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German Pages 176 [177] Year 2015
NEUE ERKENNTNISSE ZUR ENTSTEHUNG UNSERES ALPHABETS
2
KARL-THEODOR ZAUZICH
HIEROGLYPHEN MIT GEHEIMNIS
3
Der Autor dankt den Herstellern folgender Fonts, die er für seine Arbeit verwendet hat:
Für Hieroglyphen: JSesh, http://jsesh.qenherkhopeshef.org/ Für Koptisch: Ägyptologisches Institut: Koptisch, Frank Steinmann, Leipzig 1994 Für Umschrift: Umschrift_TTn: Friedrich Junge, Göttingen Für Karisch, Kharoṣṭhī u. a.: alphabetum unicode 2012, Joan-José Marcos Für Keilschrift, Byblos-Schrift, Äthiopisch, Meroitisch: Norbert Bartz (http://www.obib.de/Schriften/AlteSchriften) Für Protosinaitisch: ProtoSinaitic, Kyle Pope, Ancient Road Publications 2001 Für Ugaritisch: Ugaritic 3, David Myriad Rosenbaum, El Sobrante CA 94820‐1701
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Verlag Philipp von Zabern ist ein Imprint der WBG © 2015 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Ulrich Berkmann, Mainz Satz: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza Einbandabbildung: Tanis Sign Payprus, Umzeichnung des Autors Einbandgestaltung: Katja Holst, Frankfurt am Main Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8053-4756-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8053-4808-9 eBook (epub): 978-3-8053-4809-6
4
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 1
Einleitung für Leser ohne ägyptologische Kenntnisse
8 11
1.1
Die hieroglyphische Schrift
11
1.2
Die hieratische Schrift
14
1.3
Die demotische Schrift
15
1.3.1
Papyrus Amherst 63
15
1.4
Die koptische Schrift
16
1.5
Die meroitische Schrift
16
1.6
Die Byblos-Schrift
17
1.7
Die ugaritische Schrift
19
1.8
Die protosinaitische Schrift
19
1.9
Die phönizische Schrift
20
1.10
Die griechische Schrift
20
1.11
Der „Schrifterfinder“
21
1.12
Der Sign-Papyrus
22
2
Die Diskussion über die Herkunft des Alphabets
23
3
Die protosinaitische Theorie
24
3.1
Darstellung der Theorie
24
3.2
Die Schwächen der protosinaitischen Theorie
25
4
Die hieratische Theorie
29
4.1
Darstellung der Theorie
29
4.2
Die Schwäche der hieratischen Theorie
29
4.3
Die Theorie des Verfassers
30
4.4
Unterschiede der hebräischen und griechischen
31
Buchstabennamen 5
Von Aleph – Alpha bis Taw – Tau
34
5.1
Aleph – Alpha
34
5.2
Beth – Beta
37
5.3
Gimel – Gamma
39
5.4
Daleth – Delta
42
5.5
He – E(psilon)
44
5.6
Waw – Digamma
44
5.7
Zajin – Zeta
47
5.8
"eth – Eta
48
5
5.9
Ṭeth – Theta
49
5.10
Jod – Jota
50
5.11
Kaph – Kappa
52
5.12
Lamed – Lam(b)da
53
5.13
Mem – My
58
5.14
Nun – Ny
60
5.15
Samekh – Xi
60
5.16
Ajin – O(mikron)
62
5.17
Pe – Pi
64
5.18
Êade – Sampi
73
5.19
Qoph – Qoppa
75
5.20
ReS – Rho
76
5.21
Sin – San und Cin – Sigma
78
5.22
Taw – Tau
80
6
Zusammenfassende Beobachtungen
82
6.1
Die Namen der Buchstaben
82
6.1.1
Die Konsonanten der Buchstabennamen
82
6.1.2
Die Vokale der Buchstabennamen
83
6.2
Konzeption als Silbenschrift
88
6.3
Die Namen der Hieroglyphen
94
6.3.1
Die Hieroglyphen selbst sind erklärt
94
6.3.2
Ein mit den Hieroglyphen geschriebenes Wort ist erklärt
94
6.3.3
Die ägyptische Bezeichnung ist übersetzt
95
6.3.4
Vermutete Fehler
95
6.4
Die Drehung der Schriftzeichen
95
6.5
Die Auswahl der Schriftzeichen
6.6
Die Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet
100
7
Die Zusatzzeichen der griechischen Schrift
102
97
7.1
Ypsilon
102
7.2
Phi – Chi – Psi
104
7.3
Omega
106
7.4
Sampi
107
8
Die Zusatzzeichen der koptischen Schrift
108
8.1
Schei – Fei – Chei
108
8.2
Hori – Djandja – Gima
109
6
9
Versuch einer Entstehungsgeschichte des Alphabets
111
10
Weiterführende Gedanken
117
10.1
Andere Schriften des Mittelmeerraumes
117
10.1.1
Bezug zur ugaritischen Schrift
117
10.1.2
Lokale Alphabete um das Mittelmeer
119
10.2
Protosinaitische Schrift
120
10.3
Byblos-Schrift
122
11
Schlußwort
126
12
Erklärung fremder Wörter und Begriffe
128
Nachtrag
Die Zahlzeichen der Kharoṣṭhī-Schrift
131 137
Endnoten 13
Literaturangaben
156
Abbildungsnachweis
171
Anhang 1
Die Vorschläge der Vertreter der hieratischen Theorie
171
Anhang 2
Zeichenentsprechungen in den verschiedenen Schriften
173
Anhang 3
Rekonstruktion der vermuteten Zeichenliste
175
7
Man wird sich in einer späteren Zeit über die Leichtgläubigkeit wundern, mit der sich ernste Gelehrte von dem Trugbild der Sinaischrift als dem Urbild unserer Schrift haben gefangen nehmen lassen. (Hans Bauer, 1927)
VORWORT Der Titel dieses Buches schließt an mein 1980 erschienenes Buch „Hieroglyphen ohne Geheimnis“ an (12. Auflage 2012), mit dem ich der weitverbreiteten Ansicht entgegentreten wollte, die ägyptische Schrift sei so schwierig, daß nur geniale Gelehrte sie lernen und lesen könnten. Schon damals hatte ich den Plan, ein Buch folgen zu lassen, in dem ich darstellen wollte, wie denn der Mythos von dem Geheimnis der Hieroglyphen überhaupt entstehen konnte und zu welchen abstrusen „Entzifferungen“ dieser geführt hat. Auch wollte ich an einigen Beispielen zeigen, wie die Ägypter selbst zur Mystifizierung ihrer Schrift beigetragen haben, und daß die Hieroglyphen natürlich immer noch einige Geheimnisse bergen, die bis heute nicht ganz entschleiert sind. Eines davon ist, wie aus ihnen unser Alphabet entstanden ist, und nur dieses wird hier behandelt. Die Herkunft des Alphabets ist ein uraltes Problem der Menschheit, über das spätestens seit dem klassischen Altertum nachgedacht wird.1 Ganze Bibliotheken sind über das Thema geschrieben worden, ohne daß die Diskussion zu einer allgemein akzeptierten, unangreifbar bewiesenen Lösung gekommen ist. Meine eigene Beschäftigung mit dem Thema hat vor mehr als 40 Jahren begonnen. Einen ersten Aufsatz mit dem Titel „Vorläufige Mitteilung zur Herkunft der phönizischen Schrift“ habe ich 1973 publiziert;2 ihm folgten etliche andere Arbeiten, s. die Bibliographie in Kap. 13. Wenn ich hier endlich das lange geplante Buch vorlege, so geschieht es nicht in der Erwartung, ans Ende meines eigenen Suchens und Findens gekommen zu sein. An vielen Stellen drängen sich weitere Fragen geradezu auf. Angesichts meines Alters (Jahrgang 1939) und der Wichtigkeit des Themas erscheint es mir aber besser, ein fast fertiges Buch zu publizieren als ein ganz fertiges Manuskript mit ins Grab zu nehmen. In diesem Sinne bitte ich meine Leser um Nachsicht, wenn ich an einigen Stellen meine Untersuchung einfach abgebrochen habe. Andere werden hier hoffentlich weiterarbeiten. Eine allgemeine Übereinstimmung besteht in der Wissenschaft derzeit nur darüber, daß unser „lateinisches“3 Alphabet über das griechische oder etruskische vom phönizischen Alphabet abgeleitet ist, aber immer noch ungelöst
8
ist die Frage, wann, wo und wie dieses entwickelt worden ist. Die unterschiedlichsten Antworten sind dafür vorgeschlagen worden, von denen die meisten phantastisch und ganz und gar unglaubwürdig sind.4 So wollte man z. B. im Alphabet einen Hinweis auf die Mondphasen finden5 oder gar einen Nachweis für den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten im Alphabet entdecken. Das letzte ist ein so hübscher und kaum bekannter Unsinn, daß ich ihn hier zitieren möchte: Lucien Etienne, Une découverte dans l’alphabet. Revelation scientifique, Paul Geuthner Paris, 1932. In meiner Übersetzung: „Männer (Aleph) und Frauen (Beth) unter dem Joch (Gimel) zogen heraus (Daleth) aus Ägypten (He) nach dem Orient (Waw). Sie vereinigten sich (Zajin) bei der Tempel- (Óeth) Stadt (˝eth). Anfangs waren sie verzweifelt (Jod), aber anschließend erhoben sie sich (Kaph) voller Mut (Lamed). Und das Volk (Mem) lief (Nun) durch das Meer (Samekh) während des Vollmondes (Ajin). Die Legionen (Pe), die es verfolgten (Ôade), ertranken (Qoph). Dann besangen alle (ReS) den Ruhm (Sin) Gottes (Taw).“6 Vgl. auch Tafel 4. Das ist natürlich die reine Phantasterei, aber sie enthält dennoch ein paar richtige Gedanken. Der eine ist, daß unsere Buchstaben von ägyptischen Hieroglyphen in ihrer hieratischen Schreibung abgeleitet sind. Außerdem ist die Herleitung des Buchstabens M von der Hieroglyphe des Wassers richtig, ebenso die des Buchstabens R von der Hieroglyphe des Mundes . Aber das hatten andere lange vor Etienne schon herausgefunden. Seit Jahrzehnten wird eine Theorie in Büchern zur Schriftgeschichte und in allgemeinen Lexika, jetzt auch im Internet, so häufig vertreten, daß man sie geradezu als Standardtheorie bezeichnen kann. Danach sollen die phönizischen Schriftzeichen und somit auch die griechischen und unsere Buchstaben aus der sogenannten protosinaitischen Schrift abgeleitet sein. Diese Theorie ist aber aus vielen Gründen problematisch und nach meiner Überzeugung ganz und gar verkehrt.7 In diesem Buch wird dagegen eine mehr als 150 Jahre alte Theorie, nach der unser Alphabet über Zwischenstufen aus den ägyptischen Hieroglyphen in ihrer kursiven (hieratischen) Schreibung abgeleitet ist, wiederaufgenommen und mit neuen Argumenten bewiesen. Das bedeutet konkret, daß wir alle, die wir die „lateinische“ Schrift gebrauchen, eigentlich ägyptische Hieroglyphen in wenig veränderter Form schreiben, so daß tatsächlich das ganze Wissen der abendländischen Welt in morgenländischen Schriftzeichen fixiert ist. Unser A ist eigentlich ein , das auf die Hiezurückgeht, unser B ein , das auf die Hieroglyphe zurückroglyphe geht, usw.
9
Das vorliegende Buch stellt diese Theorie Schritt für Schritt vor. Da das Thema von allgemeinem Interesse ist, habe ich mich um eine Darstellung bemüht, die auch Lesern ohne sprachwissenschaftliche Ausbildung verständlich ist. Fremdwörter sind nach Möglichkeit vermieden oder werden beim ersten Auftreten sowie am Buchende (Kapitel 12) erklärt. Ausführliche Literaturverweise (Kapitel 13) erlauben dem Leser, gezielt weitere Informationen zu suchen. In einer Einleitung (Kapitel 1) werden die Kenntnisse vermittelt, die für das Verständnis des Buches unentbehrlich sind. Die Fachkollegen wollen bitte die ersten Abschnitte der Einleitung überspringen. Literaturverweise und zusätzliche Informationen sind in Anmerkungen am Schluß notiert, um die abschreckende Wirkung zu vermeiden, die ein Text mit vielen Fußnoten auf manche Leser ausübt. Für das Verständnis der Argumentation sind die Endnoten weitgehend entbehrlich. Ich danke den Zuhörern meiner Vorträge, die mir durch kritische Fragen geholfen haben, sowie einigen Kollegen, mit denen ich über Details diskutieren durfte. Ich danke auch einigen Lesern, die eine Rohfassung des Manuskripts durchgesehen und mich besonders hinsichtlich der Lesbarkeit beraten haben. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft bin ich für die Entlastung von meinen Lehrverpflichtungen im Sommersemester 1999 durch die Finanzierung einer Vertretung dankbar. Meinem Schüler, Kollegen und Freund Prof. Richard Jasnow (Johns Hopkins University Baltimore) danke ich dafür, daß er diese Vertretung freundlich und professionell wahrgenommen hat.
10
1. EINLEITUNG FÜR LESER OHNE ÄGYPTOLOGISCHE KENNTNISSE Zum Verständnis der Ausführungen dieses Buches sind einige Kenntnisse erforderlich, die nicht zum Wissenskanon einer „Allgemeinbildung“ gehören, die heute ohnehin kaum noch definierbar ist. Diese Kenntnisse versuche ich im Folgenden zu vermitteln; außerdem werden alle Schriften kurz vorgestellt, die in unserem Zusammenhang wichtig sind. Alle vorkommenden Fremdwörter werden beim ersten Auftreten und am Ende des Buches (Kapitel 12) erklärt. 1.1 Die hieroglyphische Schrift Solche Schriftzeichen haben alle Leser schon gesehen, sei es in einem Museum, in Ägypten selbst oder auf einem Obelisken in Rom, Paris, New York oder München. Die Schrift hat einen hohen ästhetischen Reiz (vgl. Tafel 1) und ist relativ leicht erlernbar, weil fast jedes Zeichen ein Objekt aus der realen belebten oder unbelebten Natur darstellt – wozu für den Ägypter natürlich auch die Götter gehörten. Abstrakt geometrische Zeichen oder gar die Zeichen der Keilschrift lassen sich ungleich schwerer erlernen und merken als die Bilder der Hieroglyphenschrift, sie sind mnemotechnisch (erinnerungsmäßig) ungleich ungünstiger als sie. Wenn Ihnen jemand sagt, Wasser, so werden Sie das vermutlich daß einen Mund bedeutet und und niemals mehr vergessen. Aber die gleichbedeutenden Zeichen der Keilschrift werden Sie sich kaum so leicht einprägen. Die Hieroglyphenschrift, die von rechts nach links oder umgekehrt geschrieben werden kann, auch in senkrechten Kolumnen, verfügt über reichlich 20 Zeichen, die jeweils einem einzigen Konsonanten = Buchstaben entsprechen, sowie über eine große Anzahl von Zeichen, die die Kombination von zwei oder drei Konsonanten bedeuten, ferner über zahlreiche Wortzeichen (Ideogramme). Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht. (Die Schriftrichtung erkennt man leicht an den Zeichen, die einen Menschen oder ein Tier darstellen: Sie schauen immer dem lesenden Auge entgegen, wenden ihm niemals „unhöflich“ den Rücken zu.)8 Der Name des Königs Ramses III. lautet in Originalschrift und in Umschrift (Umsetzung in lateinische Schrift mit Sonderzeichen):
11
Wsr-m3o.t-ro mr Jmn „Stark ist die Wahrheit des Re, geliebt von Amun“ 1-Kons.-Zeichen 2-Kons.-Zeichen 3-Kons.-Zeichen Wortzeichen (Ideogramm)
j mn wsr ro
n mr M3o.t
Außer den erwähnten Zeichen mit phonetischem Wert gibt es noch die Determinative, die am Ende eines Wortes stehen und dessen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Objektkreis markieren, z. B. Menschen, Tiere, Pflanzen, Gebäude usw. Diese Zeichen sind Lesehilfen, die selbst aber nicht gelesen werden. Auch die sogenannte Kartusche, die oben den Namen des Königs umschließt, ist eine Art Determinativ und weist darauf hin, daß ein königlicher Name vorliegt. Ein einzelner Strich (Determinativstrich) zeigt an, daß die jeweilige Hieroglyphe genau das bedeutet, was sie als Bild darstellt. So ist nur der Buchstabe r, dagegen das ägyptische Wort r# für „Mund“. Wichtig in unserem Zusammenhang ist, daß die Hieroglyphenschrift nur Konsonanten schreibt. Es gibt zwar ein paar Konsonanten, die Vokalen nahestehen, etwa das W(aw) und das J(od). Aber unter den vielen hundert Hieroglyphen gibt es keine einzige, die einen Vokal bezeichnet. (Ägyptologen sprechen nur einige Konsonanten wie Vokale aus, z. B. das W als U, oder fügen ein E zwischen zwei Konsonanten, um die Wörter aussprechen zu können.) Wenn die Vokale nicht geschrieben werden, müssen viele verschiedene Wörter in der Schrift vollkommen gleich aussehen. Um diese zu unterscheiden, muß irgendein graphisches Mittel gefunden werden. In der ägyptischen Schrift erfüllen die Determinative diese Aufgabe. So gibt es z. B. viele Wörter mit den Konsonanten wn (hier wn-n geschrieben), die nur durch das Determinativ unterscheidbar sind: mit Determinativ der Tür
„öffnen“
mit Determinativ der laufenden Beine
„eilen“
mit Determinativ „schlechter Vogel“
„Fehler“
mit Determinativ der Haarlocke
„kahl werden“
mit Determinativ einer Stadt mit Straßen
„Stadt Hermupolis“ „Licht“
mit Determinativ der strahlenden Sonne
12
Würde man statt eines Determinativs nur einen Strich, den sogenannten De, so erhielte man ein Wort für „Hase“; terminativstrich, schreiben, also leider ist dieses bisher in keinem ägyptischem Text nachzuweisen. Übrigens verfügt auch die deutsche Schrift über ein graphisches Mittel zur Unterscheidung gleich klingender Wörter, nämlich die Großschreibung. Es wäre töricht – wie manche es wünschen –, auf diese enorme Lesehilfe zu verzichten, die uns auf den ersten Blick mitteilt, daß „sage“ eine Verbform ist, „Sage“ aber ein Substantiv. Zwei Konsonanten müssen eigens erwähnt werden, weil sie in der lateinischen Schrift nicht vorkommen, nämlich das Aleph und das Ajin. Aleph entspricht etwa dem harten Stimmansatz, den wir vor Vokalen am Wortanfang sprechen. Es ist der knackende Laut, den man beim Singen zu vermeiden sucht. Chorleiter, die ihren Sängern den harten Stimmansatz austreiben wollen, sagen gern: „Denken sie sich ein H vor den Vokal.“ Mein HebräischLehrer erklärte das Aleph als den lautlichen Unterschied zwischen einer „Ameise“ und einer „am Eise“. Ameise – am ’Eise. Ein noch wesentlich härterer Stimmansatz ist das Ajin, das in der deutschen Hochsprache nicht vorkommt. Beide Konsonanten können im Ägyptischen wie in den semitischen Sprachen an jeder Stelle im Wort stehen, also nicht nur am Anfang. In der Umschrift wird Aleph in diesem Buch mit zwei nach links geöffneten Halbkreisen (#) bezeichnet, Ajin dagegen mit einem nach rechts geöffneten Halbkreis (o). Die Vokallosigkeit der ägyptischen Schrift überrascht Sie vielleicht. Für die Ägypter selbst war sie kein Problem, da sie ja wußten, welche Vokale in das Konsonantengerüst hineingehörten. Auch wir verstehen ja abgekürzte Inserate problemlos: ... Komf. Apptms b. 4 Pers. 35.- od. komf. Fer.-Whg. b. 8 Pers. 45.-, Zim. m. Frst. 15.-, Ztrhzg ... Interessant an solchen Abkürzungen ist, daß sie sich überwiegend auf das Konsonantengerüst verlassen: Whg = Wohnung, Ztrhzg = Zentralheizung. (Achten Sie einmal unter diesem Aspekt auf die Abkürzungen, die die Deutsche Bahn auf ihren Personen- und Güterwagen anbringt!) Wenn die Ägypter aber Wörter aus fremden Sprachen schreiben mußten, deren Vokale nur die Sprachkundigen kannten, bedienten sie sich besonderer Gruppierungen von Zeichen in einer Art Silbenschrift, der sogenannten syllabischen Schrift.
13
Wenn in diesem Buch auf eine bestimmte Hieroglyphe Bezug genommen wird, so wird in Klammern hinzugefügt, wo diese in der Zeichenliste der ägyptischen Grammatik von Alan H. Gardiner steht. Diese Zeichenliste ist bequem im Internet zugänglich: .9 Hier noch eine Zusammenstellung der Sonderzeichen in den Umschriften, die Ihnen vermutlich nicht bekannt sind: # H X † o Õ S D ᵕ
= = = = = = = = =
Aleph (schwacher Stimmansatz) etwa wie ch in „ach“ etwa wie ch in „ich“ emphatisches (besonders betontes) t Ajin (starker Stimmansatz) emphatisches s wie deutsches sch wie j in „journal“ Hinweis auf einen unbetonten Vokal, dessen Qualität unbekannt ist. 1.2 Die hieratische Schrift
Die kleinen Bilder der Hieroglyphenschrift sind dekorativ und mnemotechnisch günstig, aber teilweise schwierig zu schreiben. Wenn es darum ging, im Alltag etwas schnell schriftlich zu fixieren, konnte man keine feinen Bildchen malen. Wie von selbst hat sich eine Kursivschrift entwickelt, die aus vereinfachten, abgerundeten und oft durch Ligaturen verbundenen Zeichen besteht. Sie verhält sich zu den Hieroglyphen ungefähr so wie unsere Schreibschrift zur Druckschrift. Diese Kursivschrift, die wir Hieratisch nennen, hat sich selbstverständlich im Laufe der rund 2500 Jahre ihrer Verwendung stark verändert, aber es blieb im Prinzip möglich, jedes einzelne hieratische Schriftzeichen auf den hieroglyphischen Ursprung zurückzuführen; vgl. Tafel 2. Hatte sich ein kursives Zeichen durch die Schriftentwicklung weit von seinem hieroglyphischen Ursprung entfernt, so war jederzeit eine Rückkopplung und Neuprägung möglich. So sind z. B. manche hieratischen Zeichen des 1. Jahrhunderts n. Chr. ihren hieroglyphischen Wurzeln näher als die gleichen hieratischen Zeichen 1500 Jahre früher. Dies ist eine Tatsache, die in unserem Zusammenhang später noch wichtig wird.
14
1.3 Die demotische Schrift Eine weiter gehende Vereinfachung der hieratischen Schrift hat zur sogenannten demotischen Schrift geführt, die Ihnen vielleicht von dem RosettaStein im Britischen Museum bekannt ist. Dieser Stein mit drei Inschriften gleichen Inhalts in hieroglyphischer, demotischer und griechischer Schrift hat bekanntlich die Entzifferung der Hieroglyphen und des Demotischen ermöglicht. Die demotische Schrift war zu ihrer Zeit (7. Jh. v.Chr.–5. Jh.n. Chr.) die am leichtesten zu erlernende ägyptische Schrift, gilt aber heute selbst unter Ägyptologen als so schwierig, daß nur wenige Studenten sich bemühen, sie zu lernen. Die Erleichterung besteht vor allem darin, daß der Zeichenvorrat drastisch reduziert ist, daß schwierig zu schreibende Zeichen weitgehend fehlen, daß viele Wörter quasi alphabetisch geschrieben werden und daß der Bestand an Determinativen und Ideogrammen (Wortzeichen) auf relativ wenige Zeichen beschränkt ist. Vgl. Tafel 3. 1.3.1 Papyrus Amherst 63 An dieser Stelle muß ein Wort über den Papyrus Amherst 63 gesagt werden. Dieser viele Kolumnen lange Text in der Pierpont Morgan Library New York ist ein eigenartiges Dokument, weil es in demotischer Schrift, aber aramäischer Sprache geschrieben ist. Es nutzt also die Möglichkeit, mit ägyptischen Zeichen eine andere Sprache zu schreiben, ähnlich wie das gut ein Jahrtausend früher schon mit der hieratischen Schrift versucht wurde. Warum man zu dieser eher kuriosen und nur noch ein weiteres Mal10 belegten Verwendung der demotischen Schrift gegriffen hat, läßt sich nur vermuten. Meine Vermutung ist, daß der Papyrus Amherst 63 kurz nach der Vertreibung der Perser aus Ägypten im Jahre 404 v. Chr. geschrieben wurde. Im persischen Weltreich war nämlich die aramäische Sprache in aramäischer Schrift die internationale Geschäftssprache (lingua franca) wie in unseren Tagen das Englische. Wer nach dem Ende der Perserzeit in Ägypten noch die aramäische Schrift verwendet hätte, wäre sofort als Perserfreund verdächtigt worden. Vermutlich gab es auch niemanden mehr in Ägypten, der bereit gewesen wäre, die aramäische Schrift zu lehren. Aber es gab sicher noch Nachkommen der großen jüdischen und aramäischen Bevölkerung an der Südgrenze Ägyptens (auf Elephantine und in Assuan), denen es wichtig war, Texte ihrer eigenen Kultur zu bewahren. Dazu war die demotische Schrift das geeignete
15
Medium in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts, bis sie durch die griechische Schrift abgelöst wurde. 1.4 Die koptische Schrift Im Zuge der frühen Christianisierung Ägyptens wurde etwa vom 3. Jahrhundert n. Chr. an die ägyptische Sprache mit griechischen Buchstaben geschrieben. Da die ägyptische Sprache über einige Laute verfügt, für die es keine griechischen Schriftzeichen gibt, nahm man die fehlenden Zeichen aus der demotischen Schrift, wie in Kapitel 8 gezeigt werden wird. Diese neue Schrift aus 24 griechischen Buchstaben und acht Zusatzzeichen heißt Koptisch und wird bis zum heutigen Tage in der koptischen Kirche verwendet. Das koptische Alphabet sieht daher folgendermaßen aus a - b - g - d - E (a - b - g - d - e)11 usw. bis u - w - f - h - ö - þ - + (ō - S - f - H - D - gj - ti). Vgl. Tafel 5. So viel – oder so wenig – zu den ägyptischen Schriften. Es gibt noch ein paar Zwischenstufen, die hier unerwähnt bleiben, weil sie für die folgenden Erwägungen belanglos sind. 1.5 Die meroitische Schrift Die meroitische Schrift wurde vom 3. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jh. n. Chr. zur Aufzeichnung meroitischer Texte verwendet. Sie ist in unserem Zusammenhang zu erwähnen, weil sie in ihren beiden Ausprägungen – einer hieroglyphischen und einer kursiven Form – aus den ägyptischen Hieroglyphen bzw. aus der demotischen Schrift abgeleitet ist. Vor der Erfindung der meroitischen Schrift war im Reich von Kusch und Meroe (auf dem Gebiet des heutigen Sudan) das Mittelägyptische die alleinige Schriftsprache. Nach der Entwicklung der meroitischen Schrift wurde die ägyptische Schrift im meroitischen Reich weitgehend verdrängt. Einige bilingue Texte haben es erlaubt, die meroitische Schrift zu entziffern. Die ersten Erfolge hatte der geniale Heinrich Brugsch schon im Jahre 1887,12 doch als der eigentliche Entzifferer gilt Francis Llewellyn Griffith mit Arbeiten, die gegen 1911 beginnen.13 Meroitisch ist nach dem Ägyptischen die älteste Schriftsprache Afrikas. Leider ist die meroitische Sprache trotz der Lesbarkeit der Schrift weitgehend unverständlich, ähnlich wie die etruskische Sprache. Wenn einmal eine längere ägyptische (demotische) und meroitische Bilingue gefunden wird, die es mit
16
Sicherheit gegeben hat, wird die Sprache verständlich werden, und eine versunkene Kultur wird mit Tausenden von Texten zu uns sprechen. Die meroitische Hieroglyphenschrift besteht aus gut 20 Zeichen, die zum größten Teil mit den entsprechenden ägyptischen Hieroglyphen graphisch identisch, aber vertikal gespiegelt sind. Das heißt, die einzelnen Schriftzeichen wenden dem lesenden Auge – anders als die ägyptischen Hieroglyphen – den Rücken zu, was man als Nichtägyptologe aber nur an den wenigen menschen- und tiergestaltigen Zeichen erkennen kann. Im Gegensatz zu den ägyptischen Hieroglyphen besteht ihr phonetischer Wert jedoch nicht nur aus dem jeweiligen Konsonanten, sondern – von hier nicht zu erörternden Ausnahmen abgesehen – aus dem Konsonanten und dem Vokal a. Hatte die Silbe einen anderen Vokal, mußte dieser mit einem eigenen Zeichen hinzugefügt werden. Dieses merkwürdige Schriftsystem ist den indischen DevanagariSchriften ähnlich und wird später zu erörtern sein. Die meroitische Kursivschrift ist aus der demotischen Schrift entlehnt, wobei jedoch noch nicht in jedem Falle ganz klar ist, welches demotische Zeichen zugrunde liegt.14 In unserem Zusammenhang ist besonders interessant, daß die meroitische Schrift teilweise die gleichen Hieroglyphen entlehnt, von deren hieratischer Schreibung einige phönizische Zeichen abgeleitet sind, so z. B. a15 (s. Kap. 5.1 Aleph), w (s. Kap. 5.2 Beth), n (s. Kap. 5.14 Nun). 1.6 Die Byblos-Schrift In der phönizischen Stadt Byblos, unweit von der heutigen Stadt Beirut, wurden zwischen 1929 und 1941 einige Inschriften auf steinernen Stelen, bronzenen Tafeln und Spachteln in einer zuvor gänzlich unbekannten Schrift ausgegraben. Sie müssen nach der Stratigraphie (Datierung der archäologischen Schichten) im 18. Jh. v. Chr. oder später hergestellt worden sein, d. h. sie sind gut ein halbes Jahrtausend älter als die ältesten phönizischen Inschriften. 1945 publizierte Maurice Dunand alle zehn Texte in dem grundlegenden Werk „Byblia Grammata“.16 Die Schrift, die man Byblos-Schrift oder, nach dem phönizischen Namen der Stadt (gubl), gublitische Schrift nennt, verfügt über etwa 100 Schriftzeichen, die wohl alle bildhaften Charakter haben, auch wenn manche so vereinfacht sind, daß man keine konkreten Objekte erkennen kann. Andere Zeichen sind aber ohne Zweifel in der Form (teils spiegelbildlich) mit ägyptischen Hieroglyphen identisch, so L = der (Q4), N = die Wasserlinie Djed-Pfeiler (R11), u = die Kopfstütze
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(N35), G = die Kobra (I12), F = das Schilfblatt (M17) sowie ein Vogel k, der vermutlich das Wachtelküken (G43) ist. Manche Zeichen ähneln jedoch eher hieratischen als hieroglyphischen Zeichen, wieder andere lassen keine Ähnlichkeit mit irgendwelchen ägyptischen Schriftzeichen erkennen. Unabhängig von der derzeit kaum zu entscheidenden Frage, ob noch andere Schriftsysteme auf die Entwicklung der Byblos-Schrift eingewirkt haben, wird man doch sicher sagen dürfen, daß der ägyptische Einfluß der entscheidende gewesen ist. Das ist auch aus der historischen Situation in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. zu erwarten. Für das Thema dieses Buches ist von besonderem Interesse, daß sich zu fast allen Zeichen der frühen phönizischen Schrift ähnliche Zeichen in der Byblos-Schrift finden lassen. Die phonetischen Werte können jedoch schon deshalb nicht gleich sein, weil die Byblos-Schrift mit rund 100 Zeichen zweifellos eine Silbenschrift und keine Alphabetschrift gewesen ist. Ganz und gar offen ist zur Zeit die Frage, ob die genannten Zeichen wenigstens akrophonisch identisch sind, d. h. mit den gleichen Konsonanten beginnen. Diese Frage wird sich erst dann beantworten lassen, wenn die Byblos-Schrift einmal entziffert sein wird – was sie nach Überzeugung des Verfassers zur Zeit nicht ist. Zwar hat E. Dhorme bereits 1946 eine Entzifferung vorgeschlagen, deren Ansatzpunkt recht überzeugend ist, was von den weiteren, kombinatorisch gewonnenen Ergebnissen aber nicht behauptet werden kann.17 Auch wenn einige Gelehrte der Entzifferung Dhormes zugestimmt haben,18 sind andere, wie Johannes Friedrich,19 skeptisch geblieben. Friedrichs Einwand ist, daß „die Lautwerte der äußerlich ähnlichen ägyptischen und altphönizischen Zeichen, in die byblischen Schriftzeichen eingesetzt, nicht zu den rein kombinatorisch gewonnenen Lesungen Dhormes stimmen“. Dieser Einwand Friedrichs ist in der Tat schwerwiegend; allerdings ist er wenigstens hinsichtlich des allerersten Wortes, das Dhorme zu entziffern glaubte (bSnt „im Jahre“), für die Zeichen b und t nicht richtig, so daß vielleicht – ähnlich wie in der protosinaitischen Schrift – wenigstens e i n Wort korrekt entziffert ist. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß die Zeichen der Byblos-Schrift, die in der Regel linksläufig ist, ebenfalls nach links gerichtet sind. Sie sind also gerade anders als die Hieroglyphen ausgerichtet, die dem Auge des Lesers immer entgegenblicken. Generell sind bei der Entlehnung von Schriftzeichen Drehungen und Spiegelungen gegenüber der Vorlage nichts Ungewöhnliches. Es hat den Anschein, als seien in manchen Fällen diese Veränderungen beabsichtigt, um die neue Schrift deutlich von der Quell-
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schrift abzuheben. Die anderthalb Jahrtausende jüngere meroitische Schrift schreibt die hieroglyphischen Zeichen ebenso „verkehrt“ herum wie die Byblos-Schrift. Der letzte, der die Byblos-Schrift entziffert zu haben glaubt, ist Jan Best in mehreren Arbeiten, die am Ende des Buches aufgelistet sind. Die Methodik seiner Arbeiten ist, vorsichtig gesagt, recht eigenwillig.20 1.7 Die ugaritische Schrift Diese Schrift gehört eigentlich nicht hierher, weil sie in Keilen geschrieben wurde und somit zu den von der mesopotamischen Keilschrift abhängigen Schriften gehört. Wir müssen sie dennoch hier erwähnen, weil sie ein Alphabet verwendet, das dem phönizischen eng verwandt ist. Die ugaritische Alphabetschrift wurde in der Stadt Ugarit (Ras Schamra) im Norden Syriens geschrieben und liegt uns nur aus der Zeit vom 15. bis zum 12. Jahrhundert v. Chr. vor (Zerstörung der Stadt um 1190). Es gibt die Schrift in zwei Formen; die wohl ältere hat 30 verschiedene Zeichen, die jüngere die gleichen 22 Zeichen wie die phönizische Schrift, und das sogar in der gleichen alphabetischen Folge. Das längere Alphabet hat u. a. ein eigenes Zeichen für den H-Laut X, dessen Fehlen in einem aus dem Ägyptischen abgeleiteten Schriftsystem eigentlich verwunderlich ist (vgl. Kapitel 7.1). Außerdem verfügt es über drei Zeichen für die Verbindung #a, #i und #u, was sehr dafür spricht, daß die Schrift von einer Silbenschrift abgeleitet ist. Weiteres in den Kapiteln 9 und 10.1.1. 1.8 Die protosinaitische Schrift Sie ist keine lineare Schrift aus abstrakten Zeichen, sondern besteht aus mehr oder weniger gut erkennbaren Bildzeichen. In dieser Schrift waren bis vor wenigen Jahren nur rund 30 kurze Inschriften aus dem südlichen Sinai bekannt, deren Datierung nicht gesichert ist. Nicht ganz unähnliche Zeichen sind auch aus wenigen Inschriften in Palästina bekannt, die man als protokanaanäische Schrift bezeichnet hat. Die in der Literatur geäußerten Vorschläge zur Datierung dieser Schriftzeugnisse schwanken zwischen dem 20. und dem 14. Jahrhundert v. Chr. Diese so schlecht bezeugte Schrift soll nach der gegenwärtigen Standardtheorie das Zwischenglied zwischen den ägyptischen Hieroglyphen und der phönizischen Schrift sein. Auf diese m. E. ganz ver-
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fehlte Theorie komme ich gleich in Kapitel 3 zurück. Der englische Ägyptologe Alan Gardiner21 hat vor fast 100 Jahren einen ersten Ansatz zu ihrer Entzifferung vorgeschlagen; er wollte ein Wort bEJT = B ‘ L T „Herrin“ in mehreren Inschriften erkennen. Nach Gardiner haben viele andere Forscher sich an der protosinaitischen Schrift versucht und diverse Entzifferungen der wenigen und kurzen Texte vorgeschlagen. Davon ist gar nichts allgemein anerkannt. Vor einigen Jahren wurden zwei Inschriften im Wadi el-Hôl (Südägypten) entdeckt, die vergleichbare Schriftzeichen aufweisen.22 Nach dem Fundort ist darauf zu schließen, daß sie um das Jahr 1800 v. Chr. geschrieben worden sind. Weiteres hierzu in Kapitel 3. Erwähnt werden soll, daß in letzter Zeit versucht worden ist, die Bezeichnung „proto-sinaitisch“ durch vielleicht passendere Ausdrücke zu ersetzen. Ich folge diesem Ansatz bewußt nicht, weil man einen seit 100 Jahren üblichen Begriff nicht durch einen anderen ersetzen kann, ohne Verwirrung zu schaffen.23 1.9 Die phönizische Schrift Die phönizische Schrift ist etwa vom 12. Jahrhundert v. Chr. im syrischpalästinensischen Raum belegt. Es ist eine lineare Schrift, bei der die einzelnen Zeichen nicht oder nur mit Phantasie als Bildzeichen zu erkennen sind und aus Linien, nicht Keilen bestehen. Die phönizische Schrift ist eine Buchstabenschrift aus 22 Konsonanten; Vokale bleiben unbezeichnet. Von dieser Schrift ist nach allgemeiner Ansicht die griechische Schrift und damit auch unsere lateinische Schrift abgeleitet. Auf sie gehen viele andere Alphabete zurück, u. a. das hebräische, das uns ebenso wie das griechische Alphabet die Namen der Buchstaben überliefert hat. 1.10 Die griechische Schrift Auch die griechische Schrift geht letztlich auf ägyptische Hieroglyphen zurück; darüber besteht inzwischen weitgehend Einigkeit in der Wissenschaft. Die meisten Autoren nehmen an, daß die Vermittlung über die phönizische Schrift etwa im 8. Jahrhundert v. Chr. oder etwas früher stattgefunden hat. Wo genau sie erfolgt ist, läßt sich bisher nicht sicher bestimmen. Sowohl phönizische Städte als auch die Insel Euböa wurden vorgeschlagen. Während die nordwest-semitischen Alphabetschriften beim Buchstaben Tau aufhören,
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hat die griechische Schrift einige weitere Zeichen (vgl. Kap. 7). Die griechische Schrift ist ursprünglich nicht ganz einheitlich, sondern gerade hinsichtlich der zusätzlichen Zeichen in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich. Nach einer von Adolf Kirchhoff 1887 eingeführten Terminologie unterscheidet man die einzelnen Alphabete mit Farben als blau, rot oder grün. Erst im 5. Jahrhundert v. Chr. erfolgte eine weitgehende Vereinheitlichung, die dann auch politisch beschlossen wurde. Bei der Arbeit an diesem Buch hat sich zur Überraschung des Autors herausgestellt, daß die Schrift auf einem anderen Weg nach Griechenland gekommen sein muß als bisher vermutet, weil nämlich die griechischen Buchstabennamen in einigen Fällen näher am ägyptischen Vorbild sind als die uns überlieferten hebräischen Namen (vgl. Kap. 4.4., 5.5, 5.10, 5.16, 5.20 und 9) und auch einige griechische Buchstabenformen kaum aus phönizischer Überlieferung erklärt werden können (vgl. Kap. 5.2). 1.11 Der „Schrifterfinder“ In manchen Büchern kann man lesen, ein einzelner Gelehrter habe die Alphabetschrift in einem genialen Moment erfunden. Ja man möchte dann an eine historische Person wie z. B. Moses denken. Antike Autoren nennen als Schrifterfinder Kadmos, Palamedes, Prometheus, Herakles, Phoinix, Orpheus, Linos und manche andere.24 Es gibt aber schlichtweg keinen einzigen konkreten Hinweis auf einen solchen Schrifterfinder. Ich selbst glaube nicht, daß die Entwicklung der Alphabetschrift auf eine einzelne Person zurückgeht, und halte entsprechende Vorstellungen für irgendwie romantisch. Gerade wegen gewisser Schwächen und diverser Spuren der Überarbeitung ist es mir sehr viel wahrscheinlicher, daß eine Kommission von Schriftgelehrten im Auftrag eines „Kultusministeriums“ bzw. eines Königs tätig geworden ist und eine Reform bewirkt hat, die auf eine kuriose Weise gescheitert ist und trotzdem, oder gerade deswegen, einen bleibenden Erfolg gehabt hat. Ich komme darauf zurück. Wenn ich trotzdem gelegentlich das Wort „Schrifterfinder“ benutze, so nur aus Bequemlichkeit. Eines steht aber fest: Wer immer das Alphabet ersonnen hat, war ein Semit mit guten, aber beschränkten Kenntnissen der ägyptischen Schrift. Dies läßt sich an mehreren Fehlern erkennen, die er in seine Erfindung eingebaut hat, s. dazu die Ausführungen zu Kap. 5.7 Zajin, 5.11 Kaph, 5.16 Ajin, 5.19 Qoph sowie zusammenfassend Kap. 6.3.
