es mit zwei Ermahnungen an die Gemeinde los: Sie soll wachsam und bereit sein, da die Stunde, in der der Herr erscheinen wird, ihr nicht bekannt ist (Did 16,1). Nach dieser typisch apokalyptischen Mahnung folgt dann die Aufforderung, oft zusammenzukommen, um sich gegenseitig im Glauben zu stärken (Did 16,2). Daraufhin wird die Notsituation der letzten Zeit vor dem Ende wiederum in guter apokalyptischer Tradition mit einer sich steigernden und desaströsen Ereignisfolge beschrieben: Erstens werden Lügenpropheten ihr Unwesen betreiben (Did 16,3). Zweitens wird die Gesetzlosigkeit zunehmen, wobei man sich gegenseitig hassen, verfolgen und verraten wird (Did 16,4a). Sodann wird drittens der Weltverführer offenbar werden und Zeichen und Wunder tun (vgl. 2Thess 2,1–12; 1Joh 2,18; 4,3). Die ganze Erde wird ihm ausgeliefert sein. Seine Freveltaten sind so groß, wie man sie seit Urzeiten nicht erlebt hat (Did 16,4b; vgl. Mk 13,19). Und viertens: Die Schöpfung der Menschen wird ins Feuer der Bewährung kommen, woran viele zugrunde gehen werden. Doch die im Glauben ausharren, werden vom Gekreuzigten selbst gerettet werden (Did 16,5). Damit ist die Liste der Unheilsereignisse beendet und am Schluss schon ein Blick auf die Erlösung geworfen.
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Dann beginnt der zweite Teil der Apokalypse: Die Zeichen der Wahrheit werden sich ereignen, nämlich erstens das Zeichen der Himmelsöffnung, dann zweitens das Zeichen des Trompetentons, drittens die Auferstehung der Toten, und endlich das Kommen des Herrn auf den Wolken des Himmels vor aller Welt (Did 16,6–8). Typik und Reihenfolge entsprechen so genau 1Thess 4,16f, dass der Verfasser der Apokalypse auf mündlichem Wege vom Inhalt des paulinischen Textes Kenntnis bekommen haben wird. Da die Einholung des Herrn (1Thess 4,17f) nicht aktualisiert ist, kommt eine literarische Benutzung des 1Thess eher nicht in Frage. Nicht ausgeführt werden vom Verfasser der Did die Trennung zwischen Sündern und Gerechten, also die Verurteilung der Sünder (vgl. nur 1Thess 1,10) und die Zusammenführung der Christen mit dem Herrn (vgl. nur Mt 24,31; 1Thess 4,17). Doch solcher Angaben bedurfte es wohl nicht, weil jeder Christ damals wusste, dass das nach dem Kommen des Herrn folgen wird, wie der Verfasser es ja auch Did 11,4 schon vorgetragen hat. Eine Besonderheit ist noch wichtig: Zur Auferstehung der Toten macht der Autor die ausdrückliche Bemerkung, dass es keine allgemeine Auferstehung aller Gestorbenen geben wird, sondern nur eine solche der Heiligen, d.h. der Gemeindeglieder, wie mit einem (falsch verstandenen) Zitat aus Sach 14,5 ausgeführt wird. Hierbei positioniert sich der Autor wohl doch wissentlich gegen Mt 25,31ff. Er steht jedoch in der Tradition von 1Thess 4,14, freilich ohne, wie schon angetippt, die (singuläre) Einholung des Herrn zu übernehmen. Auch sind tote Christen längst Normalität geworden, ganz im Unterschied zu 1Thess 4,13f. Die Bitte Maranatha bleibt liturgisch erhalten (Did 10,6), besitzt jedoch gar keinen Naherwartungsdruck mehr. Die Parusie des Herrn hat dann, so wird man wohl annehmen, stillschweigend zur Folge, dass der Herr auf der Erde bei seiner Gemeinde bleibt und Gott unsichtbar im Himmel. Das entspräche dem Muster wie in 1Thess 4,17 und anderen urchristlichen Zeugen. Das ist gewiss im Vergleich mit Mt und anderen Entwürfen nur eine vom Umfang her kleine Apokalypse. Doch trotz-
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dem eine typische: Die Kontrastierung von jetziger Elendszeit und späterer Heilszeit, die betonte Aufforderung zum Durchhalten, um in der jetzigen Elendszeit nicht verloren zu gehen, die Beschreibung der sich steigernden Unheilsphänomene und die als Hilfe gedachte Aufzählung der Zeichen der beginnenden Heilszeit kennzeichnen dieses apokalyptische Weltbild. Gegenüber der allgemeinen Weltgeschichte und dem Repertoire von Naturkatastrophen (vgl. Mt) übt Did 16 Askese und konzentriert sich bewusst bei den Widrigkeiten in der Jetztzeit auf solche, die durch Menschen von außen gegenüber der Gemeinde oder in ihr selbst geschehen. Einen ganz kurzen Blick wollen wir noch auf den Jak werfen, der etwa auch um die erste Jahrhundertwende entstanden sein mag. Doch übergehen wir die Diskussion der Einleitungsfragen, weil hierbei fast nichts einigermaßen sicher zu beantworten ist. Schon längst ist allerdings erkannt, dass auch der Jak eine gewisse Nähe zu Mt (speziell und gehäuft zu einigen Themen der Bergpredigt) aufweist. Seine wenigen Angaben zur Enderwartung passen ebenfalls dazu. Die Wiederkunft des Herrn ist sein Erscheinen als Richter über alle Menschen (Jak 5,7–11). Gerichtsmaßstab ist die von den Menschen geübte Barmherzigkeit (Jak 2,13). Wer hierbei vor dem Herrn bestehen kann, ist »Erbe des Reiches« (Jak 2,5). Dieser Richter steht vor der Tür (Jak 5,9). Doch muss die Gemeinde Geduld haben (Jak 5,10), nämlich Hiobs geduldiges Ausharren (Jak 5,11). Der Verfasser des Mt könnte sich in diesen stichwortartigen Angaben wohl recht gut wiedererkennen.
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Die Gattung des Evangeliums schuf Mk (vgl. Kapitel 11). Damit wollte er das Wirken Jesu als maßgebliche Ursprungszeit für den Glauben und das Leben seiner Gemeinden herausstellen. Dabei lässt Mk durch Jesus die Verbreitung der Evangeliumsbotschaft nach seinem Tod und seiner Auferstehung zur Aufgabe der Jünger werden (Mk 6,6ff; 13,10). Doch wie Lk eine Geschichte der christlichen Mission zu schreiben, das kam ihm noch überhaupt nicht in den Sinn. Denn die Erwartung des baldigen Endes der Geschichte war noch nicht abgeklungen, selbst wenn schon eine sich vergrößernde Dehnung der Zeit zur Erfahrung der Gemeinden gehörte (Mk 9,1). Hier setzt nun Lk, der uns im historischen Sinn ein unbekannter Autor ist, mit einem indessen veränderten Geschichtsverständnis ein, da er bereits auf mehr als eine nachösterliche Generation des Christentums mit einigem Abstand zurückblickte. Allerdings machte er mittels einer in der Antike nicht unbekannten literarischen Fiktion seinen Lesern klar, dass er selbst gerade noch als ein Zeitzeuge des letzten Abschnittes dieser ersten Generation anzusehen sei (Apg 16,10–17; 20,5–15 usw.). Wenn er sich für die Jesuszeit, wie er offen zugibt, auf andere Augenzeugen berufen musste (Lk 1,1–4), und das hat er seiner Meinung nach gewissenhaft getan, so bringt er für die erste nachösterliche Generation sich selbst als Begleiter des Paulus ins Spiel. Diese Fiktion kann recht zuverlässig aufgedeckt werden, wie ein Vergleich des Paulusbildes der Apg mit den Briefen des Apostels Paulus erweisen kann. Denn die Differenzen zwischen den Briefen des Paulus und der Apg sind leider recht groß. Der für Lk zurückliegende Zeitabschnitt christlicher Mission ist für ihn in zwei Phasen strukturiert, nämlich als
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Ausbreitung des Evangeliums durch die Apostel, die Jünger Jesu waren, und als missionarische Tätigkeit des Paulus. Dieser war für Lk (anders Paulus über sich selbst) kein Apostel, sondern hatte für ihn eine besondere Berufung zur Völkermission erhalten mit einem geographisch definierten Horizont von Jerusalem nach Rom. Zugleich ist diese Phase der theologischen Qualität nach die Zeit, in der der heilige Geist die Mission erstaunlich energisch vorwärts treibt. Die bisher letzten Jahre dieser Ausbreitung des Christentums gehören Paulus, der nach Apg 20,17ff, wohl doch paradigmatisch für die ganze apostolische Zeit, seine testamentarische Abschiedsrede vor den Ältesten aus Ephesus hält und so die nachrückende Generation in die Pflicht nimmt, dem Evangelium treu zu bleiben und die Gemeinden zu leiten. Gegen Ende dieser zweiten Generation, also etwa um 90 n.Chr., wird Lukas sein Doppelwerk in zwei Etappen (vgl. Lk 1,1–4; Apg 1,1–3) geschrieben haben. Die Frage nach dem Ort der Abfassung lassen wir offen, weil durchschlagende Gründe für eine bestimmte Option nicht bereitstehen. Für sein Evangelium konnte Lukas auf Mk und Q als Vorlagen zurückgreifen (Kapitel 6 und 11). Er kannte auch etwa einen eigenständigen Erzählzusammenhang aus Kindheitsgeschichten Jesu (Lk 1–2), vor allem aber noch Einzeltraditionen (etwa Gleichnisse Jesu), die für unser Jesusbild starke Bedeutung haben (vgl. nur Lk 15,11ff). Natürlich hat er auch bei der Erstellung der Apg auf Traditionsgut (und Erzählzusammenhänge?) zurückgreifen können. Doch werden hierbei die Analysen recht komplex, sodass wir auf Präzision in dieser Frage jetzt verzichten. Blickt man auf die lukanischen Ausführungen zur Eschatologie, so fällt alsbald auf, dass dieses Thema bei ihm seine Dringlichkeit und beherrschende Stellung, wie sie in der Zeit vor ihm so markant sichtbar war (vgl. z.B. die Kapitel 5 und 7), verloren hat. Das lässt sich schnell demonstrieren: Der älteste Evangelist hatte etwa in Mk 1,15 zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu einen zusammenfassenden und programmatischen Satz der Verkündigung Jesu gesetzt. In dessen Zentrum stand die Aussage, dass die endzeitliche Gottesherrschaft »nahe herbeigekommen« sei. Diese Aus-
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sage übergeht Lk vollständig und lässt dafür den »Propheten« Jesus (Lk 4,24; vgl. 1,76; 4,24; 7,16; 13,33; 24,19) seine Antrittspredigt an seinem Heimatort Nazaret halten, in deren Mittelpunkt die in Jesu Person erfüllte Verheißung alttestamentlicher Prophetie steht (Lk 4,14.21), die jedoch kein Wort über die nahende Gottesherrschaft enthält. Auch der Täufer Johannes war schon zuvor schwerpunktmäßig und betont als Vorläufer Jesu herausgestellt worden (Lk 3,4–6.15–18). Unter diesem Vorzeichen verliert dann seine Androhung des ganz nahen göttlichen Gerichts (Kapitel 2) ihren bedrohlichen Ernst und ihre dominante Vorherrschaft, zumal des Täufers Rede, gewiss vor allem wegen seines Verweises auf Jesus, von Lk zusammenfassend als »frohe Botschaft« gekennzeichnet wird (Lk 3,18). Zudem bekommen die Zuhörer des Johannes Ratschläge zur gegenwärtigen Lebensführung, die uneschatologische Alltäglichkeiten bieten (Lk 3,10–14). Auch am Schluss seines Evangeliums lässt Lk den Auferstandenen erklären, dass alles erfüllt werden muss, was im Alten Testament verheißen ist, und außerdem, dass die Jünger sehr bald den heiligen Geist erhalten werden (Lk 24,44ff). Ein eschatologischer Ausblick, wie er bevorzugt am Ende einer Rede, eines Briefes usw. damals gerne situiert wurde (vgl. z.B. Mt 28,20; 1Kor 16,22; Offb 22,20; Did 16 usw.), ist jedoch nicht anzutreffen. Auch die Apg lässt solchen eschatologischen Akzent etwa am Schluss (Apg 28,30) oder anlässlich der paulinischen Abschiedsrede (Lk 20,17ff) vermissen. In den Reden der Apg kommt die eschatologische Erlösung überhaupt nur in Gestalt von wenigen knappen Sätzen vor (Beispiele: Apg 3,20f; 4,12; 10,42f; 17,30f), die nicht zum Zentrum der Reden gehören und auch relativ formal und stichwortartig ausfallen. Zweimal lässt Lk an Jesus die Frage gerichtet werden, wann das Reich Gottes kommen werde (Lk 17,20f; 21,7–9). In beiden Fällen antwortet Jesus so, dass man auf die Gegenwart das Augenmerk werfen solle. Dieser Blick sei wichtiger als sich an der Wann-Frage abzuarbeiten. Eingangs der Apg steht eine sachlich gleiche Frage der Jünger (Apg 1,6–8), die Jesus so beantwortet: Zeit und Stunde der Vollendungsereignisse liegen allein in Gottes Entscheidung. Sie sollen sich auf das
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für sie jetzt wichtige Ereignis konzentrieren, nämlich auf die unmittelbar anstehende Ausgießung des heiligen Geistes. Wir brechen den Reigen solcher Beobachtungen ab und bekräftigen nur noch, dass er fast mühelos erweitert werden kann: Lk orientiert sich nicht an der Zukunft, um von ihr her die Gegenwart zu deuten (wie beispielsweise der Täufer; vgl. Kapitel 2), sondern will seinen gegenwärtigen Gemeinden die Anbindung an die Ursprungszeit und an die ersten urchristlichen Gemeinden sichern. Wenn das gelingt, ist er guten Mutes, dass die Christen, wenn dann zu der von Gott allein gesetzten Zeit das Ende kommt, im Gericht bestehen werden, also erlöst werden. Es gibt zwei längere Abschnitte bei Lk, die die Erwartung der endzeitlichen Erlösung etwas ausführlicher thematisieren. In dem einen (Lk 17,22–35) verarbeitet Lk Stoffe aus Q und fügt dann Gleichnisse und Episoden an, die davon handeln, wer ins Gottesreich hineinkommen kann. Diese Stücke sind einerseits Sondergut des Lk oder sie stammen andererseits aus Mk 10. Die lk Komposition orientiert sich dabei an der existentiellen Grundfrage, wie man sich jetzt am besten für den Tag des Menschensohnes vorbereitet. Dieser Tag selbst wird allerdings nur ganz spärlich angedeutet. Der zweite Text steht Lk 21,5–36 und besteht aus einer tiefgreifenden Umgestaltung der apokalyptischen Rede aus Mk 13. Den Anstoß zur Rede geben nun nicht die Jünger (so Mk 13,1), sondern einige aus dem Zuhörerkreis, die sich über die Pracht des Tempels in Jerusalem geradezu begeistert auslassen (Lk 21,5). Jesus reagiert nicht vorhersehbar provokativ (Lk 21,6). Es werden nämlich nach ihm Tage kommen, an denen der Tempel in Trümmern liegen wird. Die unbekannten Gesprächspartner reagieren nun nicht überrascht oder theologisch und ästhetisch deprimiert, sondern fragen interessiert und sachlich nach, a) wann dies geschehen wird und b) an welchen Zeichen man das vorher erkennen kann (Lk 21,7). Die Antwort Jesu ist ein längerer Monolog (Lk 21,8–36), der die Gemeinden des Lk zu den stillen Adressaten seiner Worte wählt. Jesus beginnt dabei mit einer Warnung, sich nicht von den zahlreichen Personen in die Irre führen zu lassen, die mit seiner Autorität
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auftreten werden und Endzeitansagen mit Naherwartungskomponente produzieren (Lk 21,8). Denn solche Naherwartungsparolen sind nach ihm absolut fehl am Platz. Anders verhält es sich mit Kriegen, Aufständen und Hungersnöten, die als geschichtliche Schicksalsschläge ganz sicher kommen werden (Lk 21,10f). Dieses Thema jedoch unterbricht Lk (Lk 21,12), um von Ereignissen zu reden, die speziell die christlichen Gemeinden, beginnend schon vor der Zeit der Kriegswirren, erleiden werden. Es drohen den Gemeinden nämlich von Synagogen und paganen Herrschern Inhaftierungen wegen ihres für die Mitwelt anstößigen Glaubens, wobei sie, um das Unbill noch zu steigern, unter anderem leider auch von ihren Verwandten und Freunden verraten werden. Die Gemeinden werden in dieser prekären Situation Märtyrer zu beklagen haben (Lk 21,12–19). Dann wechselt Jesu Rede wieder zurück zum Thema Krieg, der nun auf seinen Höhepunkt zuläuft. Dabei geht es ganz konkret um die Belagerung und Verwüstung Jerusalems als Ziel der mit Lk 21,10f einsetzenden Kriegswirren. Dieses Geschehen wird dabei als das »Zorngericht« Gottes über das Volk Israel verstanden (Lk 21,20–24). Gegenwärtig dauert offenkundig die römische Besatzung der jüdischen Hauptstadt nach ihrer erfolgreichen Eroberung an (Lk 21,24b). Springt man hier einmal aus der literarischen Ebene in die Geschichte der Gemeinden, so ist klar: Lk und sie leben zur Zeit dieser anhaltenden Besetzung Jerusalems durch die Römer. Also thematisiert der fiktive Redner Jesus im Sinne des Lk die Zukunft, die die jetzige Gemeinde selbst bereits erlebt hat. Nehmen wir einmal an, bei diesem schrecklichen Großereignis hätten die Gemeinden auf das unmittelbar vor der Tür stehende Ende aller Geschichte gehofft, also die Zerstörung Jerusalems als »Zeichen« im Sinne von Lk 21,7 gedeutet. Etwa so: Der Zorn Gottes beginnt bei seinem Volk und erweitert sich dann zum allgemeinen Endgericht über alle Völker und zur Erlösung der Gemeinde (Lk 21,28c). Dann wird durch den Gang der Rede deutlich, dass Lk genau diese Folgerung energisch zurückweisen will. Er setzt nämlich nach der Schilderung des Jerusalemer Debakels neu ein
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und benennt nun seinerseits »Zeichen«, die wirklich zum Kommen des Menschensohnes gehören (Lk 21,25f). Das sind allerdings Geschehnisse, die man im Wesentlichen zum damaligen typischen Repertoire einer Himmelserscheinung zählen wird. Werden sie wahrgenommen, ist es eigentlich zu spät für Berechnungen zum Wann der Parusie, denn nun beginnt sie gerade. Es lohnt sich, noch kurz einen Blick auf die tiefgreifenden Veränderungen der Mk-Vorlage (Mk 13) zu werfen, wie sie Lk vornahm. Mk hatte, schon durch seine apokalyptische Quelle geprägt, einen dreitaktigen Geschichtsablauf konstruiert (Kapitel 11), der es erlaubte, den Stand der geschichtlichen Ereignisse gleichsam wie bei einem Fahrplan abschnittweise bis zum Ende verfolgen zu können. Solchen Umgang mit Geschichte verwirft Lk kompromisslos. So streicht er die ihm vorgegebene Geschichtsaufteilung in drei Phasen (Mk 13,8c.14.23.24) ersatzlos. Denn die mit dem Dreitakt bezweckte dramatische Steigerung der Geschichtsereignisse bis zum Ende und die damit gegebene »Berechenbarkeit« des Endes behagen ihm absolut nicht. Oder anders formuliert: Apokalyptische Geschichtsdeutung ist nicht seine Sache. Beim Eingehen auf die Geschichte konzentriert er sich allein auf die Verfolgung der Gemeinde und auf den Jüdisch-römischen Krieg. Doch weigert er sich dabei, diese Geschehnisse als »Zeichen« des kommenden Endes anzusehen. Denn das Reich Gottes kommt nicht so, dass man sein Erscheinen durch Beobachtungen abschätzen kann (Lk 17,20). Diese tiefgehende Umgestaltung von Mk 13 darf man als grundlegende Kritik an Mk verstehen. Lk will seinen Lesern erklären: Nicht apokalyptische Spekulation ist das Gebot der Stunde, sondern die Zeit zur christlichen Mission zu nutzen. Wie schon bemerkt, ist Lk zurückhaltend bei Angaben zum Parusieszenario, zum Endgerichtsablauf und zur inhaltlichen Qualifizierung des ewigen Lebens oder der Beschreibung der höllischen Feuerqualen (als Kontrast: Offb 15–22). Dabei sind die über sein Doppelwerk verteilten und allermeist knappen Angaben sehr oft in traditioneller und variabler Diktion gehalten und nicht ohne weiteres in jedem
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Einzelfall zu einem stimmigen und vollständigen Gesamtbild zusammenzufügen. Auch ist ganz ähnlich bei den Fällen, wo Lk Tradition übernahm, wie schon bei Mt die Frage zu stellen, wieweit Lk sich mit solcher Traditionsübernahme voll identifiziert hat. Wir beginnen unseren Überblick mit der Beobachtung, dass Gott selbst im Zusammenhang dieser Endereignisse, wie schon bisher immer wieder beobachtet, unsichtbar bleibt. Der Himmel Gottes ist dem menschlichen Blick überhaupt also auch in der Vollendungszeit entzogen. Erst wenn z.B. der Menschensohn, aus dem Himmel mit seinen Engeln kommend, zur Parusie erscheint, kann dieser und seine Begleitung beobachtet werden. Dennoch greift Gott selbstverständlich unsichtbar in die menschliche Welt ein. So ist er als der Gott der Erzväter »nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden« (Apg 26,8). Darum gibt es überhaupt so etwas wie »Auferstehung« für die Menschen (Lk 20,37f), können Menschen also der »Auferstehung von den Toten« teilhaftig werden (Lk 20,35; Apg 23,6; 26,8). So hat Gott ja auch schon Jesus auferweckt (Apg 3,15; 4,10) und ihm zugleich eine Sonderstellung zugeteilt, zu der die Ausführung des Endgerichts zählt (Lk 21,27f; Apg 2,22ff). Zugleich ist Jesus der erste aller Entschlafenen, der nach seinem Kreuzigungstod wieder von Gott ins Leben gerufen wurde (Apg 26,23; vgl. 1Kor 15,23). Auferstehung von den Toten zum ewigen Leben hat es vor Jesu Auferstehung also nach Lk noch nicht gegeben. Jesus konnte während seiner Erdentage nach Lk Tote zum irdischen Leben wieder erwecken (Lk 7,11ff; 8,49ff), ebenso konnten es nach ihm seine Apostel (Apg 20,7ff). Doch die Gabe des ewigen Lebens ist ausschließlich Gottes Gabe (Lk 18,18.30; Apg 13,46), die mit Jesu Rettung aus dem Tod initial einsetzt. Da der Menschensohn die lebende und die bis dahin verstorbene Menschheit richten wird (Apg 10,42), müsste die allgemeine Auferstehung der Toten zeitlich vor dem Endgerichtsakt geschehen. Aber diese Tat Gottes bleibt im Zusammenhang der Schilderung der Endereignisse unerwähnt. Darf man interpretieren: Gott arbeitet im Verborgenen,
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nur das, was der Menschensohn tut, wird beschrieben? Apg 10,42 ist übrigens für die frühe Christenheit der älteste sichere Beleg dafür, dass das Endgericht umfassend gedacht ist: Alle Menschen, die je lebten, und alle aktuell Lebenden, also auch die Christen (vgl. Mt in Kapitel 12), müssen zusammen vor das Gericht des Menschensohnes. Man darf nicht fragen, wo solche überdimensionale Menschenmenge und das in überschaubarer Zeit zusammenkommen soll, Steuert solche Versammlung nicht zwangsläufig auf ein Chaos zu? Oder wie lange müsste das Gericht tagen, um die unübersichtlich vielen Fälle abzuarbeiten. Im 1Thess z.B. waren jedenfalls Auferstehung und Parusie noch eine vergleichsweise überschaubare Szene (Kapitel 7). Doch Lk ist offenbar besonders wichtig, dass die Menschheitsgeschichte mit einem umfassenden Gericht endet, durch das für jeden einzelnen die endgültige Zukunft auf dem Spiel steht. Fragen zur Durchführbarkeit liegen jenseits seiner Blickrichtung. Zu dieser allgemeinen Auferstehung am Ende der Geschichte gibt es auch für Lk wie für die frühe Christenheit insgesamt eine Ausnahme: Christliche Märtyrer nämlich werden zur Zeit ihres Todes trotz des Fortbestandes der Geschichte unmittelbar bei Gott aufgenommen. Die Bitte des Stephanus, der Herr möge seinen Geist aufnehmen (Apg 7,59; vgl. Kapitel 5) entspricht in analoger Situation der fast identischen Bitte Jesu am Kreuz (Lk 23,46, Sondergut des Lk). Dabei ist in beiden Fällen die besondere Nähe zu Ps 31,6 erkennbar. Diese Koinzidenz dürfte von Lk beabsichtigt sein. Also zeigt sich hier, wie Lk zwei ihm vorgegebene Überlieferungen jeweils im selben Sinn bearbeitet hat. Seine Vorstellung vom »Geist« als den Tod überdauernde Lebenskraft war im Urchristentum sicherlich verbreiteter als die paulinische Todesvorstellung, wonach im Tod der ganze Mensch vergeht (vgl. Kapitel 8). Mit solcher Deutung entsteht allerdings ein doppeltes Problem: Einer der Mitgekreuzigten erhält Jesu Zusage, dass er mit ihm im Paradies sein wird, wenn sie beide ihren Todeskampf beendet haben werden (Lk 23,39–43). Und dann ist da auch noch das illustrierende Erzählkonstrukt über den reichen Mann und den armen Lazarus (Lk 16,19–31). Nun
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äußert sich im ersten Fall einer der Mitgekreuzigten in Gegenwart der anwesenden Soldaten und Zuschauer, also in der Öffentlichkeit recht positiv über Jesus, bekennt Jesu Unschuld und traut ihm zu, ein Retter im Tode zu sein. Wenn man diese einem Bekenntnis gleichkommende Aussagen (vgl. Lk 7,50; 17,19; Apg 15,11) wertet, ist Jesu Zusage, heute noch mit ihm im Paradies (d.h. in der Gottesherrschaft, vgl. Lk 23,42) zu sein, als Lohn für mutiges öffentliches Bekenntnis zu Jesus zu deuten. Der Mitgekreuzigte ist allerdings kein lupenreiner Märtyrer, weil seine Todesursache nicht aus einem Bekenntnis zu Jesus folgt. Doch hat er sich in seinem Todeskampf öffentlich zu Jesus bekannt und gibt damit ein Exempel, dass es bis zum Tod nie zu spät ist, sich zu Jesus zu bekennen. So kann man ihn also doch auch zu den späteren christlichen Märtyrern stellen. Zum zweiten Fall ist zu sagen: Die Erzählung erweist sich in vieler Hinsicht als ein Sonderling in der gesamten urchristlichen Überlieferung. Es ist recht wahrscheinlich, dass dabei eine selbständig variierte Erzählung vorliegt, deren Hintergrund in frühjüdischer Überlieferung wurzelt. Lk bediente sich des Stoffes, um an seinem ihm wichtigen Thema von Armut und Reichtum zu arbeiten. An keiner Stelle deutet Lk an, dass er die Ausführungen zum Jenseits oder die Vorstellung des sofortigen und je individuellen Übergangs vom Tod jedes Menschen in den Bereich des Heils oder der Hölle für sein eigenes Weltbild einsetzen wollte. Endlich fehlt dem Text jede christologische Aussage. Darum halten wir den Text ganz im Sinne des Lk für die allgemeine Hoffnungsthematik für nicht relevant. Versuchen wir, die zerstreuten Hinweise des Lk zu einer Gesamtanschauung zu vereinen! Christus als der »Erste der Entschlafenen« (Apg 26,23) ist zunächst derjenige, der als der Auferstandene die Apostel beauftragt, auf die Gabe des heiligen Geistes zu warten und danach »bis ans Ende der Welt« Mission zu betreiben (Apg 1,1–8). Denn Gott, der alles geschaffen hat, ließ von einem Menschen alle Völker abstammen und auf der ganzen Erde wohnen. Darum lässt er jetzt auch allen Menschen die Heilsbotschaft verkündigen (Apg 17,24–29). Dann erfolgt Christi Emporhebung in
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den Himmel (Apg 1,10f), d.h. seine Erhöhung zur Rechten des Gottes der Erzväter (Apg 2,32; 3,13), d.h. seine »Verherrlichung« (Apg 3,13). Hier wird er bis zu »den Zeiten der Erquickung« (Apg 3,20) verweilen. Mit der Geistbegabung vom Himmel her beginnt dann das Missionswerk der Apostel (Apg 2ff; 15,11). Dieser Geschichtsabschnitt endet, wenn »die Zeiten der paganen Völker« beendet sind (Lk 21,24; vgl. Röm 11,25 in Kapitel 10) und noch zur Zeit »dieses Geschlechts« (Lk 9,27; 21,31). Doch der genaue Termin ist Gottes Sache allein (Lk 17,20). Die Aufgabe, das allgemeine Weltgericht durchzuführen (Apg 17,31), liegt in der Hand dessen, den Gott zum Richter »der Lebenden und der Toten« bestimmt hat (Apg 10,42; 17, 32). Dazu kommt er auf einer Wolke in seiner Herrlichkeit und in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln (Lk 9,26; 12,8f; 21,27) auf die Erde. In diesem Gericht kann bestehen, wer in seinem Leben zum Glauben an ihn gekommen ist (Apg 10,43; 13,48; 15,8f) und ein Leben nach Gottes Willen geführt hat (Lk 10,25–28; 18,18–23). Dieser gelebte Glaube wird des ewigen Lebens teilhaftig (Lk 10,25; 18,18.30), und dadurch werden die Geretteten den Engeln gleich (Lk 20,36). Der Weg in die »Gottesherrschaft« (Lk 6,20; 12,32; 18,25; Apg 14,22; 28,23.31 usw.) im zukünftigen Äon (Lk 18,30) ist damit frei. Inhaltliche Aussagen zu diesem Leben sind bei Lk ausgesprochen spärlich. Deutlich ist, dass es ein Leben auf der Erde ist. Hierhin kommt der Menschensohn zum Gericht (Lk 21,27). Hier wird der Jüngerkreis die Stämme Israels regieren (Lk 22,19) und ein Heilsmahl ist für das Gemeinschaftsleben der »Geretteten« (Apg 2,47; 15,11) charakteristisch (Lk 13, 29; 14,15.24; 22,29). Die Abgeurteilten landen im Hades (Lk 10,15; 16,23; Apg 2,31), wo das Höllenfeuer brennt (Lk 3,9.17).
