Hinterglasbilder: Technologie - Untersuchung - Konservierung; Die Freistädter Sammlung (Konservierungswissenschaft. Restaurierung. Technologie) (German Edition) [Reprint ed.] 3205771486, 9783205771487


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Hinterglasbilder: Technologie - Untersuchung - Konservierung; Die Freistädter Sammlung (Konservierungswissenschaft. Restaurierung. Technologie) (German Edition) [Reprint ed.]
 3205771486, 9783205771487

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bohlau

Konservierungswissenschaft • Restaurierung • Technologie Herausgegeben von Gabriele Krist Band 2

Idz.-'AnqewAndtsI

Roberta Renz

Hinterglasbilder Technologie - Untersuchung - Konservierung Die Freistädter Sammlung

Böhlau Verlag Wien • Köln • Weimar

Gedruckt mit Unterstützung durch die Universität für angewandte Kunst, Archiv und Sammlung, das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur das Amt der Öberösterreichischen Landesregierung die Universität für angewandte Kunst, Institut für Restaurierung

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http ://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-205-77148-6

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2005 by Bühlau Verlag Ges. m. b. H. und Co. K G , Wien • Köln • Weimar http ://www.boehlau.at Druck: Berger, Horn

Inhalt

Einleitung

15

1.

17

2.

Hinterglasmalerei 1.1

Allgemeines zur Technik

17

1.2

Geschichte der Hinterglasmalerei

18

Glaserzeugung im Böhmerwald und im oberösterreichischen Mühlviertel 2.1

Allgemeines

21

2.2

Rohstoffe

22

2.2.1 Quarz

22

2.2.2 Flussmittel

23

2.2.3 Entfärbungsmittel — Glasmacherseifen

3.

25

2.3

Glashüttenbetrieb - Produkte 2.3.1 Herstellung von Flachglas

27

2.4

Glasveredelung

27

26

Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Ausgangslage

29

3.1

Zur Geschichte der Erforschung dieses Themas

29

3.2

Die Entwicklung zum „hüttennahen" Hinterglasbild — Geschichte der Technik

3.3

4.

21

30

Die Entwicklung der Ortschaften Buchers, Sandl und Außergefild zu Zentren der Erzeugung von Hinterglasbildern

33

3.3.1 Buchers

34

3.3.2 Sandl

38

3.3.3 Außergefild

40

Technik, Produktion und Absatz der Hinterglasbilder aus Buchers, Sandl und Außergefild

45

4.1

45

Grafische Vorlagen und deren Umsetzung zu „Rissen"

4.2 Arbeitsweise in den „Bilderfabriken" — Massenproduktion

47

6

Inhalt

4.3

Überlieferte Techniken und Materialien

52

4.3.1 Glas

53

4.3.2 Bindemittel der Malschicht

53

4.3.3 Pigmente der Malschicht

54

4.3.4 Vorspiegelung

55

4.3.5 Rahmen

56

4.3.6 Rückenseitenabdeckung

56

4.4 Bilderhandel — Verbreitung und Absatzgebiete

5.

6.

56

Ikonografie und Rezeption der hüttennahen Hinterglasbilder

59

5.1

Bildtypen und -formen

59

5.2

Bildthemen und -inhalte

61

5.2

Bedeutung der Hinterglasbilder in der Abnehmerschaft

63

5.3

Niedergang der volkstümlichen Hinterglasmalerei

64

Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

67

6.1

Allgemeines

67

6.1.1 Zum technologischen Aufbau der Objekte

67

6.1.2 Zu den bisherigen konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen 6.1.3 Zur klimatischen Situation im Ausstellungsraum 6.2 Glas/Bildträger

68 69 70

6.2.1 Herstellungstechnik - Eigenschaften der Gläser

70

6.2.2 Typische Schäden am Glas und deren Ursachen

72

6.2.3 Bisherige konservatorische und/oder restauratorische Maßnahmen an den Glasscheiben und deren Auswirkungen 6.3 Malschicht

74 75

6.3.1 Beobachtungen zur Maltechnik und zur Farbgebung

75

6.3.2 Typische Schäden an der Malschicht und deren Ursachen

79

6.3.3 Bisherige konservatorische und/oder restauratorische Maßnahmen an der Malschicht und deren Auswirkungen 6.4 Metallauflagen 6.4.1 Technik und Materialien

85 86 86

6.4.2 Typische Schäden an Blattmetallauflage oder Verspiegelung und deren Ursachen

88

Inhalt

7

6.4.3 Bisherige konservatorische und/oder restauratorische Maßnahmen an Blattmetallauflage oder Verspiegelung und deren Auswirkungen . . 88 6.5

Rahmen

89

6.5.1 Technologischer Aufbau

89

6.5.2 Typische Schäden an den Rahmen und deren Ursachen

90

6.5.3 Bisherige konservatorische und/oder restauratorische Maßnahmen an den Rahmen und deren Auswirkungen 6.6 Rückseite 6.6.1 Beschreibung der Materialien und der Montage

91 91 91

6.6.2 Typische Schäden an Rückseitenabdeckungen und deren Ursachen . . 93 6.6.3 Bisherige konservatorische und/oder restauratorische Maßnahmen an der Rückseite und deren Auswirkungen

7.

Naturwissenschaftliche Untersuchungen - Glas

95

7.1

Zusammensetzung von Glas - allgemein

95

7.2

Korrosion von Glas

96

7.3

7.2.1 Einfluss der Glaszusammensetzung auf die Beständigkeit

97

7.2.2 Einfluss des Umgebungsklimas auf die Korrosion von Glas

98

Analysen der Glaszusammensetzung und Untersuchung salzartiger Ablagerungen 7.3.1 Untersuchungsmethode und Beschreibung der Proben

8.

93

99 99

7.3.2 Ergebnisse

100

7.3.3 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse

105

Naturwissenschaftliche Untersuchungen - Malschicht

109

8.1

Untersuchungsmethoden

109

8.2

Ergebnisse

110

8.2.1 Bindemittelanalysen der Konturen

in

8.2.2 Analysen von Bindemitteln, Pigmenten, Blattmetallauflagen und Spiegelbelag 8.2.3 Analyse spezieller Fragen und problematischer Farbbereiche 8.3

112 115

Zusammenfassung und Interpretation der Malschichtuntersuchungen im Vergleich zu Materialangaben in der Literatur

118

8.3.1 Z u den Bindemittelanalysen der Konturen

118

8

Inhalt

8.3.2 8.3.3

9.

Zur Analyse der Bindemittel, Pigmente, Blattmetallauflagen und Verspiegelungen

119

Zur Untersuchung spezieller Fragen

121

Möglichkeiten der Konservierung und Restaurierung der Hinterglasbilder der Freistädter Sammlung

127

9.1

127

Festigung abblätternder Malschichten 9.1.1 Problematik der Malschichtfestigung an Hinterglasbildern Anforderungen an das Festigungsmittel 9.1.2 Eingrenzung der zur Verfugung stehenden Festigungsmittel

128 130

9.1.3 Mikrokristallines Wachs

131

9.1.4 Polymere Acrylharze

133

9.1.5 Anwendungen des Mikrowachses - Bewertung der Handhabung und der Festigungsergebnisse

135

9.1.6 Anwendungen der polymeren Acrylharze — Bewertung der Handhabung und der Festigungsergebnisse 9.1.7 Schlussbetrachtung - Vergleich der beiden Materialien 9.2 Reinigung der Malschichtrückseiten 9.2.1 Verschmutzung der Malschichtrückseite

9.3

137 139 140 140

9.2.2 Abnahme rückseitig aufgeklebter Materialien

141

9.2.3 Reinigung von Amalgamverspiegelungen

142

Kleben gebrochener Hinterglasbilder

142

9.3.1 Anforderungen an das Klebemittel

143

9.3.2 Eigenschaften und Alterungsbeständigkeit der Epoxidharze

143

9.3.3 Möglichkeiten der Durchführung

144

9.4 Konservierung originaler Rahmen

145

9.5 Optimierung des Rückseitenschutzes sowie der Montage der Hinterglasbilder im Rahmen

146

9.5.1 Fixierung der Glasscheibe im Rahmenfalz durch seitliche Abstandhalter 9.5.2 Verbesserung der Rückseitenabdeckung

147 147

9.5.3 Befestigung der Glasscheibe mit der Rückseitenabdeckung im Rahmenfalz 9.6 Retusche

149 149

9.6.1 Malschicht

149

9.6.2 Retuschieren von Blattmetallauflagen

151

Inhalt

9

9.7. Präventive Konservierung Hinweise zur bestandserhaltenden Aufbewahrung und Handhabung von Hinterglasbildern

10. Exemplarische Konservierungen und Restaurierungen 10.1 Hinterglasbild „Maria Hilf', Sandl, 1860-90

151

153 153

10.1.1 Beschreibung des technologischen Aufbaus und des Erhaltungszustandes 10.1.2 Analyseergebnisse entnommener Proben 10.1.3 Konservatorische und restauratorische Maßnahmen 10.2 Hinterglasbild „Hl. Florian", Sandl, 1800-30

153 155 155 159

10.2.1 Beschreibung des technologischen Aufbaus und des Erhaltungszustandes

160

10.2.2 Analyseergebnisse entnommener Proben

162

10.2.3 Konservatorische und restauratorische Maßnahmen

162

10.3 Hinterglasbild „Kruzifix", Sandl, 1800-20 oder 1820-30

165

10.3.1 Beschreibung des technologischen Aufbaus und des Erhaltungszustandes

166

10.3.2 Analyseergebnisse entnommener Proben

169

10.3.3 Konservatorische und restauratorische Maßnahmen

170

Bibliografie

173

Fachwortregister

179

Bildnachweis

185

Vorwort der Herausgeberin

Die vorliegende Publikation basiert auf einer mehrjährigen Beschäftigung der Restaurierklasse der Angewandten mit den Hinterglasbildern des Mühlviertier Schlossmuseums in Freistadt. Angeregt wurde das Projekt bereits 2000 vom Oberösterreichischen Landesmuseum, das auf die Dringlichkeit einer integrierten und interdisziplinären Forschungsarbeit hinwies, wobei die langfristige Erhaltung und Konservierung des Sammlungsbestandes als primäre Aufgabenstellung definiert wurde. Die geplante Sanierung in der Schlosskapelle, dem Ausstellungsort der Sammlung, sollte mit unseren Arbeiten koordiniert und verschränkt werden - eine ideale Ausgangssituation für die Restaurierung und Denkmalpflege. Im Sommer 2002 begannen wir mit einer konservatorischen Bestandsaufnahme der Sammlung, wobei wir technologische, maltechnische Informationen der Gemälde, größtenteils aus dem 19. Jh., aus Sandl, Buchers und Außergefild sammelten, für jedes der circa 500 Objekte Schäden und Erhaltungszustände dokumentierten und auf einen nach Dringlichkeitsstufen geordneten restauratorischen Maßnahmenkatalog hinwiesen. Unsere Dokumentation wurde nach Abschluss der Bestandsaufnahme in die Datenbank des O Ö Landesmuseums eingegliedert. Roberta Renz, die bereits bei der Bestandsaufnahme wesentlich mitgewirkt hatte, entschied nun, sich mit der Freistädter Sammlung ausführlicher zu beschäftigen und das T h e m a im Rahmen ihres Diploms am Ordinariat für Konservierung und Restaurierung weiterführend zu behandeln. Sie bearbeitete in ihrer schriftlichen Arbeit kultur- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte der Hinterglasbilderzeugung im heutigen Grenzgebiet Oberösterreich - Tschechien/Böhmen, schenkte aber besondere Aufmerksamkeit den naturwissenschaftlichen und technologischen Untersuchungen zur Maltechnik der einzelnen Erzeugungszentren. Begleitet wurde sie dabei von Dipl.-Ing. Tanja Bayerova, der Chemikerin unseres Ordinariates, und die vielfältigen Untersuchungen haben wesentliche Erkenntnisse nicht nur zu den unterschiedlichen Herstellungsprozessen und den verwendeten Malmaterialien gebracht, sondern auch Hilfestellung für die kunsthistorische Forschung und Datierung. Für die restauratorische Praxis definierten wir, basierend auf der Bestandsaufnahme, Schwerpunkte der Konservierung. Charakteristische Schadensbilder wurden analysiert und für diese Interventionsvorschläge erarbeitet. Reinigung, Malschichtfestigung, aber auch, und das erachteten wir als Priorität für den Handlungsbedarf, eine modifizierte Montage der Hinterglasbilder in ihren dazugehörigen Rahmen wurden exemplarisch an ausgewählten Sammlungsobjekten umgesetzt.

12

Vorwort der Herausgeberin

Mit ihrer Diplomarbeit setzte Roberta Renz neue Maßstäbe für die Zukunft - es war unser Ziel, von der im Rahmen von Abschlussarbeiten bisher üblichen Restaurierung von Einzelobjekten Abstand zu nehmen und Sammlungen in ihrer Komplexität zu erfassen und für die Denkmalpflege Hilfestellung für die Umsetzung von Pflege- und Erhaltungsstrategien zu leisten. Seit dieser Pionierarbeit sind wir mit Konsequenz diesen Weg weitergegangen, und in den letzten Jahren konnten wichtige Erfahrungen gesammelt werden. Die Überarbeitung und Komprimierung ihrer Diplomarbeit führte zur vorliegenden Publikation, die wir in unserer Reihe „Konservierungswissenschaft. Restaurierung. Technologie" der University Press der Angewandten gemeinsam mit dem Böhlau Verlag realisieren konnten. Ein vorrangiges Ziel der Reihe ist die Veröffentlichung ausgewählter Diplomarbeiten und Dissertationen des Ordinariates für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien; Roberta Renz hat mit ihrer Arbeit den Anfang gesetzt. Wien, im März 2004 Gabriela Krist Herausgeberin und Leiterin Ordinariat für Konservierung und Restaurierung

Danksagung

Verfasserin und Herausgeberin möchten gemeinsam einer Reihe von Personen und Beteiligten fiir die Hilfestellungen und Unterstützungen danken. Herrn Mag. Stefan Gschwendtner (Oberösterreichisches Landesmuseum), der das Projekt initiierte und als leitender Restaurator der Sammlung jederzeit hilfreich zur Verfügung stand. Die Durchführung der Bestandsaufnahme der Sammlung wurde durch die Zusammenarbeit des Mühlviertier Schlossmuseums in Freistadt, des Oberösterreichischen Landesmuseums und des Bundesdenkmalamts mit dem Ordinariat für Konservierung und Restaurierung der Angewandten ermöglicht. Für die unkomplizierte Zusammenarbeit mit den beteiligten Institutionen möchten wir uns bei einigen Personen besonders bedanken: OR Dr. Sarolta Schredl (Bundesdenkmalamt Wien, Abteilung Museen, Bibliotheken, Sicherheit) Fritz Fellner (Mühlviertier Schlossmuseum Freistadt) Mag. Stefan Gschwendtner (Oberösterreichisches Landesmuseum) Dr. Andrea Euler (Oberösterreichisches Landesmuseum) Besonderer Dank gilt den Mitgliedern des Freistädter Museumsvereins: Emil und Edith Vierhauser Dir. Wolfgang Gleis Anna Friesenecker Weiters danken wir Hannes Braun und Veronika Meyer, Hinterglasmuseum Sandl. Großer Dank gebührt den Angehörigen des Instituts für Konservierungswissenschaften und Restaurierung — Technologie an der Universität fiir angewandte Kunst, die diese Arbeit begleitet haben und wesentlich zu ihrem Entstehen beigetragen haben: Dipl.-Ing. Tatjana Bayerova (Ordinariat für Konservierung und Restaurierung) für die Betreuung und Durchführung der Bindemittel- und Pigmentanalysen und die wertvollen Gespräche o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Alfred Vendl, Leiter des Ordinariats fiir Technische Chemie Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Rudolf Erlach für die Durchführung der zahlreichen Analysen am Rasterelektronenmikroskop

14

Danksagung

Univ.-Ass. Prof. Dr. phil. Johannes Weber Mag. Eva Jörg Dipl.-Ing. Karol Bayer Gerhard Ramsebner Gerhard Brandstötter Für die wertvollen Gespräche möchte ich mich bei folgenden Restauratoren bedanken: Mag. Claudia Magin Mag. Simone Bretz Mag. Corinna Haff Mag. Hans-Jörg Ranz Franz Leonhard Schott (Bayerisches Nationalmuseum, München) Mag. Christoph Waller

Wien, im März 2004 Roberta Renz

Gabriela Krist

Einleitung

Die volkstümlichen, hüttengewerblichen Hinterglasbilder aus Sandl (Oberösterreich) und Buchers (Südböhmen) stellen einen faszinierenden Bestandteil der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Geschichte dieser Region dar. Steht doch hinter den heute begehrten Sammlerobjekten eine über Jahrzehnte andauernde, durchdachte Industrie aus arbeits- und materialsparender, serieller Produktion und weitreichendem Vertrieb, deren Erfolg heute von besonderem volkskundlichem Interesse ist. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema begann mit der konservatorischen Bestandsaufnahme der Hinterglasbildersammlung des Mühlviertier Schlossmuseums, worauf später eine intensive Beschäftigung im Zuge einer Diplomarbeit an der Universität für angewandte Kunst, Wien, Ordinariat für Konservierung und Restaurierung, folgte. Die Freistädter Sammlung, welche die größte Hinterglasbildersammlung dieser Art in Österreich ist, beherbergt vorwiegend im 19. Jh. entstandene Hinterglasbilder aus Sandl und Buchers. Mit einigen Objekten ist auch der Hinterglasort Außergefild (Südwestböhmen) vertreten, außerdem werden Einzelstücke unterschiedlicher Herkunft präsentiert. Die für Restauratoren und für die Bestandserhaltung notwendigen Informationen, wie die Technologie, Materialien, Schäden bzw. Erhaltungszustand, wurden für jedes Hinterglasbild der Freistädter Sammlung dokumentiert. Ein gesamtes Kapitel des vorliegenden Buches ist dieser Problematik gewidmet. Während dieser Arbeit in Freistadt zeigte sich bald eine gewisse Tendenz in der Art der Schäden und deren Häufigkeit, außerdem konnte ein Uberblick über die von den Hinterglasmalern verwendete, stark eingeschränkte und über Jahrzehnte einheitliche Farbpalette gewonnen werden, die offenbar auch problematische, immer wiederkehrende Pigmente oder Bindemittel aufweist. Auch die Auswirkungen bereits früher getätigter, konservatorischer oder restauratorischer Eingriffe konnten beobachtet werden und als Basis für die Formulierung der Kriterien künftiger Methoden und Materialien angenommen werden. Um die Entwicklung und die Charakteristika dieser Hinterglasbilder aus Buchers, Sandl und Außergefild nachvollziehen zu können, war es unumgänglich, sich ausführlich mit der Ausgangslage zu befassen, was in den ersten Kapiteln der Arbeit dargelegt ist. Neben dem sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Aspekt der Geschichte dieser Objekte galt besondere Aufmerksamkeit dem Vorhandensein überlieferter Beschreibungen der Arbeitsweise, der Techniken und Materialien. Daher wird in diesem Buch, ergänzend zu bisherigen Publikationen zu diesem Thema, das Hauptaugenmerk auf die Materialtechnologie der Hinterglasbilder sowie auf typische Schadensbilder und deren Mechanismen gelegt.

16

Einleitung

Die ausführlichen naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Malschicht und des Glases dienen ebenfalls dazu, überlieferte Materialangaben zu überprüfen und bestimmte Schadensphänomene nachvollziehen zu können. Es wurden möglichst Materialien und Schadensbilder untersucht, die tendenziell beim Großteil der Objekte zu beobachten waren. Auch die Überlegungen zu den Vor- und Nachteilen möglicher konservatorischer und restauratorischer Maßnahmen in dieser Arbeit sind sammlungsspezifisch. Zunächst dient das Buch als ergänzende Informationsquelle für Kenner und Sammler von Hinterglasbi^dern. Darüber hinaus konzentriert es sich auf die Vermittlung von technologischen Aspekten und Schäden der verwendeten Materialien, nicht umsonst wurde die Publikation von einer Restauratorin verfasst. Ein Kapitel der Arbeit beschäftigt sich mit Aspekten der Handhabung und Aufbewahrung von Hinterglasbildern, im Besonderen wurde auf die Gegebenheiten der Freistädter Sammlung eingegangen. Zum anderen richtet sich die Arbeit an Restauratorenkollegen, die sich der Konservierung und Restaurierung von Hinterglasbildern widmen. Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen und Auflistungen möglicher konservatorischer Maßnahmen sowie die wiedergegebenen Erfahrungen bei der Restaurierung dreier Objekte der Freistädter Sammlung werden hier als eine Option bei der Behandlung vorgestellt.

i. Hinterglasmalerei

I.I ALLGEMEINES ZUR TECHNIK

Die mit unterschiedlichsten Bindemitteln aufgebrachte Malerei eines Hinterglasbildes wird von der unbemalten Glasseite, also durch den transparenten Bildträger hindurch, im Auflicht betrachtet. Dies bedingt ein Umkehren der Maltechnik bzw. des Malschichtaufbaus: Feine Details, Weißhöhungen eines Faltenwurfs, die Augen eines Gesichts werden zuerst aufgetragen, gefolgt von umgekehrt abfolgenden Nuancen der Schattierung. Diese maltechnischen Schwierigkeiten sind bei den schlicht aufgebauten, volkstümlichen Hinterglasbildern kaum gegeben, während man bei hochqualitativen, künstlerischen Einzelstücken dieser Gattung, die sowohl mit opaken als auch lasierenden Schichten arbeiten, das maltechnische Kalkül bewundern muss, denn nachträgliche Korrekturen sind in der Hinterglasmalerei kaum möglich. Hinterglasmalereien brillieren durch ihre beständige Farbkraft. Das Glas verleiht der Malschicht Tiefenlicht, schützt sie vor Verschmutzung und verhindert teils auch die Gilbung der Farben1. Es haben sich unterschiedliche, zum Teil sehr effektreiche Techniken in der Hinterglasmalerei entwickelt, die hier nur beispielhaft erwähnt seien, da die in dieser Arbeit behandelten Objekte keine dieser Techniken beinhalten: Neben der farbigen Hintermalung existieren bereits seit Anbeginn dieser Technik auch Blattmetallauflagen hinter Glas. Werden diese mit feinen Nadeln radiert und farbig hinterlegt, spricht man von Hinterglasradierung. Es wurden aber auch reine Farbradierungen hinter Glas angewandt, die durch das Ritzen einer Darstellung in eine Farbschicht und das anschließende andersfarbige Hinterlegen derselben wirken. Die Hinterglastechnik ermöglicht auch das Integrieren aufgeklebter Malereien in eine Bildkomposition, welche durch das Glas hindurch optisch kaum von der echten Malerei zu unterscheiden sind. Bei dieser sog. trügerischen Hinterglasmalerei2 wird die Darstellung 1

Die hauptsächlich für das Gilben verantwortlich gemachte UV-Strahlung wird durch das Glas teilweise ausgefiltert. Seggermann merkt außerdem an, dass sich eventuell gilbende Bindemittel an der rückseitigen Oberfläche des Glases anreichern würden und somit fiir den Betrachter nicht sichtbar wären. Seggermann, Natalia: Festigung von blätternden Malschichten an Hinterglasbildern am Beispiel von „Menschen am Fluß", 1913 von Carlo Mense. Diplomarbeit an der Fachhochschule Köln, Fachbereich Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut, 2000, S. 34.

2

Ryser, Frieder: Verzauberte Bilder, Die Kunst der Malerei hinter Glas von der Antike bis zum 18. Jahrhundert. Klinkhardt & Biermann, München 1991, S. 29.

18

i. Hinterglasmalerei

oder das Motiv zuvor auf einem Material mit glatter Oberfläche (Papier, Seide oder auch Glas) aufgemalt und anschließend mit unterschiedlichen Klebemitteln möglichst ohne Luftzwischenraum mit dem Glas verbunden.

1 . 2 G E S C H I C H T E DER H I N T E R G L A S M A L E R E I 3

Hinterglasmalereien und Blattmetallauflagen hinter Glas sind seit der Antike in jeder Stilepoche, nicht nur in Europa, sondern auch in China, Indien, Persien oder der Türkei zu finden. An der Technik hat sich im Laufe der Jahrhunderte nur wenig geändert (abgesehen von den Fortschritten in der Erzeugung von Flachglas), der Verwendungszweck und die Bedeutung der Hinterglasmalerei jedoch ändern sich zeitlich wie regional. Dienten die frühen kleinformatigen Glasscheiben noch häufig zur Imitation von Emailzierrat oder als Einlage in Altären, Kreuzen oder Reliquiaren, entwickelte sich das Hinterglasbild im Laufe der Jahrhunderte sowohl zum künstlerisch hochwertigen, eigenständigen Werk, als auch zum, durch Reproduktion seriell gefertigten, für jedermann erschwinglichen Volkskunstgegenstand. Zu den frühesten Hinterglasarbeiten werden die sog. Zwischengoldgläser oder fondi d'oro der frühchristlichen Kunst des 4. und 5. Jh. n. Chr. gezählt, obwohl deren Technik noch wesentliche Unterschiede zur heute bekannten Hinterglasmalerei aufweist. Es ist jedoch deutlich, dass sich die ersten echten Hinterglasobjekte aus diesem Materialstil heraus entwickelt haben. Die Zwischengoldgläser wurden durch das Aufbringen von Blattgold auf einen Glasgrund, Einritzen einer Darstellung und abschließendem Aufschmelzen einer dünnen, schützenden Glasschicht hergestellt. Man nimmt an, dass sich diese in Theophilus' schedula diversarium beschriebene Technik in Byzanz erhalten hat und von dort im mittelalterlichen Italien ihre Fortsetzung fand. In den folgenden Werken des 13. Jh. wurde vorwiegend ornamentaler Dekor in das, auf das Glas aufgebrachte, Blattgold geritzt und farbig hinterlegt. Viele dieser frühen Anwendungen der Hinterglastechnik gründen auf dem Wunsch, Emailarbeiten zu imitieren, so auch diese kleinformatigen, rein ornamental gestalteten Glasscheiben. Wenig später entstehen jedoch schon figürliche Darstellungen hinter Glas, wie bereits erwähnt meist noch als Einlage in liturgischem Gerät. Beispiele mit eingelassenen Hinterglasarbeiten sind unter anderem die zwischen 1265—1269 entstandene Domkanzel des Niccolö Pisano in Siena

3

Ritz, Gislind: Hinterglasmalerei, Geschichte, Erscheinung, Technik. Verlag Callwey München, 2. Aufl. 1975, S. 8-13.

1.2 Geschichte der Hinterglasmalerei

19

oder nördlich der Alpen ein mit kleinen Scheiben besetztes Kästchen aus dem Dominikanerkloster Adelhausen aus dem 14. Jh. Mit der Möglichkeit, größere Glastafeln herstellen zu können, gewinnt auch das Hinterglasbild mehr an Bedeutung und entwickelt sich bis zum Ende des 15. Jh. zum eigenständigen Kunstwerk. Es ziert nun vor allem in Florenz und Umbrien als zentrales Heiligtum Hausaltäre oder Kusstafeln. Die Möglichkeit, grafische Vorlagen auf das Glas zu übertragen und mehrfach zu verwenden, führte bereits in der Renaissance in Italien zur seriellen Produktion von Hinterglasbildern nach grafischen Werken führender Künstler, vor allem jenen Albrecht Dürers. Seit der Renaissance entstehen beide Typen der Hinterglasmalerei, das künstlerisch und technisch hochwertige Einzelwerk sowie die nach Vorlagen flüchtig ausgeführte Mengenoder Massenware, nebeneinander in allen europäischen Ländern. Besondere Erwähnung, im Hinblick auf ersteren Hinterglastypus, gebührt dem aus Zürich stammenden Maler Hans Jakob Sprüngli (1559-1616), der zu Beginn des 17. Jh. die Hinterglasmalerei technisch zu ihrem Höhepunkt fuhrt. Mit von Motiv zu Motiv variierenden Techniken unter der Verwendung radierter Blattmetallauflagen oder partieller Pergamentapplikationen verleiht er seinen mythologischen Szenen unwirkliche Plastizität und Leuchtkraft, ganz nach dem Geschmack des ausklingenden Manierismus. Der Schweizer Hans Conrad Gyger (1599—1674) schuf ähnlich technisch ausgereifte Hinterglaswerke, darunter auch Schalen und Humpen mit gläserner Doppelwandigkeit, wie sie eigentlich häufiger von Sprüngli in Zusammenarbeit mit führenden Goldschmieden hergestellt wurden 4 . In den folgenden Jahrhunderten entstehen in Frankreich beispielsweise Schäferidyllen oder Ruinenlandschaften hinter Glas, in England schätzt man auch Jagd- und Pferdebilder, in Antwerpen hingegen entwickelt sich durch den Hinterglasmaler Petrus Cornelius Weyts (1799-1855) und dessen Sohn Carolus (1828-1876) ein Zentrum für die Herstellung der nüchternen, detailgetreuen Schiffsbilder hinter Glas5. Eine wichtige Position in der Geschichte der Hinterglasmalerei nimmt das süddeutsche Augsburg des 18. Jh. ein. Durch die Eingliederung der Hinterglasmalerei in das zünftische Handwerk entstehen nach der Mitte des Jahrhunderts unzählige Werkstätten, in welchen Hinterglasbilder seriell für den Export in alle Welt hergestellt wurden. Günstig für diese Entwicklung war auch, dass Augsburg das europaweit größte Zentrum fiir die Erzeugung und den Vertrieb von volkstümlichen Druckgrafiken war. Diese Reproduktionen der beliebtesten Gemälde 4

Farbige Kostbarkeiten aus Glas, Kabinettstücke der Zürcher Hinterglasmalerei 1600-1650. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in München, Bayerisches Nationalmuseum, 29. September bis 5. Dezember 1999 und Zürich, Schweizerisches Landesmuseum, 15. Dezember 1999 bis 12. März 2000. Herausgegeben von Hanspeter Lanz und Lorenz Seelig, S. 101—179.

5

Ebenda: S. 161, Text zu Abb. 132.

20

I. Hinterglasmalerei

bekannter Meister wurden von den Hinterglasmalern als Vorlagen für die Bilderserien verwendet. Durch die enge Beziehung der Hinterglaswerkstätten untereinander und durch die mehr und mehr angestrebte Rationalisierung der Herstellungsprozesse entwickelt sich bis zum Ende des Jahrhunderts ein für Augsburg charakteristischer Einheitsstil. Mit Ende des Jahrhunderts erlischt die weltweit bekannte Augsburger Hinterglasmalerei.6 Diese Tendenz zur massenhaften, minderqualitativen Produktion von Hinterglasbildern nach bekannten Bildwerken besteht in allen künstlerischen Epochen, wird jedoch meist von kunsthandwerklicher Seite betrieben. Die Fertigung der volkstümlichen Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich, die Gegenstand dieser Arbeit sind, wurde hingegen von glastechnischer Seite aus initialisiert. Die typische gestalterische Note resultiert hier aus den Bearbeitungstechniken und Mustervorlagen der Glasveredelung (siehe auch Kap. 3.2 u. 3.3), von einem bewusst angestrebten künstlerischen Stil kann hier nicht die Rede sein. Beachtung durch die Stilkunst fand die, generell zu dieser Zeit verachtete, volkstümliche Hinterglasmalerei im 20. Jh. durch die Künsder der Gruppe des „Blauen Reiter". Wassily Kandinsky (1866-1944) und Gabriele Münter (1877-1962) lebten in dem ehemaligen Hinterglasmalereizentrum Murnau in Oberbayern und fanden in den volkstümlichen Hinterglasbildern des vorigen Jahrhunderts eine Anregung für das gestalterische Arbeiten frei von ästhetischen Zwängen. Gemeinsam mit Franz Marc, August Macke und Alexej Jawlensky übten sie sich in dieser Technik.

6

Ebenda: S. 12-13.