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1.12 Der Sign-Papyrus Dieser Papyrus im Britischen Museum25 ist das wichtigste Dokument in ägyptischer Sprache, das sich systematisch mit der Hieroglyphenschrift beschäftigt. Der Papyrus wurde 1884 bei der Ausgrabung eines in der Antike abgebrannten Hauses in Tanis26 im nördlichen Delta gefunden. Durch den Brand ist der Papyrus mit mehreren anderen Rollen in verkohltem Zustand erhalten. Generell haben Papyri die Jahrtausende nur in einem trockenen Klima überdauert oder wenn sie durch Verkohlung konserviert sind.27 Der Sign-Papyrus, der etwa im 1. Jahrhundert n. Chr. aufgeschrieben worden ist, aber ohne Zweifel auf älteren Quellen beruht,28 ist eine Tabelle der ägyptischen Hieroglyphen in sachlicher Reihenfolge, beginnend mit Zeichen von Menschen, dann Tieren, Planzen usw. In drei Kolumnen stehen nebeneinander a) die jeweilige Hieroglyphe, b) die hieratische Schreibung der Hieroglyphe, c) die Erklärung, was das Zeichen darstellt und wie es zu lesen ist. Diese dritte Spalte ist also sozusagen der Name des hieroglyphischen Zeichens. Sofern das Wort, von dem die betreffende Hieroglyphe ihren Lautwert erhalten hatte, zur Zeit der Niederschrift des Sign-Papyrus nicht mehr lebendig war, mußte der Schreiber auf ein anderes Wort zurückgreifen, das als Erklärung des Zeichens geeignet war. Auf dem Buchumschlag und auf Tafel 6 ist ein Fragment des verkohlten Sign-Papyrus in einer Montage abgebildet, in der der Abzeichnung von Griffith die natürliche Farbe und Struktur des Papyrus unterlegt wurde.29 Zwischen den senkrechten Strichen stehen untereinander verschiedene Hieroglyphen, links daneben die hieratische Schreibung der Hieroglyphen, und weiter links der Name der Hieroglyphen. In der ersten Zeile hat allerdings die Hieroglyphe des Hauses eine vereinfachte Form, die sich von der hieratischen Schreibung nur durch die Breite unterscheidet, vgl. Kap. 5.17. Solche Zeichenlisten muß es im Altertum in größerer Zahl gegeben haben. Erhalten und bekannt sind neben dem Sign-Papyrus zur Zeit nur zwei Papyri, nämlich ein spätzeitlicher Papyrus in der Carlsberg Sammlung Kopenhagen sowie ein paar Fragmente eines ramessidischen Papyrus in Turin.30 Die enorme Bedeutung, die dieser Papyrus für die Forschung über das Alphabet hat, scheint bisher nicht bemerkt worden zu sein. Er liefert an mehreren Stellen den Beweis für die hier vertretene Theorie über die Herkunft des Alphabets.
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2. DIE DISKUSSION ÜBER DIE HERKUNFT DES ALPHABETS Die Diskussion über die Entstehung des Alphabets, die bis zum heutigen Tage geführt wird, hat bereits im Altertum begonnen. Platon überliefert die Meinung der Ägypter, daß ihr Gott Thot die Schrift erfunden habe. Viele griechische und lateinische Autoren haben sich zur Frage der Schrift geäußert, ohne jedoch die Herkunft des Alphabets erklären zu können.31 In der modernen Wissenschaft herrscht weitgehend Übereinstimmung in der Meinung, daß die phönizische Schrift, von der sich indirekt auch unsere Schrift ableitet, die älteste lineare32 Alphabetschrift der Welt ist. Dagegen haben die Wissenschaftler viele verschiedene Schriften als Ursprung der alphabetischen Schriften ansehen wollen, so z. B. die Keilschrift in ihren verschiedenen Formen (sumerisch, babylonisch, assyrisch), die zyprische Silbenschrift, die hethitischen Hieroglyphen, die Linear-B-Schrift. Besonders verwegene Forscher haben gar unentzifferte Schriften in Anspruch genommen, so die Linear-A-Schrift und den unentzifferbaren Diskos von Phaistos. Wieder andere haben chronologische Probleme kühn übergangen und die ägyptische demotische Schrift zur Mutter des Alphabets gemacht oder gar – in politischer Zeitanpassung – diesen Ehrentitel den germanischen Runen zuerkennen wollen.33 Alle diese mehr oder weniger phantastischen Theorien haben sich überlebt, und es konkurrieren – soweit ich sehe – seit vielen Jahren nur noch zwei Meinungen, die in den folgenden Kapiteln diskutiert werden. Angesichts der scheinbaren Hoffnungslosigkeit, jemals zu einer überzeugenden Lösung des Problems zu kommen, haben sich verschiedentlich Stimmen erhoben, die die ganze Fragestellung für verfehlt erklären wollten. Hierzu ein bezeichnendes Zitat: „Es wird nämlich nie gelingen, Buchstabenerfindungen restlich zu klären, da es unmöglich ist, den Weg der Phantasie im Hirne des Erfinders zu rekonstruieren. Daher ist auch jeder Versuch, Buchstabenformen aus anderen Schriftsystemen abzuleiten, von vornherein abzulehnen, außer wenn der Lautwert gleichgeblieben ist.“34 Dieser Satz ist sicher übertrieben skeptisch und schon deshalb verkehrt, weil eine neue Schrift nicht notwendigerweise einem Erfinder verdankt werden muß, sondern in einem längeren Prozeß gleichsam „von allein“ gewachsen sein kann. Richtig und wichtig erscheint mir der letzte Nebensatz, nach dem eine Übereinstimmung der graphischen Form u n d des phonetischen Wertes bei der Ableitung von Schriften gefordert wird.
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3. DIE PROTOSINAITISCHE THEORIE Diejenige Theorie über die Herkunft der phönizischen Schrift, die zur Zeit am häufigsten in der Literatur vertreten wird, ist die „protosinaitische“ Theorie, die man geradezu als „Standardtheorie“ bezeichnen kann, denn sie erscheint in allen Lexika und den meisten Büchern, die sich mit dem Thema beschäftigen, jetzt auch auf sehr vielen Seiten im Internet. Die Theorie hat aber einige eklatante Schwächen, die von ihren Anhängern meistens diskret verschwiegen werden, hier aber genannt werden müssen. 3.1 Darstellung der Theorie Als der englische Ägyptologe Alan Gardiner sich anschickte, die hieroglyphischen Inschriften vom Sinai zu publizieren, wurde er auch mit einer Gruppe von Inschriften in einer rätselhaften, unentzifferten Schrift konfrontiert, die man jetzt meistens „protosinaitisch“ nennt. Gardiner bemerkte dabei, daß sich eine Gruppe von vier Zeichen in mehreren Texten wiederholt. Da diese vier Zeichen auch auf einer Sphinxfigur stehen, die auf einer Seite die hieroglyphische Inschrift „Geliebt von Hathor, der Herrin des Türkis“ trägt, versuchte Gardiner, in der protosinaitischen Inschrift eine Entsprechung zu einem der ägyptischen Wörter zu finden. Dieser Versuch drängte sich geradezu auf, weil es sich um den einzigen Fall handelt, in dem auf einem Objekt ägyptische Hieroglyphen neben bzw. über protosinaitischen Schriftzeichen stehen. Gardiner ging dabei von der Annahme aus, daß die protosinaitischen Zeichen von Semiten angebracht worden seien und entzifferte die vier Zeichen als B-o-L-v „Herrin“. Die phonetischen Werte wollte Gardiner aus den Anfangsbuchstaben jener semitischen Wörter ableiten, die anscheinend mit den Zeichen gemeint sind:
b E J T
= Haus = Auge = Strick = Zeichen
= Beth = oAjin = Lamed = Taw.
Dieser Vorschlag Gardiners, dessen hypothetischen Charakter der große Gelehrte deutlich betont hatte, wurde von der Fachwelt begeistert aufgenommen, schien doch in der proto-sinaitischen Schrift endlich die bislang
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fehlende Verbindung (missing link) zwischen den Hieroglyphen und der phönizischen Schrift gefunden zu sein. Einen entschiedenen, aber besonnenen Anhänger fand die Hypothese Gardiners in dem deutschen Ägyptologen Kurt Sethe. Leider waren zahlreiche andere Wissenschaftler weniger vorsichtig und publizierten die abenteuerlichsten „Entzifferungen“ und „Übersetzungen“ der protosinaitischen Inschriften. Zu erwähnen sind hier die Namen Robert Eisler, Romain F. Butin, Hubert Grimme, Joseph Leibovitch und auch William Foxwell Albright.35 Einige Arbeiten der genannten Autoren haben durchaus wissenschaftliche Verdienste, doch lassen sie überwiegend die Vorsicht vermissen, die Gardiner im Schlußsatz seines grundlegenden Aufsatzes von 1916 so formuliert hat: „Further speculation as to details is hardly likeley to prove fruitful in the lack of more decisive evidence.“ (Weitere Spekulation über Details wird sich schwerlich als nützlich erweisen, solange Zeugnisse von größerer Klarheit fehlen.)
3.2 Die Schwächen der protosinaitischen Theorie 3.2.1 Auch wenn noch so oft das Gegenteil behauptet wird, ist die protosinaitische Schrift bis heute nicht wirklich entziffert. Selbst Gardiner hat immer nur seine Identifizierung von vier Konsonanten als für einigermaßen gesichert gehalten. Alle weiter gehenden Entzifferungsvorschläge von Gelehrten wie Grimme, Leibovitch, auch Albright und neuerdings Colless sind ganz und gar ungesichert und sehr wahrscheinlich weitgehend, wenn nicht total irrig. Besonnene Stimmen warnen zwar immer wieder, doch kommen diese in den mehr populärwissenschaftlichen Büchern und in den Lexika kaum zu Wort. Ich zitiere nur einen Satz aus dem Buch „Geschichte der Schrift“ von Johannes Friedrich, das immer noch eines der besten zum Thema ist: „Auch der etwaige Anteil der Sinai-Schrift an der Entwicklung der Buchstabenschrift, wenn auch nicht als deren Vorstufe und Bindeglied zur ägyptischen Schrift, so doch als eine ältere Seitenverwandte, läßt sich bei der Unsicherheit ihrer Entzifferung und Lesung gar nicht bestimmen.“36 Noch schärfer hat Hans Bauer seinen Widerspruch eingelegt: „Die zweite Alternative gilt für die Sinaischrift. Man kann von ihr ... keinen einzigen Buchstaben mit Sicherheit lesen. Auch die als Ba‘lat gedeutete Gruppe kann ... etwas ganz anderes besagen.“37 Und noch deutlicher formuliert der gleiche Gelehrte: „Man wird sich in einer späteren Zeit über die Leichtgläubigkeit wundern, mit der sich
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ernste Gelehrte von dem Trugbild der Sinaischrift als Urbild unserer Schrift haben gefangen nehmen lassen.“38 Man braucht übrigens nur einmal die „Entzifferungen“ für ein und dieselbe Inschrift anzusehen, um zu erkennen, daß hier unendlich viel phantasiert und auch unredlich veröffentlicht worden ist. Als Beispiel gebe ich die Vorschläge zur Sinai-Inschrift 349. Butin (1928): „(1) M-š, (2) Oberhaupt der Stelenerrichter, (3) hat diesen Libationsaltar errichtet, (4) Stehe auf, jetzt, o Baalt ... (5) der Bruder des Prinzen (deines Dieners) ... (6) M-š ... (7) -š ...“39 Grimme (1929): „(1) Ich (bin) Hatšepšu-mš (2) Oberer der (Edel-) Steinarbeiter (3) Oberaufseher der Wiese(?) der Mana (?) auf Sinai (?)“. (4) [Ich seufzte:?] Es ist vergeblich! Gebt mir (neues) Leben! (5) [Und] du berührtest mich ... (6) und ich bin gerettet von (7) meinen Sünden.“40 Albright (1969): „(1) Du o Opferer, (2) Ober-Bergarbeiter, ein Opfer, (3) bereite es vor Baalt, (4) im Namen von Ahena. O Opferer, ein (5) Opfer eines wilden Schafes. Im Namen seines Sohnes, (6) [Elya]tu’ (?), gi[b, o Opfer]er, (7) ein wildes Schaf für [Baalt(?)]“ 41 van den Branden (1979): „(1) Ich bin vSo (2) Chef der Bildhauer. Ein Opfer eines (3) Kuchens von ’Il... (4) für die Freundschaft der Brüder und für ... (5) der Schwestern ... (6) die Expedition ... (7) ich gemacht habe ...“.42 Colless (1990): „(1) (Das ist?) die Ausrüstung (2) des Chefs der Präfekten Mš. (3) Der Apparat für die Arbeit (4) ... Brüder (5) zehn Gefangene (6) Männer aus A[rwad] (7) ...“.43 Ich glaube, hier erübrigt sich jede weitere Kommentierung. Man kann nur mit Grimme seufzen: „Es ist vergeblich!“ Das Interesse an dieser merkwürdigen Schrift ist vor wenigen Jahren dadurch neu entfacht worden, daß die amerikanischen Ägyptologen John und Deborah Darnell 1999 an ganz unerwarteter Stelle, nämlich im Wadi el-Hôl (westlich von Luxor), eine zuvor unbekannte Inschrift entdeckt haben, die ganz ähnliche Zeichen wie die protosinaitische Schrift aufweist. Diese Inschrift besteht aus einer waagerechten Zeile mit 16 Zeichen und einer senkrechten Zeile mit 12 Zeichen und kann als der längste und am besten erhaltene Zeuge dieser Schrift gelten. Man hätte erwarten können, daß der neue Text die vermutete Entzifferung der protosinaitischen Schrift bestätigt. Das ist nicht der Fall, denn eine überzeugende Deutung ist bisher nicht gelungen.44 Die Zweifel an der Entzifferung werden durch den neuen Text jedenfalls nicht verringert, ja
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wenn man streng urteilt, könnte man ihn sogar für einen Beweis gegen die Entzifferung der Schrift halten. 3.2.2 Der Ansatz zur Erklärung der protosinaitischen Schriftzeichen ist in sich ziemlich kompliziert. Der vermutlich semitische Schrifterfinder soll eine ägyptische Hieroglyphe ausgewählt haben und diese nicht ägyptisch, sondern in seiner Muttersprache benannt und von diesem Namen den ersten Buchstaben als Lautwert für das Zeichen festgesetzt haben. Eine ägyptische Hieroglyphe für ein Haus bekommt also den Wert „B“, weil Haus in semitischen Sprachen „Beth“ heißt, so wie der Buchstabenname Beth. Ein Rinderkopf muß dann natürlich ein Aleph sein, weil hebräisch Äläph „Rind“ heißt, usw. Ich will nicht bestreiten, daß man eine Schrift auf diese Weise „erfinden“ kann. Sehr viel näher liegt aber, was im Altertum oft belegt ist, daß man bei der Übernahme von Zeichenformen aus einer fremden Schrift zugleich auch deren Lautwerte übernimmt, so wie es die Griechen ja auch mit der phönizischen Schrift oder ihrem Vorläufer gemacht haben. Sonst hätten die Griechen z. B. aus dem Beth ein o machen müssen, weil oikos, ein griechisches Wort für „Haus“, mit o beginnt. Aber aus Ajin wäre dann auch ein o geworden, weil „Auge“ ophthalmos heißt. Auf diese Weise hätten sie nie und nimmer eine für ihre Sprache brauchbare Sammlung von Schriftzeichen bekommen, eben kein „Alpha-bet“, sondern ein „Bous-oikos“ oder etwas ähnlich Unsinniges. Noch etwas ist zu bedenken, was die Vertreter der Standardtheorie verschweigen: Die Ägypter hatten schon im 3. Jahrtausend vor der Aufgabe gestanden, fremde Namen und Wörter mit Hieroglyphen so zu schreiben, daß auch deren Vokalisation wenigstens näherungsweise erkennbar wurde. Dafür wählten sie bestimmte Zeichen und Zeichengruppen in der sogenannten „Gruppenschrift“ oder „syllabischen Schrift“ aus. Dem „Erfinder“ der protosinaitischen Schrift stand also eine feste Auswahl von Zeichen zur Verfügung, mit denen semitische Namen und Wörter geschrieben werden konnten und die dem semitischen Lautsystem entsprachen. Hätte er bei der Übernahme bestimmter Zeichen deren Lautwert geändert, wäre das ganze gut ausgedachte System in sich zusammengebrochen und es hätten womöglich für manche Laute gar keine Zeichen zur Verfügung gestanden! 3.2.3 Die graphische Verbindung zwischen Hieroglyphen und protosinaitischen Zeichen einerseits und zwischen den protosinaitischen und den phönizischen Zeichen andrerseits ist in vielen Fällen überhaupt nicht nachvollzieh-
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bar. Das phönizische Zeichen Beth sieht nun wirklich nicht wie ein Haus aus, und niemand würde einen Mund wie das phönizische Pe zeichnen. Es ist eben andersherum: Die Buchstabennamen sind ägyptische Wörter, die nur zufällig in einigen Fällen wie semitische Wörter klingen, wie beth „Haus“ und pe „Mund“. Andere Buchstabennamen wie Daleth und Nun lassen aber keine direkte Deutung aus semitischen Sprachen zu. Die gelehrten Anhänger der Standardtheorie haben in diesen Fällen zu mancherlei Hilfskonstruktionen gegriffen, deren Phantasie alle Anerkennung verdient.45 3.2.4 Die Standardtheorie behauptet, daß die uns in hebräischer (und griechischer) Form überlieferten Buchstabennamen semitische Wörter sind, deren Anfangsbuchstaben den Lautwert der Zeichen bestimmt hätten. Diese Behauptung klingt bei manchen Buchstabennamen überzeugend, wie z. B. bei Beth = „Haus“ oder Jod = „Hand“, auch wenn man teilweise eine Abweichung der Vokalisierung akzeptieren muß. Schwerer wiegt der Einwand, daß nur etwa die Hälfte der Buchstabennamen auf diese Weise erklärbar ist. Manche hebräische Buchstabennamen lassen sich gar nicht mit einem semitischen Wort in Verbindung bringen, bei anderen ist die vorgeschlagene Verbindung problematisch. So soll etwa der Buchstabenname Waw auf ein hebräisch überliefertes Wort Waw = Nagel (oder Haken) zurückgehen. Aber es gibt gar kein allgemeingültiges hebräisches Wort Waw mit der Bedeutung „Haken“. Alle Stellen im Alten Testament, wo dieses Wort vorkommt, beziehen sich ausschließlich auf einen Haken oder etwas ähnliches, an dem der Vorhang der Stiftshütte aufgehängt wurde. Der Haken heißt also wahrscheinlich nur deshalb Waw, weil er wie der Buchstabe Waw aussah – so wie wir von einem T-Träger oder einer S-Kurve sprechen. 3.2.5 Gar keine Erklärung weiß die Standardtheorie für die Abweichung der griechischen Buchstabennamen von den semitischen. Warum heißt Reš auf griechisch Rho, warum Zajin auf griechisch Zeta usw., vgl. hierzu Kapitel 4.4. Aus all diesen Einwänden ergibt sich der Schluß, daß die „Standardtheorie“ über die Herkunft des Alphabets alles andere als gesichert ist. Es besteht daher jede Berechtigung, einen anderen Weg zu suchen.
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4. DIE HIERATISCHE THEORIE Die an sich sehr naheliegende Idee, daß die „lineare“ phönizische Schrift von der ägyptischen hieratischen Schrift abgeleitet ist, die im Vergleich zur Hieroglyphenschrift ebenfalls eher linear erscheint, weil sie die ursprünglichen Bildzeichen kaum noch erkennen läßt, wurde von dem französischen Ägyptologen Emmanuel de Rougé bereits im Jahre 1859 geäußert.46
4.1 Darstellung der Theorie Nach der Theorie von de Rougé sind die phönizischen Schriftzeichen unmittelbar aus Zeichen der hieratischen Schrift in Form und Lautung abgeleitet. Dieser Theorie haben sich einige andere Gelehrte angeschlossen, so besonders Heinrich Brugsch,47 Pierre Montet,48 Alexis Mallon,49 Wolfgang Helck50 sowie der Verfasser dieses Buches in mehreren Aufsätzen.51 Seit man weiß, daß auf manchen hebräischen Ostraka und Gewichten die Zahlzeichen in ägyptisch-hieratischer Schrift geschrieben sind,52 hätte man eigentlich auf die hieratische Theorie zurückkommen müssen. Daß trotzdem die protosinaitische Theorie bis jetzt ihre vorherrschende Stellung behalten konnte, liegt nicht nur an dem bekannten Beharrungsvermögen von Lehrmeinungen,53 sondern auch an einer klar erkennbaren Schwäche der hieratischen Theorie.
4.2 Die Schwäche der hieratischen Theorie Der Schwachpunkt besteht in dem außerordentlich großen Zeichenvorrat der hieratischen Schrift, der es erlaubt, viele äußerliche Ähnlichkeiten zwischen bestimmten hieratischen und phönizischen Schriftzeichen zu sehen. Zwar stimmen alle Anhänger der Theorie bei ein paar Zeichen überein, bei anderen Zeichen gibt es jedoch mehrere konkurrierende Vorschläge, so daß hier der Eindruck der Willkür entsteht, vgl. Anhang 1. Auch haben die Vertreter dieser Theorie manchmal die graphischen Möglichkeiten überschätzt. Eine so eindeutig festgelegte geometrische Form wie ein Kreis, also wie das phönizische Ajin und das griechische Omikron, kann kaum ein anderes Vorbild haben als eben wieder einen Kreis. Merkwürdigerweise hat bisher noch niemand gesehen, daß daher nur ein einziges ägyptisches Wort den phönizischen Buchstaben produziert haben kann, nämlich eines, das „Ring“ bedeutet und
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mit einem Ajin beginnt. Dieses Wort heißt ow mit einer Nebenform owow, wie später ausführlich zu erörtern ist.54 Um nun den Vorrat der hieratischen Zeichen, die als Vorbilder für phönizische Schriftzeichen gedient haben könnten, einzuengen, sind zwei neue Gesichtspunkte vorgeschlagen worden, einer von dem früheren Hamburger Ordinarius für Ägyptologie Wolfgang Helck (1914–1993), der andere vom Autor dieses Buches. Helck55 meinte, daß nur solche Zeichen ausgewählt worden seien, die in der ägyptischen Schrift üblicherweise bei der Wiedergabe fremder Wörter und Namen wie Silbenzeichen (in der sogenannten syllabischen Schrift) verwendet wurden. Ich halte diesen Ansatz für richtig und stimme mit mehreren konkreten Vorschlägen Helcks überein; bei anderen habe ich aber Gegenvorschläge. 4.3 Die Theorie des Verfassers Meine eigene Theorie, die ich erstmals 1973 kurz skizziert56 und in mehreren Aufsätzen weiter ausgebaut habe, hat den großen Vorzug, geradezu verblüffend einfach zu sein. Ich behaupte nämlich, daß die überlieferten semitischen und griechischen Buchstabennamen nichts anderes sind als die ägyptischen Namen der gewählten Hieroglyphen. Natürlich haben das andere vor mir auch schon gedacht, jedenfalls bei einigen Zeichen wie Rho und My. Systematisch auf das ganze Alphabet hat diesen Ansatz meines Wissens nur der Schriftpädagoge Wilhelm Weidmüller angewandt.57 Da ihm aber gründliche ägyptologische Kenntnisse fehlten, hat er sich in vielen Fällen geirrt. Außerdem hat er seine Beiträge außerhalb der bekannten Fachzeitschriften veröffentlicht, so daß sie weitgehend unbemerkt geblieben sind.58 Der Autor dieses Buches geht davon aus, daß der „Schrifterfinder“ eine Vorlage wie den Sign-Papyrus59 benutzt hat. Aus dessen erster Spalte hat er sich vorwiegend Zeichen der Struktur Konsonant + Vokal + schwacher Konsonant ausgesucht, also Zeichen, wie sie vornehmlich in der eben erwähnten Silbenschrift verwendet wurden. Aus der zweiten Kolumne hat er die hieratische Schreibung als graphische Form seines Buchstabens übernommen, und die dritte Spalte hat ihm den Namen für das Zeichen geliefert, den er transkribiert oder auch ganz oder teilweise ins Semitische übersetzt hat. Nun ist zwar der Sign-Papyrus erst im 1. Jh. n. Chr. geschrieben worden, aber man darf ohne Bedenken annehmen, daß es ähnliche Zusammenstellungen schon im 2. Jahrtausend v. Chr. gegeben hat und daß der Sign-Papyrus auf
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einer wesentlich älteren Vorlage beruht, die uns nicht erhalten ist.60 Die Tradierung von religiösen, literarischen und wissenschaftlichen Texten über viele Jahrhunderte, ja über Jahrtausende hinweg, war in Ägypten die Regel, für die wir ständig neue Beweise finden. 4.4 Unterschiede der hebräischen und griechischen Buchstabennamen Die Namen der Buchstaben sind uns in hebräischer Form aus dem Alten Testament überliefert, weil der Psalm 119 nach dem Alphabet gegliedert ist und jeweils acht Verse mit den Buchstabenamen von Alpha bis Taw beginnen läßt.61 Die griechische Übersetzung der Septuaginta überliefert ziemlich genau die hebräische Form der Buchstabennamen (alph, bêth, gimel, delth, ê, ouaou usw.). Ähnlich genau gibt auch die lateinische Übersetzung der Bibel durch Hieronymus (347–420) die hebräischen Namen wieder (aleph, beth, gimel, daleth, he, vau usw.). Die uns bekannten griechischen Namen der Buchstaben, wie sie in jedem Lehrbuch der griechischen Sprache stehen, sind bei verschiedenen antiken Autoren notiert.62 Die folgende Liste stellt die hebräischen und die griechischen Buchstabennamen nebeneinander, um deren Unterschiede deutlich zu machen. a) Der auffallendste Unterschied ist der, daß die griechischen Namen in vielen Fällen mit einem a enden, das in den hebräischen Namen fehlt. Es ist zur Zeit nicht geklärt, woher dieses Alpha kommt, ob es auf ein semitisches Vorbild zurückgeht oder auf einer innergriechischen Entwicklung beruht. Da jedoch griechische Wörter nur mit einem Vokal oder einem der Konsonanten Ny, Chi, Rho und Sigma enden können, ist es recht wahrscheinlich, daß die Anfügung einer Endung -a auf den Erfordernissen der griechischen Sprache beruht. Bei den Buchstaben Gamma, Kappa, Qoppa und anscheinend auch Sigma wird zur Wahrung des geschlossenen63 Charakters der vorhergehenden Silbe deren Schlußkonsonant vor der Endung -a verdoppelt. b) In mehreren Fällen zeigen die griechischen Buchstaben griechische Zusätze (mikron = klein, mega = groß, psilon = „beraubt“), die später diskutiert werden. c) Die interessantesten Unterschiede in den Buchstabennamen sind diejenigen, für die keine Erklärung auf der Hand liegt, nämlich Gimel/Gamma, Zajin/Zeta, Mem/My, Nun/Ny, Samekh/Chi und Reš/Rho. Hinsichtlich dieser Unterschiede ist die bisherige Theorie zur Herkunft des Alphabets mehr oder
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weniger ratlos,64 während die Theorie des Verfassers für alle Fälle begründete Vorschläge machen kann. Hebräisch 1. Aleph
Umschrift Griechisch ohne Vokale אָלֶף
#lp
ἄλφα
Umschrift Endung Alph a
2. Beth
בֵית
Bjt
βῆτα
3. Gimel
גִמֶל
Gml
γάμμα / γέμμα
Bet a
4. Daleth
דָ לֶת
Dlt
δέλτα
5. He
ֵהא
H#
ἔ ψιλόν
6. Waw
ָוו
Ww
ϝαῦ
Bau (Digamma)
7. Zajin
זַי ִן
Zjn
ζῆτα
Zet a
8. "eth
חֵית
"jt
ἦτα
9. ˝eth
טֵית
˝jt
θῆτα
Thet a
10. Jod
יוֹד
Jwd
ἰῶτα
Jot a
κάππα
Gam/Gem ma Delt a E psilon
Et a
11. Kaph
כַף
Kp
12. Lamed
ָלמֶד
Lmd
13. Mem
מֵם
Mm
μῦ / μῶ
14. Nun
נוּן
Nwn
νῦ
Ny
15. Samekh
ָס ֶמך
Smk
ξεῖ
Xi
16. Àjin
ַעי ִן
‘jn
οὔ / ὄ μικρόν
O mikron
λάμβδα / λάβδα
Kap pa La(m)bd a My/mo
17. Pe (Fe)
פֵּא
P#
πεῖ
18. Êadê
צָדֵ י
Êdj
σαδη
Sade
19. Qoph
קוֹף
Qwp
ϙόππα
Qop pa
20. Reš
ֵרישׁ
Rjš
ῥῶ
Rho
שִׁין/שׁין ִ
Sjn/Cjn
22. Taw
תָ ו
Tw
–
–
–
ὒ ψιλόν
–
–
–
φεῖ
Phi
–
–
–
χεῖ
Chi
–
–
–
ψεῖ
Psi
–
–
–
ὦ μέγα
21. cin/Cin
σῖγμα ταῦ
Pi
San/Sigm a Tau Y psilon
O mega
Zu der Vokalisation der hebräischen Buchstabennamen ist zu sagen, daß sie eigentlich ein Anachronismus ist, ein Verstoß gegen die Geschichte. Die Pünktchen und Striche unter, in oder über den Buchstaben, die die Vokale
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bezeichnen, wurden erst von jüdischen Schriftgelehrten, den Masoreten, nach 500 nach Chr. eingeführt. Die nordwestsemitischen Linearschriften (Phönizisch, Hebräisch, Aramäisch u. a.) hatten, im Gegensatz zur Keilschrift und der griechischen Schrift, keine Möglichkeit, Vokale darzustellen. (Abgesehen von den sogenannten Plene-Schreibungen [„Voll“-Schreibungen], in denen bestimmte Konsonanten bestimmte Vokale als matres lectionis [„LesungsMütter“] andeuten.)
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5. VON ALEPH – ALPHA BIS TAW – TAU In diesem Kapitel werden die neuen Vorschläge zur Herleitung der 22 Buchstaben des phönizischen Alphabets und der Buchstabennamen in ihrer semitischen und griechischen Überlieferung zusammengestellt. Eine Auseinandersetzung mit den früheren Vorschlägen von de Rougé, Brugsch, Mallon, Weidmüller und anderen Autoren erscheint mir entbehrlich, doch sind diese in einer Tabelle im Anhang 1 zusammengestellt. Damit auch Leser ohne Kenntnis der griechischen, hebräischen und koptischen Schrift den Ausführungen folgen können, ist den fremden Schriftzeichen stets deren Umschrift in lateinischen Lettern beigegeben und von ihnen durch einen Schrägstrich getrennt. Die Anordnung folgt dem Alphabet. Die Entdeckung der Zusammenhänge ist natürlich zeitlich ganz anders verlaufen. Wer daran interessiert ist, kann es in meinen Arbeiten zum Thema seit 1973 verfolgen.
5.1 Aleph – Alpha Der erste Buchstabe des Alphabets ist zugleich der letzte, für den mir bei meinen Untersuchungen eine Möglichkeit eingefallen ist, die unter den genannten Voraussetzungen eine Ableitung der Form und des Namens aus dem Ägyptischen erlaubt. Es ist kein Wunder, daß gerade dieser Buchstabe solche Schwierigkeiten gemacht hat. Sein Name widersetzt sich zunächst allen Versuchen, ihn von einem ägyptischen Wort herzuleiten, scheint dagegen aber sehr gut zu dem semitischen Wort אלף/ 3lp „Rind“ zu passen. Da die frühe phönizische Form des Buchstabens Aleph mit ein wenig Phantasie als Rinderkopf angesehen werden kann und da die protosinaitische Schrift über einen Rinderkopf Averfügt, gilt Aleph allen Anhängern der alten Alphabettheorie als ein besonders beweiskräftiges Argument. Der erste Buchstabe des Alphabets hat für die Anhänger der hieratischen Theorie eine merkwürdig ambivalente Rolle gespielt. Einerseits bestand nämlich von Anfang an darüber Einigkeit, daß als graphische Quelle des Aleph nur die hieratische Schreibung der Hieroglyphe „Mann mit Hand am Mund“ (A2) in Frage kommt, allenfalls die Hieroglyphe „Mann mit ausgestreckter Hand“ (A26).
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Hieroglyphe (A2)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Andrerseits ist es bisher nicht gelungen, für den Namen des Buchstabens eine befriedigende Erklärung zu geben, obwohl Wilhelm Weidmüller der Lösung als Abkürbereits sehr nahe war. Weidmüller65 wollte die Hieroglyphe zung für die ägyptische Formel |.n=f = „sagte er“ auffassen und dies in hebräisch #lp wiederfinden, da die Laute n und l eng verwandt sind. Gegen diesen Vorschlag, der wohl nirgends Zustimmung gefunden hat, bestehen ein phonetischer und ein sachlicher Einwand. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum der Schrifterfinder ein ägyptisches n mit l wiedergegeben haben sollte, wenn ihm doch ein n (Nun) zur Verfügung stand. Entscheidend ist aber, daß eine Verbalform |.n=f niemals mit der genannten Hieroglyphe abgekürzt wird und als Erklärung für diese nicht geeignet ist. Die Zeichenerklärungen im Sign-Papyrus, d. h. die Namen der Hieroglyphen, werden niemals mit Verbformen, sondern immer mit Nomina (Substantiven, Adjektiven) gegeben. Trotzdem ist Weidmüllers Vorschlag zum Teil richtig. Wenn nämlich, wie sich im ganzen Alphabet zeigt, der Schrifterfinder ein ägyptisches Aleph regelmäßig mit Jod transkribiert hat, sollte man erwarten, daß sein Aleph auf ein ägyptisches Jod zurückgeht. Die Suche nach einem ägyptischen Wort, das mit Jod beginnt und irgendwie mit der Hieroglyphe „Mann mit Hand am Mund“ in Verbindung zu bringen ist, führt zwangsweise zu eben jenem Verb | „sprechen“, das Weidmüller benutzt. Hierzu ist auch ein Nomen | „Ausspruch“ bekannt, das zwar nicht im großen Wörterbuch (im folgenden: Wb) der ägyptischen Sprache von Erman und Grapow steht – und deswegen auch für Weidmüller unbekannt blieb –, aber bei Faulkner (Concise Dictionary of Middle Egyptian, 1962, S. 7) nachgewiesen ist. Eine Entsprechung ägyptisch |(...) > hebräisch #(lp) ist sehr gut denkbar, aber die weiteren Laute im semitischen Buchstabennamen blieben auch dem Verfasser dieses Buches sehr lange unerklärbar – bis er sich schließlich darauf besann, daß der Schrifterfinder von den ägyptischen Namen der Hieroglyphen nur jene Teile transkribiert hat, die er zur Wahrung des akrophonischen Prinzips66 nicht verändern durfte. Alle anderen Bestandteile der ägyptischen Zeichenerklärungen hat er ins Semitische übersetzt (man vergleiche hierzu die Ausführungen zu Gimel, ReS, Samekh u. a.). Wenn man nun (#-)l-p im semitischen Buchstabennamen als Übersetzung aus dem Ägyptischen ansieht, dann liegt die Erklärung auf
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der Hand: „zum (l) Munde (pe)“. Bei Rückübertragung ins Ägyptische ergibt sich zwanglos: ägyptisch |-n-r# > hebräisch #-l-p. Den ägyptischen Ausdruck wird man allerdings eher mit „Ausspruch des Mundes“ übersetzen (indirekter Genetiv). Die hebräische Bezeichnung entspricht dem genau, da die Präposition l auch eine genetivische Kraft hat. Leider ist der Sign-Papyrus an der entscheidenden Stelle (Kol. III.6) stark beschädigt: . Man erkennt zwar deutlich die Hieroglyphe „Mann mit Hand am Mund“ und die hieratische Schreibung danach (links), doch die Erklärung in der dritten Kolumne ist beschädigt und ganz fraglich. Griffith wollte sie als „person eating, speaking“ verstehen, doch ist dies schwerlich korrekt, wie ein Vergleich mit Kol. I.2 zeigt. Die hier geforderte Verbindung |-n-r# „Ausspruch des Mundes“ ist, soviel ich weiß, bisher nicht nachweisbar, es sei denn, man will die im Neuen Reich oft am Anfang von Dokumenten stehende Gruppe so lesen, welche etwas wie „Wortlaut“ zu bedeuten scheint. Da diese Einleitung von Dokumenten auch wie und geschrieben wird, ist eine Lesung als |-n-r# sehr verführerisch, aber zur Zeit nicht beweisbar. Aus den bisherigen Vorschlägen zur Lesung des Wortes hat sich in letzter Zeit eine Lesung sX# oder Xrw durchgesetzt.67 Es sei noch erwähnt, daß die meroitische Schrift einen Buchstaben i #(a) hat, der auf die Hieroglyphe zurückgeht, welche alternativ zum Determinativ „Mann mit Hand am Mund“ im diskutierten Wort | „Ausspruch“ gebraucht wird. Diese Hieroglyphe steht auch im Sign-Papyrus (Kol. I.10) und hat tatsächlich die Erklärung | („Ausspruch“):
Wenn das ägyptische Wort „Ausspruch/Wort“ am Anfang des Alphabets steht, ist das natürlich viel sinnvoller als ein „Ochsenkopf“. Man denkt dann gleich an den Prolog des Johannes-Evangeliums „Im Anfang war das Wort“. Das kann zwar ein Zufall sein, aber es ist durchaus vorstellbar, daß dem Ver-
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fasser des Johannes-Evangeliums eine Information über die ursprüngliche Bedeutung des ersten Buchstabens des phönizischen > griechischen Alphabets zugänglich war, die er für den Prolog benutzt hat. Der Prolog des Johannes-Evangeliums ist bekanntlich ein dunkler Text, über den es eine ausgedehnte theologische Diskussion gibt und der seine wichtigste literarische Rezeption in Fausts Monolog gefunden hat: „Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort. Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?“68 Wenn, wie später diskutiert werden wird, das Ypsilon tatsächlich ebenfalls auf ein Wort „Ausspruch“ (Hw) zurückgehen sollte, wäre dies eine kräftige Stütze für die Annahme einer sinnvollen Anordnung der Zeichen des Alphabets. Abschließend noch eine Bemerkung zur Drehung des Schriftzeichens in der griechischen Schrift. Anscheinend haben die Griechen die beiden gleichlangen Striche des für sie abstrakten Zeichens deswegen „auf den Boden gestellt“, um das Zeichen optisch zu stabilisieren. Die gleiche Tendenz kann man auch bei vielen anderen Buchstaben beobachten, wodurch griechische Inschriften recht bald eine große Ausgewogenheit und ästhetische Eleganz erreichen, die phönizische Inschriften selten aufweisen. 5.2 Beth – Beta Der Buchstabenname Beta soll nach der alten Theorie über die Herkunft des Alphabets natürlich „Haus“ bedeuten, weil im Hebräischen eben Beth „Haus“ heißt. Das Problem dabei ist nur, daß die phönizische Buchstabenform kaum eine Ähnlichkeit mit einem Haus erkennen läßt. Wenn wir entsprechend der hier vertretenen Theorie nach einer passenden Hieroglyphe der Konstruktion b/w69 + schwacher Konsonant oder m/n/r/l suchen, finden wir leicht das Zweikonsonantenzeichen w#.t, das in den verschiedenen Schriften so aussieht: Hieroglyphe (V4)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Es läßt sich, wie ich meine, eine hinreichende Ähnlichkeit zu ältesten Formen des semitischen Beth erkennnen, allerdings nur mit einer Schlinge und in vertikaler Spiegelung (vgl. Kap. 6.4). Der griechiche Buchstabe dagegen ist mit der hieratischen Schreibung der Schlinge fast identisch.
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Es empfiehlt sich manchmal, einen Blick auf die paläographische Entwicklung einzelner Zeichen zu werfen, weil dieser zeigt, was den Ägyptern selbst als wesentlich an bestimmten Schriftzeichen erschien. In unserem Falle ist der Blick auf die späteren Schreibungen der Schlinge V4 geradezu verblüffend, da eine graphische Identität zwischen den späten hieratischen Formen (1000 v. Chr.–2. Jh. n. Chr.) und den frühen griechischen Formen besteht.