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Das vierte Evangelium versteht man am besten als ein vielschichtiges Produkt einer theologischen Schule (vgl. jetzt nur Joh 21,24f; 1Joh 1,1–4 usw.), die eine Gemeindegruppe betreute (2Joh 1.10.13; 3Joh 9 usw.). Zu dieser Schule gehörten einst unter anderem der »Lieblingsjünger« (Joh 13,23–25; 18,15; 21,20–24 usw.), der namentlich unbekannte Evangelist, der ebenfalls nicht weiter bekannte Autor des 1Joh (1Joh 1,1–4) und der »Presbyter« (2Joh 1; 3Joh 1). Die Schule hatte vor allem zwei Hauptaufgaben: die Traditionspflege (Joh 20,30f; 21,24f; 1Joh 1,1–4) und die Betreuung der Gemeinden (Joh 20,30f; 21,24f; 2/3Joh). Diese Aufgaben waren Gemeinschaftsaufgaben, und darum galt auch: Was der Einzelne an Traditionen mündlich weitergab oder literarisierte oder initiativ erstellte, gehörte der Gemeinschaft als Ganzes (vgl. das »Wir« in 1Joh 1,1–4). So kann es nicht verwundern, wenn Joh eine bereits literarisch fixierte Wunderquelle aus dem Bestand des Gemeindekreises benutzte (vgl. Joh 20,30f als ehemaliger Abschluss der Quelle). Ebenso aus ihm einen strukturierten mündlichen Erzählzusammenhang zur Täufertradition (Joh 1,19ff), eine Passionserzählung (Grundstock aus Joh 13–20 ohne die Abschiedsreden) und manche Einzelüberlieferungen (wie z.B. den Logoshymnus in Joh 1,1–18, oder einen Teil der Ich-bin-Worte usw.) in sein Werk einarbeitete. Denjenigen, der aus diesen Überlieferungen ein Evangelium, vergleichbar den synoptischen Evangelien, schuf, nennen wir gerne (sachlich zurecht) den vierten Evangelisten, obwohl das Substantiv »Evangelium« wie auch das entsprechende Verb im johanneischen Kreis offenkundig keine Verwendung fanden. Dieses Opus eines unbekannten Autors, den wir aufgrund der altkirchlichen Tradition »Johannes« nennen,
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wurde dann noch mehrfach innerhalb der johanneischen Schule ergänzt (Beispiele: Joh 15–17; 21 usw.). Das Werk des Evangelisten entstand wohl ungefähr um 90 n.Chr., die Erweiterungen in einem gestreckten Zeitraum danach. Den 1Joh kann man gut etwa um 110 n.Chr. datieren, denn der Brief setzt das Evangelium voraus (vgl. vor allem 1Joh 1,1 mit Joh 20,27). Die beiden kleinen Briefe folgen dann danach. Diese jetzt nur summarisch angedeutete recht umfangreiche Traditions- und Literaturbildung mit ihrer markanten eigenständigen Sprache indiziert eine lebendige und selbständige Gemeindegruppe, deren Leben wir aufgrund dieser Hinterlassenschaft über etwa zwei Generationen in groben Zügen verfolgen können. Wo allerdings der johanneische Kreis geographisch zuhause war, ist recht umstritten, weil dafür wieder einmal eindeutige Indizien nicht aufzutreiben sind. Doch muss das hier für unsere Aufgabenstellung nicht ausdiskutiert werden. Obwohl der vierte Evangelist von Jesu Wirken in etwa zeitlich ähnlich weit wie Lk entfernt lebte (Kapitel 13), wählte er dessen entwicklungsgeschichtlich orientiertes Darstellungsmodell (abgeschlossene Jesuszeit, danach Ausbreitungszeit des Christentums im Zeitalter des Geistes und der Apostel) nicht. Mit der Auffassung, dass die nachösterliche Gabe des heiligen Geistes zu einem vertieften und maßgeblichen Verständnis des Wirkens Jesu führte (Joh 7,39; 14,16f; 20,22), will er dieses abgeschlossene Werk des Gottessohnes für seine nachösterlichen Gemeinden geistlich interpretieren und aktuell erhalten. Denn es gibt für ihn nichts, was für sie wichtiger sein könnte, als sich Jesu Wirken und seine Selbstoffenbarung als alleinigen Lebensinhalt anzueignen. Er kennt die Gemeinden und ihre Welt und lebt mit ihnen in der Gewissheit, dass für sie die alles entscheidende Grundfrage ihres Lebens lautet: Wie bekommt der Mensch, der »Fleisch« ist (Joh 3,6; 6,63) und darum an den Tod versklavt lebt (Joh 5,25), eine Lebensperspektive, die aus diesem Zustand erlöst und Hoffnung auf ewiges Leben eröffnet? Dies kann für ihn allein der Sohn Gottes vollbringen, weil exklusiv er aus der göttlichen Welt des ewigen Lebens kam (Joh 1,14–18; 5,19–23) und dahin
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zurückgekehrt ist (Joh 3,15f). Dabei wurde er der Überwinder des »Herrschers dieser Welt« und damit des Todes (Joh 12,31; 14,30) und kann gegenwärtig als Geist-Paraklet zu den Gemeindegliedern kommen (Joh 14,17–20), sodass sie an seiner Lebensgabe Anteil gewinnen (Joh 6,63). Auf diese Weise verwirklicht sich im Gemeindeleben immer wieder dieses: Wer aus Geist geboren ist, ist dadurch selbst Geist (Joh 3,8), und Geist ist ewiges Leben (Joh 6,63). Dieser Grundsatz ist typisch johanneisch, hat jedoch in Röm 8 einen für die johanneische Gemeinden unbekannten Vorgänger (Kapitel 10). So steht die geistliche Gegenwart des christologischen Ursprungsgeschehens im speziellen Interesse des Joh. Darum findet man bei ihm auch keine apokalyptische Geschichtsdeutung wie etwa in Mk 13 (Kapitel 11). Sein Weltbild ist nämlich überhaupt nicht an der horizontal geschichtlichen Perspektive und damit auch nicht an einem als nahe erwartetem Ende der Geschichte interessiert (Beispiele dafür: die Kapitel 5–8). Sein Wirklichkeitsverständnis orientiert sich vielmehr vertikal an den räumlichen Koordinaten oben – unter (Joh 3,3.7.13.31; 6,62; 8,23; 20,17), bzw. Himmel und Erde (Joh 1,51; 3,5.31; 6,31.33.38.41f.50f; 12,32; 13,27.31). Es lebt also von der Unterscheidung der oberen himmlischen Welt des unsichtbaren Gottes und des ewigen Lebens (Joh 1,18) von der Menschenwelt unten, der Welt des Todes, in der alle Menschen vom Teufel gefangen gehalten werden (Joh 8, 44; 12,31). So formuliert 1Joh 5,19f ganz im Sinne des Evangelisten: »Die gesamte Welt liegt in der Gewalt des Bösen«. Oben – unten ist also nicht nur die Angabe eines Höhenunterschiedes zwischen der göttlichen Wohnung und dem Lebensraum der Menschheit, wobei dann Gott von oben sein Weltregiment ausübt (Beispiel: Ps 113,3–7), sondern steht für dualistische Qualitätsunterschiede, die Menschen nicht aufheben können, weil sie unter der Teufelsherrschaft versklavt sind, also ein bestimmtes, dem Tod verfallenes Phänomen innerhalb dieses Dualismus sind. Zum oberen Bereich gehören die Stichworte Licht, Leben, Geist, Wahrheit und Herrlichkeit usw., zum unteren Finsternis, Sünde, Fleisch, Lüge, Teufelsabstammung. Das liegt
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eben daran, dass die untere Welt vom Teufel regiert wird (Joh 8,37–47), dessen Herrschaft sich zwischen Himmel und Erde angesiedelt hat, und der durch Jesu Tod erst aus seinem Regiment herausgeworfen werden muss (Joh 12,31). Diese Herrschaft liegt gleichsam wie eine umgekippte Schüssel über der Menschheit, die verhindert, dass Menschen die himmlische Welt überhaupt wahrnehmen können. Sie sind vielmehr dafür allein auf des Sohnes Offenbarung angewiesen (Joh 1,18). Dies wiederum hat zur Konsequenz, dass, wer Jesus seine Lebensbotschaft abnimmt, in der Lebenswelt Gottes, also im Himmel, seine Lebensvollendung erfahren wird (Joh 12,32). Diese Konzentration auf die Koordinaten oben – unten wird dann noch einmal zugespitzt durch die Verlagerung des zeitlichen Zugangs zur Erlösung weg von einer noch ausstehenden endzeitlichen Parusie, nach der sich die Gemeinde horizontal ausstreckt, hin zum Zeitpunkt des Todes jedes einzelnen Christen. Denn Christen sollen nach dem vierten Evangelisten überhaupt nicht mehr auf eine noch ausstehende Parusie des Menschensohnes warten, sondern darauf vertrauen, dass sie in ihrer individuellen Todesstunde von dem Herrn, der die Auferstehung und das Leben ist (Joh 11,25f), zu ihm aus der Welt des Todes in die himmlische Welt des Lebens gezogen werden (Joh 12,31f; 14,8ff). Die Eigenständigkeit dieser Eschatologie des Evangelisten, auf die wir später zurückkommen, ist zweifellos ein markantes Charakteristikum des Joh. Doch gibt es einige Indizien, dass vor dem Evangelisten im johanneischen Kreis Hoffnungsaussagen vertreten wurden, die recht gut als Variation frühchristlicher Aussagen zu einem noch ausstehenden eschatologischen Kommen des Herrn zu verstehen sind. Solche Spuren sind darum erhalten, weil der Evangelist sie aufgriff, um sie umzuprägen. Zudem kann man auch einige literarisierten Stimmen, die erst nach dem Evangelisten ins Joh gelangten, zum Teil als Fortsetzung von Äußerungen aus der Zeit vor der Entstehung Evangeliums verstehen, die nun unter den vom Evangelisten veränderten Bedingungen diese korrigieren wollen. Unsere Skizze lenkt das Augenmerk als erstes auf beispielhaft ausgewählte alte Traditionen, die zu den Vorgaben des
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Evangelisten gehören und von ihm verarbeitet und umgedeutet wurden. Eines der besten Beispiele dafür steht Joh 14,2f. Für das Urteil, dass der Evangelist in diesem Fall eine ältere Tradition benutzte, sprechen die auffällige und konsequente Uminterpretation beider Verse in seinen eigenen nachfolgenden Ausführungen, sprachliche Eigentümlichkeiten im Text selbst und ein in sich ruhender vollständiger Gedankengang der Einheit. Das rekonstruierte Traditionsstück lautete einst so: 1a »In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen (…). b Ich werde hingehen, die Stätte für euch herzurichten. 2a Und wenn ich hingegangen bin und euch die Stätte hergerichtet habe, b werde ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, c damit wo ich bin, auch ihr seid.«
Auf dem stillen Hintergrund von den beiden übereinander liegenden Stockwerken Himmel und Erde (oben und unten) wird der Weg des gekommenen Jesus nachgezeichnet. Er führt zunächst nach seinem Wirken über Tod und Erhöhung Jesu (Zeile 1b) zu Gott in den Himmel zurück (Zeile 1a und b). Dazu ein Zwischengedanke: Die Herrichtung der Stätte kann doch wohl kaum bedeuten, dass das Haus noch nicht fertig oder etwa noch »unmöbliert« ist. Denn im Himmel der Vollendung ist nie etwas unfertig. Darum folgender Vorschlag: Der Weg (!) zum Haus des Vaters muss hergerichtet werden, was durch Jesu Tod geschieht (vgl. nur Joh 12,31f). Dann folgt sein zweites Kommen (»wiederkommen«; Zeile 2b) von dorther zurück auf die Erde (Zeile 2b) und abermals hinauf in den Himmel, nun allerdings zusammen mit der Heilsgemeinde (Zeile 2b und c). Erinnert man sich an die frühchristliche Identifikation Jesu mit dem Menschensohn samt ihren Variationen (vgl. die Kapitel 5–7), fällt es nicht schwer, hier eine weitere und dazu selbständige Modulation zum selben Motivfeld zu entdecken. Auch die neue Lokalisierung des endgültigen Heilsortes von der ursprünglichen Option bei Jesus und im frühesten Christentum zugunsten der Erde (vgl. die Kapitel 3 und 5–7) nun in den Himmel, ist uns, seit Paulus den 1Kor schrieb, keines-
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wegs unbekannt (vgl. Kapitel 8–9). Weiter eignet sich für die qualitative Beschreibung des endgültigen Heilszustandes als der nie endenden Zeit der Gemeinschaft zwischen dem Herrn und seiner Gemeinde optimal 1Thess 4,17c als vorauslaufende sachliche Parallele (vgl. Kapitel 7, indirekt auch Kapitel 5). Für die »vielen Wohnungen« im himmlischen »Haus« des Vaters, gibt es keine neutestamentliche Analogie, wohl aber Vorgaben aus der frühjüdischen Apokalyptik (äthHen 14,15–23; 71,5–10 usw.). Dabei ist der zuletzt angeführte Beleg zur Tradition vom Menschensohn innerhalb des äthHen zu zählen. Mit einem anderen Sprachfeld ausformuliert, steht auch Phil 3,20f (Kapitel 9) sachlich nahe bei dieser johanneischen Tradition. In 2Kor 5,1f ist das »Haus« Metapher für den eschatologischen Leib der Geretteten. Das johanneische Traditionsstück gehört in die Frühzeit der johanneischen Gemeinden und harmoniert sachlich mit gleichzeitigen Aussagen aus dem parallelen Christentum, ohne dabei in spezifischer Weise eine direkte Abhängigkeit z.B. von Paulus aufzuweisen. Es ist natürlich richtig, dass das Stichwort »Menschensohn« in dem eben zitierten Traditionsstück nicht zu finden ist. Doch es fehlte ja auch 1Thess 4,13ff. Mit eben diesem paulinischen Text stimmt Joh 14,2f außerdem sachlich, nicht jedoch literarisch abhängig, darin überein, dass sich alle Aufmerksamkeit allein auf das zu erwartende Heil der Gemeinde richtet, das Geschick der übrigen Welt jedoch stillschweigend und vollständig ausgeblendet ist. Mit diesem paulinischen Text gemeinsam wird außerdem Jesu »Wiederkunft« (Zeile 2b) im Modus der Naherwartung artikuliert. Denn in der fiktiven Zeit der Traditionseinheit äußert sich Jesus zur Gruppe der Jünger als ganzer, angeredet mit »euch« (in Zeile 2b–c), vor seinem Tod. Dabei setzt er voraus, dass er sich mit dem bei seiner Parusie noch lebenden Kreis aller Jünger wieder treffen wird. Auf die Gemeindesituation übertragen, bedeutet das: Das Problem zu früh verstorbener Mitglieder aus ihren Reihen musste noch nicht aufgearbeitet werden. Und die 1Thess 4,13ff von Paulus vorgeschlagene oder eine andere analoge Lösung dieses Problems sind noch nicht aktuell. Als Ergebnis stellt sich damit ein: Die
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Tradition in Joh 14,2f gehört, weit gefasst, in die frühe urchristliche Variation der Überlieferung zum endzeitlichen Kommen des Menschensohnes, präzisiert: in die recht eigenständige Frühzeit des johanneischen Christentums. Die Erfahrung der sich bis zur Parusie immer weiter dehnenden Zeit wird dann zweitens recht anschaulich im Nachtragkapitel Joh 21,22f aufgearbeitet. Danach existierte nämlich eine alte Gemeindeüberlieferung im johanneischen Kreis in Gestalt eines Herrenwortes, nach dem der Lieblingsjünger nicht sterben werde, bevor der Herr »kommt« (vgl. Dan 7,13f; das Maranatha Kapitel 2; 1Kor 4,5; Mk 13,20; Lk 12,40; Joh 14,3; Offb 22,12.20 usw.). Sprache und Inhalt dieser Verheißung deuten an, dass wie in Joh 14,2f die allgemeine urchristliche Naherwartung des Menschensohnes hier eine weitere eigenständige Modulation erhalten hat. Doch diese endzeitliche Erwartung der nahen Ankunft des Herrn hatte sich bisher für den johanneischen Gemeindekreis immer noch nicht erfüllt. Jedoch der Lieblingsjünger und andere Gemeindeglieder (um die es hier aber nicht geht) waren trotzdem indessen gestorben (vgl. als formale Analogie die verstorbenen Christen in 1Thess 4,14 und dazu Kapitel 7). Nun kann und darf sich nach der Auffassung der johanneischen Gemeinde der Herr mit seiner Weissagung über den Lieblingsjünger natürlich selbstredend nicht geirrt haben (vgl. Joh 14,6). Denn der Sohn Gottes, der aus der unmittelbaren Nähe Gottes kommt (Joh 5,19–23; 14,6), kann sich wie sein Vater gar nicht irren. Also, so der Ausweg des Verfassers von Joh 21, muss man in der Gemeinde das Herrenwort bisher falsch verstanden haben. Die dann vorgeschlagene »richtige« Deutung soll uns hier nicht interessieren. Doch zwei andere Aspekte der Weissagung sind für unsere Überlegungen von Bedeutung: Einmal wird Joh 14,2f insofern indirekt bestätigt, als auch die Anfangszeit des johanneischen Kreises (parallel zum gesamten Urchristentum) durch eine Naherwartung des Endes geprägt war, deren Intensität dann aber (wie im übrigen Christentum) langsam, aber stetig abflaute. Zum anderen: Die Parusie als solche ist für diesen relativ späten Gesamttext in Joh 21 immer noch Gegenstand der Erwartung trotz der erlebten Pa-
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rusieverzögerung und der indessen literarisch vorliegenden Stimme des Evangelisten, der angesichts dieser widrigen Erfahrung eine sehr eigenständige Lösung aufbaute, indem er das Wirken des inkarnierten Logos (vgl. Joh 1,14) und das Endgericht koinzidieren ließ (davon später mehr). Wir gehen noch drittens zu einem weiteren Nachtrag im vierten Evangelium über. Kurz vor dem Ende der Gerichtsrede des Evangelisten in Joh 5,19–30 macht ein späterer Nachtrag (Joh 5,28f), deutlich, was sich nach einigen Mitgliedern der johanneischen Schule bei der für sie noch ausstehenden Parusie des Menschensohnes ereignen wird. Der Text lautet: »Wundert euch nicht darüber, dass die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern ruhen (vgl. Dan 12,2 usw.), seine Stimme (d.h. die Stimme des Menschensohnes aus V. 27) hören werden. Und es werden herauskommen (alle), die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die jedoch das Schlechte getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.«
Allerdings gerät diese Position mit ihren kompromisslos futurischen Verbformen in einen (gewollten!) Widerspruch zum Evangelisten, der die Auffassung vertritt, dass der gesandte und jetzt anwesende Sohn Gottes und der Gerichtsvollzug des Menschensohnes bereits zusammengefallen sind, sodass die Stunde jetzt schon da ist (Joh 5,25), in der Endgericht geschieht und die Lebensgabe erhalten werden kann, wenn man denn glaubt (Joh 5,24f). Wie im Mt und Jak (Kapitel 12) fungieren in diesen nachgetragenen Ausführungen als allgemeiner Gerichtsmaßstab (anders als beim vierten Evangelisten selbst, dazu s.u.) die Taten der Menschen, und gerichtet werden vom Menschensohn ebenfalls wie im Mt alle Menschen, die je lebten. Diese Auffassung setzt sich dann, zuerst belegt bei Mt, in der Christenheit langsam durch (vgl. nur Apg 10,42; 17,31; 24, 15; Hebr 6,2; 2Tim 4,2; 1Petr 4,4–6; Offb 20f). Die Auferstehung aller Gestorbenen ist also in diesem Fall für viele Auferweckte keine Heilszuwendung, sondern eine Vorausbedingung für die Abhaltung des Weltgerichts, aus dem dann die Gerechten allein als ewig Lebende hervor-
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gehen werden. Dagegen hatte in der älteren Tradition, die dem vierten Evangelisten vorlag, also in Joh 14,2f, der Menschensohn nur die Rettung der Gemeinde zur Aufgabe erhalten wie z.B. auch beim Gebetsruf Maranatha (Kapitel 5) und in 1Thess 1,10; 4,16f (Kapitel 7). Im Joh sind also, stellt man den vierten Evangelisten weiterhin noch einen Augenblick zurück, mehrere und zugleich verschiedene Stimmen mit futurischer Enderwartung aus der johanneischen Schule vereint. Dabei ergibt sich, wenn man die Stellen geschichtlich ordnet, zwanglos eine analoge Entwicklung zur Aufgabenstellung für den Menschensohn wie im gesamten Urchristentum, also eine Konzentration von der Perspektive nur auf die Gemeinde hin zum weltweiten Horizont. Wir verlassen nun für einen Augenblick das Joh und seine Schichtungen und wenden uns kurz dem 1Joh zu, um die Stimmen zur Enderwartung im johanneischen Kreis noch etwas zu komplettieren. In 1Joh 3,2 heißt es: »Jetzt sind wir Kinder Gottes, doch noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen (jedoch), wenn er (d.h. der Herr) offenbar geworden ist, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist.«
Mit dieser »Hoffnung« (1Joh 3,3), darf die Gemeinde, wenn der Herr sich anlässlich seiner Parusie am Tage des Gerichts (1Joh 4,17) offenbaren wird, zuversichtlich leben. An diesem Tag wird der Kosmos vergehen, doch wer den Willen Gottes getan hat, wird in Ewigkeit bleiben (1Joh 2,17). Diese Aussagen darf man wohl so auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Die Gemeinde besteht aus den »Kindern Gottes« (1Joh 3,1f.10; auch 5,4), die von Gott Geist und Leben geschenkt bekommen haben (1Joh 3,24; 4,13f; 5,11f). Das ist nur der Welt noch nicht offenbar geworden. Doch mit dem eschatologischen Kommen des Herrn wird es eine Scheidung in Glaubende und Verlorene geben (Stichwort: »Gericht« in 1Joh 4,17). Offenbar wird werden, dass die Gemeindeglieder die Kinder Gottes sind. Der Kosmos wird vergehen, die Gemeinde in Ewigkeit bleiben, den Herrn schauen, wie er ist, und dabei ihm gleich werden, d.h. wie er ewig leben (1Joh 1,2; 2,25; 5,11; vgl. die Konvergenz zu Kol
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3,3; Kapitel 15). Also wird wohl, da der Kosmos vergehen wird, die Gemeinde im Himmel mit dem Herrn zusammen leben (ebenso: Joh 14,2f). Damit ist aus der paulinischen Gottesschau (vgl. Kapitel 8) eine Schau des Sohnes geworden, wie ja auch in der Tradition aus Joh 14,2f die Gemeinde mit dem Sohn im Haus des Vaters leben wird. Gott bleibt, wie wir schon oft beobachteten, konsequent unsichtbar im Hintergrund (vgl. Joh 1,18; 1Joh 4,12). Nimmt man 1Joh exakt, können nur an Christus Glaubende gerettet werden. Andere stehen jedenfalls außerhalb dieses Horizonts. Das johanneische Schrifttum bezeugt also insgesamt einen diachronen Dialog zum eschatologischen Thema. Dabei ist der Evangelist in eine Entwicklung eingebunden, die als eigenständige Variation der urchristlichen Linie verstanden werden kann. Er ist dabei zugleich derjenige, der sich innerhalb des johanneischen Kreises am weitesten in Neuland vorwagt. Wir nähern uns der Beschreibung dieser Position, indem wir nochmals bei seinen Aussagen zum Menschensohn einsetzen. Unmittelbar vor dem späteren Nachtrag Joh 5,28f hat der Evangelist davon gesprochen, dass der gekommene Gottessohn von seinem Vater als Ausstattung für seine Sendung die Vollmacht erhalten hat, mit seinem Kommen »das Gericht zu vollziehen« (Joh 5,27). Dies wird kommentarlos, nachdem zuvor vom Sohn Gottes geredet wurde, in dürren Worten damit begründet, dass er »der Menschensohn« ist. Diese Begründung diente dann als Stichwort für die spätere Anfügung von Joh 5,28f. Der »Menschensohn« und das »Endgericht« sind also für den Evangelisten wie auch für den, der die Ergänzung vornahm, ganz selbstverständlich in einem gemeinsamen Vorstellungsrahmen eingebunden. Ja, der Evangelist setzt natürlich bei seinen Lesern voraus, dass sie den abschließenden und lapidaren Begründungssatz: »denn er ist der Menschensohn« inhaltlich ohne weiteres verstehen, also auch wie er Kenntnisse über die spezifische Gestalt und Aufgabe des Menschensohnes besitzen. Sonst würde an dieser Stelle die Kommunikation zwischen ihm und den Gemeinden gar nicht funktionieren. Damit legt sich die Vermutung nahe, dass traditionelle Aussagen zum »Menschensohn« zumindest in der ersten Phase der johan-