2. Glaserzeugung im Böhmerwald und im oberösterreichischen Mühlviertel

2 . 1 ALLGEMEINES Böhmen war bereits seit dem 16. Jh. eine der bedeutendsten Glaserzeugungsstätten Europas und übertraf durch die Erfindung des farblosen Kreideglases und durch meisterhaft ausgeführte, geschliffene Bleikristallgläser in der 2. Hälfte des 17. Jh. die Glasproduktionen Venedigs. Die Glaserzeugung und der Handel mit Glaswaren florierten bis in die Mitte des 19. Jh., wurden dann durch starke Konkurrenz aus Frankreich, Belgien, England sowie durch Absatzschwierigkeiten geschwächt 1 . M i t den ersten Steinkohlefeuerungen und der Einführung des Regenerativgasofens von Siemens 2 im Jahr 1856 wurde die Errichtung industrieller Großbetriebe an verkehrsgünstig gelegenen, wirtschaftlich aufstrebenden Standorten ermöglicht 3 , die Hüttenstruktur löste sich gegen Ende des 19. Jh. auf. Die seit dem Mittelalter erwiesene Errichtung von Glashütten inmitten der unberührten Wälder Böhmens führte besonders ab dem 16. und 17. Jh. zur eigentlichen Besiedlung dieser Region. Neben dem quarzhältigen Gestein (Granit, Gneis, Quarzglimmer) war das Holz des Waldes der wichtigste Rohstoff für die Glasherstellung. Unmengen an Holz wurden für die Feuerung der Ofen und die Erzeugung der Pottasche benötigt (bis ins späte 19. Jh. diente Holzkohle als Brennstoff der Glashütten). 4 Die Rodungen des Urwaldes durch die Glashütten ermöglichten erst landwirtschaftlichen Anbau und somit gewährleistete Nahrungsversorgung als Voraussetzung für eine Besiedlung. Die Grundbesitzer im Böhmerwald, adlige Geschlechter oder Stifte, förderten die gewinnbringende Glasproduktion und sicherten sich gleichzeitig die eigene repräsentative Ausstattung mit gläsernen Kostbarkeiten und Gebrauchsgegenständen. In Südböhmen

1

Aigner, Hermine: Forschungs- und Dokumentationsprojekt. Die Hinterglasmalerei in Sandl/Buchers. Ein Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des südböhmisch-österreichischen Raumes. Hinterglasmuseum Sandl, Verein zur Förderung der Region Sandl/Unteres Mühlviertel, 4251 Sandl, S. 22-23.

2

A B C Glas, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1991, S. 214: „Mit Hilfe der Regenerativheizung lassen sich die praktisch erreichbaren Verbrennungstemperaturen wesentlich erhöhen und je nach Größe und Konstruktion der Regeneratoren erhebliche Brennstoffmengen einsparen."

3

Knaipp, Friedrich: Volkstümliche Hinterglasbilder des 18. und 19. Jahrhunderts. In: Österreichischer Volkskundeatlas, Linz (1. Lfg. 1959), XV, B. 10-13.

4

Knaipp, Friedrich: Hinterglasbilder aus Bauern- und Bergmannsstuben des 18. und 19. Jahrhunderts. Verlag J. Wimmer, Linz 1963, S. 11.

22

2. Glaserzeugung im Böhmerwald und im Mühlviertel

waren dies die Herrschaft Rosenberg und Gratzen, zu welchen später das Adelsgeschlecht der Buquoy konkurrierend hinzukam. In Nordböhmen waren hingegen die Glashütten der Herrschaft Harrach fiir ihre hochqualitativen Erzeugnisse bekannt. Im nordwesdichen Oberösterreich, an der Grenze zu Bayern, wurden vom Stift Schlägl zahlreiche Glashütten betrieben.5 Die Glashütten wurden von den jeweiligen Grundherren zu festgelegten Bedingungen bezüglich des Holzverbrauchs und des zur Aschenerzeugung zu verwendenden Holzes, des Erhalts des Wild- und Fischbestands, der zugesagten Viehhaltung usw. an den Hüttenmeister verpachtet. Welche dominante Präsenz eine in Betrieb stehende Glashütte in ihrer Umgebung hatte, beschreibt Franz Haudum eindrucksvoll: „ Glashütten konnte man früher • von weitem sehen durch die aufiteigenden Rauchsäulen; • von weitem riechen wegen des beißenden Geruchs der verkohlenden Aschengruben und stehend verglasenden Aschenbäume; • von weitem hören durch das ewig dumpfe Dröhnen der Stampfsäulen des Kiespochers. "6

2 . 2 ROHSTOFFE

2.2.1 Quarz Der Rohstoff, der die eigentlich glasbildende Verbindung Siliciumdioxid enthält, wurde als Sand oder Kies aus Bächen oder Sandgruben gewonnen oder in Steinbrüchen abgebaut. 7 Um das Gestein zu schmelzen, bedurfte es neben den Flussmitteln zur Herabsetzung des Schmelzpunktes noch einer speziellen mechanischen Aufbereitung: der Zerkleinerung bzw. Zermahlung im Pochwerk. Da der „böhmische Kies" scheinbar besonders schwer zu brechen war8, wurde er zuvor durch Glühen und anschließendes Abschrecken mit Wasser spröde und mürbe gemacht. Ein Pochwerk bestand aus unterschiedlich vielen Stampfsäulen oder Stempeln, die an ihrem Ende mit Eisenschuhen oder, wenn Verunreinigungen durch das Eisen unbedingt 5

Panenkovä, Düna: Südböhmisches Glas vom 14. bis zum zo. Jahrhundert. In: Glas aus dem Böhmerwald. Katalog zur Ausstellung im Schlossmuseum Linz 1994, S. 8-11.

6

Haudum, Franz: Aschen, Saltz und Kis . . . . Ein Blick in die gläserne Vergangenheit des Mühlviertels. In: Glas aus dem Böhmerwald. Katalog zur Ausstellung im Schlossmuseum Linz 1994, S. 21.

7

Haudum, Franz: Linz 1994, S. 25.

8

Stein, W.: Die Glasfabrikation. Braunschweig 1862, S. 39.

2.2 Rohstoffe

23

verhindert werden sollten (bei der Herstellung von Kristall- oder Spiegelglas), mit Quarzstücken versehen waren.9 Inventarangaben bei der Übergabe von Glashütten nennen stets eine sog. Pochhütte oder einen Pucher, z. B. übergibt die ehemalige Pächterin der Hirschensteiner oder Tiefen thaler Hütte Anna Maria Eisner diese samt „... dem Pucher mitfünf Stampfen, Sandtruhen und Sieben, 2 Flusskesseln und Bottichen, dazu Blechtafeln und Eisenwerk, auchMödel und die zugehörigen Instrumente".'0 Auch dem Kalk, dritter grundlegender Rohstoff der Glaserzeugung, wurde im Pocher die nötige Feinkörnigkeit gegeben.

2.2.2 Flussmittel Um den Schmelzbereich des Quarzes (ca. 1700 °C) auf ein, für die damaligen technischen Möglichkeiten, erbringbares Maß zu senken, wurde dem Gemenge ein Flussmittel zugesetzt." Venedigs Glasmachern stand dazu Soda (Natriumcarbonat), erzeugt aus der Asche von Meeres- und Strandpflanzen, zur Verfugung, welches die Produktion völlig farblosen, kristallklaren und gut formbaren Glases ermöglichte. Die industrielle Erzeugung von Natriumcarbonat wurde erst 1861 durch das Solvay-Verfahren11 ermöglicht, bis dahin musste die aus Pflanzenasche erzeugte Soda teuer aus Triest importiert werden. Daher nimmt in Böhmen den größten Anteil der schmelzbeschleunigenden Zusätze die Pottasche (Kaliumcarbonat) ein. Diese wurde aus der Asche der in Nordeuropa zur Verfugung stehenden Bäume, Sträucher und Pflanzen gewonnen. Die Herstellung erfolgte in vier wesentlichen Arbeitsschritten :13 • Aschenbrennen: die Art des verbrannten Holzes bestimmt die Qualität der späteren Pottasche, da unterschiedliche Pflanzenarten unterschiedlich viel Kalium enthalten. Es wird in Böhmens Glashütten zwischen hochwertiger „Baumasche" und minderer „Flussasche" unterschieden. Für Erstere wurden nur kernfaule Tannen ausgewählt, deren Kern stehenden Stammes ausgebrannt wurde14. Der im 17. Jh. lebende Glasmacher 9

Ebenda: S. 39.

10

Blau, Josef: Die Glasmacher im Böhmer- und Bayerwald. II. Band: Familienkunde. Morsak Verlag Grafenau 1984, Reprint der 1. Aufl. von 1956, S. 49.

11

Die genaue Wirkungsweise dieser Alkaliionen auf das SiO^-Netzwerk wird in Kapitel 7 erläutert.

12

Synthetische und erstmals vergleichsweise ökonomische Herstellung von N a C O j .

13

Hohenstein, Adolf: Die Pottaschen-Fabrikation für Waldbesitzer und Forstmänner. Wien 1856, S. 79.

14

Haudum, Franz: Linz 1994, S. 23. Meßner, Josef: Hantierer im Böhmerwald. In: Josef Meßner. Ausgewählte Werke. Hrsg. von Paul Meßner, Band VII., Wien 1897, S. 301: „ . . . leuchtende Feuersäulen der brennenden Baumtitanen des Waldes . . . "

24

2. Glaserzeugung im Böhmerwald und im Mühlviertel

und Alchimist Johann Kunckel schreibt hingegen, dass aus Hartholz wie Birke, Buche oder Eiche die beste Asche gewonnen werde.'5 Außerdem sei „Winter-Asche" besser als „Sommer-Asche", „denn im Sommer pflegen die Leute viel Stroh und Laub zu verbrennen, welches keine Pott-Asche giebt". „Flussasche" wurde aus gerade verfugbarem Holz erzeugt oder von Großbetrieben wie den Brauereien oder den Herdstätten der Bauern angekauft' 6 . • Auslaugen der Asche: mehrmaliges Ubergießen mit Wasser, um den wasserlöslichen Gehalt der Asche, die Kalilauge, von den nicht wasserlöslichen Bestandteilen bzw. Verunreinigungen durch Extraktion zu trennen. • •

Einsieden der Lauge: durch Verdunsten des Wassers erhält man ein braunes Salz. Kalzinieren: Glühen der noch verunreinigten Pottasche über mehrere Tage, um sie von organischen Resten zu befreien. Außerdem wird dabei konstitutionell gebundenes Wasser und Kohlendioxid aus Hydrogencarbonaten entfernt, es entsteht das gewünschte Kaliumcarbonat.' 7

Der Name „Pottasche" leitet sich von der früheren Zubereitung der Asche in sog. „Pötten" ab. Im 19. Jh. bezogen manche der böhmischen Glashütten dieses Flussmittel von Pottaschefabriken, in den meisten Hütten jedoch wurde es selbst hergestellt. Manche Hütten verfugten dazu über einen abgelegenen Aschenwald, in welchem der Aschenbrenner das vom Grundbesitzer zugewiesene Holz' 8 aufarbeiten konnte. Da Aschenbrennen nicht bei allen Hütten möglich bzw. erlaubt war und die hochwertige „Baumasche" wegen ihres hohen Preises nur einen Teil des notwendigen Flussmittels ausmachte, mussten also viele Hüttenmeister Asche zukaufen. In solch einem Fall war es jedoch nicht möglich, die qualitätsbestimmenden Ausgangsmaterialien der Asche zu kontrollieren. Die zugekaufte Asche wurde an der Hütte vom „Flusssieder" auf die übliche Weise mit Wasser angesetzt, eingedampft und kalziniert. Pottasche war jedoch nicht das einzige von den böhmischen Glasmachern verwendete Flussmittel (siehe auch Glasanalysen in Kap. 7).

15

Kunckel, Johannes: Ars vitraria experimentalis oder die vollkommene Glasmacher-Kunst. Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich, New York 1992, S. 320: ,yon hartem Holze/ als Eichen/ Birckenen und Buchenen/ kömt die beste Asche/ und gibt mehr Pott-Asche als weiches."

16

Haudum, Franz: Linz 1994, S. 23

17

A B C Glas, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1991, S. 152.

18

„Das für den Betrieb nötige Bau- und Brennholz durfte der Pächter den stiftlichen Wäldern entnehmen, zum Aschenbrennen wurde ihm alles liegende Holz und die angefaulten oder dürren Bäume zugewiesen." Aus: Krinzinger, Florian: Das Stift Schlägl und seine Glashütten. In: Heimatgaue. Zeitschrift für oberösterreichische Geschichte, Landes- und Volkskunde, Linz 1920/21, 2. Jahrgang, 5. und 6. Heft, S. 221.

2.2 Rohstoffe

25

Eine gewisse Menge Soda haben die böhmischen Glasmacher scheinbar dennoch importieren lassen, wie dies von der Schlägler Glashütte im Sonnenwald überliefert ist: Pottasche wurde aus Wien, Soda aus Triest und ,Arsenik" aus Linz angeliefert.'9 Auch in den „Vorschriften zu Glassätzen, wie sie auf verschiedenen Hütten wirklich benutzt wurden" von Stein20 wird häufig Soda genannt. In Böhmens Glashütten wurde seit der Wende zum 19. Jh. offenbar auch Glaubersalz (Natriumsulfat) als Flussmittel in der Glasherstellung eingesetzt.21 In Steins „Glasfabrikation" wird mehrmals auf das Glaubersalz als alternatives Flussmittel hingewiesen und berichtet, dass dieses Salz in vielen französischen Glashütten die Soda bereits völlig ersetzt habe 22 . Dass sich das komplizierter zu verarbeitende und unergiebigere Glaubersalz gegenüber der Soda so durchsetzen konnte, liegt an dem um die Hälfte billigeren Einkaufspreis. Ein Hinweis auf die Verwendung von Glaubersalz in den böhmischen Glashütten findet sich auch bei Josef Blau 23 , der von der Glashütte zu Neubrunst berichtet, dass sie „ . . . wegen schlechter Arbeit und noch weiter wegen schlechten Glaubersalzes großen Schaden erlitten . . . " habe.

2.2.3 Entfärbungsmittel- Glasmacherseifen Grünliche Färbungen des Glases resultieren nicht aus dem verwendeten Flussmittel, sofern dieses von hoher Qualität, also möglichst rein ist. Sowohl mit der Soda Venedigs als auch der Pottasche Böhmens war die Erzeugung von farblosem Glas möglich. Dennoch werden z. B. im Ubergabeprotokoll der „Ringlhütte" (Gemeinde Liebenau, bei Sandl) „grüne Waldscheiben" neben „durchsichtigen Glasscheiben" erwähnt24. Für die Erzeugung Ersterer wurde möglicherweise nicht aufbereitete, verunreinigte Pflanzenasche verwendet. Treten trotz hochqualitativem, reinem Flussmittel grünliche Färbungen des Glases auf, so werden diese durch Eisenverunreinigungen im Quarz hervorgerufen. Da eine gewisse Verunreinigung kaum auszuschließen war, wurden der Glasmasse „Glasmacherseifen" zur Entfärbung beigegeben. Dazu bediente man sich in den böhmischen Hütten hauptsächlich des Braunsteins (Manganmineral) oder des Arseniks (Arsen-

19

Ebenda: S. 233.

20 Stein, W.: S. 40-51. 21

Haudum, Franz: Linz 1994, S. 24. Glaubersalz wurde von Johann Rudolf Glauber (1604-1670) als Medikament entdeckt.

22

Stein, W.: S. 32-33.

23

Blau, Josef: S. 19.

24

Haudum, Franz: Die Mühlviertlej Glashütten. In: Hinterglassymposion 1990 und 1991, Publikation des Hinterglasmuseums Sandl, S. 16

26

2. Glaserzeugung im Böhmerwald und im Mühlviertel

trioxid, As 2 C)3). 1s Diese Glasmacherseifen erzeugten jedoch bei schlecht dosierter Zugabe selbst wieder einen charakteristischen Farbstich.

2.3 GLASHÜTTENBETRIEB -

PRODUKTE

Das Areal einer Glashütte beinhaltete neben dem Werksgebäude mit externen „Pochhütten", „Aschensiedereien" und „Kalzinierhäusern" 26 auch Wohnhäuser für die Arbeiter und, je nach Art des Endproduktes, weitere Gebäude für das Schleifen, Gravieren, Polieren oder Verspiegeln des Glases (z. B. besteht die Erlanger Fabrik bis 1838 aus 14 Gebäuden mit 150 Polierblöcken und 16 Schleifständen 17 ). In den Glashütten des 18. und 19. Jh. kam jedem Arbeiter eine bestimmte Aufgabe zu, welcher er in Schichtbetrieb nachkommen musste: so werden in den Archivalien Aschenoder sog. Flusssieder, Schürjungen, Glasmacher, -bläser, -Strecker, -Schneider, -polierer, Glaseinpacker oder -einbinder usw. genannt. Erzeugt wurden nicht nur die heute berühmten geschliffenen Bleikristallgläser, sondern eine Vielfalt von Glasprodukten, zum einen wissenschaftliches Gerät, wie die gläsernen Gehäuse für Barometer, Uhren, Kompass usw., zum anderen Glaswaren für den Hausgebrauch, wie z. B. Schnupftabakdosen und natürlich Flachglas. Die bei Josef Blau häufig erwähnten „Patterlnfabriken" erzeugten bestimmte Glasperlen, sog. „Patterln", „Beteln (Paternosterbeteln)", die fassweise an seefahrende Länder geliefert wurden, welche die Glasperlen als begehrtes Tauschmittel für den Handel mit „wilden Völkern" verwendeten.28 Viele der zahlreichen Glashütten haben sich ganz auf die Produktion von Spiegeln spezialisiert. Hierfür benötigte man neben einem möglichst farblosen, blasenfreien Glas, welches aufwendig geschliffen und poliert wurde, Folienschläger fiir die Erzeugung der Zinnfolie und Beleger, welche letztendlich die Verspiegelung aufbrachten. 29 Vor der Verspiegelung wurde das bereits polierte Glas auf fehlerhafte Stellen überprüft und von den sog. „Dusiererinnen" bei Bedarf nachpoliert bzw. „dusiert". 30

25

Haudum, Franz: Linz 1994, S. 25.

26 Blau, Josef: Die Begriffe stammen aus den Beschreibungen der Glashütten, werden jedoch nicht genau definiert. Wie die einzelnen Gebäude aussehen und wie der Arbeitsablauf funktioniert, ist nicht erläutert. 27

Ebenda: S. 68.

28

Ebenda: S. 158 und S. 176.

29

Zur Technik des Verspiegelns siehe Kapitel 4.

30

Blau, Josef: S. 38: „Das Dusieren = Nachpolieren fehlerhafter Stellen im bereits polierten Spiegelglas. Es wird von Frauenzimmern in deren Wohnräume besorgt. Das Wort wird auch ,tussieren' geschrieben."

2.4 Glasveredelung

27

2.3.1 Herstellung von Flachglas Das hauptsächlich geübte Verfahren dürfte, betrachtet man die Scheiben der Hinterglasbilder dieser Region, das Zylinder-Blas-Verfahren gewesen sein. Bei dieser vermutlich bereits seit 300 n. Chr. bekannten Technik 31 wurde die Glasmasse in eine walzen- oder zylinderartige Form geblasen. Dazu musste der Glasbläser die Glasmacherpfeife hin und her schwingen, um die anfängliche Kugelform zu strecken. Die Enden der Form wurden abgesprengt, der Zylinder der Länge nach aufgeschnitten und in den Streckofen gelegt. Durch leichtes Erhitzen und Ausklappen bzw. Niederlegen der hochstehenden, geschnittenen Kanten mit einem Holz- oder Eisenwerkzeug entstand eine flache, rechteckige Scheibe. Z u erkennen sind solche Scheiben vor allem an den lang gestreckten, spitz-spindelförmigen Bläschen. Ein Vorteil dieses Verfahrens ist, neben der Möglichkeit Glasscheiben von geringer Schichtdicke zu erzeugen, dass beide Seiten des Tafelglases glänzend bleiben, im Unterschied zum früheren Guss- oder Streichverfahren.

2 . 4 GLASVEREDELUNG Ein Merkmal des nicht genau definierten Bereichs der „Glasveredelung" ist, dass die dazugehörigen Techniken in der Regel selbstständig und unabhängig vom Glashüttenbetrieb ausgeführt werden. Stein 31 bemerkt, dass die „Glasvollendung und -Verzierung" streng genommen nicht zur Glasfabrikation gehören. Die Spiegelglaserzeugung bildet hier jedoch eine Ausnahme, da das Schleifen, Polieren und Belegen des aus besonders qualitativen Ausgangsstoffen hergestellten, farblosen Glases hier nicht dekorativen Zwecken dient, sondern eine unverzichtbare Grundvoraussetzung für die Erzeugung eines Spiegels ist. Eigenständige Gewerbe waren wohl vor allem das Schleifen oder Kugeln, Schneiden, Bemalen und Vergolden von Glas. Beim Schleifen und Kugeln wird im Gegensatz zum Schneiden mehr Substanz abgetragen, die entstehenden Formen sind gröber. Die durch das Werkzeug rau und opak erscheinende Glasoberfläche erhält durch anschließendes Polieren wieder ihren Glanz und somit die entsprechende Lichtbrechung und -reflexion zurück. Auf diese Weise werden die Bleikristallgläser erzeugt. 31

Ryser, Frieder: Glanzlichter, Die Kunst der Hinterglasmalerei. Publikation anlässlich der Ausstellung im Museum in der Burg Zug vom 26. November 2000 bis 3. Juni 2001, Hrsg. Schweizerisches Forschungszentrum zur Glasmalerei Romont, Benteli Verlag Bern 2000, S. 209.

32

Stein, W.: S. 209f.

28

2. Glaserzeugung im Böhmerwald und im Mühlviertel

Die beim Glasschneiden oder -gravieren erzeugten matten Oberflächen werden zur Verdeutlichung des Motivs beibehalten bzw. durch Schneidräder aus unterschiedlich grobem Material noch weiter optisch differenziert. Diese Technik ermöglicht die Darstellung verschiedenster feiner Formen wie Blumen und Figuren auf dünnwandigen Glasbechern.33 Das Bemalen von Glas geschieht, wenn nicht ausdrücklich die Rede von Hinterglasmalerei oder „kalter" Bemalung ist, mit pulverförmigem niedrigschmelzendem Glas, welches mit Metalloxiden gefärbt ist. Für den Auftrag mit dem Pinsel wird es mit einem organischen Bindemittel angerührt. Durch das anschließende Brennen des bemalten Glases verbrennen die organischen Substanzen des Bindemittels, das farbige Glaspulver schmilzt und verbindet sich so mit dem Glasuntergrund. Ahnlich wird beim Vergolden von Glas vorgegangen, das in Schwefelbalsam und Ol aufgelöste, flüssige Gold bleibt nach dem Brennen als dünnes, glänzendes Goldhäutchen auf dem Glas zurück.34

33

Neuwirth, Waltraud: Glas 1905-1925. Band IV: Kleine Technologie. Selbstverlag Dr. Waltraud Neuwirth, Wien 1988, S. 1 6 3 - 1 6 7 und 173.

34

Ebenda: S. 203-208.

3. Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich sozial- und wirtschaftsgeschichdiche Ausgangslage

3 . 1 ZUR GESCHICHTE DER ERFORSCHUNG DIESES THEMAS Die systematische Erforschung der sozialen, technischen und stilistischen Hintergründe der vielerorts bekannten, zu Beginn des 20. Jh. jedoch auch in der ehemaligen Abnehmerschicht geschmähten „bäuerlichen" Hinterglasbilder aus Böhmen, Bayern und Oberösterreich begann in den 30er Jahren mit Heinrich Buchner und wurde vor allem von Friedrich Knaipp fortgesetzt und geprägt. Knaipp unterscheidet drei Entstehungswurzeln der Hinterglasmalerei1: die Hochkunst, die „malerhandwerkliche" und schließlich die „hüttengewerbliche" Erzeugung von Hinterglasbildern. Z u Letzterer gehören die Bilder aus Buchers, Sandl und Außergefild der Freistädter Sammlung. Sie zeichnen sich im Wesentlichen dadurch aus, dass sie eigentlich von der hausgewerblichen Glasveredelung abstammen und zu Beginn dieses Gewerbes noch Techniken der Glasbearbeitung (wie z. B. Glasschliff oder Vorspiegelung) aufweisen. Von der Hochkunst unterscheiden sich die „hüttengewerblichen" Hinterglasbilder dadurch, dass sie nach immer gleich bleibenden Vorlagen, in Arbeitsteilung und in großer Stückzahl angefertigt wurden. „Malerhandwerkliche" Hinterglasbilder sind laut Knaipp Werke ausgebildeter Berufsmaler, welche vermutlich von einer Hand geschaffen wurden. Dennoch sind die Darstellungstypen und Bildthemen auch hier stereotyp, eine zeitliche oder personelle Zuschreibung fast ebenso schwierig wie bei den „hüttengewerblichen" Hinterglasbildern. Die Begriffe „malerhandwerklich" und „hüttengewerblich" sollen die unterschiedliche Entstehungsgeschichte von volkstümlichen Hinterglasbildern betonen und wurden in den meisten Publikationen zu diesem Thema übernommen. In jüngeren Arbeiten bevorzugen Autoren 2 nun die Bezeichnung „hüttennah", welche eher verdeutlicht, dass die Hinterglasbilder im Grunde unabhängig und räumlich getrennt von der Hütte erzeugt wurden.

1

Knaipp, Friedrich: Volkskundeatlas, Linz 1959, S. 3—4.

2

Aigner, Hermine: Forschungs- und Dokumentationsprojekt. Die Hinterglasmalerei in Sandl/Buchers. Ein Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des südböhmisch-österreichischen Raumes. Hinterglasmuseum Sandl, Verein zur Förderung der Region Sandl/Unteres Mühlviertel, 4251 Sandl. Haller, Reinhard. Mehrere Werke zur Geschichte der volkstümlichen Hinterglasmalerei in Bayern, Böhmen und Österreich sind in den 70er und 80er Jahren von ihm erschienen.

3- Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich



In der vorliegenden Arbeit wird die Bezeichnung „hüttennah" beibehalten, da sich die Untersuchungsergebnisse und Konservierungsvorschläge nur auf diese Gattung von Hinterglasbildern beziehen. Durch den Verweis auf die regionale Herkunft der behandelten Objekte (Buchers, Sandl und Außergefild) werden weitere „hüttennahe" Hinterglasbilder aus anderen Regionen (wie etwa Nordböhmen, Schlesien oder Mähren) aus dem Betätigungsfeld dieser Arbeit ausgeschlossen.

3 - 2 DIE E N T W I C K L U N G Z U M „HÜTTENNAHEN" HINTERGLASBILD

-

GESCHICHTE DER TECHNIK Als gesichert gilt, dass sich die Hinterglasmalerei der Regionen Buchers, Sandl und Außergefild stilistisch und technisch aus der Glasveredelung heraus entwickelt hat. Glasschleifer, -Schneider, Glasmaler und -vergolder waren teils an den Hütten beschäftigt und unterlagen dort den Zunftordnungen des Hüttenmeisters, gleichzeitig jedoch übten sie, ebenfalls durch eine eigene Zunftregel definiert, ihre Kenntnisse auch im Hausgewerbe aus und bemühten sich auch um den Vertrieb ihrer privat erzeugten Produkte. 3 In den bei Aigner angegebenen Zunftregeln grenzen sich die Glasveredler scharf gegen Störer der Innung ab. 4 Sowohl die Glashändler, als auch die Glaserzeuger versuchten den Gewinn, der durch Glasveredelung ermöglicht wird (Bearbeitung macht aus dem rohen Glas erst kostbare Objekte), an sich zu reißen, indem sie die Glasveredler umgingen. Durch den Ankauf von Schleifmaschinen versuchten die Hüttenmeister zum Teil selbst geschliffenes Glas herzustellen. Die hochqualifizierten böhmischen Glasveredler hingegen wanderten ins Ausland, um dort die in Böhmen erzeugten Glaswaren zu bearbeiten. Der Unmut der ausgebildeten, auf ihre Kunst stolzen Glasveredler richtete sich nun gegen jene, die von der veränderten Struktur profitierten - die in Heimarbeit tätigen Glasschleifer und nicht ausgebildeten Glasmaler. Vermutlich waren es auch jene weniger qualifizierten, günstiger arbeitenden Glasmaler, die sich zur flüchtigen Bemalung von Glastafeln für die ländliche Bevölkerung herabließen. Die handwerkliche Qualität der Hinterglasmalereien liegt weit unter der der Malereien mit eingebrannten Farben, es ist eher unwahrscheinlich, dass die Hinterglasbilder von den europaweit gefragten und hochbezahlten Glasmalern Böhmens geschaffen wurden.

3

Aigner, Hermine: S. 26.

4

Ebenda: S. 25-31.

3.2 Die Entwicklung zum „hüttennahen" Hinterglasbild

JI

Von den Hüttenmeistern wurde die Erzeugung solcher Zier- und Andachtsgegenstände in den Arbeitspausen oder auch von hüttenfremden Leuten geduldet, für bestimmte Techniken benötigten auch die Hinterglasmaler noch die Ausrüstung der Hütte. Im Grunde aber eignete sich die Hinterglasmalerei mit ihren „kalt" aufgetragenen Farben, für deren Herstellung und Verarbeitung es keiner aufwendigen Geräte bedarf, besonders für das Hausgewerbe. Dennoch schien sich jede der Veredelungstechniken im Laufe der Zeit zu einem eigenständigen Gewerbe bzw. Hausgewerbe und bald zu einer Hausindustrie5 auszuwachsen, Knaipp beschreibt dies wie folgt: „ Während nun das Hausgewerbe aus der Hohlglaserzeugung vorwiegend Brasiltabaksfläschchen mit Schliff oder Bemalung verzierte, während das aus den Glasschneidebetrieben die Schmucksteinerzeugungfortentwickelte und manche Glasbläser zur Herstellung von Figürchen, Spielzeug, später Christbaumschmuck übergingen, fertigten die Flachglasveredler wohlfeile, verkleinerte Spiegelschliffrahmen und geschliffene Zierspiegelfür Bürger und Bauern an."

6

Der Schritt zur Eigenständigkeit bot sich den Glasveredlern häufig auch dann, wenn die Glashütte, fiir die sie tätig waren, abgebrochen und tiefer im Wald neu errichtet wurde. Eine übliche Praxis, wenn der Baumbestand rund um die Hütte verbraucht war und die Transportkosten für das angelieferte Holz zu groß wurden. Dies lässt sich für viele Hütten anhand von Urkunden und dgl. nachvollziehen.7 Knaipp vermutet, dass in solchen Fällen die jüngeren Gesellen dem Hüttenmeister an den neuen Standort gefolgt sind, während ältere Leute und Waise an der alten Hütte blieben und nun versuchten, durch die hausgewerbliche Erzeugung von geschliffenen, bemalten oder vergoldeten Glaswaren eine neue Verdienstmöglichkeit zu finden. Aigner hingegen geht davon aus, dass es eher junge, findige Unternehmer unter den Glasveredlern waren, die diese Marktlücke entdeckten und ausnutzten, denn die Glasabsatzkrise zu Beginn des 19. Jh. drängte viele Glasfacharbeiter in neue Erwerbsgebiete. Der billige Bezug von Tafelglas war durch die Beziehung zur ehemaligen, weitergezogenen Hütte eine gute Voraussetzung. Die Maler lieferten auch Glasabfälle an die Hütte zurück, und einige von ihnen führten auch Glaserarbeiten durch.

5

Unter dem nicht genau definierten Begriff „Hausindustrie" ist die Erzeugung von Waren im eigenen Haushalt, fiir einen größeren Markt und über den Eigenbedarf hinaus gemeint. Aigner, Hermine: S. 182.

6

Knaipp, Friedrich: Linz 1963, S. 12—13

7

Ebenda: Linz 1963, S. 12.