(Kopie aus Möller, Hieratische Paläographie, Band III, Nr. 524)
Auch der Buchstabenname läßt sich leicht als Umschrift erklären. Das Zeichen (V4), das eine Schnur darstellt, war in der dritten Spalte der vermuteten Vorlage als w#.t („Schnur, Band“, Wb I, 244)70 erklärt. Diese Erklärung hat der Schrifterfinder als bjt transkribiert. An dieser Umschrift ist dreierlei bemerkenswert und teilweise für die weiteren Buchstaben des Alphabets wichtig: a) Der Buchstabe Beth, der in der hebräischen Sprache als /b/ oder /w/ realisiert wird, geht auf einen ägyptischen Konsonanten w zurück. b) Das Aleph im ägyptischen Wort w#.t hat der Schrifterfinder hier und regelmäßig bei allen Buchstaben des Alphabets mit Jod transkribiert. c) Die feminine Endung des ägyptischen Wortes, die längst nicht mehr gesprochen, aber in der Regel geschrieben wurde, hat der Schrifterfinder immer in den Buchstabennamen integriert, d. h. es liegt eine gelehrte Transkription der Schreibung, nicht der Aussprache, vor. Die vermutlich entsprechende Stelle im Sign-Papyrus (Kol. VI.5) hat leider nur den Namen des Zeichens erhalten: . Griffith transkribiert dies als und liest w#r „measuring line“ (= Wb I, 252.3–8: Schnur, Strick). Nun ist aber die dritte Hieroglyphe in ihrer hieratischen Schreibung so klein, daß die Lesung r durchaus in Zweifel gezogen werden kann. Einer Lesung als t steht nichts im Wege, so daß die Stelle sehr wahrscheinlich genau die oben theoretisch geforderte Erklärung w#.t „Schnur, Band“ (Wb I, 244.4–5) enthält. Der griechische Buchstabenname unterscheidet sich vom semitischen nur durch die Hinzufügung des Alphas am Ende, durch die eine konsonantische
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Endung vermieden wird. Tatsächlich enden ja alle griechischen Buchstabennamen vokalisch, wenn man von den Zusätzen psilon (Epsilon, Ypsilon) und mikron (Omikron) absieht. Über die ursprüngliche Vokalisierung des ägyptischen Wortes ist bisher keine Aussage möglich, weil es sich nicht bis ins Koptische erhalten hat. Aufgrund des griechischen Buchstabennamens läßt sich aber vermuten, daß ein Wort wū#.t zugrunde liegt (s. Kap. 6.2). Noch etwas läßt sich über die unterschiedliche phönizische und griechische Schreibung des Buchstabens erkennen. Nach allen mir vorliegenden Tabellen über die ältesten Buchstabenformen71 hat das phönizische Beth regelmäßig nur einen Bogen, das griechische Beta aber immer zwei Bogen wie unser B. Es ist eigentlich ausgeschlossen, daß sich die griechische Buchstabenform aus der phönizischen enwickelt haben kann, d. h. die griechische Form geht auf ein anderes Vorbild als die phönizische zurück. In Möllers Werk Hieratische Paläographie (Nr. 524) sieht man, daß der Ansatz zum unteren Bogen bei der hieratischen w#.t-Schlinge zwar schon lange vorhanden ist, daß er aber erst ab dem 11. Jahrhundert nach innen zum vollen Bogen gekrümmt wird. Anders gesagt: Die phönizische Form geht auf ein Vorbild etwa des 13. Jahrhunderts zurück, die griechische auf ein Vorbild, das erst ab dem 11. Jahrhundert möglich ist. Im weiteren Verlauf der Untersuchung werden wir auf andere Punkte stoßen, die der Annahme widersprechen, daß das griechische Alphabet direkt auf die uns bekannte phönizische Schrift zurückgeht. 5.3 Gimel – Gamma Der Buchstabe Gimel/Gamma ist für die alte Theorie über die Entstehung des Alphabets aus zwei Gründen besonders problematisch. Erstens läßt sich nämlich kein semitisches Wort finden, das den Namen Gimel und seine graphische Form erklärt. Natürlich hat man an „Kamel“ (hebräisch gamal) gedacht. Dagegen sprechen aber nicht nur die ältesten Formen des Buchstabens, sondern auch der Umstand, daß das Kamel ein schwierig zu zeichnendes Tier ist. Alle „jungen“ Schriften sind jedoch zur Erleichterung geschaffen worden und versuchen konsequent, schwierige Zeichen zu vermeiden. Man sehe sich unter diesem Gesichtspunkt den Zeichenbestand der gublitischen und der meroitischen Schrift an: Beide haben nur ganz wenige tier- und menschenförmige Hieroglyphen übernommen. Schließlich ist auch daran zu erinnern, daß das Kamel im AT (3 Mos 11,4; 5 Mos 14,7) und vielleicht über den jüdi-
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schen Bereich hinaus als ein unreines Tier galt. Jedenfalls sind in Ägypten nur wenige bildliche Darstellungen des Kamels nachweisbar, obwohl es dort seit der 1. Dynastie heimisch war.72 Der zweite Grund, der gegen die bisherige Theorie für den Buchstaben Gimel/Gamma spricht, ist die Unterschiedlichkeit der Buchstabennamen, die sich bisher nicht erklären läßt. Folgen wir jetzt den Voraussetzungen der hier vertretenen Theorie, so kommt schlechterdings nur eine einzige Hieroglyphe als Mutter für den Buchstaben Gimel/Gamma in Frage, nämlich das Wurfholz qm# (Wb V, 33). Hieroglyphe (T14)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Man sieht, daß die hieratische Schreibweise von qm# recht gut zu den frühen Formen des semitischen Gimel und des griechischen Gamma paßt. Man beachte die Spiegelbildlichkeit des semitischen Buchstabens (vgl. hierzu Kap. 6.4) und die ungespiegelte – oder zweimal gespiegelte? – Übernahme in die meisten griechischen Alphabete. Der graphische Unterschied zwischen dem hieratischen qm# einerseits und dem semitischen Gimel bzw. griechischen Gamma andererseits reduziert sich somit darauf, daß das erste Zeichen einen offenen Winkel, die anderen dagegen überwiegend einen spitzen Winkel zeigen. Diesen Unterschied sollte man indes nicht überbewerten. Der griechische Buchstabenname Gamma ist unerklärlich, wenn man ihn von Gimel ableiten will. Er wird indes sofort verständlich, wenn man ihn als Wiedergabe des ägyptischen Wortes qm# auffaßt. „Gamma“ ist nämlich ohne Zweifel nichts anderes als gam + griechische(?) Endung a, wobei der auslautende Konsonant verdoppelt wurde, um die Qualität der geschlossenen Silbe zu wahren (vgl. Kappa und Qoppa). Der Unterschied der Vokalisation zwischen Gim(el) und Gam(ma) erklärt sich dadurch, daß der griechische Buchstabenname den innerägyptischen Lautwandel ĭ > ă mitüberliefert. Dazu paßt die ionische Nebenform γεμμα/gemma, die dem Lautwandel ĭ > ě in einigen ägyptischen (koptischen) Dialekten entspricht, worauf ich in Kap. 6.1.2 zurückkomme. Für die Entstehung des griechischen Alphabets hat die hier zum ersten Male gefundene Erklärungsmöglichkeit für die Abweichung der Namen des Buchstabens Gimel/Gamma eine überaus wichtige Folge, die später auch durch die Beobachtungen zu Zajin, Mem, Ajin und Reš bestätigt werden wird: Zumin-
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dest die griechischen Namen der Buchstaben, wenn nicht auch ihre Formen, sind nicht direkt von jener Tradition abhängig, die uns im semitischen Alphabet erhalten ist. Schematisch läßt sich das so darstellen: Hieroglyphisch Hieratisch des Neuen Reiches Tradition A phönizisches Alphabet
Tradition B griechisches Alphabet
Vorläufig offen bleibt in diesem Schema die Frage, für welche Zeit der als Tradition B bezeichnete Zweig der Schriftentlehnung anzusetzen ist. Er könnte durchaus ein paar Jahrhunderte jünger als die Tradition A sein. Sicher ist jedoch, daß auch die Tradition B eine semitische ist, weil anderenfalls einige griechische Buchstabennamen wie z. B. Alpha nicht zu erklären wären. Die Diskussion dieses Problems wird in Kapitel 9 fortgesetzt. Wie erklärt sich dann aber der abweichende semitische Buchstabenname Gimel? Dadurch, daß der Schrifterfinder, wann immer es ihm möglich war, die ägyptischen Bezeichnungen der Hieroglyphen nicht transkribiert, sondern übersetzt hat. Möglich war ihm das, wenn das übersetzte Wort mit dem gleichen Konsonanten begann, den auch eine Transkription geliefert hätte. Im vorliegenden Fall hat er das ägyptische Wort qm# anscheinend nicht als „Wurfholz“, sondern als „schaffen“ (Wb V, 34) verstanden und richtig mit gml übersetzt. (Das ägyptische qm# und das hebräische gml sind urverwandt.) Das hebräische Verb „schaffen“ heißt allerdings in seiner Grundform gamal, während der hebräische Buchstabenname als gimel überliefert ist. Dieser Unterschied ist zur Zeit nicht erklärbar, sollte aber nicht überbewertet werden, da die Vokalisation der hebräischen Buchstabennamen erst durch die sehr späte Punktierung durch die Masoreten (jüdische Schriftgelehrte nach dem 5. Jh. nach Chr.) auf uns gekommen ist und nicht zwingend korrekt sein muß. Schließlich wäre es auch möglich, daß es ein uns nicht überliefertes nordwestsemitisches Wort „Wurfholz“ mit dieser Vokalisierung gegeben hat. Der Sign-Papyrus bestätigt an überraschender Stelle die Lesung der ägyptischen Hieroglyphe, die hier als Ursprung für den Buchstaben Gimel angenommen wird. Zwar ist das Wurfholz an der entsprechenden Stelle nicht
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erhalten. Dafür stehen aber bei den menschlichen Körperteilen zwei Finger hintereinander (Kol. 10.1–2):
Zur Verdeutlichung schreibe ich die hieratische Erklärung in Hieroglyphen: . Die erste Zeile zeigt die Hieroglyphe des Fingers und links neben dem Trennstrich die normale hieratische Schreibung der Hieroglyphe (Kopf nach links) und der ebenfalls regulären Erklärung Dbo „Finger“. Interessanter für uns ist die zweite Zeile: Nach der Hieroglyphe eines Wurfholzes steht links die hieratische Schreibung – aber mit Kopf nach rechts – und wiederum links davon zwei hieratisch geschriebene Erklärungen, die durch einen kleinen Punkt voneinander getrennt sind. Die erste Erklärung muß man als Dbo „Finger“ verstehen. Die zweite Erklärung ist aber unser „Wurfholz“ qm#, hier in der Schreibung q-m#-#-m, mit der angedeutet wird, daß sich ein altes Wort qm# zu q#m verändert hat. Vom Determinativ dieses Wortes ist nur das Köpfchen erhalten, das deutlich nach rechts zeigt und deshalb nicht der Finger sein kann, sondern das Wurfholz sein muß. Diese merkwürdige Doppelerklärung hängt damit zusammen, daß die Zeichen des Fingers (D50) und des Wurfholzes (T14) als Hieroglyphen sehr ähnlich sind, im Hieratischen jedoch deutlich unterschieden werden, worauf schon Gardiner in seiner Grammatik beim Zeichen D50 hinweist: „Apt to be confused in hieroglyphic texts with ... T14, though quite distinct in hieratic.“ (Übersetzung: „Geeignet, in hieroglyphischen Texten mit ... T14 verwechselt zu werden, obwohl im Hieratischen ganz unterschiedlich.“) 5.4 Daleth – Delta Hieroglyphe (D46)
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Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Alle Autoren, die das phönizische Alphabet von der hieratischen Schrift ableiten, stimmen hinsichtlich des Buchstabens Daleth/Delta überein, daß seine graphische Form auf die Hieroglyphe der Hand zurückgeht. Aber auch der Buchstabenname ist zwanglos vom ägyptischen Wort Dr.t (Wb V, 580) abzuleiten, da der Anlaut bereits im Neuen Reich zu /d/ (später /t/) verändert war. Die dritte Spalte in der postulierten Vorlage des Schrifterfinders dürfte (Dr.t > dr.t) gehabt haben, eine so tatsächlich bedaher als Erklärung legte Schreibung des Wortes „Hand“. Diese Schreibung hat der Schrifterfinder als Buchstabennamen Daleth übernommen. Auch der Vokal ā der Tonsilbe geht auf das ägyptische Wort zurück, wie aus der koptischen Form turE/tōre < dārᵕ(t) zu erschließen ist.73 Merkwürdig ist nur, daß der Schrifterfinder im Namen Daleth ein l zur Wiedergabe des ägyptischen r benutzt, obwohl ihm doch R(eš) zur Verfügung stand. Hierfür sind zwei Erklärungen denkbar: a) Das ägyptische r könnte dem semitischen Schrifterfinder eher wie ein /l/ geklungen haben. b) Da die Alphabetschrift ursprünglich als Silbenschrift konzipiert war, könnte der schon in der Amarnazeit erfolgte Lautwandel von ra zu ro (s. Kap. 5.20) die Verwendung des Zeichens Reš verhindert haben. Der Buchstabenname sollte nicht da-ro-t, sondern da-li-t > dalet gesprochen werden, vgl. hierzu Kap. 6.1 Ende. Die griechische Form Delta hat den Vokal der ersten Silbe zu Epsilon abgeschwächt. Zu dem vom Buchstaben abgeleiteten griechischem Wort deltos („Schreibtafel“) existiert aber eine Nebenform daltos, die den ursprünglichen Vokal bewahrt hat. Noch etwas Graphisches muß abschließend erwähnt werden. Neben den oben angegebenen Formen des Buchstabens, die wie ein Dreieck aussehen, gibt es semitische Formen, die den rechten Schenkel nach unten verlängern, so daß das Delta dem ReS sehr ähnlich wird. Diese Ähnlichkeit hält bis zu den aramäischen Papyri aus Elephantine (5. Jahrhundert v. Chr.) an, in denen Daleth und ReS graphisch nicht unterscheidbar sind.74 Auch dieses Problem ist vermutlich der hieratischen Schreibung des 19. Jh. v. Chr. zu „verdanken“. Denn dieser Abstrich geht gewiß wie beim Rho auf eine Schreibung mit dem Determinativ. Möllers Paläographie gibt zwar kein Beispiel für die hieratistrich zurück: sche Schreibung der Hand mit dem Determinativstrich – und ich habe nicht danach gesucht –, aber man kann sicher sein, daß sie sehr ähnlich wie die hieratische Schreibung des Mundes mit dem Determinativstrich ausgesehen hat.
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5.5 He – E(psilon) Hieroglyphe (O4)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
He ist einer von jenen drei Buchstaben, über die sich seit de Rougé fast alle Anhänger der hieratischen Herleitung des Alphabets einig sind: Der Ursprung des Zeichens muß die Hieroglyphe (O4) sein, die den Grundriß eines Gebäudes darstellt. Es handelt sich wohl um eine Hütte auf dem Feld, wie man nach Pap. Carlsberg 7 annehmen darf.75 Das Zeichen hat seinen einkonsonantischen Wert /h/ von dem Wort h „Hof, Halle“ o. ä. (Wb II, 470) erhalten. Der semitische Buchstabenname !( הי¥j) weist darauf hin, daß die ägyptische Erklärung des Zeichens in der Vorlage des Schrifterfinders nach dem h noch einen schwachen Konsonanten hatte. Auch wenn das oben genannte Wort „Hof, Halle“ im Wörterbuch von Erman und Grapow nicht in der Schreibung h# vorkommt, so würde eine solche Schreibung doch nichts Unerwartetes sein, wie folgende Bemerkung aus Wb II, 470 unten lehrt: „Seit D(ynastie) 18 schreibt man viele nur mit h anlautende Wörter mit einem bedeutungslosen #.“ Zwar wird ägyptisches Aleph in den semitischen Buchstabennamen in der Regel mit Jod transkribiert, aber im Auslaut kann dafür auch semitisches Aleph stehen, wie ein Vergleich mit den beiden Formen des Buchstabennamens Pe lehrt (s. dort, Kap. 5.17). Der griechische Buchstabenname Epsilon hat das anlautende h durch die sogenannte Psilose („Entblößung“) verloren, so daß ein „bloßes e“ – das heißt e-psilon – übrigblieb. Eine vergleichbare Erklärung ist auch für den Buchstabennamen Ypsilon möglich (vgl. Kap. 7.1).76 5.6 Waw – Digamma Das hebräische Wort waw „( ווNagel, Haken“) hat zu der Annahme geführt, daß der Buchstabe Waw die graphische Form eines Nagels habe und er daher seinen Namen und seinen phonetischen Wert /w/ bzw. /b/ erhalten habe. Gerade dieser Buchstabe gilt daher den Vertretern der bisherigen Theorie über die Herkunft des Alphabets als besonders beliebtes Argument dafür, daß die Buchstabennamen semitische Wörter seien. Tatsächlich fällt es nicht
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schwer, das Zeichen Waw für einen Haken zu halten. Allerdings ist der Kausalzusammenhang gerade andersherum, als man bisher angenommen hat. Es gibt nämlich gar kein allgemeingültiges Wort waw = „Nagel“! Sämtliche 13 Belege dieses Wortes – sie sind bei Gesenius, Hebr. u. aram. Handwörterbuch, 17. Aufl., S. 190 verzeichnet – bezeichnen einzig und allein jene Vorrichtung, mittels derer die Vorhänge der alttestamentlichen Stiftshütte aufgehängt wurden. Das heißt, dieser Nagel oder Haken hat seinen Namen nach der Form des Buchstabens erhalten, so wie wir von einer S-Kurve, einem T-Träger oder einem U-Profil sprechen. Es wäre daher zu erwägen, an den betreffenden Stellen des AT das Wort waw künftig mit „W(aw)-Haken“ zu übersetzen.77 Damit ist der Weg frei, eine ägyptische Wurzel für den Buchstabennamen Waw und für seine graphische Form vorzuschlagen. Lange braucht man nicht zu suchen, da bereits das Einkonsonantenzeichen w, das Wachtelküken (G43) eine passende Form liefert, sofern man eine Drehung akzeptiert. Hieroglyphe (G43)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Wenn wir hier von An- und Abstrichen absehen, so läßt sich das hieratische Zeichen beschreiben als ein gerader Strich, an dessen einem Ende zwei kleiergibt . Drene, spitzwinklig aneinanderstoßende Striche sitzen: plus . Das ist der Form der hen wir dieses Gebilde um 180°, so erhalten wir ältesten Digammas und einiger alter Formen des semitischen Waw recht nahe (bei unterschiedlicher Ausrichtung). Die ältesten phönizischen Formen haben dagegen , d. h. die zwei kleinen Striche setzen nicht asymmetrisch an der Seite, sondern symmetrisch oben an. Diese Form des Waw entspricht der Hieroglyphe O30 . Das ist eine Stütze oder ein Pfosten, eine der vier Stützen, die den Himmel tragen (s. Wb III, 471/2). Möglicherweise liegt hier ein altes Mißverständnis oder eine Umdeutung der Hieroglyphe O30 in das hieratische Wachtelküken vor. Bei Überlegungen über die Gestalt der Stiftshütte wäre dies künftig zu bedenken. Auch der Buchstabenname Waw läßt sich aus einem ägyptischen Wort erkläbzw. deren ren. Die Vorlage des Schrifterfinders hätte die Hieroglyphe hieratische Form eigentlich mit „Wachtelküken“ erklären müssen. Dieses Wort, von dem die Hieroglyphe ihren Lautwert bezogen haben muß, ist aber
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in historischer Zeit nicht mehr existent. Die Vorlage des Schrifterfinders mußte deshalb das Zeichen mit einem anderen Wort erklären, welches nur aus dem Konsonanten w bestand, eventuell gefolgt von einem schwachen Konsonanten oder Sonor. Das Wörterbuch lehrt, welches Wort geeignet ist: w „Bezirk, Gebiet“ (Wb I, 243). Schreibungen wie und später zeigen an, daß das Wort genau die Form w-w des Buchstabennamens Waw hatte. Koptisch ist das Wort nur in enttonter Form in dem Ortsnamen oü(puke) / u(pōke) erhalten. Auch der Vokal des Buchstabennamens dürfte direkt aus dem ägyptischen Wort w(a)w kommen, denn die Übernahme ist vor dem allgemeinen ägyptischen Lautwandel ă > ŏ erfolgt, welcher erst zwischen 550 und 450 v. Chr. stattgefunden hat, auch wenn er in besonderen Fällen (s. Kap. 5.20) schon in der Amarnazeit (14. Jh. v. Chr.) begonnen hat.78 Der griechische Name des Buchstabens ist als „Digamma“ (d. h. „DoppelGamma“) natürlich eine sekundäre Bildung. Aber auch im Griechischen ist das Wort waw nicht ganz verschwunden, sondern im Namen des Zahlzeichens 6 = βαυ/bau erhalten. Die Zahl hat bekanntlich die Form ϛ, welche man bisher als Ableitung von Digamma erklärt. Diese Ableitung ist auf eine kuriose Weise falsch und richtig zugleich. Von führt einfach kein graphischer Weg zu ϛ. Die Erklärung für das Problem kommt wiederum aus der hieratischen Schrift. Das Zeichen hat in seiner hieratischen Schreibung von den ältesten Zeiten an eine abgekürzte Nebenform, welche in späterer Zeit die volle Form ganz verdrängt. Sekundär wird aus dieser hieratischen Variante (Z7) gebildet: sogar eine neue Hieroglyphe Hieroglyphe (Z7)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
– (Möller, Hieratische Paläographie II, Nr. 200B)
Wie man sieht, ist diese hieratische Nebenform von w graphisch mit dem griechischen Zahlzeichen ϛ (bau) fast identisch. Damit ist das oben beschriebene Problem der Ableitung des griechischen Zahlzeichens auf eine überraschende Weise gelöst. Ich fasse die Überlegungen zum 6. Buchstaben des Alphabets zusammen: a) Die graphische Form des semitischen Waw und des griechischen Digamma ist auf die hieratische Schreibung der Hieroglyphe zurückzuführen.
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b) Der semitische Buchstabenname Waw geht auf das ägyptische Wort w(a)w „Bezirk“ zurück. c) Der Name Bau des griechischen Zahlzeichens 6 hat die gleiche Etymologie. Von diesem leitet sich unser Buchstabenname Vau ab. (Die lateinische Schrift, die uns diesen Namen überliefert hat, kennt ursprünglich keinen Unterschied zwischen U und V, würde also VAV schreiben.) d) Die graphische Form des griechichen Zahlzeichens ϛ (6) hat ihre Wurzel vielleicht in der hieratischen Schreibung der Hieroglyphe , welche eine ist.79 Variante zu 5.7 Zajin – Zeta Dies ist der zweite Buchstabe des Alphabets nach Gimel/Gamma, bei dem sich der semitische Name deutlich vom griechischen unterscheidet. Es sei hier schon vorweggenommen, was sich in der weiteren Untersuchung zeigen wird, daß bei solchen Divergenzen der griechische Name regelmäßig – und durchaus überraschend – das ägyptische Wort genauer wiedergibt als der semitische. Wenn das auch hier so wäre, könnte man in Za-jin eine semitische Dualendung80 (wie in A-jin, s. dort, Κap. 5.16) vermuten und würde durch Zeta zu einem ägyptischen, femininen Wort der Bildung s+a.t, s+i.t oder s+u.t geführt. Als Ägyptologe erkennt man sofort, daß nur sw.t „Binse“ in Frage kommt. Die hieratische Schreibung der Hieroglyphe sw.t sieht im Neuen Reich so aus und kann allein nicht zur graphischen Form des Buchstabens Zajin/Zeta geführt haben. Der Ägyptologe versteht jetzt, woher die oben vermutete Dualform des semitischen Buchstabennamens kommt. Es gibt nämlich ein anderes hieroglyphisches Schriftzeichen, das aus zwei Binsen besteht und nn paßt zu lesen ist (M22). Dessen hieratische Schreibung im Neuen Reich recht gut zur phönizischen und griechischen Form. Hieroglyphe (M22)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Ganz offensichtlich ist also an dieser Stelle ein Fehler passiert: Die eine Überlieferung geht von der einfachen Binse (M23) aus (> Zeta), die andere
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Überlieferung hat die Doppelbinse (> Za-jin), welche jedoch eigentlich nn zu lesen ist. Es ist denkbar, daß die ursprüngliche Vorlage beide Schriftzeichen hintereinander gehabt hat: sw.t nn
mit der Erklärung sw.t > Zeta mit der Erklärung sw.t sp-2 (d. h. sw.t zweimal) > Za-jin.
Irgendwie sind dann die beiden verschiedenen „Binsen-Schriftzeichen“ für sw(.t) und nn zusammengefallen, ohne daß sich zur Zeit erkennen läßt, wem dieser Fehler anzulasten ist. Es sei jedoch schon hier darauf hingewiesen, was später noch zu erörtern sein wird, daß dem Alphabet anscheinend ein Zeichen für ni(n) fehlt. Die Vokalisierung Za-(jin) läßt den Schluß zu, daß das ägyptische Wort sw.t einen Haupttonvokal Á hatte, also sÁw.ᵕt gelautet hat, wie Wilhelm Spiegelberg bereits 1929 vorgeschlagen hat.81 Da nun aber der griechische Buchstabenname Zeta einen Haupttonvokal ē hat, entsteht ein Problem, dessen einfachste Lösung in der Annahme besteht, daß der Buchstabenname Eta anfangs auch den Wert /Á/ vertrat, also vielleicht Realisationen zwischen /a/ – /ä/ – /ē/ zuließ. (Man vergleiche die Unterschiede in der Aussprache des Vokals a im Englischen und Amerikanischen.) Diese Schlußfolgerung wird auch durch die Tatsache nahegelegt, daß eben das Eta auf ein ägyptisches Wort Hw.t zurückgeht, das die gleiche Vokalisierung auf ā wie das hier besprochene Wort sw.t hatte, s. das nächste Kapitel. Eine gewisse Überraschung bereitet der konsonantische Wert /ts/ oder /ds/ des griechischen Buchstabens Zeta, der allerdings ein Problem für sich darstellt, das hier nicht erörtert werden kann. Während das Zajin ein stimmhaftes /s/ bedeutet und damit zur ursprünglichen Lautung des entsprechenden ägyptischen Buchstabens paßt, läßt sich der phonetische Wert des Zeta nicht leicht aus dem Ägyptischen herleiten. Es ist zu erwägen, ob das Zeta seinen phonetischen Wert dem Sampi verdankt, das die griechische Schrift nur als Zahlzeichen bewahrt hat.
5.8 "eth – Eta Hieroglyphe (O6)
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Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Der phönizische Buchstabe leitet sich zwanglos von der hieratischen Schreibung der Hieroglyphe Hw.t „Haus“ her. In diesem Falle gewinnt man endlich auch einmal einen Hinweis für die Datierung der Alphabeterfindung: Nach Aussage der Möllerschen Paläographie hat das hieratische Zeichen des Wortes Hw.t „Haus“ erst seit der 19. Dynastie einen Querstrich, der in den phönizischen und griechischen Formen selten fehlt.
Mit anderen Worten: Wir erhalten einen terminus post quem (Zeitpunkt, nach dem etwas geschehen ist) für die Ableitung der phönizischen Schrift aus der hieratischen, nämlich etwa das Jahr 1250 v. Chr. Der phönizische Buchstabennamen muß nach den hier erschlossenen Regeln H#.t auf ein ägyptisches Wort H#.t zurückgehen. Tatsächlich gibt es mit der Bedeutung „Grab“ (Wb III, 12.19–21), das vermutlich in der Vorlage des Schrifterfinders als Erklärung für die Hieroglyphe (O6) gestanden hat. Die Vorlage des Schrifterfinders müßte also bereits jene Verschmelzung der beiden Wörter gehabt haben, die im Demotischen normal ist.82 Die Vokalisierung des ägyptischen Wortes ist aus vielen Gründen als HÁw.ᵕt gesichert. Wenn aber im griechischen Buchstabennamen Eta, der das anlautende H verloren hat, die Haupttonsilbe mit Eta (einem /ē/) und nicht mit Alpha (einem /ā/) geschrieben wird, so ist dieser Widerspruch am ehesten durch die Annahme aufzulösen, daß der Buchstabe Eta im Griechischen ursprünglich auch den Wert ā vertrat. Bei Jeffery, Local Scripts, S. 28 ist der unterschiedliche Wert des Eta in den lokalen Alphabeten Griechenlands diskutiert, wobei wenigstens einmal die Verbindung zu einem ursprünglichen ā nachgewiesen wird.83 In der äthiopischen Schrift hat der Buchstabe den Namen "aut, was perfekt zum ägyptischen Wort HÁw.ᵕt passen würde. Leider ist bislang unklar, ob die äthiopischen Buchstabennamen alt sind oder von europäischen Grammatikern der Renaissance erfunden worden sind.84 5.9 ˝eth– Theta Hieroglyphe (N15)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
49
Der phönizische Buchstabe Ṭeth unterscheidet sich vom Taw nur durch den Kreis, der dem Kreuz umschrieben ist. Es ist deswegen vorgeschlagen worden, die beiden Zeichen seien durch Differenzierung voneinander abgeleitet worden. Das ist auch tatsächlich der Fall, denn wird zu Ṭeth/Theta, und wird zu Tau. Die demotische Schrift verfügt über ein Zeichen, das mit dem phönizischen und griechischen Buchstaben graphisch vollkommen identisch ist, nämlich im Wort t#.t (< d#.t) „Unterwelt“ (Erichsen, Demotisches Glossar, 85 613). Das entsprechende hieratische Zeichen hat nach Aussage von Möllers Paläographie unten immer eine Spur der zwei unteren Zacken des Sterns, aber nichts spricht gegen die Annahme, daß einzelne ägyptische Schreiber diese graphische Vereinfachung schon 1000 Jahre früher gefunden haben, als sie bisher in demotischen Handschriften belegt ist. Das Zeichen ist das Wort für d#.t „Unterwelt“, welches der Schrifterfinder nach seiner Regel mit djt > ôjt transkribiert hat. Auch die Vokalisierung mit ē beruht auf dem ägyptischen Wort dúw#.ᵕt > dū#.(ᵕt) > dē mit der bekannten Vokaländerung ū > ē, wie das koptische Wort ti/tē zeigt.86 In den Fragmenten einer ramessidischen Zeichenliste ist der Stern als dw#ntr, d. h. „Morgenstern“ erklärt.87 Theta ist der dritte der drei griechischen Buchstaben, deren Tonvokal ein Eta /ē/ ist. Während dieser Vokal in Zēta und Eta jedoch auf ein ägyptisches ā zurückgeht (das innerägyptisch niemals zu ē, sondern zu ō wird), ist er in Theta auf ein ägyptisches ū zurückzuführen, das innerägyptisch zu ē wird. Dieser Widerspruch ist nur durch die Annahme auszuräumen, daß der griechische Buchstabe Eta anfangs sowohl für ē als auch für ā verwendet wurde, wobei die griechischen Dialekte eine Rolle spielen. 5.10 Jod – Jota Hieroglyphe (G1)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Der Buchstabe Jod/Jota macht zunächst wegen des unterschiedlichen Dentals in seinem Namen Schwierigkeiten. Wenn man aber bedenkt, daß bei den anderen Divergenzen der griechische Buchstabenname regelmäßig näher an der ägyptischen Vorlage ist als der semitische, wird man auch hier das Tau in
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Jota auf die ägyptische Femininendung zurückführen wollen (wie in Beta, Zeta, Eta, Theta) und das d in Jod als einen Fehler ansehen, weil der Semite natürlich an das Wort Jad „Hand“ gedacht hat. Es sei auch daran erinnert, daß in der hieratischen Schrift d und t sehr ähnlich aussehen können (vgl. hierzu bei Lamed, Kap. 5.12). Da der Schrifterfinder bei der Transkription ägyptischer Wörter ein ägyptisches Aleph regelmäßig mit einem semitischen Jod wiedergegeben hat, darf man vermuten, daß das semitische Jod einem Aleph entspricht. Und tatsächlich liefert das ägyptische Aleph in seiner hieratischen Schreibung ein überzeugendes Vorbild für die frühen Formen des phönizischen Jod. Man muß nur das ägyptische Aleph, den Geier (G1) in seiner hieratischen Schreibweise der 19. Dynastie um 180° drehen, um eine Form zu erhalten, die sich zwanglos zum phönizischen Jod weiterentwickeln läßt: (hierat. Form) >
(um 180° gedreht) >
(neue Strichführung)
Die Vorlage des Schrifterfinders mußte dieses Zeichen nun mit einem anderen Wort als # „Geier“ (Wb I, 1 – das allererste Wort im Wb) erklären, weil dieses Wort im Neuen Reich nicht mehr existierte. Der Schrifterfinder hat, wie der Buchstabenname lehrt, irgendein Wort der Form #.t gewählt, von denen das Wörterbuch wenigstens sechs aufzählt. Welches Wort genau tatsächlich in der Vorlage des Schrifterfinders gestanden hat, ließe sich nur über die Vokalisierung erschließen, doch besteht hier noch Unsicherheit, vgl. aber Kapitel 6.1.2 unter – 4. Auf etwas sehr Bemerkenswertes weist Harald Haarmann88 hin: „In dem nichtphönizischen Inschriftenmaterial (auf Kreta, Anm. Verfasser) findet sich ein Zeichen, das selbst in den sogenannten archaischen Alphabetvarianten der dorischen Inseln nicht mehr vorkommt, nämlich die altphönizische Schreibung des Jodh ...“. Wenn diese Behauptung Haarmanns korrekt ist und diese Inschriften tatsächlich ans Ende des 2. Jahrtausends gehören, dann wären sie die ältesten griechischen Inschriften überhaupt und würden die These unterstützen, daß die griechische Schrift zuerst auf Kreta entstanden ist.89 Der Buchstabe Jota ist graphisch wohl der bescheidenste des ganzen Alphabets, weil er oft als ein einfacher Strich geschrieben wird, sogar schon im Hieratischen der 19. Dynastie. Als kleinster Buchstabe wird er in der Bergpredigt (Mt 5,18) bezeichnet. Geistesgeschichtlich ist Jod/Jota jedoch einer der wichtigsten des Alphabets: Man denke nur an die Auseinandersetzung in der frühen Kirche, ob Christus homo-ousios „wesens-gleich“ mit dem Vater
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ist oder nur homoi-ousios „wesens-ähnlich“. Dante weiß sogar, daß „das höchste Wesen“ ursprünglich nicht „EL“, sondern „I“ hieß.90 5.11 Kaph – Kappa Hieroglyphe (D52)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Von allen Ein- und Zweikonsonantenzeichen der Hieroglyphenschrift, die mit einem k beginnen, haben die Anhänger der hieratischen Herleitung des Alphabets nur das Zeichen , den Phallus, ausgelassen, der in wenigen Wörtern wie ein Zweikonsonantenzeichen k# benutzt wird. Gerade dessen hieratische Schreibung paßt jedoch vorzüglich zu den ältesten phönizischen und griechischen Schreibungen des Buchstabens Kaph/Kappa. Man muß nur die drei Striche des hieratischen Zeichens gerade und gleich lang schreiben sowie das Zeichen um 180° drehen, um ein exaktes Kaph/Kappa zu erhalten. Unerklärlich ist zunächst das p im Buchstabennamen Kaph/Kappa. Der Buchstabenname sollte ja nach der hier vertretenen Theorie mit einem schwachen Konsonanten, mit einer Liquida oder mit dem femininen .t enden. Es ist daher zu fordern, daß das p in Kaph/Kappa wie in Qoph/Qoppa nicht zum ursprünglichen Buchstabennamen gehört. Diese Forderung führt zu der Vermutung, daß die dritte Spalte der postulierten Vorlage des Schrifterfinders mit einem Wort gefüllt war, in dem er ein p gefunden hat. Nun liegt aber auf der Hand, was in der dritten Spalte gestanden haben muß: k# „Stier“ bzw. „Rind“ (Wb V, 94–98). Das Determinativ des Rindes sieht in der hieratischen Schreibung des Neuen Reiches so oder so oder ähnlich aus. Dieses Determinativ ist im Neuen Reich der hieratischen Schreibung für f(j) zum Verwechseln ähnlich: oder o. ä. Der Schrifterfinder hat also allem Anschein nach die beiden Hieroglyphen verwechselt und tatsächlich k#f(j) statt k# (+ Determinativ) gelesen. Wie auch andere Fehler zeigt diese Verwechslung, daß der Schrifterfinder kein Ägypter war. Zur Wiedergabe eines ägyptischen f stand dem Schrifterfinder nur sein Buchstabe Pe zur Verfügung Der Fehler ist dem Semiten um so leichter zu verzeihen, als er bei Kaph automatisch an das semitische Wort für „Hand“ gedacht haben wird; den gleichen Fehler hat er überdies beim Buchstaben Qoph/Qoppa wiederholt.
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Aus anderen Zusammenhängen ist bekannt, daß bei der Unterrichtung in der ägyptischen Schrift auf die Determinative, besonders die komplizierteren Zeichen, der geringste Wert gelegt wurde bzw. diese erst in einem späteren Stadium des Studiums gelehrt wurden.91 Es ist daher vorstellbar, daß der Schrifterfinder das Determinativ des Rindes schlicht nicht kannte und es deshalb als f(j) lesen mußte. 5.12 Lamed – Lam(b)da L ist ein Buchstabe, der im Alphabet eine zentrale Stelle einnimmt. Die zweite Hälfte des aus 22 Buchstaben bestehenden phönizischen/hebräischen Alphabets beginnt mit L. Zur ersten Hälfte A–B–C (bzw. Aleph–Beth–Gimel) gehört also eine zweite Hälfte L–M–N (bzw. Lamed–Mem– Nun), weswegen manche Autoren das etymologisch unklare lateinische Wort elementum „Buchstabe“ als el-em-en-tum erklären wollen.92 L ist in der bisherigen Theorie über die Herkunft unseres Alphabets ein wichtiger Buchstabe, da er in dem einzigen Wort der protosinaitischen Schrift vorkommt, das vielleicht richtig entziffert ist. Dieses Wort ist B[Lt (rechtsläufig) und wurde von Gardiner als B-‘-L-T („Herrin“) gedeutet.93 Die Form des dort als L verstandenen Zeichens paßt relativ gut zu den ältesten linearen Formen des semitischen Lamed (etwa u. ä.). Allerdings muß man zugeben, daß das protosinaitische Zeichen rund, das semitische dagegen eher eckig ist. Lamed ist den Anhängern der bisherigen Alphabettheorie auch deswegen lieb, weil der Buchstabenname eine semitische Erklärung zuläßt. Lamed heißt ja „lernen“, doch ist die Grundbedeutung des Verbs „stechen“, „anstacheln“. Von daher kommt der Vorschlag, den man in allen Büchern über die Geschichte der Schrift wiederholt findet, den Buchstaben als „Ochsenstachel“ zu erklären. Die ältesten Formen des Zeichens sind dazu weniger unpassend als etwa die von Pe zu „Mund“ oder die von Nun zu „Fisch“. Wenn wir nun einen anderen Ursprung für die graphische Form und den Namen des Lamed suchen, der zu der hier vorgetragenen Theorie paßt, so stehen gar nicht viele Möglichkeiten zur Auswahl. Bekanntlich verfügt die ägyptische Schrift bis in die ptolemäische Zeit hinein über kein eigenes Zeichen für das Phonem /l/. Wenn es darum ging, dieses Phonem in fremden Wörtern und Namen in Hieroglyphen wiederzugeben, mußten die Ägypter sich mit irgendwelchen Ersatzzeichen oder Zeichenkom-
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binationen behelfen. Erst im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde das demotische l ( ) als Variante zu r ( ) entwickelt.94 Der wohl bekannteste Ersatz für ein unägyptisches l ist das Zweikonsonantenzeichen rw. Dieses hat im Hieratischen des Neuen Reiches folgende Formen: Hieroglyphe (E23)
Hieratische Formen
Phönizisch
Griechisch
Bei anderen Buchstaben hat sich hier ergeben, daß die hieratischen Formen der 19. Dynastie den ältesten Formen des nordwestsemitischen Alphabets am nächsten stehen (vgl. die Ausführungen zum Buchstaben "eth u. a.). Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem hieratischen rw und den ältesten Formen des Lamed ist, bei ein wenig Vereinfachung, nicht zu leugnen. Trotzdem erscheint sie mir zu gering, um wirklich in rw das Vorbild für Lamed zu sehen. Merkwürdig ist, daß der äthiopische Buchstabenname Law denkbar gut zum ägyptischen rw (= „Löwe“)95 paßt. Aber die Herleitung des südsemitischen Alphabets ist ein weiteres Problem, auf das hier nicht eingegangen werden kann. Das nächste Zeichen, das für unsere Zwecke herangezogen werden muß, ist die Zunge (F20). Diese hat neben ihrer ersten Lesung ns (koptisch las) auch die Lesung |mj-r# > mr „Vorgesetzter“ u. ä. (Wb II, 94). Spätestens in der griechischen Zeit Ägyptens hat dieses mr enttont wie /la/ oder /le/ gelautet.96 Im Demotischen wird die Ligatur mr gelegentlich zur Schreibung 97 von /la/ benutzt. Hieroglyphe (F20)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Bei der Beurteilung der graphischen Form eines Zeichens und möglicher Abhängigkeiten ist es methodisch wichtig, die wesentlichen Züge zu erkennen und von Nebensächlichkeiten abzusehen.98 Damit meine ich, daß ein kreisförmiges Zeichen wie das alte Ajin schwerlich auf ein Zeichen zurückgehen kann, das nicht ebenso eindeutig kreisförmig ist. Für das alte Lamed ist es nun charakteristisch, daß zwei gleich oder verschieden lange Schenkel in einem spitzen bis rechten Winkel aneinanderstoßen. Eine
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Verlängerung eines oder beider Schenkel durch einen Ansatz oder einen auslaufenden Strich ist gegenüber diesem Merkmal zu vernachlässigen. Die hieratischen Formen für die Zunge (F20) entsprechen den eben genannten charakteristischen Merkmalen des Lamed sehr gut, soweit sie den kleinen Punkt am Scheitel der beiden Schenkel nicht haben. Zur Kontrolle, ob heutige Augen das Typische eines hieratischen Zeichens ebenso wie die Ägypter selbst beurteilen, kann sich ein Blick auf die weitere paläographische Entwicklung lohnen. Deshalb hier das gleiche Zeichen aus dem III. Band von Möllers Hierat. Paläographie mit Formen vom 10. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr.:
Man sieht auch hier, daß die beiden Schenkel ihre Ansätze oder Verlängerungen verlieren können. Der Punkt oder kleine Strich am Scheitel ist auch im späteren Hieratisch fakultativ, genauso wie im Hieratischen seit der 19. Dynastie. Vor der 19. Dynastie dagegen wird dieser Punkt oder kleine o. ä.), Strich nach Aussage des genannten Werkes immer geschrieben ( d. h. wir erhalten erneut einen terminus post quem für die Entlehnung der phönizischen Schrift. Ich fasse die bisherigen Überlegungen zusammen. Ein ägyptisches Schriftzeichen, das innerägyptisch zur Wiedergabe eines /l/ benutzt worden ist, hat in seiner hieratischen Schreibweise von der 19. Dynastie an eine Form, die den ältesten Formen des semitischen Lamed hinreichend ähnlich ist, um rein graphisch der Ursprung eben dieses semitischen Zeichens sein zu können. Läßt sich aber auch, wie oben gefordert, der Buchstabenname ägyptisch erklären? Erst der Name würde ja die vorgeschlagene Herleitung aus dem Bereich der Möglichkeit in den der Wahrscheinlichkeit heben. Der semitische Buchstabenname ist Lamed, was in der griechischen Transkription der Septuaginta-Handschriften (in den alphabetisch geordneten Klageliedern des Jeremias) als lamed und labd erscheint. Der griechische Buchstabenname ist Labda und Lambda, wobei das auslautende Alpha sekundär ist, unabhängig davon, ob man es als griechische Endung oder doch als Übernahme aus einer anderen semitischen Tradition auffassen will. Allen Formen des Buchstabennamens gemeinsam sind daher eine Silbe la- und die
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Konsonanten m/b/mb und d. Von den verschiedenen Schreibweisen m/b/mb darf man annehmen, daß sie alle auf den gleichen Labial zurückgehen.99 Die Vorlage des Schrifterfinders müßte also folgendermaßen ausgesehen haben: Erklärung (in Hieroglyphen)
Hieratische Schreibung
Hieroglyphe
Der „Name“ des Zeichens „Zunge“ wäre also in der dritten Spalte als mr angegeben worden, woraus der Schrifterfinder den Anfang seines Buchstabennamens la- beziehen konnte. Woher aber kommt der Rest -med des Buchstabennamens? Ich gestehe, daß ich an dieser Stelle einige Zeit ratlos geblieben bin, bis mir eine überraschende und vielleicht kühn erscheinende Lösung eingefallen ist: Seit der 19. Dynastie wird das Zeichen auch zur 100 Schreibung des Wortes mt „sterben“ benutzt (Wb II, 165). Die oben in der rekonstruierten Vorlage des Schrifterfinders gegebene Erklärung des Zeichens wäre also in der 19. Dynastie gar nicht vollständig gewesen. Sie hätte vielmehr so aussehen müssen: Erklärung (in Hieroglyphen)
Hieratische Schreibung
Hieroglyphe
.