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neischen Gemeindegeschichte wohl doch verbreiteter waren, als das vierte Evangelium im Vergleich mit den Synoptikern jetzt andeutet. Der 1Joh, der ganz ohne dieses Stichwort auskommt, gibt allerdings den indirekten Hinweis, dass auf die Dauer wohl überwiegend bis überhaupt nur noch vom »Sohn Gottes« gesprochen wurde, und die Rede vom »Menschensohn« unüblich wurde. Es gibt noch eine weitere Stelle im Joh, an der der »Menschensohn« plötzlich und ebenfalls unvorbereitet auftritt. Sie steht am Ende der Jüngerberufung in Joh 1,51, stammt vom Evangelisten und lautet: »Ihr werdet den Himmel geöffnet sehen, und die Engel Gottes herauf- und herabsteigen zum Menschensohn.« Bisher war in Joh 1 schon auf recht kurzem Raum vom Logos, von Jesus Christus, vom einzigen Sohn, vom Lamm Gottes, vom Messias und vom Sohn Gottes die Rede. Warum dann noch dieser unvorbereitete Wechsel zum Hoheitstitel »Menschensohn«? Was bringt er so Spezielles ein, dass er vom Evangelisten noch zusätzlich gewählt wurde, um damit zum anstehenden öffentlichen Wirken Jesu überzuleiten (Joh 2ff), ja sogar einen Generalnenner für das gesamte Wirken Jesu abzugeben? Der Vers unmittelbar gibt die Auskunft, dass wie in Jakobs Traum (Gen 28,12) die Engel Gottes beim irdischen Wirken Jesu die stetige Verbindung zu Gott aufrechterhalten werden. Doch das hätte der Evangelist doch auch mit dem Titel »Sohn Gottes« formulieren können! Könnte es sein, dass der Evangelist und seine Gemeinden traditionellerweise im Kopf hatten, das der zur Parusie kommende Menschensohn mit seinen Engeln erscheinen wird (1Thess 3,13; Mk 13,27 usw.)? Dann hätte Joh 1,51 eine markante Aussage anzubieten, indem der Vers die These vorbereitet, dass ab sofort Jesu irdische Tätigkeit mit dem Endgericht zusammenfällt, und dies in der Einheit mit seinem Vater geschieht. Folgen wir nun dem Evangelisten und suchen solche gegenwärtigen Endgerichtsaussagen auf! Unser Durchgang beginnt mit der Gerichtsrede in Joh 5. Sie ist in zwei Hauptteile gegliedert, nämlich in Joh 5,19–23 und 5,24–27.30. Beide Teile beginnen mit »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch …« (Joh 5,19, dann doppelt in 5,24.25) und enden jeweils mit
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der Zielangabe der Ehrung von Vater und Sohn durch die Menschen (Joh 5,23.30) und dem ausdrücklichen jeweils abschließenden Hinweis, dass der Sohn der Gesandte des Vaters ist (Joh 5,23b.30c). Im ersten Teil herrscht jetzt ein beschreibender Stil vor, der in grundsätzlicher Weise das Verhältnis vom Vater zum Sohn gleichsam beobachtend und definitorisch behandelt. Man kann sagen: Ein Gemeindemitglied beschreibt das Verhältnis von Vater und Sohn. Im zweiten Teil redet der Gesandte des Vaters im Ich-Stil und klärt die zentralen Stichworte von »Tote auferwecken«, »Leben geben« und »Gericht üben« aus dem ersten Teil nochmals ab, zugespitzt auf sein Selbstverständnis und auf sein Zuhörer. In den ersten Teil hat nun der Evangelist ein Traditionsstück eingearbeitet, das, von der kontextuellen Einbindung isoliert, so aussah (Joh 5,19b–23): 1a »Der Sohn kann nichts von sich aus tun, 1b er sehe denn den Vater etwas tun. 2a Denn was jener tut, 2b das tut ebenso der Sohn. 3a Denn der Vater liebt den Sohn, 3b und zeigt ihm alles, was er selbst tut. 4a Denn wie der Vater Tote auferweckt und lebendig macht, 4b so macht auch der Sohn lebendig, welche er will. 5a Denn auch das Gericht übt der Vater über niemanden aus, 5b sondern er hat das Gericht vollständig dem Sohn übergeben, 6a damit alle den Sohn ehren, 6b wie sie den Vater ehren.«
Das ist eine formal und inhaltlich gut gestaltete Einheit. Dafür jetzt nur ein Beispiel: Die erste und sechste Doppelzeile reden in der Reihenfolge Sohn – Vater, die vier inkludierten in der Abfolge Vater – Sohn. Weitere Beobachtungen zur Form stellen wir jetzt zurück. Der Hauptgedankengang ist klar: Dominant ist die Abhängigkeit des Sohnes vom Vater, denn der Sohn orientiert sich vollständig am Tun des Vaters, der ihn »liebt« und ihm »alles« zeigt. Konkret: Beim »alles« geht es um das Werk des Vaters schlechthin, nämlich Tote aufzuerwecken und lebendig zu machen und Gericht abzuhalten. Diese Taten übernimmt nun der Sohn. Die Gret-
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chenfrage lautet dabei: Wann geschah diese Machtübernahme? Die Einheit enthält keine Zeitangaben, sondern formuliert in beschreibender Form nur den Sachverhalt der Herrschaftsübertragung. Doch urchristlich sollte klar sein, dass hier die Mandatsübertragung an den Auferstandenen beschrieben wird, also seine Befähigung und Beauftragung zum endzeitlichen Richter, sodass fortan nicht mehr Gott, sondern er die Heilszukunft der Menschen herstellen wird. Das entspricht auch genau der johanneischen Menschensohnchristologie (Joh 5,27), wie sie längst vor dem Evangelisten im johanneischen Kreis vertreten wurde. Im folgenden zweiten Teil interpretiert dann der Evangelist die von ihm übernommene Tradition, um sie in seinem Sinn zu deuten (Joh 5,24–27.30): 1 (24) »Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wer mein Wort hört, und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, er ist vielmehr vom Tod zum Leben hinübergeschritten. 2 (25) Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, es kommt die Stunde, und sie ist schon jetzt da, in der die Toten die Stimme des Sohnes hören werden. Und die, die sie hören, werden leben. 3 (26) Denn wie der Vater Leben in sich hat, hat er auch dem Sohn gegeben, Leben in sich zu haben. Und er hat ihm Vollmacht gegeben, Gericht abzuhalten, denn er ist der Menschensohn (…). 4 (30) Nichts kann ich von mir aus tun, wie ich höre, so richte ich. Und mein Gericht ist gerecht, denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.«
Dieser zweite Teil der Gerichtsrede ist einerseits literarisch eine Offenbarungsrede (Ich-Stil) des Gesandten des Vaters über sich selbst vor den zeitgenössischen Menschen (Joh 5,18.33.45.47). Andererseits ist die Rede zugleich eine Art Exegese von Joh 5,19b–23, wie man an den Hauptstichworten und überhaupt an der Thematik erkennen kann. Sie ist allerdings eine ganz unerwartete Interpretation des ersten Teils der Gerichtsrede. Denn der Standpunkt aus Joh 5,19–23 ist insofern nachösterlich, als die christologischen Folgen der Auferweckung und Erhöhung Jesu aufgearbeitet werden. Die Durchführung der damit verbundenen Aufgaben des Auferstandenen ist Beschreibung der erhofften und
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nahen Zukunft der Gemeinde. In Joh 5,24ff jedoch redet der Gesandte so, dass er bereits vor seiner Sendung und nicht erst nachösterlich gesehen hat, was der Vater tut, und was er jetzt schon als Gesandter ausführt (Joh 5,25: »die Stunde kommt, und sie ist schon jetzt da«), was eigentlich jedoch erst für das noch ausstehende Endgericht (Joh 5,21f) vorgesehen war. Also vollzieht sich mit Jesu jetziger Verkündigung als inkarnierter Gesandter Gottes die Auferstehung »der Toten« (Joh 5,21.25), wenn die Zuhörer ihm glauben (Joh 3,16f; 3,35f usw.). Dadurch werden die in den Gräbern ruhenden Toten umdefiniert zu den jetzt lebenden Menschen. Sie sind Tote, weil ihr Schicksal ohne Annahme der Botschaft Jesu zwangsläufig im Tod enden wird, jedoch bei Annahme der Botschaft Jesu ihnen die Lebensgabe (d.h. das ewige Leben) jetzt schon gehört. Dieser Prozess der jetzigen Scheidung durch die Selbstoffenbarung des Sohnes ist dann das Endgericht. Doch muss man noch konsequenterweise hinzufügen: Nach Jesu Rückkehr zum Vater (Joh 14,3a) hört der Endgerichtsprozess noch nicht auf, denn die Gemeinde verkündigt ja ab diesem Zeitpunkt Jesu Botschaft weiter. Also wird auch für diese nachösterliche und gemeindliche Verkündigung der Botschaft Jesu gelten: Wo immer sie gehört wird, ist für die Zuhörer Endgericht, insofern als sie die Botschaft Jesu annehmen oder ablehnen können. Im Rahmen eines noch ausstehenden Endgerichts kann nur gelten, mit diesem eschatologischen Akt und zeitlich punktuell geschieht der Entscheid über Leben und Tod für die Menschheit. Mit der Umdeutung durch den Evangelisten ist zwar immer noch der herausragende Zeitpunkt für das Endgericht das Wirken des Inkarnierten selbst. Aber die Geschichte nach Ostern, in der seine Botschaft von der Gemeinde weitergegeben wird, dehnt sich, und darum gilt: Die Weiterverkündigung der Selbstoffenbarung des Sohnes durch die Gemeinde macht die fortlaufende Geschichte zu einem Geschehen von Auferstehung und Gericht. Noch vier weitere Konsequenzen der neuen evangelistischen Position seien genannt: Erstens wo sie vertreten wird, kann die Gemeinde in ihrem Gottesdienst nicht mehr Ma-
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ranatha (Kapitel 5) beten, wohl aber etwa: Nimm uns, wenn wir je einzeln sterben, auf in das Haus deines Vaters (Joh 14,2)! Zweitens: Innerhalb der theologischen Position des Johannes kann es kein Problem einer Parusieverzögerung mehr geben. Drittens: Wenn man in den johanneischen Gemeinden, was ganz unwahrscheinlich ist, Mk 13 gekannt haben sollte (Kapitel 11), hätten die Gemeindemitglieder, die dem Evangelisten zustimmten, solche apokalyptische Theologie zurückweisen müssen. Denn alle apokalyptischen Erfassungen der Zukunft sind vom Standpunkt der Theologie des Evangelisten her überhaupt obsolet geworden. Und endlich viertens: Da der Heilsort nun der Himmel ist, entfällt selbstredend auch Jesu Vorstellung von einem Heilsmahl auf der Erde (Kapitel 3). So ist denn auch allein die personale Nähe zwischen Jesus und der erlösten Gemeinde Kennzeichnung des ewigen Lebens (Joh 14,3; so auch schon 1Thess 4,17 usw.). Diese Verknüpfung des im allgemeinen erst noch Erhofften zu einer Einheit mit dem präsentischen Tun des gesandten Jesu, also die Zusammenschau des Endgerichts mit der Sendung des Sohnes zu einem einzigen christologischen Ereignis, ist dem vierten Evangelium auch sonst geläufig. Dabei merkt der Leser nicht selten: Der Evangelist ist sich bewusst, dass er etwas Ungewöhnliches tut, dass also seine Leser in den Gemeinden, die die traditionelle Position vertreten, nach der die Sendung und das Kommen Jesus zum Gericht zwei verschiedene und nacheinander liegende Ereignisse sind, irritiert, zumindest überrascht werden. Darum will er ihnen mehrfach durch vorgeführte Uminterpretation traditioneller Stücke zu verstehen geben, dass sie umdenken sollen. Zwei Beispiele dafür seien noch angeführt. Das erste steht in Joh 11,20–27. In Joh 11,24 äußert sich Martha, die Schwester des verstorbenen Lazarus, in dieser Weise: »Ich weiß, das er (also Lazarus) auferstehen wird bei der (allgemeinen) Auferstehung am letzten Tag (der Geschichte)«. Das ist die vor und neben dem Evangelisten bisher vertretene Hoffnung der johanneischen und anderer Gemeinden. Diese Auffassung bringt der Evangelist durch die Stimme der Martha bewusst zur Sprache. Normalerwei-
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se müsste Jesus darauf ungefähr so reagieren: Du glaubst und hoffst ganz richtig. Aber ich werde ausnahmsweise deinen Bruder auch noch einige Jahre an Lebenszeit auf der Erde schenken. Er äußert sich jedoch so: »Ich bin (als Gesandter Gottes jetzt schon) die Auferstehung und das (ewige) Leben. Wer an mich glaubt, wird (ewig) leben, selbst wenn er (den irdischen Tod) stirbt. Und jeder, der lebt und an mich (in diesem Leben) glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben«, denn wer jetzt an den Sohn glaubt, hat für immer ewiges Leben (vgl. Joh 3,15f; 4,14; 6,68).
Das zweite Beispiel ist in der Abschiedsrede Joh 14 impliziert. Der Evangelist lässt an ihrem Anfang Jesus den futurischeschatologischen Standpunk der johanneischen Gemeinde zitieren (Joh 14,2f). Über diese Tradition haben wir schon eingangs dieses Abschnitts gesprochen. Doch das zweite Kommen des Herrn nach der jetzigen Zeit seiner Sendung wird dann nicht wie in der zitierten Tradition als noch ausstehende Parusie stehen gelassen, sondern uminterpretiert als bereits geschehene Einwohnung des Parakleten, also des heiligen Geistes, in den Gläubigen (Joh 14,16–21). Der Evangelist, so sahen wir soeben, vereinigt die Sendung des Sohnes zur Offenbarung des Vaters und die Parusie des Menschensohnes zum Endgericht zu einem einzigen Geschehen. So kann man strukturell sagen: Aus zwei zeitlich aufeinander folgenden Wegparabeln wurde eine. Die Parabel ist zur Kennzeichnung dieses Vorgangs darum so gut geeignet, weil das Weltbild des Evangelisten durch zwei übereinander gelagerte Großräume strukturiert ist, nämlich durch ein himmlisches Oben und ein irdisches Unten (Joh 3,3.31; 8,23). Der Himmel ist bestimmt durch die Gegenwart Gottes, den aus der unteren Welt bisher ohne Ausnahme niemand sehen konnte (Joh 1,18). Gottes Engel halten hier und da Kontakt zur Welt der Menschen (Joh 1,51; 5,4; 20,12). Doch ihre Tätigkeiten sind angesichts der Aufgaben des Sohnes eher marginal. Gott selbst wird nie beschrieben, wohl aber ungegenständlich gekennzeichnet als Gott, der Leben in sich hat (Joh 1,4; 5,26; 1Joh 5,20), und der Licht ist (Joh 1,8; 1Joh 1,5) oder ähnlich. Da der Himmel durch
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die Gegenwart Gottes seine Qualifikation erhält, kann er auch als stetiger Herrschaftsbereich Gottes beschrieben werden (Joh 3,3.5). Auf der Erde unter dem Himmel leben die Menschen. Sie existieren hier unter der Herrschaft des Teufels, der die ganze Welt beherrscht, und dessen Tätigkeiten aus Töten (Joh 8,44), zur Sünde zu verführen (Joh 13,2; 1Joh 3,8), und aus Unwahrhaftigkeit (Joh 8,44) und Finsternis besteht (Joh 8,12; 12,46). Das Fatale ist, dass die Menschen sich an des Teufels Herrschaft gewöhnt haben und gerne teuflisch leben (Joh 3,19; 8,44). So besteht die Aufgabe des Sohnes darin, die Werke des Teufels zu zerstören (1Joh 3,8) und mit seiner göttlichen Ausstattung mit Leben, Geist, Licht und Wahrheit usw. (Joh 5,21; 11,25; 14,6; 17,2) die Menschen zu Gott zu führen. Das geschieht durch seine Selbstoffenbarung im Wort, die vom Geist durchwirkt ist (Joh 6,63), und die von der Gemeinde nach Jesu Erhöhung fortgesetzt wird. Wer dann durch Jesu Selbstoffenbarung oder durch die Mission der Gemeinden geistlich neu geboren wird (Joh 3,5–8), entrinnt der Herrschaft des Teufels. Er hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht (Joh 5,21.25). Folge dieses Geschehens ist eine Scheidung innerhalb der Menschheit in die, die dem Sohn glauben, und in die, die sich abweisend verhalten. Aus der ersten Gruppe wird jeweils beim Eintritt des Todes eines Mitgliedes dieses vom Erhöhten zu sich in den Himmel gezogen (Joh 14,2f). Hier darf er mit dem Erhöhten und den anderen Christen zusammen ewig leben. Auf die andere Gruppe fällt kaum einmal ein präziser Blick. Klar ist zunächst, dass der Teufel sein Herrschaftsgebiet durch Christi Tod und Auferstehung verliert (John 12,31), er wird also entmachtet. Fraglos gilt auch: Wer durch den Glauben kein ewiges Leben gewinnt, ist schon gerichtet (Joh 3,18), also vom Heil ausgeschlossen. Und da der Zorn Gottes auf ihm bleibt (Joh 3,15), wird er sterben (1Joh 2,17; 3,14). Irgendwann wird dann der Kosmos überhaupt vergehen (1Joh 2,17). Doch diese Angaben sind nur kleine Farbtupfer, denn an einer Schilderung des Gerichtselends ist die johanneische Gemeinde insgesamt nicht interessiert. Auch über die vor Jesu Sendung bereits verstorbene Menschheit fällt kein Wort.
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Damit steht noch die Frage im Raum, wie sich der Evangelist das Ziehen zum Vater vorgestellt haben mag. Dieses Problem ist allerdings nur ungefähr abzuklären, weil der Evangelist sich dazu nicht eigens äußert. Doch kann man sich solche individuelle Aufnahme in das Haus des Vaters überhaupt anders vorstellen, als dass die leibliche Existenz des Menschen endgültig zu Staub wird (Joh 3,6; 6,63)? Denn eine allgemeine endzeitliche Auferstehung aus den Gräbern (Joh 5,28f, so die kirchliche Redaktion) ist ja nach dem Evangelisten nicht vorgesehen. Auch der schroffe Gegensatz von »Geist« und »Fleisch«, wie ihn der Evangelist zum Ausdruck bringt (Joh 3,5f; 6,63), spricht für die Nichtung des irdischen Leibes. Zugleich gehört nach Joh 14,5f.16–20) zur Gabe des Parakleten, dass mit ihm im Glaubenden der Sohn selbst eingezogen ist und hier für immer bleiben wird (Joh 14,16). Sind nicht der Geist (Joh 6,63) und der Sohn »Leben« (Joh 11,25f; 14,6)? Also ist, wer dieses Leben erhalten hat, bereits »vom Tod ins Leben hinübergeschritten« (Joh 5,24) und wird, wenn er stirbt, leben (Joh 5,25). Damit sind Kontinuität und Identität des einzelnen Christen über den leiblichen Tod hinaus gewährleistet. Über die postmortale Existenz im ewigen Leben äußert sich der Evangelist ausschließlich so, dass die ewige Beziehung zu Gott und seinem Sohn die Qualität dieses Lebens bestimmen werden (Joh 14,18–20). In Relation zu Gott und seinem Sohn auf diese Weise zu leben, ist des Menschen höchste Vollkommenheit. Noch eine letzte Bemerkung zu der eben ausschnitthaft erörterten Theologie des vierten Evangelisten: Mit ihm hätte sich der Paulus, der Röm 8 schrieb (Kapitel 10), wohl recht gut verständigen können, wenn man den johanneischen Dualismus einmal an den Rand stellt. Denn beide selbständige Positionen haben doch eine leicht erkennbare größere Schnittmenge an Gemeinsamkeiten. Diese Beobachtung zu Röm 8 lässt sich sogar erweitern. Paulus und der vierte Evangelist teilen nämlich unabhängig voneinander dieselbe Ausgangsbasis für ihre Aussagen zur Hoffnung. Paulus verarbeitet in 1Thess 4,13–18 (Kapitel 7) eine christologisch qualifizierte Tradition vom Menschensohn, wie sie uns im Maranatha (Kapitel 5) und im Vorgang der nachösterlichen
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Identifikation des Menschensohns aus der Überlieferung Jesu mit dem auferstandenen Herrn (Kapitel 3–4) noch zugängig ist. Der vierte Evangelist wertet aus seiner eigenständigen Gemeindetradition Materialien, die ebenfalls den gleichen Wurzelboden besitzen. Beide Autoren bekunden zudem eindeutig, dass diese Traditionen durch die Naherwartung der Parusie bestimmt waren. Das führt zu einer allgemeinen Bemerkung: Diese frühe judenchristliche Menschensohn-Christologie bestimmte offenkundig bei der Formulierung der Hoffnung zumindest weitgehend, wenn nicht überhaupt die Anschauung der ältesten christlichen Gemeinden. Sonst wäre diese Konvergenz zwischen Paulus der johanneischen Gemeinde schwer erklärlich. Nicht nur die vor und nach dem Evangelisten sich meldenden Stimmen mit traditioneller Position in der Eschatologie finden sich im Joh, wie wir eingangs dieses Abschnittes schon aufwiesen, sondern es gibt auch Äußerungen, die in eigenständiger Weise die Position des Evangelisten fortschreiben. Das eindrücklichste Beispiel dafür steht Joh 17. Dieses Gebet des scheidenden Gesandten hin zu seinem Vater, das jetzt den Abschluss des in Etappen nachgetragenen Blocks Joh 15–17 bildet, folgt nämlich sachlich dem Evangelisten. Dazu gehört die Deutung des Christusereignisses als eines einmaligen Sendungsgeschehens (Joh 17,18.25) mit dem Abschluss der endgültigen Position Jesu im Himmel in definitiver Einheit mit dem Vater (Joh 17,23), sodass es zu keinem zweiten Erscheinen auf der Erde zum Endgericht kommt. Ebenso charakteristisch ist, dass der jetzt zum Vater zurückkehrende Sohn ausdrücklich nicht für die Welt (Joh 17,9) bittet. Vielmehr tritt er nur für die Seinen ein: »Vater, ich will, dass da, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, weil du mich geliebt hast vor Grundlegung der Welt« (Joh 17,24).
Die Bitte ist gleichsam nachösterlich formuliert (»wo ich bin«). Der Sohn wird dieses Schauen also nicht durch ein nochmaliges Kommen zur Erde ermöglichen. Die Seinen werden vielmehr, wenn sie je einzeln sterben, in den
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Himmel erhöht werden, um so ihre eigene Vollendung im Schauen des Herrn zu erfahren. Das ist das ihnen zugedachte »ewige Leben« (Joh 17,2). Sie folgen also dem Weg der Erhöhung des Sohnes, um mit ihm eins zu sein, wie er es mit dem Vater ist (Joh 17,22f). Da der Sohn exklusiv nur für die Seinen bittet, ist die im Dunklen gelassene Folge, dass alle anderen Erdenbewohner endgültig verloren sind und vergehen werden. Auf sie wartet dasselbe Schicksal wie auf den Verräter Judas (vgl. 17,12b). Wie schon beim Evangelisten gesehen, gibt es auch hier keine weitere Ausgestaltung des Elends der Verlorenen.