32

3. Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich

Jedenfalls zählt die Hinterglasmalerei also auch in ihren Anfängen in jenen Regionen, die dem Glashüttenwesen über Generationen verbunden waren, nicht zu einer der Teilaufgaben einer Glashütte. Auch die Beziehung zur Glasveredelung muss differenzierter betrachtet werden. Es handelt sich wohl eher um ein Aneignen der Techniken durch nicht ausgebildete Kräfte. Wie in dem Zitat oben beschrieben, wurden von den Flachglasveredlern verzierte Deckglasscheiben für die Rahmung von Pergamentbildchen, Kupferstichen oder Spitzenbildchen produziert8. Die Randbereiche dieser „gläsernen Passepartouts" verzierten sie mit den aus der Glasveredelung bekannten, geschliffenen und gemalten, häufig verspiegelten Kartuschenformen9 (Abb. i und 2). Der Schritt zum reinen Hinterglaswerk erfolgte, indem die Glasfachkräfte die Mitte des Glases selbst durch Bemalung füllten. Die Dekore und Techniken dieser Vorformen der Hinterglasmalerei entstammen der Mode der geschliffenen, verspiegelten Glasrahmen, welche Heiligenbilder oder häufiger kostbare Spiegel zierten.10 Diese in Böhmen gefertigten „Venezianischen Spiegel" waren zu der Zeit, als Böhmen vor allem in der Glasveredelung Venedig den Rang ablief, äußerst beliebt. Die Vorliebe für Spiegel und Glas führte zur Fertigung kompletter Raumausstattungen aus diesen Materialien. Im klösterlichen Bereich wurde die moralisch bedenkliche, da Eitelkeit fördernde Wirkung eines Spiegels durch ablenkende, auf kleine Flächen beschränkte religiöse Darstellungen geschwächt — sog. „Nonnenspiegel". Geschliffene, bemalte und verspiegelte Glaskunstwerke waren gestalterisches und technisches Vorbild für die ersten, noch mit Schliffdekor versehenen Hinterglasbilder. Bei diesen ab ca. 1750 aus Schlesien, Nord- und Südböhmen, hier vor allem aus Buchers, stammenden Spiegelschliffbildern ist die enge Beziehung zur Glasveredelung durch die traditionellen Dekorformen noch zu erkennen. Die ab 1800 in Sandl entstandenen Hinterglasbilder zeigen keine Merkmale dieser Verbindung mehr. Natürlich wurden die Dekortechniken vereinfacht und flüchtig ausgeführt, um dem günstigen Verkaufspreis gerecht zu werden, der den gezielten Absatz in der bäuerlichen Käuferschicht ermöglichte. Daher weisen die geschliffenen Motive meist ausgerissene Konturen in Schleifrichtung auf. 8

Ahnlich der „Erfindung" des Pariser Rahmenhändlers Jean Baptist G l o m y (t 1786) - dem Eglomise. Dabei versah er grafische Blätter mit dekorativ gestalteten Glasrahmen, indem er sie z. B. mit G o l d - oder Silberfolien belegte, radierte und mit schwarzer Farbe hinterlegte. Die Bezeichnung Eglomise wurde im Laufe des 19. Jh. flir alle Hinterglastechniken angewandt, ungeachtet dem jeweiligen Entstehungsalter einer Technik, welches meist weit vor G l o m y datiert.

9

„Rahmung eines Inschriftenschildes oder Wappens, im Barock — mit Rollwerk versehen — beliebtes Ornament." Aus: Braun, Heinz: Formen der Kunst, eine Einführung in die Kunstgeschichte. Verlag Martin Lurz, München 1974, S. 503.

10

Brückner, Wolfgang: Hinterglas-Künste. Landesverlag Linz 1988, S. 25-38.

3.3 Die Entwicklung der Ortschaften Buchers, Sandl und Außergefild

33

Je mehr die Produktion solcher Objekte von Leuten übernommen wurde, die nicht als Glasveredler ausgebildet waren, desto mehr verschwindet der Glasschliff und später auch fast völlig die Verspiegelung. Standen keine Glasschleifer mehr zur Verfugung, so wurde der optische Effekt dieser Technik durch Atzmattierung imitiert. Im Weiteren ging man dazu über, die für den Schliff vorgesehenen Kartuschenformen und Ornamente nur noch mit weißer Farbe auszuführen. Diese sog. einfachen Spiegelbilder wurden in Buchers in großer Zahl hergestellt, in Sandl hingegen nur noch vereinzelt. Auch die reinen Farbbilder (ohne Verspiegelung) bedienten sich vorerst noch der typischen Kartuschenformen und Spiegelbildrisse, die Umrahmung wurde farblich gestaltet, der Hintergrund der Darstellung häufig schwarz bemalt. Zunehmend wurden die für Spiegelbilder typischen Kartuschen weggelassen bzw. umgeändert, das Format der eigentlichen Darstellung vergrößert und die Leerräume der Komposition mit den für Buchers und Sandl charakteristischen Eckblumen gefüllt. Die Entwicklung des hüttennahen Hinterglasbildes führt also von geschliffenen und verspiegelten Werken in Nordböhmen, die eine Zwischenstufe vom städtischen zum volkstümlichen Handwerk" darstellen, über die „einfachen Spiegelbilder" mit und ohne Atzmattierung zum reinen Farbbild, wie man es in der farbkräftigen Form des „Sandlbildes" kennt (siehe z. B. Abb. 41, 46).

3.3 DIE E N T W I C K L U N G DER ORTSCHAFTEN BUCHERS, SANDL U N D AUSSERGEFILD ZU Z E N T R E N DER E R Z E U G U N G VON H I N T E R GLASBILDERN

Die folgenden 2 Kapitel stützen sich hauptsächlich auf die Arbeit von Hermine Aigner12, die sich mit dieser Thematik wissenschaftlich auseinander gesetzt hat. Es werden im Folgenden immer wieder Textstellen oder Angaben aus der, bei Aigner aufgearbeiteten und angegebenen, Primärliteratur zitiert. Diese beinhaltet hauptsächlich pfarrliche Quellen - die Matriken (Tauf-, Trauungs- und Totenbücher) sowie die Beichtregister und Seelenbeschreibungen (wurden jährlich durchgeführt, um die Teilnahme an der Osterbeichte zu überprüfen, und enthalten Jahr, Hausnummer und Bewohner des

11

Voriskovä, Alena: Hinterglasbilder aus Böhmen, Mähren und der Slowakei aus dem Volkskundemuseum des Prager Nationalmuseums. Katalog zur Sonderausstellung des Hinterglasmuseums Sandl vom 18. Juli bis 6. September 1992, S. 10.

12

Aigner, Hermine: Forschungs- und Dokumentationsprojekt. Die Hinterglasmalerei in Sandl/Buchers. Ein Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des südböhmisch-österreichischen Raumes. Hinterglasmuseum Sandl, Verein zur Förderung der Region Sandl/Unteres Mühlviertel, 4251 Sandl.

34

3- Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich

Hauses ftir den jeweiligen Ort), außerdem Aufzeichnungen in Grundbüchern und im Franziszeischen Kataster.13

3.3./Buchers Buchers gehörte zur Herrschaft Gratzen, die der Kaiser im frühen 17. Jh. den französischen Grafen von Buquoy schenkte. Diese ließen den wirtschaftlichen Nutzern der waldreichen Herrschaft, den Glashüttenmeistern, Förderungen zukommen und begrüßten die Rodungen durch die Hütten, welche die Besiedelung des Gebiets beschleunigten. Die weitere Errichtung von Glashütten durch Johann Graf von Buquoy führte zu einem starken Anstieg der Einwohnerzahl, die 1790 fast 1000 Bewohner umfasste. Seit 1970 militärisches Sperrgebiet der Tschechoslowakei ist der Ort heute verlassen und verfallen.14 Dass die Entstehung des Ortes Buchers auf die Errichtung einer Glashütte zurückzuführen ist, beweist sein Name15: in einer älteren Version, „Puchers", lässt er sich mit dem zur Glaserzeugung notwendigen Pucher oder Pocher in Verbindung bringen, eine Vorrichtung, die, wie bereits beschrieben, zur Zerstampfung des Quarzes diente. Die 1695 errichtete Hütte an der Schanz bei Buchers konnte kaum großen Erfolg aufweisen, nach ihrer Neuerrichtung (genauer Standort ist nicht nachweisbar) um 1740 und der Leitung durch Anna Maria Mayer florierte der Glashandel bis in die Türkei. Mit dieser Hütte und ihrem späteren Pächter Johann Paul Link werden auch die ersten Hinterglasmaler in Buchers genannt'6. Nach deren Auflösung im Jahr 1777 entstanden einige neue Hütten, wie Johannisthal (1777-1838), Silberberg (1771-1881) oder Paulina (1780-1852), welche den Hinterglasmalern ausreichend Tafelglas boten. Der Beginn der Hinterglasmalerei in Buchers wird bei Heinrich Buchner17 mit der urkundlich belegten Zuwanderung von nordböhmischen Glasveredlern begründet. Diese verließen ihre Heimat vor allem wegen wirtschaftlicher Notzeiten nach dem 7-jährigen Krieg zwischen Österreich und Preußen und wegen der Hungersnot von 1770/72, im Pfarrgedenkbuch von Buchers findet sich dazu 1814 folgende Eintragung18:

13

Ebenda: S. 4-7, S. 7: Der Franziszeische Kataster tritt ab 1844 in Oberösterreich in Kraft, er gibt die ge-

14

Grinninger, Christian: Malen hinter Glas. Zur Geschichte der Hinterglasmalerei, Sandl-Bilder. Landes-

nau vermessenen Grundparzellen einer Gemeinde im Maßstab 1:2800 farbig dargestellt wieder. verlag Linz 1988, S. 11-12. 15

Ebenda: S. 14.

16

Ebenda: S. 34-35.

17

Buchner, Heinrich: Hinterglasmalerei in der Böhmerwaldlandschaft und in Südbayern. Beiträge zur Geschichte einer alten Hauskunst. Neuer Filser Verlag, München 1936, S. 14—15.

18

Zitiert bei: Aigner, Hermine: S. 37-38.

3.3 Die Entwicklung der Ortschaften Buchers, Sandl u n d Außergefild

35

„Als in den Jahren IJ65 und 1764 und dann später IJJI-72 in Böhmen große Hungersnoth ausbrach, wo die Leute verschiedene Gräser und oft ungenießbare Gewächse abkochen mussten um ihren Hunger zu stillen, kamen viele Deutschböhmen von den Gränzen Sachsens, nahmentlich auch Rochlitz hier an um sich da Verdienst zu suchen. Sie kamen zu dem Grafen Harrach in die neuaufgekommenen Spinnfabriken und dann zum Hüttenwesen. Zu diesen Eingewanderten gehören die noch jetzt lebenden Familien Ullrich, Pohl, Goldstein, Grohsmann etc. Auch fing man um diese Zeit an Trinkgeschirr von Glas zu bemahlen, und Heiligenbilder auf Tafelglas zu machen, welche großen Absatz nach Tyrol, Ungarn, und Kärnthen fanden und einen großen Erwerbszweigfür diese unfruchtbare und arme Gegend ausmachten (...) Die Bildermahler waren größtenteils Deutschböhmen. (...)." Diese an der Bucherser Glashütte geschätzten und von den Grafen Buquoy auch bewusst zur Hebung der Produktionsqualität angeworbenen Fachleute hätten laut Buchner die in ihrer Heimat geübte Hinterglasmalerei an die Bewohner in Buchers weitergegeben. Die Hinterglasmalerei ist für den Ort, aus dem die Zuwanderer stammten, Rochlitz, weder bewiesen noch widerlegt. M a n muss davon ausgehen, dass die Glasmalerei (Bemalung mit eingebrannten Farben) in Buchers erst ab der Mitte des 18. Jh. an der bereits neu errichteten Hütte üblich war. Offenbar wurde diese von Anfang an im Hausgewerbe betrieben, wie es in den Gedenkbüchern beschrieben wird (das Brennen der bemalten Glasgegenstände geschah vermutlich an einer der Glashütten): 19 lyAls

dann in der neuen Glashütte unter den Glasmeistern Mayer und Golfinger die Erzeu-

gung von Hohlglas das Absatzgebiet erweiterte und man zur dekorativen Ausstattung der Gläser überging, gab es eine neue Hausbeschäfiigung, die Glasmalerei. Man ließ Maler aus den nordböhmischen Hütten kommen, welche die bereits sesshaften Leute unterrichteten und Hilfikräfie mitbrachten. Es entstand eine völlige Malergilde, die aber zur Sicherung dauernden Erwerbs bei der Bemalung der Gläser nicht stehen blieb, sondern nebstbei die Untermalung von Glasscheiben einftihrte. Die auf Glas gemalten Heiligenbilder der Pucherser Maler schmückten sehr bald die heimischen Bauernhäuser, sie fanden ihren Weg aber auch in die Ferne und für Jahrzehnte gab es trotz der niedrigen Preise immerhin einen Erwerb, durch den der Hausbedarf gedeckt werden konnte. Mit der Auflassung des Hüttenbetriebes im oberen Forste hörte auch die Glasmalerei auf."

19

Zitiert bei: Aigner, Hermine: S. 39.

36

3. Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich

Dass diese Rochlitzer Glasveredler dem Zitat zufolge begannen, „Heiligenbilder aus Glas" zu malen, lässt sich auch laut Aigner damit begründen, dass die Bucherser Hütte ständig wirtschaftlichen Krisensituationen ausgeliefert war und eine volle Auslastung für die Glasveredelung wohl nicht gegeben war. Aigner vermutet, dass demzufolge die Bildermalerei bereits seit Beginn der 70er Jahre des 18. Jh. in Buchers betrieben wurde. Leider ermöglichen die meist inkorrekten Angaben über die Produktion einer Glashütte in überlieferten Protokollen keine exakten Aussagen bezüglich der Hinterglasmalerei, da sie nicht zwischen Glasmalerei (mit eingebrannten Farben) und kalter Bemalung von Glas unterscheiden. Einen Hinweis geben die Archivalien 20 , wenn die Profession der nordböhmischen Zuwanderer vorerst noch mit „Glasmaler" oder „Glasvergolder" angegeben wird. Später jedoch werden sie und vor allem ihre Nachkommen explizit als „Bildermaler" bezeichnet werden. Der aus Nordböhmen stammende Karl Goldmann wird erstmals 1778 in den Bucherser Gedenkbüchern so bezeichnet. Nach dem Auflassen der Bucherser Hütte unter dem Pächter Link blieben Christoph Goldmann, Franz Gutstein und Franz Mosik dort und übten ihr Handwerk als Hausgewerbe aus. Hier standen ihnen noch die Schleifmaschinen zur Verfügung, die zur Anfertigung der zahlreichen, aus Buchers stammenden Spiegelschliffbilder benötigt wurden. Die anderen nordböhmischen Glasveredler zogen weiter zur neu errichteten Hütte in Johannesthal (ebenfalls von Johann Link gepachtet). Die Quellenlage ist leider derart dürftig, dass über die tatsächliche Ausübung der Hinterglasmalerei an einer Hütte nur spekuliert werden kann. Interessante Hinweise geben die Uberlieferungen eines Streitfalls von 1799 21 : Bucherser Glasbildermaler beschwerten sich demnach beim Gratzener Oberamt darüber, dass an der Hütte von Link dessen Schwager und seine Kinder begonnen hatten, Glasbilder zu malen. Links Darstellung der Lage verdeutlicht, dass er solche Hinterglasmaler an der Hütte selbstständig arbeiten ließ. Da sie an keine Zunft gebunden waren, hatte der Hüttenmeister ihnen gegenüber ebenso wenig Rechte und Pflichten wie die Hinterglasmaler der Hütte gegenüber. Weiters erwähnt Link, dass er einen dauernden, lohnenden Erwerb der an seiner Hütte tätigen Hinterglasmaler ohnehin nicht erwarte, da „die Bildertrager vor etlichen Jahren schon gesachet dass etliche Meillen weit alles mit solchen Bildern erfilltet ist", der Markt also gesättigt scheint. Dies bedeutet, dass bereits 1779 ein gut organisierter Handel mit Hinterglasbildern stattfand.

20

Aigner, Hermine: S. 40. Die Aussage bezieht sich generell auf die Inhalte der Archivschriften, es werden

21

Ebenda: S. 43.

keine bestimmten Schriftstücke genannt.

3.3 Die Entwicklung der Ortschaften Buchers, Sandl und Außergefild

37

Die im ersten Zitat angegebenen Namen der nordböhmischen Zuwanderer sind über die Jahrzehnte hinweg mit der Hinterglasmalerei in Verbindung zu finden. Aigner weist nach, dass ab 1790 insgesamt fiinf Malerfamilien in Buchers tätig waren, welche, häufig durch Heirat verbunden, diese Gewerbe meist über drei Generationen lang ausübten. Die Zahl der „bildermalenden" Personen steigt zu Beginn des 19. Jh. auf ca. 35 und nimmt zum Ende des Jahrhunderts stetig ab. Mit dem Verlust der nahen und billigen Bezugsquellen für das Tafelglas - um 1870 schließen die Hütten Silberberg, Paulina und Bonaventura, 1900 schließlich Schwarzthal - stirbt auch die Hinterglasmalerei in Buchers aus. Stilistische Merkmale der Bucherser Hinterglasbilder: Die frühesten Hinterglasbilder aus Buchers sind kaum von solchen aus Nordböhmen oder Schlesien zu unterscheiden. Erst mit der Verwendung eigener Vorlagen und Risse21 und der Vereinfachung der Schliffornamente lässt sich ein Bucherser Stil bei den unsignierten Hinterglasbildern Böhmens feststellen. Die Produktion dieser Ortschaft beinhaltete zum Großteil noch geschliffene und verspiegelte Hinterglasbilder, wobei der Schliff zum Unterschied nordböhmischer Erzeugnisse flacher und weniger exakt ausgeführt wurde.23 Aus Nordböhmen übernommen wurde auch die Praxis alle Linien und Konturen in den Inkarnatpartien in hellem Rot auszuführen. Die Beobachtung von Friedrich Knaipp14, dass diese roten Konturen in den Bucherser Bildern im Gegensatz zu Sandl stets sehr fein und exakt ausgeführt wurden, konnte auch im Zuge der Bestandsaufnahme in der Sammlung des Mühlviertler Schlossmuseums in Freistadt bestätigt werden. Neben den zahlenmäßig überwiegenden teils geschliffenen Spiegelbildern wurden auch von Beginn an reine Farbbilder produziert. Häufig benutzen die Maler dazu die Spiegelschliff-Risse25, malten die Ädikulen26 farbig aus und hinterlegten die Darstellung schwarz. In vielen Bucherser Farbbildern sind auch goldene Linien entlang der Gewandfalten oder kleine „Streublüten" in den Gewändern zu finden, welche mit Pinsel und Goldbronze27 ausgeführt wurden. (Abb. 9)

22

Unter Risse sind die auf Papier gezeichneten, über Generationen verwendeten Vorlagen für die Hinterglasbilder zu verstehen.

23

Buchner, Heinrich: S. 36.

24

Knaipp, Friedrich: Linz 1963, S. 36.

25

Unter den „Rissen" sind die gezeichneten Vorlagen der Hinterglasmaler zu verstehen, genau wird darauf

26

Adikula, lat. = „kleiner Bau". Hier gemalte Umrahmung mit Säulen, Dach und Giebel. Der große D u -

27

Goldbronzen bestehen aus Metallpulver, welches sich, mit einem Bindemittel versetzt flüssig mit Pinseln

in Kap. 4.1 eingegangen. den, Fremdwörterbuch. Bd. 5., Bibliographisches Institut Mannheim/Wien/Zürich 1974, S. 32. auftragen lässt. Das Pulver besteht meist aus Kupfer-Zink-Legierungen, es sind aber auch echte, wesentlich teurere Goldbronzen erhältlich, welche aus Goldresten erzeugt werden und unter dem N a m e n „Muschelgold" oder „Pudergold" bekannt sind. Diplomarbeit Christina Hierl: Untersuchung und Kon-

38

3* Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich

In späteren Werken werden diese, in vielen Rissen speziell gekennzeichneten Linien statt in Gold in einer bestimmten, goldimitierenden gelben Farbe ausgeführt (siehe dazu Kapitel 4.1, 6.3.1 und 8.3.3.3). Die ausgeprägte Vorliebe der Hinterglasmaler in Buchers, die freien Ecken einer Darstellung mit Blumen zu füllen, ist ein weiteres Charakteristikum der Bilder und ermöglicht durch ausgiebiges Vergleichen einer Vielzahl von Objekten eine ungefähre zeitliche Einordnung. Als Anhaltspunkt kann allgemein gesagt werden, dass in Buchers zum Unterschied zu Sandl die Tulpenform vorherrscht mit typischen „Fiederblättern"28.

Sandl Der Name dieser Ortschaft wird in Österreich sofort mit Hinterglasmalerei verbunden das „Sandlbild" wurde verallgemeinernd zum Synonym fiir Hinterglasmalerei. Von den zahlreichen, seit dem 14. Jh. errichteten Glashütten dieser Region 29 sind im Hinblick auf die beginnende Hinterglasmalerei vor allem jene interessant, die bis zum 18. Jh. bestanden bzw. in dieser Zeit errichtet wurden. Z u diesen mindestens vier Hütten rund um Sandl gehörte auch die Schönebnerhütte, deren Produktion 3/4 Tafelglas und 1/4 Hohlglas ausmachte30. Generell lag das Zentrum der Flachglaserzeugung hier, im unteren Mühlviertel. Dies dürfte wohl auch ein Hauptgrund für die Zuwanderung Bucherser Hinterglasmaler nach Sandl gewesen sein. Der Bildermaler Wenzel Pohl aus Buchers betrieb seit 1782 das Wirtshaus an der Schanz, zwar auf Sandlers Gebiet, aber außerhalb des Ortes. In der hier weiterhin im Nebenerwerb betriebenen Hinterglasmalerei arbeiteten auch ursprünglich aus Buchers stammende Maler, welche später nach Sandl zogen. Dazu gehört neben Franz Pautsch, welchem die Einfuhrung dieses Gewerbes im Ort Sandl zugeschrieben wird, auch ein Johann Berger. Aigner beweist, dass Johann Berger nach dem Einzug in sein Haus in Sandl 1790 als erster die Hinterglasmalerei in diesem Ort betrieb31. Das Haus, „Malerhäusl" genannt, wurde ohne Grundbesitz gekauft, da hier von Beginn an die Hinterglasmalerei die einzige Einkommensquelle ausmachte. Wie in anderen Hinterglasorten lebte auch in Sandl diese Tradition über Generationen innerhalb einer Familie fort und weitete sich aufgrund von Eheschließungen weiter aus.

servierung des Materialbildes Sonne von Michael Buthe, 1971. Ordinariat für Konservierung und Restaurierung, Universität fiir angewandte Kunst, Wien Juni 2000, S. 19-20. 28

Diese Benennung stammt von Friedrich Knaipp, gemeint sind damit Blätter, die aus mehreren schlanken, länglichen Einzelblättern bestehen.

29

Aigner, Hermine: S. 31.

30

Haudum, Franz: Sandl 1990/91, S. 16

31

Aigner, Hermine: S. 48f und S. 123fr.

3-3 Die Entwicklung der Ortschaften Buchers, Sandl und Außergefild

39

Von den vielen Hinterglasmalern, die in Sandl bis 1900 tätig waren, sollen zwei besonders erwähnt werden, Vinzenz Köck und Gregor Thumayer. Ersterer erlernte die Hinterglasmalerei vermutlich bei den verwandten Pautsch und betrieb vor allem in den 40er Jahren des 19. Jh. eine Großproduktion, bei der auch seine Geschwister mitmalten 32 . Die Werkstätte der Familie Köck beschäftigte in den Jahren 1842—46 ständig fünf bis sieben Maler bzw. Malerinnen und spielte somit eine wesentliche Rolle in der Hinterglasmalerei Sandls. In den weiteren Jahren scheint sich Vinzenz Köck aber mehr auf den Vertrieb von Hinterglasbildern zu spezialisieren, und zwar nicht nur seiner eigenen, sondern auch der anderer Sandler Hinterglasmaler. Hinweise darauf geben die Daten, die aus dem noch erhaltenen Geschäftsbuch des Vinzenz Köck ersichtlich sind.33 Dieses umfasst die Zeit von 1852—1857 und nennt neben Handelsniederlassungen und Hausierernamen auch Bilderpreise und Anzahl der an den jeweiligen Ort gelieferten Hinterglasbilder. Die Angaben können sich nicht nur auf die Produktion der Werkstätte Köck beziehen. Gregor Thumayer war ursprünglich Maurer und kam durch die Heirat mit Anna Larmer, welche bei Familie Pautsch gemalt hatte, zur Hinterglasmalerei. Mit fünf bis sechs Mitarbeitern blühte das Geschäft in den 40er Jahren des 19. Jh. 34 In der Thumayer-Dynastie lebte die Hinterglasmalerei bis zu Beginn des 20. Jh. weiter. Ein Enkel Gregor Thumayers war es, der in den 30er Jahren, als die ersten Volkskundegelehrten sich für die Hinterglastradition in Sandl zu interessieren begannen, bereitwillig Auskunft über das Gewerbe gab. Dieser Johann Thumayer, oder seinem Hausnamen nach „Bernhardl" genannt, hatte wie auch seine Geschwister bereits zuvor die Hinterglasmalerei als Einkommensquelle aufgegeben. Nach dem Erlöschen der Mühlvierder Glashütten mussten sie das Tafelglas aus einer weit entfernten Hütte in Niederösterreich beziehen35. Die dabei anfallenden Kosten wurden durch die mangelnde Nachfrage nicht mehr gedeckt. Für interessierte Besucher fertigte Johann Thumayer allerdings noch einmal Hinterglasbilder und erklärte dabei die Technik (siehe dazu Kapitel 4.2 und 4.3). Fast ein ganzes Jahrhundert wurde in Sandl gemalt, das Ende brachte neben der Auflösung der meisten Glashütten der Umgebung auch der veränderte Geschmack der Abnehmerschicht — Hinterglasbilder wurden offenbar als nicht mehr zeitgemäß empfunden.

32

Ebenda: S. 62 und S. 126.

33

Ebenda: S. 219-229.

34

Ebenda: S. 68 und S. 134.

35

Grinninger, Christian: S. 20.



3. Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich

Stilistische Merkmale der Sandler Hinterglasbilder: Von den nach Sandl gezogenen Hinterglasmalern scheint keiner das Schleifen oder Verspiegeln von Glas erlernt zu haben, denn vorerst werden Knaipps Zeittafel36 zufolge nur Farbbilder37 gemalt. Die später erzeugten Spiegelbilder weisen weder Schliff- noch Atzmattierung auf, die Darstellung wurde im Gegensatz zu den leuchtenden Lasuren in Buchers mit opaken Farben gemalt. Das augenfälligste Merkmal der Farbbilder aus Sandl sind die kräftigen, meist ungebrochenen Farben, die ohne Scheu nebeneinander gesetzt wurden. (Abb. 31, 33, 41, 46, 48) Charakteristisch ist neben dem hellen Zinnoberrot die häufig kräftig-gelbe oder ockergelbe Hintergrundfarbe. Wie im nördlichen Nachbarort gestalten auch die Sandler Maler alle Inkarnatspartien mit roten Linien. Die Art der Ausführung dieser unterscheidet sich zum Teil stark, was besonders bei den verschiedenartig gezeichneten Hand- und Fingerformen sichtbar wird: zum einen kann man sehr dünne Linien finden, die anatomisch korrekte Handformen wiedergeben, zum anderen fallen auch relativ dick aufgetragene, plumpe Linien auf, die Hände und Fingernägel in stark stilisierter oder flüchtiger Form darstellen. Von den Bucherser Malern übernahmen die Sandler auch die Eckblumen, welche in dieser Region mehr und mehr eine bildbestimmende Rolle einnehmen. Von anfänglichen Tulpen, noch mit „Fiederblättern", über immer üppiger werdende Rosenformen entstehen ab der Mitte des 19. Jh. sogar richtige Blumensträußchen, die sich der Darstellung kaum mehr unterordnen. Kennzeichen fiir diese späteren Blumenformen ist, dass die Blätter nicht nur allein durch die typische dunkelblaue Lasurfarbe in schematischen Linien dargestellt werden, sondern nun nach dem Vorzeichnen der detaillierteren Konturen und Blattrippen flächig grün ausgefüllt werden. (Abb. 15, 33, 46)

¡.¡.3

Außergefild

Die ersten in Außergefild urkundlich erwähnten Hinterglasmaler stammten aus dem benachbarten bayerischen Raimundsreut, wo dieses Gewerbe in der Zeit zwischen 1730 und 1880 blühte. Die Hoffnung auf ein größeres Absatzgebiet und den zollfreien Handel in die Länder der Monarchie veranlasste die Söhne einer bekannten Raimundsreuter Malerdynastie, Bernhard und Johann Peterhansl, dazu, sich um 1788 im böhmischen Außerge-

36

Knaipp, Friedrich: Linz 1963, 40—41.

37

Darunter sind Hinterglasbilder ohne Spiegelbelag zu verstehen, die aber auch Blattmetallauflagen aufweisen können.

3-3 Die Entwicklung der Ortschaften Buchers, Sandl und Außergefild

41

fild niederzulassen38. Die günstige Lage dieses Ortes an einem der vielen alten Handelswege, die dem Warenaustausch zwischen Bayern und Böhmen dienten, sowie das große Angebot von Tafelglas aus den zahlreichen Hütten der nächsten Umgebung waren eine gute Ausgangslage für die Erzeugung und den Vertrieb von Hinterglasbildern. Neben den Peterhansl-Brüdern gehörten auch Tobias Peterhansl, Kaspar Hilgart und der aus Krain stammende Hausierer Michael Verderber zu den Zuzüglern aus Raimundsreut. Der Verbleib der Raimundsreuter Hinterglasmaler in Außergefild dauerte nur bis ca. 1800, spätere urkundliche Erwähnungen der Maler bestätigen die Rückkehr in ihren Heimatort. Dennoch lebte dieses Gewerbe weiter, durch Michael Verderber, welcher sich in Außergefild niederließ, heiratete und in den Pfarrbüchern „Bildermaler" (1818) und „Maler aus Krain" (1826) genannt wird. Er übernahm wohl Technik und Vorlagen von den bayerischen Kollegen, prägte aber dennoch einen eigenen Stil. Sein Sohn Johann Verderber war es, der schließlich um 1820 mit der Erzeugung und dem Vertrieb der Hinterglasbilder im großen Stil begann. Der gute Verdienst ermöglichte es ihm, 1842 das Haus Nr. 14 in Außergefild zu erwerben (zwei Jahre später bereits abbezahlt), dort eine Gastwirtschaft und seine bekannte, überlieferte „Bilderfabrik" 39 zu errichten. Er war darauf bedacht, möglichst rationell zu produzieren, und beschäftigte laut Uberlieferung 10-15 Leute in seiner Werkstatt (Näheres in Kapitel 4.2). Das Glas soll Johann Verderber von den Tafelglashütten Biertopf-Franzenthal und Goldbrunn bezogen haben, da die nahe Grafenhütte erst um 1870 mit der Großproduktion von Tafelglas begann. Als Johann Verderber 1870 verstarb, übernahm sein Sohn Franz die Werkstatt und die Produktion. Dieser bezog das Tafelglas nun von der neu betriebenen Grafenhütte, im Jahr 1873 soll er noch 225 Schock (= Anzahl von 60 Stück) Glastafeln gekauft haben, was durch Rechnungen aus der Hütte belegt ist.40 Das Ende der Hinterglasmalerei in Außergefild war ein Brand im Jahr 1881, der die Werkstatt mit der Malereinrichtung und allen Vorlagen der Familie Verderber völlig zerstörte.

38

Schuster, Raimund: Hinterglasbilder aus Außergefild im Böhmerwald. Verlag Morsak Grafenau 1980, S. 18-19.

39

1856 erscheint im Neuen Wiener Volkskalender unter dem Titel „Hantierer im Böhmerwald" eine Sammlung von Erzählungen des böhmischen Schriftstellers Josef Meßner. In der Erzählung „Die .Bildelmaler' in Außergefild" schildert er die Werkstätte des Johann Verderber.

40

Buchner, Heinrich: S. 50.

3- Hinterglasbilder aus Südböhmen und Oberösterreich

42.