Die dritte Spalte mr – mt wäre zu übersetzen als „Vorsteher (oder) Toter“. Der Schrifterfinder hat aber die Alternativen mr(la) – mt hintereinander gelesen und in seinem Buchstabennamen La-m(e)d überliefert. Ob dabei die uns aus später Zeit überlieferte Vokalisierung der zweiten Silbe der ursprünglichen Lautung entspricht, sei hier zunächst dahingestellt.101 Etwas störend an der eben gegebenen Erklärung ist noch der Umstand, daß der Schrifterfinder das ägyptische t im Wort mt durch semitisches Daleth transkribiert hat, während er sonst diesen Buchstaben regelmäßig mit einem Taw wiedergibt. Auch für diese Unregelmäßigkeit läßt sich aber ein Grund finden, der in der hieratischen Schrift jener Zeit liegt. Sehen wir uns dazu die hieratischen Schreibungen der Ligaturen mr und mt an:
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(Kopie aus Möller, Hieratische Paläographie II, Nr. XIII und XIV)
Man sieht sofort, daß die beiden Gruppen weitgehend gleich aussehen. Das an sich sehr schmale Zeichen t wird in der Ligatur mt ebenso breit wie das r in der Ligatur mr. Durch diese innerhieratische Entwicklung erhält das t im Wort mt eine Form, die sehr viel mehr wie d denn wie t aussieht. (Zur graphischen Gleichheit der hieratisch geschriebenen Ligaturen mr und mt s. Caminos, Tale of Woe, 41 mit Verweis auf Gardiners Ausführungen in JEA 15, 1929, 51 und 53.) Der Schrifterfinder hat die dritte Spalte seiner Vorlage daher als l(a)-m(e)d transkribiert und in dieser Form als Buchstabennamen überliefert. Ein solcher Irrtum ist leicht zu entschuldigen, zumal wenn der Schrifterfinder, wie man vermuten darf, kein Ägypter gewesen ist und dann doch wohl gleich an das semitische Wort lmd „lernen“ gedacht haben muß. Somit erfüllt auch der Buchstabe Lamed alle eingangs genannten Bedingungen. Ob der Schrifterfinder ursprünglich jedoch zwei phonetisch verschiedene, aber graphisch gleiche Buchstaben La und Med intendiert hat, wird später zu besprechen sein (Kap. 6.2). Man könnte sich noch darüber wundern, daß das aus |mj-r# („im Munde befindlich“) abgeleitete Wort mr („Vorsteher“) nicht wie ra# > ro (s. Kapitel 5.20), sondern la vokalisiert ist. Dies wird aber dadurch erklärlich, daß durch die Zusammenlesung der Wörter mr + mt der Vokal a nicht am Wortende stand und daher, der Regel folgend, nicht zu o verändert wurde. Leider bringt der Sign-Papyrus keine Bestätigung für die hier vermutete Vorlage, weil er das Zeichen der Zunge (F20) in Kol. VIII.6 nur mit ns.t „Zunge“ erklärt. und Erstaunlich ist die Ähnlichkeit, die das äthiopische Silbenzeichen la möglicherweise auch das entsprechende Zeichen der Byblos-Schrift - zum hieratischen Vorbild bewahrt haben. Erwähnt werden muß noch, daß die erste Hälfte des Alphabets mit dem Wort „Ausspruch des Mundes“ und die zweite mit dem Wort „Zunge, Sprache“ beginnt. Man möchte dies ungern als bloßen Zufall ansehen.
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5.13 Mem – My Hieroglyphe (E23)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Bei diesem Buchstaben führt schon der Name schnell zu einem Vorschlag für seine Herleitung, da griech. my – alte Lautung: mu, ionisch mo – mit dem koptischen Wort mooü/mooy „Wasser“ fast gleich lautet. Tatsächlich stimmen die meisten Autoren, die eine Ableitung der phönizischen Schrift aus der hieratischen vertreten, darin überein, den Buchstaben von der hieratischen Schreibung des Wortes mw „Wasser“ abzuleiten. Im Prinzip besteht das hieratische und das phönizische Zeichen aus drei waagerechten Strichen, die miteinander in Ligatur verbunden sind. Während jedoch das hieratische Zeichen von links nach rechts geschrieben wird und die Verbindungslinien zwischen den waagerechten Strichen folglich nach links weisen, ist die Schriftrichtung beim phönizischen Zeichen umgekehrt, so daß ein Zeichen entsteht, daß dem hieratischen annähernd spiegelbildlich ist. Die frühen griechischen Alphabete verkürzen gern den Mittelteil und drehen das Zeichen um 90°, so daß es auf den äußeren Schenkeln steht und dadurch „stabil“ wird wie das Alpha. Auffallend ist der Unterschied zwischen dem griechischen und dem semitischen Buchstabennamen. Wie in allen Fällen solcher Abweichungen ist auch hier der griechische Name (my, d. h. /mu/) dem ägyptischen Wort näher als der semitische. Für die Erklärung des semitischen Namens stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: a) Man könnte annehmen, daß Mem nichts anderes als eine verkürzte Form des hebräischen Wortes Majim „Wasser“ ist, daß der Schrifterfinder also das ägyptische Wort einfach übersetzt hat, was er tun konnte, weil das akrophonische Prinzip gewahrt wurde. Aber „Wasser“ heißt in keiner semitischen Sprache wirklich mem, so daß dieser Erklärungsversuch nicht ganz befriedigt. b) Es wird daher besser sein, eine ägyptische Erklärung zu suchen. Da die dritte Spalte der postulierten Vorlage des Schrifterfinders das ägyptische Wort mw erklären sollte, kann man sich gut vorstellen, daß diese nicht einfach mw wiederholt, sondern ein verwandtes Wort herangezogen hat. (Die Vorlage vermeidet es ja auch sonst, die zu definierende hieratische Schrei-
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bung mit genau dem gleichen Wort zu erklären.) Hierfür hätte sich eine angeboten, die im Wb II, 53 als „Harn“ bzw. „feucht Schreibung sein“ aufgenommen ist, die aber gelegentlich durchaus für „Wasser“ benutzt wird. Anscheinend ist es eben diese Schreibung, die der Schrifterfinder als mjm transkribiert hat, weil er nicht verstanden hat, daß das Wasserzeichen am Wortende nur ein Determinativ ist, das er nicht in den Buchstabennamen hätte übernehmen sollen.102
(Kopie aus Wb II,53 mit Schriftrichtung von links nach rechts)
Ein wenig problematisch bleibt der griechische Buchstabenname noch.103 Das ägyptische Wort für „Wasser“ war mw mit einem Stammvokal ă, also măw. Der griechische Buchstabenname my = /mu/ erfordert, daß der ägyptische Vokal ă sich schon zu ŏ gewandelt hatte, das Wort also bereits mow bei der Entlehnung lautete. (Man kann sich vorstellen, daß der Lautwandel durch das vorausgehende m beschleunigt worden ist, während er bei den Buchstabennamen waw, san usw. noch nicht stattgefunden hat.) Die neue Form wäre griechisch als μοϝ > μου/mou geschrieben worden. Eine Aussprache von Omikron+Ypsilon als /u/ hätte dann eine Schreibung μυ/my zugelassen. Die ionische Nebenform μω/mō mit Omega ist vielleicht innergriechisch zu erklären und womöglich weniger eine Frage der Lautung als der Schreibung, weil das Omega eine ionische Erfindung ist, die erst 403/2 v. Chr. ins Attische übernommen worden ist.104 Es kann aber auch sein, daß sich in dieser Form eine Entlehnung aus einem unterägyptischen Dialekt widerspiegelt. Denn im bohairischen (unterägyptischen) Koptisch heißt „Wasser“ nicht wie im sahidischen (oberägyptischen) Koptisch mooü/mooy, sondern muoü/mōoy. Abschließend muß noch erwähnt werden, daß mehrere antike Autoren bei dem Versuch, den Namen des Moses (Μωυσῆς, Μωσῆς) zu erklären, überliefert haben, das ägyptische Wort für „Wasser“ sei μωυ gewesen.105
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5.14 Nun – Ny Hieroglyphe (N35)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Die Herleitung der graphischen Form dieses Buchstabens ist nach den Ausführungen zum vorhergehenden Buchstaben My sehr leicht, da er nur einen Querstrich weniger hat. Als Erklärung für die beiden übereinandergeschriebenen ägyptischen Buchstaben n hat die Vorlage des Schrifterfinders offenbar das Urgewässer „Nun“ (Wb II, 214; koptisch noün/noun) angeboten, was der Schrifterfinder unverändert als Buchstabennamen Nun übernommen hat. In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, heißt der Buchstabe ebenfalls noun (νουν). Der uns bekannte griechische Buchstabenname Ny (νυ) stimmt damit überein (y hat ursprünglich den Wert /u/), nur daß ihm das auslautende n abhanden gekommen ist, welches ja auch im Wort ny(n) „jetzt“ oft entfällt (sogenanntes Ny ephelkystikon, d. h. „abziehbares Ny“). Die Verkürzung ist gewiß durch die Nachbarschaft zu My gefördert worden. Daß der ägyptische Langvokal ā nach n nicht wie sonst zu ō, sondern zu ou > ū wird, entspricht den Regeln der ägyptischen Lautlehre.106 Es ist wohl nur ein „merkwürdiger“ Zufall, daß der gleiche Wegfall eines auslautenden n auch im deutschen Wort „im Nu“ (von „nun“ abgeleitet) vorkommt. 5.15 Samekh – Xi Hieroglyphe (R11)
Hieratische Formen
Phönizisch
Griechisch
Dieser Buchstabe ist einer von zweien im Alphabet, die semitisch und griechisch so unterschiedliche Werte und Namen haben, daß sie anscheinend nicht auf eine gemeinsame Wurzel zurückgeführt werden können. Der Grund hierfür liegt darin, daß die griechischen Alphabete keine Verwendung für so viele Sibilanten wie die semitischen Schriften hatten. Das Zeichen mit der Form erhielt daher einen neuen Wert, und zwar /ks/ oder /ts/, je nach der „Farbe“ der griechischen Alphabete.107
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Die graphische Form des Buchstabens ist ziemlich unveränderlich . Versucht man, diese Form als ein hieratisches Zeichen anzusehen, so ist jedem Kenner der hieratischen Schrift sofort klar, um welches Zeichen es sich handeln muß: Es kann nur der sogenannte Djed-Pfeiler sein (R11): . Das hieratische Zeichen unterscheidet sich paläographisch danach, ob es einen Fuß hat und ob oben drei oder vier Querstriche stehen. Formen ohne Fuß und mit nur drei Querstrichen, die also mit den ältesten phönizischen und griechischen Formen übereinstimmen, weist Möllers Paläographie unter Nr. 541 nur für die „Hyksoszeit b(is) Anfang d(er) Dyn. 18“ und die Zeit „Thutmosis III.“ nach. Da das Zeichen aber nicht gar so oft in hieratischen Texten vorkommt und da Möllers Paläographie von 1909–1912 natürlich veraltet ist, muß man hier mit Rückschlüssen vorsichtig sein. Die Hieroglyphe stellt eine Säule oder einen Pfeiler dar. Gardiner erklärt sie (R11) als „Säule, die ein Bündel aus zusammengebundenen Stielen nachahmt“ (column imitating a bundle of stalks tied together). Hiermit hängt die Bedeutung des Wortes Dd „Dauer“ zusammen. Unzählige Amulette und Darstellungen haben den Wunsch der Ägypter nach ewiger Dauer ihrer persönlichen Existenz über den Tod hinaus mit eben diesem Zeichen dokumentiert (Tafel 7). Der Schrifterfinder hat abermals die Erklärung seiner Vorlage nicht transkribiert, sondern übersetzt, weil ihm das ägyptische Wort und seine semitische Übersetzung mit dem gleichen Konsonanten D > s zu beginnen schienen. Samekh ( ) ָסמֶךheißt ja „Stütze“ und ist eine treffende Übersetzung für den Djed-Pfeiler. Die Form des semitischen Samekh und sein Name „Stütze“ passen in nicht zu übertreffender Weise zur ägyptischen Hieroglyphe Dd in ihrer hieratischen Schreibweise des Neuen Reiches. Wer hier an einen Zufall glauben mag, muß schon sehr viel Vertrauen in den Zufall haben. Der Lautwert /ts/, den das Zeichen in einigen alten griechischen Alphabeten hat,108 könnte dem entsprechen, was die Griechen beim ägyptischen /D/ gehört haben. Problematisch erscheint zunächst der häufigere Wert /ks/ des Buchstabens. Man kann sich vorstellen – wie es die meisten Autoren tun –, daß dieser Wert willkürlich festgelegt worden ist, weil ein weiterer Sibilant für die griechische Sprache überflüssig war. Nicht völlig auszuschließen ist aber die Möglichkeit, daß den Griechen zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort der ägyptische Laut so ähnlich wie /ks/ klang. Es ist gut vorstellbar, daß der Konsonant D schon im 1. Jahrtausend v. Chr. eine
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ähnlich unterschiedliche Aussprache in den verschiedenen Landesteilen Ägyptens hatte, wie ihn die koptischen Dialekte sehr viel später dokumentieren: Im bohairischen (unterägyptischen) Dialekt steht Djandja Ö (etwa wie dj mit konsonantischen j auszusprechen), wo die anderen Dialekte Gjima þ (etwa wie gj mit konsonantischem j auszusprechen) haben, sowie Gjima, wo die anderen Dialekte Djandja haben.109 Noch etwas gilt es zu bedenken: Der griechische Buchstabe Sigma entspricht den ägyptischen Lauten /s/ und /S/ (wie deutsches sch). Diese merkwürdige Doppelwertigkeit hat ihren Grund im graphischen Zusammenfall der hieratischen Schreibungen für sn und Sn, s. Kap. 5.21. Der Buchstabennamen Xi hätte daher vielleicht gar nicht mit der Doppelkonsonanz k+s, sondern mit k+S gesprochen werden sollen. Das müßte dann der Aussprache eines ägyptischen palatalisierten K-Lautes recht nahegekommen sein. (Palatalisierung bedeutet, daß bei der Aussprache eines Konsonanten der Zungenrücken zum Gaumen – lateinisch palatum – hin bewegt wird, wobei ein sekundärer Laut entsteht, der etwa wie ein j klingt.) Entsprechend könnte man für griechisches Zeta eine ursprüngliche Aussprache als palatalisierten Dental vermuten, also d/t+S, etwa wie in Djandja.110 Daß der Djed-Pfeiler in kryptographischen Texten, also solchen, die in einer Art Geheimschrift verfaßt sind, den Wert /s/ haben kann, hat wohl nichts mit seinem phonetischen Wert in den nordwestsemitischen Alphabeten zu tun.111 Das ägyptische Wort Dd hatte einen Tonvokal ĭ, der sich regelhaft zu ă gewandelt hat und im altkoptischen Wort tat/tat (Djed-Pfeiler) erhalten ist. 5.16 Ajin – O(mikron) Dieser Buchstabe ist in seiner graphischen Gestalt von den ersten Belegen bis in die heutige Zeit unverändert geblieben, nämlich ein Kreis. Eine so einfache geometrische Form kann eben nicht verkannt werden und sich eigenlich auch nicht verändern. Deswegen sind alle Versuche, das Zeichen Ajin von einem nicht kreisrunden Zeichen abzuleiten, von vornherein problematisch. Die bisherige Alphabettheorie hält das Zeichen für ein Auge, weil hebräisch Ajin „Auge“ heißt. Das ist zunächst einleuchtend, doch sollte man nicht übersehen, daß das kreisrunde Zeichen nur die Pupille, nicht das ganze Auge sein kann. Man vergleiche die ägyptische Augenhieroglyphe (D4) oder auch das in der protosinaitischen Schrift als Ajin erklärte Zeichen [. Trotzdem muß man zugeben, daß dieser Buchstabe eines der besten Argumente für
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die alte Theorie ist. Allerdings erlaubt diese keine Erklärung für die Divergenz zwischen dem semitischen Buchstabennamen Ajin und dem griechischen Namen O(mikron), d. h. „kleines O“. Wenn wir nun versuchen, auch diesen Buchstaben mittels einer ägyptischen Hieroglyphe bzw. ihrer hieratischen Entsprechung zu erklären, so kann von vornherein nur ein kreisförmiges Zeichen in Frage kommen. Da das zugrundeliegende Wort mit Ajin beginnen und als zweiten Radikal einen schwachen Konsonanten oder eine Liquida haben sollte, ist die Auswahl klein. Die Suche führt schnell zum Ziel: Es kann sich nur um die Hieroglyphe des Ringes (S21) handeln, welche |wow (1), oow (2) und owow (3) gelesen wird, vgl. die Kopie aus Wb I, 51: 1 2 3 Für die Ableitung des Buchstabennamens Ajin müssen wir uns an eine elegante Abkürzungsmöglichkeit der ägyptischen Schrift erinnern. Wenn zwei gleiche Wörter oder Wortteile unmittelbar aufeinanderfolgen, so braucht man diese nur einmal zu schreiben und dahinter das Zeichen sp-2, d. h. „zweiwäre also ohne weiteres als ‘w spmal“ zu setzen. Ein Wort ‘w‘w 112 schreibbar gewesen. Eben diese Schreibung scheint die Vorlage 2 des Schrifterfinders gehabt zu haben, denn der Buchstabenname Ajin läßt sich verstehen als Konsonant ‘ + Vokal a + semitische Dualendung -(a)jin > ‘a-jin > Ajin. Es ist nach Za-jin (Kap. 5.7) der zweite Dual unter den Buchstabennamen, und ebenso wie dort hat jene andere Tradition, der die griechischen Buchstabennamen verdankt werden, den Dual auch hier nicht übernommen, sondern das ägyptische Wort in seiner einfachen Form erhalten. Aus ‘w‘(w) ist so das griechische O(mikron) geworden. Auch die phonetische Qualität /o/ beruht auf dem ägyptischen Wort, weil sich dessen Tonvokal ă unter dem Einfluß des folgenden Ajin bereits um die Amarnazeit (14. Jh. v. Chr.) zu /ŏ/ gewandelt hat. Aus ägyptisch ‘a‘ᵕw hätte also regelmäßig griechisch (‘)o(‘)w > ou113 werden müssen. Etwas beunruhigend erscheint zunächst, daß das auslautende w im Buchstabennamen Taw/Tau erhalten ist, während es in O(mikron) fehlt. Diese Beunruhigung kann jedoch ein Blick ins griechische Wörterbuch schnell beseitigen: Der ältere Name des Omikrons ist nämlich Ou (ου), so wie der Buchstabe selbst in den ältesten griechischen Inschriften auch zur Bezeichnung des Diphthongs (Doppellauts) /o+u/ diente.114
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Die hier vertretene Alphabettheorie erlaubt es also, die graphische Form des Buchstabens und sowohl den semitischen als auch den griechischen Buchstabennamen aus dem Ägyptischen abzuleiten. Einen hieratischen Beleg kenne ich nicht; jedenfalls erscheint das Zeichen nicht in Möllers Paläographie. Hieroglyphe (S21)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
nicht belegt?
Übrigens hat m. W. bisher niemand erklären können, wieso die Griechen dem Schriftzeichen Omikron den phonetischen Wert /o/ bzw. /ou/ beigemessen haben. Warum haben sie ihn nicht zum /a/ gemacht, da doch der semitische Buchstabenname nach dem Stimmansatz den Vokal a hat? Die Antwort ist: Die Griechen haben ihr Alphabet nicht von jener Tradition übernommen, die zum phönizischen > aramäischen Alphabet geführt hat, sondern von einer anderen semitischen Tradition, möglicherweise über Kreta,115 welche die ägyptischen Bezeichnungen der Hieroglyphen besser bewahrt hat, in unserem Falle also als (‘)ow statt Ajin. 5.17 Pe – Pi Dieser Buchstabe ist einer der ersten, deren Form und Name mich zu der hier vorgetragenen Theorie geführt haben. Nach der bisherigen Theorie soll das einen Mund darstellen, weil das semitische Wort peh phönizische Zeichen „Mund“ bedeutet. Nun ist aber in dieser Zeichenform schwerlich ein Mund zu erkennen, wie gewiß auch die Vertreter der Standardtheorie zugeben werden. Irgendetwas kann hier nicht stimmen. Dagegen ist bei der Annahme, daß die semitischen Buchstaben ihre Form und ihren Namen der hieratischen Schrift verdanken, ziemlich leicht ein in jeder Beziehung passendes Zeichen zu finden. Da eine Hieroglyphe mit der Konstruktion „p + schwacher Konsonant oder Liquida“ gesucht wird, kommen tatsächlich nur zwei Hieroglyphen in Frage, nämlich p# und pr. Von diesen beiden kann die erste außer Acht gelassen werden, da ihre hieratische Schreibung keine Ähnlichkeit mit dem phönizischen Buchstaben hat. Hieroglyphe (O1)
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Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Tafel 1
Hieroglyphische Inschrift von der Weißen Kapelle Sesostris’ I. in Karnak Der ornamentale Charakter der Hieroglyphen wurde von den Ägyptern gern dadurch betont, daß sie diese sehr sorgfältig ausführten und in graphisch ausgewogenen Quadraten anordneten. Hier steht links der Horusname des Königs über einer Palastfassade, darunter folgt der Titel „König von Ober- und Unterägypten“ (Binse – vgl. Kap. 5.7 – und Biene). Rechts davon stehen gute Wünsche für den König, nämlich „alles Leben, alle Dauer (vgl. Kap. 5.15), alles Glück“.
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Tafel 2
Hieratische Schrift der Spätzeit (Pap. Sommerhausen 3) Theoretisch läßt sich jedes hieratische Zeichen auf die ursprüngliche Hieroglyphe zurückführen, vgl. hier Zeile 5:
„Mach dich davon, Apophis, Feind [des Re .....]!“ Aber manche Zeichen haben sich graphisch weit von ihrem Ursprung entfernt und sind nur schwer zu erkennen. Man beachte die kleinen roten Punkte zur Textgliederung.
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Tafel 3
Demotische Schrift, etwa 4. Jh. v. Chr. (Pap. Sommerhausen 2) Fragment einer unbekannten Lebenslehre in demotischer Schrift, anscheinend vom unteren Ende der ersten Kolumne. Die Zeilen x+1 bis x+6 beginnen mit dem Wort hmy, das sich übersetzen läßt mit „o wäre doch ...“. Die erste Zeile bedeutet „O wäre doch mein Haus gefüllt mit meinen Statuen!“
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Tafel 4
Kopie aus Lucien Etienne, Une découverte dans l’alphabet (1932) Nach der phantastischen Theorie von Lucien Etienne soll das Alphabet einen Bericht über den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten enthalten (vgl. S. 1–2). Tatsächlich sind ein paar Buchstaben fast richtig aus der hieratischen Schreibung ägyptischer Hieroglyphen abgeleitet, so auch der erste Buchstabe des Alphabets. Allerdings kommt das Aleph/Alpha nicht von der Hieroglyphe
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A1 (sitzender Mann), sondern A2 (Mann mit der Hand am Mund), vgl. Kap. 5.1.
Tafel 5
Holzbrett mit koptischer Alphabetübung (M. v. Wagner Museum Würzburg K 1027) Die Buchstaben des koptischen Alphabets sind hier im sogenannten Athbasch (Aleph – Tau – Beth – Cin) angeordnet, d. h. auf den ersten Buchstaben folgt der letzte des Alphabets, auf den zweiten der zweitletzte, usw. Die links äußerste senkrechte Zeile mit den Buchstaben a – u – b – Y (Alpha – Omega – Beta – Psi) ist verloren. Die letzte senkrechte Zeile bringt die sechs Zusatzzeichen der koptischen Schrift, allerdings in umgekehrter Reihenfolge, vgl. Kap. 8. Unten steht die griechische Abkürzung ICXP (Jesus Christus). Auf der anderen Seite des Bretts findet sich eine griechische Alphabetübung.
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Tafel 6
Fragment des Sign-Papyrus Die Abzeichnung eines Fragments des verkohlten Sign-Papyrus (vgl. Kap. 1.12) ist hier durch digitale Bildbearbeitung mit der natürlichen Papyrusfarbe und -struktur versehen. Die erste Zeile zeigt links neben dem senkrechten Strich die Hieroglyphe des Hauses (Gardiner O1) in etwas vereinfachter Form, links daneben die hieratische Schreibung des Zeichens und ganz links den hieratisch geschriebenen Namen der Hieroglyphe p#, woraus der Buchstabenname Pe bzw. Pi entstanden ist. Die Zeile liefert den Beweis für die in Kap. 5.17 vertretene Behauptung über die Herkunft dieses Buchstabens.
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Tafel 7
Amulett in Form eines Djed-Pfeilers (M. v. Wagner Museum Würzburg K 3067) Dieses seinerzeit überaus beliebte Amulett, das nach seiner Wortbedeutung „Dauer“ verspricht, ist als Hieroglyphe
(Gardiner R11) ein Zweikonsonantenzeichen für Dd. Als Zeichen wurde es
in die Byblos-Schrift übernommen L. Es ist zugleich der graphische Ursprung des phönizischen Buchstabens
Samekh (das heißt „Stütze“) und des griechischen
Xi, vgl. Kap. 5.15.
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Tafel 8
Demotische Alphabetübung Pap. Berlin P 23861, etwa 1. Jh. v. Chr., vielleicht aus Soknopaiu Nesos Das kleine Fragment einer demotischen Schreibübung bringt ganz rechts, sehr fragmentiert, die Monatsnamen in ihrer Reihenfolge. Daran anschließend folgen die Buchstaben des Alphabets in ihrer ägyptischen Anordnung, die von unserem Alphabet abweicht. Erhalten sind hier in der mittleren Kolumne, von oben nach unten: [...] s – l – b – ß – S – k – n – x [...]. Ganz links folgen [...] t – j – f – D – q und ein fast wie ein @-Zeichen aussehendes Schlußzeichen, wohl eine Lotosblume. Merkwürdig ist, daß die Zeichen f und D zweimal geschrieben sind. Das kleine Fragment erhält seinen Wert durch die Tatsache, daß es die bisher einzige „Alphabet“übung in ägyptischer (vorkoptischer) Sprache ist.
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Man sieht, daß die hieratische Schreibung der Hieroglyphe den ältesten Formen des Pe/Pi verblüffend ähnlich ist. Einer Ableitung der graphischen Form des Pe/Pi von der hieratischen Schreibung der Hieroglyphe pr „Haus“ (O1) läßt sich somit nichts entgegensetzen. Aber die graphische Form allein genügt nicht für einen überzeugenden Beweis; auch der Buchstabenname muß aus dem Ägyptischen erklärbar sein. Der semitische Buchstabenname ist pj (> griechisch Pi), was nach den bisherigen Ergebnissen einem ägyptischen p# entsprechen sollte, weil die semitischen Buchstabennamen ein ägyptisches Aleph regelmäßig mit Jod transkribieren. Das heißt, die Vorlage des Schrifterfinders müßte die Hieroglyphe pr mit p# erklärt haben. Eine solche Erklärung wäre sinnvoll, weil seit dem Neuen Reich ein r am Wortende nicht mehr gesprochen bzw. durch ein Aleph ersetzt wurde und weil es wohl zwei verschiedene Wörter pr gegeben hat, von denen eines das r tatsächlich verloren hat.116 In diesem Falle erlaubt nun glücklicherweise der Sign-Papyrus eine Kontrolle, weil dort die entsprechende Stelle erhalten ist. Sie sieht so aus (Kol. XVI.1)
3
2
1
(1 = Hieroglyphe pr, etwas vereinfacht, 2 = hieratische Schreibung, 3 = Erklärung p + # + Hausdeterminativ)
Das heißt, der Sign-Papyrus hat genau das, was eben theoretisch als Vorlage des Schrifterfinders postuliert worden ist,117 vgl. Tafel 6. 5.18 Íade – Sampi Hieroglyphe
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch Ͳ
Dieser Buchstabe gehört zu den schwierigsten des Alphabets, weil der semitische und der griechische Buchstabenname keinen internen Bezug erkennen lassen und weil das Zeichen im klassischen Griechisch nur als Zahlzeichen (Ͳ für 900) verwendet wird.
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Da der hebräische Buchstabe Íade in der Regel mit einem ägyptischen D korrespondiert, muß als sein Ursprung ein ägyptisches Wort der Konstruktion D + schwacher Konsonant oder Liquida gesucht werden, also D.t „Ewigkeit“, Dw „Berg“ oder auch Dd „sagen“ (weil dessen auslautendes d im Neuen Reich bereits geschwunden war). Es sollte sich aber um ein Wort handeln, das den Wert des anlautenden Konsonanten /D/ noch besaß und nicht bereits in d > t verwandelt hatte (wie dr.t „Hand“, s. hier unter 5.4 Daleth). Erfreulicherweise ist die hieratische Schreibung von Dd „sagen“ den frühen Formen des phönizischen Íade hinreichend ähnlich, um als dessen graphischer Ursprung gelten zu können. Wenn der semitische Buchstabenname das d von Dd getreulich überliefert, obwohl es doch, wie eben gesagt, im Neuen Reich nicht mehr gesprochen wurde, so ist das ebenso wie die Bewahrung der femininen Endungen auf -.t als gelehrte Transkription zu erklären. Probleme macht jedoch noch das Jod am Ende des Buchstabennamens. Da in den semitischen Buchstabennamen Jod regelmäßig für ein ägyptisches Aleph steht, sucht man zunächst nach einem ägyptischen Wort Dd#. Ein solches Wort gibt es: Es bedeutet „fett, reif (sein)“ und lautet in koptischer Sprache öate (Date). Gerade dieses Wort wird seit der 18. Dynastie gelegentlich wie Dd „sagen“ geschrieben (Wb V, 631), wenn man von den Determinativen absieht. Es ist also gut vorstellbar, daß die Vorlage des Schrifterfinders tatsächlich so aussah: Erklärung (in Hieroglyphen)
Hieratische Schreibung
Hieroglyphe
Nach Osing, Nominalbildung, 427/8 hatte das ägyptische Wort einen Haupttonvokal ĭ/e, der regelmäßig zu ă wird, wie er im Buchstabennamen Íade erscheint. Der griechische Buchstabe Sampi wurde nur in früher Zeit in einigen ionischen Dialekten als Zeichen für ss und tt verwendet (vielleicht aus ts entstanden) und wurde später nur noch als Zahlzeichen für 900 gebraucht. Der Name des Zeichens Sampi ist bisher unerklärt, er ist jedenfalls nicht von Dd# > Íade ableitbar. Er sieht aus wie eine Zusammensetzung von San und Pi mit Assimilation (Angleichung) zu m vor p.118 Vielleicht ist damit gemeint: das San (nach) Pi im Unterschied zu San = Sigma.
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Erst kurz vor Abgabe des Manuskripts ist mir eingefallen, daß man den Namen vielleicht als semitische Teilübersetzung ähnlich wie Aleph erklären kann, sofern denn der Name wirklich alt ist.119 Dann würde Sa(mpi) dem ägyptischen /D(d)/ entsprechen und (Sam)pi dem hebräischen Wort „Mund“ wie in Aleph. Die Buchstabenerklärung hätte in der Vorlage des Schrifterfinders also vermutlich Dd m r# „Sprechen mit dem Mund“ gelautet, was eine geläufige ägyptische Verbindung ist (Wb V, 618). Die ägyptische Präposition m hätte der Semite mit der Präposition min übersetzen müssen, so daß der ganze Buchstabenname etwa sa-min-pi gelautet hätte, was zu Sampi verkürzt wurde. Das wirklich Aufregende an dieser Erklärung ist die Tatsache, daß Sampi richtiger ist als der Name Íade, denn tatsächlich muß das ursprüngliche Silbenzeichen Da (aus Dd „sagen“) gewesen sein, nicht Di (aus Dd# „Fettes“), wie in Kapitel 6.2 bei den Ausführungen zu den Sibilanten nachgewiesen werden wird. Warum das semitische Wort für „Mund“ im Falle des Aleph als bloßes -p erscheint, im Falle des Sampi jedoch als pi, bedarf noch der Klärung. Ein Grund könnte der Anklang des Buchstabennamens an das semitische Wort für „Rind“ sein. 5.19 Qoph – Qoppa Hieroglyphe (W11)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Der Buchstabe Qoph/Qoppa zeigt ebenso wie Kaph/Kappa eine Endung, die nicht zum ursprünglichen Namen gehören kann, weil sie der Konstruktion Konsonant + Vokal + schwacher Konsonant widerspricht. Lassen wir versuchsweise diese Endung weg, so erhalten wir qo und werden veranlaßt, nach einem ägyptischen Wort q(w) oder g(w) zu suchen, das ebenso wie k# > Kaph/Kappa mit einem Rind determiniert werden kann. Das Wort ist schnell gefunden: Es lautet gw
(Kopie
aus Wb V, 159). Die erneute Verlesung des Stierdeterminativs als f(i) ist dem Schrifterfinder um so leichter nachzusehen, als es ein ägyptisches und wohl auch semitisches Wort gwf/gjf gab, das „Meerkatze“ bedeutete (Wb V, 160 und 158) und hebräisch קוף/qwp (griechisch κῆπος/kēpos) lautete.
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Das Zeichen g (W11) stellt eigentlich einen Krugständer dar, ist aber als Wort in historischer Zeit nicht mehr lebendig. Die Vorlage des Schrifterfinders mußte das Zeichen daher mit einem anderen Wort – eben gw „Art Stier“ – erklären. u. ä. und läßt sich recht Die graphische Form des Buchstabens Qoph ist gut von hieratischen Schreibungen des Krugständers g ableiten, wenn man diese um 180° dreht. Die graphische Veränderung, die zu den frühen Formen des Qoph führt, ergibt sich zwanglos durch die andere Strichführung nach der Drehung. Im Griechischen wurde der Buchstabe ursprünglich für k vor o und u benutzt, später jedoch aus dem Alphabet ausgeschieden und nur noch als Zahlzeichen (für 90) verwendet. Auch im Lateinischen wie im Deutschen folgt dem q immer ein u, ein alleinstehendes q kommt nur in Abkürzungen vor. Mit anderen Worten: Der ursprüngliche Silbenwert des Zeichens als ku > kw ist erhalten geblieben, weil es in den europäischen Sprachen im Unterschied zu den semitischen keinen dritten, emphatischen K-Laut gibt. 5.20 ReS – Rho Hieroglyphe (E23)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Schon E. de Rougé hat vorgeschlagen, diesen Buchstaben vom ägyptischen Wort r# „Mund“ in seiner hieratischen Schreibung herzuleiten. Die graphische Nähe und die sprachliche Übereinstimmung zwischen dem griechischen Buchstaben Rho und dem ägyptischen Wort r# > koptisch ro/ro ist so überzeugend, daß schwer zu verstehen ist, wieso man danach ganz andere Vorschläge gemacht hat, die bis zum heutigen Tage weithin vertreten werden. Ein Grund für diese m. E. verfehlten Gegenvorschläge liegt im semitischen Buchstabennamen ReS, der so sehr zum hebräischen Wort ר ֹאשׁ/roS „Kopf“ zu passen scheint. Und ist in der protosinaitischen Schrift nicht das Zeichen r ein Kopf? Nur: Es ist keineswegs bewiesen, daß das protosinaitische Zeichen wirklich für den Laut /r/ steht. Bis zum 1973 geäußerten Vorschlag des Verfassers gab es keine Möglichkeit, den Unterschied der Buchstabennamen ReS/Rho zu erklären. Unter der in der Einleitung geschilderten Voraussetzung, daß der semitische Schrifter-
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finder nur jene Teile der ägyptischen Zeichenerklärung in Transkription übernommen hat, die er zur Wahrung des akrophonischen Prinzips brauchte, daß er dagegen die anderen Teile der ägyptischen Buchstabenerklärung ins Semitische übersetzt hat, ergibt sich zwanglos r-|S (rêS) als r# (ägyptisch „Mund“) des Mannes (hebräisch –|S). Als ich mir diese Erklärung ausdachte, hielt ich sie zunächst selbst für gewagt. Zum Glück liefert der Sign-Papyrus die Bestätigung für diesen Vorschlag. In Kol. VI.1 steht nämlich
(1 = Hieroglyphe, zerstört, 2 = hieratische Schreibung, 3 = Erklärung r# „Mund“, 4 = n rmt „des Menschen“)
Das ist genau die Definition des Buchstabens r#, die zuvor vermutet worden ist.120 Damit ist einerseits die graphische Form des Buchstabens ReS/Rho, andrerseits die Verschiedenheit der Buchstabennamen in überzeugender Weise erklärt. Die oben von mir mit einem Rechteck begrenzten Zeichen bedeuten ra# „Mund“, ein Wort, das seit der Amarnazeit > ro# (> koptisch ro/ro) gelautet hat, also wie der griechische Buchstaben R(h)o. (Das h ist unsere Konvention für die lateinische Umschrift des griechischen Buchstabens.) Es geht noch weiter: Die griechischen Alphabete haben überwiegend ein Rho in der Form des lateinischen P. In speziellen Alphabeten, wie dem böotischen, hat das Rho dagegen noch einen kleinen Schrägstrich, wie er im lateinischen R und dann auch in unserem Alphabet erscheint. Mit Überraschung habe ich festgestellt, daß sich dieser kleine Schrägstrich mühelos aus der ägyptischen Schrift erklären läßt. Das Wort r# „Mund“ wird nämlich gern in . (Die dem r# hinzugefügten Zeichen sind einem Quadrat so geschrieben: ein kleiner Strich, der anzeigt, daß die Bildbedeutung der Hieroglyphe gemeint ist, sowie ein Stück Fleisch als Determinativ für einen Körperteil.) Setzt man das ins Hieratische um, so ergibt sich zwanglos etwas wie . Das heißt, der kleine Schrägstrich des R, der den Unterschied zwischen dem griechischen Rho (P) und dem lateinischen R bewirkt, geht auf das ägyptische Fleischdeterminativ zurück! Das mag überraschen, weil kein anderer Buchstabe ein Determinativ in die Schreibung integriert, aber gerade bei der Gruppe für „Mund“ geschieht genau das auch in der syllabischen Schrift des Papyrus Amherst 63.
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Noch ein Wort zur Vokalisierung des griechischen Buchstabennamens: Sie entspricht genau dem, was man für die vermutliche Zeit der Entlehnung (vor dem 8. Jh. v. Chr.) nach der ägyptischen Lautentwicklung erwarten muß. Die generelle Lautveränderung von einem kurzen betonten à zu einem kurzen ŏ ist erst in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. abgeschlossen. Bei Wörtern, in denen das kurze à jedoch vor einem Aleph steht, wie eben rà# „Mund“ (koptisch ro/ro), erfolgt die Veränderung bereits in der Amarnazeit (14. Jh. v. Chr.). Es paßt daher vorzüglich, daß andere Buchstabennamen wie Waw und San das kurze à bewahrt haben. Der Unterschied in der Länge des auslautenden Vokals (koptisch ŏ, griechisch ō) dürfte sich innergriechisch erklären. Der griechische Vokal Omikron hatte ursprünglich den Wert o+u (Kap. 5.16), und dieser Diphthong wurde regelgemäß zu einem langen ō kontrahiert (zusammengezogen).
5.21 Sin – San und Cin – Sigma Die Buchstaben Sin und Cin werden in der phönizischen Schrift mit dem gleichen Zeichen geschrieben. Noch in der hebräischen Schrift ist ihre Unterscheidung nur durch die Punktierung ( = שׂSin, = שׁCin) möglich, welche erst von den Masoreten (jüdische Schriftgelehrte nach dem 5. Jh. n a c h Chr.) eingeführt wurde. Dieser an sich sehr merkwürdige und unpraktische Zusammenfall zweier durchaus verschiedener Laute hat seinen Grund in der hieratischen Schrift der 19. Dynastie, denn von diesem Zeitpunkt an werden die Hieroglyphen sn (T22) und Sn (E23) in der Regel hieratisch vollkommen gleich geschrieben, s. Möller, Hieratische Paläographie III, Nr. 596 und 521.121 Das heißt, ein Zusammenfall zweier verschiedener Zeichen, der in der hieratischen Schrift selten zu Mißverständnissen führt, ist vom Schrifterfinder übernommen worden, obwohl dies der semitischen Sprache überhaupt nicht angemessen war. Hieroglyphe (V7) (T22)
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Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Wenn wir uns nun den Buchstabennamen zuwenden, so läßt sich erneut feststellen, daß die griechischen Buchstabennamen den ägyptischen Wörtern näherstehen als die semitischen. Das Wort sn „Bruder“ hat im Neuen Reich san gelautet (koptisch in verschiedenen Dialekten san/san oder son/son). Eben dies – σαν/san – ist ein alternativer Name für den Buchstaben Sigma, welcher in jedem altgriechischen Wörterbuch steht, im allgemeinen Bewußtsein aber durch Sigma ganz verdrängt ist. Herodot (I.139) hat überliefert, daß die Dorer den Buchstaben San nannten, der bei den Joniern Sigma hieß. Der Name Sigma ist dagegen nur dann aus dem Ägyptischen erklärbar, wenn man annimmt, daß er durch Metathese (Umstellung) aus einem ursprünglichen *simga (bzw Simga) entstanden ist. Eine solche Metathese ist um so eher verständlich, als im Griechischen die Konsonantenfolge m-g/k selten ist, während die umgekehrte Folge häufig vorkommt.122 Wenn wir also von einer Form σιμγα/simga bzw. Simga ausgehen, so ist für den Ägyptologen evident, wie diese etymologisiert werden kann: als Sinw-wa. Bei der griechischen Wiedergabe ägyptischer Namen erscheint nämlich die Konsonantenfolge n-w-w regelmäßig als μγ/mg, wie z. B. im Namen "r-|n-wwj > ‘Αρομγους/Haromgous.123 Die so erschlossene Form Sinᵕw-wa besteht aus einem ägyptischen Wort Sinᵕw und der griechischen Verdoppelung des auslautenden Konsonanten zur Anfügung der Endung -a (wie Gam-ma, Kap-pa, Qop-pa). Daß das auslautende -w im ägyptischen Wort als Konsonant empfunden wurde – und nicht als Vokal wie in Wau und Tau oder My und Ny –, der zur Anfügung der Endung -a zwang, dürfte auf die Zweisilbigkeit des Wortes zurückzuführen sein. Leider läßt sich, soweit ich sehe, zur Zeit nicht bestimmen, welches der vielen im Wörterbuch verzeichneten Wörter der Form Snw (Wb IV, 488 ff.) in der Vorlage des Schrifterfinders gestanden hat. Man möchte gern das Wort Snw „Ring“ (Wb IV, 491) erwarten, dessen Vokalisation aber m. W. nicht erschließbar ist, weil es koptisch nicht überliefert ist. Wegen der Erhaltung des Vokals i im Buchstabennamen – gegen Aleph, Gamma usw. – sollte das Wort die Form Sīnᵕw gehabt haben.124 Für die Annahme, daß das Wort „Ring“ vorliegt, spricht die Doppelung mit dem anderen Wort für Ring im Buchstaben Ajin, vgl. Kap. 6. Bei den semitischen Buchstabennamen gibt Cin die eben erschlossene Form bis auf das fehlende -w gut wieder, während Sin (< san) offenbar fehlerhaft in der Vokalisierung an Cin angeglichen wurde.