15 Hoffnung im zweistöckigen Weltbild nach Kol, Eph und Hebr
Der Kol ist wohl der erste Brief, mit dem sich ein christlicher Autor hinter dem großen Paulus versteckte, sich also pseudepigraphisch verhielt, um sich mit der Autorität des Völkerapostels (Kol 1,23) bei der angeschriebenen Gemeinde ein besseres Gehör zu verschaffen. Wann das geschah, ist leider nur ungenau zu bestimmen. Sicher ist, dass der Eph den Kol recht extensiv als seinen Hintergrundtext benutzte, offenkundig in der Meinung, er würde so auf einen (echten) Paulusbrief zurückgreifen. Der Eph, auch wiederum ein pseudepigraphischer Paulusbrief, wurde bereits von Ignatius von Antiochia in seinem Schreiben an Polykarp herangezogen (IgnPolyk 5,1). Dann dürfte der Eph kurz vor der ersten Jahrhundertwende geschrieben worden sein. Auch der Autor des Kol benutzte ebenfalls und sogar ausführlich einen Brief, nämlich den zweifelsfrei paulinischen Phlm. So ist Phlm 1.3.4.5.25 in derselben Reihenfolge in Kol 1,1.2b.3.4; 4,18c wiederzufinden. Außerdem wurde Phlm 9.23 in Kol 4,8.18 herangezogen. Den Phlm kann man nun recht gut in die Zeit der ephesischen Gefangenschaft des Paulus einordnen, also gegen 54/55 n.Chr. Dann dürfte der Kol zwischen rund 60 n.Chr. und einige Jahre vor 100 n.Chr. entstanden sein. Das ist ein recht großer Spielraum, den man darum meistens mit dem Vorschlag 70–80 n.Chr. verkleinert. Einen weiteren Brief zog der Verfasser des Kol nicht heran, selbst wenn man gerne für Kol 2,12.20; 3,9 auf die Taufaussagen in Röm 6,1–11 verweist und dabei direkten literarischen Zugriff postuliert. Aber hier sind die sprachlichen und syntaktischen Bezüge nicht spezifisch genug. Darum ist es ratsam, davon auszugehen, dass Paulus des Öfteren in seinen Gemeinden auf seine Taufauffassung zu sprechen kam und daraus an verschiedenen Orten Gemeindetradition
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wurde. Diese kannte in einer Variation auch der Verfasser des Kol und integrierte sie in seinen Brief. Wer außerdem noch den Autor oder die angeredete Gemeinde des Briefes identifizieren will, muss sich leider ein oder zwei Schritte in das Reich der Spekulationen begeben. Da das zum Verständnis des Briefinhaltes jedoch nicht weiter hilft, lassen wir diese Fragen offen. Das Hauptanliegen des Briefes ist die Bekämpfung einer akuten Irrlehre, die uns hier nicht beschäftigen muss. Auffällig ist im Rahmen unseres Gesamtthemas, in welchem theologischen Umfeld der Verfasser des Kol auf die nur einmal erwähnte Parusie Christi eingeht. Dieser Abschnitt steht in Kol 3,1–4 und lautet: »(1) Da ihr nun mit Christus auferweckt worden seid, suchet, was oben ist, wo Christus ist, zur Rechten Gottes sitzend. (2) Richtet euren Sinn auf das, was oben ist, nicht auf das auf der Erde. (3) Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott. Wenn Christus, unser Leben, offenbar werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit.«
Christen sollen sich als nach »oben« ausrichten, wie gleich zweimal formuliert ist (vgl. noch Kol 1,20.23), von wo aus Gott und Christus alles regieren. Auf die Geschehnisse, wie sie »auf der Erde« sich zutragen, sollen sie ausdrücklich nicht schauen. Bisher hieß es in der Christenheit nicht immer, jedoch weit verbreitet: Macht euch für den kommenden Herrn bereit, indem ihr wachsam seid, auf die Zeichen seiner Ankunft achtet, beharrlich wartet, um nicht von seinem Kommen überrascht zu werden. Es galt also, horizontal und ohne Ablenkung in die Zukunft zu schauen. Dieses Lebensverständnis hatte damit als Ordnungsprinzip die sich horizontal und zukunftsorientiert erstreckende Geschichte, die alsbald in naher oder etwas gedehnter Zeit zu Ende gehen würde. Christen sollen jedoch nun stattdessen nach oben, also zum Himmel, schauen, wo Christus und Gott gemeinsam thronen. Das erinnert formal an den johanneischen Dualismus (Kapitel 14). Für diese Neuorientierung im Sinne des Kol gibt es zwei Begründungszusammenhänge, der eine ist christologischer, der andere anthropologischer Art.
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Zunächst zu den christologischen Ausführungen! Sie entfaltet der Autor vornehmlich mit einem durch ihn interpretierten Hymnus in Kol 1,15–20. Danach ist Christus der Erstgeborene der ganzen Schöpfung (Kol 1,15) und zugleich das unter bestimmten Bedingungen sichtbare (Kol 3,4) Ebenbild des unsichtbaren (und unsichtbar bleibenden) Gottes (Kol 1,15). Gott hat alles durch ihn und auf ihn hin erschaffen, nämlich alle himmlischen Mächte und die Menschen auf Erden (Kol 1,16f). Damit ist er nicht nur vor allem, sondern in ihm hat auch alles seinen Bestand (Kol 1,17). Christus ist ebenfalls nicht nur »Erstgeborener der Schöpfung«, sondern auch »Erstgeborener von den Toten« (Kol 1,18; vgl. 1Kor 15,23), nachdem er durch seinen Tod Frieden stiftete (Kol 1,20). Nämlich einmal die von Gott abgefallenen himmlischen Mächte »entwaffnete« (Kol 2,15) und zugleich die Menschheit mit Gott versöhnte (Kol 1,20). Seitdem wird das Evangelium »vor allen Geschöpfen unter dem Himmel« gepredigt (Kol 1,23), sodass, wer es annimmt, die begründete »Hoffnung auf die Herrlichkeit« (Kol 1,27) in sich tragen kann. Damit kommen wir zur anthropologischen Dimension. Christen sind durch die Predigt des Evangeliums (Kol 1,5f.23), das sie glaubend angenommen haben, sowie durch die Taufe, durch die sie mit Christus begraben und auferweckt wurden (Kol 3,1; 2,12), mit dem Erstgeborenen von den Toten und seinem ganzen Lebensweg verbunden. Damit ist auch ihr (ewiges) Leben bereits gegenwärtig im Himmel mit Christus in Gott verborgen (Kol 3,3), sodass sie bereits himmlischen Anteil »am Erbe der Heiligen im Licht« haben (Kol 1,12). Christus hat sie bereits als »heilig, untadelig und unbescholten« vor sich hingestellt (Kol 1,22). Für das noch weiter laufende irdische Leben gilt: Christus ist »in« jedem Gemeindeglied (Kol 1,27), weil alle ihn »empfangen« haben (Kol 2,6). Paulus hatte in Röm 5,12–6,11 so differenziert, dass er allein die Rechtfertigung als präsentische Folge für die Glaubenden ansetzte. Das ewige Leben jedoch gegenwärtig als vorerst nur erhoffte Folge verstand (Röm 5,21). Diese Möglichkeit schlägt der Verfasser des Kol aus. Für ihn ist die Taufe ebenfalls Akt des Sterbens und Begräbnisses,
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sodass die Glaubenden aus der Macht der Finsternis errettet sind (Kol 1,13). Zugleich jedoch sind sie bereits von Gott zusammen mit Christus lebendig gemacht (Kol 2,13; 3,1) und in das »Reich des Sohnes der Liebe« versetzt, also in den Himmel (Kol 1,13). Dieses Leben ist gegenwärtig (wie ja auch überhaupt das Reich des Sohnes) noch unsichtbar und in Gott verborgen (Kol 3,3), so sicher diese Verborgenheit offenbar werden wird (Kol 3,4). Denn darin besteht ausschließlich das Ziel der Parusie des Herrn: Er macht sich »offenbar«. Damit werden auch die Gläubigen offenbar in der ihnen von Gott geschenkten Herrlichkeit (Kol 3,4; sehr ähnlich 1Joh 3,2). Doch bis dahin ist der erhoffte Verherrlichungszustand »im Himmel« aufbewahrt (Kol 1,5). Damit ist klar, warum die Christen gegenwärtig nach oben schauen sollen (Kol 3,1): Dort ist bereits ihr Leben in Christus. Dieses theologische Konzept besitzt strukturelle und inhaltliche Nähe zum vierten Evangelisten, wie ein Vergleich zeigen soll. Dazu stellen wir die dualistische Komponente des Joh vorweg an den Rand, da der Kol diesen Weg der Dualisierung nicht gegangen ist. Dass in beiden Theologien die weltbildhafte Grundorientierung an den räumlichen Koordinaten als Orientierungsbasis gewählt ist, muss für diesen Vergleich nicht nochmals aufgewiesen werden. Wichtig ist jedoch, wie diese räumliche Struktur des Wirklichkeitsverständnisses inhaltlich gefüllt wird. Beide Autoren insistieren darauf, dass für den Himmel oben gilt: Gott existiert dort und bleibt ausnahmslos unsichtbar (Joh 1,18; Kol 1,15). Gott der Schöpfer (Joh 1,3f; Kol 1,15f) erschafft die untere Welt vermittels des Logos, bzw. durch seinen Sohn (Joh 1,3.10; Kol 1,16f). Zwischen Himmel und Erde liegt dann das Reich des Diabolos, bzw. das der Mächte (Joh 8,44; Kol 1,13.16; 2,20). Wieso sie zu Feinden Gottes wurden, bleibt ungeklärt. Durch Jesu Kreuzigung werden diese Rebellen jedenfalls besiegt (Joh 12,31; Kol 2,15). Zugleich bewirkt dieser Sieg die Rettung derjenigen Menschen, die dann die Gemeinde bilden (Joh 1,29; Kol 1,19f). Diese lebt fortan »im Geist« (Joh 3,5f.34; 4,23; Kol 1,8). »Geist« ist Leben und der Christus in den Glaubenden (Joh 14,15–18; Kol 2,6.10), wodurch diese bereits auferstanden sind (Joh 3,36;
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5,25; 11,25f; Kol 3,1). »Geist« ist nach Joh 4,24 auch Gott. Selbst wenn für den Kol eine Analogie dazu nicht direkt belegt ist, ist die Aussage für ihn wohl zustimmungsfähig. Da der auferstandene Christus gegenwärtig im Himmel weilt (Joh 12,32.34; 14,1f; Kol 3,1), orientiert sich die Gemeinde an dem Erhöhten oben (Joh 14,12.19f; Kol 3,1). Hier befindet sich auch der endgültige Heilsort der Gemeinde (Joh 14,1–3; Kol 3,2–4). Hier ist das »Reich Gottes« (Joh 3,3.5), bzw. das »Reich des Sohnes« (Kol 1,13). Ein Teil der johanneischen Gemeinde, nicht der Evangelist und seine Gefolgsleute, erwarten die Wiederkunft Christi (vgl. die Tradition in Joh 14,3 und 21,22), so auch der Kol (Kol 3,4). Christi Aufgabe bei seiner Wiederkunft besteht dann darin, dass er für die Seinen sorgt, was für den vierten Evangelisten der Erhöhte im individuellen Tode des einzelnen Christen tut. Nach dem Kol werden die Geretteten in der himmlischen Doxa sichtbar werden (Kol 3,4; vgl. 1,27). Eine Gerichtsaufgabe hat der Erhöhte nicht. Ein Gericht über Christen gibt es ebensowenig wie z.B. 1Thess 4,17; Mk 13,26f. Das Schicksal der verlorenen Menschheit ist vom vierten Evangelisten und vom Kol nur ganz knapp angesprochen: Der »Zorn Gottes« wird alle noch lebenden Menschen vernichten (Joh 3,18.36; Kol 3,6.8). Das ist eine Variante z.B. zu 1Thess 1,10. Eine allgemeine Auferstehung der Menschheit findet nicht statt (jedoch z.B. im Nachtrag Joh 5,28f). Das Stichwort »Auferstehung« fällt im Zusammenhang der Endereignisse überhaupt nicht mehr, da man während des irdischen Lebens auferstanden sein muss, um am Ende bei den Geretteten zu sein. Werfen wir nun einem Blick auf den Eph! Man kann ihn wegen der theologischen Nähe zum Kol den jüngeren Bruder des Kol nennen. Denn er benutzte, wie wir bereits bei der Erörterung der Einleitungsfragen zum Kol feststellten, den Kol recht intensiv, setzt dabei jedoch durchaus auch eigene Akzente. Dieses Beziehungsverhältnis schließt es aus, dass Paulus der Autor ist (vgl. Eph 1,1) und den Brief in einer Gefangenschaft geschrieben hat (Eph 6,21f). Diese biographische Angabe ist vielmehr nur dazu da, dass die Leser verführt werden, die versteckte Pseudepigraphie nach dem Motto, je konkreter desto echter, als authentisch an-
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zusehen. Allerdings ist der anonyme Verfasser über die paulinische Theologie doch gar nicht so schlecht informiert, kennt vielmehr möglicherweise den einen oder anderen Brief des Apostels, selbst wenn eine sichere Beweisführung Probleme macht. Beispielsweise spricht einiges dafür, dass Eph 3,3f auf Gal 1,12.15f; 2,2 Bezug nimmt. Beim Eph ist allerdings nicht nur der Autor unbekannt, sondern auch die namentlich angesprochene Gemeinde. Denn »in Ephesus« (Eph 1,1) ist in nicht unbedeutenden frühen Handschriften noch nicht vorhanden und kann später aus Eph 6,21f erschlossen worden sein. Dies alles macht die Datierung des Briefes nicht leichter. Wie wir bereits zum Kol anmerkten, kann man mit einer Entstehung kurz vor der Jahrhundertwende rechnen. Präziser geht es nicht. Auch im Eph sind die räumlichen Koordinaten oben und unter wie im Kol die beherrschende Struktur im Weltbild (Eph 1,3.10.20–22; 2,2.6; 3,14; 4,8–10; 9,6 usw.). Im Unterschied zum Kol ist allerdings Gott allein der Schöpfer (Eph 3,9; 4,6), der vor Grundlegung der Welt alles, vornehmlich jedoch den Erlösungsvorgang, nach seinem göttlichen Willen festgelegt hat (Eph 1,4–6; 3,9.11). Er ist »ein Gott und Vater aller, der über allen und bei allen und in allen ist« (Eph 4,6). Das erstaunt, da der Verfasser des Eph doch in Kol 1,15 den Anfang von einem Hymnus las, der zu diesem Thema Schöpfung christologisch auffällig viel zu sagen hatte. Christus führt nach dem Eph vielmehr konzentriert den Erlösungswillen seines Vaters aus und wird dabei von ihm gelenkt, und vor allem nach seiner Kreuzigung (dazu Eph 2,16) in den Himmel erhöht (Eph 1,3–14.20; 2,5f). Damit hat er seine gegenwärtig und für immer geltende Position erhalten. So heißt es Eph 1,9f: »Er (d.h. Gott) hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan …, alles in Christus zusammenzufassen, was im Himmel und auf Erden ist.« So kommt Christologie so zur Geltung, dass sie aus der göttlichen Perspektive beschrieben wird: Christus ist die von Gott vorherbestimmte soteriologische Gestalt des göttlichen Heilswillens. Innerhalb dieses Ansatzes stehen dann der Tod und die Erhöhung des Herrn samt den Folgen für die Glaubenden im Zentrum. Dabei ist die Jetztzeit bestimmt
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15 Hoffnung … nach Kol, Eph und Hebr
durch die »Stärke« Gottes, die er an Christus hat wirksam werden lassen, als er ihn von den Toten auferweckte und zu seiner Rechten in der Himmelswelt setzte über jede Gewalt und Macht (Eph 1,19–21). An diesen erhöhten Christus hält sich die Gemeinde. Das entspricht der Perspektive aus Kol 3,1: »Suchet, was droben ist, wo Christus ist …« Durch die Erhöhung sind auch die zuvor zwischen Himmel und Erde sich ständig austobenden Mächte im Prinzip besiegt (Eph 1,21; 2,2; 3,10, 4,27), selbst wenn die Christen in der Gegenwart auf der Erde immer noch mit ihnen kämpfen müssen (Eph 6,12). Diese Heilsveranstaltung Gottes ist die Voraussetzung dafür, dass die Gemeinde der Vergebung ihrer Übertretungen durch den göttlichen Reichtum seiner Gnade gewiss sein kann (Eph 1,7f). Ja, wer seine Hoffnung auf Christus setzt, ist schon vorherbestimmt, das Erbe des Heils anzutreten (Eph 1,11–13). Der Empfang des heiligen Geistes ist dabei das Angeld dieses Erbes (Eph 1,13f). So waren die Christen »tot« wegen ihrer »Übertretungen«, jetzt jedoch als Glaubende sind sie mit Christus »lebendig gemacht«, aus »Gnaden errettet«, mit Christus »auferweckt« und haben schon einen »Sitz in der Himmelswelt« erhalten (Eph 2,5f). Christi Geschick (vgl. Eph 1,20), für die Menschen von Gott inszeniert, ist schon jetzt komplett auch ihr Geschick geworden. Nichtchristen hingegen sind »Kinder des Zorns« (Eph 2,3). Auf diese »Söhne des Ungehorsams« kommt das »Zornesgericht Gottes« (Eph 5,6). Christen können hingegen auf dieses Gottesgericht als dem »Tag der Erlösung« hoffen, da sie bereits den heiligen Geist als Siegel ihrer Rettung bekommen haben (Eph 4,30), es sei denn, sie werden wieder »Mitgenossen« der »Söhne des Ungehorsams« (Eph 5,5–8). Dann nämlich geht ihr »Erbteil am Reiche Christi und Gottes verloren« (Eph 5,5). Denn wer auf »Fleisch« sät, wird vom Fleisch »Verderben« ernten. »Wer auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten« (Eph 5,8). Damit gilt die Aufforderung an alle Christen, »die Waffenrüstung Gottes« anzuziehen, um den listigen Anschlägen des Teufels standzuhalten« (Eph 6,11). Ebenso gilt: Wer die Gemeinde
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verwirrt, »wird das Strafgericht zu tragen haben« (Eph 5,10). Man kann das Heil nur durch den Glauben erwerben (Eph 1,13), aber durch Werke und Wandel alles wieder verlieren (Eph 5,5). So ist Gott der alleinige Schöpfer. Er plant und dirigiert auch das Heilswerk Christi. Am Ende wirkt er allein als Richter. Er übergibt dann, so wird man es sich wohl vorstellen, die durch sein Gericht Erlösten dem im Himmel thronenden Christus zur immerwährenden Gemeinschaft »in Unvergänglichkeit« (Eph 6,24). Damit steht das Konzept der Zukunftsaussagen im Eph in Bezug auf die fehlende christologische Parusieerwartung den Traditionsstücken in Röm 1,3f; Phil 2,5–11; Kol 1,15–20 und der paulinischen Position im Röm recht nahe. Auch der Hebr gehört zu dieser Gruppe, wie gleich deutlich wird. Wenn wir nun noch zum Hebr kommen, so muss gleich gesagt werden, dass bei dieser Schrift praktisch fast alle Antworten zu den üblicherweise zu stellenden Einleitungsfragen zwischen den Polen kontrovers und unbeantwortbar einzuordnen sind. Klar ist jedoch: Da der 1Clem den Hebr benutzte, wie ein Vergleich zwischen Hebr 1,3ff und 1Clem 36,2–5 ergibt, kann man die Entstehungszeit des Hebr um 80 n.Chr. ansetzen. Der Verfasser des Hebr ist unbekannt, doch wohl ein hellenistischer Judenchrist, wie seine ausführliche Benutzung der Septuaginta und sein Umgang mit Israels Geschichte nahe legen. Ob der Hebr überhaupt als ein Brief konzipiert wurde, wird immer wieder diskutiert, da der Schrift eingangs ein Briefformular fehlt. Auch wird erwogen, ob nicht die Schlussverse in Hebr 13,22–25 von fremder Hand sekundär angefügt wurden. Ob nun der Hebr als ein Brief konzipiert wurde, den etwa Boten zu einem Kreis von Gemeinden brachten und dort mit mündlicher Anrede vorlasen (ähnliche Erwägungen gibt es zum 1Joh), oder als Traktat oder Homilie erstellt wurde, sein Inhalt bleibt derselbe. Die jetzige Adressatenangabe (»An die Hebräer«) ist überhaupt sekundär und hat noch keine einleuchtende Erklärung gefunden. Es stimmt: Auch der Hebr orientiert sich wie der Kol und Eph für sein Weltbild grundlegend an der vertikalen Per-
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15 Hoffnung … nach Kol, Eph und Hebr
spektive: Oben ist der Himmel mit Gott, Christus und den Engeln und unten die Erde als der Lebensbereich der Menschheit. Aber man wird hierzu differenzieren müssen. Diese dominante Orientierung gilt nämlich für die Gegenwart des Autors, genauer erst seit der himmlischen Inthronisation des Herrn und damit nach seinem hohepriesterlichen Selbstopfer (Offb 1–2; 8,1–10,31). Die Gemeinde blickt also permanent nach oben, weil dort ihr Herr ist. Dort jedoch, wo der Verfasser auf die vorchristliche Zeit, also auf Israel blickt, ist zwar auch immer noch der Himmel oben und die Erde unter (wie sollte das auch anders sein?). Allerdings tritt hierzu in den Vordergrund die gestreckte Geschichte Israels, wie sie auf das Kommen Christi zuläuft, also eine Geschichtsauffassung, die ein horizontales noch nicht erreichtes Ziel besitzt. Das beste Beispiel dafür ist Hebr 11, speziell 11,38f. Ist das gesehen, fällt umso mehr auf, dass die Gegenwart nicht als zielorientierte Geschichte hin auf die Parusie des Herrn interpretiert wird, wie es in der ersten Generation des Christentums geschah (Beispiele in den Kapiteln 4–8). Die Jetztzeit ist vielmehr wegen des Christusereignisses, das Israels Geschichte abschloss, Endzeit (Hebr 1,1; 9,26). Man kann, soll damit gesagt werden, nur noch von diesem Ereignis her leben. Und da es im Himmel endete und das endgültige Heil dort bereitsteht, wird man sich konsequenterweise von Oben her verstehen. Diese Qualität des Christusereignisses, das nichts Neues mehr erwarten lässt, lässt dann den Schluss zu, dass Endzeit ist, und es damit überhaupt bald mit der Geschichte zu Ende geht (Hebr 10,25). Ein Zeitmaß muss man dafür jedoch nicht angeben. Wie kommt es, dass Christus in so singulärer und beherrschender Weise zur Ausnahmegestalt der Vergangenheit eingesetzt ist, in der man auf ihn hin leben sollte, und dann allein die bestimmende Person der Gegenwart wird, auf die sich, nach oben blickend, alle ausrichten sollen? Die Antwort auf diese Frage steht recht nahe bei der Position des Kol. Gott hat durch diesen Christus nämlich »die Welten gemacht« (Hebr 1,1). Er ist der Erstgeborene von allem Geschaffenen (Hebr 1,6), der »Abglanz« der göttlichen
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»Herrlichkeit« und »das Ebenbild« des göttlichen »Wesens« (Hebr 1,3), sodass er »durch sein mächtiges Wesen das Weltall trägt« (Hebr 1,3). Aufgrund seines Selbstopfers als Hohepriester thront er jetzt zur Rechten Gottes im Himmel (Hebr 8,1; vgl. 1,3; 10,12; 12,2). Sein Thron besteht in alle Ewigkeit (Hebr 1,8). Durch seinen Opfergang tilgt er die Sünden der Menschen ein für alle Mal (Hebr 9,11f; 10,11–18) und vernichtet den Teufel, der die Macht über den Tod besaß (Hebr 2,14f). So wird er als Erstgeborener von allen zugleich »Anfänger und Vollender des Glaubens« (Hebr 12,2). Und die Glaubenden können von ihm die Teilnahme an seinem »unerschütterlichem Reich« im Himmel empfangen (Hebr 12,28). Hier werden sie als Bürger des himmlischen Jerusalems (Hebr 12,22; 13,14) ihn in seiner Herrlichkeit schauen (Hebr 12,14) und das ewige Leben erhalten (Hebr 10,39). Da Christen schon Christi Genossen geworden sind, müssen sie nur noch dies in Zuversicht bis zum Ende festhalten (Hebr 3,14). Wie im Eph wird es auch nach dem Hebr keine Parusie Christi geben. Christi Werk ist mit seiner Inthronisation abgeschlossen. Das Endgericht liegt vielmehr ganz in Gottes Hand (Hebr 10,26–35; 12,23.27–29; 13,4). Der »nahende Tag« (Hebr 10,25) ist also der Tag Gottes. Zu ihm gehören die Auferstehung aller Toten zum Gericht (Hebr 6,2) und die Vernichtung der nicht zu Christus gehörenden Menschen im Feuergericht (Hebr 12,29). Dann wird das »unerschütterliche Reich« Christi allein für immer bestehen, und alles, was zu den der Erschütterung unterworfenen Dingen wie die Erde gehört, zugrunde gehen (Hebr 12,29). Damit ist die Unterscheidung von oben und unten für die Zeit nach dem Gericht obsolet geworden. Die ewige Sabbat-»Ruhe« (Ps 95,11; Gen 2,2) kann beginnen (Hebr 3,11; 4,3–5). Wir wollen den Abschnitt nicht sofort verlassen, sondern noch wenigstens einen kurzen Blick auf die Briefe des Ignatius werfen, weil In ihnen nämlich wie im Eph und Hebr das Thema einer Parusie aus dem theologischen Programm ausgeklammert ist. Zwar liegen die sieben Briefe des Bischofs von Antiochia und Märtyrers in Rom schon außerhalb des geschichtlichen Rahmens, den wir uns gesetzt haben (Ig-
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15 Hoffnung … nach Kol, Eph und Hebr
natius starb zwischen 110 und 117 n.Chr.). Doch reizt ein Blick auf diese Briefe wegen dieses Befundes zur nicht mehr thematisierten Parusie, zumal dies kaum als Zufall klein geredet werden kann, weil es eben doch sieben Briefe sind und nicht nur ein beispielsweise kleiner, in dem naturgemäß nicht alle Themen anklingen können. Auch breitet Ignatius gerade sein christologisches Bekenntnis (mit pointierten Inkarnationsaussagen) mehrfach aus, sodass man nicht sagen kann, wegen der Thematik der Briefe sei für das christologische Thema der Parusie des Herrn keine Veranlassung gewesen. In Trall 9,1 lesen wir, wie Christus, der für Ignatius schon vor aller Zeit war und gegen Ende der Geschichte als Inkarnierter erschienen ist (Eph 5,1; Mag 6,1), durch seine Geburt dem davidischen Geschlecht zugeordnet ist und von Maria geboren wurde. Er lebte als wahrhaftiger Mensch, wurde unter Pilatus gekreuzigt und starb. Dabei schauten die himmlischen und irdischen Mächte zu. Sein himmlischer Vater weckte ihn von den Toten auf. Eben dieser Vater wird auch die an Christus Glaubenden auferwecken (vgl. auch Eph 7,2; 18,2; Trall 2,2f; Phil 8,2; Smyr 1–3). Christi Erlösungsweg begründet also der Christen Hoffnung, durch ihre je von Gott bewirkte individuelle Auferstehung zu ihm zu gelangen (Trall, Präskript), ist er doch der Christus, der vom Vater ausging und zu ihm zurückkehrte, also diesen Weg als erster ging. So ist der Sohn die Tür zum Vater, durch die auch die Erzväter und Propheten, die Apostel und die Kirche eingehen, wie schon Israels Gerechte »in die Einheit Gottes« (Phil 5,2; 9,1) eingegangen sind. Diese Einheit ist das Ziel der gesamten Heilsveranstaltung Gottes (Eph 5,1). Diese Vollendung bedeutet ewiges Leben und Unvergänglichkeit (Eph 19,3; Phil 9,2). Diese Kostproben zeigen, dass Ignatius beredt über Christi Heilswerk reden kann, jedoch über seine Wiederkunft sich völlig ausschweigt. Denn mit der Rückkehr in die Einheit des Vaters ist für Ignatius Jesu Aufgabe offenkundig abgeschlossen. Strukturell entspricht dieser christologische Weg dem Konzept im Eph und Hebr wie auch der Position des vierten Evangelisten (vgl. Kapitel 14). Nur werden die Christen dann nicht wie Joh 12,32 vom
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erhöhten Herrn in die Höhe gezogen, sondern wie ihr Herr nach seinem Kreuzestod ebenfalls von Gott durch ihren Tod hindurch individuell ins Leben gerettet (Trall 2,2), wie es mit den verstorbenen Erzvätern und Propheten schon eher geschehen ist (Phil 5,2). Wer an die Heilsveranstaltung Gottes in Christus nicht glaubt, über den kommt das göttliche Gericht (Eph 11,1; Trall 13,3; Smyr 6,1). Er kann also »das Reich Gottes nicht erben« (Eph 16,1), sondern wird in das »unauslöschliche Feuer« wandern (Eph 16,2). Das ist wohl im Blick auf die, die leben, wenn Gott die Weltgeschichte abbricht. Damit kann als Ergebnis festgehalten werden: Der gekreuzigte Sohn wird nach seiner Rückkehr zu seinem Vater in der Einheit mit ihm für immer verbleiben (Mag 7,2). In dem Konzept des Ignatius ist eine Parusie also nicht vorgesehen. Damit kann man festhalten: Das judenchristlich entstandene Konzept einer Parusie des Menschensohnes (Kapitel 5) erhält zuerst beim späten Paulus (Kapitel 10) sowie beim vierten Evangelisten (Kapitel 14) und dann mit der dritten Generation des Urchristentums des Öfteren keine Gefolgschaft mehr.