Der Zeitraum, in dem die bekannteste Malerfamilie dieser Region, die Familie Verderber, wirkte, ist also relativ gut dokumentiert. Einen Hinweis auf eine bereits vorher, also auch vor den Raimundsreuter Malern existierende Hinterglas-Tradition gibt der böhmische Schriftsteller Josef Meßner in seiner Erzählung über die ,„Bildelmaler' in Außergefild", indem er vermutet, „Daßdie Bildein schon lange, lange vordent, vielleicht von derZeit an, in welche die Erzeugung des Tafelglases im Böhmerwalde fallt, gerade so, wenn nicht noch viel schlechter gemalt wurden in Außergefild oben, ist eine erweisene Sache;... "4' Stilistische Merkmale der Außergefilder Hinterglasbilder: Der Zeitraum, in dem in Außergefild nachgewiesenermaßen hinter Glas gemalt wurde, umfasst knapp ein Jahrhundert - ca. 1790-1880. Der Versuch einer zeitlichen Einordnung der unsignierten Werke ist nur durch den Vergleich einer Vielzahl von Objekten untereinander und mit solchen aus Raimundsreut annähernd möglich. Schuster42 zufolge lässt sich mit Beginn der rationell arbeitenden Werkstätte des Johann Verderber um 1820 eine stilistische Grenze innerhalb der Außergefilder Hinterglasära ziehen. Da in den frühesten Bildern noch Raimundsreuter Vorlagen und typische Form- und Farbgebung (z. B. die schwarz umrandeten ovalen Einrahmungen der Heiligendarstellungen) übernommen wurden, sind diese nur schwer als Außergefilder Werke zu erkennen. Eine markante Einordnungshilfe stellen jedoch die fiir Außergefild typischen roten bis rotbraunen Linien in den Inkarnatspartien dar, welche in Raimundsreut schwarz gehalten wurden. Weitere Hinweise auf Außergefilder Herkunft sind die sich im Laufe der Zeit entwickelnden typischen Gesichtsformen, welche anfangs eher oval, schließlich runder werden. Auch hier ist die Sichtung zahlreicher Objekte und der Vergleich einer Fülle von Werken unerlässlich, um diese Unterschiede zu erkennen. Zu der frühen Außergefilder Phase zählen auch noch die Spiegelschliff- und Goldschliffbilder (siehe dazu Kapitel 5.1), diese aufwendigeren Techniken wurden in der Werkstätte Johann Verderbers nicht mehr geübt.43 Da die ca. 25 Außergefilder Hinterglasbilder in der Sammlung des Mühlvierder Schlossmuseums in Freistadt eher diesem späteren Stil zuzuordnen sind, soll nun näher auf deren Merkmale eingegangen werden. Es handelt sich fast ausschließlich um Kopf- oder Brustbilder einzelner Heiliger vor dunklem, rotbraunem Hintergrund. Typisch fiir die starke Vereinfachung in der Verder-

41

Meßner, Josef: S. 287.

42

Schuster, Raimund: S. 28ff.

43

Schuster, Raimund: S. 29.

3.3 Die Entwicklung der Ortschaften Buchers, Sandl und Außergefild

43

ber Werkstatt ist auch, dass jeglicher, früher noch üblicher Blumendekor fehlt. Die schwarz umrandeten, runden oder rechteckigen Kartuschen oder Einrahmungen der Porträtdarstellungen grenzen die dunkel hinterlegten Darstellungen vom restlichen weißen Hintergrund ab. Auffallend ist, dass trotz aller Vereinheitlichung die Inkarnate der Heiligen fast aufwendige, bräunliche und rosa Schattierungen aufweisen. Dies ist neben den goldenen Sternen rund um die Köpfe der Dargestellten und der für die Verderber Werkstätte typischen schrägen Blockschrift am unteren Bildrand ein weiteres Merkmal der späteren Außergefilder Hinterglasbilder.44 (Abb. 10) Die Bildthemen entsprechen generell den üblichen Heiligen- und Schutzpatrondarstellungen in volkstümlichen Hinterglasbildern, es wurden aber in Außergefild auch sog. „Armenseelentaferln"45 gemalt, wie sie im bayrischen Wald üblich waren.46

44

Ebenda.

45

Kleinformatige Hinterglasbilder, die, über den Weihwasserkessel gehängt, an die im Fegefeuer leidenden,

46

Schuster, R a i m u n d : S. 32.

verstorbenen Seelen erinnern sollen.

4. Technik, Produktion und Absatz der Hinterglasbilder aus Buchers, Sandl und Außergefild

4 - 1 G R A F I S C H E V O R L A G E N U N D DEREN U M S E T Z U N G Z U „ R I S S E N "

„Risse"1 nannten die Maler der „hüttennahen"* Hinterglasbilder ihre Vorlagen, welche in wenigen, durchgepausten Bleistift- oder Tuschelinien jene Darstellungen auf Papier wiedergeben, die dann oft serienweise hinter Glas gemalt wurden. Als Vorlagen für die Bildthemen standen den Hinterglasmalern günstig zu erwerbende Kupfer- oder Stahlstiche von Prager und Augsburger Verlegern oder auch Kalenderblätter zur Verfugung3. (Abb. 5) Die beliebtesten und bekanntesten Andachtsbilder großer Meister wie Dürer, Cranach oder Raffael konnten somit in Risse umgesetzt werden. Auch die vor allem in den verspiegelten Hinterglasbildern üblichen architektonischen Umrahmungen und Kartuschenformen gehen auf Vorlageblätter der „Ornamentstecher" zurück, die von Kunsthandwerkern aller Sparten benutzt wurden4. Um diese Vorlagen in die plakative, konturierte Darstellungsart der hüttennahen Hinterglasbilder umsetzen zu können, wurden Risse von ihnen angefertigt. Dies war die Aufgabe des Meisters einer Werkstatt, er vermochte die ursprünglich aufwendigen Schattierungen eines Kupferstichs durch das gezielte Setzen weniger Linien sinngemäß wiederzugeben (Abb. 6). Architekturdetails oder perspektivische Kunstübungen der Vorlagen wurden stark stilisiert oder weggelassen, um den Hintergrund mit den eigenen ornamentalen Formen zu füllen. Diese Vorlagen einer Malerfamilie wurden gehütet und an die nächste Generation weitergegeben. Im Gegensatz zu den Hinterglasbildern finden sich auf den Rissen auch häufiger Signaturen der Schöpfer.

1

Unter Riss versteht man im Allgemeinen die stark reduzierte grafische Wiedergabe einer Darstellung, eines Musters, eines Gebäudes o. A.

2

Darunter sind jene Hinterglasbilder zu verstehen, die sich aus den Techniken der Glasveredelung heraus entwickelt haben, also zum Teil auch Glasschliff oder Verspiegelung aufweisen. Weitere Merkmale sind die Anfertigung nach Motiworlagen, in Arbeitsteilung und in großer Stückzahl, (siehe dazu auch Kapitel 2.2)

3

Knaipp, Friedrich: Hinterglasbilder in Österreich. Katalog zur Sonderausstellung des Oberösterreichischen Landesmuseums Linz, April-Oktober 1948. Linz 1948.

4

Knaipp, Friedrich: Linz 1963.

4.6

4- Technik, Produktion und Absatz

Die je nach Zeit, Region und Werkstätte charakteristischen Blumenmotive wurden auf eigenen Rissblättern entworfen, um sie individuell in die jeweiligen Darstellungen einfügen zu können oder unterschiedliche Blumendekore in einem Bild kombinieren zu können (Eckblumen oder waagrecht ausgerichtete Blumenbänder). Dasselbe gilt für die Risse von Kartuschen: der umrahmte Raum in der Mitte bleibt frei, um die Möglichkeit zu haben, verschiedene Bildthemen einzusetzen. Folgende Beobachtungen wurden bei der Durchsicht der Riss-Sammlung des Mühlviertler Schlossmuseums in Freistadt gemacht: Auffallend ist, dass fast alle Risse neben den feinen, schwarzen Tinten- oder Bleistiftlinien auch rote, mit feinem Pinsel aufgetragene Linien aufweisen. Diese bezeichnen nicht die Inkarnatlinien, die sog. „Leibstriche"5, sondern jene Linien, die in den Bucherser und Sandler Bildern meist in hellgelber Farbe ausgeführt wurden und stets für die Umrahmung, Darstellung oder Verzierung bestimmter Bereiche verwendet wurden, also zur Darstellung von Gold: z. B. Begrenzungslinie der Nimben, Seelenwaage des hl. Michael, Haarschmuck in Darstellungen der hl. Barbara, Zierblüten in Gewändern, etc. (Abb. 6 und y) Diese Linien wurden in den frühen Bucherser Hinterglasbildern mit flüssiger Goldbronze ausgeführt, wodurch sich auch die besondere Kennzeichnung in den Rissen erklärt. Später wurde die Bronzefarbe durch Linien einer charakteristischen hellgelben Farbe, dem Auripigment, ersetzt (in Kap. 6.3.1.3 und Kap. 8.3.3.3 wird näher darauf eingegangen). Meist geben die Risse nur Umrisslinien vor, detailliertere Angaben für die Form der Gewandfalten gibt es kaum. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass ein Riss nur die Form der opaken Konturen bestimmt, da die Gewandfalten häufig mit lasierenden Farben ausgeführt wurden. Auf vielen Rissen finden sich mit Bleistift eingetragene Anweisungen des Meisters für die flächige Farbgebung des Motivs, manchmal abgekürzt durch den Anfangsbuchstaben der Farbe oder aber ausgeschrieben (Abb. 7). Eine Ausnahme stellen wohl jene Risse des Museums in Freistadt dar, in denen alle Linien bereits die vorgesehene Farbe aufweisen und auch bereits alle Faltenlinien verzeichnet sind (Abb. 8). Diese Risszeichnungen wurden zudem mit Pinsel und möglicherweise Aquarellfarben ausgeführt, was das spätere Aussehen der gemalten, linearen Darstellung am Glas bereits vorwegnimmt. Solche Risse mit differenzierter Farbgebung sind aus maltechnischer Sicht interessant und bestätigen auch die bei der Zustandserfassung gemachten Beobachtungen zum Farbschema der Hinterglasbilder (siehe Kapitel 6.3.1.4).

5

Als „Leibstriche" bezeichneten die Hinterglasmaler die roten Linien und Konturen, die in Bucherser, Sandler und Außergefilder Hinterglasbildern zur Zeichnung der Inkarnatspartien verwendet wurden.

4-2 Arbeitsweise in den „Bilderfabriken"

4 . 2 A R B E I T S W E I S E IN DEN „ B I L D E R F A B R I K E N " -

47

MASSENPRODUKTION

Die Annahme, dass es sich bei den Schöpfern der „hüttennahen" Hinterglasbilder um Bauern handelt, die die langen Winter für die Erzeugung der Hinterglasbilder nutzten, muss nicht nur deshalb in Frage gestellt werden, weil die Einkünfte aus dieser Arbeit oft Hauptverdienst einer Malerfamilie ausmachten, sondern auch angesichts der enormen Stückzahl einer Tagesproduktion und dem organisierten weitläufigen Handel, der diese Bilder in alle Länder der ehemaligen Monarchie brachte. Aus den bei Aigner aufgearbeiteten Archivalien wird zwar ersichtlich, dass manche Bildermaler vor allem zu Beginn dieses aufstrebenden Gewerbes noch einem weiteren Erwerb nachgingen6, wie z. B. Wirt, Glaser, Maurer oder saisonal eingeschränkte Tätigkeiten. Der für viele Glasmaler nachweisbare kleine Grund- und Viehbesitz diente lediglich zur Deckung des Eigenbedarfs. Dass die Hinterglasmalerei für viele Bucherser und Sandler Einwohner das Haupteinkommen ausmachte, beweisen außerdem die Anführungen dieser Personen in den pfarrlichen Quellen, wo sie häufig als „Bildermaler" oder „Glasbildermaler" bezeichnet werden7. Buchner und vor allem Knaipp versuchten in ihren Publikationen die Vorstellung vom gelegentlich malenden Bauern in die vom geschäftstüchtigen Fabrikanten umzuwandeln, welche eher den Gegebenheiten entspricht. Der Meister einer Werkstätte musste sich nicht nur um die fortlaufende Versorgung mit Rohstoffen (Tafelglas, Farben, Rahmen, Packmaterial) fiir die Produktion und die Anweisung seiner Arbeiter kümmern. Für den Absatz seiner Bilder in fernen Regionen hatte er auch Zoll- und Frachttarife, Ein- und Ausfuhrbedingungen zu studieren und musste mit seinen Abnehmern, den Fuhrleuten, Donau-Dampfschifffahrts-Kontoren und Staatseisenbahnbehörden einen ausgedehnten Schriftwechsel fuhren. Nebenbei oblag es ihm, die Auswahl der Motive und die Bildergrößen zu bestimmen, um sie den örtlich verschiedenen Abnehmerwünschen anzupassen.8 Knaipp antwortet auf die vielen abschätzigen Berichte über die Hinterglasbilder wie folgt9: „ ... um damit auch gleich den ganzen Wust von Schlagwörtern auszufegen, der bis in unsere Tage das Wissen um die HinterglasbiUer und ihre Entstehung vernebelt: Die Erzeuger die-

6

Aigner, Hermine: S. 184-188.

7

Ebenda: S. 40.

8

Knaipp, Friedrich: Volkskundeatlas, Linz 1959, S. 2-3.

9

Knaipp, Friedrich: Linz 1963, S. 15.

48

4- Technik, Produktion und Absatz

ser Bilder waren weder „ Ungeübte " —nur ungeübt im Darstellen — noch „ naiv ", sondern beherrschten ihr Handwerk, das spröde, schlierige Waldglas zum Leuchten zu bringen, mit der Sicherheit und Routine tausendfältig wiederholter Funktionen. Sie waren nicht weniger fromm und keineswegsfrömmerals andere Handwerker ihrer Zeit. Sie betrachteten ihre Stuben nicht als Ateliers" und sich nicht als „Künstler", sondern als ländliche Gewerbetreibende und bei gutem Geschäftsgang als „Bilderfabrikanten". Sie hatten keine Auffassungen", weil sie starre Vorbilder reproduzierten, die aus einer fremden, städtischen Formenwelt herstammten. Sie suchten keine „Valeurs" in den Farben, weil ihnen die Farbenskala, zum Beispiel die der Gewänder von Heiligen, traditionsgemäß überliefert und daher selbstverständlich war. Wo wir heute, nach 100 oder 200 Jahren, solche „Valeurs" ästhetisch genießen, handelt es sich zumeist um ganz simple chemische Verwandlungen der ursprünglichen Farben unter dem Einfluß des Quecksilbers bei Spiegelbildern oder der gegenseitigen Beeinflussung aneinanderstoßender oder einander überdeckender Farben. Sie kannten kein „Kunstwollen" im Sinne der Modekünstler der Stadt. Was sie wollten, war, noch schneller, noch mehr, noch einfacher zu malen, noch billiger zu sein und noch weiter entfernte Märkte beliefern zu können als die KonkurrenzJ" So war es scheinbar möglich, in den besten Zeiten dieses Gewerbes an einem Tag ca. 50 Stück Hinterglasbilder zu erzeugen, laut Buchner 10 konnte eine Werkstätte bei starker Nachfrage die Produktion auf 200 Stück pro Tag steigern. Dies verdeutlicht, mit welch mechanischer Gekonntheit hier die Linien und Farben aufgetragen wurden. Man muss sich jedoch vor Augen halten, dass die frühesten Hinterglasbilder aus Buchers z. B. mit ihrem SchlifFdekor und dem Spiegelbelag vermutlich nicht in demselben quantitativen Ausmaß angefertigt wurden. Zudem wurden diese Art Bilder auch teurer verkauft, die Herstellung verlief also vermutlich unter weniger strenger Sparsamkeit und Effizienz. In den meisten Publikationen zur Hinterglasmalerei aus Südböhmen und Oberösterreich werden Beschreibungen zur Arbeitsweise und zu den verwendeten Materialien gegeben, jedoch kaum entsprechende Quellen genannt. Prüft man die Aussagen, so kommt man zu dem Schluss, dass die arbeits- und maltechnischen Beschreibungen im Wesentlichen aus den Berichten zweier Zeitzeugen, Josef Meßner und Johann Thumayer, stammen. Diese schildern Werkstätten, welche bereits im Stile einer gut organisierten Industrie arbeiteten. Der böhmische Schriftsteller Meßner schreibt in seiner 1856 im Neuen Wiener Volkskalender erschienenen Sammlung von Erzählungen „Hantierer im Böhmerwald" über „Die ,Bildelmaler' in Außergefild" 11 . Sind seine Schilderungen auch von der persönlichen 10

Buchner, Heinrich: S. 26.

11

Meßner, Josef: Hantierer im Böhmerwald. In: Ausgewählte Werke. Hrsg. von Paul Meßner, Band VII., Wien 1897, S. 286-290. Alle im folgenden Absatz unter Anfuhrungszeichen gesetzten Textzeilen wurden aus Meßner zitiert.

4.2 Arbeitsweise in den „Bilderfabriken"

49

Abneigung gegen die Außergefilder Hinterglasbilder geprägt und übertreibt er bei der Schilderung der praktizierten Arbeitsteilung vermutlich stark, so bekommt man dennoch eine Vorstellung von dem Versuch des Meisters möglichst rationell zu produzieren bzw. „ . . . die Bildein geschäftsmäßig zu erzeugen . . . " Es wird die Arbeitsweise in der Werkstatt des Johann Verderber beschrieben, welcher seine Arbeiter, die „Krüppel und Trottel", wie Meßner sie nennt, in „Umrisszeichner, Verzierer, Entwerfer" und in „Ausfiiller" einteilte. Die folgende Beschreibung der Arbeitsweise wird in einschlägiger Literatur12 als stark überspitzt empfunden. Es lässt sich jedoch nicht sagen, ob nicht dennoch eine derartige Aufspaltung der Arbeit stattfand: „Einer oder mehrere haben die grüne Farbe auf die Ritterstiefel, einige die auf das Gras und die Bäume, einige die auf die Helmfedern, andere die rothe zu den Backen, andere zu den Mänteln, andere zu den blutenden Wunden u.s.w.; einige malen bloß Augen, einige malen bloß Nasenlöcher, andere Finger, andere Haare, manche Ohren, manche Heiligenscheine u.s. w.; Jeder hat sein Fach und die Bildelfabrik des Herrn Verderber ist so eingerichtet, dass, wenn ein Besucher bei der Thüre der Anstalt eintritt, wo die leeren Ausschusstafeln aus-, und die bemalten und berahmten Bildein eingepackt werden, er zuerst zu den Rahmenmachern kommt, von denen erfortgehend von einem der Künstler zum anderen, das Wachsen und Gedeihen des Bildes verfolgen kann, bis er ohne anzuhalten wieder zugleich mit dem vollendeten Gemälde an der Thüre ankommt. "'s Auch Haberlandt14 bezieht sich vermutlich auf Meßner, wenn er meint, dass auch „geistig minderbemittelte Personen aus der ganzen Umgebung" bei der Erzeugung der „naiven, armseligen und doch oft rührenden Pinseleien" mithalfen. Genauere, angeblich überlieferte Angaben zur Tätigkeit der bei Verderber arbeitenden Handwerker gibt Fride Wird 15 : so gab es Rissmaler, Farbanreiber und Spanschneider für die Deckbrettchen. Insgesamt sollen zwischen 10 und 15 Handwerker für Verderber gearbeitet haben (Quellen flir diese Angaben werden bei Wird nicht genannt). Ein weiterer, zu Beginn des 20. Jh. viel besuchter Zeitzeuge war das letzte noch hinter Glas malende Mitglied der Sandler Malerfamilie Thumayer, Johann Thumayer (nach dem Hausnamen „Bernhardl" genannt). Als er in den 30er Jahren von Heimatkundlern und interessierten Journalisten besucht wurde und zu den „Geheimnissen" der Technik befragt

12

Z. B. bei Knaipp, Friedrich Linz 1963.

13

Buchner, Heinrich München 1936.

14

Haberlandt, Michael: Volkstümliche Glasarbeiten. In: Österreichische Volkskunst. Aus den Sammlungen des Museums für österreichische Volkskunde. Wien 1911, S. 120-122.

15

Wirtl, Fride: Hinterglasmalerei. Kunsthandwerk und Hobby. Otto Maier Verlag Ravensburg, S. 48.

50

4- Technik, Produktion und Absatz

wurde, begann er noch einmal Hinterglasbilder nach den alten Vorlagen seines Großvaters für sie zu malen (eigentlich hatten die Thumayers die Hinterglasmalerei bereits aufgegeben, da damit kein Auskommen mehr war). In einigen Berichten sind die Erkenntnisse aus den Besuchen beim „Bernhardl" festgehalten.16 Zusammengefasst geben die Schilderungen des Johann Thumayer folgendes Bild vom Arbeitsablauf wieder: In einer Werkstätte war meist die ganze Familie eines „Bildlmalers" tätig sowie ein Geselle. Außerdem beschäftige der Meister einen Rahmentischler und einen Hausierer, der den Handel durchführte. Die Werkstätte befand sich in der Stube des Hauses, die Arbeitsplätze für die Maler wurden meist vor den Fenstern eingerichtet. Um das Motiv auf das Glas zu übertragen, wurden die Risse unter das Glas gelegt und die feinen Linien (Umriss- und Faltenlinien) in bestimmten Farben nachgezogen. Spezielle Vorreinigungen der Glastafeln werden nicht genannt, von Johann Thumayer wird nur berichtet, er habe sie „flüchtig vom Staub gereinigt"17. Der Auftrag der feinen, wässrig gebundenen Linien war bestimmt einer der Arbeitsschritte, die am meisten Können, Übung, Geduld oder Talent erforderten, weshalb stets berichtet wird, dass dies die Arbeit des Meisters oder Gesellen war. Der „alte Bernhardl" bediente sich dabei des „Zoachstabes" 18 , möglicherweise ein zugespitztes Holzstäbchen oder eine Art Feder, was angesichts der bei manchen Bildern fast haarfeinen Linien im Inkarnat denkbar wäre. Es ist nicht ganz klar, ob alle Farben der Konturen und Linien wässrig gebunden sind oder ob dies nur für die meist erwähnten schwarzen und roten Konturen gilt. Staininger' 9 berichtet, dass zu diesem ersten Farbauftrag neben den Umrissen, Falten und Gesichtszügen auch die Blattrippen der Eckblumen zählen.

16

Zum Beispiel: - Kriss, Rudolf: Die bäuerliche Hinterglasmalerei zu Sandl als Volkskunst der Gegenwart. In: Sonderabdruck der .¡Wiener Zeitschrift für Volkskunde", XL. Jahrgang, Heft III, 1935. - Staininger, Robert: Die Sandler Glasmalerei. In: Heimatgaue, Jg. 17,1936, S. 185-186. - Pfeffer, Franz: „Sandlbilder", ein Besuch beim letzten Hinterglasmaler Oberösterreichs. In: Reichspost, Nr. 115, 43. Jahrgang, So 26. April 1936.

17

Staininger, Robert: S. 185.

18

Pfeffer, Franz: Reichspost, Nr. 115, 43. Jahrgang, So 26. April 1936.

19

Staininger, Robert: S. 185.

4.2 Arbeitsweise in den

„Bilderfabriken"

51

Dies würde zumindest für die Werkstätte Thumayer bedeuten, dass auch die dunkelblauen, dunkelroten und weißen Linien oder Konturen, die in fast jedem Bucherser und Sandler Hinterglasbild zu finden sind, wässrig gebunden wurden. Einen Beleg für diese Vermutung stellt eine vom „alten Bernhardl" angefertigte Abfolge der Entstehung eines Hinterglasbildes dar. Sie veranschaulicht vier maltechnische Schritte: beginnend mit dem unter das Glas gelegten Riss, über den Auftrag der wässrig gebundenen Konturen, dem Ausfullen der Flächen mit Ölfarbe und der abschließend ganzflächig aufgetragenen Hintergrundfarbe. Die zweite Glastafel zeigt deutlich, dass offenbar in der Thumayer sehen Maltradition alles Lineare, zuerst auf das Glas Aufgetragene mit Gummi arabicum gebunden wurde. Z u jedem Schritt werden schriftliche Erklärungen gegeben, ein Verweis auf genauere Angaben im Artikel Stainingers folgt zum Schluss. Diese Darstellung der Maltechnik sollte jedoch nicht auf alle Sandler oder südböhmischen Hinterglasbilder umgemünzt werden. Typisch für die Hinterglasbilder aus Buchers und Sandl sind die orange-roten „Leibstriche"20 im und endang des Inkarnats. In den Außergefilder Bildern hingegen handelt es sich eher um dunkle, rotbraune Linien. Nachdem die wässrig gebundenen Linien trocken waren, wurden die somit begrenzten Flächen der Darstellung mit Ölfarben nach den Vorgaben des Risses ausgefüllt. Wo Blattmetallauflage vorgesehen war, wurde diese meist vor der Bemalung von einem Vergolder aufgebracht. Das Ausfüllen des Motivs erfolgte in eingeschränkter Farbwahl, mit einem breiten Pinsel und sparsamsten Farbauftrag. Häufig wurde dabei in der Eile über die begrenzenden Linien gemalt und auch über die Ränder des Glases hinaus, wie an vielen Rissblättern zu sehen ist. Es ist denkbar, dass die Aufgabe des Ausfüllens in geteilter Arbeit ausgeführt wurde: für kleinere Farbbereiche oder die mit Schattengebung versehenen Inkarnate waren Maler zuständig, die mehr Geschick im Umgang mit dem Pinsel hatten. Das Ausfüllen des Hintergrunds einer Szene hingegen wird wohl die Aufgabe der „Hilfskräfte" gewesen sein. Um zu verhindern, dass die einzelnen Farbflächen ineinander rinnen, musste immer einen Tag ausgesetzt werden. Einschließlich der Trockenzeiten dauerte die Herstellung eines Hinterglasbildes ca. 2-3 Tage. In allen Berichten über die Maltechnik wird beschrieben, dass die Hintergrundfarbe einer Darstellung gleich die gesamte Rückseite des Glases bedeckte, um wässrig gebundenen Farben einen Schutz gegen Feuchtigkeit zu geben. Auch diese Behauptung trifft wohl nur auf die späten Bilder der Familie Thumayer zu (wird im Werk „Bernhardls" als letzter

20 Als „Leibstriche" bezeichnete Johann Thumayer die roten Konturen, die in den Sandler und Bucherser Hinterglasbildern nur fiir Inkarnatbereiche (Gesichter, Hände, ...) verwendet wurden.

52

4- Technik, Produktion und Absatz

Arbeitsschritt angeführt). Bei den Bildern der Sammlung Freistadt war bisher bei keinem einzigen Hinterglasbild solch ein ganzflächiger, einfärbiger Rückseitenanstrich zu finden. Im Gegenteil, die Farben wurden extrem dünn aufgetragen und kaum über die vorgesehene Fläche hinaus. Ein ganzflächiger Schutzüberzug hätte für die, bei Material äußerst sparsamen, Hinterglasmaler wohl eine zu große Farbverschwendung bedeutet. Die vom beauftragten Tischler ebenfalls serienmäßig nach bestimmten Maßen angefertigten Rahmen wurden von „Rahmenstreichern" mit Kienruß 21 , der in Leinöl angerieben wurde, gestrichen. Z u den üblichen dünnen Brettchen, die als Rückseitenschutz dienen, gibt es kaum Angaben über die Herstellung bzw. woher sie bezogen wurden. Anhand der wenigen noch montierten, originalen Rückseiten, die bei Hinterglasbildern der Freistädter Sammlung zu finden sind, ist ersichtlich, dass die Glastafeln und Deckbrettchen mit Holz- oder Eisenstiften im Rahmenfalz befestigt wurden. U m die Hinterglasbilder für den Transport durch die Hausierer zu rüsten, wurden sie in Stroh verpackt. Abschließend muss noch erwähnt werden, dass als „Hilfskräfte", denen innerhalb einer Werkstätte die einfachsten Aufgaben zukamen, in den meisten Publikationen einhellig Frauen vermutet werden. Dass den Frauen in einer Malerwerkstätte nur das „Ausfullen" oder Rahmenstreichen zugeteilt wurde, ist wenig glaubwürdig angesichts der Tatsache, dass einige Hinterglasmaler dieses Handwerk erst durch Heirat mit einer „Bildermalerin" erlernten. Auch die schöpferische Tätigkeit der Herstellung eines Risses wird stets den Männern zugeschrieben. Von Franziska Thumayer ist bekannt, dass sie Risse für die Thumayer- Werkstätte anfertigte. Eine Auflistung von Bildermalerinnen ist bei Aigner 22 nachzulesen.

4 . 3 ÜBERLIEFERTE T E C H N I K E N UND MATERIALIEN Wie bereits erwähnt, stehen nur wenige Quellen mit Angaben über Materialien und Technik zur Verfugung. Im Wesentlichen sind dies die Aufzeichnungen und Berichte der Gespräche mit Johann Thumayer („Bernhardl") 23 , die Beschreibungen des Josef Meßner 2 4

21

Grauschwarzer Ruß, der bei der Verbrennung von harzreichem Kiefernholz entsteht. Aus: Neumüller, Otto-Albrecht: Römpps Chemie Lexikon. 3. Bd., 8. Aufl. Franckh'sche Verlagshandlung Stuttgart 1983, S. 2105.

22 Aigner, Hermine: S. 206-208. 23

Nachkomme der berühmten Sandler Hinterglasmaler-Dynastie, 1 1 9 4 0

24 Meßner, Josef: Hantierer im Böhmerwald. In: Ausgewählte Werke. Hrsg. von Paul Meßner, Band VII., Wien 1897, S. 286-290.

4.3 Überlieferte Techniken und Materialien

53

und die wenigen bei Aigner aufgelisteten Archivalien 25 , die Angaben zu den Materialien enthalten. Ritz26 erwähnt auch noch Erzählungen des Josef Blau, der den Arbeitsablauf in Bucherser Bilderwerkstätten beschreibt. Im folgenden Kapitel erfolgt eine Zusammenfassung der in der Primär-, aber auch Sekundärliteratur erwähnten Materialien und Beschreibungen der Technik, um im Hinblick auf die in Kapitel 7 und 8 dargelegten naturwissenschaftlichen Materialuntersuchungen Vergleiche ziehen zu können.

4.3.1 Glas Ob die für die jeweiligen Hinterglasmalereiorte genannten Bezugsquellen für Tafelglas auch durch Rechnungen, Bestelllisten oder dgl. belegt werden können, müsste überprüft werden. Knaipp 27 gibt an, dass die Hinterglasmaler billiges „Bundglas" von den Hütten erstanden hätten, worunter 1 Schock Tafeln (= 60 Stück) zu einem Paket gebunden 28 zu verstehen ist.

4.3.2 Bindemittel der Malschicht Genannt werden in der Sekundärliteratur hauptsächlich Gummi arabicum (Knaipp, Buchner, Jesserer29, Schmidt30) fiir die Konturen sowie Leinöl für die flächig aufgetragenen Farben. Diese Angaben stützen sich auf die Berichte des „alten Bernhardl", welche sich mit jenen Josef Blaus decken. Einige Autoren nennen auch die Verwendung von Leim oder Eiklar. Im Archivalien-Anhang bei Aigner findet sich eine Mitteilung des Farbhändlers

25 Aigner, Hermine: Transkriptionen der Archivalien, S. 234-284. Nr. 32: Mitteilung des Farbhändlers Thury an Thumayer, Sandl, wegen Verteuerung der Farben. Archiv Heimathaus Freistadt, 3od. Nr. 35: Bestellliste. Archiv Heimathaus Freistadt, jod. Nr. 38: Giftschein. Archivbestand Hinterglasmuseum Sandl. 26 Ritz, Gislind: 1975, S. 59-60: Zitat aus: Blau, Josef: Böhmerwälder Hausindustrie und Volkskunst. Prag 1918. 27

Knaipp, Friedrich: Volkskundeatlas, Linz 1959, S. 4.

28

Knaipp, Friedrich: Linz 1963, S. 14.

29 Jesserer, Hans: Hinterglasbilder der Schule Buchers-Sandl („Sandlbilder"). Verlag Denkmayr, Linz. 30 Schmidt, Leopold: Hinterglas, Zeugnisse einer alten Hauskunst. Residenz Verlag Salzburg, 2. Aufl. 1973, S. 20.

54

4- Technik, Produktion und Absatz

Thury an Thumayer, in der die Verteuerung einiger Materialien erklärt wird31. Neben einigen Pigmenten wird hier auch Leim aufgelistet. Es ist also denkbar, dass die Konturen auch Leimbindung aufweisen. Von „Bernhardl" wird bezüglich des Bindemittels der Hinterlegungsfarben auch ein Gemisch von Firnis und Terpentinöl anstatt des früher verwendeten Leinöls angegeben.