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5.22 Taw – Tau Für den letzten Buchstaben des semitischen Alphabets Taw T ist vermutet worden, daß er mit dem Ṭhet verwandt ist, daß der eine die Differenzierung des anderen sei.125 Da beide Dentale sind und sich in ihrer Gestalt nur durch den umschreibenden Kreis unterscheiden, liegt diese Annahme nahe. Nachdem nun hier das Theta auf die Hieroglyphe zurückgeführt worden ist, müßte sich Taw folglich von einer Hieroglyphe herleiten lassen. Eine solche Hieroglyphe existiert (Gardiner N14) und sieht hieratisch so aus (Möller, Hieratische Paläographie II, Nr. 314):
Man sieht, daß der Stern auch im Hieratischen in der Regel fünf Strahlen behält. Aber die unteren Strahlen sind gerade wieder in einigen Handschriften der 19.–20. Dynastie so eng beieinander, daß fast ein Kreuz entsteht. So ist es also graphisch sehr gut möglich, daß der Buchstabe Taw/Tau hier seine Wurzel hat. Hieroglyphe (N14)
Hieratische Form
Phönizisch
Griechisch
Wie steht es aber mit dem Namen des Zeichens, das sich nach der hier vertretenen Theorie im Buchstabennamen erhalten haben müßte? Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand, denn der Stern hat neben der Lesung sb# auch die Lesung dw#. Von den verschiedenen Wörtern mit diesem Konsonantenbestand (Wb V, 422 ff.) wird man für unsere Überlegungen zuerst das Wort dw#(w) „Morgen“ heranziehen, welches manchmal tatsächlich nur mit der Hieroglyphe des Sterns geschrieben wird, der dann gewiß als „Morgenstern“ zu verstehen ist. Die Vorlage des Schrifterfinders sollte also etwa so ausgesehen haben, wie es der Sign-Papyrus in Kol. XIII.9 zeigt:
Das ist in hieroglyphischer Transkription:126
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Die Lesung der Hieroglyphe hat der Schrifterfinder konsequent als Buchstabennamen Taw/Tau überliefert. Für die Vokalisierung muß man bedenken, daß das a vermutlich – wie in Gamma – auf ein altes ägyptisches i zurückgeht. Die koptische Form des Wortes +oü/tiou „fünf“ lehrt, daß der Tonvokal des ägyptischen Wortes ein langes ī gewesen ist. (Osing, Nominalbildung, 23, 313, 329, 491). Der Vokal des Buchstabennamens ist nur zu erklären, wenn man ein ägyptisches Wort der Form diw mit kurzem Tonvokal ĭ zugrunde legt, der sich regelmäßig zu einem kurzen ă entwickelt (Osing, Nominalbildung, 11). Ob ein solches, hier zu forderndes Wort eine Nebenform zu dj.w „fünf“ oder ein sonst nicht belegtes Wort für „Stern“ ist, muß hier dahingestellt bleiben. Die erste Möglichkeit könnte sich vielleicht auf das koptische Wort tajoü/taiu „fünfzig“ berufen, doch ist dessen Erklärung außerordentlich kompliziert (Osing, Nominalbildung, 393). Das einzige, worüber man sich jetzt noch wundern muß, ist der Umstand, daß die ägyptischen Wörter d#.t und dw# mit dem gleichen Konsonanten anlauten und doch zu unterschiedlichen Buchstaben, eben Ṭhet und Taw, geführt haben sollen. Aus dieser zunächst wie ein Widerspruch wirkenden Tatsache gibt es nur einen einzigen Ausweg: Der Schrifterfinder hat die beiden ägyptischen Wörter nicht deshalb gewählt, weil sie mit verschiedenen Konsonanten beginnen – denn das tun sie ja gerade nicht –, sondern weil deren anlautendem Konsonant ein unterschiedlicher Vokal folgte, nämlich du > Ṭhet und di > Taw. Das heißt aber nicht mehr und nicht weniger, als daß der Schrifterfinder gar kein Alphabet, sondern eine Silbenschrift hat schaffen wollen! Diese Erkenntnis, die von fundamentaler Bedeutung für die Entstehung des Alphabets ist, ergibt sich zwangsläufig aus der hier vorgeschlagenen Herleitung der Buchstaben Ṭhet und Taw. Im nächsten Kapitel wird zu untersuchen sein, ob die anderen Buchstaben die gleiche Schlußfolgerung erlauben.
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6. ZUSAMMENFASSENDE BEOBACHTUNGEN Die bisherigen Beobachtungen zu den Buchstabennamen und ihrer Vokalisierung sowie zu den Drehungen der Schriftzeichen und zur Auswahl der Hieroglyphen sollen durch die folgende Zusammenfassung deutlicher werden. 6.1 Die Namen der Buchstaben Wir haben gesehen, daß der Sign-Papyrus in der dritten Spalte die Hieroglyphen erklärt, teilweise mit den korrekten Namen der dargestellten Objekte oder Lebewesen, teilweise mit einer Art „Spitzname“. Ganz ähnlich bezeichnen heutige Ägyptologen das Zeichen im Unterricht nicht als „A2“ nach der Gardiner-Liste, sondern als „Mann mit Hand am Mund“. Niemand nennt die Hieroglyphe „D40“, sondern jeder versteht die Bezeichnung „schlagender Arm“. Das heißt: Die Erklärungen im Sign-Papyrus sind tatsächlich die Namen der Hieroglyphen, und aus solchen Namen der Hieroglyphen sind die hebräischen und griechischen Buchstabennamen geworden. Gerade deswegen sind sie auch so genau über die Jahrhunderte überliefert worden. 6.1.1 Die Konsonanten der Buchstabennamen Für die Übernahme der ägyptischen Erklärungen einzelner Zeichen als Buchstabennamen lassen sich nun klare Regeln formulieren. – 1. Die ägyptischen Wörter werden aus der Schreibung in Umschrift übernommen, das heißt, ein feminines .t wird beibehalten, obwohl es längst nicht mehr gesprochen wurde: Beth/Beta, Daleth/Delta, Zajin/Zeta, "eth/Eta, Ṭeth/Theta, Jod/Jota. Bei Unterschieden zwischen den semitischen und den griechischen Buchstabennamen (hier kursiv markiert) ist meistens die griechische Form die korrektere. Übrigens: Die femininen Nomina stehen nur in der ersten Hälfte des Alphabets. Ob das mehr als ein Zufall ist, läßt sich zur Zeit nicht entscheiden. – 2. Bei der Transkription der ägyptischen Wörter ins Semitische entspricht einem ägyptischen Aleph regelmäßig ein semitisches Jod. Umgekehrt geht das Aleph/Alpha auf ein ägyptisches Jod zurück. – 3. Besteht die ägyptische Worterklärung aus mehreren Wörtern, wird im Semitischen nur das erste Wort transkribiert, weil das akrophonische Prinzip bewahrt werden muß. Die folgenden Wörter werden übersetzt, ebenso ägyp-
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tisches sp-2 („zweimal“) durch die Dualendung, vgl. dazu die Kapitel zu A-leph, Za-jin (gegen Zeta), A-jin (gegen O-mikron), R-eS (gegen Rho). Wenn es möglich ist, daß die ägyptische Worterklärung unter Wahrung des akrophonischen Prinzips komplett ins Semitische übersetzt wird, so geschieht dies wie bei Samekh und vielleicht auch Mem. – 4. Die griechischen Buchstabennamen übernehmen die semitischen Teilübersetzungen nur bei Alpha und die Dualendungen gar nicht. – 5. Da im Schulunterricht die Determinative anscheinend erst in einem fortgeschrittenen Stadium gelehrt wurden,127 ist dem Schrifterfinder bei zwei Buchstaben der Fehler unterlaufen, daß er ein Determinativ als Schreibung des Zeichens f(j) verstanden und dieses so transkribiert hat, vgl. die Kapitel 5.11 zu Kaph und 5.19 zu Qoph. Dieser Fehler hat sich bis in die griechischen Namen erhalten und beweist, ebenso wie Aleph, daß die griechische Schrift auf einer semitischen Überlieferung beruht, wenn auch nicht auf der gleichen, die zum phönizischen Alphabet geführt hat. Ein ähnlicher Fehler liegt vielleicht beim Buchstaben Mem vor. 6.1.2 Die Vokale der Buchstabennamen Bei der Behandlung der Buchstabennamen wurde vielfach auf die Vokale in ihnen eingegangen. In diesem Kapitel sollen die Einzelergebnisse systematisch betrachtet werden. Das Kapitel wird unvermeidlich theoretisch und ein wenig trocken werden. Ich empfehle den ägyptologischen Laien unter meinen Lesern, es vielleicht nur „quer zu lesen“ oder ganz zu überspringen. Zunächst muß man sich fragen, ob man denn überhaupt erwarten darf, daß die semitischen und die griechischen Buchstabennamen die Vokale der ägyptischen Wörter korrekt bewahrt haben. Die phönizische Schrift und die von ihr abgeleiteten linearen nordsemitischen Schriften schreiben ja keine Vokale. Erst in sehr später Zeit (ab 5. Jh. nach Chr.) haben jüdische Schriftgelehrte, die sogenannten Masoreten, für das Alte Testament ein System von punktund strichförmigen Zusatzzeichen entwickelt, um die Vokale der Wörter sicher zu bezeichnen, ohne den konsonantischen Text der heiligen Bücher zu verändern. Ähnlich wurden dann auch die graphisch gleichen Buchstaben Sin und Cin unterschieden (Kap. 5.21). Die semitischen Buchstabennamen sind uns nur aus einigen Büchern des Alten Testaments bekannt. Das heißt, daß die Vokale dieser Buchstaben von der Entwicklung des Alphabets – also spätestens vom 13. Jahrhundert v. Chr.
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an – bis zur schriftlichen Fixierung durch die Masoreten nur mündlich überliefert worden sein können. Da diese Buchstabennamen aber, wie früher ausgeführt wurde, nur in manchen Fällen eine hebräische Wortbedeutung haben bzw. wie hebräische Wörter aussehen, wäre die Bewahrung der Vokale über 2000 Jahre eigentlich nicht zu erwarten. Allerdings könnten sie durch eine Schrift mit Vokalzeichen wie die Keilschrift überliefert worden sein. Etwas günstiger sieht die Sache hinsichtlich der griechischen Buchstabennamen aus, da ja die griechische Schrift von ihrem Anfang an – also ungefähr seit dem 9 Jh. v. Chr. – Vokale schreibt. Aber auch hier können die Vokale über Jahrhunderte nur mündlich überliefert worden sein. Die getreue, über viele Jahrhunderte hinwegreichende Überlieferung der ägyptischen Wörter als Buchstabennamen, ob einschließlich der Vokale oder ohne sie, ist auf jeden Fall ein erstaunliches Phänomen. Dieses wird aber durch die hier vorgetragene Theorie leichter verständlich. Man muß nämlich annehmen, daß es nach der ersten Fixierung der für das Alphabet benutzten ägyptischen Zeichen zahlreiche Niederschriften dieser Zeichen gegeben hat. Daß solche ägyptischen Niederschriften, die immer wieder als Vorlage für die semitische und griechische Schrift benutzt werden konnten, bisher nicht bekannt geworden sind, muß der Zufälligkeit des uns erhaltenen Materials zugeschrieben werden. Es ist aber auch möglich, daß eine entsprechende Überlieferung, vielleicht nur in fragmentiertem Zustand, in irgendeinem Museum liegt und bisher nicht in ihrer Bedeutung erkannt worden ist. (Zum Beweis für diese Behauptung sei auf das erste ägyptische Alphabet hingewiesen, das ich selbst erst 1999 entdeckt habe und das hier auf Tafel 8 vorgestellt wird.)128 Die Voraussetzung solcher ägyptischer Vorlagen erlaubt die Annahme, daß die „Schrifterfinder“ immer wieder neu auf sie zurückgreifen konnten. Dadurch wird einerseits die erstaunlich geringe Veränderung der abgeleiteten semitischen und griechischen Buchstabenformen erklärbar, andererseits wird auch der Zeitraum für die ausschließlich mündliche Überlieferung der Buchstabennamen einschließlich ihrer Vokalisation verringert. Die Untersuchung der Vokalisation der Namen wird dadurch erschwert, daß sich in Ägypten zwischen der Amarnazeit (14. Jh. v. Chr.) und der Assyrerzeit (7. Jh. v. Chr.) die Qualitäten der Vokale grundlegend geändert haben, wodurch eben – wie unten ausgeführt werden wird – die als Silbenschrift geplante Auswahl der Schriftzeichen nicht mehr funktionieren konnte. Beispielsweise wird aus einem kurzen ă ein kurzes ŏ, doch findet dieser Wandel nicht gleichzeitig in allen Silben statt, sondern beginnt mit Silben, die auf
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Aleph enden, bereits in der Amarnazeit und ist wohl erst in der Assyrerzeit in allen Silben abgeschlossen. (Dabei dürften auch Unterschiede in verschiedenen Landesteilen geblieben sein, da noch einige koptische Dialekte das kurze ă bewahrt haben.) Da es aus der Zeit zwischen dem späten Neuen Reich und der Assyrerzeit keine Wiedergaben ägyptischer Wörter in einer Schrift mit Vokalen gibt, ist hinsichtlich des Zeitpunkts des Vokalwandels in vielen Fällen derzeit nichts Sicheres feststellbar. Nun fällt aber die Entlehnung des griechischen Alphabets genau in diese Zeitspanne. Über den genauen Zeitpunkt der Entwicklung des griechischen Alphabets gibt es eine ausgedehnte Diskussion, die hier nicht zu behandeln ist. Wenn ich es recht sehe, nehmen die meisten Autoren etwa das 8. oder 9. Jh. v. Chr. an. Die Vokale der Buchstabennamen scheinen jetzt einen neuen Anhalt für den Zeitpunkt ihrer Entlehnung zu geben, weil das kurze ă im Buchstaben ră# > rā > Rhō zu ō verändert ist, im Buchstaben săn > San dagegen erhalten ist. Wenn die Buchstabennamen uns auch die Vokalisierung der ägyptischen Wörter korrekt überliefert hätten, müßten sie die uns bekannten Veränderungen der betonten Vokale widerspiegeln. Das tun sie tatsächlich in den meisten Fällen, doch bleiben hier noch ein paar Unsicherheiten. – 1. Der generelle Wandel ă (kurzes a) > ŏ, der in der Zeit zwischen 550 und 450 v. Chr. abgeschlossen ist,129 hat bei einigen Buchstabennamen keinen Niederschlag gefunden, sondern das ă ist erhalten in Waw, Za(jin), Kaph. Das kann nicht überraschen, da das Alphabet ja vor dem 1. Jahrtausend erfunden worden ist. – 2. Der Vokalwandel ă > ŏ beginnt bei Wörtern der Konstruktion Konsonant + ă + Aleph schon in der Amarnazeit. Da das ägyptische Wort „Mund“ r# diese Konstruktion aufweist, ist R(h)ō130 die Form, die man nach dem 14. Jahrhundert v. Chr. erwarten muß, vgl. koptisch ro. (Daß der Vokal im Griechischen lang ist, im Koptischen aber kurz, dürfte auf einer innergriechischen Entwicklung beruhen.) Mit anderen Worten, der griechische Name gibt uns einen terminus post quem für die erste Entlehnung des Alphabets. Daß im Buchstabennamen Lamed/Lamda, dessen erste Silbe auf |mj-r# zurückgeht, der Vokalwechsel ă > ŏ nicht stattgefunden hat, liegt daran, daß die Silbe nicht am Wortende stand, sondern durch das direkt angefügte -med geschützt war. Ebenfalls bereits in der Amarnazeit wird ă zu ŏ, wenn dem Vokal ein Ajin (u. a.) folgt. Zur Zeit der Entwicklung des griechischen Alphabets hat das Wort oăwoᵕw bereits wie oŏwoᵕw geklungen. Da die griechische Schrift den
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Konsonanten Ajin nicht schreibt, entsteht aus oŏwoᵕw die griechische Wiedergabe ου-υ, was zu ου gekürzt wird. Dies aber ist genau der alte Name des Buchstabens, der uns als Omikron bekannt ist. – 3. Auch beim Buchstaben My (/mu/) hat der Lautwandel ă > ŏ zur Zeit des ersten griechischen Alphabets (9. Jahrhundert?) bereits stattgefunden. Dies ist vermutlich auf den Einfluß des vorausgehenden Lautes m zurückzuführen (vgl. Kapitel 5.13). – 4. Der Wandel von ā (langes a) zu ō ist nur im Buchstaben Jota erfolgt. Aus ägyptischem #ă(#).ᵕt > #ā.ᵕt wird der Buchstabe Jod/Jota. Im hebräischem Namen Jwd ( > )יוֹדJod ist das auslautende t (aus der ägyptischen Femininendung) zu d verwandelt, weil das semitische Wort jad „Hand“ eingewirkt hat. Die Schreibung mit Waw ist nicht aus dem ägyptischen Wort ableitbar, sondern als Pleneschreibung (Vollschreibung) zu erklären, in der der Vokal o durch den nachgestellten Semikonsonanten (Halbkonsonanten) Waw verdeutlicht wurde.131 In Daleth ist das ā erhalten, in Delta ist es wohl innergriechisch abgeschwächt. Ganz regelmäßig ist der Lautwandel ā > ū nach dem Konsonanten n im Buchstaben Nun/Ny(n).132 Sehr verwunderlich und zunächst ganz unerklärlich ist, daß das lange ā im ägyptischen Wort H.t „Haus“, das innerägyptisch von Hāwᵕ.t über Hōwᵕ.t zu koptisch hu/Hō wird,133 im griechischen Buchstabennamen (H)ēta als langes ē erscheint. Die Erklärung ist hier nur über die griechische Sprache möglich, in der das Zeichen H (= Eta) in manchen Dialekten eben den Laut ā bedeutete. (Das mag für die Entstehungsgeschichte des griechischen Alphabets wichtig sein.) Wenn der hebräische Buchstabenname "eth ("jt) ebenfalls mit e vokalisiert ist, so ist das wohl als Fehler zu erklären. Dieser ist entweder durch eine Beeinflussung durch das Griechische oder durch die generelle Tendenz des Buchstabens Jod zu den Vokalen i/e zu erklären. Ganz korrekt hat anscheinend das Äthiopische den Namen des Buchstabens als "aut bewahrt, sofern denn dieser Name alt ist.134 Entsprechend ist jetzt auch der griechische Buchstabenname Zeta zu verstehen, der ebenfalls auf ein ägyptisches Wort mit einem Tonvokal ā zurückgeht, nämlich auf sw.t „Binse“: sāwᵕ.t über sōwᵕ.t zu koptisch su/sō.135 Der hebräische Buchstabenname Zajin verweist dagegen auf ein Zeichen, das vermutlich ursprünglich direkt hinter sw.t oder an seiner Stelle gestanden hat, nämlich . Dieses Zeichen, das eigentlich nn zu lesen ist, läßt sich leicht als „zweimal Binse“ verstehen, also za plus Dualendung (a)jin = Za-
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jin.136 Wir erhalten so die erste Möglichkeit, den Unterschied der Buchstabennamen Zajin und Zeta zu erklären. Zugleich entsteht der Verdacht, daß der siebente Buchstabe des Alphabets eigentlich gar kein Sibilant, sondern ein Zeichen für n+i sein sollte. – 5. Die Veränderung von kurzem i (ĭ) zu ă (oder ě, je nach ägyptisch > koptischem Dialekt) ist im Buchstabennamen Gamma zu erkennen, der eine ionische Nebenform Gemma hat. Der hebräische Name Gimel dürfte dagegen eine Übersetzung sein, allerdings ist ein hebräisches Wort *gimel = „Wurfholz“ meines Wissens nicht erhalten. (Eine Übersetzung war wegen der gleichen bzw. entsprechenden Anfangskonsonanten leicht möglich.) Es kann sein, daß der Semite statt qm# = „Wurfholz“ ein anderes Wort qm# = „schaffen“ (Wb V, 34–36) erkannt hat, das er mit dem urverwandten hebräischen Wort gml = „vollenden“ übersetzt hat. Der Lautwandel ĭ > ă findet sich ebenfalls im Buchstabennamen Íade. Das ägyptische Wort Dd# „fett“, auf den er zurückgeht, hat sich koptisch als öatE/djate erhalten. Der gleiche Lautwandel ĭ > ă liegt im Wort |# „Ausspruch“ vor: |ĭ# > |ă# > A(leph)/A(lpha). Auch der Buchstabenname Tau scheint den Lautwandel ĭ > ă widerzuspiegeln, allerdings ist ein Wort *dĭw > *tĭw „Stern(?)“ nicht zu belegen. Die Hieroglyphe des Sterns wird vielmehr dw# oder sb# gelesen, und das Zahlwort „fünf“, das koptisch +oü/tiou lautet, geht auf dīw (mit langem i) zurück. Aber eben das Wort „fünf“ kann in später Zeit nur mit dem Stern geschrieben werden (Wb V, 420). Erhalten ist der ursprüngliche Tonvokal ĭ > e in den Buchstabennamen He (E-psilon) und Pe (Pi/Pei). Dies entspricht der Regel, daß ĭ im Auslaut in allen koptischen Dialekten außer dem Fajumischen zu E (e) wird.137 Ebenfalls regelhaft ist der Erhalt des i in den Namen Cin und Sigma. Das zugrundeliegende ägyptische Wort dürfte die Form Si#nᵕw > Sīnᵕw gehabt haben.138 Die griechische Überlieferung mußte das w am Wortende als Konsonant verstehen (anders als bei Wau und Tau) und folglich die Endung a nach Verdoppelung des letzten Konsonanten anfügen (wie in Gamma, Kappa, Qoppa). Aus Sīnᵕwwa entstand nach bekannter Regel (vgl. Kapitel 5.21) die Form Simga,139 welche durch Metathese (Umstellung) den Namen Sigma (mit langem oder kurzem i) lieferte.140 Der hebräische Buchstabenname Sin ist in der Vokalisation fälschlich an Cin angeglichen; er müßte eigentlich San lauten.
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– 6. Der Lautwandel ū > ē ist im Buchstabennamen Ṭhet belegt. Dieser geht auf dúw#ᵕ.t > dū#ᵕ.t „Unterwelt“ zurück.141 Im Altkoptischen ist das Wort als tE/tEj (tē/tēi) erhalten.142 Nach gleichem Muster dürfte die Vokalisierung des Buchstabennamens Beth/Bēta zu erklären sein. Aber da das Wort koptisch nicht erhalten ist, bleibt ein Zweifel, ob das Wort w#.t „Strick“ wirklich wū#ᵕ.t vokalisiert war. Wenn im Buchstaben Qoph/Qoppa (aus gūw?) der ursprüngliche Vokal o/u erhalten zu sein scheint, dann kann das nur daran liegen, daß er durch die irrige Anfügung von p geschützt war. 6.2 Konzeption als Silbenschrift Im Anschluß an Kapitel 6.1 über die Buchstabennamen soll nun untersucht werden, ob etwas Neues über die Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet gefunden werden kann. Ich bediene mich dabei einer Terminologie, wie sie in älteren Grammatiken gebraucht wird. Die feinen Unterschiede in der Beschreibung der Phoneme, wie sie in neueren Arbeiten üblich sind (vgl. z. B. die Ausführungen von Frank Kammerzell bei Rainer Hannig, Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch, S. XLII ff.), sind viel zu theoretisch, als daß man sie hier ansetzen dürfte, weil es ja um den Versuch gehen muß, die Arbeitsweise des Schrifterfinders zu erkennen. Dieser war ein Semit mit beschränkter Kenntnis des ägyptischen Schriftsystems, wie früher beobachtet wurde (vgl. Kap. 5.11 und 5.19). Der Anfang des Alphabets macht es wahrscheinlich, wie schon von andern beobachtet wurde, daß die Konsonanten nach ihrer Qualität angeordet wurden. Es folgen nämlich aufeinander: 1. Aleph 2. Beth 3. Gimel 4. Daleth 5. He
Ansatzlaut Labial (Lippenlaut) Palatal (Gaumenlaut) Dental (Zahnlaut) Hauchlaut
A L P D H
Noch nicht beobachtet worden ist meines Wissens bisher, daß sich zwei weitere vergleichbare Reihen im Alphabet anschließen, allerdings in anderer Abfolge:
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zweite Reihe 6. Waw 8. "eth 9. Ṭeth 10. Jod 11. Kaph
Labial Hauchlaut Dental Ansatzlaut Palatal
L H D A P
dritte Reihe 16. Ajin 17. Pe 19. Qoph 22. Taw
Ansatzlaut Labial Palatal Dental
A L P D.
Wie man sieht, hat das Alphabet drei Reihen, die jeweils fünf gleichartige Konsonanten enthalten. Der dritten Reihe fehlt jedoch ein dritter H-Laut, worauf ich später zurückkomme. Das kann unmöglich ein Zufall sein, sondern wird mit der Vokalisierung der Konsonanten zusammenhängen. Diese Reihen werden nur durch die Liquiden l, m, n, r sowie die Sibilanten Zajin, Samekh, Íade und Sin/Cin unterbrochen. Das sieht sehr danach aus, als sei hier eine ursprüngliche Anordnung gestört. Tabellarisch dargestellt ergibt sich:
1. Drittel
Ansatz
Labial
Palatal
Dental
H-Laut
1. Aleph
2. Beth
3. Gimel
4. Daleth
5. He
2. Drittel
10. Jod
6. Waw
11. Kaph
9. ˝eth
8. "eth
3. Drittel
16. Ajin
17. Pe
19. Qoph
22. Taw
––
Der Verdacht liegt nahe, daß diese Drittelung mit der ursprünglichen Vokalisation der zugrunde liegenden Wörter zu tun hat. Ich schreibe daher die zuvor gewonnenen Vokalisationen in die gleiche Tabelle: Ansatz
Labial
Palatal
Dental
H-Laut
1. Drittel
ji Aleph
wu Beth
qi Gimel
da Daleth
hi He
2. Drittel
#a Jod
wa Waw
ka Kaph
du ˝eth
Ha "eth
3. Drittel
‘a Ajin
pi Pe
qu Qoph
di Taw
–
Dreierlei wird sofort deutlich: a) Die Buchstaben sind im Alphabet nicht nach der Vokalisation der ursprünglichen Silbenzeichen angeordnet.
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b) Es wird erkennbar, daß das griechische Ypsilon eine Lücke füllt, nämlich H-Laut plus Vokal u. Genau das bedeutet Y-psilon: „U ohne H“ (wie E-psilon „E ohne H“). Hierin zeigt sich erneut, daß die griechische Schrift von einer anderen, und zwar besseren semitischen Überlieferung abhängt als die phönizische Schrift. Zur Ableitung des Buchstabens aus dem Hieratischen vgl. Kapitel 7.1. c) Es fehlt eine Silbe für den Anlaut+Vokal u. Die drei Stimmansatzkonsonanten entwickeln sich so: ägyptisch ji ägyptisch #a ägyptisch ‘a
hebräisch # hebräisch j hebräisch‘
Aleph Jod Ajin
griechisch a griechisch i griechisch o
Alpha Jota Omikron.
Sehr auffällig und zur Zeit nicht befriedigend erklärbar ist es, daß ein Zeichen für den Stimmansatz+Vokal o/u fehlt. Vielleicht liegt es daran, daß zur Zeit der Entlehnung des Alphabets das Wort #a#.ᵕt sich bereits zu #ō(.t) > Jota gewandelt hatte (wie bei Rho, s. Kap. 5.20). Die drei Labiale entwickeln sich so: ägyptisch wa
hebräisch w
ägyptisch pi
hebräisch p (stimmlos, „hart“) hebräisch b (stimmhaft, („weich“)
ägyptisch wū
griechisch w (Digamma, später nur Zahlzeichen) griechisch p („hart“) griechisch b „weich“)
Die drei Palatale entwickeln sich so: ägyptisch qi ägyptisch ka ägyptisch gū
hebräisch g (stimmhaft) hebräisch k (stimmlos) hebräisch q (emphatisch)
griechisch g („weich“) griechisch k („hart“) griechisch q (später ausgesondert).
Sehr merkwürdig, ja fast kurios ist es, daß die deutschen Buchstabennamen bis heute diese alte Vokalisierung bewahrt haben: ge, ka, qu < qi – ka – gu. Ja im Buchstaben q ist sogar seine silbische Bedeutung erkennbar, denn er erscheint in natürlichen deutschen (und lateinischen, französischen) Wörtern (außer in Abkürzungen) niemals ohne das folgende u. Da bei der Bildung des Vokals u der Mund am wenigsten geöffnet wird, ist der Luftstrom am kräf-
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tigsten. Es ist daher logisch, daß der Konsonant Qoppa im Hebräischen ein emphatischer Laut ist. Er wurde im Griechischen aber nicht für ein behauchtes k verwandt, sondern ausgeschieden. Somit wurde ein griechischer Zusatzbuchstabe für kh erforderlich, das Chi (s. Kap. 7.2). Die drei Dentale entwickeln sich so: ägyptisch da ägyptisch di ägyptisch dū
hebräisch d (stimmhaft) hebräisch t (stimmlos) hebräisch Æ (emphatisch)
griechisch d („weich“) griechisch t („hart“) griechisch th (behaucht).
Da bei der Bildung des Vokals u der Mund am wenigsten geöffnet wird, ist der Luftstrom am kräftigsten. Es ist daher logisch, daß der Konsonant ˝eth im Hebräischen ein emphatischer Laut und im Griechischen Theta behaucht ist. Die zwei bzw. drei H-Laute entwickeln sich so: ägyptisch Ha ägyptisch hi ägyptisch Hu
hebräisch H (emphatisch) hebräisch h hebräisch –
griechisch (H)ā > (H)ē griechisch (h)¥ griechisch (H)u
Die Sibilanten Die Sibilanten sind immer schon ein besonderes Problem der Semitistik und der Ägyptologie, denn eigentlich hat das Alphabet mehr Sibilanten, als von den nordwestsemitischen Sprachen, erst recht von der griechischen Sprache, benötigt werden. Möglicherweise bringen die Ergebnisse dieses Buches hier einen Fortschritt im Verständnis. Sehen wir uns also die Sibilanten und ihre hier erschlossenen ägyptischen Ursprünge an: ägyptisch sw.t ägyptisch Dd ägyptisch Dd# ägyptisch sn ägyptisch Sn
> za > Di > Di > sa > Si
hebräisch Zajin hebräisch Samekh hebräisch Êadê hebräisch Sin hebräisch Cin
griechisch ts (Zeta)143 griechisch ks (Xi) oder ts griechisch getilgt griechisch San > Sigma griechisch Sigma.
Wir sehen, daß zwei Buchstaben auf die gleiche Silbe Di zurückgehen. Wahrscheinlich hat das Griechische den zweiten davon deshalb als überflüssig ausgeschieden. Vielleicht sollte man die zwei Buchstaben, deren ägyptische
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Ursprungswörter mit D beginnen, überhaupt aus der Reihe der ursprünglichen Sibilanten herausnehmen und gesondert betrachten: ägyptisch Dd > Di hebräisch Samekh ägyptisch Dd# > Di hebräisch Êadê
griechisch ks (Xi) oder ts griechisch getilgt.
Daß zwei Silben mit der gleichen Vokalisierung für das Alphabet ausgewählt worden sind, kann eigentlich nicht stimmen. Der Fehler liegt anscheinend bei der hier vermuteten ägyptischen Erklärung jener Zeichen, deren hieratische Schreibung zum Buchstaben Íade paßt (s. Kap. 5.18). Diese ägyptische Erklärung als Dd# „fett“ ist nicht korrekt, sondern darauf zurückzuführen, daß der Verfasser der vermuteten Zeichenliste nicht als Erklärung für die hieratischen Zeichen die gleiche Schreibung wiederholen wollte. Mit anderen Worten: Die ägyptische Erklärung der hieratischen Gruppe, die zum Buchstabennamen Íade geführt hat, ist falsch. Die richtige Erklärung wäre vielmehr Dd „sagen“ gewesen. Daraus ist zu folgern, daß der ursprüngliche Tonvokal des Buchstabens Íade kein kurzes ĭ, sondern ein langes ā gewesen ist. Ob dieses ā bei der Entlehnung des Alphabets bereits zu ō verwandelt war, ist nicht erkennbar und hier auch unerheblich. Das Silbensystem zur Schreibung unägyptischer Wörter, das dem Alphabet vorausging, hat Zeichen für die Silben Di und Da gehabt.144 Die Liquiden Die Liquiden r, l, m, n sind je nur einmal im Alphabet vorhanden und gehen alle auf Wörter zurück, deren Tonsilben einen Vokal a hatten. Für eine Schrift, die ursprünglich als Silbenschrift konzipiert war, ist das überraschend. Vermutlich hat hier die in der Amarnazeit beginnende Lautverschiebung eingewirkt, die eine ursprüngliche Silbe ra zu ro (s. Kap. 5.20) werden ließ. Ein Zeichen hätte dann also für Silben mit a und o/u stehen können. Trotzdem sollte man Zeichen für die Verbindung der Liquiden mit folgendem Vokal i erwarten. Vielleicht hat hier der Schrifterfinder einfach Fehler gemacht. Dafür gibt es wenigstens einen Hinweis, den Buchstabennamen Zajin. Dieser ist ein Dual und verweist auf die Zeichen (M22), die zweimal die Binse(?) zeigen, die den Lautwert n(i) hat, also n(i)n. Der Schrifterfinder hat aber diesen beiden Zeichen den Lautwert za zugewiesen, welcher dem Zeichen (M23) zukommt (vgl. Kap. 5.7). Daß hier ein Fehler vorliegt, macht auch das Meroitische wahrscheinlich, das neben n (Nun, s. Kap. 5.14) noch ein „Nin“ f kennt.
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Auch beim Buchstaben Lamed liegt möglicherweise ein Irrtum vor. Der (F20) zurück, die in der Buchstabe geht ja auf die Hieroglyphe der Zunge Vorlage des Schrifterfinders als la-med erklärt war (s. Kap. 5.12). Er hätte aber eigentlich ns „Zunge“ schreiben sollen, was er wohl zur Vermeidung der Wiederholung nicht getan hat. Dieses Wort hätte der Semit sofort mit der gemeinsemitischen Wurzel lSn („Zunge, Sprache“) übersetzen können.145 Die erste Silbe des Wortes ist im Hebräischen mit a vokalisiert, in den anderen semitischen Sprachen wie im Ägyptischen mit i. Das heißt, das ursprüngliche Silbenzeichen wäre nicht la, sondern li gewesen. Man möchte dann auch eine Silbe mi für das Uralphabet vermuten, wofür es vielleicht einen Anhalt im Buchstaben Lamed gibt. Dieser hat ja wegen seiner Form zwei Lesungsmöglichkeiten, wie wir in Kapitel 5.12 gesehen haben: mr > la und mt. Dann müßte das Silbenzeichen mt auf i/e vokalisiert gewesen sein. Vielleicht hat der Schrifterfinder an mtr „richtig sein“ gedacht, wozu ihn die Verbindung mtr ns „wahrhaftig“ (wörtlich „richtig in Bezug auf die Zunge“) verleitet haben kann (Wb II, 173.7). Wenn also das Zeichen ursprünglich die Werte la und mi gehabt hätte, so wirkt das auf den heutigen Leser befremdlich, der von einem Schriftsystem Eindeutigkeit erwartet. Diese Erwartung hat man aber im Altertum „vor dem Alphabet“ nicht gehabt. Die Mehrdeutigkeit von Schriftzeichen ist in der Hieroglyphenschrift wie in der Keilschrift die Regel, nicht die Ausnahme. Der Schrifterfinder hat sich im übrigen auch nicht an der für uns verwunderlichen Doppelwertigkeit von Sin/Cin gestört (Kap. 5.21). Für das Ursyllabar läßt sich eine Abfolge der Liquiden etwa so vorstellen: (r/l)a+(r/l)o/u
(r/l)i/e
ma+mo/u
mi/e
na+no/u
ni/e.