16 Millennium und neues Jerusalem nach der Offb
Die Offb ist unter den neutestamentlichen Schriften wegen ihrer extensiv ausgebreiteten Apokalyptik ein auffälliger Sonderling. Auch der frühjüdische Grundbestand aus Mk 13 (vgl. Kapitel 11) verblasst dagegen. Der »Knecht Johannes« (Offb 1,1) schrieb sein Werk, um den Gemeinden aus Offb 2f Orientierungshilfen für die Endzeit zu geben, jedoch ohne sonst viel von seiner Person preiszugeben. Man kannte ihn ja auch in den Offb 2f angeschriebenen Städten persönlich. Er weilt z. Z. auf Patmos, einer kleinen, damals eher öden und nur spärlich bewohnten Insel, die er sich, nachdem er vorher in allgemein bekannten und größeren Städten Mission betrieben hatte (Beispiele: Offb 2f), wohl kaum ganz freiwillig (schon gar nicht als Missionsziel) ausgesucht hatte. In Offb 1,9 gibt er an, dass er »um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen« Richtung Patmos verschwand. Nimmt man an, dass diese Aussage seine Tätigkeit in den Städten der Sendschreiben kennzeichnen soll, dann könnte er dort bei einer städtischen Behörde als missionierender Wandermissionar aufgefallen sein. Woran man sich im Einzelnen stieß, ist nicht mehr aufzudecken. Hat er sich aus taktischen Gründen (wie Paulus einmal in Thessaloniki) unsichtbar gemacht, oder ist er sogar verbannt worden? Da von einer Gerichtsverhandlung und Verurteilung überhaupt nichts angedeutet ist, wird man eher an einen persönlichen Rückzug denken, um auf diese Weise möglichen Schwierigkeiten mit einer Stadtregierung aus dem Wege zu gehen. Oft wird als Grund ein Konflikt mit dem Kaiserkult angenommen, mit dessen Hilfe man dann auch eine ungefähre Datierung der Apokalypse in die Augen fassen könnte. Man landet auf diesem Weg etwa in der Zeit Domitians oder Trajans. Diese Möglichkeit ist al-
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lerdings dem verwehrt, der diese Konkretion des Konflikts in der Offb nicht wiederfindet. Vielleicht kann man auch erwägen, an einen Konflikt mit den Synagogen in Smyrna und Philadelphia zu denken (Offb 2,9; 3,9), gegen die der Seher in seinem Brief recht grob zu Felde zieht (»Synagoge des Satans«). Doch daraus ergibt sich auch kein Hinweis für die Entstehungszeit der Offb. Also kann sie nur sehr allgemein angegeben werden. Unser Vorschlag lautet: die beiden Jahrzehnte um die Jahrhundertwende. Der apokalyptische Seher war wohl von seiner Tätigkeit her ein umherziehender Wandermissionar mit in die Augen springender judenchristlicher Einfärbung. Kam er vielleicht einst aus Syrien? Er schreibt an sieben Gemeinden in der Asia (Offb 1,4; 2,1–3,22), wobei er wohl mehr Gemeinden in dieser Region besucht hatte (man kann an Kolossä, Hierapolis und/oder Milet denken), aber um der Zahl sieben willen diese als wichtig auswählte. Jedenfalls spielt er in seinem Werk häufig und gerne mit Zahlensymbolik. Die angeschriebenen Gemeinden gehörten einst zum paulinischen Missionsfeld. Vielleicht spielt der Seher sogar darauf in Offb 1,4f an. Doch der theologische Standort des Sehers zeigt klar und eindeutig keine paulinische Nähe. Bei den Kirchenvätern kann man eine Entwicklung aufzeigen, mit der im Endeffekt die Apokalypse des Sehers Johannes, das vierte Evangelium und die drei johanneischen Briefe dem Jünger und Apostel Johannes zugeschrieben wurden. Aber das ist, geschichtlich betrachtet, ein längst erkanntes und problemreiches Konstrukt, das vor allem darauf abzielte, diese Schriftengruppe insgesamt mit apostolischer Autorität zu versehen. Die Offb selbst blickt auch auf den bereits der Vergangenheit angehörenden Apostelkreis zurück (Offb 18,20; 21,14). Also kann der Verfasser der Offb schwerlich ein Jünger Jesu gewesen sein. Auch der sprachliche und themenorientierte Versuch, die Theologie der Offb mit dem vierten Evangelium in eine engere Beziehung zu stellen, führt im Endeffekt nur dazu, dass sich in der Tat einige sprachliche Konvergenzen aufweisen lassen. Jedoch ist es nicht möglich, die offenkundigen theologischen Unterschiede z.B. im Weltverständnis, in der
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Christologie und in der Eschatologie wegzudiskutieren. Auf das letzte Thema gehen wir natürlich im Folgenden noch ausführlich ein. Die Offb ist ein Werk mit einem durchsichtigen Aufbau. Das ist nicht der unbedeutendste Grund, die Einheitlichkeit des Gesamtwerkes anzunehmen, was sonst bei Apokalypsen keineswegs immer der Fall ist (vgl. nur äthHen). Das sollte jedoch nicht daran hindern, bei einzelnen Abschnitten (Beispiele: Offb 11 und 12) mit verarbeiteten Vorlagen zu rechnen. Ein kurzes Wort ist noch zur Sprache des Sehers angebracht. Sein Griechisch zeigt einen auffälligen und starken semitischen Einfluss, wie ihn sonst keine andere neutestamentliche Schrift aufweist. Nicht zu unterschätzen sind seine umfassenden Kenntnisse der hebräischen Bibel, speziell dabei der Propheten. Das sind Indizien, die ihn als ehemaligen Juden ausweisen. Da wir mit der Offb zu der ausführlichsten Darstellung von apokalyptischer Theologie im Neuen Testament kommen, ist es angebracht, bevor wir auf dieses Buch näher eingehen, in ein paar Sätzen und wenigstens knapp etwas zum Verständnis von Apokalyptik überhaupt zu sagen. Über diese Charakteristika, mit denen man apokalyptische Weltsicht von anderen Interpretationen der Wirklichkeit unterscheiden kann, gibt es eine lange und nachhaltige Diskussion. Wir lassen diese jetzt im Hintergrund und beginnen gleich mit den Basisaussagen zu unserem eigenen Verständnis. Es lässt sich so formulieren: Apokalyptik ist frühjüdische und dann auch christliche Offenbarungsliteratur. Ihre Autoren berufen sich (fast) immer auf den besonderen Empfang von Offenbarungswissen über die Geschichte, ihren zukünftigen Verlauf und ihrem Ende, über die himmlische und eigentlich keinem sterblichen Wesen zugängliche Wirklichkeit und über die anstehende Vollendung. Dieses Offenbarungswissen, so geben die Apokalyptiker meistens selbst kund, erhalten sie durch Visionen, durch Dialoge mit himmlischen Gestalten und durch ihre Entrückungen von der Erde zu geführten Himmelsreisen. Für solche aus dem Üblichen fallenden Offenbarungen ist gerade auch die Offb ein vorzügliches Beispiel. Doch auch wo ein Offenbarungs-
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vorgang nicht geschildert wird wie z.B. im Grundstock von Mk 13 (vgl. Kapitel 11), ist doch wohl vorausgesetzt, dass im Hintergrund ein Offenbarungsvorgang steht, weil das ausgebreitete Wissen (wie z.B. in Mk 13) normalerweise menschlich nicht erschwinglich ist, und auch sonst nicht so autoritativ als unumstößliche Wahrheit, sondern allenfalls als eine subjektive Möglichkeit vorgetragen werden könnte. Konstitutiv und typisch für die Apokalyptik sind ebenso einige weltanschauliche Grundentscheide. Dazu gehören vor allem als Grundmuster des Wirklichkeitsverständnisses ein Zwei-Stockwerke-Weltbild mit der unteren Ebene der negativ geprägten Menschenwelt und der oberen Dimension des göttlichen Heilsbereichs (dieses oft mit Ausdifferenzierungen in verschiedene Bezirke). Dazu zählt weiter die tiefgehende Unterschiedenheit von irdischen Lebensformen und himmlischer Existenz, ein deterministisches und periodisiertes Geschichtsbild, der Kontrast zwischen jetziger Geschichte mit ihrer Abbruchreife und dem zukünftigen Leben der Erlösten in einem immerwährenden Friedensreich (sog. Zwei-Äonen-Lehre, vgl. 4Esr 7,10ff). Sichtbar wird auch die Überzeugung, dass diese Welt und ihre Geschichte immer depravierter werden, was zwangsläufig zu einem gestreckten Großkatastrophenarsenal überaus fürchterlichen Ausmaßes führen muss. Eindeutig ist ebenfalls, dass nur Gott radikal Neues und Endgültiges schaffen kann, ja längst (eventuell schon vor aller Zeit) festgesetzt hat, wann und wie er das machen will. Die Varianten dieses für damalige Zeit umfassenden Weltbildes werden nicht aus Lust am Fantasieren aufgezeichnet, sondern um die Frommen zu leiten, damit sie unversehrt bis zum Ende der Geschichte durchhalten. Also ausharren und sich nicht beirren lassen, das ist die Devise für ihre Lebensgestaltung. Schwerpunktmäßig ist dabei oft die Jetztzeit in ihrer Qualität als Zeit des Elends expressiv ausgemalt, wobei sich die Schrecken bis zum Ende hin immer mehr bis ins Unerträgliche steigern werden und sich als eine periodisch geordnete Abfolge von unheilvollen Geschehnissen begreifen lassen. So kennt Dan 7 die vier Weltreiche, die nacheinander und mit immer härterer Tyrannei die Geschichte bestimmen. In
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Mk 13 liest man in drei je besonders geprägten Abschnitten von unterschiedlichen Bedrohungen, deren Elend und Tod bringende Gewalt sich potenziert (Kapitel 11). In der Offb folgt mit dem zeitlich gestreckten Öffnen der sieben Siegel, der sieben Posaunen und der sieben Schalen ab Offb 4 ein Unheilsabschnitt nach dem anderen, wobei der nächste dabei schauerlicher als der vorangehende ist. Die symbolischen Zahlen 3, 4 und 7 deuten dazu an, dass die Apokalyptik Zahlenspiele liebt und mit diesem Mittel z.B. signalisiert, dass für sie in diesen Fällen Rundung und Vollständigkeit erreicht ist. Zu den Unheilsereignissen im Einzelnen zählen: Kriege unter den Völkern, Tyrannei durch die Potentaten, falsche Propheten in der eigenen Gemeinschaft, Zerbrechen der Familien- und Sippengemeinschaften, Naturkatastrophen aller Art auf der Erde mit das Leben bedrohenden Folgen, Chaos bei den Himmelskörpern und die Tätigkeiten von Satan, dem Antichristen und falschen Propheten. Aus diesem bunten (und ergänzungsfähigen) Strauß sucht sich der Apokalyptiker aus, womit er seine Varianten sich steigernden Unheils mit Inhalt füllen will. Diese Kennzeichnung macht auch schon deutlich, wo z.B. ein Hauptunterschied zum Täufer und zu Jesus liegt. Beide blicken überhaupt nicht auf die große Politik und Weltgeschichte, um ihre von Gott geordnete Periodik zu beschreiben, damit die Zuhörer den eigenen geschichtlichen Standort darin erkennen. Sie kommen auch überhaupt nicht auf die Idee, die Himmelswelt samt ihren Vorgängen zu beschreiben, sondern sie reden überhaupt nur unmittelbar ihre einzelnen Zeitgenossen an, die sofort ihr persönliches Leben ändern sollen, wenn anders sie dem unmittelbar drohenden Gericht entgehen möchten. Für den Täufer gibt es keinen Imperativ durchzuhalten, wie es die Apokalyptiker fordern (dazu gleich mehr), weil das Gericht schon zu nahe ist. Die Umkehr des Einzelnen ist vielmehr unverzüglich gefordert. Zur individuellen Taufe wird aufgerufen. Für Jesus ist die Gottesherrschaft schon jetzt dabei, sich mit seinem Wirken in der Welt durchzusetzen. Sie bildet das Ursprungsgeschehen, das in die Vollendung der Gottesherrschaft einmündet. Im Alten auszuharren, ist darum ab sofort geradezu kontra-
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produktiv. Nein, mutig in die Gottesherrschaft einzutreten und das zugespitzte Ethos Jesu in Lebensgestaltung umzusetzen, ist für Jesus das Gebot der Stunde. Einen gedehnten Plan für die Weltgeschichte aufzustellen, wäre für Jesu Verständnis der anbrechenden Gottesherrschaft geradezu abwegig. Auch für Paulus und dem vierten Evangelisten z.B. ist die Jetztzeit die Zeit des Evangeliums und des Geistes am Ende der Geschichte. Annahme oder Ablehnung dieses Angebots entscheiden über die endgültige Verlorenheit oder Rettung jedes einzelnen Menschen. Nun kann man allerdings bei den Apokalyptikern nachfragen: Warum lässt für sie Gott denn solche sich steigernde Unheilsgeschichte überhaupt zu? Diese Frage diskutiert die Apokalyptik nur indirekt. Klar ist: Gott sitzt für sie im Regimente, wie man allein schon an der ihrer Meinung nach von Gott von Anfang an geordneten Abfolge der geschichtlichen Ereignisse erkennen kann. Auch hat er natürlich längst den späteren Zeitpunkt der Erlösung und ihren Inhalt für die Seinen bestimmt (vgl. nur Dan 7,12–22.25; 12,7; Mk 13,32). Was jetzt geschieht, ist Gottes zeitlich gestrecktes Gericht über die ihm untreue Menschheit. Und er will außerdem, dass die Seinen sich in den Katastrophen bewähren und ihm zeigen, dass sie treu zu ihm stehen. Denn nur wer bis zuletzt ausharrt und treu ist, der wird gerettet werden. Gott weiß auch genau, ab wann er die Seinen vor weiterer Steigerung des Unheils bewahren muss, damit sie das alles gerade noch ertragen können und davonkommen (vgl. nur Mk 13,20). Bei der definitorischen Kennzeichnung apokalyptischer Weltanschauung und Literatur wird nicht selten die Tatsache aufgeboten, dass sie oft als pseudonyme literarische Produkte auftreten, und dass dies für die Beschreibung ihres theologischen Standorts von Wichtigkeit sei. Nun kann es keinen Streit darüber geben, dass es nicht selten solche pseudonyme Apokalyptik gibt. Doch muss man dabei zweierlei ins Auge fassen: Erstens gibt es neben der Pseudonymität apokalyptischer Texte (Beispiele für pseudonym eingesetzte Namen: Henoch, Mose, Daniel, Esra und Baruch) auch anonyme Texte apokalyptischer Prägung (Beispiele: in äthHen eingearbeitete Texte und die in Mk 13 enthaltene Apokalyp-
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se, dazu Kapitel 11). Endlich gibt es auch Apokalypsen, die den genuinen Autorennamen angeben (z.B. Offb und Hirt des Hermas). Zweitens: diese drei Veröffentlichungsweisen sind allerdings nun in der gesamten Literaturproduktion der Antike anzutreffen. Ein Pseudonym hatte z.B. nicht nur in der Apokalyptik Attraktivität, sondern auch etwa bei der Erstellung von Geschichtswerken, Psalmensammlungen, Evangelien, literarischen Dialogen und Briefen. Mt, Mk und Joh, die zunächst ohne Autorennamen Verbreitung fanden, werden später durch pseudonyme Apostolizität qualifiziert. Das bedeutet: Wer immer bestimmten Werken besondere Autorität zuschreiben wollte, griff oftmals zum Mittel der Pseudonymität. Was die Apokalyptik hier tat, war also verbreitet und üblich. Wer waren die Apokalyptiker? Sie waren offenkundig in der Regel lese- und schreibkundig (z.B. im Unterschied zum Täufer, Jesus und den Jüngern) und verschafften sich im Frühjudentum schwerpunktmäßig durch die Verbreitung ihrer Schriften Aufmerksamkeit und nicht durch öffentliche missionarische Reden. Sie lebten wohl zumindest teilweise in Gemeinschaften (Schulen) zusammen. So kann man jedenfalls am besten ein Sammelwerk wie den äthHen erklären. Auch bedurften sie des Zugangs zu den alttestamentlichen Texten z.B. durch Besuch einer synagogalen Bibliothek. Doch allzu Vieles von ihnen liegt im Dunklen der Geschichte. So betrachtet, wissen wir vom Seher der Offb biographisch immerhin etwas. Was hat nun dieser Apokalyptiker als Inhalte der Heilszeit anzubieten? Zunächst – ganz typisch – einen langen Anmarschweg dorthin, in diesen Fall sogar einen extrem langen (Offb 4,1–19,10). So übernimmt er nach der initialen Christusvision (Offb 1,9–20), die mit der Beauftragung endet, aufzuschreiben, was er gesehen hat und was danach »geschehen muss« (Offb 1,19; 4,1), zunächst aufgrund eines Diktats des Erhöhten (einer Singularität im Urchristentum) Briefe an sieben Gemeinden (Offb 2,1–3,22). Was dabei für diese Primäradressaten gilt, geht natürlich auch alle sonstigen Leser an. Alle sollen standfest und beharrlich an ihrem Christentum festhalten (Offb 2,2f.24–26; 3,3.8.10),
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das Leiden nicht fürchten (Offb 2,10) und überwinden, was an Unbill der Endzeit auf sie zukommt (Offb 3,5.21). Diese Grundeinstellung für die Endzeit ist uns längst aus anderen apokalyptischen Äußerungen bekannt (vgl. Mk 13 in Kapitel 11), ist nur hier eine besonders häufige Pointe. Nach diesem Exordium liest man dann eine überaus fantasiereiche, auffällig lang gestreckte Abfolge endgeschichtlicher Zorneshandlungen Gottes als Auftakt für das große Endgericht. Die einzelnen Akte dieser apokalyptischen Geschehnisse beginnen in der Regel mit einem Visionshinweis (»danach sah ich …«; Offb 4,1; 5,1; 6,1; 7,9 usw.). Der Seher ist damit gewürdigt, die in der Geschichte noch erst anstehende Zukunft jetzt schon zu erfahren, um sie den Gemeinden weiterzugeben. Das Neue, was die Gemeinden so lesen können, ist ein von Gott längst vorherbestimmter Plan. Wie er schon immer alle Geschichte lenkte, so ist nun ebenfalls die noch anstehende Zukunft als Teil seiner Weltherrschaft verstanden. Dazu sitzt er, für die damalige Zeit kulturgeschichtlich angemessen (vgl. nur Jes 6), auf seinem himmlischen Thron (Offb 4,2–11; 11,15; 19,4f usw.). In seiner Nähe befindet sich »das Lamm« (also der gestorbene und auferstandene Christus, vgl. Offb 5,6–14; 6,16f usw., auch Joh 1,29), das der Seher schon in Offb 1,12–16 visionär in seiner menschlichen Körpergestalt geschaut hatte. Im Halbkreis darum haben, wie es schon Jesaja beschrieb (Jes 6,3), die dienstbaren Engelscharen ihren Platz. Sie huldigen Gott: »Heilig, heilig, heilig ist der Herr Gott, der Allherrscher« (Offb 4,8; Jes 6,3, vgl. z.B. ähnlich: Offb 7,12; 11,15–18; 12,10–12; 15,3f; 16,5–7). Von dieser im Himmel situierten Thronszene gehen dann in immer neuen Schüben die göttlichen Befehle aus, die jeweils in der gesamten unteren Welt für extreme Turbulenzen sorgen. Sind sie doch in ihrer geordneten Abfolge Zeichen des göttlichen »Zorns« (Offb 6,16f; 11,18; 14,8.10; 15,1 usw.), also »Bestrafungen« (Offb 6,8; 8,3–5; 9,15.18; 11,5.18; 16,2–4.8f; 18,8). Bei diesem Gerichtsablauf dürfen natürlich auch Naturveränderungen und Naturzerstörungen nicht fehlen (Offb 6,12–14; 8,5–12; 11,6.13.19; 12,16; 15,2; 16,12.18–20), ebensowenig das Auftreten mythischer Tiere (Offb 6,1ff; 9,13ff; 12,1ff.18ff; 17,3) samt Satan und seinem Gefolge (Offb 12,7ff).