4.3.3 Pigmente der Malschicht Basierend auf den Aussagen des „Bernhardl" und den Beschreibungen Josef Blaus werden folgende Pigmente in den meisten Publikationen zu den hüttennahen Hinterglasbildern erwähnt: Bleiweiß, Kienruß, Karmin, Kugellack31, Zinnoberrot, Preußischblau und Pflanzengrün. Die Farben wurden laut „Bernhardl" selbst auf einer „Sandsteinplatte" mit einem aus Glas gefertigten „Stößl" angerieben33. Das Grün wurde dabei früher angeblich selbst aus Kreuzbeeren34 oder Schlehen hergestellt, die Vorgehensweise wird jedoch nirgends erwähnt35. Als weitere Pigmente werden in der Sekundärliteratur Chromgelb, Auripigment, Minium, Umbra, Grünspan und Schweinfurtergrün genannt, die ursprünglichen Quellen jedoch nicht erwähnt. Einige dieser Angaben sind durch Archivalien belegbar, so wird in der bereits erwähnten Mitteilung des Farbhändlers Thury neben Bleiweiß auch Grünspan, Minium und Mineralgelb36 genannt.

31

Aigner, H e r m i n e : S. 279, Nr. 32.

32

D a r u n t e r ist ein roter Farbstoff zu verstehen, der seinen N a m e n a u f g r u n d seiner Vertriebsform erhielt. Bretz, S i m o n e : Maltechnik und Glastechnik in der Hinterglasmalerei 1600 bis 1650. I n : Farbige Kostbarkeiten aus Glas, Kabinettstücke der Zürcher Hinterglasmalerei 1600—1650. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in M ü n c h e n , Bayerisches N a t i o n a l m u s e u m , 29. September bis 5. Dezember 1999 u n d Zürich, Schweizerisches L a n d e s m u s e u m , 15. Dezember 1999 bis 12. M ä r z 2 0 0 0 . Herausgegeben von Hanspeter Lanz und Lorenz Seelig, S. 185. Kugellack wird als Synonym für Karmin angegeben. S c h r a m m , Hans-Peter u n d Hering, B e r n d : Historische Malmaterialien u n d ihre Identifizierung. Verlag Enke, Stuttgart 1995, S. 50.

33

Staininger, Robert: S. 185.

34

E b e n d a : S. 185.

35

Generell wurde der Saft aus unterschiedlichen Gewächsen (reife Kreuzdornbeeren, Lilie, Nachtschattengewächse) mit Soda versetzt, wodurch sich ein Farbstoff extrahieren ließ, welcher auf Substrate (Kreiden, Tonerden) gefällt wurde. Doerner, M a x : Malmaterial und seine Verwendung im Bilde. 16. Aufl., Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1985, S. 36.

36

Es ist nicht klar, w o r u m es sich dabei handeln könnte.

4.3 Überlieferte Techniken und Materialien

55

Die Farben wurden aus Freistadt bezogen, laut Buchner 37 früher auch aus Prag und Wien. Für die lasierende Malerei der Spiegelbilder erwähnt Buchner „Lasurfarben im Gummigut", gibt dazu jedoch keine Quelle an.38

4.3.4 Verspiegelung Die Beschreibung der Technik ist bei Buchner angegeben39: „Das hier geübte Verfahren der Bildverspiegelung ist uns nach Aussagen eines Sohnes des Bucherser Glasmalers Koller sowie des noch lebenden Sandler Malers Thumayr übereinstimmend überliefert. Zur Herstellung dieser Bilder wurde meist ein besonderer Tisch verwendet, dessen glattpolierte Platte auf der dem Arbeitenden gegenüberliegenden Seite um Bänder beweglich war, sodass der Maler sie senkrecht stellen konnte. An der unbeweglichen Seite der Tischplatte war eine Rinne angebracht, deren eines Ende tiefer lag als das andere. Der Spiegelmacher ging nun so zu Werke: er bemalte Tafelglas mit den üblichen Darstellungen, verwendete aus technischen Gründen nur kleine bis mittelgroße Scheiben (...) Die Spiegelbelegung erfolgte ganz in der Art derfrüher hier gebräuchlichen Hüttentechnik: auf die Tischplatte wurde ein Stanniolblatt in der Größe des Glasbildes gelegt und darüber mit einer Bürste reichlich Quecksilber verteilt. War die ganze Zinnfolie mit dem Belegmittel bedeckt, so schob man die Glastafel mit der bemalten Seite nach unten so vorsichtig auf das Stanniol, dass sich keine Lufiblasen bildeten; zu diesem Handgriff war Ruhe und Sicherheit nötig. Nun hob man die Tischplatte etwas schräg, sodass das überschüssige Quecksilber in die Rinne abfloß und sich an deren Ende zu weiterem Gebrauch sammelte. Nun wurde das Spiegelbild mit dem anhaftenden Zinnblatt behutsam vom Tisch aufgehoben und rasch umgedreht. Diefrisch belegte Seite durfte nicht berührt werden, da sonst die betreffende Stelle sofort schadhaft war. Schließlich wurde das Bild, Belag nach unten, auf einer Marmorplatte gepresst und zum Eintrocknen gebracht, wobei wiederum überflüssiges Quecksilber abfiel. Häufig ersetzte eine Marmorplatte auch den besonderen Belegtisch, wobei freilich das abfallende Quecksilber leichter vergeudet wurde. "

37

Buchner, Heinrich: S. 28.

38

Ebenda: S. 28.

39

Ebenda: S. 28.

56

4' Technik, Produktion und Absatz

Die fiir das Verspiegeln notwendigen Materialien tauchen auch in Inventarangaben des Sandler Malerhauses auf (siehe Kap. 3.3.2) 40 , es werden „(•••) 8 Pfund Quecksilber ( . . . ) " sowie „(...) 5 Pfund folio von Zinn (...)" genannt.

4.3. j Rahmen Uber die Rahmen ist nur bekannt, dass sie von den Hinterglasmalern beim Ortstischler in Auftrag gegeben wurden und von den Malern selbst mit Kienruß geschwärzt wurden. Das Binden des Kienrußes erfolgte laut Sekundärliteratur mit Leinöl oder Leimwasser. (Technologischer Aufbau der Rahmen siehe Kap. 6.5)

4.3.6 Rückseitenabdeckung Auch hier ist die Quellenlage zur Herstellung bzw. zum Bezug der Brettchen dürftig, die einzigen Hinweise geben die Kontoaufzeichnungen des Karl Thumayer aus dem Jahr 1871 41 , hier wird u. a. „Bilderspäne" genannt, womit theoretisch die dünnen Deckbrettchen gemeint sein könnten.

4 . 4 BILDERHANDEL - VERBREITUNG UND ABSATZGEBIETE Bereits vor 1800 wurde der Vertrieb der Hinterglasbilder aus dem südböhmisch-österreichischen Grenzgebiet durch einheimische, großteils jedoch ortsfremde Hausierer organisiert. „Welschtiroler", „Tyroler", „Kraner", „Gottschewerer" oder „Stachaken" nannte man damals die Hausierer, jeweils bezugnehmend auf ihre Herkunft: Südtirol, Krain (einstiges Kronland Österreichs), Gottschee (deutsche Sprachinsel) und Stachau. 42 Die sich im Verlauf des 18. und 19. Jh. häufig ändernden Zollordnungen und Hausiervorschriften beeinflussten den Handel bzw. Absatz und somit auch die Bilderproduktion. 43 Die Genehmigung zum Hausieren wurde von der Obrigkeit der betreffenden Provinz (Kreisamt bzw. Landesamt) durch Ausstellen eines Hausierpasses erteilt. Dieser war auf ein Jahr befristet, wodurch das Hausieren erschwert bzw. kontrollierbar gemacht werden sollte.

40 Aigner, Hermine: S. 190. 41

Ebenda: S. 192.

42

Buchner, Heinrich: S. 11.

43 Aigner, Hermine: S. 210-212.

4-4 Bilderhandel

57

Aus Buchers ist bekannt, dass für die bereits um 1780 in der Ortschaft eintreffenden Tiroler Hausierer ein Schreiben an das kgl. Kreisamt gesandt wurde, mit dem Ansuchen, dass: „ (...), für jeden Einzeln ein Hausierpaß auf ein Jahr, um mit inländischen Glas- und Spiegelbilderwaaren in den k.k. konskribirten Erbländem und auch nach Hungarn handeln und dort hausieren zu dürfen, ertheilt werden möchte ... "44 Die verordneten Hausierverbote für bestimmte Waren oder Gebiete sowie die Vorgaben zu den Transporthilfen (erlaubt waren laut Hofdekret 1772 nur Schubkarren, Kraxen und Bündel, jedoch keine bespannten Wagen) wurden in der Praxis nicht immer genau genommen. Als durch das Hausiererpatent von 1811 der Handel stark eingeschränkt wurde und unter anderem das Handeln mit Bildern verboten wurde, beschwerten sich die Sandler Bildermaler, da sie sich um ihren Verdienst gebracht sahen, wodurch letztendlich die Hausierpässe genehmigt wurden. Trotz der Schwierigkeiten, die dem Hausierertreiben gemacht wurden, gelang eine weitreichende Verbreitung der Bilder. In der ersten Hälfte des 19. Jh. war der Absatz der Bilder außerhalb der heimischen Region besonders groß. Viele der Hausierer baten in dieser Zeit um Erneuerung ihrer Pässe. Während benachbarte Siedlungen zu Fuß erreicht wurden, wurden für den Vertrieb der Hinterglasbilder in der gesamten ehemaligen Monarchie die immer besser ausgebauten Eisenbahn- und auch die Schiffsverbindungen benutzt. Für diese entlegenen Orte setzte bald der kistenweise Versand der Hinterglasbilder ein. Der Meister konnte somit die Hinterglasbilder kistenweise an weit entfernte Orte schicken, um sie dann dort von seinem Hausierer austragen zu lassen. Der erhaltene Schriftverkehr zwischen Hausierer und Bildermaler bezeugt diese Entwicklung.45 Der Vertrieb der Hinterglasbilder erreichte nicht nur ganz Böhmen, Mähren sowie Ober- und Niederösterreich, sondern auch Krain, Kroatien, Ungarn und die Siebenbürgen im heutigen Rumänien.

44

Buchner, Heinrich: S. 22.

45

Aigner, Hermine: Transkriptionen der Archivalien, S. 275—276: Nr. 26: Brief von Jos. Stampfl (Bilderverleger?) aus Baya an Franz Thumeyer (1847), Archiv Heimathaus Freistadt, 3od. Nr. 27: Brief des Bilderhändlers Nicolaus Casparits an Johann Thumayr (1849), S. 276, Hinterglasmuseum Sandl, Leihgabe des Heimathauses Freistadt.

58

4- Technik, Produktion und Absatz

Eine detaillierte Aufzeichnung der Handelswege stellt Knaipp anhand von Karten im Volkskundeatlas dar.46 Diese basieren auf den Aufzeichnungen im Geschäftsbuch des Vinzenz Köck (siehe Kap. 3.3.2). Auch die Außergefilder Hinterglasbilder gingen die oben beschriebenen Wege.47 Während der Zeit, in der der Hausierer eines Meisters auf neue Ware warten musste, lebte er bei der Malerfamilie. Für manche dieser Wanderhändler ergab sich hier der Anreiz selbst dieses Handwerk zu probieren. Die erste Ladung Bilder musste er gleich bezahlen, weitere erhielt er auf Kommission. Laut Buchner48 waren in Sandl in der Blütezeit des Hinterglasbilderhandels bis zu 20 ,Austräger" tätig. Alle 3-4 Wochen kamen sie zurück und füllten die Kraxe mit 50-80 Bildern, um erneut loszuziehen.

46 Knaipp, Friedrich: Volkskundeatlas, Linz 1959. 47

Buchner, Heinrich: S. 49.

48

Buchner, Heinrich: S. 24-25.

5. Ikonografie und Rezeption der Küttennahen Hinterglasbilder

5.1 BILDTYPEN U N D - F O R M E N

Unterschiedliche Typen von Hinterglasbildern wurden in Buchers, Sandl und Außergefild hergestellt: • Spiegelschliffbild: hier werden vor der Bemalung und Verspiegelung die Formen der Umrahmung in das Glas geschliffen, diese erscheinen daher matt. Die gemalte Darstellung selbst ist kleinformatig und überwiegend in Lasurfarben ausgeführt (Abb. 3). •

Goldschliffbild: auch hier werden die ornamentalen Formen der, meist ovalen, Umrahmung der Darstellung ins Glas geschliffen, jedoch anschließend mit Blattgold hinterlegt. Die Bemalung der Bildmitte erfolgt wie üblich, der Hintergrund solcher Goldschliffbilder ist jedoch meist schwarz, um das plastisch wirkende Gold zur Geltung kommen zu lassen (Abb. 4).



Spiegelbild: standen den Hinterglasmalern keine Glasschleifer mehr zur Verfügung, so wurde die matte Schliffwirkung entweder durch den Auftrag weißer Farbe und unpigmentierter Bindemittel oder durch Ätzmattierung imitiert (Abb. 2j).

• Rußbilder: darunter kann man sowohl Imitationen von Goldschliffbildern verstehen, die mangels Glasschliff nur mit Blattgoldauflagen an den entsprechenden Stellen versehen und schwarz hinterlegt wurden, aber auch Hinterglasbilder, die weder Formen noch Dekor der Goldschliffbilder aufweisen, also unabhängig davon entstanden sind und ebenfalls einen schwarzen Hintergrund aufweisen. Dieser Hintergrund bewirkt ein besonderes Strahlen der bunten Farben. •

Grisaillebilder: diese in Schwarz-Weiß-Abstufungen gemalten Bilder entstehen z. B. in Sandl, nach der Mitte des 19. Jh., wurden jedoch nur über eine kurze Zeitspanne produziert. Die dahinter stehende Intention kann damit begründet werden, dass die Hinterglasmaler versuchten, ihre Werke dem Geschmack der gehobenen Gesellschaft anzupassen. In der Porzellanmalerei und Bemalung von Hohlglas kann zu dieser Zeit eine Vorliebe ftir die ausschließliche Verwendung von Schwarzlot beobachtet werden, der Grisaillestil war auch in anderen künstlerischen Metiers beliebt und galt als vornehm1. Eine Möglichkeit für die Hinwendung zur Grau-in-Grau-Malerei ist auch darin zu se-

1

Mevaldovä, Helena: Der Grisaille-Stil in der Hinterglasmalerei und in der angewandten Kunst. In: Hinterglassymposion 1992,1993 und 1994, Publikation des Hinterglasmuseums Sandl, Hrsg. Verein zur Förderung der Region Sandl, S. 13-21.

6o

5. Ikonografie und Rezeption der Küttennahen Hinterglasbilder

hen, dass die Hinterglasmaler versuchten, ihre grafischen Vorlagen (Drucke, Stiche) als Hinterglasbilder anzusetzen (Abb. 14). •

Farbbilder: damit sind bunte Hinterglasbilder, mit oder ohne Blattmetallauflagen, jedoch ohne Verspiegelung gemeint.



Kartuschenbilder: alle in unterschiedlicher Form umrahmte Darstellungen (siehe folgender Absatz).

In all diesen Bildtypen kommen neben den typischen Eckblumen verschiedene andere ornamentale Formen zur Anwendung. Besonders die Spiegelbilder bzw. Farbbilder, die nach Spiegelbildrissen angefertigt wurden, weisen unterschiedliche, teils aufwendige Formen von Umrahmungen auf. Mit der Bezeichnung Kartusche in Bezug auf die hüttennahen Hinterglasbilder sind sowohl aufwendige Rankenformen oder architektonische Einfassungen als auch schlichte lineare Eingrenzungen gemeint (wie z. B. bei den Außergefilder Hinterglasbildern). Bei Wird 1 sind die üblichsten Formen von Einrahmungen angeführt und definiert: • •

Blatt- und Rankenwerk, Lebensbäume aus barocken Henkelgefaßen sprießend Die Adikula (Abb. 5), ursprünglich die von Säulen und einem Giebel umrahmte Wandnische für ein Götterbildnis in der antiken Architektur, tritt besonders häufig in den Spiegelbildern aus Buchers auf. Die Säulen- und Giebelformen dürften von den Malern vom Dekor der Venezianischen Spiegel übernommen worden sein.



Draperien — seitlich geraffte Vorhänge - sind eher in Farbbildern als Einfassung einer Szene zu finden. Auch diese Form ist bereits seit der Antike bekannt (Abb. 41).



Das majestätische Wirkung verleihende Wappenzelt wird am oberen Rand häufig durch eine Krone zusammengehalten und fällt symmetrisch links und rechts der Darstellung herab.



Unter der Kartusche im ursprünglichen Sinn ist die im Barock beliebte ovale Einrahmung eines Inschriftenschildes oder Wappens mit Rollwerkornamentik gemeint. In den Hinterglasbildern nimmt die Kartusche, wie bereits erwähnt, alle möglichen Formen (rund, oval, rechteckig) an und kann sowohl aus aneinander gereihten Blumenblüten oder geometrischen Mustern bestehen wie auch aus einer einfachen schwarzen Begrenzungslinie (Abb. 3 und 10). Besonders in Buchers waren Kartuschen in den Spiegel- und Farbbildern so beliebt, dass unzählige Vorlagen, die nur Umrahmungsformen enthalten und für unterschiedliche Bildthemen verwendet werden konnten, existierten.

2

Wird, Fride: Hinterglasmalerei, Kunsthandwerk und Hobby. Otto Maier Verlag Ravensburg, S. 53-61.

5.2 Bildthemen und -inhalte

6l

5 - 2 BILDTHEMEN UND -INHALTE

Die Themen der hüttennahen Hinterglasbilder aus Buchers, Sandl und Außergefild sind bis zum Ende des 19. Jh. ausschließlich religiöser Natur. Erst nachdem das Gewerbe der Hinterglasmalerei bereits erloschen war, entstanden, vielleicht um der veränderten Nachfrage mit Alternativen zu begegnen, einige Bilder weltlichen Inhalts, wie z. B. Tierdarstellungen, darunter auch so genannte „gravierte"3 Bilder. Der große Erfolg der Hinterglasbilder gründete aber auf dem Verlangen der Landbevölkerung Sinnbilder ihrer Schutzpatrone bzw. ihres Glaubens zu besitzen. Neben allgemeinen, bibelgeschichtlichen Themen, wie der Geburt Christi, der hl. Familie in der Zimmermannswerkstatt, der Dreifaltigkeit oder der Flucht nach Ägypten, entstehen daher zahlreiche Darstellungen der Schutzheiligen der Bauern: z. B. der hl. Isidor4, der Pferdepatron Leonhard oder der vor Feuer schützende hl. Florian6 (Abb. 46). Besonders beliebt waren auch Szenen aus dem Leben des böhmischen Nationalheiligen und Helfer in Wassernöten Johannes von Nepomuk7. Als weibliche Heilige dominieren in der Freistädter Sammlung Darstellungen der hl. Katharina und der hl. Barbara (Abb. 31).

3

Blau, Josef: Alte Bauernkunst. In: Böhmerwälder Dorfbücher. Druck und Verlag der Verlagsanstalt Moldavia, Budweis 1920, S. 22. Gemeint sind Hinterglasbilder mit radierter und schwarz hinterlegtet Blattmetallauflage.

4

Der um 1070 geborene, wohltätige und fromme Bauer Isidor aus Madrid wird von seinem Herrn besucht, der prüfen will, ob durch Isidors Gebete die Arbeit vernachlässigt werde. Er sieht auf dem Feld zwei weiße Stiere, die von Engeln geleitet pflügen, während Isidor daneben knieend betet. Keller, Hilgart L.: Reclams Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten, Legende und Darstellung in der bildenden Kunst. Philipp Reclam jun., Stuttgart, Jahr, S. 336-337.

5

Der aus einer fränkischen Adelsfamilie stammende, um 550 geborene Leonhard besuchte die Gefangenen, betete für sie und erwirkte ihre Freilassung. Später zieht er sich in die Waldeinsamkeit zurück, wo er das Kloster Noblac bei Limoges gründet. Als Nothelfer wird er in ländlichen Gebieten als Benediktinerabt mit Buch und Stab dargestellt. Weiteres Attribut ist die Kette. In den Hinterglasbildern der Freistädter Sammlung ist zu Füßen des Heiligen meist auch ein Pferd dargestellt. Ebenda: S. 378-379.

6

Florian war römischer Heeresbeamte in Norikum (Österreich). Als er bei der Diokletianischen Verfolgung den gefangen gehaltenen Christen helfen will, wird er selbst festgenommen, gefoltert und um 304 mit einem Mühlstein um den Hals in die Enns geworfen. Sein aufgefundener Leichnam wird begraben, über dem Grab entsteht das Stift Florian. Die Darstellungen des hl. Florian in der Kunst, mit einem Kübel Wasser, den er über einem brennenden Haus entleert, gehen auf eine Begebenheit in seiner Jugend zurück, wo er ein brennendes Haus durch sein Gebet gerettet haben soll. Die Rüstung, der Helm, Banner, Schild und Lanze in den Floriandarstellungen gehen auf seinen Beruf zurück. Ebenda: S. 229.

7

1340 in Pomuk (Böhmen) geboren, wurde der Kleriker und spätere Priester durch sein standhaftes, energisches Auftreten für die Rechte der Kirche und die Weigerung das Beichtgeheimnis zu brechen bekannt. Dies verbittert König Wenzel, der ihn gefangen nehmen lässt, ihn foltert und 1393 von der Brücke in die Moldau stoßen lässt. Sein Leichnam wurde im Dom zu Prag begraben, bei der Öffnung des Grabes 1719 waren seine Gebeine und seine Zunge unversehrt. In Bildwerken wird er als Angehöriger des Domkapitels mit Talar, Rochett, Almutia mit Hermelin oder Mozetta und Birett dargestellt. Häufig wird mit fünf

62

5. Ikonografie und Rezeption der hüttennahen Hinterglasbilder

Gleiche Bedeutung nehmen die zahlreichen Mariendarstellungen ein, allen voran Herz Maria- und Maria mit ÄiW-Darstellungen. Letztere gehen häufig auf das bekannte Andachtsbild Maria Hilf von Lukas Cranach (1472-1553) zurück (Abb. 41). In Form einer Grafik fand dieses Bild seinen Weg in jeden Haushalt und wurde somit auch eines der am häufigsten hinter Glas gemalten Themen. //i?rz-/««-Darstellungen, das Jesuskind als Weltenrichter (Abb. 5 und j) oder der Johannesknabe mit Lamm wurden wie auch Marienbilder nach den Gnadenbildern bekannter Wallfahrtsorte, wie Maria Zell oder Maria Taferl, wohl in jeder Bilderwerkstatt erzeugt. Angesichts des häufigen Vorkommens in der Freistädter Sammlung muss auch die Darstellung des hl. Josef mit Kind äußerst beliebt gewesen sein. Diese etwas unübliche Ikonografie des Josef, der in einem Arm das Kind, im anderen eine Lilie oder einen blühenden Stab hält (Symbol seiner Erwählung zum Nährvater Christi8), ist erst seit der Barockzeit üblich9. Eine ungewöhnlichere, seit der Renaissance bekannte Darstellung ist das auf dem Kreuz liegende Jesuskind das, im Hinblick auf die Passion, den Todesschlaf schläft. Der dem Hinterglasbild in einer Sockelzone gelegentlich zugefugte Satz weist daraufhin: „Ich lig alhie wie ein Kiend bis ich kom und staff die Sind."10 Besonderer Beliebtheit erfreuten sich großformatigere Hinterglasbilder, die aus Gruppierungen verschiedener Themen oder Heiliger gestaltet sind. Diese sog. Doppel- oder Dreifachbilder stellen die Ikonografien ohne Beziehung zueinander in den Raum, manchmal getrennt durch Blumenmotive. Diese Darstellungen müssen als einzelne Andachtsthemen zusammengefugt auf einem Bildträger gesehen werden, sonst ergäbe z. B. die Darstellung des hl. Josef mit Kind und der Maria mit Kind (also zweimal dasselbe Kind in einem Bild) keinen Sinn (Abb. 1$). Beliebte Themen wie die 14 Nothelfer, die 7 Sakramente, das Vater Unser oder ein Haussegen (Zusammenstellung der wichtigsten Schutz- oder Namenspatrone) erfordern ebenfalls Glasscheiben größeren Formats. Dass die Hinterglasmaler ihre Tätigkeit nicht als Glaubensaufgabe sahen, beweist die Tatsache, dass sie für Angehörige der Ostkirche sogar sog. „Serbische Heilige"11 schufen. Die aus diesen Gebieten heimkehrenden Hausierer brachten die gewünschten, fremd-

Sternen um sein Haupt auf die Legende hingewiesen, dass Johannes Nepomuks Leichnam bei seiner Auffindung von fünf Sternen umstrahlt wurde. 8

Sachs, Hannelore, Badstübner, Ernst, Neumann, Helga: Christliche Ikonographie in Stichworten. Koehler & Amelang, Leipzig, 3. Aufl. 1988, S. 199.

9

Reclams Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten, S. 333.

10

Knaipp, Friedrich: Hinterglaskünste, S. 24, Text zu Abb. XIX, Riss von Franz Thumayer.

11

Knaipp, Friedrich: Linz 1963, S. 20.

5.3 Bedeutung der Hinterglasbilder in der Abnehmerschaft

63

sprachigen Bildertexte, welche teils fremde Schriftzeichen enthielten, die dann, nicht immer ohne Fehler, auf das Glas übertragen wurden.

5.3 BEDEUTUNG DER HINTERGLASBILDER IN DER ABNEHMERSCHAFT Bereits durch die Auflistung der Bildthemen wird ersichdich, welche Bedeutung diese Bilder in den Bauernstuben hatten. Sie dienten der Veranschaulichung und ständigen Vergegenwärtigung des Glaubens. Josef Blau beschreibt die Exponierung der Hinterglasbilder in den Bauernstuben folgendermaßen : 12 „In den alten BöhmerwäUier Bauernstuben gab es noch vor wenigen Jahrzehnten längs der Wände, besonders über dem Tische unterhalb der niedrigen Decke waagrechte Holzleisten, welche zahlreichen Heiligenbildern von durchaus gleicher Größe als Unterlage dienten. Diese Bilder waren zumeist in grellen, einander häufig unvermitteltfolgenden Farben hinter Glas gemalt." Die Bilder, die aufgrund der starken Rationalisierung bei der Herstellung „formelhaften Charakter" annehmen, also eine starke Reduzierung aller Formen und Motive auf das Wesentlichste und Verzicht auf Perspektive und Dreidimensionali tat aufweisen, werden dennoch vom Empfänger „verstanden" und nicht anders erwartet.13 Interessante Hinweise auf die Bedeutung der Hinterglasbilder und deren Wertschätzung durch den Landbewohner gibt Alena Plessingerovä14, die aus der Belletristik, die sich solchen Regionen (Chodenland) widmete, schildert. Eine mit dem Volk lebende Adelsfamilie sieht die Hinterglasbilder als Schöpfungen von irgendwelchen Schmierern, als Karikaturen, die die Heiligen eher entehren als verherrlichen, und würde die Bilder gern gegen stilvollere schwarz-weiße Grafiken ersetzen, die doch auch billig zu erwerben wären. Es ist jedoch zugleich gewiss, dass das Volk keineswegs auf seine bunten Bilder verzichten würde. Die verehrende Haltung der Landbevölkerung den Hinterglasbildern gegenüber wird durch folgende Beschreibung eines Osterputzes im Städtchen Klenci verdeutlicht:15

12

Blau, Josef: Budweis 1920, S. 21.

13

Ritz, Gislind: S. 14.

14

Plessingerovä, Alena: Der Landbewohner und sein Hinterglasbild. In: Hinterglassymposion 1992,1993 und 1994, Publikation des Hinterglasmuseums Sandl, Hrsg. Verein zur Förderung der Region Sandl, S. 53-62.

15

Ebenda: S. 59-60.

64

5- Ikonografie und Rezeption der hüttennahen Hinterglasbilder

„In dem Bauernhofe der Familie Krdl stand draußen im Hofe der Tisch, auf dem das Kreuz und auf Glas gemalte Bilder lagen. Die Bäurin belehrte ihre kleine Tochter Hanyzka: ,Nimm ein weiches Läppchen und wasche die Heiligenbilder. Vorher küsse ein jedes und sage schön: ,lch bitte dich, Bildchen, laß dich waschen, du solltest dich nicht über mich ärgern, es muss so sein.'(...) und nimm die gläsernen Bilder. Mit diesen musst du noch vorsichtiger sein, damit du keines zerschlägst. Es darf hinter den Rahmen unter das Glas nicht einmal ein Tropfen Wasser kommen. Deshalb wische sie nur mit dem feuchten Lappen ab. Das Läppchen befeucht, winde aus, und wisch es damit solange ab, bis du dich in den Bildern wie im Spiegel sehen kannst und bis auf den Bildern nicht ein kleinster Flecken ist. 'Alle Bilder waren wirklich spiegelhaft und als sie abgetrocknet waren und sie Hanyzka noch mit dem trockenen Wollläppchen abwischte, haben sie sie dankbar angelächelt. Das Mädchen hat ständig zu den Bildern gesprochen: Jetzt gefallt es Ihnen, was? Das glaube ich, nach dem Bad bin ich auch wie auf einer neuen Welt... Vati muss Ihnen noch die Rahmen mit Ol überstreichen, und Sie werden wieder wie neu aussehen. Mutti tüncht die Stube, Sie sollten sich freuen, wie es Ihnen dort passen wird."' Das Sprechen mit den Bildern beweist, mit welcher Selbstverständlichkeit von den Bildern aktive Hilfe und Schutz erwartet wird und welche Auswirkungen befurchtet wurden, würde man nicht gut mit ihnen umgehen. Plessingerovä'6 berichtet von den Bewohnern des gebirgigen, mährisch-slowakischen Grenzgebietes, dass diese zwar noch Glasbilder in der Stube aufgehängt hätten, diese aber lediglich aufgrund des befürchteten, folgenden Unheils nicht aus dem Haus gaben. Gefallen würden sie ihnen schon lange nicht mehr.

5.4 NIEDERGANG DER VOLKSTÜMLICHEN HINTERGLASMALEREI Durch die übermächtige nordböhmische und ausländische Konkurrenz in der Glasproduktion wurde gegen Ende des 19. Jh. die Schließung der meisten Glashütten im südlichen Böhmerwald und im Mühlviertel erzwungen. Für die Hinterglasmaler ging dieser Verlust der günstigen Bezugsquelle für Tafelglas mit dem veränderten Geschmack der Abnehmerschaft einher und führte zum Aussterben dieses Gewerbes. Bereits seit der Mitte des 19. Jh. machten farbige Öldrucke von Heiligenbildern dem Absatz von Hinterglasbildern Konkurrenz. Möglicherweise war die flüchtige Art der Formgebung der Hinterglasbilder nicht mehr genug und die ländliche Bevölkerung schätzte die ebenfalls billig zu erwerbenden Farbdrucke, die zumindest die hochwertige künstlerische Ausführung des Originals nicht verunstalten oder reduzieren.

16

Ebenda, S. 54.

5.4 Niedergang der volkstümlichen Hinterglasmalerei

65

Diese Entwicklung ist auch in Berichten aus dem Beginn des 20. Jh. dokumentiert17: „Die neueren Geschlechter haben diese BiUer" (Hinterglasbilder) „teils zerschlagen, teils verworfen; die wenigsten Bilder fanden eine Zuflucht auf Böden oder in Bauerkapellen. Die Bauern haben an die Stelle der kunstlosen Bilder nicht viel Besseres geschafft, Farbendrucke von meist recht geringem Werte, an denen der häufig reich geschnitzte Rahmen den hauptsächlichen Wert darstellt. Diese Rahmen sind das Versöhnliche an der neuen Mode, denn sie sind Erzeugnisse des einheimischen Hausgewerbes. " Während die Landbevölkerung stolz auf die neu erworbenen Farbdrucke ist, wird diese Entwicklung von Volkskundegelehrten und Volkskunst-Interessierten mit Bedauern betrachtet:18 „Bäurin: (...) Was sagt Ihr aber zu unseren schönen Bildern? Gelehrter: Das sind gewöhnliche Farbdrucke, die den Rahmen nicht Wert sind, in dem sie stecken. Da sind mir die alten Glasbilder noch lieber, in denen ist noch etwas Kindliches, etwas von der Volkskunst und sie sind doch wenigstens einheimischer Herkunft und Handarbeit. Bäurin: Hört mir mit dem Geschmier auf. Ein paar davon, was die bravem waren, haben wir in die Kapelle getan, die ganz heillosen hat der Hütbub zum Zerschlagen gekriegt. "

17

Blau, Josef: Budweis 1920, S. 21.