Die Konsonanten Rho und Lamed wurden vermutlich nicht wegen unterschiedlicher Qualität des Anlauts gewählt – die ägyptische Sprache kannte zu der Zeit kein eigenes /l/ –, sondern wegen der unterschiedlichen Vokalisierung der Silbenzeichen. So erklärt sich, warum das ägyptische Wort dār.ᵕt im Buchstabennamen Dalet kein r, sondern ein l enthält. Zusammenfassend läßt sich eine Vermutung formulieren, die vorläufig ganz hypothetisch bleibt: Es könnte sein, daß das erste „Ursyllabar“ je ein Zeichen für Konsonant+a, Konsonant+i/e, Konsonant+o/u für alle als unterschiedlich empfundene Konsonanten hatte, also für die Stimmansatzkonsonanten, die Labiale, die Palatale, die Dentale, die H-Laute, die S-Laute, die Liquiden r/l, m, n und für die D-Laute, zusammen also für 30 Silben. Die ägyptische Ver-
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änderung der Vokale, die in der Amarnazeit begann, ließ dann mehrere Silbenzeichen zusammenfallen bzw. entbehrlich werden. 6.3 Die Namen der Hieroglyphen Wir haben erkannt, daß die Buchstabennamen sich direkt von ägyptischen Wörtern herleiten, wobei aber einige Unterschiede zu beobachten sind, die jetzt diskutiert werden sollen. (Ein paar Ergebnisse aus Kapitel 7 werden hier vorweggenommen.) 6.3.1 Die Hieroglyphen selbst sind erklärt: Beth/Beta Gamma Daleth/Delta He/E(psilon) Zeta "eth/Eta æeth/Theta My Nun/Ny(n) O(mikron) P(e)i/Pi Rho ReS Taw/Tau
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hebräische Schrift, liegt daran, daß sie eine Besonderheit der semitischen Mutae (veränderliche Konsonanten) b, g, d, k, p, t nicht übernimmt: Diese Konsonanten (Merkwort der Grammatiken: begadkephat) werden unter bestimmten Bedingungen aspiriert (behaucht) gesprochen, was man in der Umschrift durch ein nachgesetztes oder hochgesetztes h andeutet: kh oder kh.157 Das so aspirierte b klingt dann wie /w/, das aspirierte k wie deutsches ch (in ich), das aspirierte t wie englisches th, das aspirierte p ähnlich wie /f/. Diese Besonderheit ist der Grund dafür, daß der ägyptische Konsonant w zu den semitischen Buchstaben Beta u n d Waw führen konnte. Die griechische Schrift übernimmt diese Doppelwertigkeit der Mutae in den meisten lokalen Alphabeten nicht und braucht deswegen Zusatzzeichen für ph (Phi) und kh (Khi, deutsch Chi). Für th verwendet die griechische Schrift das Theta, dem im Semitischen das emphatische (stark artikulierte) Ṭeth entspricht. Auch die anderen emphatischen Konsonanten des Semitischen werden in der griechischen Sprache nicht benötigt und verschwinden aus der Schrift: Qoph > Qoppa bleibt nur als Zahlzeichen für 90, Íade fehlt den griechischen Alphabeten ganz, sofern es nicht mit Sampi zusammengehört, s. Kap. 7.4. Die griechische Schrift verfügt ferner über Zeichen für die Doppelkonsonanz der Mutae+s, also ts/ds > Zeta, ks > Xi, ps > Psi. 7.1 Ypsilon In Kapitel 6.4 wurde gezeigt, daß die Alphabetschrift allem Anschein nach ursprünglich als Silbenschrift angelegt war, in der es für Dentale, Labiale,
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Palatale und Stimmansatzkonsonanten jeweils drei Zeichen für die Kombination K.(Konsonant)+a, K.+i/e, K.+o/u gab. Auch wenn in diesem vermuteten System noch einige Unklarheiten hinsichtlich der Liquiden und Sibilanten bestehen bleiben, muß es doch sehr auffällig sein, daß es nur zwei Zeichen für die H-Laute gibt, nämlich he > He/Epsilon und Ha > "et/Eta. Man wünscht sich ein hu oder Hu und kommt zwanglos zu dem Gedanken, dies könnte in der Vorlage des Schrifterfinders gestanden haben und der Ursprung des griechischen Y-psilon sein. Der phonetische Wert des griechischen Buchstabens Ypsilon war zuerst /u/. Wenn dafür eine ägyptische Quelle angenommen werden soll, muß man nach einem mit h oder H anlautenden Wort suchen, das in Form und Lautung zu Ypsilon paßt. Dieses Wort ist schnell sein, das eigentgefunden: Es kann nur das Zweikonsonantenzeichen Hw lich einen Elefantenzahn darstellt (F18). Das Zeichen wird sehr häufig, speziell in der syllabischen Schreibung des Neuen Reiches, mit der Buchrolle geschrieben. Hieratisch wird der Elefantenzahn (Y1) in Kombination als geschrieben (Möller, Hierat. Paläographie im Neuen Reich etwa wie Nr. 160), aber es gibt vereinzelt schon Formen, die das „Dreieck“ an einer Seite offen lassen. Im Demotischen verkümmert die Buchrolle zu einem oder Punkt oder kleinen Strich und es ergeben sich Schreibungen wie (Erichsen, Demot. Glossar, 283), die gut zu frühen Schreibungen des Ypsilon und passen, allerdings nach einer Drehung und unter Wegwie lassung des Punktes oder Ansatz des Strichleins an anderer Stelle. Aus der demotischen Form wird später der koptische Buchstabe Hori h/H entwickelt, weil das griechische Alphabet eben kein H(u), sondern nur u(psilon) hat. Die dritte Spalte des Schrifterfinders muß als Erklärung der Zeichengruppe eines der Wörter Hw gehabt haben (Wb III, 44 ff.), am ehesten wohl "w „(Gott) Hu“ (Wb III, 44). Die Vokalisierung des Namens muß dann Huw > u(psilon) gewesen sein. Der Lautwandel von kurzem ú zu kurzem ě ist hier noch nicht vollzogen, vermutlich weil der Vokal durch das folgende w geschützt war.158 Nun wird auch verständlich, warum der koptische Name des griechischen Ypsilon hE/Hê bzw. üE/uê ist. Irgendwie muß noch in koptischer Zeit die Erinnerung an den ursprünglichen Wert lebendig gewesen sein, wie denn auch der griechische Buchstabe Eta auf Koptisch nicht nur ita, sondern auch Hita heißt. Es sprechen also vier Gründe für die Annahme, daß das griechische Ypsilon keine griechische Erfindung ist, sondern tatsächlich auf ein ägyptisches Vor-
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bild zurückgeht, das die Griechen über eine verlorene semitische Überlieferung entlehnt haben: a) Dem System des vermuteten Ursyllabars fehlt ein Zeichen für die Silbe h+u, vgl. Kap. 6.2. bzw. paßt graphisch zu den b) Ein hieratisches/demotisches Zeichen frühen Formen des Ypsilon. c) Der Buchstabenname Ypsilon, d. h. „bloßes u“, ist aus dem ägyptischen Wort Hw abzuleiten. d) Der koptische Name HE/Hê für Ypsilon weist darauf hin, daß wirklich ein mit einem H-Laut beginnender Name vorliegt. (Das konnte man wegen E-psilon < He zwar erwarten, doch hat man das „-psilon“ gelegentlich anders erklärt.) Noch eine merkwürdige Tatsache muß erwähnt werden: Das Alphabet beginnt mit dem Wort | „Ausspruch“ – endet es vielleicht mit Hw „Ausspruch“? Es hätte gewiß ägypischer Denkweise entsprochen, die Elemente, aus denen das vermutete Ursyllabar bestand, sinnvoll anzuordnen, den ganzen Kosmos der Silben > Buchstaben eingefaßt zu sehen von dem „Ausspruch“ (des Gottes Thot)159 und dem „Ausspruch des Gottes Re“ (= Gott Hu). Das ist jetzt freilich eine etwas weit gehende Spekulation, zumal über die ursprüngliche Vokalisation des Gottesnamens Hu meines Wissens nichts bekannt ist. Sollte sich diese Spekulation als richtig erweisen, müßten allerdings die übrigen Zusatzbuchstaben des griechischen Alphabets wirklich griechischen Ursprungs sein oder am falschen Platz stehen. Eine Entscheidung erscheint derzeit unmöglich. 7.2 Phi – Chi – Psi Diese Zusatzbuchstaben hält man bisher für eine griechische Erfindung ebenso wie das Ypsilon. Da aber für das Ypsilon soeben eine ägyptische Herkunft wahrscheinlich gemacht worden ist, zwingt die Logik zur Prüfung, ob dies auch für die Zusatzbuchstaben Phi, Chi und Psi zutreffen kann. Die Tatsache, daß das ugaritische Langalphabet so wie die südsemitischen Schriften mehr Konsonanten als die phönizische Schrift haben, führt zu der Frage, ob vielleicht das griechische Alphabet von einer Überlieferung abhängt, die die Zusatzbuchstaben hatte. Die Beantwortung wird dadurch erschwert, daß der phonetische Wert der drei Buchstaben in den verschiedenen lokalen Alphabeten Griechenlands unterschiedlich ist. Gerade diese Unterschiedlichkeit dient
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zur Ordnung der lokalen Alphabete nach ihrer „Farbe“, worauf hier nicht weiter einzugehen ist.160 Die drei Buchstaben sind Doppelkonsonanten,161 nämlich Erweiterungen für die Mutae p und k um h und s, also: p + h > Phi p + s > Psi k + h > Chi. Damit ergänzen sie die drei Doppelkonsonanten zwischen Alpha und Ypsilon, nämlich t + h > Theta t + s > Zeta162 k + s > Xi. Die Systematik ist unverkennbar: vor Ypsilon nach Ypsilon vor und nach Ypsilon t+s t+h
Zeta Theta
p+s p+h
Psi Phi
k+s k+h
Xi Chi.
Diese Systematik, die zugleich eine Umwertung der genannten Konsonanten vor Ypsilon enthält, ist sehr wahrscheinlich eine griechische Erfindung. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die Schriftzeichen nach Ypsilon selbst in Form und Wert nicht doch auf ägyptische Zeichen und Wörter zurückgehen, zumal sich für zwei von ihnen hieratische Vorbilder beinahe aufdrängen: (I9) mit einem Füllzeia) Die demotische Schreibung der Hieroglyphe chen (einem Punkt oder zwei kleinen Strichen) sieht so aus: oder u. ä.163 Daraus entsteht weiter eine Form , die frühen Formen des attischen Chi (X) recht ähnlich ist. Man müßte dann allerdings unterstellen, daß der phonetische Wert des Buchstabens Chi ursprünglich /f/ gewesen wäre. Der Buchstabenname ließe sich problemlos vom ägyptischen Wort fj „Schlange“ herleiten (Erichsen, Demotisches Glossar, 143). Der koptische Buchstabe Fai (f) geht auf eben dieses Zeichen zurück (ohne das Füllzeichen). Gegen die obige Vermutung könnte man einwenden, daß die koptische Schrift einen strengen Unterschied zwischen Fai in ägyptischen Wörtern und Phi in griechischen Wörtern macht,164 daß also das Phi nicht auf ein ägyptisches /f/ zurückgehen sollte. Dieser Einwand ist jedoch leicht zu entkräften, wenn man die lange Zeit zwischen der vermuteten Entlehnung des griechischen Phi (kaum viel früher als 8. Jh. v. Chr.) und der Entwicklung der koptischen Schrift (3. Jh. n. Chr.) bedenkt.
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b) Die hieratische und demotische Schreibung der Hieroglyphe (Aa1) sieht oder o. ä. aus, hat also Schreibweisen, im 1. Jahrtausend v. Chr. wie die mit frühen Formen des Phi wie fast identisch sind, allerdings nach der üblichen Drehung um etwa 45°. Der ursprüngliche phonetische Wert des attischen Phi wäre also der gewesen, den das attische Chi angenommen hat. Der Buchstabenname ließe sich ebenfalls problemlos von dem Wort X| „Kind“ (Wb III, 217) ableiten. Auch hier ließe sich einwenden, daß die Kopten das griechische Chi, außer im bohairischen Dialekt, nur für griechische Wörter benutzten, doch wäre diesem Einwand mit dem gleichen Argument wie eben zu begegnen. c) Zum Buchstaben Psi läßt sich bisher keine überzeugende Erklärungsmöglichkeit aus dem Ägyptischen finden, weil es kein ägyptisches Wort gibt, das mit der Doppelkonsonanz /ps/ beginnt. Man könnte jedoch versuchen, den Anlaut des Buchstabens als den ägyptischen maskulinen Artikel p# zu erklären, der griechisch regelmäßig nur π/p lautet. Das folgende maskuline Wort müßte dann wohl s# gelautet haben, wie „Sohn“ oder „Rücken“ oder „Schutz“. Mit großem Vorbehalt sei das Wort s# (V17) „Schutz, Amulett“ vorgeschlagen. Ich gebe aber zu, daß ich wegen der Tabelle auf Seite 99 nach einer Art Schlinge gesucht habe. Immerhin ist die hieratische Schreibung des Zeichens um 1000 v. Chr. einem frühen Psi nicht ganz unähnlich, vgl. Möller, Hieratische Paläographie, Nr. 389. In Anlehnung an die Ausführungen zum Buchstaben Samekh/Xi (Kap. 5.15) kann man auch nach einem ägyptischen Wort suchen, das mit S beginnt. Tatsächlich werden die zahlreichen Namen der Form P#-Sr-, d. h. „Der Sohn des (Gottes NN)“, griechisch regelmäßig mit Ψεν/ Psen- wiedergegeben. Abschließend sei noch einmal nachdrücklich betont, daß die Gedanken zu Phi, Chi und Psi eine pure Spekulation sind, für die sich – anders als bei den Buchstaben, die dem semitischen und dem griechischen Alphabet gemein sind – keine Beweise beibringen lassen. Es ist zur Zeit auch nicht ersichtlich, auf welchem Wege Beweise gefunden werden könnten, es sei denn, in Ägypten würde einmal ein Text nach Art des Sign-Papyrus gefunden, der die ins semitische (und griechische) Alphabet entlehnten Zeichen enthält. 7.3 Omega Über diesen Buchstaben läßt sich nach der hier vertretenen Theorie wenig sagen, da er sehr wahrscheinlich innergriechisch aus dem Buchstaben Omik-
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ron abgeleitet worden ist.165 Daß es in späten demotischen Texten eine Zeigibt, die zur Wiedergabe eines /ō/ in griechischen und lateichengruppe nischen Wörtern und Namen diente, muß hier erwähnt werden, weil diese Gruppe o# zu lesen ist und „groß“ – wie (O)mega – bedeutet. Aber zwischen diesem demotischen Zeichen und dem griechischen Ω (Omega) ist beim besten Willen keine graphische Ähnlichkeit zu entdecken. Das demotische mit einer gewissen Ähnlichkeit zu Zeichen hat jedoch eine Nebenform ω, еіnеr аndеrеn Form des griechischen Omega, die regelmäßig in den griechischen Papyri aus Ägypten verwendet wird. Mehr als ein Zufall wird das aber kaum sein. 7.4 Sampi Ein Buchstabe, über den sich wenig Konkretes sagen läßt, ist das Sampi. Manche Autoren wollten das Zeichen mit Íade in Verbindung bringen;166 dagegen spricht aber sein Wert im sogenannten Milesischen Zahlensystem (Alpha = 1, Beta = 2, Jota = 10, Kappa = 20 usw.), in dem es für 900 steht, also nach Omega = 800. Êadê dagegen kommt im semitischen Alphabet nach Pi und fehlt in dem genannten Zahlensystem ganz. In den Schulgrammatiken wird das Zeichen als ϡ wiedergegeben, doch ist dies eine Form aus byzantinischer Zeit. Ältere Formen sehen nach Jeffery167 so aus: . Der Buchstabenname ist vielleicht als San-Pi > Sampi zu verstehen, d. h. als „San (bei) Pi“ zur Unterscheidung von dem anderen San > Sigma. Von hier aus stellt sich die Frage, ob das Alphabet womöglich von allem Anfang an auch Zeichen für die Kombination zweier Konsonanten hatte, ob diese Besonderheit des griechichen Alphabets auch ein ägyptisches Vorbild hatte. Es sei hier daran erinnert, daß die ägyptische syllabische Schrift manchmal auch ganze Wörter benutzte wie rn „Name“, t# „Land“ und sp „Mal“.168 Erst nachträglich ist mir eine bessere Erklärung für den Buchstabennamen eingefallen, s. Kap. 5.18.
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8. DIE ZUSATZZEICHEN DER KOPTISCHEN SCHRIFT Nach der Entlehnung des Alphabets aus dem Ägyptischen haben die Griechen in einem Prozeß, der einige Jahrhunderte gedauert hat, dieses ihrer eigenen Sprache angepaßt, indem sie auf manche Buchstaben verzichteten (Waw, Êadê, Qoph, Cin) oder ihnen neue Werte zumaßen (Zajin > Zeta, Samekh > Xi) oder die konsonantischen Teile ursprünglicher Silbenzeichen vernachlässigten (Aleph > Alpha, Ajin > Omikron, He > Epsilon, "et > Eta, "u > Ypsilon). Als die Ägypter ihrerseits reichlich ein Jahrtausend später die griechische Schrift entlehnten, mußten sie neue Zeichen für eben jene Phoneme erfinden, die die Griechen getilgt hatten. Diese Zusatzzeichen der koptischen Schrift sind aus der demotischen Schrift abgeleitet; ihre Namen sind teilweise erst kürzlich von mir erklärt worden.169 Das letzte Zusatzzeichen des koptischen Alphabets ist +. Dieses Zeichen steht für die Kombination von t + i (t + j) und ist eigentlich aus phonetischen Gründen nicht erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, warum die Kopten das Zeichen trotzdem eingeführt haben. Man mag vermuten, daß die Einführung des phonetisch unnötigen Zeichens einen grammatischen Grund hatte. In Form und Name geht der Buchstabe auf den demotischen Infinitiv tj(.t) „geben“ zurück. ˗ ), dessen Name unbeAuf ein Sonderzeichen des achmimischen Dialekts ( Z kannt ist, sowie auf weitere Zeichen der altkoptischen Schrift wird hier nicht eingegangen. 8.1 Schei – Fei – Chei a) Schei war erforderlich, weil die Griechen von dem Doppelwert des Buchstabens Sin/Cin nur das Phonem /s/ bewahrt haben. Der Buchstabe Schei w geht graphisch auf demotisches (Erichsen, Demotisches Glossar, 483) zurück. Der Name sollte eigentlich das bedeuten, was die Hieroglyphe (M8) darstellt, also das Sumpfland S# (Wb IV, 399/400), doch ist das Wort (sonst) in koptischer Sprache nicht erhalten. b) Das semitische Alphabet verfügt über keinen Buchstaben für /f/, da das ähnliche Phonem /ph/ von dem Buchstaben Pe mit vertreten wurde. Die griechische Schrift hat die semitische Doppelwertigkeit der Mutae (p, k, t) nicht übernommen, sondern eigene Zeichen für ph, kh und th entwickelt bzw. entlehnt (s. Kapitel 7). Zu der Zeit, als die Kopten ihr Alphabet aus dem Grie-
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chischen entlehnten, hatte griechisches Phi jedoch einen anderen phonetischen Wert als das ägyptische f, so daß ein neues Zeichen für ägyptisches /f/ erforderlich wurde, eben das koptische Fei (f). Dessen Form entpricht dem demotischen Zeichen f ( ), welches natürlich auf die Hieroglyphe f (I9) zurückgeht. Der Buchstabenname Fei entspricht dem demotischen Wort f#j „Hornschlange“ (Erichsen, Demotisches Glossar, 143), das aber im Koptischen sonst nicht erhalten ist. c) Das semitische Alphabet verfügt auch nicht über einen Buchstaben für /kh/, da das Phonem von dem Buchstaben Kaph mitvertreten wurde. Da die griechische Schrift, wie eben gesagt, die Doppelwertigkeit der Mutae nicht kennt, hat sie ein eigenes Zeichen für /kh/, eben Chi. Das griechische Chi entsprach jedoch zur Zeit der Entwicklung des koptischen Alphabets nicht dem ägyptischen Phonem /X/, das sich in den verschiedenen Dialekten zu Schei oder Hori entwickelt hatte. Nur der bohairische Dialekt der koptischen Sprache sowie altkoptische Texte verwenden ein eigenes Zeichen Chei X (in manchen Handschriften x geschrieben), das graphisch auf die demotische der Hieroglyphe (M12) zurückgeht. Der Buchstabenname Schreibung Chei sollte eigentlich das bedeuten, was das Zeichen darstellt: eine Lotospflanze (Wb III, 218/9), doch ist dieses Wort weder demotisch noch koptisch belegt. 8.2 Hori – Djandja – Gima a) Da das griechische Ypsilon das anlautende H des Zweikonsonantenzeichens Hw verloren hatte, mußten die Kopten für das Phonem /H/ ein Zusatzzeichen einführen. Sie griffen dabei genau auf jenes Zeichen zurück, aus dem das Ypsilon abgeleitet ist, nämlich auf die Kombination der Hieroglyphen (F18) + Buchrolle (Y1), jetzt aber in demotischer Elefantenzahn Schreibung: > h. Der Buchstabenname Hori ist aus dieser Zeichenkombination nicht erklärbar, und es bietet sich für seine Erklärung auch kein koptisches Wort an. Nun konnte aber von mir gezeigt werden, daß in alphabetisch angeordneten demotischen Namenlisten über jedem neuen Buchstaben ein mit dem gleichen Konsonanten beginnender Vogelname steht, daß also die Buchstaben des demotischen Alphabets mit Vogelnamen bezeichnet wurden.170 Wenn man die Möglichkeit akzeptiert, daß die Vogelnamen für Buchstaben, die erstmals im 4. Jh. v. Chr. nachweisbar sind, bis in die koptische Zeit tradiert worden
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sind, werden die bisher unerklärlichen Buchstabennamen Hori, Djandja und Gima leicht verständlich. Hori müßte dann auf das Wort Hrj.(w) „Art essbares Geflügel“ (Wb III, 146.14) zurückgehen. b) Da das griechische Alphabet das Silbenzeichen Di(d) > Samekh zu Xi umgewertet und das Silbenzeichen Di(d) > Êadê171 ganz weggelassen hat, mußten die Kopten ein neues Zeichen für das Phonem /D/ einführen. Sie > Ö. Der griffen dabei auf das entsprechende demotische Zeichen zurück: bisher unerklärte Buchstabenname geht sehr wahrscheinlich auf den demotischen Vogelnamen DnêDnê zurück, der in einer Erzählung des Papyrus Kairo 30705 belegt ist.172 (Leider ist an der passenden Stelle einer alphabetischen Namenliste der Name halb zerstört.) Der Vogelname ist auch hieroglyphisch als DnDn bekannt (Wb V, 580.2). Es handelt sich um ein redupliziertes (verdoppeltes) Wort, dessen Grundform Dnw „Art Gans“ (Wb V, 575.4) sein dürfte. Zu reduplizierten ägyptischen Wörtern der Form ABAB gibt es häufig abgekürzte Formen ABA. Eine solche „halbe Reduplikation“ DnD(n) scheint dem Buchstabennamen Djandj-a zugrunde zu liegen. Das Alpha am Wortende ist dabei als Angleichung an die auf Alpha endenden griechischen Buchstabennamen zu verstehen. c) Da das griechische Alphabet das Silbenzeichen gw > Qoph über Bord geworfen hatte und da das griechische Gamma von dem koptischen Phonem /g/ verschieden war, mußten die Kopten ein zusätzliches Zeichen für g einführen. Den Buchstaben Gima Þ entwickelten sie aus dem demotischen Zeichen für k: , welches seinerseits auf die Hieroglyphe (V31) zurückgeht. (Der lange Strich ist der Henkel des Korbes.) Der Buchstabenname Gim(a) – a ist wieder die eben erwähnte gräzisierende Endung – kommt vom demotischen Wort kjmj „Henne“, das in alphabetisch angeordneten Texten als Buchstabenname belegt ist.
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9. VERSUCH EINER ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES ALPHABETS In diesem Kapitel soll versucht werden, die Entstehungsgeschichte des Alphabets zu skizzieren, wie sie sich aus den vorangehenden Forschungsergebnissen darstellt. Daß dies zur Zeit nur ein in groben Linien gezeichneter Entwurf sein kann, versteht sich von selbst; überall ist noch viel Detailarbeit nötig, um genauere Aussagen zu ermöglichen. Die ägyptischen Schreiber waren durch den Kontakt Ägyptens mit dem Ausland sehr früh mit der Aufgabe konfrontiert, Wörter fremder Sprachen in Hieroglyphen zu schreiben. Je intensiver die internationalen Beziehungen Ägyptens wurden, um so dringlicher stellte sich diese Aufgabe. Der spezifische Mangel der Hieroglyphenschrift, keine Zeichen für Vokale zu besitzen, war bei der Schreibung und Lesung ägyptischer Wörter und Namen für die Ägypter niemals ein Problem, da sie ja wußten, mit welchen Vokalen das Konsonantengerüst zu füllen war. Ganz anders stellte sich die Situation bei der hieroglyphischen Niederschrift von Wörtern und Namen fremder Sprachen dar, die ja auch für jene Ägypter les- und aussprechbar sein sollten, die die jeweiligen Sprachen nicht kannten. Hier mußten die Ägypter eine Möglichkeit finden, die Vokale wenn nicht wirklich zu schreiben, so doch wenigstens anzudeuten. Sie benutzten für solche Wörter eine Art Silbenschrift, in der bestimmte Zeichenkombinationen jeweils die Verbindung eines Konsonanten und eines Vokals bedeuteten, wie eigentlich w#+#, für wa eigentlich b+w, für ba. Diese Art, fremde Wörter zu schreiben, nennen Ägyptologen „Gruppenschrift“ oder „syllabische Schrift“. Sie war bereits im Alten Reich bekannt, hatte ihren Höhepunkt im Neuen Reich und wurde sogar noch in der Spätzeit verwendet.173 Da nun aber die ägyptische Sprache in ihrer langen Geschichte, die wir in Schriftdenkmälern über 4000 Jahre verfolgen können, besonders im Charakter der Vokale starken Veränderungen unterworfen war, muß man bei der Beurteilung syllabischer Schreibungen immer genau berücksichtigen, aus welcher Zeit sie stammen. Die ägyptologische Diskussion über den Vokalwert der einzelnen syllabischen Zeichen ist lang und gewiß noch nicht abgeschlossen, muß hier aber nicht weiter erörtert werden. James E. Hoch hat ein Buch mit knapp 600 Seiten über dieses Thema verfaßt.174
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Mit der syllabischen Schrift verfügten die Ägypter über ein Schriftsystem, das im Prinzip die Silbenschreibung hätte ähnlich ermöglichen sollen wie die Keilschrift, auch wenn sie weniger fixiert war. Die Keilschrift hatte jedoch gegenüber der hieratischen Schrift einen entscheidenden Nachteil: Die unendlich vielen Zeichen aus Keilen, die kaum je an die zugrundeliegenden Bildzeichen erinnern, waren mnemotechnisch (zum Erinnern) extrem ungünstig, wie jeder bestätigen kann, der sie je zu erlernen versucht hat. Dagegen waren fast alle hieroglyphischen und sehr viele hieratische Zeichen so bildhaft, daß sie vergleichsweise leicht erlernbar und vor allem merkbar waren. Irgendwann in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. hat man dann versucht, die Vorzüge der ägyptischen Schrift (leichte Lernbarkeit) und der Keilschrift (Vokalisation) zu verbinden. Es gibt verschiedene Ansätze, deren Bezug zueinander noch nicht recht geklärt ist. Vielleicht der älteste Versuch ist die sogenannte Byblos-Schrift (vgl. Kap. 1.6 und 10.3), die wegen der Anzahl der verschiedenen Zeichen eine Silbenschrift sein muß. Nicht sehr viel jünger sind die diversen Schriftzeugen vom Sinai, aus Phönizien und neuerdings auch aus Oberägypten, die man als protosinaitisch bzw. protokanaanäisch bezeichnet (Kap. 1.8 und 10.2). Nach der geringen Anzahl der Zeichen nimmt man allgemein an, daß die protosinaitische Schrift bereits eine fertig entwickelte Alphabetschrift sei. Da ihre Entzifferung aber bisher nicht gelungen ist, bleibt hier noch viel im Dunkeln. Nicht wirklich geklärt ist die Beziehung zwischen der ugaritischen Keilschrift und der phönizischen Alphabetschrift. Daß sie einen Bezug zueinander haben, ergibt sich durch die gleiche Abfolge der Zeichen in beiden Alphabeten. Nachdem wir gesehen haben, daß die Zeichen des Alphabets auf Silbenzeichen zurückgehen, kann man sich folgende Entwicklung vorstellen: Aus der uralten ägyptischen syllabischen Schrift wurden etwa um die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. rund 30 Zeichen ausgewählt und von da an als „ägyptische Silbenschrift“ oder „Ursyllabar“ fixiert. Ob es für diese theoretisch geforderte Vorstufe des Alphabets irgendeinen Beleg gibt, wird die Zukunft zeigen müssen. (Man könnte sich vorstellen, daß sich unter den unübersichtlich vielen syllabischen Schreibungen fremder Wörter und Namen auch solche finden, die sich auf eine sehr enge Auswahl von Zeichen beschränken.) Die einmal normierte Auswahl von etwa 30 Zeichen ist gewiß wieder und wieder in Schreibübungen abgezeichnet worden, auch wenn dafür bisher kein einziges Beispiel entdeckt worden ist. Das kann freilich ein purer
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Zufall sein, kann aber auch daran liegen, daß man entsprechende Zeugen vor diesem Buch nicht verstehen konnte. (Für das ägyptische Alphabet der Spätzeit mit anderer Reihenfolge, die Kahl und Quack erschlossen haben, konnte ich erst im Jahre 1999 den ersten Nachweis in einer fragmentierten demotischen Schreibübung nachweisen, vgl. Tafel 8).175 Ob diese Auswahl unter dem Einfluß der ugaritischen Schrift erfolgt ist, oder ob umgekehrt die ugaritische Schrift von der „ägyptischen Silbenschrift“ abhängt, ist bisher nicht entschieden. Wenn die in Kapitel 10.1.1 erwogenen Ähnlichkeiten zutreffen, sollte die ugaritische Schrift einen Teil der Zeichen direkt der hieratischen Auswahl verdanken. Die Tatsache, daß die ugaritische Schrift älter als die ältesten Zeugen für die nordwestsemitische lineare Alphabetschrift („Phönizisch“) ist, kann kein ausreichender Grund für die Behauptung sein, die Festlegung der alphabetischen Reihenfolge sei im nordsyrischen Raum erfolgt. Der Zeitpunkt für die Entwicklung des Alphabets ist vorläufig offen, doch wird man kaum weiter als bis ins 15. Jh. v. Chr. zurückgehen wollen. Die ältesten Texte in phönizischer Schrift gehören wohl ans Ende des 13. Jahrhunderts. (Die Ansichten der Experten sind widersprüchlich.) Einige Zeichen der phönizischen Schrift weisen auf hieratische Vorbilder hin, die erst ab dem 13. Jh. v. Chr. möglich sind (vgl. die Ausführungen zu "eth, Kap. 5.8 und Lamed, Kap. 5.12) oder nur bis zum Anfang des 12. Jahrhunderts belegt sind (vgl. die Ausführungen zu Beth, Kap. 5.2). Das griechische Alphabet ist einige Jahrhunderte später von einer semitischen Überlieferung abgeleitet, aber nicht von jener Überlieferung abhängig, die zum phönizischen Alphabet geführt hat, siehe unten. Wann und wo die Griechen die vorgefundene semitische Alphabetschrift an ihre eigene Sprache angepaßt haben, wird seit langer Zeit kontrovers diskutiert. Neuerdings mehren sich Stimmen, welche diese Anpassung als den kulturgeschichtlich entscheidenden Durchbruch bezeichnen und ihn der überlegenen Geisteskultur der Griechen, ja womöglich gar einem einzigen genialen Schriftgelehrten zuschreiben und in Verbindung zum homerischen Epos bringen wollen.176 Die griechischen Inschriften mit den unterschiedlichen lokalen Alphabeten beweisen jedoch, daß der Anpassungsprozeß sich über Jahrhunderte hingezogen hat. Er ist erst durch einen politischen Beschluß des Jahres 403 v. Chr. in Attika zu einem gewissen Abschluß gekommen.177 Auch haben wir gesehen, daß die vermeintlich geniale „Erfindung“ der Vokale geradezu automatisch erfolgt ist, weil die Griechen die Schriftzeichen Aleph und Ajin nicht brauchten und als ersten Laut dieser Buchstaben eben /a/ und /o/ hörten. Ähnlich
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verhielt es sich mit den H-Lauten, die nur in den frühesten Inschriften geschrieben wurden und allmählich schwach bis stumm wurden, so daß die Vokale der H-Buchstabennamen wie von selbst an die erste Stelle traten, nämlich e aus (H)e, ā > ē aus (")eth und u aus (")u. Die Vokalisierung des griechischen Alphabets ist gewiß ein ganz entscheidender Fortschritt gegenüber dem reinen Konsonantenalphabet der semitischen linearen Schriften, aber sie ist eben keine Erfindung, sondern eine logische Entwicklung. Die Idee, die hinter einem Buchtitel wie „Die Geburt des Vokalalphabets aus dem Geist der Poesie“ steht,178 erscheint mir ganz und gar realitätsfremd. Schriften werden aus wirtschaftlichen Bedürfnissen geschaffen, allenfalls aus organisatorischen Motiven im Rahmen der Religion. Literatur kommt in der Menschheitsgeschichte erst sehr viel später. In Abwandlung eines Spruchs von Bertolt Brecht würde ich sagen: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Literatur“. Die Vorstellung, ein literarisches Verlangen habe zur „Erfindung“ der griechischen Schrift geführt, halte ich für verführerisch romantisch, aber ganz gewiß für unrealistisch. Die Überlegungen zur Herleitung der Buchstaben haben gezeigt, daß in einigen Fällen ganz unterschiedliche Konsonanten auf gleiche ägyptische Konsonanten zurückzuführen sind. So gehen Daleth, Ṭeth und Taw auf ägyptische Wörter zurück, die alle mit dem gleichen Konsonanten d beginnen. Diese Tatsache läßt nur eine einzige Erklärungsmöglichkeit zu, wenn denn die ganze Theorie nicht verkehrt ist: Das Alphabet muß ursprünglich als eine Silbenschrift konzipiert worden sein, so daß Daleth für da, Ṭeth für du und Taw für di stand. Die schwerwiegende Verschiebung der ägyptischen Vokalqualitäten, die in der Amarnazeit begann, sowie eine vergleichbare kanaanäische Vokalveränderung haben dann aber das ausgeklügelte System der Silbenschrift total zusammenbrechen lassen: Aus ra wurde ro, aus du wurde de, aus gi(m) wurde ga(m) usw. Wie sollte man sich aus dieser Kalamität befreien? Drei theoretische Möglichkeiten standen zur Verfügung, und alle drei haben die Schriftgelehrten genutzt: a) Man konnte generell die Vokalwerte „vergessen“ und mußte dann die drei Zeichen mit ursprünglich gleichem oder ähnlichem Konsonantenwert zur Differenzierung der Labiale, Dentale usw. nutzen. So wurde /da/ zu D(aleth), /du/ zu Ṭ(eth) und /di/ zu T(aw). Das heißt: Das Alphabet war geboren – aber nicht als geniale Erfindung, sondern aus der Not! Die Differenzierung der Konsonanten wird wenigstens teilweise durch die ursprünglichen Vokale verursacht sein. Beim Vokal u ist der Mund am wenigsten geöffnet, der Luft-
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hauch folglich am kräftigsten. Es ist verständlich, daß so aus der ursprünglichen Silbe du das emphatische æeth und das behauchte Theta wurden. b) Man konnte die Zeichen weiterhin als Silbenzeichen verstehen, bei denen jedoch immer der gleiche Vokal, etwa /a/, angenommen wurde. Sollte ein anderer Vokal bezeichnet werden, war es erforderlich, ihn durch ein zusätzliches Zeichen zu markieren. Das ist das Prinzip, das die indischen Schriften bis heute benutzen (Dewanagari-Prinzip), das aber auch für die beiden meroitischen Schriften gilt. Möglicherweise erklärt sich so auch die Tatsache, daß das Langalphabet der ugaritischen Schrift mit 30 Zeichen auch drei Zeichen für die Verbindung von Aleph mit den Vokalen a, i und u hat. c) Die dritte Möglichkeit war, von einer Grundform des Zeichens auszugehen, die als Silbenzeichen Konsonant + Vokal a verstanden wurde, und diese graphisch zu verändern, um den Vokalwert zu verändern. Diese Möglichkeit verwendet die äthiopische Schrift. Die Buchstabennamen liegen uns in semitischer (hebräischer) und griechischer Schreibung vor und weichen teilweise voneinander ab. Die nähere Untersuchung hat, durchaus gegen die Erwartung des Autors, gezeigt, daß bei solchen Abweichungen die griechische Form immer näher bei den ägyptischen Wörtern ist als die semitische. Das heißt aber zugleich, daß die griechischen Buchstabennamen und ihre Formen nicht von jener semitischen Überlieferung abhängig sein können, die zu den nordwestsemitischen linearen Alphabeten (Phönizisch, Aramäisch, Hebräisch u. a.) geführt hat. Wir müssen mindestens eine weitere Überlieferung annehmen, die allerdings auch semitisch geprägt war, wie sich aus verschiedenen Indizien ergibt. Diese Feststellung paßt hervorragend zu den antiken Zeugen über das Alphabet, die dieses teils Phönikien, teils Kreta verdanken wollen.179 Graphisch läßt sich das so darstellen: ägyptische Hieroglyphen (seit 4. Jahrtausend) ägyptische syllabische Schreibung (seit 3. Jahrtausend) *ägyptische Silbenschrift in Hieratisch („Ursyllabar“) ugaritische Keilschrift (nur 15.–12. Jh.)
Semitische Überlieferung A (über Palästina)
Semitische Überlieferung B (über Kreta?)
nordwestsemitisches Alphabet etwa ab 13. Jh.
griechisches Alphabet etwa ab 9. Jh.
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In dem Schema fehlen die südsemitischen Schriften, weil sie nicht in diesem Buch behandelt werden. Deren Herkunft ist ein vieldiskutiertes Thema der Semitistik,180 für das die Ergebnisse dieses Buches vielleicht bedeutsam werden können. Auch die Byblos-Schrift, die auf ägyptische und wohl auch auf andere Elemente zurückgeht (vgl. Kap. 1.6 und 10.3), paßt nicht in das Schema.
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10. WEITERFÜHRENDE GEDANKEN Jede Entdeckung von einigem Gewicht löst nicht nur alte Probleme, sondern wirft viele neue Fragen auf. So ist es auch hier: An vielen Stellen des Buches möchte man weiterforschen und Genaueres herausfinden. Neue Wege scheinen gangbar zu werden, die zu weiteren Erkenntnissen führen könnten, doch werden diese Wege von anderen beschritten werden müssen, weil der Verfasser dafür nicht die (Lebens-)Zeit und teilweise auch nicht die Kenntnisse hat. Einige sich abzeichnende Möglichkeiten sollen wenigstens kurz erwähnt werden. 10.1 Andere Schriften des Mittelmeerraumes 10.1.1 Bezug zur ugaritischen Schrift Die ugaritische Schrift (s. Kapitel 1.7) ist eine Alphabetschrift mit silbischen Resten, die die Zeichen in Keilen schreibt. Diese Wahl verdankt sich vermutlich der geographischen Lage Ugarits, die eine Anpassung an die umgebenden Länder erzwang, und war natürlich auch durch die ortsüblichen Schreibmaterialien bedingt. Nicht geklärt ist, ob die ugaritische Schrift direkt von der theoretisch geforderten „ägyptischen Silbenschrift“ abgeleitet ist oder ob umgekehrt die ugaritische Schrift eine Eigenentwicklung ist, nach deren Vorbild eine Auswahl ägyptischer Silbenzeichen zur ältesten nordwestsemitischen Alphabetschrift geführt hat. Wenn die ugaritische Schrift ebenso wie die phönizische Schrift auf die hieratischen Silbenzeichen zurückzuführen wäre, sollten sich in den Keilen noch graphische Anklänge an die ursprünglichen hieratischen Zeichen erkennen lassen.181 Natürlich können die nur gering sein, weil die beschränkten Möglichkeiten der Keile und Winkel eine große Abstraktion erfordern. Es muß für diese Abstraktion Regeln gegeben haben, die wir erst erschließen müssen. Die einzelnen Elemente der Schrift sind einfache senkrechte und waagerechte Keile in verschiedenen Längen sowie ein Winkelzeichen ', das anscheinend einen Halbkreis als Vereinfachung eines Kreises meint. Wenn drei kleine waagerechte Keile hintereinanderstehen, so bedeutet das vielleicht: zwei kleine Striche, die durch einen dritten verbunden sind, wie n. Kleine untergesetzte Keile deuten möglicherweise an, daß die darübergeschriebenen Keile in Winkeln zueinander stehen, wie b und d. Generell ist die ugaritische Schrift sehr ökonomisch und vereinfacht die Schreibungen. Statt eines Krei-
117
ses ein einziger Winkel (Ajin), statt zweier senkrechter Striche ein einziger (Gimel), statt eines Kreuzes ein waagerechter Strich (Tau) usw. Ich bringe ein paar Zeichen, bei denen mir eine Ähnlichkeit zwischen dem hieratischen Vorbild und dem entsprechenden ugaritischen Keilzeichen vorzuliegen scheint. Lautwert
ugaritisch
gemeint ist
h
h
3 waagerechte Striche, seitlich verbunden
p
p
2 waagerechte Striche, seitlich verbunden
t
t
1 waagerechter Strich, 1 senkr. Strich fehlt
g
g
1 senkrechter Strich, 1 seitlicher Strich fehlt
a
a
2 Striche, im Winkel verbunden, 1 senkr. Strich fehlt
n
n
2 waagerechte Striche mit Ligaturstrich
z
z
2 senkrechte Striche ohne Ligaturstrich
b
b
2 senkrechte Striche und 2 Winkel
d
d
3 Striche, durch 3 Winkel verbunden
o
'
Halbkreis statt Vollkreis
118
hieratisch
hieroglyphisch
phönizisch
griechisch
Lautwert
ugaritisch
gemeint ist
q
q
Strich am Kreis
Æ
;
Kreuz im Kreis
k
k
Strich zwischen 2 seitlichen Strichen182
r
r
– ?
hieratisch
phönizisch
griechisch
Auch das ugaritische Zusatzzeichen #i Ischeint vom h h abgeleitet zu sein, denn es ist nur eine graphische Veränderung genau in jener Art, wie sie die äthiopische Schrift verwendet. Man erkennt, daß die ugaritische Keilschrift viele Zeichen von den gleichen hieratischen Vorbildern ableitet wie die lineare phönizische Schrift. Dabei folgt sie aber auch einer inneren Logik und reduziert nach Möglichkeit die Zahl der Keile. Es gibt drei Zeichen mit senkrechten Keilen (g =g, Õ = S, l = l), drei Zeichen mit waagerechten Keilen (t = t, p = p , h = h), zwei Zeichen mit senkrechten Kurzkeilen (z = z, X = H) und zwei Zeichen mit waagerechten Kurzkeilen (a = a, n = n). Man muß aber ehrlich zugeben, daß den genannten graphischen Ähnlichkeiten andere Zeichen zu widersprechen scheinen. So sollte das Zeichen l (Lamed) eigentlich einem Zeichen ähneln, das wie ein um 90º nach rechts ist eine gedrehtes He h aussieht. Zum hieratischen Urbild des Lamed Ähnlichkeit aber nicht erkennbar. Obwohl beim ugaritischen Lamed und bei anderen Zeichen derzeit keine graphische Verbindung zum hieratischen Vorbild zu bestehen scheint, ist es mir doch wahrscheinlich geworden, daß viele ugaritische Keilschriftzeichen tatsächlich von den gleichen hieratischen Zeichen abgeleitet sind wie die phönizischen linearen Zeichen. Dem Vorschlag von Ludwig Morenz, die ugaritischen Zeichen teils von protosinaitischen Zeichen, teils von Zeichen der akkadischen Keilschrift abzuleiten, kann ich mich nicht anschließen.183 Weitere Forschung ist jedoch erforderlich.
119
10.1.2 Lokale Alphabete um das Mittelmeer In Kleinasien, Italien, Spanien und anderen Ländern rund ums Mittelmeer gibt es zahlreiche lokale Alphabete, die zwar alle auf das phönizische Uralphabet zurückzugehen scheinen, sich aber in den Einzelheiten stark unterscheiden. Es ist vorstellbar, daß die Erkenntnisse dieses Buches einen Beitrag leisten können, die graphischen Besonderheiten mancher Schriften besser zu verstehen. Dafür sei nur ein Beispiel genannt. Der karische Buchstabe 𐊷, dessen jetzt allgemein anerkannter Lautwert p zuerst von mir selbst erkannt wurde,184 ist graphisch anscheinend nichts anderes als ein gedrehtes griechisches B (s. Kapitel 5.2). Wenn das kein Zufall ist, kann man sich fragen, ob die Karer die „Sachsen“ Kleinasiens waren, die „hartes“ und „weiches“ p nicht unterscheiden konnten! Dieser Scherz soll nur andeuten, wie man vielleicht von den Schreibungen des hieratischen „Uralphabets“ her neue Erkenntnisse über die Lautwerte von Zeichen in anderen Alphabeten gewinnen, ja womöglich gar einzelnen Zeichen neue phonetische Werte zuweisen kann. Auch über die Herleitung der südsemitischen Schriften kann nun neu nachgedacht werden. 10.2 Protosinaitische Schrift In Kapitel 3.2 wurden die Schwächen der protosinaitischen Theorie dargestellt. Besonders die Annahme, daß der Schrifterfinder die graphische Form eines ägyptischen Zeichens übernommen, diesem aber eine neue phonetische Bedeutung beigemessen hätte, ist von vornherein wenig überzeugend. Es wäre doch gewiß leichter gewesen, zusammen mit der graphischen Form auch deren Lesung in eine neue Schrift zu überführen. Merkwürdigerweise scheint noch niemand die protosinaitischen Inschriften mit der Frage untersucht zu haben, ob die ägyptischen Zeichen mit ihrer ursprünglichen Lautung verständliche semitische Wörter ergeben könnten. (Es fällt mir schwer zu glauben, daß niemand diese naheliegende Frage gestellt haben sollte, aber ich habe in der Literatur keinerlei Hinweis gefunden. Natürlich kann ich nicht das gesamte einschlägige Schrifttum durchsehen.) Die hier vorgetragene Theorie über die Entstehung des Alphabets erlaubt einen neuen Zugang zu dieser Fragestellung. Gehen wir von Gardiners als B-o-l-t entzifferten Zeichen aus b = Haus
120
= Beth
e = Auge
= oAjin
J = Strick = Lamed T = Zeichen = Taw und vergleichen wir sie mit den hier erkannten Vorbildern für die phönizische Schrift! Dann müssen wir die Zeichen so erklären: b e J T
= = = =
Haus Mund Strick Stern
= = = =
äg. pr (Kap. 5.17) oder h# (Kap. 5.5) > Pe oder He äg. r# (Kap. 5.20) > Reš äg. w#.t (Kap. 5.2) > Beth äg. tjw (Kap. 5.22) > Taw
Wir erhalten das phönizische/hebräische Wort רבת/rbt, d. h. „Herrin“ oder „Göttin“. Das erste Zeichen der Guppe geht auf ein ägyptisches Hauszeichen (O1) oder (O4), d. h. wir müssen p zurück, und zwar entweder auf oder h lesen. Da die beiden Zeichen schon innerägyptisch manchmal vertauscht werden, können wir vielleicht b als h lesen und als den phönizischen (hebräischen) Artikel verstehen. Die ganze von Gardiner als B-4-l-t erklärte Gruppe wäre dann als h-r-b-t „die Göttin“ oder „die Herrin“ zu verstehen – und das würde ebenso gut wie Gardiners Vorschlag passen, hätte aber den großen Vorzug, keinen Widerspruch zwischen der graphischen Form der Ausgangszeichen und deren phonetischem Wert annehmen zu müssen. Das normale Verfahren bei der Einführung einer fremden Schrift ist nun einmal, daß die graphische Form zusammen mit ihrer Lautung übernommen wird, soweit die Zielsprache dies zuläßt. Das Zeichen des Rinderkopfes a, das man bisher für ein Aleph hält, müßte lesen, also doch wohl k(#) wie im man dann so wie die Hieroglyphe F1 Wort „Stier, Rind“ (Wb V, 94 ff.), d. h. das gleiche ägyptische Wort , das auch mit dem Rinderkopf F1 determiniert werden kann, hätte k(#) zum protosinaitischen Zeichen a = k und zum phönizisch-griechischen Buchstaben k geführt, vgl. Kap. 5.11.185 Ob diese Überlegungen zu neuen Ergebnissen oder in die Irre führen, kann ich zur Zeit nicht erkennen. Hier sind weitere Forschungen erforderlich, für die mir vielleicht nicht genug Lebenszeit bleibt. Ich erlaube mir daher, dieses Kapitel trotz seiner Unfertigkeit abzuschließen.