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Mit unerwartet viel szenisch-visionärem Aufwand bei den Ereignissen im Himmel, nicht ganz selten aus Szenarien genommen, die von politischen und militärischen Auftritten der Herrschergestalten aus der Antike stammen und natürlich auch aus alttestamentlichen Visionsschilderungen bekannt sind, werden dann die Etappen verbalisiert, die auf Erden zum Ende der jetzigen Geschichte führen (Offb 4,1–22,5). Bis es zu diesem Ende kommt, erwartet die Menschheit jedoch Schwert, Hunger, Pest und wilde Tiere, wodurch ein Viertel (!) von ihr schon einmal getötet wird (Offb 6,1–8). Auch werden sich die Märtyrer melden, damit ihr Blut gerächt wird (Offb 6,9–11; erstmalige Äußerung dieses Wunsches im Christentum). In Lk 23,34 und Apg 7,60 (vgl. Kapitel 5) kann man das Gegenteil dazu nachlesen. Dann folgen Naturverwerfungen auf Erden und am Himmel als Vorboten für den großen Tag des Zornes Gottes (6,11–17). Im Kontrast dazu schaut der Seher danach einen himmlischen Gottesdienst mit den christlichen Märtyrern (Offb 7,1–17). Neue Unheilsereignisse schließen sich auf Erden an (Offb 8,2–11,19). Weiter werden der Drache, also Satan und seine Engel, aus dem Himmel geworfen. Darüber jubelt man im Himmel. Aber nun wird es für die Erde bitter ernst. Denn der Teufel (und nicht nur Gott) hat gewaltigen Zorn, zumal er weiß, dass ihm nur noch wenig Zeit gegeben ist (Offb 12,1–17). So erscheinen alsbald zwei Drachen, schrecklich gestaltet, die die Herrschaft Roms verkörpern. Sie sollen die Christen von ihrem Glauben abbringen (Offb 12,1–13,18). Nach einer zeitlich vorgreifenden Gerichtsszene (Offb 14,6–20) schließt sich dann die Ausschüttung der sieben Schalen als Unheilbringer für die Nicht-Christen an (Offb 15,1–16,21). Sie gehen zugrunde auf vielfältige und grauenhafte Weisen. Szenen, die den Untergang Roms gewidmet sind, folgen (Offb 17,1–18,24). Dies wird mit einem himmlischen Finale zum endzeitlichen Herrschaftsantritt Gottes abgeschlossen (Offb 19,1–10). Wer fragt, wofür dieser Furor und dieser Fantasiereichtum an qualvollen Vernichtungen arrangiert wird, wird sich an den alttestamentlichen Tun-Ergehens-Zusammenhang erinnern und an den dazu passenden Grundsatz Auge um Auge, Zahn um
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Zahn. Offenbar muss die aus den Fugen geratene Menschheit in Gestalt ihrer abgründigen Gottlosigkeit so behandelt werden. Im gleichen Geiste fordern darum z.B. ja auch die Märtyrer intensiv die Rache für ihren Tod (Offb 6,9–11). Darum ist auch das Gericht (wie bei Mt und Jak; vgl. Kapitel 12) grundsätzlich als ein Gericht nach den Werken beschrieben (Offb 2,23; 18,6; 20,12f; 22,12). Auch die Christen unterliegen diesem Grundsatz. In Offb 19,11–22,5 wird endlich das Vollendungsgeschehen in der besonderen Variation des Sehers ausgebreitet. Dabei herrscht nochmals ein wohl geordnetes Szenario. Diese Abfolge der Szenen verdankt sich in diesem Fall einem Schema, das, wie Ez 37–48 und 4Esr 7,16–44 belegen, dem Seher vorgegeben war. Was dann durch des Sehers Arbeit dabei herausgekommen ist, darf den Anspruch erheben, gegenüber dem gesamten Urchristentum eine Sonderstellung einzunehmen. Dieses Urteil bezieht sich auf die angesprochenen Themen und auf die Ausführlichkeit bis in viele Details, mit denen die noch ausstehende Zukunft wie selbstverständlich beschrieben werden kann. Von der Zurückhaltung des sonstigen Urchristentums, eschatologische Vollendung auszumalen, ist hier gar nichts zu finden. Am Anfang dieses Großabschnitts ereignet sich die Parusie des Erhöhten (Offb 19,11–21), allerdings in ganz ungewöhnlicher Ausgestaltung. Denn der erhöhte Christus erscheint am geöffneten Himmel als reitender und bewaffneter Armeegeneral auf einem Schimmel, gefolgt von einem furchterregenden Engelheer. Aus Jesu Mund kommt ein Schwert hervor, mit dem die Nicht-Christen erschlagen werden sollen. Solche Ausgestaltung der Parusie lag bisher ganz außerhalb des frühchristlichen Blickfeldes. Dabei ruft ein Engel schon im Voraus die Raubvögel zum »großen Mahl Gottes«. Dann besiegt Christus alle Könige und Heere, und die Vögel können sich an den Getöteten sättigen. Das kann man wohl doch auch nach antiker Lesart eine arrangierte Leichenschändung im Großformat nennen. Gottlose haben eben offenbar nach der Meinung des Sehers ein solches Ende verdient. Alsbald ergreift dann ein Engel die Initiative und fesselt Satan für 1000 Jahre in der Unterwelt
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(Offb 20,1–6). Das ist die Vorarbeit für die nun folgende Auferstehung der Märtyrer, deren Millennium als Friedensreich in Gemeinschaft mit allen ehedem Bedrängten aus den Gemeinden nun beginnen kann: Einst tapfer ertragene Marter werden so in herausgehobener Weise belohnt, den erlittenen Qualen folgt das hervorgehobene und besonders qualifizierte Leben. Der Zusammenhang von Tun und Ergehen funktioniert nun also positiv. Die Vorstellung eines Millenniums ist übrigens ein weiteres Unikum im Urchristentum. Mit dem Ende der 1000 Jahre wird Satan dann wieder für eine kurze Zeit freigelassen. Er samt Gog und Magog versammeln sich alsbald vor Jerusalem mit einem gewaltigen Heer. Glücklicherweise fällt jedoch Feuer vom Himmel und verzehrt das Heer. Satan wird in einen Feuersee geworfen, wo er für immer und ewig gequält wird (Offb 20,7–10). Wer immer nur anderen Böses tat, ist nun für immer selbst dran. Es folgen (Offb 20,11–15) die allgemeine Auferstehung und das universale göttliche Weltgericht über alle Menschen, die je lebten, nach den Werken dieser Menschen, wie sie in den himmlischen Büchern kontinuierlich über sie (wohl von Engeln) aufgezeichnet wurden (vgl. Dan 7,10). Diskussionen zwischen dem Richter und den Angeklagten gibt es nicht (anders Mt 25,31ff), denn die Bilanz liegt aufgrund der Buchführung fest und wird nur noch vollzogen. Die Verurteilten landen ebenfalls im Feuersee (Offb 20,14f). Im bewussten Kontrast dazu steht die nächste Szene. In ihrem Zentrum steht das neue Jerusalem, das aus dem Himmel herabkommt (Offb 21,1–8). Eingangs dazu liest man die Sätze: »Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen. Und das Meer ist nicht mehr.« Damit sind die großflächigen Veränderungen anlässlich des Herabkommens des himmlischen Jerusalems (Offb 21,2ff) beschrieben. Doch wie soll man diesen Wechsel vom »Ersten« zum »Neuen« verstehen? Steht im unausgesprochenen Hintergrund ein Ereignis wie ein Weltenbrand (vgl. 2Petr 3,13; Kapitel 7)? Doch will der Satz überhaupt ein eigenständiges Geschehen als erste Etappe vor Offb 20,2ff schildern? Also: Welche
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Funktion hat der Satz überhaupt? Beschreibt er ein selbstständiges Ereignis vor dem Herabkommen des himmlischen Jerusalems, ist sein Inhalt damit eine Vorbedingung, damit das himmlische Jerusalem herabkommen kann? Oder ist er die Überschrift, gleichsam der Leitgedanke für Offb 21,2–8, sodass er für den Leser durch die nachfolgenden Ausführungen konkretisiert wird? Nun fällt auf, dass Offb 21,1 gar keine Handlung schildert, sondern eine ergebnissichernde Feststellung macht. Erst ab V. 2 werden Geschehensabläufe beschrieben. Dabei kann man feststellen, dass die wichtigen Stichworte aus V. 1 zum wesentlichen Teil nochmals in V. 2–5 begegnen: So ist das Jerusalem »neu«. Der Tod und anderes Unheil »werden nicht mehr sein«, denn das »Erste« ist »vergangen«. Und Gott spricht: Siehe, ich mache alles »neu«! Also ist es gut begründet, anzunehmen, dass der Autor in V. 2ff das Geschehen vorstellt, dessen Ergebnis er in V. 1 als Leitgedanken und Überschrift vorangestellt hat. Sieht man sich unter dieser Perspektive V. 2ff nochmals an, fällt sofort auf, dass sich alles um Veränderungen in den Lebensbedingungen der Menschen dreht: Das neue Jerusalem kommt aus dem Himmel herab als Wohnstätte Gottes bei den Menschen. Diese werden seine Völker (Judenchristen und Völkerchristen) sein. Er wird alle Tränen der Menschen abwischen. Der Tod und alles andere Leid werden nicht mehr herrschen können, also auch Geschrei und Schmerz verschwinden, denn das Erste ist vergangen. Also die aufgezählten negativen Lebensumstände, wie sie zur bisherigen Erde gehörten, werden endgültig der Vergangenheit angehören, weil Gott unter den Menschen wohnen wird. Mit dieser Nähe Gottes ist verbunden, dass er alles neu machen wird. Also Gott vernichtet nicht physisch die Erde. Er kommt vielmehr auf die Erde und schafft hier eschatologische Verhältnisse für die Menschen, soweit sie im »Buch des Lebens« stehen (Offb 20,15). Nun haben wir bisher den cantus firmus betrachtet, unter dem Offb 21,1ff betrachtet sein will und blieben dabei erdgebunden. Doch steht noch die Frage im Raum, was denn der »neue Himmel« dem »ersten« voraushat. Die Antwort lautet: Gott hat die satanische Macht aus dem Himmel
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geworfen und ihr nur noch wenig Zeit vor dem Ende gelassen, um sie dann endgültig im Feuersee zu vernichten (Offb 12,1–17: 20,2f.10). Das ist beschlossene Sache. Damit ist Gott allein samt seinem Sohn und den Engeln Herr des Himmels und damit der Weltregierung. Gott selbst wird übrigens auch noch mit dem Lamm den Himmel verlassen, um bei den Menschen im neuen Jerusalem zu wohnen (Offb 21,3.22f). Auch zur neuen Erde gilt es noch zwei Ergänzungen: Alle verurteilten Menschen landen ebenfalls im Feuersee, der seinen Ort auf Erden hat (Offb 21,8). Außerdem muss noch geklärt werden, warum ausgerechnet das Meer verschwinden wird (Offb 21,1). An seine Stelle tritt jedenfalls das der Qualität nach unvergleichlich bessere »Lebenswasser«, das immer fließen wird (Offb 21,6; 22,1). Das Meer hat für den Seher auch noch einige Nachteile. Es schadet den Menschen aufgrund der Ungeheuer, die aus ihm kommen (Offb 31,1ff). Und die in ihm liegenden Toten, die das Meer selbst getötet hat (Offb 20,13), zeigen seine Gefährlichkeit und machen es unrein. Endlich noch ein Wort zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund von Offb 21,1ff. Selbst wenn man dem Seher gerne zugesteht, dass der Abschnitt von seiner Handschrift deutlich geprägt ist, so liegt doch mit Jes 65,17–25 ein Text vor, der auch die Stichwortabfolge vom neuen Himmel und der neuen Erde, dem himmlischen Jerusalem und der Lebensquelle enthält. Diese Koinzidenz kann angesichts der spezifischen Stichwortreihe eigentlich nicht Zufall sein. Der Seher wird im Wissen um diesen Text seine Gestaltung vorgenommen haben. Bisher hatte der Seher die »heilige Stadt« (Offb 21,2) nur insoweit in den Blick genommen, als er sie als Gottes Wohnstätte auswies (Offb 21,3), von der aus Gott sich zugunsten des erlösten Teils der Menschheit um das Wohl der Bürger dieser Stadt bemüht. Doch der Seher zeigt alsbald noch einmal seine betont judenchristliche Einstellung, indem er Materialien und Bautechnik des neuen Jerusalems mit sichtlicher Freude beschreibt (Offb 21,9–22,5; vgl. Hes 40,4ff; Jes 54,11f; Tob 13,16f). Damit bekundet er ein wei-
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teres Mal seine Singularität im frühen Christentum. Eine so edle und teure Stadt hat es noch nie gegeben! Genau das will der Seher seinen Lesern vermitteln, besitzt die Stadt doch die »Herrlichkeit Gottes« (Offb 21,11). Auch werden auf ihren zwölf Grundsteinen die Namen der zwölf Apostel stehen (Offb 21,14), und damit ist die einst jüdische Stadt eine eindeutig christliche Stadt geworden sein. Allerdings fehlt der Stadt ein Tempelgebäude. Jerusalem ohne Tempel? Geht das überhaupt? Ja, denn Gott der Allherrscher (vgl. 1Kön 8,27), der ehedem in dem nun durch die Römer zerstörten Tempel seinen Namen hatte wohnen lassen (1Kön 8,29.48f), wird selbst in die heilige Stadt einziehen und zusammen mit dem »Lamm«, also mit dem Erhöhten, ihr Tempel sein (Offb 21,22). Das bedeutet: Der Zugang zu Gott wird nicht mehr durch Priester und Opfer hergestellt werden, sondern ist unmittelbarer und direkter Art, d.h. die Erlösten »werden sein Angesicht schauen« (Offb 22,3). Mit dieser eschatologischen Zielangabe kommt der Seher trotz seiner Gebundenheit an eine massiv irdische Gegenständlichkeit beim Zeichnen des Endgeschehens in der Kernaussage dann doch z.B. dem Paulus aus dem 1Kor (vgl. Kapitel 8) recht nahe. Doch nimmt er abermals dadurch eine weitere Sonderstellung im frühen Christentum ein, als die Gemeinschaft mit Gott nicht im Himmel gelebt wird, sondern dafür Gott zu den Menschen auf die Erde kommt. Dass kein Sterblicher ohne Verwandlung seiner Sterblichkeit Gott gar nicht schauen kann, ohne zu vergehen, also eines der starken paulinischen Thema aus 1Kor (Kapitel 8), ist ihm auch kein Gedanke wert. Weitere Angaben zum Leben in der Stadt folgen: Gottes Herrlichkeit wird die Stadt so erleuchten, dass sie keiner Sonne und keines Mondes bedarf (Offb 21,23; 22,5; vgl. Jes 60,19f). Als Bewohner und Besucher der Stadt kommen nur die in Frage, die im Buch des Lebens aufgezeichnet sind (Offb 21,27; 22,3). Bewohnt wird Jerusalem dann im Wesentlichen von den Judenchristen. Die größere Menge der Christen aus den Völkern wird im Umfeld wohnen und stets freien Zutritt in die Stadt haben (Offb 21,24–26). Jerusalem gehört in erster Linie dem erwählten Volk, nun begrenzt
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auf die Judenchristen. In der Stadt wohnende Gäste und auf Besuch hinzukommende Gäste sind willkommen. Wenn Jesus das Heilsmahl als den Inbegriff des vollendeten Lebens angesehen hat (Kapitel 3), wird von dieser Auffassung die Offb nicht allzu weit entfernt sein. Jedenfalls stehen beispielhaft Lebenswasser (Offb 22,1) und Früchte (Offb 22,2) dauerhaft zur Verfügung. Mit dem Abschluss seiner Apokalypse in Offb 22,6–21 betont der Seher recht stark die Nähe des auf die Menschen zukommenden Endes (Offb 22,7.10.12.17.20). Ja, er koppelt diese Naherwartung mit dem Anfang seines Werkes (Offb 1,1), so wie es Paulus schon im 1Thess und 1Kor getan hatte (Kapitel 7 und 8). Sollte die Naherwartung bei ihm in so später Zeit des Urchristentums wieder aufgeflammt sein? Das wird man bezweifeln. Wer so ausführlich wie kein anderer vor ihm die noch ausstehenden Etappen der Weltgeschichte bis zur Parusie schildert, also einen recht gedehnten Geschichtsablauf konstruiert, kalkuliert zwangsläufig eine längere Zeit bis zum Ende ein, auch wenn er das nur stillschweigend tut. Darum wird der Seher die Naherwartungsthematik wohl benutzt haben, um den Gemeinden zu sagen, dass sie ihr Leben in Stetsbereitschaft und mit allem Ernst führen sollen. Der Topos der Naherwartung ist also abermals benutzt, um den ganzen ethischen Einsatz jedes Gemeindegliedes einzufordern. Am Schluss kann man wohl doch der Frage nicht ganz ausweichen, ob diese große Zahl der literarischen Visionen und ihre auffällige Detailvielfalt auch durchweg erlebte Visionen waren. Jedenfalls kann der Seher wohl nicht in einem visionären Dauerzustand gelebt haben. Auch fußen seine Ausführungen, wie von uns hier und da beispielhaft angemerkt, auf guter Kenntnis vor allem der alttestamentlichen Propheten und frühjüdischer apokalyptischer Texte. Der Seher dürfte also literarisch »gebildet« gewesen sein und mit seinen literarischen Kenntnissen einen Dialog geführt haben. Das deutet auf apokalyptische Gelehrtenarbeit hin, die sich auch sonst im Frühjudentum der Visionssprache als Darstellungsmittel bediente. Seine Autorität begründet er mit einer Christusvision (Offb 1,9ff). Hier liegt das Urteil
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nahe, dass er eine visionäre Beauftragung wirklich erlebt hat, selbst wenn die literarische Ausgestaltung auch dieser Berufungsvision noch einmal ein gesondertes Thema ist. Eine zweite Schlussbemerkung sei noch hinzugefügt. Ein neuzeitlicher Leser der Offb wird sich in diese Apokalypse durchweg nur sehr schwer einlesen, denn ihre Fremdheit ist extrem hoch. Nirgends in der noch erhaltenen urchristlichen Literatur ist die Verhaftetheit an eine vergangene Welt so massiv und offenkundig wie in der Offb. Genannt seien dazu nur einige Stichworte: das allgemeine Weltbild in drei Stockwerken, der Mangel an naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen, die vergangene politische und gesellschaftliche Grundordnung der Völker, die Auffassung von der Geschichte, die waffentechnische Ausstattung der Heere und nicht zuletzt auch noch die Vorstellung zu den himmlischen Gestalten und Gegenständen. Man kann diese Liste noch erweitern, doch kann man auch schon so ein Urteil fällen: Nirgends liegt die geschichtliche Relativität und damit die vergangene Welt einer frühchristlichen Schrift so extrem deutlich vor uns wie bei der Offb.
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»Seid allezeit bereit zur Rechenschaft gegenüber jedem, der euch um eine Antwort über die in euch (lebende) Hoffnung bittet!« So liest man es in 1Petr 3,15. Gemeint ist dabei vom Verfasser des 1Petr die »lebendige Hoffnung« auf ein »Erbe«, das »im Himmel« schon zubereitet ist (1Petr 1,3f). Diese Aufforderung ist nicht nur ein guter christlicher Ratschlag für den Dialog mit Nicht-Christen, sondern enthält in seinem Hintergrund auch eine wesentliche Aussage über das Selbstverständnis des frühen Christentums überhaupt (vgl. Kapitel 4). Ohne Hoffnung auf eine endgültige, das gegenwärtige Leben übersteigende Vollendung in Gestalt einer göttlichen Gabe (»ewiges Leben«) hat sich dieses Christentum seinen Glauben, dass »Gott in Christus war« (2Kor 5,19) und ihn auferweckt hat, nicht vorstellen können. Denn würde sich christlicher Glaube und christliche Hoffnung nur auf dieses Leben beziehen, wären die Christen nach Paulus bejammernswerter als alle anderen Menschen (1Kor 15,17–19). Dieses Urteil war damals innerchristlich ohne Widerspruch konsensfähig. Blickt man mit diesem Generalkonsens auf die literarischen Äußerungen des frühen Christentums im Einzelnen, wie wir sie zusammenstellten, erkennt man innerhalb dieses grundsätzlichen Rahmens eine erstaunlich umfangreiche und keineswegs immer harmonische Variationsbreite anlässlich der Beschreibung der Hoffnung. Es entsteht jedenfalls keine verbindliche Normaldogmatik zum Stichwort »Eschatologie« mit allenfalls marginalen und im Endeffekt darum vernachlässigbaren Modulationen. Wohl aber stößt man der Struktur nach und im Rückblick auf einen breiten und zeitlich gestreckten Dialog mit unterschiedlichen Ansätzen und verschiedenen inhaltlichen Aussagen in nicht
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geringer Streubreite. Diese Vielfalt hängt nicht nur, aber doch im starken Maße mit der Selbständigkeit und theologischen Eigenverantwortlichkeit der damaligen Ortsgemeinden und Gemeindegruppen zusammen und mit den zunächst überhaupt nur in mündlicher Kultur lebenden Gemeinden, die selbstredend noch kein fertiges Glaubensbekenntnis verband, und die natürlich noch keine im Grundbestand allgemein verbreitete Sammlung neutestamentlicher Schriften besaßen. Und noch ein Aspekt: Paulus hat seine Briefe selbstverständlich geschrieben, um seine Gemeinden zu überzeugen, jedoch die Selbstverantwortung der Gemeinden respektiert, ja gefördert (vgl. nur 1Thess 5,1f.11.21). Es ist sogar gut möglich, dass etwa die Galater ihm aufgrund seines Briefes an sie nicht gefolgt sind, er also am Ende als apostolischer Verlierer dastand. Und auch mit Korinth gab es eine Korrespondenz mit manchen Höhen und Tiefen. Einen Grundsatz: Paulus (oder Petrus oder …) locutus, causa finita, gab es weder für ihn noch für eine andere Autorität im Urchristentum. Diese Verantwortung der Gemeinden für sich selbst konnte dann sogar dazu führen, dass sich in einer Gemeinde keine Einigkeit herstellen ließ, ja als Folge eine Spaltung vollzogen wurde (wie z.B. nach dem 1Joh 2,19). Kurzum: dieses Gemeindeprinzip musste ganz von selbst zu einer gewissen Vielfalt führen. Gewiss spielte weiter auch noch die Tatsache eine Rolle, dass es überhaupt noch keine übergemeindlichen Organisationsformen gab. Ja, man vermisste sie sogar noch gar nicht. (Regional-)Konferenzen, auf denen man diskutieren und sich einigen konnte, wie z.B. Glaube und Hoffnung auszuformulieren seien, gab es außer der einen in Jerusalem zur Loslösung der antiochenischen Gemeinde von der Synagoge (Apg 15; Gal 2) noch nicht. Ebenso wenig gab es ein Amt mit überregionaler Autorität (Bischofsamt), das Einheit und Konsens hätte fördern können. Zwar bestanden unter den Gemeinden unregelmäßige Kontakte in Gestalt von Gesandtschaften von Gemeinde zu Gemeinde. Doch schon der in der Antike normalerweise vergleichsweise hohe Zeitaufwand für Besuchsreisen zu Fuß, zu Pferd und mit dem Schiff und so gut wie nie in der gesamten Winterzeit setzte hier
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Grenzen. Auch die christlichen Wandermissionare, die umherzogen, sind nicht dafür bekannt geworden, dass sie sich für Einheitlichkeit in der Kirche einsetzten, wohl aber für die Verbreitung ihrer eigenen Überzeugung. Das alles förderte die Selbständigkeit des Glaubenslebens der einzelnen Ortsgemeinden und führte zu ihrer weitgehend auf sich selbst gestellten Entwicklung des Christentums vor Ort. Weiter meldeten sich spezielle Außeneinflüsse, etwa ein neues geschichtliches Großereignis wie die Zerstörung Jerusalems 70 n.Chr., das in der einen oder anderen Gemeinde mit dem Kommen der Endzeit als »Vorlauf«-Ereignis in Beziehung gebracht wurde, um seinen theologischen Sinn zu erhellen (Beispiel: Mk 13; Kapitel 11). Auch unterlagen die Gemeinden von Jerusalem bis Rom, um nur knapp die geographische Dimension anzudeuten, etwa durch Neueintritte oder Fremdmissionare verschiedenen religiösen und philosophischen Einflüssen, die diese Personen mitbrachten und die man innerhalb der Gemeinden abstoßen oder verarbeiten konnte. Z.B. lassen die paulinischen Ausführungen in 1Kor 15 durchblicken, dass Mitglieder der korinthischen Gemeinde teilweise (jetzt nur allgemein formuliert) einer bestimmten hellenistisch beeinflussten Weltdeutung bei ihrem Verständnis der Auferstehung zugeneigt waren, wogegen Paulus sich dann wandte. Darüber hinaus gab es auch noch dieses: Paulus ist das illustrativste Beispiel aus dem Urchristentum dafür, wie eine Einzelperson ihre Position zur Eschatologie neu überdenken und verändern konnte und so auch die Gemeinden zum eigenen Nachdenken und zu neuen Entwicklungen brachte. An der johanneischen Gemeindegruppe und ihrer Geschichte kann man in etwa Analoges erkennen, wie nämlich eine theologische Schule und ihre Führung im Verlauf von mehreren Jahrzehnten den Gemeindekreis zu einer gewissen theologischen Vielfalt etwa bei eschatologischen Fragen führte, wie sie jetzt im vierten Evangelium vereint zu lesen sind. Endlich war da noch für alle Gemeinden gleich, mit dem Übergang von der ersten zur zweiten Generation beginnend, das innerchristliche Problem der sich immer mehr dehnenden Zeit bis zur erwarteten Parusie. Zum Leben aller
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Gemeinden aus der ersten christlichen Generation gehörte die Erwartung des ganz nahen Endes der Geschichte. Alle Gemeinden mussten sich dann relativ bald mit dem Problem der Verzögerung der Parusie auseinandersetzen. Das ergab am Ende eine Vielfalt an Lösungsversuchen, denen wir in unserer Untersuchung schon nachgegangen sind. Dem nachvollziehenden Verstehen dienlich wäre es nun zweifelsfrei, wenn es gelänge, den zeitlich gestreckten Dialog des frühen Christentums zur Erkundung des Themas Hoffnung in Gestalt eines einigermaßen kompletten Stammbaumes nachzeichnen zu können. Doch das gelingt nur bruchstückhaft wegen der allzu oft fehlenden Kenntnisse über die einzelnen Gemeinden und ihre Verflechtungen im Christentum. Von vielen Gemeinden kennen wir nur den Namen. Bei vielen literarischen Zeugnissen dieser Zeit können wir weder den Autor noch die adressierte Gemeinde angeben. Doch immerhin: Die Linie von Johannes dem Täufer (Kapitel 2) über Jesu Wirken (Kapitel 3) und der anschließenden Ostererfahrung (Kapitel 4) bis zum Gebet Maranatha (Kapitel 5), ja bis zur Logienquelle (Kapitel 6) besitzt das Merkmal historisch wohl doch eindeutiger Abfolge. Ebenso kann man die umfangreiche paulinische Korrespondenz aus der ersten urchristlichen Generation, wie wir es schon taten, in Gestalt einer Entwicklungslinie nachzeichnen. Auch die Abhängigkeitsverhältnisse unter den drei Synoptikern im Sinne der sog. Zwei-Quellen-Theorie darf als stabile Hypothese angenommen werden. Darüber hinaus gibt es noch mehrfach Abhängigkeiten zwischen jeweils zwei Briefen (Beispiel: der Eph benutzt den Kol; vgl. Kapitel 15). Insgesamt ist es jedoch aussichtslos, einen Stammbaum für möglichst alle Zukunftsaussagen zu rekonstruieren. Das mag man bedauern, ist aber angesichts der angedeuteten Verhältnisse im Urchristentum eher unbillig einzufordern. Versuchen wir dennoch, wenn auch mit Lücken und Unsicherheiten, uns einen Überblick über den gestreckten Dialog zu erstellen! Dafür rufen wir stichwortartig Erträge unserer bisherigen Erkundungsgänge auf. Als ersten Zeitabschnitt kann man die Zeugnisse von Johannes dem Täufer bis zur Logienquelle Q (Kapitel 2–7) als in-