18

Ebenda, aus der Erzählung „Die schöne Stube", S. 25—26.

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

In die Bestandsaufnahme, die Materialbeschreibungen und Technik des Objekts umfasst, fließen Informationen zum Erhaltungszustand kontinuierlich ein, was gleichzeitig zu einer Zustandserfassung eines Objektes bzw. einer Sammlung führt. Diese bildet den Ausgangspunkt jeder methodischen Konservierung und Restaurierung und damit eine wichtige Grundlage für diese Arbeit. Die Schäden an den Objekten sind untrennbar mit den Eigenschaften bzw. der Alterung der verwendeten Materialien und der technischen Ausführung verbunden. Auch das Vorliegen bisheriger konservatorischer und/oder restauratorischer Eingriffe wird in den einzelnen Unterkategorien jeweils gleich abgehandelt, da Schäden der Substanz häufig mit unsachgemäßen Eingriffen Hand in Hand gehen.

6 . 1 ALLGEMEINES

ö.i.iZum technologischen Aufbau der Objekte Die Maler dieser sog. hüttennahen Hinterglasbilder aus dem späten 18. Jh. und dem gesamten 19. J h . haben sich der Techniken und Geräte der Glasveredler bedient, um in selbstständig organisierter Arbeit, also ohne Zunftzugehörigkeit, ein eigenes Gewerbe zu betreiben. Die starke Nachfrage nach Heiligenbildern hinter Glas ermöglichte die Gründung von großen Werkstätten, in denen diese Bilder in Arbeitsteilung und in großer Stückzahl unter maximaler Zeit- und Materialersparnis hergestellt wurden. D a es sich bei den geschaffenen Werken eher um Alltagsgegenstände handelt und die Maler sich nicht als Kunstschaffende sahen, wurden die hüttennahen Hinterglasbilder nicht signiert oder datiert. Bei den dokumentierten Hinterglasgemälden der Freistädter Sammlung haben sich nur selten deutliche Abweichungen von einem allgemeinen Schema des Bildaufbaus der jeweiligen Schule — Sandl, Buchers, Außergefild — gezeigt, sodass es möglich ist eine zusammenfassende Darstellung desselben zu geben. Auch die Pigmentauswahl oder z. B. die Formgebung der Rahmen unterläuft in den verschiedenen Werkstätten kaum wesentlichen Abweichungen. Erstaunlich ist der scheinbar völlig fehlende Drang zur Innovation, weder bei den seit Jahrzehnten gleich bleibenden Bildthemen, noch bei deren Farbgebung.

68

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

6.1.2 Zu den bisherigen konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen Die bisherigen konservatorischen oder restauratorischen Maßnahmen an den Hinterglasbildern stammen teils noch von den früheren Besitzern bzw. aus der Zeit, bevor sie in die Sammlung aufgenommen wurden, und teils aus der Anfangszeit der Sammlung, den späten 50er Jahren. Bei den früheren Eingriffen handelt es sich meist um, aus konservatorischer Sicht, drastischere Maßnahmen, wie Papierhinterklebungen oder großflächige Retuschen auf der Glasrückseite, die jüngeren Eingriffe beschränken sich auf das Anbringen eines Schutzglases bei gebrochenen Bildern oder das Erneuern des Rückseitenschutzes. Die Beobachtung und Auflistung der bisher üblichen Maßnahmen stellt für diese kaum von Restauratoren behandelten Objekte eine Basis dar, da die Langzeitwirkungen eingebrachter Materialien deutlich werden und somit Kriterien für künftige Eingriffe und die dabei zu verwendenden Materialien formuliert werden konnten. Auch der leidenschaftliche Erforscher der volkstümlichen Hinterglasmalerei, Friedrich Knaipp 1 , war um den Fortbestand der Objekte bemüht und kündigt in einem Brief von 1950 2 die Restaurierung einiger Bilder der Freistädter Sammlung an: „(...) Zur Zeit habe ich etwa 2 Dutzend Bilder vom Institutfür Volkskunde in Salzburg (Prof. RwiolfKriß) zum Restaurieren hier und einige aus anderem Besitz Diese werden bald fertig sein, sodass ich dann evtl. an die Restaurierung einer Anzahl Ihrer am meisten durch Farbzersetzunggeßihrdeten Hinterglasbilder herangehen könnte. Wir müssten uns dann noch vorher über den Zeitpunkt und das Verfahren einigen. Es ist klar, dass man bei den gefallenen Preisen heutigentags nur die Restaurierung der durch ihre Seltenheit oder die Eigenart, bzw. das volkskundliche Interesse and den Motiven besonders wichtigen Stücken verantworten kann. Denn bei schweren Farbschäden stellt sich — selbst bei allerbescheidensten „Stundenlöhnen " — der Preis für eine umfangreiche Konservierung und Restaurierung etwa auf den halben Anschaffungspreis gleich großer unbeschädigter Stücke im derzeitigen Handel. Es sind also vorzugsweise solche Bilder auszuwählen, die es eben im gleichen Typ auch in andren Sammlungen nicht, daher im Handel überhaupt nicht gibt. Davon nun haben Sie in Freistadt eine ganze Menge. (...)" Es gibt keine weiteren Hinweise darauf, ob der Auftrag an Knaipp, Bilder der Freistädter Sammlung zu restaurieren, letztendlich erteilt wurde.

1

Friedrich Knaipp (1907-1982) gilt als einer der profundesten Kenner der Hinterglasmalerei. In zahlreichen Publikationen erläutert er technische Gliederung, Herkunft und zeitliche Entwicklung der verschiedenen Bildtypen.

2

Schlossmuseum Freistadt, Archiv 3od: Friedrich Knaipp an Dichtl, 14. April, 1950.

6.1 Allgemeines

69

Im Zuge der im letzten Sommer durchgeführten Dokumentation des Bestandes der Freistädter Sammlung konnten jedoch keine systematischen konservatorischen Maßnahmen festgestellt werden.

6.1.3 Zur klimatischen Situation im Ausstellungsraum Die Beobachtung und Beurteilung des Umgebungsklimas der Hinterglasbilder ist Teil der Bestandsaufnahme, da sich gegebenenfalls mögliche Schäden an den Objekten daher ableiten. Die mittlerweile mit einer Wandtemperierung und mit neuen Fenstern versehene gotische Kapelle innerhalb des Schlossmuseums, die als Ausstellungsraum für die Hinterglasbildersammlung dient, wies zuvor über Jahrzehnte ein zu feuchtes Klima auf. Während der Bestandsaufnahme im Sommer 2001 konnten folgende Beobachtungen zur klimatischen Situation und deren Auswirkungen auf die Substanz der Hinterglasbilder gemacht werden: Relative Luftfeuchtigkeit und Temperatur Die Werte der relativen Luftfeuchtigkeit während der Sommermonate bewegten sich zwischen 60 % und 80 % bei durchschnittlich 15—20 °C und lagen damit im Mittel zu hoch (die Messung und Aufzeichnung der Werte der Temperatur und relativen Luftfeuchtigkeit erfolgte erst seit Anfang Juli 2001). Durch die allgemein zu hohe Luftfeuchtigkeit in der Kapelle sind auf Dauer folgende Gefahren für die Objekte zu bedenken: • Es besteht die Gefahr von Schimmelwachstum in der Malschicht, in den Kartons, die als Rückseitenschutz dienen, und in den rückseitig mit Leim oder Kleister auf die Malschicht aufgeklebten Papieren, wie es bei gebrochenen Hinterglasbildern sehr häufig der Fall ist. Die im Schnitt (bis auf wenige Wochen pro Jahr) eher niedrigen Temperaturen in der Kapelle verhinderten starkes Schimmelwachstum, also die Ausbildung deutlich sichtbarer pelziger Beläge (unter 10 °C können Sporen nicht auskeimen, werden jedoch auch nicht abgetötet; die bereits existierenden Myzele wachsen bei niedrigen Temperaturen nur sehr langsam). • Das feuchte Klima in der Kapelle erwies sich auch als ideal für die während der Bestandsaufnahme häufig entdeckten Schadinsekten: Larven des Holzkäfers (Anobium punctatum), welche Schäden in fast allen Rahmen der Hinterglasbilder verursachten, sowie Silberfische (Lepisma saccharina) und Buchläuse (Liposcelis bostrychophila). • Eine relative Luftfeuchte von 60 % kann auch zum Anquellen und Erweichen von wässriggebundenen Farbschichten fuhren. Dies verursacht Spannungen innerhalb der Malschicht und im schlechtesten Fall das Ablösen der Malschicht vom Glas.

JO

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

• Da die Kapelle bisher stets unbeheizt blieb, könnte sich besonders im Winter und Frühjahr, bei Temperaturen unter 10 °C, Kondenswasser an kalten Oberflächen bilden. Hinweise auf Kondenswasser wurden häufig auf den Rückseitenkartons in Form von Wasserrändern gefunden, aber auch an Bildern, die mit einer zweiten Glasscheibe auf der Vorderseite versehen wurden: hier waren häufig weiße Rückstände von Wasserrändern zwischen den Glasscheiben zu sehen und in Einzelfällen sogar noch nebliger Beschlag. Kapellenfenster Bei starkem Regen und Sturm (Gewitter) drang das Wasser durch die undichten Fensterscheiben' (in den späten 40er Jahren eingesetzt), rann an der Mauer entlang zu Boden. Die vielen Hinterglasbilder, die unterhalb der Fenster hingen, weisen auf den Rückseiten Rinnspuren und Wasserränder auf. Bestimmte Wandbereiche in der Kapelle sind zu bestimmten Tageszeiten direktem Sonnenlicht ausgesetzt (besonders jener Bereich, der dem Westfenster gegenüberliegt). Hier konnten zumindest im Sommer an den Glasoberflächen Temperaturen bis zu 30 °C gemessen werden. Solche Erwärmungen der Objekte sollten nach Möglichkeit verhindert werden, da sie sich schädlich auf die molekulare Struktur der Malschicht sowie das Haftungsvermögen der Malschicht zum Glas auswirken können.

6 . 2 GLAS/BILDTRÄGER

6.2.1 Herstellungstechnik — Eigenschaften der Gläser Wie bereits mehrfach erwähnt hatten die Meister der hausgewerblichen, zu Beginn „hüttennahen" Hinterglasmalerei engen Kontakt zu den Glashütten der Umgebung, da sie anfänglich auch örtlich an sie gebunden waren und später über Jahrzehnte große Mengen Tafelglas abnahmen und den Glasabfall an die Hütten zurücklieferten. Als Herstellungstechnik darf hauptsächlich das in Kap. 2.3 beschriebene Zylinder-BlasVerfahren angenommen werden. Die typisch geformten, ovalen oder spitz-spindelförmigen Blasen erhielten ihre Form beim Strecken des ursprünglich kugelförmigen Glaskörpers zu einem lang gestreckten Zylinder. Die Stärke der Tafeln variiert leicht, liegt jedoch meist um 1 mm; typisch für das Herstellungsverfahren sind die, unregelmäßig reliefartig die Oberfläche überziehenden, geschwungenen Schlieren.

3

In den späten 40er Jahren eingesetzte Fenster, die aus, in Blei gefassten, sechseckigen Glasscheiben zusammengesetzt wurden.

6.1 Glas/Bildträger

JI

Dass das von den Hinterglasmalern verwendete Glas zum Teil auch billiges Ausschussglas war, ist anhand der manchmal vorgefundenen Gläser mit extrem großen oder besonders vielen Blasen, mit unebenen, buckeligen Oberflächen oder dem Vorhandensein zahlreicher erhabener Einschlüsse oder tiefer Rillen denkbar. Besonders bei den Bucherser Hinterglasbildern der Freistädter Sammlung fielen einige Glasscheiben mit grünlicher oder leicht bläulicher Eigenfarbe auf, besonders gut zu sehen, wenn die Darstellung einen weißen Hintergrund aufweist, oder bei Grisaillebildern4. Es ist möglich, dass die Maler unter der Ausschussware auch solche billigeren ,¡Waldscheiben"5 mitkauften. Wie bereits in Kapitel 2.2 erwähnt ist die grünliche Eigenfarbe ein Resultat von Eisenverunreinigungen in der Glasmasse, welche wiederum sowohl von Pottasche niedriger Qualität als auch vom Quarz stammen können. Es finden sich aber auch durchaus hochwertigere, d. h. farblose Glasscheiben, deren Oberfläche nahezu plan ist. Die Maße der größten Hinterglasbilder, die z. B. für die Darstellungen der 7 Sakramente, eines Haussegens oder der beliebten Doppel- und Dreifachbilder (Kombinationen verschiedener Heiliger oder Andachtsthemen) bestimmt waren, liegen bei ca. 45 x 35 cm. Ca. drei weitere, kleinere Formate waren üblich und korrespondierten mit den gängigen Rahmenmaßen (siehe Kap. 6.5.1). Das Zuschneiden der Glastafeln erfolgte vermudich durch das Anritzen mit einem Diamanten oder Stahlrädchen und Aufklopfen des so entstandenen Mikrosprunges. 6 An einigen Glasrändern sind noch solche geritzten Linien zu sehen. Bei einigen Tafeln wurde der Glasschnitt mit dem Kröseleisen7 nachgearbeitet, die charakteristischen, wiederkehrenden halbrunden oder muschelförmigen Bruchränder weisen darauf hin. Unbeschnittene Kanten der im Zylinder-Blas-Verfahren erzeugten Tafeln würden herstellungsbedingt eine rundgeschmolzene Form aufweisen.8 Die Vorbehandlung der Gläser beschränkte sich bei den Bildern der Sandler und Bucherser Schule auf das gründliche Reinigen bzw. Entfetten. Hinweise auf aufwendigere

4

In Kapitel 5.1 beschriebene Sonderform von Hinterglasbildern, die z. B. in Sandl um die Mitte des 19. Jh. gemalt wurden. Sie werden lediglich in Grautönen ausgeführt, manchmal werden gedämpfte Farbtöne dazugenommen, wie z. B. ein dunkler, weinroter Hintergrund.

5

Wie in Kap. 2.2 zitiert erzeugte eine Sandler Glashütte sowohl klare, „durchsichtige" Gläser als auch „grüne Waldscheiben". Allgemein wird unter Waldglas das durch Verunreinigungen grünlich gefärbte Glas verstanden, das vor allem vom 14. bis ins 16. Jh. in nördlichen Gebieten wegen der fehlenden Soda entstand.

6

Strobl, Sebastian: Glastechnik des Mittelalters. Verlag Gentner, Stuttgart 1990, S. 85.

7

Mit dem, seit dem Mittelalter in der Glaserei gebräuchlichen, Kröseleisen wird mit dem „maulförmigen" Ende die Glaskante gegriffen. Durch das Weghebeln des Eisens nach unten werden kleine Scherben aus der Kante gebrochen. Aus: Strobl, Sebastian: S. 85.

8

Ebenda: S. 28.

72

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

Verfahren, wie etwa das Polieren oder Grundieren der Glasscheiben, wurden nicht gefunden und werden auch in der Literatur für diese „Schule" nicht erwähnt. Die aus den Anfängen des 20 Jh. stammenden Hinterglasbilder aus Sandl (Farn. Thumayer, Bernhardl) bestehen aus bereits völlig blasenfreiem, maschinengefertigtem Glas mit planer Oberfläche. Die Sammlung in Freistadt beherbergt auch eine große Zahl von „Spiegelbildern" aus Buchers, wovon einige noch matt geschliffenen oder angeblich geätzten Dekor auf der verspiegelten Glasseite aufweisen (siehe dazu Kapitel 3.2) (Abb. 3). Unter den dokumentierten Spiegelbildern konnten jedoch keine Atzmattierungen festgestellt werden, die matt erscheinenden Bereiche resultieren eher aus einem transparenten Bindemittelauftrag, wie dies bei späterer Betrachtung eines solchen Werkes unter dem Mikroskop festgestellt werden konnte. Da aus Zeitgründen nicht alle verspiegelten Hinterglasobjekte der Freistädter Sammlung auf ihre Technologie hin erfasst wurden, können über das Ausmaß an tatsächlich geschliffenen oder ätzmattierten Arbeiten keine exakten Angaben gemacht werden.

6.2.2 Typische Schäden am Glas und deren Ursachen Da diese hauptsächlich im 19. Jh. erzeugten Gläser bereits eine sehr stabile Zusammensetzung aufweisen, insbesondere hinsichtlich des Alkaliengehalts, und daher unter klimatischen Normalbedingungen kaum korrodieren (auf die Glaskorrosion wird in Kap. 7.2 eingegangen), sind die Schäden am Glas ausschließlich mechanischer Natur: Sprünge, Absplitterungen entlang der Sprungkanten und fehlende Glasstücke. Beinahe ein Drittel der dokumentierten Hinterglasbilder weisen Sprünge auf. Die Gläser sind aufgrund ihrer leicht variierenden Stärke (meist ca. 1 mm) und vor allem aufgrund der vergleichsweise inhomogenen Glassubstanz besonders sprunggefährdet. Die meisten Sprünge sind wohl durch mechanische Einwirkung entstanden, wobei auffällt, dass das Sprungzentrum häufig dort liegt, wo Nägel oder Stifte rückseitig auf das Glas drücken. Glas kann allerdings auch durch Temperaturschocks springen bzw. dann, wenn die Temperaturdifferenz innerhalb der Glasmasse extrem hoch ist. Auch das gleichmäßige Erhitzen kann zum plötzlichen Springen fuhren, wenn unterschiedlich zusammengesetzte Bereiche nebeneinander liegen, jedoch verschieden hohe Ausdehnungskoeffizienten aufweisen.9

9

A B C Glas: S. 219-221.

6.2 Glas/Bildträger

73

Durchlief das Glas bei der Herstellung nicht den wichtigen Prozess des Temperns - darunter versteht man das langsame Abkühlen des Glases nach seiner Verarbeitung10 —, so bleiben Spannungen im Glas bestehen, die jederzeit zum spontanen Springen fuhren können. Solche Produktionsfehler sind jedoch Ausnahmefälle. Interessant ist, dass Sprünge im Glas durch Inhomogenitäten in der Glasmasse abgelenkt werden können, also regelrecht Ecken oder besser Biegungen machen. Als mögliche Korrosionserscheinung des Glases kann nur das Auftreten von weißen, salzartigen, körnigen Ansammlungen zwischen Malschicht und Glas gewertet werden, wie dies, unabhängig von Zeit und Region, bei einigen Hinterglasbildern der Freistädter Sammlung zu finden war. Viele Objekte aus Außergefild wiesen solche weißen Ablagerungen auf (Abb. 17 und 18). Meist bewirkt die Entstehung dieser Partikel ein Abheben der Malschicht vom Glas. Dieses für Hinterglasbilder bekannte Phänomen wurde noch nicht ausreichend untersucht. Es wird sowohl vermutet, dass es sich dabei um ausgelaugte und kristallisierte Bestandteile des Glases handelt", als auch, dass Abbauprodukte des Bindemittels12 diese weißen Ablagerungen verursachen. Die Tatsache, dass sich diese weißen, salzartigen Partikel bei manchen Hinterglasbildern vor allem in den schwarzen und roten Konturen bilden, könnte damit begründet werden, dass diese höchstwahrscheinlich wässrig gebundenen Farbbereiche Feuchtigkeit länger speichern und somit die Bildung von Salzen aus der Glassubstanz begünstigen. In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, durch eine Analyse dieser Partikel sowie des jeweiligen Glases des Objektes, eine Aussage über deren Entstehung geben zu können (siehe Kap. 7 . 3 . 4 . 3 ) .

10

Glas wird zwischen 900 und 1200 ° C im viskosen Zustand verarbeitet und anschließend bei 450—600 ° C langsam gekühlt. Dadurch werden Spannungen durch zu schnelles Abkühlen verhindert, das Glas erstarrt dabei langsam. Weiß, Gustav: Glas. I n : Reclams Handbuch der künstlerischen Technik, Bd. 3, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1986, S. 11.

11

Ranz, Hans-Jörg: Einflüsse des Raumklimas auf Malerei hinter Glas. In: Museum heute 15, Fakten, Tendenzen, Hilfen. Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, München 1998, S. 21—22.

12

Seggermann, Natalia C . A.: Festigung von blätternden Malschichten an Hinterglasbildern am Beispiel von „Menschen am Fluß", 1913 von Carlo Mense. Diplomarbeit, Fachbereich Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut an der Fachhochschule Köln, 2000, S. 99. Ausblühungen in verschiedenen Farbflächen eines Hinterglasbildes von 1913 wurden als langkettige Fettsäuren mit ihren Bleiseifen und wachsartige Substanzen analysiert. (Die Analysen wurden in der Diplomarbeit von Anne Skaliks durchgeführt : Blooming - Auswandern von Bindemittelbestandteilen aus Ölfarben. Fachhochschule Köln, 1999.)

74

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

6.2.3 Bisherige konservatorische und/oder restauratorische Maßnahmen an den Glasscheiben und deren Auswirkungen Die konservatorischen Maßnahmen an gesprungenen Glasscheiben in dieser Sammlung beschränkten sich meist auf das Vorlegen einer Schutzscheibe und das Fixieren der Sprungenden auf der originalen Glasrückseite mit kurzen transparenten Klebestreifen (Abb. 15). Mehrfach gesprungene Hinterglasbilder wurden teilweise auch zwischen zwei neue Glasscheiben gelegt. Bei diesen „Doublierungen" wurden die Glasscheiben nicht miteinander verklebt, in Einzelfällen, meist wenn zwei neue Glasscheiben das mittlere Originalglas schützten, wurden die Kanten der Scheiben mit Papierstreifen umklebt. Das meist praktizierte Vorlegen einer gläsernen Schutzscheibe ist die bestmögliche vorübergehende Schutzmaßnahme filr gesprungene Hinterglasbilder, da künftige konservatorische Eingriffe nicht behindert werden und die Originalsubstanz unbeschädigt bleibt. Dennoch ist aus ästhetischer und konservatorischer Sicht das Entfernen dieser Schutzgläser im Zuge der vollständigen Konservierung und Restaurierung eines Einzelobjekts unumgänglich. Die vorgelegten Glasscheiben bewirken ein stumpfes, trübes Erscheinungsbild der eigentlich farbkräftigen, glänzenden Hinterglasbilder, da sich im Laufe der Zeit ein weißlicher, kristalliner Belag zwischen den Glasscheiben bildet. Dieser bei manchen Bildern sehr dichte Belag setzt sich aus sternförmigen durchsichtigen Kristallen zusammen, die sich, wie beim Offnen solcher Bilder sichtbar wurde, auf der Oberfläche des neuen, vorgelegten Glases niederschlagen (bei den naturwissenschaftlichen Untersuchungen stellte sich heraus, dass es sich um kristallisierte Restsubstanzen von Reinigungsmedien handeln muss, siehe dazu Kap. 6) (Abb. 15 und 16). Obwohl sich dieser Belag nur auf den neuen Glasscheiben befand, muss bedacht werden, dass das dichte Beieinanderliegen zweier Glasscheiben aufgrund der kaum möglichen Luftzirkulation zur Stauung von Feuchtigkeit fuhrt und somit Glaskorrosion gefördert wird. Zudem wird der besondere Reiz der Hinterglasbilder mit ihren unebenen, blasenreichen Glasoberflächen und den strahlenden, glänzenden Farben durch solche Deckgläser gänzlich genommen. Das Kleben der Sprünge würde auch die Gefahr des Verrutschens von Glasscherben und das nachträgliche Splittern der Bruchkanten verhindern. Vor allem waagrecht verlaufende Sprungkanten verrutschen durch die Schwerkraft, überlappen und sind somit zusätzlich bruchgefährdet. Drastischere Reparaturmaßnahmen an gesprungenen Hinterglasbildern stammen vermutlich von deren früheren Besitzern. Meist wurden Papier- oder Textilklebebänder zur Sicherung der Sprünge verwendet, häufig auch zugeschnittene, gemusterte Stoffstreifen

6.3 Malschicht

75

(Abb. 11) oder Zeitungspapierstreifen, die möglicherweise mit Kleister oder Leim auf die bemalte Glasrückseite aufgeklebt wurden. Um ein Verrutschen der Glasfragmente bei gesprungenen Bildern zu verhindern, wurde manchmal die gesamte Rückseite mit Karton oder Papier beklebt, was meist eine verheerende Wirkung auf den Zustand der Malschicht hat (Abb. 12 und 14). Nur in Einzelfallen hat man Sprungkanten mit synthetischen Klebern (Sekundenkleber o. A.) miteinander verbunden. Verloren gegangene Glasscherben eines Hinterglasbildes wurden nicht ergänzt, die Schließung der durch den Verlust der bemalten Scherbe entstandenen Fehlstelle erfolgte bei den Hinterglasbildern der Freistädter Sammlung meist durch das Hinterlegen von entsprechend eingetöntem Papier (Abb. 15). Für die Stabilität der Gläser wäre das Ergänzen solcher Fehlstellen durch neue, zugeschliffene Glasstücke oder durch Abgüsse aus Epoxidharz ratsam. Letztere Möglichkeit bietet sich vor allem bei sehr kleinen Glasfehlstellen an, da sich hier auch der durch das Ausreagieren bedingte Schwund der Zwei-Komponenten-Harze kaum auswirkt.

6.3

MALSCHICHT

6.3.1 Beobachtungen zur Maltechnik und zur Farbgebung Der schlichte maltechnische Aufbau der Hinterglasbilder aus Buchers, Sandl und Außergefild besteht, die Blattmetallauflagen ausgenommen, im Wesentlichen aus zwei materialund auftragstechnisch zu unterscheidenden Schichten: die erste beinhaltet den Auftrag aller, vermutlich teils wässrig gebundenen, Konturen und Linien einer Darstellung und die zweite den flächigen Auftrag der ölgebundenen Füllfarben. Da die Linien nur eine minimale Fläche des Glases einnehmen, liegt also großteils nur eine Farbschicht vor. Ausnahme sind jene Bereiche, in denen die unterschiedlichen Farben überlappen. Wie bereits in Kap. 3.2 erwähnt, wurde ein schützender, ganzflächiger Schlussanstrich bisher an keinem der Hinterglasbilder dieser drei Herkunftsorte vorgefunden. Im Gegenteil, die Farben wurden möglichst nur dort aufgetragen, wo das Glas noch unbemalt war, und kaum über diesen Bereich hinaus.

6.3.1.1 Konturen und Linien Während die flächig aufgetragenen Farben durchwegs opak sind, gilt es bei den Linien und Konturen zwischen deckenden und lasierenden zu unterscheiden: Die laut Uberlie-

76

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

ferung (siehe Kap. 4.2 und 4.3) wässrig gebundenen roten und schwarzen Linien erscheinen immer völlig opak. Es finden sich jedoch in fast jedem Bild der Bucherser und Sandler Schulen auch weiße, dunkelrote und dunkelblaue Linien, die mehr oder weniger lasierend aufgetragen wurden. Über das Bindemittel dieser lasierenden Vorzeichnungen gibt es kaum Angaben (Kap. 4.2), auch bei den Bindemittelanalysen (Kap. 8.3.1) wurde auf diese Bereiche nicht eingegangen.

6.3.1.2 Flächig aufgetragene, deckende Malschicht Meist wurden diese flächig aufgetragenen Farben unvermischt verarbeitet, da Farbabstufungen oder ein Abtönen der oft grellen puren Farbe einen zu großen Zeitaufwand bedeutet hätten. Es war auch kein Bedarf hierfür, da die bunte, farbenfrohe Wirkung offensichtlich dem Geschmack der Käufer entsprach. Der Auftrag der Ölfarbe ist zwar deckend, aber sehr dünn, besonders deutlich sichtbar ist dies im Durchlicht. Die Maler gingen also äußerst sparsam mit den Materialien um. Während bei den Rot-, Gelb- und Blautönen jeweils ein Pigment (Zinnober, Chromgelb, Preußischblau, siehe Kap. 8) vorherrscht, wurden für die grünen Farbpartien offenbar unterschiedliche Pigmente verwendet. Zum einen fällt ein dunkles, schwach pigmentiertes, bräunliches Grün auf (Abb. 31). Dieses scheint die Aussagen des Johann Thumayer zu bestätigen (siehe Kap. 4.3), dass die Hinterglasmaler in früher Zeit (vor 1815) das Grün selbst aus Pflanzensäften hergestellt hätten. Jesserer13 weist in seiner Publikation auf diese „ausfallenden" Grüntöne hin und vermutet darin Pflanzengrün, was ihn wiederum zu Rückschlüssen bezüglich der Datierung veranlasst. Die optische Erscheinung dieser Farbbereiche kann jedoch zu Fehlschlüssen fuhren, wie anhand der überraschenden Ergebnisse der Pigmentanalysen festgestellt wurde (Kap. 8.2.3 und 8.3.3.1). Es wurden neben diesem bräunlichen Grün auch kräftige, leuchtende Grüntöne vorgefunden, die häufig große, weiße Körner enthielten (möglicherweise grobkörniger Füllstoff, wie Schwerspat).

6.3.1.3 Gelbe Linien zur Imitation derfrüher verwendeten Goldbronze In Hinterglasbildern aus Sandl und Buchers fallen häufig gelbe, meist opake Linien auf, die im Zuge des ersten Arbeitsschrittes aufgetragen wurden und meist für Gewandsäume oder bestimmte Motive verwendet wurden. Solche Motive waren häufig der Bischofsstab des hl. Leonhard, das Szepter Gottvaters, die Seelenwaage des hl. Michael oder auch Strah13

Jesserer, Hans: Hinterglasbilder der Schule Buchers-Sandl („Sandlbilder"). Verlag Denkmayr Linz, 1992.

6.3 Malschicht

77

lenkränze rund um die Häupter der Dargestellten (Abb. 23 und 24). Auffallend an diesen Konturen ist, dass sie in den „Rissen" rot eingezeichnet sind, während die „Leibstriche" im Riss schwarz sind. Die Farbe dieser Linien ist nur selten in ursprünglichem Zustand vorzufinden, da sie sich in allen Bildern stark veränderte oder völlig transparent wurde (siehe 6.3.2.3 und Kap. 8.3.3.3).

6.3.1.4 Farbgebungsschema der Bucherser und Sandler Hinterglasbilder Dass die Sandler Hinterglasmalerei ihre Form- und Farbgebung von der Bucherser Tradition übernommen hatte, zeigt sich in dem häufig übereinstimmenden Stil dieser Objekte. Besonders einheitlich erscheint das Schema der Farbgebung in den Sandler Bildern. Die immer wiederkehrenden Bildthemen, wie z. B. die Dreifaltigkeit, Maria Hilf oder hl. Leonhard, weisen nicht nur kaum kompositionelle, sondern auch nahezu keine farbgestalterischen Unterschiede zwischen den einzelnen Werkstätten auf. Dies bezeugt, dass künstlerische Individualität weder von den Käufern erwartet noch von den Malern angestrebt wurde. Für die Abnehmerschaft war, ähnlich wie bei der Ikonenmalerei, vor allem die exakte Darstellung der Heiligenfigur im traditionellen Gewand und mit den entsprechenden Attributen wichtig. Was die erstaunlich einheitliche Farbgebung betrifft, ließ sich für die Bucherser und Sandler Hinterglasbilder der Freistädter Sammlung folgendes Schema erkennen: Jedem Motiv scheint eine bestimmte farbliche Vorzeichnung zugeteilt — man könnte sagen, die Farbe der Konturen gibt auch die Füllfarbe vor: Konturen- bzw. Linienfarbe

Füllfarbe

deckend rot („Leibstriche")

Inkarnatsbereiche und Motive mit Blattmetallauflage

deckend schwarz

blaue Gewandpartien und andere Motive

dunkelrot lasierend

rote Gewandpartien und Blüten

dunkelblau lasierend

grüne Gewandpartien, Blätter, Blumenstängel14

Diese farbig unterschiedliche Vorzeichnung geben auch manche Risse klar vor. Die Eingrenzung z. B. der roten und grünen Farbbereiche mit dunkelroten bzw. dunkelblauen Lasurlinien vereinfachte die Arbeit jener, deren Aufgabe es war, die Konturen nun mit deckender Ölfarbe zu hinterlegen.