121
10.3 Byblosschrift Die nach meiner Überzeugung unentzifferte Schrift von Byblos hat einige Schriftzeichen, die eindeutig von ägyptischen Hieroglyphen abgeleitet sind, sowie etliche andere, die gewisse Ähnlichkeiten mit Hieroglyphen und hieratischen Zeichen haben. Da nun einige Zeichen der Byblos-Schrift mit Hieroglyphen übereinstimmen, aus denen phönizische Buchstaben geworden sind, ist es vorstellbar, daß von hier aus ein neuer Ansatz zur Entzifferung der Byblos-Schrift gewonnen werden kann. Hierzu einige Gedanken, die bestenfalls einen neuen Weg öffnen können. (Zu beachten: Die Byblos-Schrift wird von rechts nach links geschrieben.) 10.3.1 Das Zeichen L (Dunand, Byblia Grammata, Nr. B2) ist, wie schon Dunand bemerkt hat, offensichtlich mit der Hieroglyphe des Djed-Pfeilers identisch. Aus diesem Zeichen ist nach der hier vorgetragenen Theorie der phönizische Buchstabe Samekh (Kap. 5.15) geworden. Es liegt daher nahe, dem Zeichen in der Byblos-Schrift den Wert s (+ Vokal) zuzuweisen. 10.3.2 Die Byblos-Schrift hat zwei Zeichen, die offensichtlich einen Vogel darstellen. Da nun in der phönizischen Schrift nur zwei Buchstaben existieren, die von der Hieroglyphe eines Vogels abgeleitet sind – nämlich Waw und Jod –, ist es wahrscheinlich, daß auch die Vogelzeichen der ByblosSchrift auf die beiden hieroglyphischen Vogelzeichen zurückgehen. Vorschlag: k < (Waw) und H < (Jod). 10.3.3 Das gublitische (Byblos-)Zeichen B erinnert deutlich an die w#Schlinge, aus der das phönizische Zeichen b(u) geworden ist. Eine Identifizierung ist deswegen verführerisch, weil in dem einzigen kurzen Textabschnitt der Byblos-Inschriften, der vermutlich richtig entziffert ist (Byblos 1, Z. 16), eben diesem Zeichen der Wert /b/ beigemessen worden ist:
x
6
,
B
t
n
S
b
„im Jahre (7)“.
10.3.4 Das Zeichen - sollte mit / identisch sein, wie sich aus mehreren Entsprechungen der Zeichenfolge G - P und G / P ergibt (s. Dunand, Byblia Grammata, 120). Da diese beiden Formen jedoch den hieratischen
122
Schreibungen der Zunge im Mittleren Reich entsprechen – aus dieser Hieroglyphe ist der Buchstabe Lamed entstanden –, ist es wahrscheinlich, daß dem gublitischen Zeichen der phonetische Wert /l/ (+ Vokal, wohl i) zukommt. 10.3.5 In der Inschrift Byblos 1 (Dunand, Byblia Grammata, 75 und Taf. IX) kommt dreimal eine Gruppe / B h vor (in Z. 3–4, 4 und 9), die man – die Richtigkeit des Vorhergehenden vorausgesetzt – als ?-b-l lesen kann. Die Versuchung liegt nahe, darin das Wort Gbl = „Byblos“ zu sehen, zumal das erste Zeichen in seiner Form eine große Ähnlichkeit zur demotischen Schreides Buchstabens q hat, welcher auf die Hieroglyphe zurückgeht.186 bung Die Entsprechung ägyptisch q = semitisch g wäre gleich wie beim Buchstaben Gimel (aus qm#).
10.3.6 Wenn die Entzifferung Gbl = Byblos richtig wäre, dann müßte das mehrmals vorhergehende Wort G / P doch wohl m-l-k „König“ sein; der erste Buchstabe zeigt ja ähnliche Zacken wie das phönizische m, aber in anderer Anordnung. Das dritte Zeichen ist eindeutig die ägyptische Hieroglyphe der Kobra (I12), deren Lesung – allerdings bisher erst aus ptolemäischer Zeit bekannt – u. a. der Konsonant k ist. Wir könnten somit in der Inschrift Byblos 1, Z. 3–4 und 4 lesen: / B h G / P mlk Gbl „König von Byblos“. Vgl. zu dieser Wortverbindung etwa den AHiram-Sarg, Z. 1 (Donner/Röllig, Kanaanäische und aramäische Inschriften, Nr. 1) oder die JeHimilk-Inschrift, Z. 1 (Donner/Röllig, KAI, Nr. 4) usw. Das mehrfach im gleichen Text vorkommende Wort Y T G / P wäre dann gewiß als mlkt# „Königin“ zu erklären (Z. 2, 6, 10) und vermutlich mit dem Wort 8 T G - P aus der Byblos-Tafel d (Z. 15–16) identisch.187 Wegen der Anzahl der Zeichen ist anzunehmen, daß die Byblos-Schrift eine Silbenschrift war. Man muß daher versuchen, ob die für die hieratischen Vorbilder erschlossenen Silbenwerte hier einsetzbar sind. Allerdings gehören die Zeichen G (aus I12) und h (aus N29) nicht zu den Hieroglyphen, die ins Alphabet übernommen worden sind; ihre Vokalisierung ist noch zu erschließen. Für h ist das qa,188 während für G die Vokalisierung zur Zeit nicht erschließbar ist. Wenn aber die Bestimmung der Zeichen G / P als mlk „König“ richtig ist, dann bietet sich wegen akkadisch malku („König“) ku als Vokalisierung an. Aus mlk Gbl „König von Byblos“ wird so ma-li-ku
123
Ga-bu-li,189 und aus mlkt# „Königin“ wird ma-li-ku-ti-#a. Ich bin kein Semitist, aber das Ergebnis erscheint mir nicht unpassend. Wenn die Vorschläge stimmen, hätten wir also folgende Silben der ByblosSchrift gewonnen, die vielleicht eine weitere Entzifferung der Schrift ermöglichen.
Z B , 6 T P / G h Y
Di bu Si na ti ma li(?) li(?) ku qa > ga #i > #a(?)
Weitere Gleichsetzungen lassen sich allein nach den graphischen Formen vorschlagen:
) 1 k ' f
124
da oder ra
Kap. 5.4 oder 5.20 hieratisch
hi
Kap. 5.5 hieroglyphisch
wa
Kap. 5.6 hieroglyphisch
ja
Kap. 5.10 hieratisch
ka
Kap. 5.11 hieratisch
Die Ausführungen zu Kapitel 10.3 sind weitgehend spekulativ und lassen sich bisher überhaupt nicht beweisen. Ob die Erwägungen künftig zu neuen Ergebnissen führen oder sich als ganz und gar irrig erweisen, ist zur Zeit nicht abzusehen. Es sind weitere Forschungen erforderlich, für die mir selbst vermutlich nicht genug Lebenszeit bleibt. Ich schließe das Kapitel hier ab.
125
11. SCHLUSSWORT Kein Buch ist ohne Fehler, dieses gewiß nicht, das sich auf kaum begangene Wege wagt und auch Themen behandelt, die dem Verfasser nicht wirklich vertraut sind. Es wird hier sicherlich in der Zukunft vieles präzisiert, manches auch korrigiert werden müssen. Trotzdem habe ich die Hoffnung, daß die alte Theorie über die Herkunft des Alphabets aus hieratischen Schriftzeichen durch meine Forschung den entscheidenden Durchbruch gewinnt. Wer jetzt noch an der bisherigen Standardtheorie festhalten will, muß alle in diesem Buch erkannten Ableitungen der Buchstabennamen und Buchstabenformen aus hieratisch geschriebenen Wörtern total ablehnen. Das werden vermutlich diejenigen tun, die sich zuvor schon festgelegt und vielleicht auch entsprechende Arbeiten publiziert haben. Wer aber unbefangen an das Thema herantritt, wird hoffentlich die Überlegenheit der von de Rougé zuerst formulierten und von mir mit neuen Argumenten gestützten Theorie akzeptieren, daß unsere Buchstaben von der hieratischen Schreibung ausgewählter Hieroglyphen abgeleitet sind. Die Willkür, die man früheren graphischen Ableitungen vorwerfen konnte, ist jetzt dadurch beseitigt, daß erstmals alle Buchstaben in ihrer Form und ihrem Namen von ägyptischen Wörtern hergeleitet werden. Einige dieser theoretisch erschlossenen Ableitungen ließen sich durch den Sign-Papyrus aus dem 1. Jh. n. Chr. glänzend beweisen (s. Kap. 5.2, 5.3, 5.17 und 5.20). Wäre dieser Papyrus komplett erhalten, hätte er schon längst zu der hier vertretenen Theorie geführt. Auch die erstmalige Möglichkeit, alle Unterschiede der hebräischen und der griechischen Buchstabennamen sprachlich zu erklären, ist ein wesentlicher Vorzug des neuen Ansatzes, die Buchstabennamen als ägyptische Wörter zu verstehen. Als überraschendes Ergebnis stellte sich dabei heraus, daß die griechischen Namen der Buchstaben und auch einige ihrer graphischen Formen nicht von der gleichen semitischen Überlieferung abstammen können, die zur sogenannten phönizischen Schrift geführt hat. Es hat vermutlich eine zweite semitische Überlieferung gegeben, die vielleicht über Kreta vermittelt worden ist und irgendwie der originalen Vorlage näher war, aber das muß noch erforscht werden. Die Ergebnisse dieses Buches beenden auch einen ärgerlichen Widerspruch in der bisherigen Forschung: Man weiß seit langem, daß die Zahlzeichen der nordwestsemitischen Alphabetschriften aus dem Hieratischen abgeleitet sind.190 Sie haben wie Fremdkörper in Texten gewirkt, die nichts mit dem
126
Hieratischen zu tun haben sollten. Dieser Widerspruch löst sich in Wohlgefallen auf, wenn man akzeptiert, daß auch die phönizischen Buchstaben aus dem Hieratischen kommen. Nun erkennt man zugleich, daß die Zahlzeichen der nordindischen KharoṣṭhīSchrift (3. Jh. v. Chr.–3. Jh. n. Chr.), die zweifellos aus der aramäischen (< phönizischen < hieratischen) Schrift abgeleitet ist, den hieratischen oder demotischen Zahlzeichen mindestens ähnlich, wenn nicht mit ihnen unter Drehung oder Spiegelung identisch sind.191 Damit erledigt sich die historisch befremdliche Aussage, sie erinnerten an die römischen Zahlzeichen („reminiscent of Roman numerals“), wie man im Internet lesen kann, s. . Vgl. den Nachtrag. Die von mir neu angestoßene Diskussion über die Herkunft des Alphabets hat bei manchen Hörern meiner Vorträge und Rezensenten meiner bisherigen Arbeiten merkwürdig emotionale Reaktionen hervorgerufen, bis hin zu persönlichen Beleidigungen.192 Einer meiner Zuhörer meinte 1976, als ich zugeben mußte, daß ich noch keinen passenden Vorschlag für das Aleph hatte, recht verärgert: „Aber wir wissen doch längst, daß das Aleph ein Ochsenkopf ist!“ Als junger Mann und Anfänger in der Wissenschaft gab ich dem berühmten Professor nicht die passende Antwort: „Wer alles schon weiß, kann nichts Neues lernen.“ Es scheint bei manchen Anhängern der bisherigen Standardtheorie ein ausgeprägter Widerwille zu bestehen, alternative Gedanken nüchtern zu prüfen. Ihnen ist wohl die alte Theorie so vertraut geworden, daß eine Infragestellung derselben emotionale Probleme bereitet. Aber Emotionen gehören nicht in die Wissenschaft; vielleicht werden sie ja gerade dadurch geweckt, daß die Standardtheorie nie wirklich bewiesen worden ist, sondern immer eine Frage des Glaubens war. Und in Glaubensfragen sind die Menschen nun einmal leicht verletzlich. Die bisherige Standardtheorie über die Herkunft des Alphabets halte ich durch dieses Buch für widerlegt. Ich möchte hoffen, daß die meisten meiner Leser das nach nüchterner Abwägung ebenso sehen können, auch wenn dann sehr viele Bücher und Internetseiten ganz neu geschrieben werden müssen.
127
12. ERKLÄRUNG FREMDER WÖRTER UND BEGRIFFE Da dieses Buch auch Leser ohne sprachwissenschaftliche Ausbildung erreichen soll, sind alle Fremdwörter bei ihrem ersten Vorkommen und hier zusammenfassend erklärt. akrophonisch
Anachronismus Aspiraten Assimilation Bilingue Dentale Determinativ
Determinativstrich
Dual emphatischer Laut
etymologisch Frikative Ideogramm indirekter Genetiv Labiale
128
von dem ersten Laut (akro-phon = „Spitzenlaut“) eines Wortes bekommt der daraus abgeleitete Buchstabe seinen Lautwert Verstoß gegen die historische Zeit behauchte Laute Angleichung, hier die Angleichung zweier Konsonanten zweisprachiger Text mit etwa gleicher Bedeutung in beiden Fassungen Konsonanten, die durch das Anlegen der Zunge an die Zähne gebildet werden stumme Hieroglyphe als Lesehilfe am Wortende, die erkennen läßt, zu welchem Bedeutungskreis das betreffende Wort gehört ein einzelner Strich, der neben oder unter einer Hieroglyphe steht und anzeigt, daß Bild und Bedeutung übereinstimmen eine grammatische Form für die Zweizahl von Substantiven (u. a.) mit spezieller Endung in semitischen Sprachen ein Konsonant mit besonders artikulierter Aussprache, die in der deutschen Hochsprache nicht existiert, hier die semitischen Konsonanten Ṭeth, Qoph (Öoph), Êade die sprachliche Herleitung eines Wortes betreffend Reibelaute hieroglyphisches Zeichen, das ein ganzes Wort bedeutet der Genitiv wird durch Einfügung der Präposition n (Ägyptisch) oder l (Hebräisch) gebildet durch die Lippen gebildete Konsonanten
Linearschrift
Liquiden (Liquida)
Masoreten Metathese, Metathesis missing link
Mutae (Muta) Nasale Palatale palatalisiert
Phonem
Phonetik Pleneschreibung
Prolog protokanaanäisch
protosinaitisch
Psilose redupliziert
Schrift, deren Zeichen „linear“ sind, d. h. nicht aus erkennbaren Bildern (Hieroglyphen) oder Keilen bestehen die „flüssigen“ Konsonanten l und r, die beliebig lange gesprochen werden können. In diesem Buch werden auch die Nasale m und n zu den Liquiden gezählt jüdische Schriftgelehrte in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr. „Umstellung“, hier von Schriftzeichen ein fehlendes Verbindungsglied zwischen zwei Objekten, hier zwischen den Hieroglyphen und der phönizischen Alphabetschrift veränderliche Konsonanten: b/p/ph, g/k/kh, d/t/th die Konsonanten, bei deren Bildung die meiste Luft durch die Nase ausgestoßen wird: m und n am Gaumen (palatum) gebildete Konsonanten bei der Aussprache eines Konsonanten wird die Zunge an den Gaumen gelegt, wobei ein sekundärer Laut (etwa wie ein konsonantisches j) entsteht kleinster Laut einer Sprache mit unterscheidender Kraft; wird er ausgetauscht, verändert sich die Wortbedeutung, rot/Not, rot/Rat, rot/Rom Lautlehre „volle“ Schreibung hebräischer Wörter, bei der z. B. ein Vokal o/u durch Hinzusetzung des Halbkonsonanten Waw verdeutlicht wird „Vorwort“, Beginn eines Textes eine Schrift aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. mit wenigen kurzen Inschriften, vorwiegend aus Kanaan eine Schrift aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. mit wenigen kurzen Inschriften, vorwiegend aus dem Sinai (vgl. Kap. 1.8) Wegfall des ursprünglichen Anlauts /h/ bei den Buchstaben Epsilon, Eta und Ypsilon verdoppelt
129
Semikonsonant Septuaginta
Sibilanten Sign-Papyrus Sinaischrift Sonore
Standardtheorie Stratigraphie
syllabische Schrift
terminus post quem Transkription ugaritisch Ursyllabar
130
„Halb“konsonant wie Waw (w oder u) und Jod (j oder i) die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die nach der Überlieferung in ptolemäischer Zeit von 72 Schriftgelehrten in 72 Tagen erarbeitet worden sein soll die S-Laute unterschiedlicher Qualität bedeutendste altägyptische Hieroglyphenliste, Papyrus British Museum 10672, s. Kap. 1.12 s. protosinaitisch die „klingenden“ Konsonanten m und n, die von manchen Autoren und in diesem Buch zu den Liquiden gezählt werden die bisher allgemein anerkannte Theorie über die Herleitung des Alphabets, s. Kap. 3 ein Verfahren der Archäologie, bei dem die verschiedenen Schichten zur Datierung von Funden benutzt werden eine ägyptische Methode, mit bestimmten Zeichen und Zeichenkombinatione die Silben unägyptischer Wörter mit ihren Vokalen anzudeuten Zeitpunkt, nach dem etwas geschehen ist Umschrift von Zeichen einer fremden Schrift die Keilschrift der Stadt Ugarit (Ras-Schamra), vgl. Kap. 1.7 die hypothetische Sammlung von etwa 30 Hieroglyphen, die für die syllabische Schreibung unägyptischer Wörter gegen Mitte des 2. Jahrtausends festgelegt worden ist.
NACHTRAG: DIE ZAHLZEICHEN DER KHAROṢṬHĪ-SCHRIFT Erst nach Fertigstellung dieses Manuskripts wurde ich fast zufällig auf die Kharoṣṭhī-Schrift aufmerksam, die mir zuvor ganz unbekannt war. Für die leichtere Schreibung der vielen Schriften dieses Buches hatte ich die überaus nützliche Schriftsammlung „Alphabetum Unicode“ von Joan-José Marcos erworben. Mittels des Programms „PopChar“ der Firma Ergonis Software kann man viele Tausende von Zeichen aus sehr vielen Schriften am Bildschirm sehen und durch Anklicken direkt in ein Manuskript übernehmen. Beim Experimentieren mit der Schriftsammlung fiel mein Auge auf die Zahlzeichen der Kharoṣṭhī-Schrift, die mir sofort bekannt vorkamen, weil sie mich an demotische Zahlen erinnerten. Kharoṣṭhī ist eine der ältesten Schriften Indiens nach der Indus-Schrift (3. Jahrtausend v. Chr.). Ihre Belege stammen aus der Zeit vom 3. Jh. v. Chr. bis zum 3. Jh. n. Chr. Da sie nach übereinstimmender Meinung der Fachleute aus der aramäischen Schrift entwickelt worden ist, die im ganzen Perserreich geschrieben wurde, besteht Grund zur Annahme, ihr Ursprung gehe auf die Zeit zurück, in der sich das Perserreich bis nach Nordwestindien und Afghanistan ausdehnte, also zwischen dem 6. und dem 4. Jh. v. Chr., bis Alexander d. Gr. das Perserreich zerstörte. Es ist lange bekannt, daß die phönizische > aramäische > hebräische Schrift die Zahlzeichen und ein paar Maßeinheiten aus der ägyptisch-hieratischen Schrift entlehnt hat. Die hieratischen Zahlen und Maße in phönizischen Texten hat Stefan Wimmer gesammelt.193 Das vorliegende Buch hat zu zeigen versucht, daß auch die Buchstaben auf das Hieratische zurückgehen, so daß also die Zahlen nicht mehr wie ein Fremdkörper in einer anders herzuleitenden Schrift stehen. Es ist deshalb durchaus vorstellbar, daß die Zahlen der Kharoṣṭhī-Schrift letztendlich auf das ägyptische Zahlensystem zurückgehen. Sehen wir uns nun die graphischen Ähnlichkeiten im einzelnen an. Die Kharoṣṭhī-Schrift kennt nur die folgenden Zahlzeichen:
131
„Arabisch“
1
2
3
4
Kharoṣṭhī
ਙ ਚ ਛ ਜ
10
20
100
1000
ਝ ਞ
ਟ
ਠ
Aramäisch Hieroglyphisch Hieratisch Demotisch Anmerkungen zu dieser Tabelle: Es ist mir unklar, ob die graphische Form der aramäischen 100 aus der hieratischen Vorlage abgeleitet ist. G. Ifrah erklärt sie anders.194 Die aramäische Form der 1000 ist nach dem gleichen Autor eine Verbindung der aramäischen Buchstaben L(amed) und P(e) zur Bezeichnung für (A)lp = 1000.
Daß in dieser Schrift eigene Zeichen für die Zehner 30–90 nicht existieren, weist auf die Entlehnung aus der aramäischen Schrift hin, der die Zehner nach 20 ebenfalls fehlen.195 Die Ziffern 1 bis 3 sind als einzelne Striche erkennbar, wobei mehrere Striche in der geschriebenen Schrift miteinander verbunden werden. Da solche Striche in vielen Schriften verwendet werden,196 ist die Ähnlichkeit der Ziffern vorgegeben und kann nicht als Beweis für irgendeine Abhängigkeit gelten. Die Spiegelbildlichkeit der Ziffern 2 und 3 in der Kharoṣṭhī-Schrift und der demotischen Schrift liegt daran, daß der Ägypter die einzelnen Zeichen, wo immer es möglich ist, links oben beginnt und nach rechts unten führt, während der Semite nach Möglichkeit rechts oben beginnt und nach links unten schreibt. Zwei waagerechte Striche werden in hieratischer Schrift zu , in phönizischer mit leichter Drehung zu , vgl. Kapitel 5.14 (und 5.13 für drei waagerechte Striche). Anders ist die Situation bei der Zahl 4. Zwar gibt es auch hier in der Kharoṣṭhī-Schrift vier nebeneinandergestellte Striche, aber eben auch ein eigenes Zeichen, das die Form eines Kreuzes hat.197 Hierfür scheint es in der hieratischen > demotischen Schrift kein Vorbild zu geben. Bei näherem Zusehen entdeckt man trotzdem Verbindendes. Die demotische Schrift kennt für die Ziffer 4 nicht nur vier Striche in Ligatur , sondern auch einen senkrechten Strich, an den rechts ein waagerechter angefügt wird: . Dieser rechts
132
angefügte Strich ist ohne Zweifel ein Kürzel für drei senkrechte Striche. Der Unterschied zwischen dem demotischen Zeichen für die Zahl 4 und dem entsprechenden Zeichen der Kharoṣṭhī-Schrift reduziert sich dann darauf, daß im ersten Fall ein waagerechter Strich an einen senkrechten angefügt wird, während im zweiten Fall sich ein waagerechter und ein senkrechter Strich kreuzen. Während die bisher behandelten vier Ziffern der beiden Schriften sich vielleicht zufällig ähnlich sind, scheinen mir die nächsten vier Zeichen deutlich auf eine Abhängigkeit der Kharoṣṭhī-Schrift hinzuweisen. Die 10 ist in der Kharoṣṭhī-Schrift dem hieroglyphischen Urbild näher als die demotische 10. Die demotische 20 ist aus zwei übereinander gesetzten Zehnerzeichen entstanden, ebenso wie in der Kharoṣṭhī-Schrift. Den klarsten Beweis für die Abhängigkeit der Kharoṣṭhī-Zahlen von der ägyptischen Schrift scheint mir das Zeichen für 100 zu bringen. Im Hieratischen wie im Demotischen besteht die 100 aus einem kleinen senkrechten Strich, an den ein langer, meistens leicht nach unten geneigter waagerechter Schwanz angehängt ist. Das Kharoṣṭhī-Zeichen ist damit nahezu identisch, nur daß es um 90° nach links gedreht ist. Ebenfalls aus dem Ägyptischen erklärbar ist das Kharoṣṭhī-Zeichen für 1000. Es geht anscheinend auf die Hieroglyphe der Lotosblume (M20) zurück, ist aber gegenüber der hieratischen > demotischen Form gespiegelt. Merkwürdig ist, daß die Blüte der Pflanze noch ausgebildet ist, während sie im demotischen Zeichen ganz verschwunden ist. Zusammenfassend glaube ich sagen zu dürfen: Die Zahlen der KharoṣṭhīSchrift sind über die aramäische Schrift aus den phönizischen Zahlen abgeleitet, die wie unser Alphabet direkt auf die hieratische Schrift zurückgehen. Merkwürdig und noch zu erklären ist, daß einige Zeichen (10, 1000) den ursprünglichen Hieroglyphen ähnlicher sind als die entsprechenden hieratischen > demotischen Zeichen. Dies war dadurch möglich, daß die ägyptischen Kursivschriften jederzeit auf die entsprechenden Hieroglyphen zurückgreifen konnten.198 Ein gründliches Studium der Handschriften wird es hoffentlich einmal ermöglichen, den historischen und den geographischen Raum der Entlehnung der Kharoṣṭhī-Zahlen genauer zu bestimmen, als dies zur Zeit möglich ist. Die sogenannten arabischen Zahlen, die wir täglich benutzen, gehen nicht auf die Kharoṣṭhī-Zahlen, sondern auf die Brahmi-Schrift zurück, jene andere frühindische Schrift, welche die Mutter aller heutigen indischen Schriften ist.
133
Ob deren Zahlzeichen über die aramäische oder phönizische Schrift letztlich auf die hieratischen (< hieroglyphischen) Ziffern zurückzuführen sind, ist bisher umstritten. Der hier behauptete Entwicklung der Zahlzeichen von den Hieroglyphen > über Hieratisch > Phönizisch > Aramäisch zu den KharoṣṭhīZahlen wäre aber ein starkes Argument für diese Annahme. Etwas ganz Eigenartiges ist bei den Zahlzeichen zu beobachten: Die ägyptischen „kursiven“ Schreibschriften (Hieratisch und Demotisch) haben sich als eine Vereinfachung für das Schreiben entwickelt. Es war gewiß einfacher, ein für die 9 zu schreiben, als neun einzelne Strichlein zu einziges Zeichen zeichnen. Aber das, was das Schreiben ein wenig erleichtert hat, wurde zu einer Erschwernis für das Lernen. Die Hieroglyphen kennen nur wenige Ziffern: 1
Strich
10
Fessel für Tiere
100
Seil
1 000
Lotuspflanze
10 000
Finger
100 000
Kaulquappe
1 000 000
Gott Heh mit erhobenen Armen
Alle anderen Zahlen werden durch die mehrfache Setzung der Grundzahlen geschrieben, also 20
3000
2013.
Im Hieratischen und Demotischen dagegen haben alle Einer zwischen 2 und 9 und alle Zehner zwischen 20 und 90 eigene Formen, so wie in der BrahmiSchrift. Das heißt, man muß sich diese neuen Formen eigens einprägen, obwohl sie aus der Wiederholung des einzelnen Striches (bzw. des Zehnerzeichens) entstanden sind. Bei unseren Ziffern 2 und 3 ist dies noch heute unmittelbar erkennbar: > 2 ; > 3. Dies haben einige der abgeleiteten Schriften wieder zu vereinfachen versucht, wie folgende Zusammenstellung zeigt:
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Dabei bedeutet: x = eigenes Zeichen, m = Mehrfachsetzung des Grundzeichens, – = kein eigenes Zeichen in Gebrauch, ? = wohl nicht belegt,199 (x) = Einer mit Nullzeichen. a) Einer Hieroglyphen
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Hierat./Demot.
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Aramäisch 5. Jh.
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Hebräisch 9.–6. Jh.
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Kharoṣṭhī
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Hieroglyphen
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Hebräisch 9.–6. Jh.
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Aus dieser Zusammenstellung, die noch auf die Hunderter und Tausender usw. auszudehnen wäre, ergibt sich zweierlei: Erstens: Die Brahmi-Zahlen können nicht auf die Kharoṣṭhī-Zahlen zurückgehen, da sie wie die hebräische Schrift über eigene Zeichen für die Zehner von 30 bis 90 verfügen. Zweitens: Es ist vorstellbar, daß die Brahmi-Zahlen auf die hebräischen Zahlen und somit auf die hieratischen Zahlen zurückzuführen sind, doch müßte dies eigens untersucht werden, was hier nicht geleistet werden kann. In der Literatur wird die Frage kontrovers diskutiert. Einige Zahlzeichen der Brahmi-Schrift wie 5, 6 und 9 stimmen aber graphisch so gut zu den ent-
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sprechenden Zeichen der hieratischen/demotischen Schrift, daß eine Unabhängigkeit kaum denkbar ist. Hieratisch (14. Jh. v. Chr.)
Demotisch (3. Jh. v. Chr.)
Вrаhmі (2. Јh. v. Сhr.)
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Die Zehner allerdings sind nur schwer mit den hieratischen Vorbildern zu verbinden.200 Wenn die Zahlen der Brahmi-Schrift, von der unsere „arabischen“ Ziffern herkommen, tatsächlich auf die hieratische Schrift zurückgingen, würde das letztlich heißen, daß nicht nur unsere Buchstaben, sondern auch unsere Zahlen – wohl außer der Null201 – in ihrem ersten Ursprung ägyptische Hieroglyphen sind. Vermutlich schreiben wir nicht nur Hieroglyphen, sondern wir rechnen auch mit ihnen!
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In Platons Werk Phaidros erzählt Sokrates, daß der ägyptische Gott Theuth (= Thot) die Schrift erfunden habe, der ägyptische König Thamos diese Erfindung aber nicht geschätzt habe, weil sie das Vergessen fördere (Phaidros 474–475). . Zum Namen des Königs Thamos s. Heinz J. Thissen, „Ägyptologische Randbemerkungen“, in: Rheinisches Museum für Philologie 145, 2002, 48– 61, speziell 54 ff., s. . In der Zeitschrift Enchoria 3, 1973, 155–157. Als „lateinisch“ bezeichnet man im allgemeinen die Schriften der westeuropäischen Sprachen, obwohl sie über manche Zeichen wie das W (= „double-u“) verfügen, die nicht im lateinischen Alphabet vorkommen. Weiteres hierzu in Kapitel 1.11. Eduard Stucken, Der Ursprung des Alphabets und die Mondstationen, Leipzig 1913. Vgl. dazu Franz Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie, 90/1. Ganz phantastisch ist ein kleines Buch von Gustav Seyffarth: Unser Alphabet: ein Abbild des Thierkreises, mit der Constellation der sieben Planeten ☽ ☿ ♀ ☉ ♂ ♃ ♄ am 7. September des Iahres 3446 vor Christus, angeblich zu Ende der Sündfluth wahrscheinlich nach eigenen Beobachtungen Noah’s. Erste Grundlage zu einer wahren Chronologie und Culturgeschichte aller Völker, Leipzig 1834.
Originaltext: „Hommes (Aleph) et femmes (Beth) sous le joug (Gimel) sortirent (Daleth) d’Égypte (He) vers l’Orient (Waw). Ils se réunirent (Zajin) à Temple- ("eth) Ville (˝eth). D’abord ils étaient désesperés (Jod), mais ensuite ils se levèrent (Kaph), pleins de courage (Lamed). Et le peuple (Mem) courut (Nun) à travers la mer (Samekh), pendant la pleine lune (Ajin). Les légions (Pe), qui le poursuivaient (Ôadê), se noyèrent (Qoph). Alors tous chantèrent (ReS) la gloire (Sin) de Dieu (Taw). Vgl. hierzu Kapitel 3.
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Für eine Einleitung in das hieroglyphische Schriftsystem darf ich auf mein Buch „Hieroglyphen ohne Geheimnis“ verweisen, das 1980 im Philipp von Zabern Verlag Mainz erschienen und seit 2012 in einer erweiterten 12. Auflage lieferbar ist. In einem Anhang weise ich dort auf die enormen Möglichkeiten hin, die das Internet jetzt bietet, um Informationen über die Hieroglyphen, über ägyptische Texte und die ganze ägyptische Kultur zu bekommen. Alle in diesem Buch verzeichneten URLs wurden von mir zuletzt im November 2013 aufgerufen. In einem Zauberspruch aus dem Wadi Hammamat, s. Zauzich, „Abrakadabra oder Ägyptisch? Versuch über einen Zauberspruch“, in Enchoria 13, 1985, 119–132. Vgl. aber G. Vittmann, „Zum Verständnis des demotischen Zauberspruches im Wadi Hammamat“, in: Discussions in Egyptology 13, 1989, 73–78. Soweit koptische oder andere fremde Schriftzeichen in diesem Buch verwendet werden, folgt ihnen immer eine lateinische Umschrift. Heinrich Brugsch, „Entzifferung der meroitischen Schriftdenkmäler“, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 25, 1887, 1–32 und 75–97. Francis Llewellyn Griffith, Karanòg. The Meroitic Inscriptions of Shablûl and Karanòg (= Eckley B. Coxe Junior Expedition to Nubia, Vol. VI), Philadelphia 1911. Weitere Arbeiten in der Bibliograhie zu Kap. 1.5. Vgl. hierzu K.-H. Priese, in: Meroitica 1, 1973, 273–319. Dieses Zeichen ist in dem meroitischen Font, den ich aus dem Internet bezogen habe, nicht korrekt gestaltet. Der eine Arm sollte nicht zum Mund zeigen – wie bei der ägyptischen Hieroglyphe A2 –, sondern nach vorn angewinkelt ausgestreckt sein; vgl. dazu die Ausführungen von Michael H. Zach in: Göttinger Miszellen 173, 1999, 198. Genaue bibliographische Angaben der zitierten Bücher finden sich am Ende des Buches. E. Dhorme, „Déchiffrement des inscriptions pseudo-hiéroglyphiques de Byblos“, in: Syria 25, 1946–48, 3–35. Malachi Martin, „Revision and Reclassification of the Proto-Byblian Signs“, in: Orientalia NS 31, 250–271; 339–363. Johannes Friedrich, Geschichte der Schrift, 59.
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Sein Schlußsatz in dem Aufsatz in Ugarit-Forschungen 40 (2008) erscheint mir geradezu demaskierend: „Together, a basic knowledge of Egyptian Hieroglyphic, a partial decipherment of Cretan Hieroglyphic, and a simple reconstruction of the Linear A syllabary proved devastating to the historical secrets the Byblos Script had hidden from us for so long.“ Gardiner in Journal of Egyptian Archaeology 3, 1916, 1–16. Entdeckt von John Darnell und Deborah Darnell, behandelt von John Coleman Darnell, „Die frühalphabetischen Inschriften im Wadi el-Hôl“, in: Wilfried Seipel (Hrsg.), Der Turmbau zu Babel Band IIIA: Schrift, Graz 2003, 165–171. Ludwig Morenz, Die Genese der Alphabetschrift, 23 ff. Eine ausführliche Diskussion der verschiedenen Vorschläge findet sich bei Franz Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie, Berlin 21925, 2–10. Inv.-Nr. BM 10672. Abbildungen sind in der Datenbank des British Museum im Internet zugänglich:
Der Ausgräber Petrie bezeichnete das Haus nach einer demotisch beschrifteten Statue als das Haus des Bakachui. Der Name des Statuenbesitzers ist jedoch als oS#-|Xj (= griechisch Asychis) zu lesen, was sich leider nicht überall herumgesprochen hat. Zur Bedeutung verkohlter Papyri und zu ihrer restauratorischen Bearbeitung vgl. Michael Fackelmann, Restaurierung von Papyrus und anderen Schriftträgern aus Ägypten (= Studia Amstelodamensia ad epigraphicam, ius antiquum et papyrologicam pertinentia 24), Zutphen 1985, 63–66. Vgl. Endnote 60. Für diese Montage danke ich meinem Sohn Martin Zauzich. Papyrus Carlsberg 7, publiziert von Erik Iversen, Fragments of a Hieroglyphic Dictionary, Kopenhagen 1958; Papyrus Turin, publiziert von Willem Pleyte (s. Endnote 60), Taf. 144 = Cat. 1969. Eine sehr nützliche Zusammenstellung dieser antiken Aussagen findet sich bei Pierre Marestaing, Les écritures égyptiennes et l’antiquité classique, Paris 1913.
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Linear meint hier, daß die Schrift nicht aus erkennbaren Bildzeichen oder keilförmigen Elementen besteht. Die Aufzählung ist durchaus unvollständig, da es mir ganz und gar unmöglich ist, das gesamte Schrifttum zum Thema auch nur durchzusehen. Margit Falkner, „Zur Frühgeschichte des Alphabets“ (zitiert nach Das Alphabet, Wege der Forschung 88, 158). Literaturangaben hierzu finden sich am Schluß des Buches. Über die bis zum Jahre 1923 erschienenen Beiträge referiert Kurt Sethe kritisch in seinem Aufsatz „Die wissenschaftliche Bedeutung der PETRIE’schen Sinaifunde und die angeblichen Moseszeugnisse“, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 5.1, Leipzig 1926. Johannes Friedrich, Geschichte der Schrift, Heidelberg 1966, 61. Hans Bauer, Der Ursprung des Alphabets, 26. Hans Bauer, Der Ursprung des Alphabets, 27. Romain F. Butin, zitiert nach Grimme (Endnote 40), 85. (Übersetzung des englischen Originaltextes vom Verfasser) Hubert Grimme, Die altsinaitischen Buchstabeninschriften, Berlin 1929, 76 ff. In dem Namen erkennt Grimme übrigens den der Königin Hatschepsut. William Foxwell Albright, The Protosinaitic Inscriptions and Their Decipherment, Harvard Theological Studies XXII, Cambridge 1969, 18–19. (Übersetzung des englischen Originaltextes vom Verfasser.) Albert van den Branden, „Nouvel essai du dechiffrement des inscriptions protosïnaitiques (sic)“, in: Bibbia e Oriente. Rivista trimestrale per la conoscenza della bibbia 21, 1979, 155–251, speziell 196. (Übersetzung des französischen Originaltextes vom Verfasser.) Brian E. Colless, „The proto-alphabetic inscriptions of Sinai“, AbrNahrain 28, 1990, 28–30. (Übersetzung des englischen Originaltextes vom Verfasser.) Vgl. die Arbeiten von Wimmer/Wimmer-Dweikat 2001 und Colless 2010, die in der Bibliographie zu Kapitel 3 genannt sind. Ausführliche Diskussion bei Manfred Krebernik, „Buchstabennamen, Lautwerte und Alphabetgeschichte“, in: Andreas Luther u. a. (Hrsg.), Getrennte Wege? Kommunikation, Raum und Wahrnehmung in der alten Welt, 108–175.