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nerjüdische und also judenchristliche Ereignisreihe zusammensehen, die eine zeitlich gestreckte und untereinander verkoppelte Abfolge bilden. Hier setzt der Täufer, wie man rückblickend sehen kann, die initialen Markierungen. Er läutet das Ende der Weltgeschichte ein und nicht nur abermals ein innergeschichtliches Gericht über Israel. Seine Anrede konzentriert sich jedoch sehr konsequent auf die jetzt lebenden Israeliten allein. Der Gerichtsvollzug ist als Feuerbrand auf der Erde vorgestellt. Diesen »Zorn Gottes« wird derjenige, der gegenüber dem Täufer als der »Stärkere« gilt, vollziehen. Dieser ist eine Himmelsgestalt, die der Täufer über die mündliche Tradition aus Dan 7 kannte, wahrscheinlich ohne dass er die Bezeichnung »Menschensohn« aktualisierte. Diese vom Kontext in Dan 7 isolierte Rezeption hat zur Folge, dass darüber hinaus danielische Apokalyptik nicht zu Wort kommt. Der »Stärkere« wird auf die Erde kommen, um »Spreu« und »Ährenfrucht« zu trennen, wobei vor allem die vom Täufer Getauften gerettet werden. Das Rettungsziel bleibt unbeschrieben. Als Heilsort dürfte wohl nur die Erde in Frage kommen. Gott lässt seinen Willen durch eine himmlische Gestalt exekutieren, verweilt jedoch selbst »unnahbar« im himmlischen Hintergrund. Jesus, einst zunächst Schüler des Täufers, übernahm das Urteil des Täufers über die allgemeine Verlorenheit der Menschheit, die Nähe des Endgerichts und die Richtergestalt des Menschensohnes. Sein Neuansatz gegenüber dem Täufer bestand jedoch in dem Konzept der jetzt schon anbrechenden Endherrschaft des Schöpfergottes, die durch ihn selbst initiativ bereits in der Gegenwart vollzogen wurde. Dadurch ergab sich ein Bruch zur Vergangenheit und eine für die Menschen heilsame Öffnung auf die Vollendung dieser Herrschaft in naher Zukunft. Wer jetzt in die anbrechende Gottesherrschaft einging, also in die Nachfolge Jesu, durfte hoffen, am endzeitlichen Heilsmahl auf Erden teilzunehmen. Dieses Mahl wird nach dem Gericht des Menschensohnes stattfinden, für die Verurteilten jedoch im Feuer enden. Selbst wenn Jesus die Auffassung vertrat, dass verstorbene Israeliten und verstorbene Personen aus den Völkern auch am Mahl teilnehmen werden, spricht er nicht
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von der Auferstehung, sondern setzt sie nur für verstorbene Gerechte stillschweigend voraus. Auch über die Dauer und Qualität des Lebens der Geretteten äußerte er sich nicht. Das wird ganz selbstverständlich Gott, der unsichtbar im Himmel verbleibt, besorgen. Mit der Ostererfahrung der Jünger und anderer Christen ändert sich dann vieles. Nun wird das Stichwort »Auferstehung« nicht nur spontan christologisch relevant, sondern es ist auch die Grundlage geschaffen, die Hoffnung auf Auferstehung der Christen zu begründen, selbst wenn das aufgrund der Naherwartung des Endes erst etwas verzögert aufgearbeitet wird. Zunächst wird der Auferstandene mit dem von Jesus erwarteten Menschensohn identifiziert, der nun die Funktion erhält, die Gemeinde zu retten. So kann diese ihn jetzt anrufen, er möge doch bald kommen (»Maranatha«). Die diesem Kommen folgende Endzeit auf Erden wird die Zeit der immerwährenden und ungetrübten Gemeinschaft mit ihm werden. Gott hingegen bleibt auch jetzt immer noch selbstverständlich in himmlischer Verborgenheit. Die Logienquelle endlich sammelte mündliche Traditionen aus Jesu Verkündigung zusammen, die für sie überhaupt dominante und für die Gemeinde maßgebliche Gültigkeit und Aktualität besaß. Christsein heißt nämlich für sie, sich an diese nachösterlich redigierte Verkündigung Jesu zu halten, zu der als Grundentscheid wie im Gebet Maranatha (Kapitel 5) die Identifikation der Gestalt des Menschensohnes mit Jesus gehörte, sodass der im Rückblick gekommene Jesus auch der wiederum in Kürze Erwartete ist. An weiteren neuen Inhalten oder konzeptionellen Entscheiden zur christlichen Verkündigung der Hoffnung war der Logienquelle offenbar nicht gelegen. Das wird dann mit Paulus anders. Er ist ein besonders selbständiger Theologe, der von einem soteriologisch-christologischen Ansatz her immer wieder neu nachdachte und so seine Theologie vertiefte und veränderte (vgl. die Kapitel 7–10). Mündliche Jesustradition griff er im Unterschied zur Logienquelle nur ganz selten auf. Denn seine zentralen theologischen Orientierungspunkte waren Kreuz und Auferstehung Jesu. Dieses Doppelereignis wollte er theologisch
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ausloten und durch seine Verkündigung als das entscheidende Evangelium den Gemeinden vortragen. Außerdem: Durch seine für damalige Zeit erstaunlich vielen Gemeindegründungen und durch seine rege briefliche Korrespondenz mit den Gemeinden wird er im Rückblick der entscheidende Theologe und Missionar in der zweiten Hälfte der ersten urchristlichen Generation und offenkundig auch der erste literarisch tätige Christ. Seine mächtige Wirkung darüber hinaus in der Kirchen- und Theologiegeschichte stellen wir hier ganz zurück. Dieses Urteil über seine Bedeutung kann zur Begründung gleich den epochalen Entscheid anführen, den Paulus und Barnabas samt der Gemeinde zu Antiochia fällten, aufgrund dessen man den Synagogenverband verließ und die erste selbständige, also synagogal unabhängige Gemeinde der Christenheit gründete. Dabei verwarf man für die Lebensführung die jüdischen Ritualgesetze einschließlich der Beschneidung, die Teilnahme am Jerusalemer Opferkult, die Sabbatgesetze sowie den gesamten jüdischen Festkalender und zog sich endlich auch überhaupt aus der Synagogengemeinschaft zurück. Man tat das mit dem Konzept, das von Paulus Gal 3,26–28 zitiert wird und das gleichsam die Stichworte der neuen kirchlichen »Verfassung« abgab: Man ist eigenständige Kirche »in Jesus Christus«, in der Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Männer und Frauen in Gleichrangigkeit zusammen lebten. Selbst als Paulus später die antiochenische Gemeinde verließ und als nur auf sich gestellter Apostel Jesu Christi missionierte, suchte er zwar auch noch hier und da zur Missionierung Synagogen auf, wie man nicht zuletzt aus seinen synagogalen Strafen nach 2Kor 11,24f erschließen kann, doch vor allem verstand er sich als Apostel der Völker. In seinen bald zahlreich gegründeten Gemeinden dominierten Christen, die nun aus ganz anderen kulturellen und religiösen Milieus kamen, als die Judenchristen an den Synagogen. Das hatte natürlich Folgen für die Rezeption und weitere Ausgestaltung der christlichen Botschaft. Auch Paulus selbst verändert sich dabei, was z.B. schon ein Blick auf die vom Apostel behandelten Gemeindeprobleme schnell verdeutlichen kann. Eine sy-
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nagogal eingebundene judenchristliche Gemeinde hätte z.B. die paulinischen Entscheide zum Umgang mit dem heidnischen Kult und Opferfleisch niemals übernehmen können (vgl. 1Kor 8–10). Gemeinden aufgrund des antiochenischen Entscheids, den Paulus kompromisslos umsetzte, vermehrten also die christliche Vielfalt in fundamentaler Weise. Das konnte vor allem zu Spannungen mit Judenchristen führen, die weiterhin ihren legitimen Ort innerhalb der Synagoge sahen (vgl. Röm 15,30f und die Gegner im Gal). Blickt man stichwortartig noch einmal auf den bereits im Detail vorgeführten paulinischen Veränderungsprozess, so kann der Apostel die Vorstellung einer gemeindlichen Einholung des Herrn bei dessen Parusie (1Thess; Kapitel 7) schon ab dem 1Kor für immer sang- und klanglos aufgeben. Ebenso kann das traditionelle Heilsziel, »immer mit dem Herrn zusammen zu sein« (1Thess 4,17c), durch das Schauen Gottes von Angesicht zu Angesicht von ihm neu gefasst werden (1Kor; Kapitel 8). Damit verschiebt sich auch der bisherige Ort des Heils erstmals von der Erde in den Himmel. Denn dass Gott in der Heilszeit vom Himmel auf die Erde kommt, ist nur singulärer Weise im Rahmen der Vorstellung vom neuen Jerusalem vorgesehen (Offb 20). Zu dieser Veränderung gehört noch die wichtige Beobachtung, dass Paulus im 1Thess der damals im Urchristentum allgemein vertretenen Auffassung anhing, Gott stillschweigend konsequent im Hintergrund der Endereignisse zu belassen. Dazu reflektiert er, wiederum erstmalig im frühen Christentum, die ausnahmslose Unfähigkeit aller in geschöpflicher Begrenztheit lebenden Menschen, Gott schauen zu können (1Kor 13,8-13), um dann überraschenderweise nicht das Thema »Gott im Hintergrund« zu bekräftigen, sondern um vermittels des Thema des ganzheitlichen Sterbens jedes Menschen die Perspektive endzeitlicher Hoffnung auf ein Schauen Gottes aufzugreifen. Und endlich: Selbst die Parusie des Herrn stellt er dann im Röm auch noch nicht zufällig ganz zurück (Kapitel 10). Weiter: Es gibt keinen Hinweis, dass vor Paulus ein Christ über das Stichwort »Auferstehung« inhaltlich nachgedacht hätte. Er jedoch, der mit dem 1Thess noch in diese bis dahin ausnahmslos
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herrschende Linie passte, widmet in 1Kor 15 diesem Thema einen langen und theologisch wohldurchdachten Abschnitt. Es wird so sein, dass die Korinther dafür der Anlass waren. Doch gleichzeitig gilt: Was Paulus dafür in 1Kor 15,20–49 im Kontrast zu den Korinthern konzeptionell neu vorträgt, besitzt ein vom Apostel neu erarbeitetes Konzept, dass Paulus später in Röm 4,17 in Kurzform zusammenfassen kann, dass nämlich Gott derjenige ist, der Tote (!) lebendig macht, d.h. das, was nicht (!) ist, ins Dasein ruft. Damit sollte offenkundig der wohl korinthischen Meinung, dem Tod gegenüber bliebe die menschliche Seele resistent, Paroli geboten werden. Und endlich: Paulus stellt im Röm ja nicht einfach klammheimlich die Parusiethematik in den Hintergrund, sondern er erarbeitet sich ein theologisches Konzept, in dem sie neben anderen Ereignissen am Ende der Geschichte fehlen kann. Wenn es im Rückblick auf diese Entwicklungslinie für den Apostel keinen quasi kanonischen Ablauf der Endereignisse gibt, was ist dann nach ihm das Zentrale und Grundlegende für die christliche Hoffnung? Das entfaltet Paulus, wie wir uns klar machten, im selben Röm (Kapitel 10): Die durch das Evangelium von Jesus Christus und durch den in dieser Botschaft wirkenden Gottesgeist geschenkte Grundgewissheit, dass keiner, der glaubend dieses Evangelium angenommen hat, von der Liebe Gottes getrennt werden kann. Er darf vielmehr hoffen, Erbe Gottes und Miterbe Christi zu werden (Röm 8,17.35.39). Dieses Konzept der Hoffnung verzichtet nicht nur auf einen Ereignisablauf, wie ihn insbesondere die Apokalyptik liebte (vgl. Kapitel 11 und 16). Es beherzigt vielmehr weiterhin, was Paulus in 1Kor 13,8–13, innerhalb des Christentums innovativ, aufgearbeitet hatte (Kapitel 8), und was er nun Röm 8,24f noch einmal aufgreift: Christliche Hoffnung streckt sich nach dem Jenseits aus, das noch nicht gesehen, also mit der irdisch-begrenzten Wahrnehmung nicht vorgestellt werden kann. Glücklicherweise ist jedoch das gegenwärtig Sichtbare zeitlich begrenzt, hingegen das Unsichtbare, in das die Christen eingehen werden, ewig (2Kor 4,18). Beschrieben werden von Paulus darum Beziehungsverhältnisse. Dazu gehören
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Glaube, Liebe und Hoffnung als die Gottesbeziehung auf der irdisch-menschlichen Seite und die Treue Gottes auf der himmlischen Seite zu seinen Heilszusagen gegenüber den Menschen (Röm 8,28–30). Der nächste Schritt nach Paulus hin zu Mk (Kapitel 11) macht sofort einen der größten Kontraste in der Geschichte des frühen Christentums offenkundig. Denn Mk zeigt sich literarisch als Initiator, der nicht nur hier und da einzelne apokalyptische Splitter in sein Evangelium einarbeitete. Nein, eine komplette frühjüdische Apokalypse samt seinen eigenen Erweiterungen dazu baute er in sein Evangelium an einem herausgehobenen Ort als Jesu testamentarisches Vermächtnis an die Gemeinden ein (Mk 13; Kapitel 11), wodurch er Jesus zum Apokalyptiker machte und vor allem offenlegte, wes Geistes Kind er selbst war. Hinzu kommt: Mk ist der Evangelist der überhaupt, von Mk 13 (und Mk 4) abgesehen, sein Jesusbild vor allem durch Taten Jesu ausgebaut hat. Im Unterschied zu Mt und Lk hat er nämlich von der Wortüberlieferung Jesu auffällig wenig Gebrauch gemacht. Damit war Jesu Verständnis der Gottesherrschaft, wie Mt und Lk es eben mit dieser Wortüberlieferung von Jesus nachzeichneten, weitgehend literarisch unsichtbar, wodurch Mk 13 noch zusätzlich eine beherrschende Position bei der Kennzeichnung von Jesu Lehre erhielt. Inhaltlich bedeutet das z.B.: Die Jetztzeit, im Jesusbild von Mt und Lk die beginnende Heilszeit, wird nun mit Mk 13 zur grausamen Bewährungszeit für die Christen, in der Gott seine Zornesschalen über die Menschheit gießt. Er verkürzt diese Zeit um der Christen willen ein wenig, damit ein kleiner Rest bis zum Ende durchkommen kann. Wie die markinischen Aussagen zum Endgeschehen in Mk 13 mit dem sonstigen Urchristentum verflochten waren, ist leider nicht mehr aufzuhellen. Gab es vielleicht schon vor oder knapp nach Mk ähnlich apokalyptisch orientierte, jedoch noch unliterarisch lebende Gemeinden? Im Übrigen gilt ganz allgemein: Beziehungen zu Paulus und den paulinischen Gemeinden kann man bei Mk überhaupt ausschließen, ebenso solche zu den Gemeinden von Q. In der Stammbaumsprache ist Mk für uns also praktisch eher vater- und mutterlos.
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Mk besitzt jedoch in Mt und Lk Nachfolger, die seine besondere literarische Leistung, nämlich die Gattung Evangelium kreiert zu haben, fortsetzten. Diese beiden Evangelisten greifen auch noch unabhängig voneinander auf Q (Kapitel 6) zurück. Dabei begeistert sich Mt, dokumentiert in Mt 24, für Mk 13 und ergänzt den Mk-Stoff außerdem in Mt 25 durch zwei Endgerichtsgleichnisse und vor allem durch ein ausführliches Gerichtsgemälde (Mt 25,31–46), das im frühen Christentum keine Analogie mehr besitzt (vgl. Kapitel 12). Lk hingegen benutzt Mk 13, indem der den Text durch konsequente Kürzung entapokalyptisiert (Lk 21) und die sich dehnende Zeit bis zur Parusie durch die missionarische Ausbreitung des Christentums, dargestellt in der Apg, ausfüllt (Kapitel 13). Mt hat noch zwei weitere Anhänger gefunden. So hat Did 16 (Kapitel 12) den Text aus Mt 24 mit eigenen Darstellungszielen neu gestaltet, zudem stark verkürzt und für die Parusieschilderung dabei das Schema aus 1Thess 4 verwendet, das ihm offenkundig durch mündliche Tradition bekannt war. Endlich stammen auch die wenigen und knappen Kurzhinweise zu den Endereignissen im Jak (Kapitel 12) offenbar direkt aus Mt. Dieses nachmarkinische Geflecht von Verwandtschaft macht offenkundig, dass die Autoren, die sich nach Mk an das Thema von Mk 13 machten, recht eigenständig mit Mk umgingen, wie es übrigens auch sonst in der frühjüdischen apokalyptischen Literatur üblich war. Dabei ist beachtenswert: Obwohl der Text Mk 13 von Mk unter die Urheberschaft und Autorität Jesu gestellt wurde, wird er von den Rezipienten frei umgestaltet oder stark gekürzt, auch nur in Auswahl benutzt usw. Ist es dann wirklich innerhalb der urchristlichen Geschichte so ungewöhnlich, wenn Paulus »nur« sich selbst verändert hat? Als nächstes schauen wir auf den johanneischen Kreis (Kapitel 14). Dank der noch erkennbaren Tiefenschicht des vierten Evangeliums gelang es uns, ansatzweise bis in die Anfänge des johanneischen Kreises zurückzuschauen, sodass man für das Thema Eschatologie einer Entwicklung von der Entstehungszeit der Gemeinden bis zu den späten Zeugnissen (Joh 21; 1Joh) ansichtig wird. Dabei ergab sich, dass der johanneische Kreis von seiner judenchristlichen
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Anfangszeit bis dorthin, wo seine spätesten Zeugnisse mit Informationen zu unserem Thema enden, eine de facto selbständige und in sich selbst ruhende Entwicklung aufweist. Die ältesten Traditionen zu unserem Thema ließen sich als der Menschensohntradition verpflichtet verstehen und legten eine judenchristliche Prägung offen, die sachliche Konvergenzen zu Aussagen vom Maranatha (Kapitel 5) bis hin zum 1Thess (Kapitel 6–7) aufwiesen. Doch die sprachliche Selbständigkeit dieser johanneischen Tradition führte zwar zu einzelnen inhaltlichen Berührungen mit dem frühen Urchristentum, nicht aber zur Freilegung direkter Beziehungen. Diese liegen für uns im Dunkeln der Geschichte. Das johanneische Christentum zeigt also schon für seine Anfänge seine Eigenständigkeit. So kannte es zwar wenige Einzeltraditionen aus dem allgemeinen frühen Christentum (Beispiele: Joh 6; 18f), lebte also nicht ganz kontaktlos gegenüber dem Gesamtchristentum, führte jedoch im Wesentlichen ein Eigenleben mit einer eigenen Traditionsbildung (vgl. nur die sprachlich und sachlich markanten Selbstaussagen des johanneischen Gottessohnes). In der Gründungszeit des johanneischen Gemeindeverbandes galten, wie gesagt, für die Hoffnungsinhalte Traditionen zum Menschensohn ohne apokalyptische Elemente als maßgeblich. Dieser Menschensohn war als Heilsgestalt für die Gemeinde definiert, wie wir es aus den Kapiteln 5 und 7 bereits kennen. Sein Kommen ist noch durch Naherwartung bestimmt. Doch der Heilsort ist dabei allerdings bereits der Himmel (Joh 14,2f), nicht mehr die Erde (vgl. 1Thess 4,16f). Diesen Schritt von der Erde in den Himmel hatte nach der Quellenlage erstmals Paulus vollzogen (1Kor 15). Das Heil besteht in der Gemeinschaft mit dem erhöhten Menschensohn, was sich nur in der Lokalität von 1Thess 4,17 unterscheidet. Dabei kann das Stichwort »Menschensohn« problemlos Verwendung finden, was unter anderem ein Indiz dafür ist, dass die frühen Gemeindetraditionen noch im Judentum wurzeln. Ist doch schon 1Thess 4,13–18 ein stilles Indiz, dass völkerchristliche Gemeinden mit der Bezeichnung wenig anfangen konnten. Gott bleibt ganz im Hintergrund, und apokalyptische Szenarien fehlen
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ganz. Der nach dem Evangelisten getätigte Nachtrag in Joh 5,28f folgt dann parallel zur weiteren Entwicklung im Urchristentum: Der Menschensohn vollzieht nun das Weltgericht, zu dem alle Menschen auferstehen werden, um ihr Urteil zu erhalten (vgl. dazu Mt 25; Kapitel 12). Bei der Position des Evangelisten, die im Detail bereits dargestellt wurde, springen vor allem zwei basale Themenfelder in die Augen. Erstens: die Wirklichkeitsdeutung durch den strukturell am oberen Himmel und an der unteren Erde ausgerichteten Dualismus, also an der göttlichen Welt des ewigen Lebens oben im Himmel und an der Todesherrschaft des Teufels unten auf der Erde. Und zweitens: die pointierte Christologie, die die Sendung des Sohnes und die vor dem Evangelisten allgemein urchristlich wie auch in den frühen johanneischen Gemeinden selbst noch erhoffte baldige Parusie des Herrn als unmittelbar mit der Sendung des Gottessohnes zusammenfallendes Geschehen ansieht. Dieses bleibt dadurch auch nach Jesu Rückkehr zum Vater aktuell. Denn Jesu Verkündigung in Gestalt seiner Selbstauslegung wird von den Gemeinden weitergegeben, sodass weiterhin durch Jesu Botschaft, nun verkündigt von der Gemeinde, innerhalb der dem tödlichen Elend unterworfenen Menschheit eine Trennung in zwei Gruppen geschieht: In Menschen, die durch gläubige Annahme der Botschaft Geist und Leben erhalten, und in die, die endgültig und unwiderruflich dem Tod verfallen sind. In der Zeit seines irdischen Wirkens ist Jesus selbst das aus der himmlischen Welt des Lebens kommende Leben (Joh 5,26; 11,25f), ja der einzige, der überhaupt vom Gott des Lebens Kunde geben kann (Joh 1,18). Nach seiner Rückkehr zum Vater tritt der Leben vermittelnde Geist an seine Stelle (Joh 6,63; 20,22). In beiden Fällen dienen die Worte Jesu als Übermittlungsträger des Lebens (Joh 6,63.68). Wer jedoch nicht aus dem Geist geboren wird, bleibt unter dem »Zorn Gottes« (Joh 3,34–36). Er wandelt weiter in der Finsternis (vgl. Joh 8,12), aus der nur der Sohn befreien könnte (Joh 8,36). So wird das Endgericht mit seinem doppelten Ausgang eine Initialhandlung des göttlichen Gesandten während seines irdischen Wirkens und zugleich ein dauerhaftes Geschehen, nämlich so lange,
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wie die Christusbotschaft von den Gemeinden nach Jesu Rückkehr zu seinem Vater verkündigt wird. Endgericht geschieht überall dort, wo Jesu Botschaft ausgerichtet wird. Beide Grundentscheide bewirken, dass irdische Kreatur unten auf Erden mit innerer Konsequenz die obere Welt Gottes nicht anschaulich beschreiben kann (Joh 1,18; 4,24). Auch von der zukünftigen Existenz der Erlösten im ewigen Leben wird allein durch Beziehungsaussagen gesprochen, nämlich als Verhältnis der Erlösten zum erhöhten Herrn (Joh 14,3.20; 17,22–24). An der Frage, wann und wie die Welt vergehen wird, haben die johanneischen Gemeinden kein sonderliches Interesse. Ihr Blick ist ja auf den Himmel ausgerichtet (Joh 3,31–33; 14,2; 17,24). Ob der eigentlich positiv geschilderte Abraham (Joh 8,39f) eine der möglichen Ausnahmen sein mag, dem als vor der Zeit Christi Lebendem Rettung zuteilwird, ist offen gelassen (vgl. dazu den Täufer in Kapitel 2). Die durchweg konsequente Betonung, dass allein der gesandte Sohn retten kann (vgl. nur Joh 3,6f.17f; 11,25f), ist jedenfalls einer positiven Antwort nicht unbedingt förderlich. Endlich sei noch einmal daran erinnert, dass sich die Theologie des vierten Evangelisten und Röm 8 strukturell recht nahestehen (Kapitel 10), obwohl sonnenklar ist, dass sich der Evangelist in keinem Fall Röm 8 als Vorbild nahm. Denn er kannte wohl recht sicher keinen Paulusbrief, noch besaß er mündliche Kenntnis von der paulinischen Theologie. Die Schriftengruppe, die nach den johanneischen Schriften besprochen wurde (Kol, Eph, Hebr), besitzt (mit Varianten im Einzelnen) die Gemeinsamkeit, dass analog zum vierten Evangelisten die noch ausstehende Parusie entweder sachlich nur noch ein Schattendasein führt (so im Kol) oder (wie im Eph und Hebr) ersatzlos ausfällt. Das hängt in erster Linie mit den christologischen Konzepten dieser Briefe zusammen, nach denen die Präexistenz Christi und Christi Werk bis hin zu seiner gegenwärtigen Stellung im Himmel stark herausgearbeitet werden. Dabei demonstriert Christi österliche Inthronisation seine Einheit mit dem Vater, die er nicht mehr aufgibt. Darum bleibt er für immer im Himmel. Dieser Weg zu Gott durch den Tod hindurch wird
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zugleich zum Urgeschehen für alle, die aus der Menschheit gerettet werden. Sie werden nämlich in ihrem Tod denselben Weg gehen. Zum anderen regiert in beherrschender Weise in dieser Wirklichkeitsauffassung die Ausrichtung an der himmlischen Welt oben und der jetzigen Welt unten. Die geschichtlich horizontale Sichtweise, konkretisiert durch die Erwartung des Herrn, verliert darum ihre Überzeugungskraft, zumal gilt: Das Heil für die Christen ist schon, allerdings bisher nur in noch verborgener Weise, in Christus vorhanden. Die Gläubigen sind nämlich schon auferstanden. Das hat seine Analogie in der johanneischen Aussage, nach der die Gläubigen schon jetzt das ewige Leben »haben«. Differenzierter verfuhr hier Paulus: Christen sind mit Christus gestorben und haben darum begründete Hoffnung auf die Auferstehung (Röm 6,3–5). Desinteresse an Parusieaussagen bekundete auch Ignatius, auf den wir quasi anhangsweise noch kurz nach der Besprechung der drei neutestamentlichen Schriften verwiesen. Nicht ganz glücklich ist der Umstand, dass die Offb beim Überblick zur Ertragslage des in etwa chronologisch geordneten Durchgangs durch die frühchristliche Literatur am Abschluss dieses Weges zu stehen kommt. Das soll jedenfalls überhaupt nicht andeuten, hier läge ein angemessener und gewichtiger Schlussakkord für die von uns besprochene Zeitstrecke vor. Im Gegenteil: Die Offb ist vielmehr ein recht kritisch zu sehender Fall im Reigen der besprochenen Quellen, steht sie doch in gehäufter Hinsicht gegenüber den anderen Texten und Textgruppen isoliert da. Selbst im Vergleich mit der der Offb in der Wirklichkeitsauffassung verwandten Apokalypse in Mk 13 fällt das Urteil über den Seher Johannes noch einmal deutlich schlechter aus. Dieses Urteil ist schon am Ende der Besprechung der Offb (Kapitel 16) zusammengefasst worden. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch an die historische Tatsache, dass die Offb bei der Kanonbildung lange Zeit heftig umstritten war. Das ist aus heutiger Sicht sehr gut nachvollziehbar. Denn Christentum im apokalyptischen Kleid der Offb heute zu vertreten, dürfte überhaupt ein Irrweg sein. Die Offb kann jedoch als besonders zugespitztes Beispiel dies leisten, be-