14

Zur dunkelblauen Lasurfarbe bei den Blumenblättern und -stängeln fällt auf, dass selbst die bereits im 20. Jh. entstandenen Bilder der Familie Thumayer noch dieses Merkmal aufweisen, obwohl zu dieser Zeit vermutlich bereits beständigere grüne Lasurfarben zur Verfügung gestanden hätten.



6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

Natürlich finden sich auch zahlreiche Ausnahmen dieser „Regel", aber für viele Hinterglasbilder ist sie gültig.

6.3.1.5 Farbgebungsschema der Außergefilder Hinterglasbilder Die Farbgebung der Außergefilder Hinterglasbilder in der Freistädter Sammlung unterscheidet sich zwar von jener der beiden anderen Hinterglasmalereizentren, sie baut sich technisch jedoch aus denselben zwei wesentlichen Farbaufträgen auf. Es finden sich auch hier rote „Leibstriche", wenn die Farbe auch mehr ins Rotbraun geht, sowie schwarze Konturen und auch die Gewohnheit, rote Gewandbereiche oder Blumen mit dunkelrot-lasierenden Linien vorzuzeichnen. Auffallend ist, dass auch bei den Außergefilder Hinterglasbildern bisher kein ganzflächiger, schützender Farbauftrag auf der Rückseite vorgefunden wurde. In Kap. 3.3.3 wurden bei der Beschreibung der charakteristischen Merkmale dieser Hinterglasbilder auch die goldenen Sterne oder Strahlen erwähnt, die um die Häupter der Heiligen aufgetragen wurden. Während die etwas großflächigeren Sterne aus Blattmetall bestehen, wurden die Strahlen mit Goldbronze aufgemalt. Die Einheitlichkeit in der Auswahl der Farben mag bei diesen Bildern weniger erstaunen, stammen sie doch höchstwahrscheinlich aus einer Werkstatt (vermutlich der des Franz Verderber, da die Objekte um 1860/70 eingeordnet werden können). (Abb. 10)

6.3.1.6 Spiegelbilder Die von Kartuschen oder Ädikulen umrandeten, kleinformatigen Heiligendarstellungen der Spiegelbilder wurden vorwiegend mit Lasurfarben gemalt, da diese durch den lichtreflektierenden Belag auf der Rückseite ihre Leuchtkraft besonders gut entfalten (Abb. 3 und 27). Das Inkarnat mit seinen roten Konturen blieb dabei aber immer deckend. Die früher in die Glasoberfläche geschliffenen Formen der Umrandung wurden in den späteren Bildern einfach durch weiße, opake Farbe imitiert. Wie bereits erwähnt (6.2.1) konnte in manchen Spiegelbildern der Freistädter Sammlung statt einer Atzmattierung lediglich der Auftrag von transparentem Bindemittel festgestellt werden (häufig bei den Säulen der Ädikulen zu finden).

6.3 Malschicht

79

6.3.2 Typische Schäden an der Malschicht und deren Ursachen Generell kann zu den Hinterglasbildern der Freistädter Sammlung gesagt werden, dass der Erhaltungszustand der Malschicht davon abhängt, welchen klimatischen Bedingungen die Bilder an ihrem ursprünglichen Herkunftsort ausgesetzt waren. So können in ein und demselben Wandbereich des Ausstellungsraumes (Kapelle innerhalb des Schlossmuseums) sowohl stark abblätternde, ausgeblichene oder ausgeblühte Malschichten gefunden werden sowie beinahe völlig intakte Hinterglasbilder. Es lassen sich nur schwer Schlüsse auf den Einfluss des Kapellenklimas auf den Erhaltungszustand der Bilder ziehen. Das vorherrschende Klima in der Kapelle erweist sich also insofern als ungünstig, da es Schimmelwachstum zumindest nicht unterbindet, den Insektenbefall begünstigt und durch direkte Sonneneinstrahlung an manchen Bildern zusätzliche Schäden hervorrufen könnte. Farbverluste im Bereich feuchteempfindlicher, da wässrig gebundener Linien sind jedoch ebenfalls auf das ungünstige Klima zurückzufuhren.

6.3.2.1 Verschmutzung der Malschichtrückseite — Schimmelbefall Als erstes Schadensbild muss man die, bei vielen Bildern beträchtliche, Verschmutzung der bemalten Rückseite nennen. Vereinzelt sind dicke, schwarzbraune Krusten auf der Malschicht zu finden, ursprünglich weiße Farbschichten erscheinen auf der Rückseite nur noch braungrau. Solche Bilder haben möglicherweise über Jahrzehnte in verrauchten Bauernstuben oder Rauchkucheln gehangen und waren fettigen Dämpfen ausgesetzt. Wenn die bemalte Rückseite außerdem mit einer dichten, schwefelhaltigen Rußschicht bedeckt ist, wie dies bei den exemplarisch konservierten Objekten (Kap. 10.2 und 10.3) der Fall war, wirkt sich solch eine Schmutzschicht auch aggressiv und schädigend auf die Malschicht aus. Ein großes Problem stellen auch Schimmelbeläge und Verpuppungshüllen von Schadinsekten dar, die sich häufig zwischen lockeren Malschichtbereichen und Glas ablagern, sowie Spinnweben und Staubablagerungen, die mit losen Farbschollen vermengt sind. Die Entfernung der Verschmutzungen vor der Festigung solcher Schollen stellt ein beinahe unüberwindbares Problem dar. Der Schimmelbefall äußert sich nur in seltenen Fällen in der Ausbildung weißlicher, pelziger Beläge. Dennoch dürfte der Großteil der Objekte Schimmelbildung aufweisen, die jedoch mit freiem Auge nicht sichtbar ist. Im Rasterelektronenmikroskop konnten jedoch deutlich aktive Pilzhyphen und -sporen entdeckt werden.

8o

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

6.3.2.2 Abblätternde Mahchichten Den beträchtlichsten Schaden an Hinterglasbildern generell bilden abblätternde Malschichtschollen. Auch in der Freistädter Sammlung liegt eine diesbezügliche Gefährdung fiir den Großteil der Objekte vor. Dabei konnte schon bald festgestellt werden, dass bestimmte Farbbereiche besonders anfällig für Haftungsverluste sind. Zuvor gilt es zu klären, wie es zu Haftungsverlusten und zum Abblättern der Malschicht kommt. Eine Begründung ist in der problematischen Materialkombination von Hinterglasbildern zu suchen. Zwar weist Glas keine so starken klimabedingten Eigenbewegungen auf wie z. B. ein Leinwandbildträger15, dennoch kann dies das Abblättern der Ölfarbe nicht verhindern. Diese ist sowohl durch Klimazyklen, aber auch durch die chemischen Prozesse der Jahrzehnte andauernden Alterung Eigenbewegungen unterworfen16. Die Ölfarbe haftet auf der glatten Oberfläche des Glases nur schlecht und wird nun durch die Eigenbewegung starken Scherkräften ausgesetzt. Dies verdeutlicht die besondere Empfindlichkeit von Hinterglasobjekten gegenüber Klimaschwankungen. Wesentlich stärker fallen Eigenbewegungen bei wenig elastischen, hygroskopischen Bindemitteln wie natürlicher tierischer Leim, Pflanzengummen oder Ei aus, was sich bei den Hinterglasbildern der Freistädter Sammlung in einem bestimmten Schadensbild äußert. Erste Auswirkungen von Spannungen in der Farbschicht sind Craqueles. Bei den Hinterglasbildern geht dem Ablösen der Malschicht aber nicht immer ein solches Sprungnetz voraus, häufig bilden sich vorerst Blasen, die erst später aufreißen. Wie während der Zustandserfassung der Hinterglasbilder beobachtet werden konnte, hängt der Erhaltungszustand einer Malschicht auch sehr von der Pigmentkonzentration bzw. der Pigmentart ab. Bindemittelreiche Malfilme neigen besonders stark zur Ausbildung von Craqueles, da der Anteil der „beweglichen" Phase, dem Bindemittel, sehr hoch ist. Dies gilt vor allem für Lasuren, aber auch deckende Farbschichten, sofern diese mit Pigmenten versehen wurden, die einen hohen Bindemittelbedarf 17 aufweisen (z. B. Rußschwarz, Preußischblau). (Abb. 22)

15

Ausdehnung und Kontraktion finden natürlich auch im Glas statt, im Vergleich zu organischen Materialien jedoch spielen sich diese im Mikrobereich ab.

16

Nach anfänglicher Volumszunahme durch verstärkte Sauerstoffaufnahme verringert sich das Volumen und vor allem die Elastizität eines Ölfilms im Laufe der Alterung wieder durch Quervernetzung und zuletzt durch Abbaureaktionen der Makromoleküle.

17

Der Bindemittelbedarf eines Pigments bestimmt jene Menge Bindemittel, die notwendig ist, um Pigmentteilchen vollständig zu benetzen. Da die Pigmente unterschiedliche Größe, Form und Porenvolumen haben, variiert der benötigte Bindemittelbedarf zum Teil stark: z. B. liegt der Olbedarf von Bleiweiß bei ca. 15 %, der von Preußischblau bei ca. 80 % und der von Elfenbeinschwarz bei ca. 100 %. Angaben aus:

Doerner, Max: Malmaterial und seine Verwendung im Bilde. Verlag fiir praktische Kunstwissenschaft, Benjamin Harz, Berlin, Wien 1928, S. 145.

6.3 Malschicht

8l

Wenn kein drastischer Schadensfaktor wie Wasserschaden oder Papierhinterklebung vorliegt, zeigen die Farbschichten der Hinterglasbilder der Freistädter Sammlung meist folgendes Schadensbild: Besonders schlechte Haftung wurde bei den schwarzen Konturlinien beobachtet, was, handelt es sich dabei wirklich um wässrig gebundene Linien, nicht verwundert (siehe dazu Kap. 8.3.1) (Abb. 20). Vermutlich wegen des hohen Bindemittelgehalts lösen sich auch die dunkelblauen Lasuren (bei den Blumenstängeln und -blättern, Faltenlinien in grünen Gewändern, ...) sehr häufig vom Glas und bilden Blasen (Abb. ip, 46). In diesen beiden Farbbereichen bilden sich auch bei allgemein gut erhaltenen Hinterglasbildern am frühesten Haftungsverluste. Das flächig aufgetragene, ölgebundene Grün der Bucherser und Sandler Hinterglasbilder selbst ist oft wenig stabil, besonders wenn es sich um bindemittelreiche bräunliche Grüntöne handelt. Durch die zuvor aufgetragenen, spannungsreichen dunkelblauen Lasurlinien wird die Haftung zum Glas zusätzlich geschwächt und fuhrt häufig zur Bildung großer Fehlstellen in diesen Farbbereichen. Das Blau ist meist gut erhalten, besonders in Weißausmischungen. Ein häufiges Schadensbild in blauen Farbbereichen betrifft eigentlich nicht die blaue Farbe selbst, sondern die schwarzen Konturen und Faltenlinien: diese sind häufig fast zur Gänze ausgebrochen, während die blaue Farbe dort, wo keine schwarze Konturenfarbe die Haftung zum Glas schwächte, noch vollständig erhalten ist (Abb. 19). Betrachtet man die Rückseite der Malschicht, bemerkt man, dass diese schwarzen Linien relativ dick aufgetragen wurden, während das Blau nur sehr dünn darüber liegt. Geht man davon aus, dass die schwarzen Linien, wie überliefert, wässrig gebunden sind, so ist es nicht verwunderlich, dass diese hygroskopische, dicke Farbschicht trotz der rückseitig aufliegenden, ölgebundenen Hintergrundfarbe ausbricht. Dass die vermutlich ebenfalls wässrig gebundenen, charakteristischen roten „Leibstriche" meist gut erhalten sind, liegt daran, dass sie meist mit Inkarnatfarbe, also Malschicht, die einen hohen Anteil an Bleiweiß aufweist, hinterlegt sind. Da Bleiweiß bekanntlich mit den Fettsäuren des Öls reagiert und durch Verseifung des Öls besonders stabile, gut trocknende Filme bildet, sind die roten Konturen in den Hinterglasbildern besser vor Klimaschwankungen geschützt. Hinzu kommt, dass diese Linien nicht so dick aufgetragen wurden wie die schwarzen Faltenlinien. Wurden die roten Konturen mit Blattgold hinterlegt, lösen auch sie sich häufiger vom Glas ab. Zu den problematischen Farbbereichen gehört auch ein, in den Sandler Hinterglasbildern für bestimmte Motive verwendetes, immer wiederkehrendes Rotbraun. So weist das Kreuz bei den Dreifaltigkeitsdarstellungen und allen Kreuzigungsszenen stets diese Farbe auf, ebenso wie der Baum bei den Maria-Taferl-Darstellungen, die Stiefel des Heiligen Florian (Abb. 46) oder das Pferd in den Darstellungen des hl. Martin (Abb. 21). Diese Färb-

82

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

bereiche heben sich meist in großen Blasen ab und brechen großflächig aus. Oft sind dabei die umliegenden Farben noch intakt und haften gut am Glas, während rotbraun kolorierte Motive beinahe völlig ausgebrochen sind. Bei manchen Bildern wurde beobachtet, dass diese Malschicht auf der Rückseite regelrecht Falten bildet. Gut erhalten sind meist die Inkarnatspartien, die zinnoberroten Gewänder und Blumen sowie die weißen und gelb- bis ockerfarbenen Hintergründe. Schwarze flächig aufgetragene Farben erwiesen sich trotz der Ölbindung als problematisch, die Bildung von Craqueles und Malschichtabhebungen ist hier wieder mit dem hohen Ölbedarf des Pigments (höchstwahrscheinlich Rußschwarz) und dessen trocknungshemmender Wirkung auf Ölfilm zu begründen. Durch mechanische Einwirkung verursachte Malschichtausbrüche sind sehr häufig an den Rändern der Hinterglasbilder zu sehen, da hier die Nagelköpfe oder Stifte, die das Glas und die Rückseitenabdeckung im Rahmen halten, auf die Malschicht drücken und scheuern. Beschädigungen der Malschicht können jedoch auch durch die lokal aufliegende, unebene und raue Oberfläche der Rückseitenabdeckung hervorgerufen werden. Die aus restauratorischer Sicht problematischsten Schäden rufen jegliche rückseitige Beklebungen der Hinterglasbilder hervor, welche in Kapitel 6.3.3 beschrieben werden.

6.3.2.3 Farbveränderungen unterschiedlichen Ursprungs Ausbleichen der ursprünglich dunkelroten Karmin- oder Krapplacklasuren Dieses Phänomen war bei fast jedem Hinterglasbild zu finden. Die, auf ein Substrat18 gefällten (verlackten), organischen Farbstoffe sind besonders lichtempfindlich. Das Glas und der Bindemittelreichtum dieser Malschichten lassen die UV-Strahlung des sichtbaren Lichts ungehindert tief eindringen. Fotochemische Reaktionen bewirken letztendlich das Ausbleichen solcher Lasuren. Vor dem zinnoberroten Hintergrund der Gewänder und Blumen verschwinden die nur noch hellbraunen lasierenden Linien fast völlig. In den Gesichtern wirkt sich dieses Schadensbild durch das scheinbare Fehlen der Münder aus. Die von den Hinterglasmalern fiir die Blumenstängel und -blätter meist verwendete dunkelblaue Lasurfarbe ist wesentlich lichtbeständiger, nur in Einzelfällen konnte ein Ausbleichen festgestellt werden. In manchen der Sandler Hinterglasbilder, die nach 1860 entstanden, waren allerdings auch farbkräftige dunkelrote Lasuren zu finden, die keineswegs ausgeblichen waren. Vermutlich verwendeten einige Maler bereits den seit 1868 synthetisch herstellbaren, lichtbeständigen Alizarinkrapplack'9.

18

Kreiden oder Tonerden.

19

Schramm, Hans-Peter und Hering, Bernd: S. 49.

6.3 Malschicht

83

Pigmentveränderungen Ein in allen Hinterglasbildern gleich bleibendes Schadensbild ist bei den gelben Linien zu beobachten, welche wie bereits erwähnt (Kap. 4.1) zur Imitation der früher verwendeten Goldbronze dienten bzw. diese ersetzt haben. Die Linien wurden stets für bestimmte Motive (Seelenwaage des hl. Michael, Bischofstab des hl. Leonhard, Szepter Gottvaters, Kerzenhalter bei Darstellungen des hl. Grabes, usw.), aber auch für die Umrahmung von Heiligenscheinen oder Gewandsäume verwendet (Abb. 23). Diese Linien weisen rätselhafte Farbveränderungen, aber auch schlechte Haftung zum Glas auf. Wenn sie noch nicht durch Ausbruch großteils verloren gegangen sind, so sind sie meist völlig transparent oder weißlich-transparent geworden (Abb. 25). Eine zweite Farbveränderung dieser Linien ist immer dann zu beobachten, wenn sie rückseitig mit grüner Malschicht bedeckt sind: hier verändert sich die ursprünglich gelbe Farbe ins Graubraune (Abb. 24). Zumindest das Phänomen des scheinbaren „Verschwindens", des Transparentwerdens dieser Farbe konnte durch die Analyse des Pigments geklärt werden. Es handelt sich hier um das Auripigment (Arsentrisulfid), welches, verursacht durch hohe Luftfeuchtigkeit oder hochenergetische UVStrahlung, zu Arsenoxidverbindungen reagiert und somit auch eine Farbveränderung hervorruft. Der genaue Vorgang dieser Pigmentveränderung ist in Kap.

8.3.3.3

beschrieben.

Möglicherweise liegt auch bei manchen grünen Farbbereichen eine Pigmentveränderung vor: es wurde häufig beobachtet, dass grüne Malschichten, dort wo sie rückseitig nicht mit einer schützenden, zweiten Farbschicht bedeckt waren (bei Überschneidungen mit dem benachbarten Farbton), sich bräunlich verfärbt haben. Eine Erklärung wäre in der Bildung von braun erscheinenden Oleaten oder Resinaten durch ein kupferhältiges Pigment zu suchen20. Dieses Phänomen ist für Grünspan bekannt und bewiesen, darüber, ob dies auch bei anderen kupferhältigen Pigmenten der Fall ist, gibt es derzeit kaum Untersuchungen (Näheres siehe Kap. 8.3.3.1). Eine zweite Vermutung, die in Bezug auf Schweinfurtergrün getätigt wurde, ist die Bildung von schwarzen Kupfersulfiden mit dem Schwefelwasserstoff aus der Luft.21 Extreme Pigmentveränderungen konnten bei den Spiegelbildern beobachtet werden.

20 Kupfer(II)Ionen, besonders jene aus Acetatverbindungen wie Grünspan, reagieren mit den Fett- und Harzsäuren entsprechender Bindemittel zu bräunlichen Komplexverbindungen, den Oleaten bzw. Resinaten. Gunn, Michèle, Chottard, Geneviève, Rivière, Eric, Girerd, Jean-Jacques and Chottard, Jean-Claude : Chemical Reactions between Copper Pigments and Oleoresinous Media. In : Studies in Conservation, Vol. 47, 2002, S. 12-23. 21

Fiedler, Inge und Bayard, A. Michael : Emerald Green and Scheeles Green. In : Artists' Pigments, A Handbook of Their History and Characteristics, Vol. 3, National Gallery of Art, Washington 1997, S. 219-271.

84

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

Die Lasurfarben wiesen meist helle, punktförmige Verfärbungen auf, während im Zinnoberrot schwarze Flecken zu sehen waren (vermutlich Ubergang der Quecksilber-Schwefel-Verbindung in die schwarz erscheinende Modifikation). In einem Spiegelbild hat sich die deckend aufgetragene blaue Farbe offenbar weiß entfärbt (Abb. 2j). Die Auswirkung des Amalgambelags auf die Zusammensetzung der Pigmente und Bindemittel müsste eigens untersucht werden. Bindemittelkrepierungen22 Sehr häufig wurden bei den Hinterglasbildern der Freistädter Sammlung pigmentunabhängige Farbveränderungen vorgefunden, die vermutlich auf zu hohe Luftfeuchte zurückzuführen sind. Dazu gehören vor allem Bindemittelkrepierungen, die ein weißlich trübes Erscheinungsbild der Malschicht bewirken. Weiße kristalline Ablagerungen zwischen Glas und Malschicht Dieses Schadensbild wurde relativ häufig vorgefunden, wobei zwei Korrosionserscheinungen dafür verantwortlich gemacht werden können. Erstere wurde bereits in Kap. 6.2.2 erwähnt, da sie die Glassubstanz betrifft. Die zweite bezieht sich auf Abbaumechanismen der ölgebundenen Malschicht. Diese können zum Auswandern organischer Salze fuhren, welche kristalline Beläge an der Malschichtoberfläche bilden. Skaliks13 beschreibt in ihrer Arbeit das Aussehen solcher Ablagerungen an einem Hinterglasbild als „sehr große, lose aufsitzende Kristallbüschel vegetabilen Aussehens im Grün". Diese befinden sich bei dem untersuchten Hinterglasbild allerdings auf der Malschichtrückseite. In der Freistädter Sammlung konnten ebenfalls in grünen Malschichtbereichen solche fadenartigen, sternchenförmigen, weißen Ausblühungen zwischen Glas und Malschicht festgestellt werden. Das Aussehen dieser Ausblühungen unterscheidet sich von den salzartigen Ablagerungen, die in Kap. 6.2.2 beschrieben und in Kap. 7.3.3.3 untersucht wurden. Möglicherweise liegen also hier eher Abbauprodukte des Bindemittels als ausgelaugte Bestandteile des Glases vor.

22

Mikroskopisch kleine Sprünge im Bindemittel, die das Licht diffus streuen.

23

Skaliks, A n n e : Blooming - Auswandern von Bindemittelbestandteilen aus ölhaltigen Farbsystemen. Diplomarbeit an der Fachhochschule Köln, Fachbereich Konservierung und Restaurierung von Kunstund Kulturgut, 1999, S. 53.

6.3 Malschicht

85

¿i.3.3 Bisherige konservatorische und!oder restauratorische Maßnahmen an der Malschicht und deren Auswirkungen Insgesamt gesehen sind die Hinterglasbilder der Sammlung im Schlossmuseum Freistadt bisher kaum gezielten, systematischen, konservatorischen Maßnahmen unterzogen worden. Nur in Einzelfällen konnten, vermutlich von den früheren Besitzern eingebrachte, transparente Schichten zwischen Glas und Malschicht entdeckt werden, die man als Festigungsmittel sehen könnte. Man muss allerdings auch die rückseitigen Papierbeklebungen von nicht gesprungenen Hinterglasbildern als eine Maßnahme zur Festigung der Malschicht werten (zumindest erscheint dies eine plausible Begründung). Diese Beklebungen verursachen verheerende Schäden an der Malschicht, da diese besser am Klebemedium haftet als am Glas, besonders wenn es sich um wasserlösliche Kleber wie Leim oder Kleister handelt, die durch die zu hohe Luftfeuchtigkeit reaktiviert werden. Meist fuhren diese rückseitigen Beklebungen dazu, dass sich die Malschicht großflächig vom Glas löst und am Papier, Karton oder Textil haftet (Abb. 13 und 14). An manchen Bildern wurden im Zuge der Untersuchungen und Dokumentation auf der bemalten Rückseite weißliche, faserige, verkrustete Reste eines Klebemediums vorgefunden. Die mikroskopische Untersuchung und die Durchfuhrung von mikrochemischen Tests an einigen Proben ergaben, dass es sich hierbei in allen Fällen um eine stärkehaltige, dick aufgetragene Klebeschicht (Kleister) mit Resten von Papierfasern handelt. Vermutlich sind dies Reste einer ehemaligen Beklebung oder „Sicherung" der Hinterglasbilder durch die früheren Besitzer. Die Malschicht dieser Hinterglasbilder hat erstaunlicherweise nicht sehr unter dieser Maßnahme gelitten. Häufiger als Malschichtfestigungen wurden Maßnahmen zur Schließung von Fehlstellen in der Malschicht vorgenommen. Es wurden sowohl Retuschen auf der bemalten Glasseite beobachtet als auch, und dies weitaus häufiger, farblich entsprechende Papierhinterlegungen. Diese puristische restauratorische Methode gehört wieder zu den in der Anfangszeit der Sammlung durchgeführten Schutz- und Pflegemaßnahmen (wie eingangs erwähnt). Jene Fehlstellen, die sich durch den Verlust eines (bemalten) Glasstückes bei mehrfach gebrochenen Glasscheiben ergeben, wurden meist durch das Hinterlegen mit Papier, auf welchem die Darstellung farblich ergänzt wurde, optisch geschlossen (Abb. 15). Häufig wellen sich diese dünnen Papiere aufgrund der bisher zu hohen Luftfeuchte, ein Ankleben des Papiers auf den benachbarten, bemalten Glasrändern könnte ebenfalls stattfinden. Wie bereits erwähnt wäre im Falle einer Fehlstelle im Glas eine Ergänzung derselben ratsam, um die Stabilität des gebrochenen Objekts zu gewährleisten.

86

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

6 . 4 METALLAUFLAGEN

6.4.1 Technik und Materialien Der Großteil der Hinterglasbilder in der Sammlung Freistadt ist mit, auf kleine Bereiche beschränkten, Blattmetallauflagen versehen, wie z. B. bei Heiligenscheinen, meist auch bei den Attributen oder den Leidenswerkzeugen in Kruzifixdarstellungen. Aufgrund optischer Beurteilung der Blattmetallauflage kann man in den meisten Fällen eine Harz-OlMischung, wie Mixtion, als Anlegemittel24 annehmen. Dieses bleibt ja durch die Technik der Hinterglasmalerei „sichtbar" und präsentiert sich meist als eine transparente gelbbraune, unregelmäßig dicke Schicht, die sich häufig in den Falten des Blattmetalls angereichert hat. Häufig erschien dieses Anlegemittel auch grünlich verfärbt, was ein Hinweis für die Verwendung von Schlagmetall — Bezeichnung für goldimitierende Blattmetalle, welche meist aus Kupfer-Zink-Legierungen bestehen25 - anstelle von echtem Blattgold ist. Die, im Zuge der Alterung entstehende, grünliche Färbung des Olanlegemittels resultiert vermutlich aus der Fähigkeit von Kupferionen (aus dem Schlagmetall), mit den im Ol enthaltenen Fettsäuren (aber auch mit Harzsäuren) zu bräunlich-grünen Verbindungen zu reagieren. Die aus diesen Beobachtungen resultierende Annahme, dass überwiegend Schlagmetall in den Hinterglasbildern aus Buchers, Sandl und Außergefild verwendet wurde, bestätigen auch die zahlreichen Fälle, in denen dunkelbraun bis schwarz angelaufene „Goldbereiche" vorgefunden wurden. Die Korrosion des Blattmetalls war naturgemäß nur dort so weit fortgeschritten, wo die Blattmetallauflage rückseitig nicht mit ölgebundener Malschicht bedeckt, also dem Sauerstoff ausgesetzt war (Abb. 28). Da diese unedleren Blattmetalle nicht so dünn ausgeschlagen werden wie die Goldblättchen, lassen sie sich auch mit den Fingern verarbeiten bzw. anschießen26, was wiederum der rationellen Arbeitsweise der Hinterglaswerkstätten eher entspricht als das Geduld erfordernde Arbeiten mit echtem Blattgold. Erstaunlich ist die bei den meisten Hinterglasbildern beobachtete Praxis, das Blattmetall vor der Bemalung aufzutragen. Es erscheint etwas unlogisch, ist es doch wesendich schwieriger, mit Metallfolien Formen zu begrenzen. Auch diese Vorgangsweise spricht für die Ver24

In der Fachterminologie versteht man unter dem,Anlegemittel" jenes Material, welches als Haftvermittler bzw. Klebeschicht zwischen Untergrund und Blattmetall fungiert. Seit dem 19. Jh. steht den Vergoldern dazu das von der französischen Firma „Lefranc & Co." hergestellte Mixtion zur Verfügung, eine als Fabriksgeheimnis gehütete Mischung aus Ollack und Kopalen. Wehlte, Kurt: Werkstoffe und Techniken der Malerei. 5. Aufl., Otto Maier Verlag, Ravensburg 1985, S. 258.

25

Kühn, Hermann: Erhaltung und Pflege von Kunstwerken und Antiquitäten, mit Materialkunde und Einführung in künstlerische Technik. Bd. 1, Keysersche Verlagsbuchhandlung, München 1981, 2. Aufl., S. 52.

26 Unter dem Anschießen versteht man das Aufbringen des Blattmetalls auf ein Objekt. Dies geschieht bei dem extrem dünnen Blattgold mit einem speziellen Haarpinsel, dem „Anschicßer".

6.4 Metallauflagen

87

wendung eines Ölanlegemittels: mit diesem können die zu vergoldenden Flächen genau vorgezeichnet werden, das Blattmetall kann nun auch über die mit Ol versehenen Bereiche hinausreichen, da der Überschuss leicht mit einem Pinsel abgerieben und weggewischt werden kann. Mit wässrigen Anlegemitteln wäre dies kaum möglich. Dennoch ist die Verwendung von Blattgold und auch von wässrigen Anlegetechniken nicht auszuschließen. Wenige Vergoldungen, die weder Korrosionsverfärbungen noch gegilbte Anlegeschichten aufweisen, lassen darauf schließen. Seltener wurden die Hinterglasbilder mit Blattsilber oder Silber imitierenden Blattmetallen (Zinn- oder Aluminiumfolien) versehen. Der Amalgambelag der aus Buchers stammenden Spiegelbilder, dessen Herstellung bereits in Kap. 4.3.4 beschrieben wurde, erweist sich als eine relativ dicke und teils „bewegliche" Schicht. Untersuchungen solcher Amalgamspiegel 27 ergaben, dass sich aufgrund des hohen Quecksilberüberschusses ein Zwei-Phasen-System bildet. Dieses besteht aus festen Kristallen, die sich hauptsächlich aus Zinn zusammensetzen, und einer flüssigen, quecksilberreichen Phase28. In dieser von Grund auf instabilen Amalgamschicht finden stets molekulare Veränderungen statt (Kristalle vergrößern sich unter Abscheidung flüssigen Quecksilbers, Zinnanteil korrodiert), außerdem folgt die quecksilberreiche flüssige Phase bei jeder Bewegung der Schwerkraft. Es ist daher wenig erstaunlich, dass bei der Begutachtung solcher Spiegelbilder lose Quecksilberkügelchen auf den Rückseiten oder im Rahmenfalz vorzufinden sind. Die Prozesse innerhalb der Amalgamschicht sind durch konservatorische Maßnahmen nicht aufzuhalten, lediglich zu verzögern (siehe Kap. 9.2.1). Aus toxikologischer Sicht ist die Exponierung der Spiegelbilder im Falle der Freistädter Sammlung als unbedenklich einzustufen. Die von Per Hadsund 2 ' an verschiedenen Orten durchgeführten Messungen ergaben, dass selbst in kaum belüfteten Räumen mit Spiegelverkleidung an Wänden und Decke der unterste Grenzwert einer gesundheitsschädlichen Quecksilberbelastung in der Luft nicht erreicht wurde, dieser liegt bei 50 pg/m"3.

27

Hadsund, Per: The Tin-Mercury Mirror: Its Manufacturing Technique and Deterioration Processes. In : Studies in Conservation, 38,1993, S. 3-16.

28

Laut Hadsund bestehen die Kristalle aus den wohl quecksilberreichsten Zinnverbindungen, die möglich sind, um eine bei Raumtemperatur gerade noch feste Form zu erreichen. Die flüssige Phase besteht aus Quecksilber, das mit Zinnatomen gesättigt ist.

29

Hadsund, Per: S. 14.

88

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

6.4.2 Typische Schäden an Blattmetallauflage oder Verspiegelung und deren Ursachen Die Haftung der Blattmetallauflagen am Glasträger ist im Allgemeinen besser als die der Malschicht. Lockere Schollen, die sich schüsseiförmig ablösen, sind sehr selten der Fall. Allerdings kann bei vielen Objekten beobachtet werden, dass die Blattmetallauflagen dort, wo sie rückseitig nicht mit einer schützenden Farbschicht bedeckt waren, stark korrodierten. Auch die Quecksilber-Zinn-Beläge der Spiegelbilder zeigen unterschiedlich stark fortgeschrittene Korrosion. Während einzelne Bilder noch keine dunkel veränderten Stellen aufweisen, ist bei anderen die Spiegelwirkung praktisch nicht mehr gegeben, da der Belag übersät ist von unzähligen grauen Punkten, die sich zu großen, dunkelgrauen Flecken ausbreiten. Die Untersuchungen von Per Hadsund 30 an historischen Spiegeln zeigten, dass diese Korrosionsprodukte teils aus dem weißen Zinndioxid und teils aus braun-schwarzen Mischungen von Zinndioxid und -monoxid bestehen. In den Korrosionsschichten wurde kein Quecksilberanteil analysiert. Haftungsverluste sind an den Spiegelbildern ebenfalls festzustellen, meist eher durch mechanische Einwirkung (Abrieb entlang der Ränder) entstanden.