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Nach seinem Tod abgedruckt in: Mémoire sur l’origine égyptienne de l’alphabet phénicien, Paris 1874. Eine knappe Fassung der Hypothese hat de Rougé bereits 1859 unter gleichem Titel publiziert in: Comptes rendus des séances de l’Academie des Inscriptions et Belles-Lettres 3, 1859, 115–124. Heinrich Brugsch, Ueber Bildung und Entwicklung der Schrift, Berlin 1868. Pierre Montet, Byblos et l’Égypte. Quatre campagnes de fouilles à Gebeil, Paris 1928, 294–305. Alexis Mallon, „L’origine égyptienne de l’alphabet phénicien“, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 30, 1930/31, 131– 151. Wolfgang Helck, „Zur Herkunft der sog. ‚phönizischen‘ Schrift“, in: Ugarit-Forschungen. Internationales Jahrbuch für die Altertumskunde Syrien-Palästinas, Band 4, 1972, 41–45. Nähere Angaben im Literaturverzeichnis am Schluß des Buches. Vgl. hierzu Bulletin of the American Schools of Oriental Research 184, 1966, 13–19 und BASOR 188, 1967, 39–41; Stefan Wimmer, Palästinisches Hieratisch, Wiesbaden 2008. Dazu hat sich Hans Bauer vor 85 Jahren so geäußert: „Man wird sich in einer späteren Zeit über die Leichtgläubigkeit wundern, mit der sich ernste Gelehrte von dem Trugbild der Sinaischrift als dem Urbild unserer Schrift haben gefangen nehmen lassen. Da diese unbewiesene Theorie aber nun einmal in alle deutschen Handbücher und Enzyklopädien Eingang gefunden hat, so wird sie freilich bei uns noch eine Zeit lang das Feld beherrschen“ (in: Der Ursprung des Alphabets, Der Alte Orient, Bd. 36, Heft 1/2, Leipzig 1927, 27). Im Anhang 1 dieses Buches sind die unterschiedlichen Vorschläge der Gelehrten zur Ableitung der einzelnen Buchstaben übersichtlich zusammengestellt. In dem in Endnote 50 genannten Aufsatz. „Vorläufige Mitteilung zur Herkunft der phönizischen Schrift“, in: Enchoria 3, 1973, 153–157. Leider finde ich keine Angaben über seine Lebenszeit. Wilhelm Weidmüller, „Wie der Buchstabe I entstand. Ein schriftgeschichtlicher Ausblick auf fünf Jahrhunderte“, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Frankfurter Ausgabe 13 (8.10.1957), 1257–
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Harald Haarmann, Universalgeschichte der Schrift, Frankfurt/New York 1990, 273 und 287. Vgl. M. Ripinsky, „The Camel in Dynastic Egypt“ in: Journal of Egyptian Archaeology 71, 1985, 134–141. Erst in der griechisch-römischen Zeit scheint das Kamel voll akzeptiert worden zu sein, man denke nur an die vielen Terrakotten von Kamelen bzw. Dromedaren. Auch des Wohlstandes, den der Besitz von Kamelen bedeutete, hat man sich gern berühmt; man vergleiche die Kairener Statue des Horos, des Sohnes des Harpagathes (Kairo, CG 1191), bei der auf der linken Seite des Sitzes ein Kamel eingeritzt ist. Zum Kamel in Ägypten s. auch Béatrix MidantReynes/Florence Braunstein-Silvestre, „Le chameau en Égypte“, in: Orientalia 46, 1977, 337–362. Vgl. Gerhard Fecht, Wortakzent und Silbenstruktur, § 384. Manche Autoren, wie z. B. Bezalel Porten, schreiben deswegen bei der Wiedergabe aramäischer Texte ein d und ein r übereinander, um ihre Ununterscheidbarkeit anzudeuten. Erik Iversen, Fragments of a Hieroglyphic Dictionary, 24: Die Hieroglyphe wird als „Geflügelhof“ oder „Feldhaus“ u. a. erklärt. Vgl. auch Endnote 149. In der Literatur findet man oft eine andere Erklärung der Namen Epsilon und Ypsilon, die sich m. E. jetzt erledigt hat. Die Problematik des Buchstabennamens ist klar herausgestellt und ausführlich diskutiert in einem Aufsatz von William Johnstone „Biblical Hebrew Wâwîm in the Light of New Phoenician Evidence“ in Palestine Exploration Quarterly 109, 1977, 95–102. Seine Schlußfolgerung, daß aufgrund von Markierungen auf Schiffen des 3. Jahrhunderts v. Chr. das Wort wâw nun dem phönizischen Lexikon hinzugefügt werden könne, hat mich nicht überzeugt. Zu den regelmäßigen Vokaländerungen der Tonsilben ägyptischer Wörter vgl. Jürgen Osing, Nominalbildung (Lit. zu Kap. 1.1, 1976), 11 ff. Über die Vokale der Nebentonsilben ist wenig bekannt. An dieser Stelle muß ein Einwand bedacht werden, den mir ein bekannter Altertumswissenschaftler vortrug, als ich vor etlichen Jahren in Zürich über meine Alphabetstudien berichtete. Er meinte, die diskutierte Form des Zahlzeichens für 6 sei eine Erfindung byzantinischer Schreiber. Tatsächlich wurde die Ligatur für Sigma und Tau, das sogenannte Stigma, ähnlich wie das alte Waw (Digamma) geschrieben. Es wäre zu
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prüfen, ob es in frühen griechischen Texten das Zahlzeichen Bau = 6 gibt, das anders als das alte Digamma aussieht, aber nichts mit dem viel jüngeren Stigma zu tun hat. Die semitischen Sprachen wie auch die ägyptische Sprache verfügen über eine eigene grammatische Form für zwei zusammengehörige Wörter, den Dual. Die ägyptische Endung des maskulinen Duals ist -w|, die hebräische -ajim. Die hier vorliegende Endung -(a)jin kommt vermutlich aus dem Aramäischen. Wilhelm Spiegelberg, in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 64, 1929, 93/4. Siehe Wolja Erichsen, Demotisches Glossar, 283. Jeffery, Local Scripts, 28: „Thus in Naxian ... 1 (gemeint ist eine besondere Form des Eta, d. Verf.) ... stands ... also for the η which came from an original *a.“ Was es für die griechische Sprachgeschichte bedeutet, wenn das Eta ursprünglich ein /å/ bezeichnet, ist hier nicht zu untersuchen. Vgl. hierzu Schwyzer, Griechische Grammatik I, 145. Kann es sein, daß die Unterschiede der griechischen Dialekte hinsichtlich der Laute /å/ und /ē/ eher graphisch als lautlich zu erklären sind? Vgl. Peter T. Daniels: „HA, LA, "A or HOI, LAWE, "AUT: The Ethiopic Letter Names“, in: Semitic Studies in Honor of Wolf Leslau on the Occasion of his Eighty-Fifth Birthday November 14th, 1991, ed. A. Kaye, Wiesbaden, 275–288. Zu dieser vereinfachten Schreibung vgl. auch J. Moje, Demotische Grabstelen aus Dandara, 42/3 . S. hierzu G. Fecht, Wortakzent und Silbenstruktur, § 233, Anm. 365. Vgl. auch Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 38, 1900, 87. Vgl. Endnote 60. Universalgeschichte der Schrift, 1990, 282 f. Es fehlt mir kurz vor Fertigstellung des Manuskripts die Zeit, die These Haarmanns gründlich zu prüfen. Es fällt nur auf, daß spätere Arbeiten zur Frühgeschichte des Alphabets diese verschweigen. Hat man die Bedeutung der These nicht erkannt, hat man sie schlicht übersehen oder verschweigt man sie, weil sie der herkömmlichen Ansicht über das Alter der griechischen Schrift widerspricht? Bücher wie Barry Powell, Homer and the Origin of the Greek Alphabet, Cambridge 1991 wären schon in ihrem
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Ansatz widerlegt! Ein Buchtitel wie „Die Geburt des Vokalalphabets aus dem Geist der Poesie“ (Hrsg. Wolfgang Ernst/Friedrich Kittler, München 2006) klingt zwar schön, ist aber aus meiner Sicht sachlich verfehlt. „I s’appelava in terra il sommo bene / onde vien la letizia che mi fascia; e EL si chiamo poi …“, d. h. „Hieß auf der Erde I das höchste Gut, von dem die Wonnen stammen, die mich kleiden, und nannte später EL sich ...“ (Dante Alighieri, Divina Commedia, Par. XXVI, 134–136; Übersetzung von Wilhelm G. Hertz, dtv-bibliothek 6096). Ich glaube zu verstehen, worauf diese Aussage beruht, aber ich weiß nicht, wie Dante zu der Information gekommen ist. Ich will darauf in einem anderen Buch zurückkommen, das ich recht bald publizieren möchte. Diesen Schluß ziehe ich aus der Beobachtung von Texten, die nur wenige Determinative verwenden. Vgl. hierzu meine Aufsätze „Schmähworte gegen eine Frau“ in: Enchoria 18, 1991, 135–151, besonders 148/9; „Ein Interregnum weniger“, in: Intellectual Heritage of Egypt. Studies Presented to László Kákosy by Friends and Colleagues on the Occasion of his 60th Birthday (= Studia Aegyptiaca XIV), Budapest 1992, 619– 626. Auch der Papyrus Amherst 63 kennt nur wenige Determinative, vgl. meinen Aufsatz „Abrakadabra oder Ägyptisch?“ in: Enchoria 13, 1985, 119–132, besonders 127–130. – Umgekehrt beweisen gute Schreiber ihre Bildung gern dadurch, daß sie seltene Determinative verwenden, siehe Jasnow/Zauzich, The Ancient Egyptian Book of Thoth, 93/4. Franz Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie, Berlin 1925, Nachdruck Leipzig 1975, 16. Alan H. Gardiner, in: Journal of Egyptian Archaeology 3, 1916, 1–16. Vgl. hierzu meine Ausführungen in: Die ägyptische Schreibertradition (Lit. zu Kap. 1.3, 1966), 227 sowie Clarysse/van der Veken, The Eponymous Priests of Ptolemaic Egypt, Papyrologica Lugduno-Batava. 24, 1983, 142. Es ist wahrscheinlich, daß das deutsche Wort „Löwe“ hier seinen ersten Ursprung hat, natürlich über griechische (leōn) > lateinische (leo) Vermittlung. – Es ist vorstellbar, daß die südsemitischen Schriften wie das Äthiopische einzelne Buchstaben einem anderen hieratischen Vorbild verdanken als die nordsemitischen.
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Zum Wechsel von mr/r/l s. Charles Kuentz, „Remarques sur les statues de Harwa“, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 34, 1934, 154–157 . In mr-s = ls (koptisch las/las) „Zunge“ (Erichsen, Demotisches Glossar, 263 und 166) oder mr-bSê = lbSê (nicht SbS wie op. cit., 499 und 422), vgl. meine Ausführungen in Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 114, 1987, 99, Fußn. 11. Bei Beachtung dieses Prinzips erledigen sich viele der von anderen Autoren vorgeschlagenen graphischen Ableitungen. Der Einschub eines Übergangslautes b zwischen m und d kann dabei aufs Ägyptische zurückgehen, vgl. Fecht, Wortakzent und Silbenstruktur, 82, Fußn. 249. Zur graphischen Gleichheit von hieratisch mr und mt s. Gardiner in Journal of Egyptian Archaeology 15, 1929, 53. Diese Gleichheit hat sich bis in die demotische Schrift erhalten, vgl. hierzu meine Ausführungen in Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 114, 1987, 99, Fußn. 10. Vgl. ferner Alexandra von Lieven, Grundriß des Laufes der Sterne. Das sogenannte Nutbuch (= Carlsberg Papyri 8), Kopenhagen 2007, 35/6. Zur Vokalisierung von mr „Vorsteher“ (aus |mj-r#) als jᵕmejlă# s. Fecht, Wortakzent und Silbenstruktur, § 259 und § 70, Anm. 126. Zur Unsicherheit des semitischen Schrifterfinders bei den Determinativen vgl. die Ausführungen zu Kap. 5.11. Für freundliche Beratung danke ich Herrn Kollegen Jürgen Zeidler. Friedrich, Geschichte der Schrift, 106. Die Stellen sind bequem nachzulesen bei Heinz J. Thissen, „Zum Namen ‚Moses‘“, in: Rheinisches Museum für Philologie 147, 2004, 55– 62. Leicht zugänglich unter . Osing, Nominalbildung, 11. Zur „Farbe“ der griechischen Schriften vgl. Endnote 160. Krebernik, „Buchstabennamen, Lautwerte und Alphabetgeschichte“ (Lit. zu Kap. 3, 2007), 156/7. Im Bohairischen steht also ein palatalisierter (d. h.: am Gaumen auszusprechender) K-Laut, wo die anderen Dialekte einen palatalisierten T-Laut haben, allerdings nur, wenn der Konsonant auf einen alten Konsonanten T zurückgeht (Walter C. Till, Koptische Dialektgrammatik, München 1961,
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5). Der Hinweis soll hier nur zeigen, daß die unterschiedlichen phonetischen Werte des griechischen Konsonanten Xi (/ts/ und /ks/) durchaus auf den gleichen ägyptischen Konsonanten D zurückgehen können. Diese Vermutung verdient eine eigene Untersuchung unter Berücksichtigung von griechischen Dialektunterschieden und der Etymologie griechischer Wörter. – Für den Buchstabennamen Psi erscheint dann eine ursprüngliche Aussprache wie p+S denkbar, s. Kap. 7.2. Vgl. E. Drioton in Revue d’Égyptologie 11, 1957, 42, Fußn. 42. Einen möglichen Beleg für diese Schreibung finde ich in einem semitischen Personennamen, den J. Yoyotte als P#-dd erklärt hat (in: Melanges läßt aber ohne Zweifel eiMaspero IV, 144). Die Schreibung ne Lesung P#-owow zu, hinter der sich vielleicht der edomitische Stadtname Pau (1 Mos 36,39, Einheitsübersetzung: Pagu) verbirgt, den die Septuaginta als Phogor wiedergibt. Die anlautenden Konsonanten Ajin und Aleph bleiben in der griechischen wie in unsrer Schrift unmarkiert. So steht auf der Dipylon-Kanne aus dem 8. Jh. v. Chr. τοτο/toto statt τουτο/touto (Haarmann, Universalgeschichte der Schrift, 285). Vgl. Haarmann, Universalgeschichte der Schrift, 282 ff. Das Zeichen pr wird gelegentlich schon im Mittleren Reich für einfaches p gebraucht, s. H. Goedicke in Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 81, 1956, 62. Zur Vertauschung von pr und p# s. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica I, 33*. Vgl. auch Sethe, Verbum I, § 242. – Zu den zwei Wörtern pr s. Donald B. Redford, „The Pronunciation of Pr in Late Toponymes“, in: Journal of Near Eastern Studies pri“, in: Revue 22, 1963, 119–122; Alessandro Roccati, „Le signe d’Égyptologie 21, 1969, 151–153. Ausführlich ferner Pierre Lacau, Études d’Égyptologie I (= Bibliothèque d’Études 41, Kairo 1970), 85–112. Auffallend ist, daß Spalte 1 und 2 (von rechts) sich nur in den Proportionen unterscheiden. Das Zeichen der ersten Kolumne ist eine vereinfachte Hieroglyphe, die sich der hieratischen Form angeglichen hat. Eine regelmäßige Erscheinung in griechischen Wörtern, vgl. Emphase (aus en-phasis) oder Symphonie (von syn-phonein). Der Name scheint erst sehr spät belegt zu sein, was natürlich keineswegs ausschließt, daß er trotzdem korrekt aus dem Altertum überliefert ist. (Die Frage ist ähnlich komplex wie die nach dem Alter der äthiopischen Buchstabennamen.) Eine ausführliche Diskussion findet sich unter
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. Man kann auch sonst im Sign-Papyrus beobachten, daß eine genaue Übereinstimmung der zweiten und dritten Spalte vermieden wird, weil man nicht ein Wort mit dem gleichen definieren kann. Vgl. zu diesem Zusammenfall Gardiner in Journal of Egyptian Archaeology 15, 1929, 53. Die Zwei- oder Mehrdeutigkeit von Schriftzeichen, die uns befremdet, war in der Hieroglyphenschrift wie in der Keilschrift gar nichts Ungewöhnliches. Vgl. Endnote 140. Das Phänomen wurde von Pierre Lacau ausführlich untersucht in: Études d’Égyptologie I (= Bibliothèque d’Études 41, Kairo 1970), 43–55. Vgl. Osing, Nominalbildung, 17 mit Anm. 114. Dies ist die Meinung von I. J. Gelb, in: A Study of Writing, 140 f. (Lit. zu Kap. Allgemeines, 1952), der so weit geht zu behaupten, daß zwei ähnliche Zeichen wie eben Ṭhet und Tau und andere „Paare“ nicht auf zwei unabhängige Bilder zurückgehen, sondern willkürlich durch Hinzufügung einzelner Striche unterschieden worden seien. Nach den Ausführungen dieses Buches ist das ganz irrig. Griffith hat in der Edition des Sign-Papyrus auf Seite 15 diese ganze Zeile versehentlich ausgelassen. Das Götterdeterminativ hat er regelmäßig mit dem Zeichen (A40) transkribiert, was ich hier beibehalten habe, auch wenn man jetzt wohl eher (R13) schreiben würde. Vgl. Endnote 91. Vgl. meinen Aufsatz „Die Namen der koptischen Zusatzbuchstaben und die erste ägyptische Alphabetübung“, in: Enchoria 26, 2000, 151–157. Osing, Nominalbildung, 11 mit Anm. 37. Das h im Buchstabennamen beruht auf einer Konvention, nach der das griechische R immer als behaucht gilt, vgl. Rhetor, Rheuma, Katarrh usw. L. A. Bange, A Study of the Use of Vowel-Letters in Alphabetic Consonantal Writing from c. 1700 B.C. to 500 B.C. (Diss. Oxford, 1961), München 1971. Osing, Nominalbildung, 11. Osing, Nominalbildung, 476/7. In der wissenschaftlichen Literatur werden Zweifel hinsichtlich des Alters der äthiopischen Buchstabennamen diskutiert, z. B. von Manfred Krebernik, „Buchstabennamen“ (vgl. Lit. zu Kap. 3, 2007), 152.
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So schon Spiegelberg in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 64, 1929, 93. Bereits Arthur E. Cowley hat den Buchstabennamen als Dualform erklärt, in: Journal of Egyptian Archaeology 15, 1929, 202, Fußn. 1. Till, Koptische Dialektgrammatik, § 37. Vgl. Osing, Nominalbildung, 408 ff. Vgl. Osing, Nominalbildung, 16, 2 c) β). Die griechische Schrift kennt kein eigenes Zeichen für den Laut /S/. Ägyptisches S und s werden gleichermaßen durch Sigma wiedergegeben. Die griechische Schule spricht sich s-cholē, (nicht Solē). Eine Metathese „der unüblichen Lautfolge μκ und partielle Assimilation“ nimmt auch Manfred Krebernik an (Lit. zu Kap. 3, 2007, 160). Vgl. Fecht, Wortakzent, § 233, Anm. 365. Osing, Nominalbildung, 266. Die seinerzeitige Aussprache des Zeta (ts oder ds oder sd) ist ein verwickeltes Problem, auf das ich nicht eingehen kann. In der syllabischen Schrift der 19.–21. Dynastie wird die Gruppe Dd für Di gebraucht (s. James E. Hoch, Semitic Words, 512). Assyrisch liSânu; das Wort ist noch im jiddischen mameloschn „Muttersprache“ (= Jiddisch) erhalten. Übrigens liegt hier vielleicht der Grund für das Mißverständnis hinsichtlich der Schriftrichtung, über die Herodot berichtet (II,26): Die Ägypter behaupteten trotz der Linksläufigkeit ihrer Schrift „nach rechts“ zu schreiben. bu-strophedon, d. h. wie das Rind (bus) die Furchen wechselt (strophe). Als Ägyptologe muß man sich daher bei asymmetrischen Zeichen einprägen, welcher Teil vorn oder hinten (nicht: rechts oder links) ist. Bei Menschen- und Tierzeichen ist das leicht, sonst manchmal schwierig. oft Deswegen findet man in ägyptischen Texten das s und das k „falsch“ herum geschrieben. Zur Bedeutung der Hieroglyphe O4 s. Katherine Eaton, „ ..... |tn.w n h“, in: Göttinger Miszellen 206, 2005, 29–32. Ludwig Morenz, Die Genese der Alphabetschrift, 220/1: „Dein Diener sei ruhig, indem die Familie leer ist, Die Leute giessen (Opfer) aus. Der Körper des Dp-Gefässes ist verschlossen, Der Proviant erhelle den Berg.“ Hierzu Fußn. 39: „Bei einer maximalen Sinnsetzung könnten alle drei Verse auf das Totenszenarium (‚leere Familie‘) mit einer Opferhandlung, bei der der Diener unbeteiligt bleibt, bezogen werden. Jeden-
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falls zeigen sich hier memorierbare Sinneinheiten.“ Morenz glaubt (221), die Reihenfolge der Buchstaben erklären zu können mit einem „Lehrinteresse eines für uns hypothetisch bleibenden Schriftreformers, durchmischt vielleicht mit einem gewissen Spieltrieb zur Sargbarmachung (sic, Verf.) eines buchstäblich spröden Textes.“ – Aus meiner Sicht ist das sehr gelehrt, aber weit entfernt von jeder Realität. Formulierung von Walter Burkert, Die Griechen und der Orient, München 32009, 24. H. S. Smith/W. J. Tait, Saqqâra Demotic Papyri I, 198 ff. (Die demotische Schrift erfindet erst im 3. Jh. v. Chr. eine Differenzierung zwischen den Konsonanten r und l.) Erik Iversen, Fragments of a Hieroglyphic Dictionary, Kopenhagen 1958. Vgl. Zauzich, „Die Namen der koptischen Zusatzbuchstaben und die erste ägyptische Alphabetübung“, in: Enchoria 26, 2000, 151–157. Quaestiones convivales, IX, quaest. III, § 11 = Plutarch, Moralia, Vol. IX, with an English Translation by Edwin L. Minar, Jr., F. H. Sandbach, W. C. Helmbold (= The Loeb Classical Library 425), Cambridge, Mass./London 1961, Reprint 1993, 234/5. Im griechischen Text ist nicht eindeutig, auf welches Nomen sich die Adjektive ἀναύδος/anaudos und ἀφθόγγος/ aphthongos beziehen; die vorliegenden Übersetzungen sind widersprüchlich. Da der Ibis zwar nicht singen kann, aber wie viele Storchenvögel durchaus nicht stumm ist, ziehe ich den Bezug auf „Buchstabe“ vor. Für einen Griechen zu Plutarchs Zeit war das H ebenso „stumm und tonlos“ wie für einen heutigen Franzosen das hache muet (stummes H). Den Nachweis, daß das Wort des Thot gemeint ist, will ich in einem eigenen Buch bringen, das ich demnächst zu veröffentlichen hoffe. Die Darstellung ist hier absichtlich etwas vereinfacht und schließt sich an ältere Grammatiken an. In der neueren Literatur wird die Umschrift der Mutae mit h vermieden und durch eigene Zeichen der internationalen Transkription ersetzt, weil nämlich die betreffenden Konsonanten nicht wirklich behaucht werden, sondern als Frikative oder Spiranten (Reibelaute) ausgesprochen werden. Der Unterschied zwischen Frikativen und Aspiranten (behauchten Konsonanten) ist in manchen Sprachen gering. Im Deutschen klingen der Frikativ /f/ und der Aspirant /ph/ praktisch gleich. Als aber die Kopten das griechische Alphabet
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übernahmen, mußten sie für das ägyptische /f/ ein neues Zeichen erfinden, weil ihnen das griechische /ph/ dafür nicht geeignet erschien. Vgl. Waw mit Erhaltung des ursprünglichen Vokals gegenüber Rho. An dieser Stelle sind aber weitere Forschungen nötig. Auf | als „Ausspruch (des Thot)“ und dessen überragende theologische Bedeutung will ich in einem anderen Buch zurückkommen; hier ist nicht der Platz, die These zu begründen. Nach einer immer noch gültigen Terminologie, die Adolf Kirchhoff bereits im Jahre 1867 eingeführt hat. Vgl. und . Daß hier Doppelkonsonanten vorliegen, ist allgemeine Auffassung. Im Laufe meiner Untersuchung sind mir jedoch Zweifel gekommen, ob das richtig ist, weil es ja eigentlich dem System des Alphabets (ein Zeichen = ein Laut) widerspricht. Vielleicht sollte man die 6 Zeichen ebenfalls als je einen Konsonanten ansehen, der den betreffenden ägyptischen Laut bezeichnet, wie ihn die Griechen gehört haben. Ich erlaube mir hier eine Vereinfachung, da die seinerzeitige Aussprache des Zeta ein schwieriges Problem ist. Man kann oft lesen, daß der Laut wie ds oder sd ausgesprochen werden soll. Der Laut ist gewiß zeitlich und örtlich unterschiedlich aufgefaßt worden. Zur Verwechslung des Zeichens fj mit dem Determinativ eines Rindes vgl. Kapitel 5.11 Kaph und Kap. 5.19 Qoph. Phi dient zur Wiedergabe griechischer Wörter mit diesem Konsonanten; es kommt in koptischen Wörtern nur im bohairischen Dialekt vor. Vgl. Endnote 104. S. hierzu Jeffery, Local Scripts, 38 ff. Jeffery, Local Scripts, 38. Vgl. James E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period, 506 ff. Vgl. auch die demotische syllabische Schrift des P. Amherst 63. Vgl. Zauzich, „Die Namen der koptischen Zusatzbuchstaben und die erste ägyptische Alphabetübung“, Enchoria 26, 2000, 151–157. Vgl. die in der vorhergehenden Endnote genannte Arbeit. Zum vermuteten Fehler Di(d) statt Da(d) vgl. Kap. 6.2. Spiegelberg, Demotische Denkmäler II, CGC 1906, 125–127, Taf. LVII; vgl. Zauzich, „Ein antikes demotisches Namenbuch“, in: A Miscellany
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of Demotic Texts and Studies (= The Carlsberg Papyri 3), Kopenhagen 2000, 27–52. Der wichtigste Zeuge für die späte Verwendung der syllabischen Schrift ist m. E. der Papyrus Amherst 63, vgl. Kapitel 1.3.1. Wenn ich es recht sehe, ist den meisten Ägyptologen dieser späte Gebrauch der syllabischen Schrift nicht bewußt, weil der Papyrus Amherst 63 nur wenig bekannt ist. Allerdings weist der Papyrus Amherst 63 einige Zeichen auf, die nicht in früheren Texten vorkommen. Vleeming und Wesselius (1990, 16–17) haben deshalb bestritten, daß die Schrift des Papyrus in die Tradition der syllabischen Schrift gehört. Ein abschließendes Urteil wird erst nach der vollständigen Publikation des Papyrus möglich sein. James E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period, Princeton 1994. Vgl. Endnote 128. Zum Beispiel Barry Powell, Homer and the Origin of the Greek Alphabet, Cambridge 1991. Zu diesem Buch und vergleichbaren Texten, die alle vorgriechischen Schriftsysteme für wenig leistungsfähig halten und dabei oft schlichte Unkenntnis bezeugen, hat Joachim F. Quack alle aus ägyptologischer Sicht notwendigen Gegenargumente zusammengetragen in seinem Artikel „Die Rolle der Hieroglyphen in der Theorie vom griechischen Vokalalphabet“, in: Wolfgang Ernst, Friedrich Kittler (Hrsg.), Die Geburt des Vokalalphabets aus dem Geist der Poesie, München 2006, 75–98. Ähnlich eurozentrisch sind Forschungen von Eric A. Havelock (1903–1988), die auf die „Geburt der Philosophie aus dem Geiste der Schrift“ abzielen. Wer nie eine altorientalische Sprache gründlich studiert hat, sollte sich hüten, ein Urteil über die Möglichkeiten der alten Schriften hinsichtlich tiefer Gedanklichkeit, kunstfertiger Poesie und schneller Lesbarkeit abzugeben! Im übrigen sollte man bedenken, daß eine so bildhaltige Schrift wie die ägyptische Hieroglyphenschrift gedankliche Möglichkeiten bietet, die Alphabetschriften nicht haben oder nur unter Schwierigkeiten herstellen können (Stichwörter: Kabbala, Gematrie). Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Havelock bietet Jan Assmann (Das kulturelle Gedächtnis, becksche reihe 1307, 7. Aufl. München 2013, 259 ff.). Unter dem Archon Eukleides, vgl. Hellenic Ministry of Culture, The Greek Script. Die griechische Schrift, Athen 2001, 64. S. Endnote 176.
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Der Kreter Dosiades (3./2. Jh. v. Chr.) behauptet, das Alphabet sei auf Kreta erfunden worden. (Aber Vorsicht: „Alle Kreter sind Lügner“!) Während Dornseiff diese Aussage für wenig glaubwürdig hält und sie unausgesprochen dem Lokalpatriotismus des Autors zuschreibt, sieht Haarmann eine gewisse Berechtigung für die Aussage des Dosiades, vgl. Franz Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie (1925), 9 und Harald Haarmann, Universalgeschichte der Schrift (1990), 283. W. Röllig, „Nordsemitisch – Südsemitisch? Zur Geschichte des Alphabets im 2. Jt. v. Chr.“, in: Israel Oriental Studies 18, 1998, 79–88; J. Tropper, „Ägyptisches, nordwestsemitisches und altsüdarabisches Alphabet“, in: Ugarit-Forschungen 29, 1997, 183–198. Die Ableitung der ugaritischen Schrift vom Hieratischen hat zum ersten Male wohl Carleton T. Hodge versucht: „The Hieratic Origin of the Ugaritic Alphabet“, in: Anthropological Linguistics 11.9, Dec. 1969, 277–289. (Ich danke meinem Schüler Prof. Steve Vinson an der Bloomington University für die Beschaffung dieses in Würzburg nicht vorhandenen Artikels.) Allerdings sind die Vorschläge von Hodge weitgehend inakzeptabel. Nur in zwei Fällen stimme ich ihm zu, nämlich bei He und ReS. Diese Zustimmung beruht allerdings darauf, daß Hodge sich hier den Vorschlägen der Vertreter der hieratischen Theorie angeschlossen hat. (Grundsätzlich bedenklich an der Arbeit ist die Heranziehung von graphischen Formen des Papyrus Edwin Smith, weil dieser nicht hieratisch geschrieben ist, sondern in kursiven Hieroglyphen der medizinischen Texte und des Totenbuches.) Ein Aufsatz von B. Rosenkranz (in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 92, 1938, 178–182) kommt teilweise zu ähnlichen Vorschlägen, wie sie hier vorgetragen werden, doch geht er von der Standardtheorie aus. http://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/dmg/periodical/structure/73473 Die Form des Zeichens in dem von mir benutzten Font ist nicht ganz korrekt. Der mittlere Keil sollte nicht neben, sondern ein wenig zwischen den linken Keilen stehen, etwa so . Ludwig D. Morenz, Die Genese der Alphabetschrift, 194 ff. Auch wenn ich meine Arbeiten zum Karischen jetzt selbst als „Jugendsünde“ betrachte, war der eingeschlagene Weg über die ägyptischkarischen Bilinguen doch im Prinzip richtig. Ich bestehe auf meiner Priorität hinsichtlich der Bestimmung der Buchstaben p und s. Vgl. meine
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Arbeiten „Entzifferung der karischen Schrift“, in: Akten des XIII. Internationalen Papyrologen-kongresses Marburg/Lahn, 2. bis 6. August 1971 (= Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und Antiken Rechtsgeschichte, 66. Heft, München 1974), 489–497 sowie Einige karische Inschriften aus Ägypten und Kleinasien und ihre Deutung nach der Entzifferung der karischen Schrift, Wiesbaden 1972. Hier schließt sich dringend die Frage an, ob ein mit dem Zeichen geschriebenes Wort als ein sinnvolles semitisches Wort erkannt werden kann. Mit allem Vorbehalt erwäge ich, das Ende der senkrechten Inschrift vom Wadi el-Hôl als rbt l Skb „Herrin des Lagers“ zu lesen. Natürlich kann das Bybloszeichen seine Form nicht einem demotischen Zeichen verdanken, weil es ja viele Jahrhunderte älter ist. Aber das demotische Zeichen zeigt, wie die Ägypter selbst die entsprechende Hieroglyphe vereinfacht schreiben konnten. Nicht ganz unähnliche hieratische Schreibungen finden sich schon in der 12. Dynastie (Möller, Hieratische Paläographie I, 319). Dunand, Byblia Grammata, Fig. 29. Vgl. Osing, Nominalbildung, 143 mit Anm. 648. Ich gebe zu, daß die Vokalisierung des Ortsnamens stört, denn nach allem, was wir wissen, hatte die erste Silbe des Ortsnamens Byblos den Vokal /u/. Unüberwindlich scheint mir der Widerspruch nicht zu sein, zumal wenn man bedenkt, daß die Datierung der Inschriften nicht wirklich sicher ist. Vgl. Stefan Wimmer, Palästinisches Hieratisch (= Ägypten und Altes Testament 75), Wiesbaden 2008. Natürlich haben sich auch die hieratischen Zahlzeichen bis hin zu den demotischen im Laufe der Jahrhunderte verändert. Eine detaillierte Untersuchung unter Einbeziehung der aramäischen Zahlen könnte vielleicht herausfinden, auf welche aramäischen (< phönizischen < hieratischen) Zahlzeichen aus welchem Jahrhundert und aus welcher Gegend die Kharoṣṭhī-Zahlen zurückgreifen. Nach einem Vortrag, den ich 2002 für die Schweizerische Gesellschaft für Orientalische Altertumswissenschaft in Zürich gehalten habe, sagte ein renommierter Professor – ich kenne seinen Namen – recht unkollegial: „Der Vortrag war ja das Dümmste, was ich je gehört habe.“ Solche Emotionalität schließt jede vernünftige Diskussion aus.
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Stefan Wimmer, Palästinisches Hieratisch (= Ägypten und Altes Testament 75), Wiesbaden 2008. Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen, 21991, 377. Vgl. Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen, 21991, 376/7. Eine sehr hilfreiche Zusammenstellung „Alte Zahlzeichen aus aller Welt“ findet man auf einer Seite von Norbert Bartz, die freilich nicht ganz frei von kleinen Ungenauigkeiten ist: http://www.obib.de/Schriften/AlteSchriften/alte_schriften.php?Fonts.ht ml~Text. Vgl. Andrew Glass, A Preliminary Study of Kharoṣṭhī Manuscript Paleography, 2000, bequem zugänglich unter dem URL: . So hat man sich seit der 22. Dynastie darum bemüht, die hieratischen Zeichen wieder mehr den Hieroglyphen anzunähern, vgl. Georg Möller, Hieratische Paläographie III, 1911, 1 ff. Die Angaben beruhen auf Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen, 21991, 273 und sind vermutlich veraltet. Ich kann der Sache hier nicht weiter nachgehen. Die Frage müßte eigens untersucht werden. Es könnte sein, daß einzelne Zeichen vertauscht worden sind. So ähnelt z. B. die Brahmi-Ziffer für 40 = 30. 𑁞 der hieratischen/demotischen Ziffer Vgl. Friedhelm Hoffmann, „Astronomische und astrologische Kleinigkeiten IV: Ein Zeichen für ‚Null‘ im P. Carlsberg 32?“, in: Enchoria 29, 2004/5, 44–52.
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13. LITERATURANGABEN Hier finden Sie Literaturverweise zu einzelnen Kapiteln des Buches; Vollständigkeit ist nicht angestrebt. Das Internet erlaubt es, vor allem ältere Literatur am heimischen Computer zu lesen. Ich gebe daher, soweit mir bekannt, jeweils die URLs an. Diese müssen Sie nicht abschreiben, was bei längeren Adressen mühevoll und fehleranfällig ist, sondern Sie können Sie auf meiner Homepage unter „Hieroglyphen mit Geheimnis“ kopieren und direkt in die Adressleiste Ihres Computers eingeben. Sie bekommen so einen bequemen Zugang zu den betreffenden Arbeiten, soweit diese 2013 und hoffentlich noch lange danach zugänglich sind. (Alle Links wurden vor der Abgabe des Manukripts im November 2013 auf ihre Funktion und rechtliche Unbedenklichkeit hin geprüft.) Da dieses Buch auch unter wissenschaftsgeschichtlichem Aspekt geschrieben wurde, ist die Literatur zu den einzelnen Kapiteln chronologisch angeordnet. Allgemeines http://lila.sns.it/mnamon/index.php?page=Home&lang=en 1883
Taylor, Isaac: The Alphabet. An Account of the Origin and Development of Letters, London, Nachdruck New Delhi/Madras 1991 http://www.unz.org/Pub/TaylorIsaac1883
1913
Marestaing, Pierre: Les écritures égyptiennes et l’antiquité classique, Paris
1925
Dornseiff, Franz: Das Alphabet in Mystik und Magie, 2. Auflage Leipzig/Berlin, Nachdruck Leipzig 1975 und 1998
1935
Jensen, Hans: Die Schrift in Vergangenheit und Gegenwart, Glückstadt/Hamburg. 3. Auflage Berlin 1969, Reprint 1984 und 1987
1944
Driver, G. R.: Semitic Writing from Pictograph to Alphabet (= The Schweich Lectures of the British Academy), Newly revised Edition 1976, edited by S. A. Hopkins
1948
Diringer, David: The Alphabet. A Key to the History of Mankind, London. 3. Auflage 1968
1952
Gelb, I. J.: A Study of Writing. A discussion of the general principles governing the use and evolution of writing, Chicago/London, 2. Auflage 1963
1957
Doblhofer, Ernst: Zeichen und Wunder. Die Entzifferung verschollener Schriften und Sprachen, Wien/Berlin/Stuttgart, 2. Auflage München 1964 (= dtv 161)
1965
Röllig, Wolfgang: „Die Keilschrift und die Anfänge der Alphabetschrift“, in: Studium Generale 18, 729–742 http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/1019/1/ Roellig_Die_Keilschrift_und_die_Anfaenge_1965.pdf
1966
Friedrich, Johannes: Geschichte der Schrift unter besonderer Berücksichtigung ihrer geistigen Entwicklung, Heidelberg
1968
Pfohl, Gerhard (Hrsg.): Das Alphabet. Entstehung und Entwicklung der griechischen Schrift (= Wege der Forschung, Band LXXXVIII), Darmstadt
1968
Ekschmitt, Werner: Das Gedächtnis der Völker. Hieroglyphen, Schrift und Schriftfunde auf Tontafeln, Papyri und Pergamenten, Berlin. 2. Auflage 1980
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1975
Pope, Maurice: The story of Decipherment From Egyptian hieroglyphic to Linear B, London
1982
Galeries nationales du Grand Palais 7 mai–9 août 1982: Naissance de l’écriture cunéiformes et hiéroglyphes, Paris
1990
Haarmann, Harald: Universalgeschichte der Schrift, Frankfurt/New York, 2. Auflage 1991
1992
Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen (= becksche reihe 1307), 7. Auflage 2013, München
1996
Robinson, Andrew: Die Geschichte der Schrift. Von Keilschriften, Hieroglyphen, Alphabeten und anderen Schriftformen, Bern/Stuttgart/Wien
2002
Schrift, Sprache, Bild und Klang. Entwicklungsstufen der Schrift von der Antike bis zur Neuzeit, Sonderausstellung Würzburg 23. April–31. August 2002, Würzburg
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Seipel, Wilfried (Hrsg.): Der Turmbau zu Babel. Urprung und Vielfalt von Sprache und Schrift, Band IIIA: Schrift. Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien für die Europäische Kulturhauptstadt Graz
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Houston, Stephen D. (Hrsg.): The First Writing. Script Invention as History and Process, Cambridge
Kapitel 1.1: Die hieroglyphische Schrift http://lexicity.com/egyptian-language-resources.html http://scriptsource.org/cms/scripts/page.php?item_id=script_detail&key=Egyp 1822
Champollion, Jean-François: Lettre à M. Dacier relative à l’alphabet des hiéroglyphes phonétiques, Paris http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k396352.r=egypt.langEN Nachdruck mit einem Nachwort von Wolfgang Müller, Aalen 1963 (= Milliaria, 2)
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Lepsius, Carl Richard: Lettre à M. le professeur H. Rosellini sur l’alphabet hiéroglyphique, Rom
1912
Erman, Adolf: Die Hieroglyphen, Berlin/Leipzig (= Sammlung Göschen 608), Reprint 2010 (bei de Gruyter zum phantastischen Preis von 94,95 Euro)
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Sethe, Kurt: „Der Ursprung des Alphabets“, Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften Göttingen 1916 Heft 2, Berlin
1921
Spiegelberg, Wilhelm: „Herodot’s Charakteristik der ägyptischen Schrift“, in: Hermes 56, 434–438
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Erman, Adolf/Grapow, Hermann: Wörterbuch der ägyptischen Sprache, Band I–V (hier abgekürzt als Wb) http://www.egyptology.ru/lang.htm Das Wörterbuch wird fortgesetzt im Thesaurus Linguae Aegyptiae http://aaew.bbaw.de/tla/index.html (für den Zugang muß man auf das Bild klicken)
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Boas, George: The Hieroglyphics of Horapollo. Translated by G. B. (= Bollingen Series 23), New York. Nachdruck Princeton 1993 (mit einem neuen Vorwort von Anthony Grafton)
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Gardiner, Sir Alan: Egyptian Grammar Being an Introduction to the Study of Hieroglyphs, Third Edition, London (1. Auflage 1927). Die Zeichenliste ist im Internet in deutscher Übersetzung zugänglich: http://de.wikipedia.org/wiki/Gardiner-Liste#
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Fecht, Gerhard: Wortakzent und Silbenstruktur. Untersuchungen zur Geschichte der ägyptischen Sprache (= Ägyptologische Forschungen 21), Glückstadt u. a.
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Osing, Jürgen: Die Nominalbildung des Ägyptischen, Mainz
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Zauzich, Karl-Theodor: Hieroglyphen ohne Geheimnis. Eine Einführung für Museumsbesucher und Ägyptentouristen, Mainz (= Kulturgeschichte der Antiken Welt, Band 6), 12. Auflage 2012, Darmstadt/Mainz
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Schlott, Adelheid: Schrift und Schreiber im Alten Ägypten, München
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Winter, Erich: „Hieroglyphen“, Reallexikon für Antike und Christentum, Lieferung 113, Stuttgart, Spalte 83–103
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Hoch, James E.: Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period, Princeton
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Eco, Umberto: Die Suche nach der vollkommenen Sprache, München (besonders Kap. 7)
1995
Hannig, Rainer: Großes Handwörterbuch Ägptisch–Deutsch (2800–950 v. Chr.) (= Kulturgeschichte der Antiken Welt Band 64), Mainz
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Hannig, Rainer/Vomberg, Petra: Wortschatz der Pharaonen in Sachgruppen (= Kulturgeschichte der Antiken Welt Band 72, Hannig-Lexica 2), Mainz
2000
Hannig, Rainer: Großes Handwörterbuch Deutsch–Ägyptisch (2800–950 v. Chr.) (= Kulturgeschichte der Antiken Welt, Band 86, Hannig-Lexica 3), Mainz
2001
Thissen, Heinz Josef: Des Niloten Horapollon Hieroglyphenbuch. Band I Text und Übersetzung (= Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete, Beiheft 6), München/Leipzig
2002
Zauzich, Karl-Th.: „Von Bildern zu Hieroglyphen“, in: Schrift, Sprache, Bild und Klang. Entwicklungsstufen der Schrift von der Antike bis in die Neuzeit, Katalog der Sonderausstellung Würzburg 23. April–31. August 2002, 39–48
2003
Hannig, Rainer: Ägyptisches Wörterbuch I Altes Reich und Erste Zwischenzeit (= Kulturgeschichte der Antiken Welt, Band 98, Hannig-Lexica 4), Mainz
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Thesaurus Liguae Aegyptiae http://aaew.bbaw.de/tla/index.html (für den Zugang muß man auf das Bild klicken)
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Ein
Markstein
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