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sonders kräftig daran zu erinnern, die Geschichtlichkeit des Christentums nicht aus den Augen zu verlieren. Diese letzte Bemerkung mit dem Stichwort »Geschichtlichkeit« wollen wir zum Anlass nehmen, abschließend noch einige Gedanken darauf zu verwenden, wie man den vorgeführten frühchristlichen Dialog zum Thema Hoffnung in seiner erstaunlichen Vielfalt und geschichtlichen Gebundenheit für eine heutige systematische Diskussion öffnen kann. Wer davon ausgeht, dass alle Religionen geschichtlich geworden sind (und weitere eventuell auch noch im gleichen Modus entstehen könnten), wird sich jeder einzelnen Religion, dem religionsgeschichtlichen Vergleich und dem interreligiösen Dialog nur auf eine bestimmte Weise nähern können. Er wird die normativen Schriften der Religionen nicht als unmittelbar vom Himmel gefallene Offenbarung ansehen, die sich durch in irdische Sprache gegossene, im Übrigen jedoch außerweltliche, widerspruchsfreie und endgültige Wahrheit auszeichnet. Er wird vielmehr die Geschichtlichkeit aller religiösen Erfahrung sowie natürlich auch die Geschichtlichkeit jedes Interpreten, inklusive seiner selbst, ernst nehmen. Eine Wahrnehmung göttlicher Offenbarung kann sich nämlich bei Menschen nur einstellen, die ausnahmslos konstitutiv geprägt sind durch geschichtliche, kulturelle, biographische usw. Verwurzelungen. Der christliche Glaube entstand, indem Jesu Wirken, seine Kreuzigung und die visionären Erfahrungen des Auferstandenen zusammen einmütig als eschatologisches Ursprungsgeschehen erfahren wurden, das alsbald zur die bisherige Geschichte beendenden, also endgültigen Erlösung führen wird (Kapitel 3–4). Man kann sich probeweise auch einen anderen Deutehorizont vorstellen. Etwa diesen: Jesu Sterben wurde durch die Osterzeugen in Analogie zu anderen jüdischen Märtyrern gedeutet. Das heißt: Wie bei Märtyrern im Frühjudentum damals üblicherweise erwartet, wurde auch Jesus nach seinem Leiden von Gott, bezeugt durch die visionären Erfahrungen, aufgenommen und offenbarte sich den Jüngern, um ihnen ihr Versagen anlässlich seiner Kreuzigung zu vergeben. Doch dieser »kleine« Horizont will überhaupt nicht zu dem passen, was wir als österliche
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Folgen vortrugen (Kapitel 4). Er eignet sich auch allenfalls für die übrig gebliebenen elf Jünger Jesu, doch nicht für die Osterzeugen wie dem Herrenbruder Jakobus und den »fünfhundert Geschwistern« (selbst wenn die Zahlenangabe, wie in der Antike oft, zu hoch gegriffen ist), noch passt er zum Apostel Paulus (1Kor 15,1–11). So wird es dabei bleiben: Die Osterzeugen verstanden, jetzt nur auf das Thema Hoffnung hin formuliert, den Auferstandenen als personalisierten Inbegriff (Stichwort: »direkte Christologie«) einer die jetzige Lebenswelt transzendierenden Vollendung, an der sie hoffen durften, durch diesen Auferstandenen Anteil zu erhalten (ältestes Beispiel: Kapitel 5). Damit eröffnete ihnen die Ostererfahrung, verallgemeinert gesprochen, den Blick auf die endgültige Bestimmung der Schöpfung, der Geschichte und der Menschheit. Und deshalb gab es, um eben diese erschlossene Wahrheit zu begreifen, in der frühen Christenheit ein dauerhaftes und großes Interesse, sich zur christlichen Hoffnung zu äußern. Um kein Missverständnis zu erzeugen: Damit ist nicht der Offenbarungscharakter und die göttliche Wahrheit dieses Vorgangs außerhalb einer glaubenden Aneignung bewiesen, wohl aber seine geschichtliche Eigentümlichkeit und die spezielle Bewusstseinslage der damaligen Christen beschrieben. Dieser aufgrund der Ostererfahrung aufgestellte christologische Grundentscheid samt seinen impliziten Folgen für die Hoffnung wurde nun nicht alsbald in Gestalt eines verbindlichen Glaubensbekenntnisses ausformuliert, zu dem alle Christen vereint stehen sollten. Diese österliche Glaubensbasis führte vielmehr zu dem synchronen und diachronen Dialog, den wir nachgezeichnet haben und an dem prinzipiell alle christlichen Personen und Gemeinden sich beteiligen konnten. Durch diese auf diese Weise entstehende Mehrstimmigkeit bis hin zur inhaltlichen Unterschiedlichkeit, ja auch Gegensätzlichkeit kommt unter anderem nochmals zum Ausdruck, dass und wie diese variierenden und keineswegs spannungsfreien Auslegungen des Ursprungsgeschehens Anteil haben an der geschichtlichen Gebundenheit auch von Glaubensaussagen und damit an der Relativität des menschlichen Erkennens überhaupt. Diese
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konstitutionelle Begrenztheit wirkt sich dann natürlich gerade bei Ausführungen zur Hoffnung noch einmal besonders stark aus, wenn bei diesen die Folgen der erlebten Glaubenserfahrung nicht nur in eine geschichtliche Zukunft hinein verlängert werden (als Hoffnung für dieses Leben). Sie potenziert sich vielmehr, wenn solche Aussagen bewusst über Zeit und Geschichte hinausgreifen wollen, wenn sie also die jetzt erfahrbare Welt transzendieren hin zu etwas Endgültigem, was es innerhalb der Geschichte nicht geben kann. Dann kommen zwangsläufig dabei die Grenzen menschlicher Erkenntnis noch potenzierter zur Geltung. Mit diesem Erkenntnisproblem beschäftigt sich gleich in der ersten urchristlichen Generation Paulus (Kapitel 7–10). Man darf sagen mit großem Gewinn für das gegenwärtige Nachdenken über heute zu verantwortende transgeschichtliche Hoffnungsaussagen. Dazu soll an ersten Stelle daran erinnert werden, was Paulus 1Kor 9,8–13 (Kapitel 8) zu dieser nach seiner Auffassung begrenzten Fähigkeit des Menschen ausführt, wenn dieser angesichts seiner irdischen Eingebundenheit über Transzendenz Aussagen macht. Mag Paulus in urchristlicher Zeit der einzige gewesen sein, der in grundsätzlicher Weise Erkenntnisgrenzen in Sachen Himmel und Ewigkeit explizit aufarbeitete, so soll doch dazu noch angemerkt werden, dass wir nicht selten auf urchristliche Stimmen stießen, die bei der Schilderung der Endereignisse durchweg Gott konsequent unbeschrieben im dunklen Hintergrund des Erzählten ließen. Sie taten es wie selbstverständlich, ohne dafür eine Begründung zu liefern. Das mag man als eine stille Konsequenz aus dem israelitischen Bilderverbot (Ex 20,4; Dt 5,8) einschätzen. Es hat jedoch wohl ebenso in Jesu Verkündigung eine zeitlich unmittelbar vorausgehende Weichenstellung als Hintergrund, insofern Jesus seine Hörer wohl einwies, die jetzt auf Erden ankommende Herrschaft Gottes aufmerksam zur Kenntnis zu nehmen, jedoch nie eine bildlich-beschreibende Äußerung über Gott im Himmel machte. Paulus leistete zu diesem Thema noch einen zweiten wesentlichen Beitrag, nämlich einen anthropologischen. Er steht 1Kor 15,35–53 (Kapitel 8). Er fügt sich sehr gut zu
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der eben angesprochenen erkenntnistheoretischen Ausführung: Dem Vollkommenen kann sich der Mensch nur nähern, indem er selbst zuvor in Totalität stirbt und danach von Gott neu geschaffen wird. Zur menschlichen Kreatur gehört danach also keine unsterbliche Seele, wie man wohl in Korinth, wahrscheinlich neuplatonisch beeinflusst, zumindest in einer Gemeindegruppe annahm. In der Regel ist sonst der urchristliche Dialog zu diesem Thema schwach bis stumm. Das liegt auch daran, dass in der Zeit der Naherwartung der Übergang der Lebenden in den Vollendungszustand noch gar nicht als ein Problem empfunden wurde, und man dann auch bei den sich bald mehrenden Todesfällen das erwartete Auferstehungshandeln Gottes in Kontinuität zur bisherigen Gepflogenheit nicht weiter explizierte. Auferstehung war ganz selbstverständlich zunächst allein Gottes Angelegenheit, die erst später auch noch exklusiv zum Sohn Gottes hin erweitert wurde (markantes Beispiel: Joh; Kapitel 14), um die sich jedoch der Mensch keine Gedanken machen musste. Spitz formuliert: Davon verstand er als Kreatur auch nichts. Dass man drittens aufgrund der Ostererfahrung Jesu Verständnis der bereits in der Gegenwart beginnenden Endzeit so umgestaltete, dass man den auferstandenen Jesus als den kommenden Menschensohn gleichsam vor der Tür stehen sah, ist nachvollziehbar (Kapitel 5). Doch dann musste die frühe Christenheit ein für sie nicht ganz einfaches Umdenken einüben. Das lukanische Diktum, Zeit und Stunde für des Herrn Kommen kennt allein Gott (Apg 1,7), ist jedenfalls sachlich das abschließende Votum zu diesem Thema (Kapitel 13). Naherwartung musste durch das Weiterlaufen der Geschichte leidvoll als ein Irrtum demaskiert werden, an dem das häufigere Auffüllen der noch offenen Geschichte mit zunächst angeblich notwendigerweise erst noch kommenden Ereignissen wie z.B. dem Auftreten eines großen Verführers (Beispiel: 2Thess 2,1–7; Kapitel 7) im Endeffekt nichts ausrichten konnte. Trotz dieser misslichen Erfahrung ist jedenfalls das frühe Christentum nicht den Weg gegangen, Christentum auf die gegenwärtige Lebensführung einzugrenzen (Stichwort: Liebesgebot), also z.B. dem Thema
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Hoffnung ade zu sagen. Nein, den Anspruch, eine umfassende Wirklichkeitsdeutung zu vertreten, hat es beibehalten. Dazu gehörte der Gott, der Tote auferweckt (Röm 4,17). Die Hoffnung auf ein ganz nahes Ende war viertens zunächst symbiotisch an die Erwartung des wiederkommenden Herrn geknüpft (Kapitel 5–7). Wenn diese erwartete Parusie nicht eintreten wollte, war sie dann nicht sogar selbst eine fragwürdige Konkretion der Hoffnung geworden? Wenn man festhielt, dass Vollendungsaussagen wie »immer mit dem Herrn zusammen sein« (1Thess 4,17; Joh 14,3.17.24) oder »Gott wird alles in allem sein« (1Kor 15,28; Joh 17,9f) als Beschreibung der Hoffnung erhalten blieben, wobei dann auch der tyrannische Tod des Menschen besiegt sein würde (1Kor 15,54f; Joh 11,25f), bedurfte es dann wirklich noch einer Parusie? Wenn man sie aus der Hoffnungsthematik ausklammerte, würde das christologisch selbstverständlich bedeuten, dass des Auferstandenen besonderer Platz bei Gott ganz selbstredend unangetastet bliebe. Anthropologisch hätte das zur Folge, dass der individuelle Tod des einzelnen Gläubigen eine sofortige Aufnahme in den Himmel, d.h. in die Nähe des Erhöhten, mit sich brachte. Eben diesen Weg ging Paulus im Röm (Kapitel 10) und der vierte Evangelist (Kapitel 14) unabhängig voneinander. Auch der Eph, der Hebr und Ignatius (Kapitel 15) optierten für diese Möglichkeit, ohne dass bei ihnen paulinische oder johanneische Abhängigkeit zu erkennen ist. Sie lag wohl auch bei hellenistisch inkulturierten Gemeinden eher gleichsam in der Luft. Zusätzlich wird man für eine neuzeitliche Diskussion bedenken, dass diese Parusievorstellung tief in das antike Zwei-Stockwerke-Weltbild eingebunden war. Dabei nahm die damals in den Blick genommene Welt eine nach heutigen Maßstäben recht kleine Fläche ein, und Milliarden Menschen verteilten sich noch nicht auf einer großen kugelähnlichen Gestalt der Erde. Auch war damals der Himmel nahe über der Erde gedacht, sodass z.B. Engel auf- und absteigen konnten (Joh 1,51) und die Parusie von allen Menschen gleichzeitig hätte beobachtet werden können und sollen (Beispiel: Mk 13,26f). Damit ist schnell abgeklärt, dass der schon im neutestamentlichen Dialog
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gefällte Entscheid, sie aus den Hoffnungselementen auszuklammern, aus heutiger Sicht ein guter Entscheid war. Zum Abschluss der Weltgeschichte gehört fünftens das erwartete Weltgericht. Von ihm ist allerdings, Mt 25,31ff (Kapitel 12) und die Offb (Kapitel 16) zurückgestellt, durchweg nur skizzenhaft und mit wenigen Worten gesprochen. Der mit unübersehbarer Regelmäßigkeit erkennbare Grundentscheid, den Gemeinden ihre Zukunft, also die positiven Hoffnungsinhalte vorzustellen, führte dazu, dass das Gericht über die übrige Menschheit, die das Evangelium (noch) nicht angenommen hatte, nur überaus pauschal und kompromisslos negativ beleuchtet wurde. Hier hatte jedenfalls Jesus mit seinem positiven Blick über Israels Grenzen hinaus schon differenzierter geurteilt (vgl. Kapitel 3). Doch es reichte den christlichen Autoren in der Regel die Feststellung, dass Nicht-Christen im Urteil Gottes ihr Leben insgesamt verwirkt hatten (Beispiele: Röm 1,32; 2,9; 3,10–18; Joh 3,36b). Manchmal kann man vermuten, dass vielleicht dabei einigen Gestalten aus der Geschichte Israels ausgenommen waren (vgl. dazu die Kapitel 2 und 8). Doch langsam setzte sich dann die Auffassung durch, dass alle Toten und Lebenden im Gericht erscheinen mussten (Beispiel: Offb 20,11f), um ihr letztes Urteil zu empfangen. Weiter kennt dieses Weltgericht, seit dem Täufer (Kapitel 2), wenn überhaupt, dann als Feuergericht verstanden (Mt 3,10; 25,41; Mk 9,48; 1Kor 3,13.15; Offb 20,14f usw.), erfreulicherweise in der Regel keine Ausmalung der Qualen, noch eine Freude der Geretteten am Gericht der anderen Menschen (anders die Offb; Kapitel 16). Gottes »Zorn« (so eine häufige Redeweise wie z.B. in Joh 3,36; Röm 1,18; 3,5; Kol 3,6; 1Thess 1,10 usw.) differenzierte z.B. auch nicht die Taten der Sünder in schwere und leichte Vergehen mit der Folge unterschiedlicher Länge oder Härte bei der Bestrafung der Übeltäter. Nein, es gab kein gestaffeltes Strafmaß und auch kein Fegefeuer, sondern kompromisslos nur ein Entweder-oder, wie es z.B. Mt 25,31–46 so anschaulich erzählt wird. Dabei bedeutete die negative Seite dieser Alternative immer das endgültige und gleiche Aus für die Sünder. Wobei auch die positive Seite ebenfalls zu einer Gleichheit aller Gerechten
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in Gestalt des Zusammenseins mit dem Herrn führte. Das Endgericht galt weiter von Haus aus und in der Regel als selbstverständliches Hoheitsrecht des Schöpfers über seine Kreatur. Doch hat dieser es durchaus auch schon nach des Täufers und nach Jesu Urteil (Kapitel 2–3) der himmlischen Gestalt des Menschensohnes und auch später im Verlauf des frühen Christentum Jesus, dem auferstandenen Gottessohn (Mt 25,31ff; Joh 5,19–23), zur Durchführung übertragen. Da die Christen sich endlich damals zwangsläufig als eine recht kleine Minderheit in der damaligen Gesamtmenschheit verstehen mussten, galt ihr pauschales Negativurteil über ihre Artgenossen der überwältigenden Mehrheit aller Menschen in Vergangenheit und Gegenwart (vgl. nur Röm 1,18–2,29; 1Thess 4,13). Festgehalten werden darf abschließend: Diese frühchristliche Modulation des Themas Endgericht zeigt sicherlich geschichtliche Begrenztheiten, die mit der grundsätzlichen Perspektive beginnt, unter der dieses Thema angegangen wurde. Wie schon in Erinnerung gerufen, bei Jesus findet sich ein differenzierterer Blick auf Menschen aus den Völkern, selbst wenn sie nicht zu seinen unmittelbaren Nachfolgern gehörten (Kapitel 3). Abschließend und sechstens werfen wir nochmals einen Blick auf die frühchristlichen Bemühungen, den endgültigen Heilszustand zu qualifizieren. Das ausführlichste und konkreteste Beispiel dafür steht Offb 21,1–22,5 (Kapitel 16). Es ist dadurch charakterisiert, dass hier der zu dieser Zeit zumeist begangene Weg von einer Lokalisierung des Endheils von der Erde hin in den Himmel nicht mitvollzogen ist. In der frühen Zeit des Urchristentums war es offenbar allgemein üblich, aufgrund der Parusieerwartung, bei der ja der Erhöhte auf die Erde zurückkam, auch das Endheil für die Gemeinde auf ihr anzusiedeln (Kapitel 5–7). Hatte nicht auch schon Jesus das Kommen des Menschensohnes zum Gericht und die Inszenierung des Heilsmahles auf der Erde geschehen lassen (Kapitel 3)? Diese Option wurde auch in der dritten urchristlichen Generation in apokalyptisch ausgerichteten Äußerungen beibehalten (Beispiele: Mk 13,27; Did 16,7f; Kapitel 11). Die Offb geht allerdings noch weiter: Vom Himmel kommt das neue Jerusalem zur Erde herab.
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Es wird geographisch irdisches Zentrum der Heilszeit. Gott und sein Sohn wohnen gemeinsam in dieser Stadt. Dazu gibt es noch einige Veränderungen im umliegenden Terrain. So entsteht eine recht detaillierte und recht irdische Beschreibung der endzeitlichen Verhältnisse. Im Kontrast dazu steht die große Askese der überwiegenden sonstigen Äußerungen zur Beschreibung des Endzustandes, beginnend mit der paulinischen Äußerung in 1Thess 4,17 (Kapitel 7), bei der dazu allein das dauerhafte Zusammensein mit Christus herausgestellt ist. Diese Aussage einer unzerstörbaren personalen Beziehung ist dann auch bei Aufgabe des Parusiemodells weiterhin leitend, wie es besonders eindrücklich bei Paulus (Röm 8,19ff; Kapitel 10) und beim vierten Evangelisten (z.B. Joh 11,25f; 14,18f; Kapitel 14) zu lesen ist. Beide Beschreibungstypen der Endzeit lassen sich nur als alternativ verstehen. Dabei lässt sich ohne Zweifel allein der zweite Weg als Basis für eine heutige systematische Besinnung verwenden, weil Aussagen über die Transzendenz überhaupt nur sparsam und im Sinne von 1Kor 13,8–13 (vgl. Kapitel 8) gemacht werden können.
Literaturauswahl
Das Thema der Untersuchung ist so umfassend, dass es wenig hilfreich wäre, alle benutzte Sekundärliteratur zusammenzustellen. Darum sollen die Angaben zur Literatur nicht von der Frage bestimmt sein: Was hat der Autor konsultiert? Vielmehr soll die Leitfrage lauten: Wie kann ein Leser weiterarbeiten, wenn er durch die Lektüre angeregt wird, sich umfassender zu informieren? Auch diese Frage kann man natürlich weit ausholend beantworten. Darum gilt noch eine Einschränkung: Nur die Literatur wird genannt, durch die man besonders gut weiteren Zugang zur aktuellen Diskussion und/oder zur Forschungsgeschichte erhalten kann. Die Gliederung der Angaben folgt im Wesentlichen der Gliederung der Untersuchung. Arbeiten zu den Einleitungsfragen der Schriften Becker, J., Mündliche und schriftliche Autorität im frühen Christentum, Tübingen 2012 Broer, J., Einleitung in das Neue Testament, Studienausgabe, Würzburg 2006 Pokorny, P. / Heckel, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB 2798), Tübingen 2007 Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830), Göttingen 62007 Gesamtdarstellungen zu neutestamentlichen Themen und zu Paulus Becker, J., Paulus, Tübingen 21992 Becker, J., Die Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament, Tübingen 2007 Berger, K., Theologiegeschichte des Urchristentums, Tübingen 21995 Gnilka, J., Theologie des Neuen Testaments, Freiburg 1994 Gnilka, J., Paulus von Tarsus (HThK Suppl. VI), Freiburg 1996 Gräßer, E., Das Problem der Parusieverzögerung (BZNW 22), Berlin 31977 Hahn, F., Theologie des Neuen Testaments I.II, Tübingen 22005 Hengel, M. / Schwemer, A.M., Paulus zwischen Damaskus und Antiochia (WUNT 108), Tübingen 1998
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Literaturauswahl
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Literaturauswahl239
Zager, W., Gottesherrschaft und Endgericht in der Verkündigung Jesu (BZNW 82), Berlin 1996 Ostererfahrung Avemarie, Fr. / Lichtenberger, H., Auferstehung – Resurrection (WUNT 135), Tübingen 2001 Becker, J., Die Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament, Tübingen 2007 Graß, H., Ostergeschehen und Osterberichte, Göttingen 21970 Hoffmann, P., Zur neutestamentlichen Überlieferung von der Auferstehung Jesu (WdF 522), Darmstadt 1988 Lindemann, A., Auferstehung, Göttingen 2009 Müller, U.B., Die Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu (SBSt 172), Stuttgart 1998 Maranatha Fitzmeyer, J.A., To Advance the Gospel, New York 1981, 218–235 Kuhn, K.G., Art. Maranatha, ThWNT IV (1942) 470–475 Schulz, S., Maranatha und Kyrios Jesus, ZNW 53 (1962) 108–144 Logienquelle Hoffmann, P., Studien zur Theologie der Logienquelle (NTA NF 8), Münster 31982 Hoffmann, P., Tradition und Situation, Münster 1995 Hoffmann, P. / Heil, C., Die Spruchquelle Q, Darmstadt 2002 Labahn, M., Der Gekommene als Wiederkommender (ABG 32), Leipzig 2010 Lindemann, A. (Hg.), The Sayings Source Q and the Historical Jesus (BEThL 158), Leiden 2001 Polag, A., Die Christologie der Logienquelle (WMANT 45), Neukirchen-Vluyn 1977 Schröter, J., Erinnerung an Jesu Worte (WMANT 76), NeukirchenVluyn 1997 1. Thessalonicherbrief Becker, J., Die Erwählung der Völker durch das Evangelium, in: Mell, U. (Hg.), Annäherungen, Berlin 1995, S.79–98 Eisen, U.E., Die imperiumskritischen Implikationen der paulinischen Parusievorstellung, in: Bull, K.-M. / Reinmuth, E., Bekenntnis und Erinnerung (RThSt 16), Münster 2004, 196–214 Hoffmann, P., Die Toten in Christus (NTA NS 2), Münster 21969 Holtz, T., Der erste Brief des Paulus an die Thessalonicher (EKK XIII), Zürich/Neukirchen-Vluyn 21990
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Literaturauswahl
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Literaturauswahl241
Wilckens, U., Der Brief an die Römer (EKK VI/1–3), Zürich/Neukirchen-Vluyn 32010 Wolter, M., Der Brief an die Römer (EKK NF VI/1), Ostfildern/ Neukirchen-Vluyn 2014 Zeller, D., Der Brief an die Römer (RNT), Regensburg 1985 Markusevangelium Brandenburger, E., Markus 13 und die Apokalyptik (FRLANT 134), Göttingen 1984 Breytenbach, C., Nachfolge und Zukunftserwartung nach Markus (AThANT 71), Zürich 1984 Gnilka, J., Das Evangelium nach Markus (EKK II/1–2), Zürich/Neukirchen-Vluyn 41993/21986 Lührmann, D., Das Markusevangelium (HNT 3), Tübingen 1987 Mell, U., Die »anderen« Winzer (WUNT 77), Tübingen 1994 Söding, T. (Hg.), Der Evangelist als Theologe (SBS 193), Stuttgart 1995 Telford, W.R., The Theology of the Gospel of Mark, Cambridge 1999 Matthäusevangelium Gnilka, J., Das Matthäusevangelium (HThK I/1–2), Freiburg 21992 Konradt, M., Das Evangelium nach Matthäus (NTD 1), Göttingen 2015 Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus I–IV (EKK I/1–4), Zürich/ Neukirchen-Vluyn 1985–2002 Schweizer, E., Matthäus und seine Gemeinde (SBS 71), Stuttgart 1974 Lukasevangelium/Apostelgeschichte Bovon, F., Das Evangelium nach Lukas (EKK III/1–3), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1989–2001 Braumann, G. (Hg.), Das Lukasevangelium (WdF 280), Darmstadt 1974 Conzelmann, H., Die Mitte der Zeit (BHT 17), Tübingen 71993 Klein, H., Das Lukasevangelium (KEK I/3), Göttingen 2006 Pokorny, P., Theologie der lukanischen Schriften (FRLANT 145), Göttingen 1998 Schürmann, H., Das Lukasevangelium I–II (HThK III/1–3), Freiburg 1982–1994 Wiefel, W., Das Evangelium nach Lukas (ThHK 3), Leipzig 1988 Johannesevangelium Becker, J., Das Evangelium nach Johannes (ÖTK 4/1–2), Gütersloh 3 1991 Becker, J., Johanneisches Christentum, Tübingen 2004 Blank, J., Krisis, Freiburg 1964 Brown, R.E., The Gospel According to John I–II (AncB 29), New York 1966, 1970
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Literaturauswahl
Dettwiler, A., Die Gegenwart des Erhöhten (FRLANT 169), Göttingen 1995 Frey, J., Die johanneische Eschatologie I–III (WUNT 96, 110, 117), Tübingen 1997, 1998, 1999 Frey, J. / Schnelle, U., Kontexte des Johannesevangeliums (WUNT 175), Tübingen 2004 Müller, U.B., Zur Eigentümlichkeit des Johannesevangeliums, ZNW 88 (1997), 24–55 Schnackenburg, R., Das Johannesevangelium I–IV (HThK 4), Freiburg 1981–1985 Theobald, M., Das Evangelium nach Johannes Kap 1–12 (RNT), Regensburg 2009 Kolosser-, Epheser- und Hebräerbrief Becker, J. / Conzelmann, H. / Friedrich G., Die Briefe an die Galater, Epheser, Philipper, Kolosser usw. (NTD 8), Göttingen 41990 Gräßer, E., An die Hebräer (EKK 17,1–3), Zürich/NeukirchenVluyn 1990–1997 Karrer, M., Der Brief an die Hebräer (ÖTK 20/1), Gütersloh 2002 Lindemann, A., Die Aufhebung der Zeit (StNT 12), Gütersloh 1975 Schnackenburg, R., Der Brief an die Epheser (EKK 10), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1982 Sellin, G., Der Brief an die Epheser (KEK 8), Zürich 2008 Weiß, H.-F., Der Brief an die Hebräer (KEK 13), Göttingen 1991 Wolter, M., Der Brief an die Kolosser (ÖTK 12), Gütersloh 1993 Offenbarung des Johannes Böcher, O., Die Johannesapokalypse (EdF 41), Darmstadt 31988 Hirschberg, P., Das eschatologische Israel (WMANT 84), Neukirchen-Vluyn 1999 Horn, F.W. / Wolter, M., Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung, Neukirchen-Vluyn 2005 Lichtenberger, H., Apokalypse (ThKNT 23), Stuttgart 2014 Karrer, M. / Labahn, M. (Hg.), Die Johannesoffenbarung (ABG 38), Leipzig 2012 Müller, K., Studien zur frühjüdischen Apokalyptik, Stuttgart 1991 Müller, U.B., Die Offenbarung des Johannes (ÖTK 19), Gütersloh 2 1995 Müller, U.B., Christologie und Apokalyptik (ABG 12), Leipzig 2003 Taeger, J.-W., Johannesapokalypse und johanneischer Kreis (BZNW 51), Berlin 1988 Tilly, M., Apokalyptik (UTB Profile 3651), Tübingen 2012 Vögtle, A., Das Neue Testament und die Zukunft des Kosmos, Düsseldorf 1970