6.4.3 Bisherige konservatorische und/oder restauratorische Maßnahmen an Blattmetallauflage oder Verspiegelung und deren Auswirkungen Große Fehlstellen im Goldbereich wurden meist mit Papier hinterlegt, welches in Ockertönen bemalt wurde. In der Sammlung findet sich nur ein Objekt, bei dem dicke Goldfolie zur Schließung der Fehlstelle verwendet wurde. Spiegelbilder mit mechanisch- oder alterungsbedingten Fehlstellen wurden ebenfalls auf diese Weise restauriert, als Hinterlegungsmaterial dient hier silberglänzende, dicke Folie.

30

Hadsund, Per: S. 12-13.

6.5 Rahmen

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6.5 RAHMEN

6.5.1 Technologischer Aufbau Die in der Freistädter Sammlung noch großteils erhaltenen, originalen Rahmen bestehen aus 3—4 cm breiten Weichholzleisten (vermutlich Fichte), deren Stärke stets um 1 cm liegt. Das gehobelte, schlichte Profil wird mit zunehmender Rahmengröße mehrteiliger, bis zu vierfach profilierten Leisten. Kleinere Formate weisen meist nur zweifaches Profil oder eine glatte Leistenoberfläche auf. Neben den flüchtigen Hobelspuren sind ein weiteres Merkmal für die Originalität der Rahmen deren charakteristische Eckverbindungen. Anstatt einer echten Schlitz- und Zapfenverbindung wurden die auf Gehrung geschnittenen Leistenenden lediglich gespalten oder geschlitzt (keine richtige Ausnehmung) und mit Keilen oder Zwickeln mehr zusammengeklemmt als -gesteckt (Abb. 2p). Da diese „Schlitze" nur flache Spalten sind und durch die Zwickel, die eine Dicke von ca. 2-3 mm aufweisen, gespreizt werden, nimmt die Leistenstärke der Rahmen an den Ecken zu. Geleimt wurden diese simplen Verbindungen vermutlich mit tierischem Leim. Zu den gebräuchlichsten Rahmenmaßen gehören Formate um 47 x 37 cm, 35 x 25 cm, 33 x 23 cm sowie einem sehr kleinen Maß von 24 x 18 cm. Die Beschichtung mit „in Leinöl angeriebenem Kienruß" (siehe Kap. 4.3) äußert sich meist in einer matten, rauen, eher opaken, schwarz-braunen Oberfläche. Es lässt sich dabei nicht klar feststellen, ob es sich dabei noch um den originalen Anstrich handelt. Manchmal weisen die Rahmen auch eine schwarz-lasierende, leicht glänzende, glattere Oberfläche auf, durch die die Holzmaserung sichtbar bleibt. Unklar ist auch, ob die ursprüngliche Beschichtung der Rahmen auch die Rückseite beinhaltete. In der Sammlung des Schlossmuseums Freistadt waren sowohl dunkel gestrichene als auch unbehandelte Rahmenrückseiten zu finden. Auffallend ist in jedem Fall, wie einheitlich sich die Rahmen der Hinterglasbilder aus Buchers, Sandl und Außergefild gestalten. Lediglich die Rahmen der Bucherser Spiegelbilder unterscheiden sich deutlich in der Farbgebung. Die hell- bis dunkelgrüne Lasurfarbe und die Beklebung der innersten Profilleiste mit Blattmetall ist die, laut Raimund Schuster31, auch in Außergefild gebräuchliche Art und Weise die Rahmen für Spiegelbilder zu gestalten. Welches Blattmetall hierfür verwendet wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Wie anhand einer Probe32 später unter dem Mikroskop zu sehen war, handelt es sich um eine relativ dicke, weiche, silberfarbene Folie (möglicherweise Bleifolie),

31 32

Schuster, Raimund: S. 33. Probe aus der Blattmetallauflage eines Spiegelbildrahmens: „Schmerzhafte Mutter Gottes" aus Buchers, 1800-20 (Sammlung Mühlviertler Schlossmuseum Freistadt, Inv.-Nr. 11.481).

90

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

die mit einem gelben, transparenten Film überzogen wurde (übliche Technik, um Blattgold zu imitieren). Für die Hängung wurden die oberen Rahmenleisten durchbohrt, um eine Schnur durchziehen zu können. Die Aufhängevorrichtungen aus gebogenen und in das Holz des Rahmens eingeschlagenen Drahtschlingen könnten entweder von den ursprünglichen Besitzern durchgeführt worden sein oder aber bei der Aufnahme in die Sammlung angebracht worden sein. Letzteres erscheint wegen der konsequenten Ausfuhrung dieser Vorrichtung an fast allen Objekten wahrscheinlicher.

6.5.2 Typische Schäden an den Rahmen und deren Ursachen Der Großteil der Sammlung weist noch die originalen Rahmen auf. Diese sind im Grunde gut erhalten, die Schäden betreffen naturgemäß die Holzsubstanz bzw. die Verleimungen, da eine aufwendige Fassung nicht vorhanden ist. Z u den Schäden im Rahmenholz zählen neben ausgebrochenen Holzspänen oder ganzen Eckteilen vor allem auch die vom Holzkäfer (Anobium punctatum) verursachten Fraßschäden. Bei der Bestandsaufnahme wurde an fast allen Rahmen aktiver Schädlingsbefall festgestellt. In den meisten Fällen zwar noch nicht in einem bestandsgefährdenden Ausmaß (statische Funktion des Rahmens in den meisten Fällen noch gegeben), jedoch wurden auch einige bereits sehr instabile Rahmen mit stark ausgehöhlten Leisten vorgefunden. Zeichen für den noch aktiven Befall ist das frische Fraßmehl. Eine große Gefahr für die Hinterglasbilder stellen die häufig sehr lockeren Eckverbindungen der Rahmen dar. Gründe für das Lockerwerden der Verleimungen können der Abbau des natürlichen tierischen Leims durch Klimazyklen (versprödet und verliert seine Festigkeit) sein, begleitend dazu die durch das Austrocknen des Holzes verursachte Öffnung der Eckverbindungen. Oder aber der Leim wurde durch die in großer Anzahl vorgefundenen Larven des Teppichkäfers (Anthrenus verbasci) vertilgt. Fast alle Glasscheiben sitzen sehr locker im Rahmenfalz, mit einem Spielraum bis zu 1 cm. Oft ist das Format der Glasscheibe kleiner als der Rahmenausschnitt, die obere Glaskante ist in solchen Fällen nicht vom Rahmenfalz bedeckt und geschützt. Die lockere Rahmung stellt ein Risiko fiir jegliche Manipulation der Bilder - Lagerung, Ausstellung, Fotografieren - dar.

6.6 Rückseite

91

6.5.3 Bisherige konservatorische und/oder restauratorische Maßnahmen an den Rahmen und deren Auswirkungen Es ist anzunehmen, dass viele der Rahmen mehrmals mit den unterschiedlichsten Farbmitteln neu gestrichen wurden (neue, glänzende Überzüge, neue Lackierung). Lockere Eckverbindungen wurden neu verleimt oder durch das Aufnageln von Kartondreiecken stabilisiert. Viele der Hinterglasbilder erhielten neue Rahmen, die exakte Nachbildungen der Originale sind. Diese matt schwarz lackierten Rahmen sind jedoch anhand der Eckverbindung zu erkennen — es findet sich hier keine Verdickung durch eingeklemmte Keile, wie dies bei den Originalrahmen der Fall ist. Außerdem weist die holzsichtige Rückseite dieser Rahmen, die glattgehobelt und meist frei von mechanischen Beschädigungen ist, darauf hin, dass es sich um eine Nachbildung handelt.

6.6

RÜCKSEITE

6.6.1 Beschreibung der Materialien und der Montage Der originale Rückseitenschutz wird von einem mit Holz- oder Eisenstiften im Rahmenfalz befestigten Holzbrettchen bzw. Furnier gebildet (Abb. 30). Die Stärke des Furniers beträgt im Schnitt zwischen 1 und 2 mm. Uber die Rückseitenabdeckung und die Montage der Bilder im Rahmen geben die Archivalien kaum Auskunft. So ist es z. B. leider nicht quellenschriftlich belegt, woher die Hinterglasmaler diese Furniere bezogen, inwieweit sie sie selbst herstellten oder ob auch diese Furniere irgendwie gestrichen wurden. Wie in Kap. 4.3.6 bereits beschrieben, werden in Inventarangaben „Bilderspänen"33 genannt, worunter man diese Rückseitenbrettchen verstehen kann. In der Sekundärliteratur findet sich die Behauptung, dass diese Furniere im böhmischen Ort Kuschwarda hergestellt worden seien. Ein weiterer Hinweis auf die Herstellung der Brettchen wird in den Überlieferungen aus der Werkstätte der Außergefilder Malerfamilie Verderber gegeben: hier soll ein „Spanschneider"34 gearbeitet haben. Es bleibt jedoch offen, ob dieser Brettchen herstellte oder die aus einem Großbetrieb bezogenen Furniere lediglich auf die Bildformate zuschnitt. Während die Originalität von Holz- und Eisenstiften anhand der Untersuchung des Rahmenfalzes auf weitere Einschlaglöcher noch relativ gut zu ermitteln ist, müssen die ver-

33

Aigner, Hermine: S. 192.

34

Buchner, Heinrich: S. 49.

92

6. Bestand und Zustand der Hinterglasbildersammlung Freistadt

schiedenen Furniere genauer betrachtet werden. Das Vorhandensein von Bearbeitungsspuren oder Negativbeizen35 gibt interessante Hinweise, geht man davon aus, dass diese Brettchen ursprünglich nicht gebeizt wurden. In der Sammlung wurden sowohl alte, durch Verschmutzung, Alterung oder vielleicht früheres Beizen oder Streichen schwarz gewordene Furniere vorgefunden, aber auch häufig helles, unbehandeltes Furnierholz. Während man Letztere mit Sicherheit als neu betrachten kann, muss jedoch auch bei den alt erscheinenden, dunklen und gebrochenen Furnieren unterschieden werden. Wie bereits erwähnt müssen dabei Bearbeitungsspuren untersucht werden. Eine gezielte Untersuchung würde vielleicht auch Aussagen hinsichtlich des Bezugs der Furniere ermöglichen. Es bestand schon zu Beginn des 19. Jh. die Möglichkeit, Brettchen von so geringer Schichtdicke maschinell herzustellen, durch dampf- oder wasserbetriebene Bandsägen oder auch durch das Messern, einer Methode, die angeblich schon um 1805 das Sägen verdrängt hat36. Diese fortschrittliche Methode wurde jedoch auch 1878 noch nicht überall praktiziert (laut Exner und Lauböck wurden in Osterreich die Holzklötze zum Furnieren teils noch nach Paris oder Hamburg versandt, da im Lande die Furniertechnik noch nicht so ausgereift war). Man muss wohl am ehesten die maschinelle Herstellung durch Sägen annehmen, worauf auch die bereits sehr gleichmäßige Schichtdicke der als Rückseitenschutz dienenden Furniere der Hinterglasbilder hinweist. An einigen der vorgefundenen Furniere sind jedoch sehr regelmäßige, quer zur Maserung verlaufende, gewölbte Rillen zu sehen, wie sie von Hobelmaschinen erzeugt werden. Außerdem liegt deren Schichtdicke unter 1 mm, sie biegen sich bereits durch das Eigengewicht. Bei diesen Exemplaren muss man davon ausgehen, dass sie nicht original sind, frühestens in den 30er Jahren des 19. Jh. erzeugt worden sind. Eine wirklich vollständige, originale Rückseite war bei der Sammlung im Heimathaus Freistadt eher selten zu finden. Wenn nicht ohnehin das Brettchen im Laufe der Zeit gegen einen Karton ausgetauscht wurde, so wurden zumindest die originalen Stifte durch Eisennägel ersetzt. Die Eisenstifte wurden vermutlich aus Drähten hergestellt, die flachen Enden dürften durch das Abzwicken der Stifte mit einer Zange entstanden sein. Nägel mit Köpfen waren damals noch teuer, da sie von Hand geschmiedet werden mussten.

35

Werden Holzbretter mit natürlichen Beizen gefärbt, wie z. B. der Körnerbeize (hergestellt aus Walnussschalen), so erhält man ein Negativbild der Holzmaserung: die weichen, hellen Frühholzringe erscheinen nun dunkel, da sich hier die Beize besser anreichern kann. Die zuvor dunkleren und dichter gewachsenen Spätholzringe nehmen kaum Beize auf und bleiben somit heller.

36

Exner, W. F. und Lauböck, G . : Die mechanische Holzbearbeitung, deren Hilfsmittel und Erzeugnisse. In: Bericht über die Weltausstellung in Paris 1878, II. Heft, Verlag von Faesy & Frick, Wien 1879, S. 52-57.

6.6 Rückseite

93

6.6.2 Typische Schäden an Rückseitenabdeckungen und deren Ursachen Die originalen Furnierbrettchen sind meist unterschiedlich stark gewölbt, verworfen oder gewellt. Sprünge in Richtung der Maserung, von den Kanten ausgehend, konnten sehr häufig beobachtet werden. Viele dieser Holzbrettchen wiesen Fraßschäden durch, meist aktiven, Schädlingsbefall auf. Wenn der originale Rückseitenschutz gegen Karton ausgetauscht wurde, so zeigte dieser oft durch Feuchte entstandene Schäden wie Verwölbung, Wasserflecken, Rinnspuren und auch Schimmelbefall auf. Häufig waren auch Fraßspuren auf der Oberfläche des Kartons sichtbar, die Inventarzettel aus Papier waren oft bereits großteils von Schädlingen vernichtet. Aktiver Befall durch Silberfischchen (Lepisma saccharina) und Buchläuse (Liposcelis bostrychophila) konnte beobachtet werden. Die in den meisten Fällen zur Befestigung des Rückseitenschutzes dienenden Eisennägel waren meist stark verrostet und haben dadurch vielfach ihre Haltefunktion eingebüßt.

6.6.5 Bisherige konservatorische und/oder restauratorische Maßnahmen an der Rückseite und deren Auswirkungen Die Eingriffe an der Rückseite beinhalten neben dem Ersetzen der originalen Holz- oder Eisenstifte durch Eisennägel auch Reparaturen an schadhaften Furnieren, wie z. B. das Fixieren von Sprüngen mit Papierklebestreifen oder das Ansetzen neuer Furnierteile. Bei den meisten Bildern wurde jedoch die hölzerne Rückseitenabdeckung gegen einen ca. 3 mm starken braunen Karton ausgetauscht. Wie bereits bei den Schäden der Malschicht erwähnt können die Köpfe der Nägel scheuern, der Karton zieht Feuchtigkeit an und dient als Nährboden für Schimmel. Auch sämtliche hinterlegte oder rückseitig aufgeklebte Materialien aus Papier weisen Feuchtschäden wie Welligwerden, Wasserflecken oder Schimmelbefall auf. In Einzelfällen wurden die Rückseiten der Hinterglasbilder, vermutlich von früheren Eigentümern, mit Zeitungspapier oder unbedrucktem Papier so beklebt, dass auch der Rahmenfalz bedeckt wurde. Spätere derartige Abdeckungen des Rahmenfalzes wurden mit Plastikklebebändern durchgeführt. Von solchen Maßnahmen ist abzuraten, da sich die Klebeschichten derartiger Bänder häufig auf die verklebte Oberfläche übertragen und nur schwer ablösbar sind.

7. Naturwissenschaftliche Untersuchungen - Glas

Für die Konservierung von Hinterglasbildern des 19. Jahrhunderts, also einer Epoche, in der die Glastechnologie bereits weitgehendst ausgereift war, ist die Analyse der chemischen Zusammensetzung des Glases zwar zweitrangig, im Hinblick auf bestimmte Schadensphänomene allerdings von besonderem Interesse. So sollen neben der Zusammensetzung einiger Glasproben auch zwei unterschiedliche Formen von kristall- bzw. salzartigen Ablagerungen an Glasflächen analysiert, ihre Entstehung oder Ursache dadurch möglichst geklärt werden. Da es sich bei Glas um einen in der Gemälderestaurierung kaum diskutierten Bildträger handelt, gehen den Analyseergebnissen im Folgenden allgemeine Informationen zur Glaszusammensetzung und der davon abhängigen Korrosions- bzw. Alterungsbeständigkeit dieses Werkstoffes voraus.

7.I

ZUSAMMENSETZUNG

VON

GLAS -

ALLGEMEIN

Glas wird im Wesentlichen aus drei Rohstoffen zusammengesetzt, deren jeweiliger Einfluss auf die Beständigkeit des erhaltenen Produkts im Laufe der Jahrtausende beobachtet wurde. Die daraus vorerst empirisch gezogenen, später zumindest theoretisch naturwissenschaftlich belegten Schlüsse über das notwendige Verhältnis der Rohstoffanteile führten letztendlich zur relativ beständigen Zusammensetzung der Gläser des 19. Jh. Der Hauptbestandteil der Gläser des 19. Jh. ist der Glasbildner1 Siliciumdioxid, der in den böhmischen Glashütten aus Quarz in Form von Sand oder Kiesel gewonnen wurde (siehe Kap. 2.2.1). Die Si0 2 -Moleküle, sog. Netzwerkbildner, verbinden sich, wie der Name schon sagt, zu teilkristallinen Netzwerken 2 und würden eigentlich ein sehr beständiges Glas bilden. Die hohe Schmelztemperatur des S i 0 2 (ca. 1700 °C) jedoch erfordert die Beimengung von Flussmitteln bzw. sog. Netzwerkwandlern, welche die Netzstruktur auflockern und damit den Schmelzbereich auf eine Temperatur absenken, die für die damals mit Holz, später mit Holzkohle gefeuerten Ofen erreichbar war. (siehe dazu auch Kap. 2.2.2)

1 2

Glasbildner = chemische Verbindungen, die ohne Zusätze beim schnellen Abkühlen (Abschrecken) ihrer Schmelze glasartig erstarren. Zu den Glasbildnern gehören z. B. Si0 2 , B 2 Oj, P2C>5. ABC Glas: S. 114. Newton, Roy und Davison, Sandra: Conservation of Glass. Butterworths 1989, S. 1—7.

96

7- Naturwissenschaftliche Untersuchungen - Glas

Die in Form von Carbonaten (z. B. Soda - N a 2 C 0 3 , Pottasche - K 2 C 0 3 ) , Sulfaten (z. B. Glaubersalz — NajSO^) oder Nitraten eingebrachten Flussmittel geben in der Schmelze ihre flüchtige Komponente ab ( C 0 2 , S 0 2 , N 0 2 ) und lagern sich als einwertige Alkalikationen (Na + , K + ) in das Si0 2 -Netzwerk ein. Sie belegen jene Plätze im Netzwerk, die aufgrund der ungebundenen Sauerstoffatome eine negative Ladung aufweisen, und werden im Grunde nur durch elektromagnetische Kräfte gehalten 3 . Dies ist auch der Grund für die Mobilität dieser einwertigen Alkaliionen, sie können ihren Platz mit anderen Kationen tauschen. In der Praxis wirkt sich das in der Herabsetzung der Wasserbeständigkeit eines Glases durch Beimengung solcher Flussmittel aus (siehe Kap. 7.2.2), reine SiliciumAlkali-Gläser sind daher wasserlöslich (sog. Wasserglas). Der Einbau von Netzwerkstabilisatoren, also zweiwertigen Erdalkalikationen, in die Glasstruktur bewirkt eine Aufhebung der, durch die Flussmittel (Alkaliionen) verursachten, Empfindlichkeit gegenüber hydrolytischem Angriff. Solche Stabilisatoren werden als Calcium- (meist in Form von Kalk) oder Magnesiumoxide dem Glassatz beigemengt und werden aufgrund der zweifach positiven Ladung von zwei ungebundenen negativ geladenen Sauerstoffatomen des Siliciumdioxid-Netzwerks gehalten. Sie wirken also wie Netzwerkbildner und sind aufgrund ihrer doppelten elektrischen Ladung weitaus weniger mobil als die Alkaliionen. Die stabilisierende Wirkung dieser Stabilisatoren ist aber teils widersprüchlich - eine Erhöhung ihres Anteils bewirkt ab einer gewissen Grenze wiederum eine besondere Instabilität des Glases (siehe 7.2.1).

7 - 2 KORROSION VON GLAS Newton 4 nennt als Hauptfaktoren der Glaskorrosion die Art der Glaszusammensetzung sowie die Auswirkungen des Umgebungsklimas. Daneben können auch Temperatur, Zeit, der pH-Wert aggressiver Lösungen auf der Glasoberfläche und Mikroorganismen eine Rolle bei der Glaskorrosion spielen.

3

Ebenda: S. 6.

4

Newton, Roy: Deterioration of Glass. In: Newton, Roy und Davison, Sandra: Conservation of Glass, S.

135-

7-2 Korrosion von Glas

97

J.2.1 Einfluss der Glaszusammensetzung auf die Beständigkeits Allgemein kann gesagt werden, je höher der Silicium-Gehalt eines Glases zu jenem der Alkalien ( N a 2 0 , K 2 0 ) und je größer der Anteil von Stabilisatoren (CaO) zu jenem der Alkalien ist, umso beständiger ist das Glas gegenüber Wasserangriff und Verwitterung. Die korrosionshemmenden bzw. -fördernden Eigenschaften der einzelnen Komponenten seien hier kurz erwähnt:

Silicium-Gehalt Fällt dieser unter 66,7 mol % schreitet der Abbau der Glassubstanz rapid voran, da in solch einem Fall jedes Si-Atom indirekt mit einem Netzwerkwandler (Na + oder K + ) oder Stabilisator (Ca 2+ ) verbunden ist. Werden diese teils sehr mobilen Komponenten durch hydrolytischen Angriff ausgelaugt und bilden diese an der Glasoberfläche stark basische, aggressive Wasserfilme, so kann ein ungehinderter Angriff auf die ohnehin gelockerte Glasstruktur stattfinden. Uber dieser Grenze von 66,7 mol % Silicium sind die Si-OGruppen wieder großteils durch Si-O-Si-Gruppen isoliert.

Alkalien-Gehalt Extremer Abbau von Glassubstanz, sog. Glaskrankheit, ist das Resultat eines ungünstigen Verhältnisses von Netzwerkwandlern (Alkalien) zu Netzwerkstabilisatoren (Calciumoxid). Bei Gläsern, die aufgrund solch instabiler Zusammensetzungen bereits auffällige Korrosionserscheinungen wie das ,Ausschwitzen" - Bildung von Tröpfchen einer alkalischen Lösung an der Oberfläche - oder das „Crizzling" - rissige, trübe Oberfläche — aufweisen, spricht man von „kranken Gläsern". Analysen von „kranken Gläsern" ergaben einen Stabilisatorengehalt (Calciumoxid) von 0,3—4,7 Gew.-% und einen Alkaliengehalt (Kaliumoxid) von ca. 24 Gew.-%. Die Stabilität des Glases nimmt ab, je größer die „ausgewaschenen" Alkaliionen sind, da die entstehende Fehlstelle durch das kleine Wasserstoffproton nicht gleichwertig ersetzt werden kann und der weitere Angriff durch Wasser und Luftschadstoffe somit begünstigt wird. Da das Kaliumion größer ist als das Natriumion, wird die Glasstruktur beim Auslaugen des Kaliumions mehr geschwächt.

Stabilisatoren-Gehalt Der Anteil von Kalk oder anderen Stabilisatoren sollte bei 10 mol % liegen, um dem Glas die nötige Wasserresistenz zu geben. Wie bereits angedeutet ist mit einer erhöhten Zugabe von Kalk nicht eine Erhöhung der Stabilität des Glases gegeben. Steigt der Stabilisatoren5

Die folgenden zwei Kapitel stützen sich hauptsächlich auf die Arbeit von Newton und Davison, 1989.

98

7- Naturwissenschaftliche Untersuchungen - Glas

Gehalt nämlich über 15 mol % , geht die Resistenz gegenüber korrosiven Vorgängen wieder stark zurück. Werden nämlich diese zweiwertigen Erdalkaliionen gegen zwei Wasserstoffprotonen ausgetauscht, wie dies bei wasserinduzierter Korrosion der Fall ist, so bleibt im Glas eine weitaus porösere und instabile Schicht zurück, als dies beim Auslaugen der einwertigen Alkaliionen (Na + , K + ) der Fall ist. Als man die positive Auswirkung des Kalkanteils erkannte, führte dies teils zu einer übermäßigen Zugabe (besonders im Mittelalter), die wie bereits erwähnt wieder das Gegenteil bewirkt, also das SiO z -Netzwerk erheblich schwächt und physikalischen und chemischen Angriffen somit kaum Widerstand bieten kann.

7.2.2 Einfluss des Umgebungsklimas auf die Korrosion von Glas Da die in dieser Arbeit behandelten Gläser, im Gegensatz zu Glasfenstern, kaum den Witterungsbedingungen und den Schadstoffen der Außenluft ausgesetzt sind, soll hier hauptsächlich auf die durch zu hohe Luftfeuchtigkeit bzw. durch Kondenswasser hervorgerufene Korrosion an Gläsern eingegangen werden. An den Oberflächen der wasserdampfundurchlässigen Gläser bilden sich schnell Kondenswasserfilme. Besonders, wenn die Oberflächentemperatur der Gläser den Taupunkt 6 erreicht. Bei den Hinterglasbildern der Freistädter Sammlung muss dieser Vorgang vor der 2002 durchgeführten Sanierung, angesichts des zu feuchten Klimas im unbeheizten Raum, vor allem im Winter und Frühjahr befurchtet werden (siehe Kap. 6.1.3). Durch diesen ständig vorhandenen Wasserfilm kann ein Austausch der Wasserstoffionen mit den leicht mobilen Alkaliionen des Glases stattfinden. Es kommt bei instabilen Gläsern zum .Auslaugen" des Glases, wobei die an die Oberfläche tretenden Alkaliionen teils stark basische Wasserfilme oder Tröpfchen bilden (sog. „weaping glass"). Der Prozess schreitet vorerst schnell voran, verlangsamt sich aber mit dem Fortschritt des Auslaugens, da die Wasserstoffprotonen nun erst die ausgelaugte, siliciumreiche Glasschicht durchdringen müssen, um mit den nächsten Alkaliionen reagieren zu können. Die Akkumulation von Alkaliionen im Wasserfilm an der Oberfläche nimmt in trockener Umgebung zu, da weniger Wasser an der Glasoberfläche aufliegt, welches zu einem „Verdünnen" der entstehenden Lauge führen würde. Wenn dieser alkalienreiche Oberflächefilm den pH-Wert 9 erreicht, wird ein kritischer Punkt überschritten, die Prozesse der Auflösung der Glasstruktur gehen in beschleunigtem Maße voran.

6

Unter dem Taupunkt ist jene Temperatur zu verstehen, bei der die relative Luftfeuchte 100 % beträgt, d. h. sich Wasser auf Oberflächen niederzuschlagen beginnt.

7.3 Analysen der Glaszusammensetzung .

99

Das Erreichen dieses kritischen Punktes hängt vom Verhältnis der Glasoberfläche zum Volumen der aufliegenden Wasserschicht auf. Dies ist auch der Grund dafür, dass Glasscheiben in kurzer Zeit oberflächlich korrodieren, wenn sie aneinander gestapelt in feuchter Atmosphäre aufbewahrt werden - große Oberfläche und geringes Wasservolumen, der pH-Wert steigt rapid, die korrosive Wirkung verstärkt sich. Starke Glaskorrosion ist bei Gläsern des 19. Jh., die in Innenräumen aufbewahrt werden, jedoch nicht zu erwarten. Das Vorhandensein von weißen, salzartigen Ablagerungen zwischen Glas und Malschicht könnte aber in manchen Fällen ein Resultat ausgewanderter Substanzen der Glasoberfläche sein (siehe Beschreibung in Kap. 6.2.2 sowie 7.3).

7.3

ANALYSEN DER G L A S Z U S A M M E N S E T Z U N G UND

UNTERSUCHUNG

SALZARTIGER ABLAGERUNGEN

7.5./ Untersuchungsmethode und Beschreibung der Proben Sämtliche Analysen wurden an einem Rasterelektronenmikroskop 7 (REM) von Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Rudolf Erlach und Univ.-Ass. Prof. Dr. phil. Johannes Weber, Ordinariat für technische Chemie 8 an der Universität für angewandte Kunst, Wien durchgeführt. Der Analyse salzartiger Ablagerungen im R E M gingen Betrachtungen unter einem Stereomikroskop voraus.

7.3.1.1 Glasproben Im Zuge der Zustandserfassung im Mühlviertler Schlossmuseum Freistadt war es bei einigen Hinterglasbildern möglich, von aufgebrochenen Glasblasen Proben zu erhalten. Z u r Untermauerung des statistischen Ergebnisses wurden außerdem die Gläser von drei zu Testzwecken vom Oberösterreichischen Landesmuseum, vom Mühlviertler Schlossmuseum in Freistadt sowie vom Hinterglasmuseum Sandl zur Verfügung gestellten Objekten analysiert. Die Analyse von sog.,Antikglas" 9 ermöglicht einen Vergleich des Glases des 19. Jh. mit jenem heute noch nach der alten Zylinder-Blas-Technik hergestellten Glas.

7

Fa. Philips X L 30 E S E M

8

Leiter o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. habil. Alfred Vendl

9

„Echtantik"- und „Neuantik"-Glas, Fa. Lamberts, Waldsassen

IOO

7. Naturwissenschaftliche Untersuchungen - Glas

7.5.1.2 „Kristalle" aufDeckglasscheibe Diese in Kap. 6.2 beschriebene Bildung von sternchenförmigen oder nadeligen Kristallen findet auf der Innenseite der, zum Schutz gebrochener Hinterglasbilder vorgelegten, neuen Deckglasscheiben statt. Es handelt sich hier zwar nicht um Beläge auf dem Originalglas, es sollte jedoch überprüft werden, woraus sich diese Kristalle zusammensetzen und ob sie in irgendeiner Weise durch Abbaumechanismen des Originalglases entstanden sein könnten. Das beprobte Objekt (Abb. 15) weist eine dichte Ansammlung der in Kap. 6.2.2 beschriebenen, zum Teil sternchenförmigen, nadeligen Kristalle auf der Unterseite der Deckglasscheibe auf (Abb. 16), welche mit einem Skalpell abgenommen und auf dem Probenteller platziert werden konnten. Außerdem wurde ein kleines Stück des Deckglases selbst untersucht, um die unzerstörte Form der Kristalle im Rasterelektronenmikroskop betrachten zu können.

7.3.1.} Salzartige Ablagerungen zwischen Glas und Malschicht Die zweite Form salzartiger Ablagerungen liegt zwischen Originalglas und der teilweise abgehobenen Malschicht vor (siehe Beschreibungen in Kap. 6.3.2) (Abb. 17 und 18). Dieses Phänomen ist vielen Restauratoren, die sich der Hinterglasmalerei widmen, bekannt, es gibt bisher jedoch kaum naturwissenschaftliche Untersuchungen dieser Partikel. Aus zwei Objekten unterschiedlicher Region konnten Proben dieser Ablagerungen entnommen werden: Die lose zwischen Glas liegenden weißen Partikel konnten dort, wo die Malschicht bereits ausgebrochen war, mit einem Skalpell aufgenommen und auf dem Objektträger fixiert werden. Eine bereits lockere Malschichtscholle, die auf der zum Glas hingewandten Seite salzartigen Belag aufwies, wurde ebenfalls zur Analyse auf den Objektträger aufgelegt.

7.3.2 Ergebnisse 7.3.2.1 Glasanalysen In der Tabelle sind die Gewichtsprozente der in der Probe enthaltenen Oxidverbindungen aufgelistet.

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